Eine von 18 markanten deutschen Baumstationen

Kaiser-Lothar-Linde hatte japanischen Besuch
Königslutter.
Japaner, die auf der Messe eine Maschine fotografieren oder in Heidelberg und Köln eine Sehenswürdigkeit, hat wohl jeder schon einmal gesehen, weniger wohl Japaner, die Bäume aufs fotografische Korn nehmen. Aber manchmal sind eben auch die eine Sehenswürdigkeit.
Das kann man jedenfalls von der Kaiser-Lothar-Linde sagen, die kürzlich Besuch vom japanaischen Starfotografen Shigeru Yoshida und weiteren 14 Fotografen hatte. Sie fotografierten den eindrucksvollen Baum fasziniert. Aufmerksam wurden sie auf die Kaiser-Lothar-Linde durch ein Buch von Stefan und Uwe Kühn sowie Bernd Ullrich, die in einem Bildband 150 besondere Eichen, Linden, Buchen, Erlen und Kastanien Deutschlands beschrieben und darstellten.
Der Biologe Stefan Kühn führt über sie im Deutschen Baumarchiv Göttingen seit 1985 Buch. 18 dieser markanten „Umweltwunder” standen nun auf der ungewöhnlichen Reiseroute der japanischen Gäste durch ganz Deutschland, die Shigeru Yoshida ausgesucht hat. Seine Fotos will er für Plakate und Postkarten verwenden. Seine treuesten Fans begleiteten ihn, und wen wundert es, auch sie alle hatten Kameras dabei, um es ihrem Meister gleich zu tun. Zwei von ihnen schnappten sich zu Beginn gleich ein Metermaß und stellten den erstaunlichen Umfang von 15 Metern bei der Kaiser-Lothar-Linde fest, den der Kaiser im Jahr des Baubeginns seines Kaiserdoms im Jahr 1135 gepflanzt haben soll.
Dieses und anderes Wissenwertes über Kaiser und Königslutter vermittelten den japanischen Reisenden die Tourismusbeauftragte der Stadt, Gundula Joecks, und Gästeführerin Proetzel, übrigens auch bewunderswert: in sauberem Englisch.    bs

Nachdem sie selbst mit ihren Kameras die Kaiser-Lothar-Linde „unter Beschuss” genommen hatten, stellten sie sich unter dem mächtigen Baum zum „Familienfoto”. Foto: Bernd Schunke


Veröffentlicht in:
Der Stadtbüttel. Mitteilungsblatt der Stadt Königslutter. November 2009. S. 3



Die alte Linde neben dem Kaiserdom

Die Kaiser-Lothar-Linde in Königslutter

"Du mußt doch endlich einmal begreifen, was das für ein Kosmos ist, von dem du ein Teil bist, und wer der Gestalter der Welt ist, als dessen Ausstrahlung du ins Leben tratst!" Dies schrieb der römische Kaiser Marc Aurel vor 1830 Jahren im Feldlager an der Donau für seinen Sohn nieder. Man möchte dieses Begreifen auch heute manchen Menschen wünschen. Es scheint aber ebenso schwer zu vermitteln sein wie damals. Grundlage des Begreifens bleibt immer die Anschauung. Begriffe ohne Anschauung sind leer. Bei der reichhaltigen und "reizvollen" Bildfülle, die uns umgibt, bleibt kaum Möglichkeit zu tieferem, geschweige denn, kosmologischem Empfinden oder Besinnen. Aber so, wie es Sternstunden der Menschheit gab und gibt, erlebt auch der Einzelne Augenblicke starker Ergriffenheit beim überraschenden Anblick von etwas Großartigem.

Kürzlich stand ein Ehepaar aus Düsseldorf stumm und staunend vor der Kaiser-Lothar-Linde in Königslutter. Die beiden hielten einander an der Hand und wahrscheinlich auch den Atem an. Nachdem sich ihre Blicke vom blühenden Baum gelöst hatten, suchte ein jeder zuerst im Gesicht des Partners den Glanz der Augen, den Ausdruck freudiger Ergriffenheit. Dann fiel ihr Blick auf der Suche nach jemand, mit dem man das Wunderbare teilen könne, auf mich, und so begann eine Bekanntschaft zwischen Bewunderern bedeutender Bäume.

Sie hatten auf der Anschlagtafel im Kaiserdom das Gedicht "Die Lotharlinde in Königslutter" gelesen und wollten nicht zu den Massen zählen, die die Modewelle durch dies Haus schwemmt, und die den Gang zur Linde auslassen. Sie wollten diesen Riesenstrauß auf hohlem Stamm sehen, prüfen, ob er wirklich ellenlangen Maiwuchs getrieben hatte, und alles wissen, was in diesen Versen frei nach Ludwig Uhlands "Die Ulme zu Hirsau" (1829) nicht gesagt wurde.

Also, die Mönche des Stammklosters der Hirsauer Reformer hatten als Symbol für gedeihliches Sprießen ihrer Erneuerungsbewegung eine Ulme in ihrem Aureliuskloster an der Nagold gepflanzt. Das war 1078, als Abt Wilhelm von Hirsau (1069-1091) sein Kloster der Cluniazenser-Reform anschloß. Da es auch in Cluny eine uralte Solitärlinde im Kloster gab, unter der Abaelard nach seiner Verurteilung von 1140 ausgeruht haben soll, ist anzunehmen, daß Baumpflanzung zum Zeichen des Anschlusses an die große Reformbewegung damals üblich war. Diese Tradition wurde von den Reformern im 16. Jahrhundert übernommen.

Die Kaiser-Lothar-Linde müßte also nach der Klostergründung vom 1. August 1135 als erstes Zeichen der Zugehörigkeit des neuen Konvents zur Hirsauer Reformbewegung gepflanzt worden sein. Sie war damit auch Zeichen der Gewinnung des Kaisers für deren Ideen !

Als am 12.10.1542 eine Delegation unter Johannes Bugenhagen das Kloster Königslutter der Reformation anschloß, wurden zum Zeichen dessen drei Linden vor der Kirche gepflanzt. Auch in Hirsau pflegte man diese Tradition und setzte 1534 die Reformationseiche vor dem Eingang zur Klausur.
Der große Baum im Kloster zu Wittenberg, den Ludwig Uhland in seinem Gedicht erwähnt, wird wahrscheinlich auch von den Reformatoren, vielleicht sogar von Luther selbst gepflanzt worden sein.
In Braunschweig stand bis zum 19. September 1894 ebenfalls eine alte große Linde auf dem Gelände des ehemaligen Blasiusstifts südlich des Domes. Der Sage nach soll Heinrich der Löwe sie eigenhändig gepflanzt haben. Vermutlich folgte der auf seine kaiserliche Abstammung stolze Herzog hier ebenso wie beim Burglöwen dem Vorbild von Königslutter. Ein Foto dieser Braunschweiger Heinrichslinde in einem Rahmen aus ihrer Rinde befindet sich im Städtischen Museum Braunschweig, und in Heinrich Vierordts Gedicht "Die Linde von Braunschweig" (1897) wurde sie als Lebensbaum der Welfen besungen, dessen letztes Lindenblatt beim Trauerzug für den letzten Herzog im Jahre 1884 fiel.

Die Kaiser-Lothar-Linde in Königslutter setzte in diesem ersten Jahr des dritten Jahrtausends weit mehr als dreitausend Blätter an und wird sicher auch von mehr als dreitausend Besuchern  bewundert werden. Und wenn darunter drei wären, die dadurch endlich einmal das begriffen, was Marc Aurel so sehr für seinen Sohn wünschte, dann würde auch der alte Glaube an die magische Kraft besonderer Bäume sich bestätigen.

 

Otto Kruggel
31.07.2001

 

 

Die Lotharlinde in Königslutter

Beim Grabe Kaiser Lothars
am klaren Lutterbach
trägt eine hohle Linde
ein breites Blätterdach.

Von Jahr zu Jahr vergrößert
der Baum den Baldachin,
erstaunt und schirmt die Pilger,
die täglich zu ihm ziehn.
Schon fast seit tausend Jahren
dehnt er sich stetig aus,
gut hundert Meter Umfang
hat heut der Riesenstrauß.

Zehn Männer knapp umspannen
des Astwerkträgers Rund,
und trotz des hohlen Stammes
ist dieser Baum gesund.
Treibt jedes Jahr den Maiwuchs
saftvoll bis ellenlang,
und um sein Fortbestehen
ist bisher niemand bang.

Genährt von Lutterwasser
und Klei vom Elmesrand
hielt unsre Lotharlinde
stets allen Stürmen Stand.
Als einst der Samen keimte,
den Sproß herausschob sacht,
wuchs nebenan ein Bauwerk
von Menschenhirn erdacht.

Ein Kaiserdom sollt's werden,
Pfarrkirche ist es nun
und mahnt mit seltnem Bildschmuck
zum einzig guten Tun.
Die Modewelle schwemmt heut
die Massen durch dies Haus,
doch allzuviele lassen
den Gang zur Linde aus.

Es lebt jedoch in beiden
für diesen kleinen Ort
der Geist von großen Zeiten
und großem Können fort.

 

Otto Kruggel

 

 

 

Kaiser Lothar-Linde

Heinz Röhr: "Die Kaiser-Lothar-Linde"

Die Kaiser-Lothar-Linde
Die Kaiser-Lothar-Linde auf dem Hof des ehemaligen Benediktinerstifts Königslutter gilt als eine der ältesten und dicksten Linden Deutschlands. Ihr Alter wird auf 800 - 1000 Jahre geschätzt. Ihr Umfang beträgt etwa 12 m, ihre Höhe wird mit 15 - 20 m, ihr Kronendurchmesser mit 25 - 30 m angegeben.

Diese Maße werden nur von ganz wenigen Linden in Deutschland übertroffen. Folgt man dem im Jahre 1982 im Landbuch-Verlag Hannover erschienenen Buch von Goerß „Unsere Baumveteranen", so gibt es noch nicht einmal 10 Linden in Deutschland, die älter (bis zu 1200 Jahren) und dicker (Umfang bis zu 24 m) sind. Dabei bleibt noch zu berücksichtigen, daß die Hälfte davon als Baum-Ruinen mit nur wenig grünenden Zweigen bezeichnet werden. Zu ihnen zählt zum Beispiel die 1 200-jährige Linde von Staffelstein mit einem Stammumfang von 24 m, zu den noch mit voller Krone erhalten gebliebenen alten Linden die Ortslinde von Heede im Emsland (Alter 1000 Jahre, Umfang 16 m, Höhe 30 m).

lm Mittelalter war das Pflanzen einer Linde zu besonderen Anlässen üblich. Die 12-Apostel-Linde in Gehrden bei Paderborn wurde wahrscheinlich im Jahre 1142 zur Klostergründung oder 1190 zur Einweihung der vollendeten Klosterkirche gepflanzt. Als Telgte in Westfalen im Jahre 1238 Stadtrechte erhielt, pflanzte man vor jedes der drei Stadttore eine Linde, von denen die Marienlinde erhalten blieb. ln Goslar wurde einer Linde das Leben geschenkt, als die Stadt im Jahre 1532 eine reformatorische Kirchenordnung erhielt und als 1585 ein sehr langer Stollen nach jahrelanger Arbeit fertiggestellt worden war, und von Kriemhild heißt es im Nibelungenlied: „Auch zog sie eine Linde, sie ist so hoch und breit, daß sie 500 Frauen gar dichten Schatten leiht." Daher erscheint es nicht unwahrscheinlich, daß die Kaiser-Lothar-Linde im Zusammenhang mit der Gründung des Benediktinerstifts Königslutter oder mit dem Bau des Kaiserdoms gepflanzt worden ist.

Für viele alte Linden, zum Beispiel für die 1 100-jährige Linde zu Upstedt bei Hildesheim oder für die 1 000-jährige Ortslinde von Pöhlde bei Duderstadt, konnte der Nachweis geführt werden, daß unter ihnen Gericht gehalten wurde. Das gilt auch für die Kaiser-Lothar-Linde in Königslutter, denn auch aus einer Akte des Niedersächsischen Staatsarchivs in Wolfenbüttel geht hervor, daß sich an dem ehemaligen Abtshaus, vor dem die Linde steht, das Halseisen, ein deutliches Zeichen der Gerichtsbarkeit, befunden hat.

Viele alte Linden, wie die 1 200-jährige Linde in Schenklengsfeld bei Bad Hersfeld oder die 600-jährige Linde von Bordesholm in Schleswig-Holstein, waren Tanzlinden. In den unteren Teilen des Baumes saß auf einem Gerüst die Kapelle, und darunter vergnügte sich das Volk bei Spiel und Tanz. Über die Kaiser-Lothar-Linde in Königslutter berichtet die Leipziger Illustrierte Zeitung im Jahre 1847, als Königslutter vorübergehend Kneipp-Kurort war, daß in ihren unteren Zweigen eine Gallerie eingebaut war, wo die Gäste ihr Mittagsschläfchen halten und sicher auch gut Kaffee trinken konnten.

Seit dem Jahre 1956 wird die Kaiser-Lothar-Linde als Naturdenkmal besonders geschützt. Jede Veränderung, vor allem das Ausästen, das Abbrechen von Zweigen, das Verletzen des Wurzelwerks oder jede sonstige Störung des Wachstums der Linde sind streng verboten. Notwendig sind dagegen zum Teil recht kostspielige Hilfsmaßnahmen zur Erhaltung der Linde. Daher haben häufig Baumchirurgen die Linde behandelt. Faules und morsches Holz wurde beseitigt, ein dicker Ast abgestützt, Plomben angebracht und der Zutritt zu der hohlen Linde durch ein Gitter versperrt. Auch mehrere Drahtseile wurden gezogen, um das Auseinanderbreohen der Linde zu verhindern. Durch diese und andere Sanierungsmaßnahmen hofft man die Kaiser-Lothar-Linde noch lange erhalten zu können.

                                                                              Heinz Röhr

veröffentlicht in:
Mooshölzmännchen 12/1988 S. 36-38

 

 

 



Wolfgang Meyer über die Kaiser-Lothar-Linde

*Gesendet:* Donnerstag, 07. Februar 2013 um 16:45 Uhr

*Von:* "Meyer-Ostbevern@t-online.de" <Meyer-Ostbevern@t-online.de>

*An:* info@kaiserdom-koenigslutter.info

*Betreff:* Kaiser-Lothar-Linde in Königslutter

 

Sehr geehrter Herr Kruggel,

 

wir haben gerade am Telefon über die alte Kaiser-Lothar-Linde von Königslutter gesprochen. Mein Interesse bzw. Anliegen können Sie am besten der folgenden Mail entnehmen, die ich 2010 an Prof. Biegel in Braunschweig gerichtet hatte; Herr Biegel hat mir darauf allerdings nie geantwortet. Ich meine jedoch, dass die von mir hier aufgezeigten Sachverhalte nicht vergessen und - auch von der Wissenschaft - mehr gewürdigt werden sollten. Auch beim letzten Jubiläumsjahr des Kaiserdomes habe ich keine Hinweise auf die alte Linde gefunden, was ich für befremdlich halte, da dieser Baum wahrscheinlich doch genau so alt wie die Kirche ist - und immer noch sehr lebendig. Wenn Sie noch mehr Informationen zu diesem Thema haben sollten und Leute kennen, die sich für diese Thematik interessieren, würde ich mich darüber bzw. entsprechende Kontakte sehr freuen. Ich bedanke mich schon jetzt für Ihre Mühe!

 

Mit freundlichen Grüßen,

Wolfgang Meyer

 

Anne-Frank-Str. 19, 48346 Ostbevern

 

Tel.: 02532-90444, eMail: Meyer-Ostbevern@t-online.de

 

„Sehr geehrter Herr Professor Biegel,

 

seit fast 30 Jahren interessiere ich mich nun schon als Amateur für das Phänomen der sog. *„/geleiteten Linden/“ bzw. "/Tanzlinden/"* und versuche, die Hintergründe dieser sonderbaren Bäume zu erforschen. Die Äste wurden bei diesen Bäumen mit Hilfe von Balkengerüsten und durch regelmäßiges Zurückschneiden waagrecht gezogen bzw. in Form von Astkränzen geleitet. Oft wurden auch mehrere dieser Astkränze stufenförmig übereinander ausgeformt, das sind die sog. „/Stufenlinden/“. Bei den sog. „/Tanzlinden/“ hatte man sogar im Baum selbst, also auf dem 1. Astkranz, Plattformen eingerichtet, auf denen getrunken, gespeist, gepredigt, musiziert oder auch getanzt werden konnte. Davon existieren heuteaber nur noch sehr wenige Exemplare. Einige allgemeine Informationen zum Thema können Sie im Internet unter http://de.wikipedia.org/wiki/Tanzlinde und http://www.tanzlinde-peesten.de/ finden. Dieses Brauchtum ist wohl früher einmal in Deutschland sehr verbreitet gewesen, gerät inzwischen aber zunehmend in Vergessenheit – leider auch bei der Fachwissenschaft. Solche Bäume findet man heute noch vor allem noch in Franken, Thüringen und Nordhessen. Für Norddeutschland scheint eine gewisse Fundleere vorzuliegen, an die ich aber nicht ganz glauben möchte.

 

Die alte *Kaiser-Lothar-Linde in Königslutter* hat früher wohl auch einmal zu den "geleiteten Linden" gehört. Im Buch "Deutschlands Alte Bäume" (Kühn et al., BLV, 2004) kann man über diesen Baum lesen: "/Sie steht im Klosterhof des ehemaligen Benediktinerstifts mit seiner berühmten romanischen Stiftskirche, allgemein Kaiserdom genannt, die Kaiser Lothar III. 1135 aus dem damals heiß begehrten Elmkalkstein erbauen ließ. Wenn die Sage stimmt, wonach der Kaiser die Linde selbst gepflanzt hat, so müsste sie vor 1137, seinem Todesjahr, gepflanzt worden sein. Daraus ergäbe sich ein Alter von fast 900 Jahren./ /An der Südwand der so genannten neuen Abtei befand sich noch im 18. Jh. ein Halseisen, ein handfester Hinweis darauf, dass im Schatten der Linde einst Gericht gehalten wurde. Zudem war die Linde auch eine „Tielinde“, unter der man sich bei wichtigen öffentlichen Angelegenheiten versammelte. Die Benediktinermönche hielten hier im Mittelalter regelmäßig ihre Armenspeisungen ab./ /Doch um 1750 war das Kloster aufgegeben und im Verfall begriffen. Der Königslutterer Stadtphysikus Dr. Bauer richtete in den Gebäuden eine Kaltwasserheilanstalt im Geiste Kneipps ein. Die „Leipziger illustrierte Zeitung“ berichtete 1847 über das rege Badeleben, das sich bald rings um die alte Linde entfaltete: „In diesem Klostergarten, unter seinen Laubengängen und alten ehrwürdigen Bäumen, versammeln sich gegenwärtig die Badegäste, um die vom kalten Wasser geraubte Wärme durch Bewegung wieder zu gewinnen. Unter der großen, Jhe. alten Linde, welche vor dem Kurhause steht und in deren weit ausgestreckten Zweigen eine Galerie gebaut ist, in welcher man kühle Nachmittagsruhe findet und im Dufte der Lindenblüten schlummern kann, sammeln sich die Gäste um einen altersgrauen Steintisch“ .../"

 

/„War sie früher eine Tanzlinde?“/fragen sich /Kühn et al./ dann auch in ihrem neueren Buch „/Unsere 500 ältesten Bäume/“ (/2009/), leider ohne aber näher darauf einzugehen. Die Linde soll vor über 800 Jahren von Kaiser Lothar persönlich gepflanzt worden sein, was mir durchaus als möglich erscheint. Eine künstliche waagrechte Astleitung und eine regelmäßige Beschneidung sind hier wohl - wie bei vielen anderen Linden in Deutschland - von Anfang an und über Jahrhunderte hinweg sorgfältig gepflegt worden. Man kann es m.E. sogar noch an der heutigen Aststruktur erkennen. Die o.a. im Baum eingebaute "Galerie" stellte wahrscheinlich eine sehr alte Nutzung dar; sie wird kaum nachträglich als modisches Baumhaus für den Badebetrieb im 19. Jh. hergestellt worden sein. Solche Plattformen sind manchmal auch als Podest für Musiker genutzt worden, wofür es sogar für Königslutter noch alte Hinweise gibt. Solche "Tanzlinden" sind in Niedersachsen nur sehr selten nachzuweisen. Die Bezeichnung ist etwas irreführend und ich behaupte nicht, dass auf diesem Baum getanzt worden ist, aber: Wofür wurde dort musiziert? Auch zu einer Gerichtslinde würde ein solch merkwürdiges Brauchtum passen, für eine „Tielinde“ halte ich sie dagegen nicht. Wenn noch mehr über die frühere Gestaltung des Baumes und das dort praktizierte Brauchtum herauszufinden wäre, würde das die alte Linde sicher in ein völlig neues Licht rücken. Eigentlich sollte man diese Linde beim diesjährigen 875 Jahr-Jubiläum in Königslutter noch etwas stärker würdigen.

 

Das ist aber noch nicht alles: Auch *in* *Braunschweig* hat es einmal einen solchen Baum gegeben, es handelt sich um *die Heinrichslinde.* Sie ist leider schon im Jahr 1894 zusammengebrochen, wurde in Braunschweigaber einmal sehr verehrt. Über ihr früheres Aussehen habe ich leider noch nichts Näheres herausfinden können. Die älteste mir bisher bekannte Abbildung datiert aus dem Jahr 1885 (Gartenlaube) und eine künstliche Astleitung kann ich zumindest auf diesem Bild nicht erkennen. Trotzdem sind die folgenden Parallelen zu Königslutter bemerkenswert:

- die Heinrichslinde wurde angeblich schon im Jahr 1172 und

- durch Heinrich den Löwen eigenhändig hier angepflanzt,

- sie stand einmal südlich vom Dom und damit

- nahe bei seiner späteren Grablege.

Bis 1757 sollen hier auf einem Friedhof noch Beerdigungen stattgefunden haben, der benachbarte Kreuzgang – sogar dies ist eine Analogie zu Königslutter – wurde 1830 abgebrochen. Hat auch die Heinrichslinde einmal einen früheren Gerichtsplatz markiert?

 

Handelte es sich bei diesen beiden Bäumen etwa um alte Herrschaftszeichen, vielleicht eine Art Stammbaum mit tiefer symbolischer Bedeutung?

 

Vielleicht habe ich Ihr Interesse geweckt und Sie können mir bei der Beantwortung meiner Fragen weiterhelfen. Ich würde mich jedenfalls über einen weiteren vertiefenden Austausch freuen und bin daher sehr gespannt auf eine Nachricht von Ihnen!

 

Mit freundlichen Grüßen

Wolfgang Meyer“