Ranke/Kugler: Klosterkirche zu Drübeck

Die Klosterkirche zu Drübeck.

Das Kloster Drübeck ist im letzten Viertel des neunten Jahrhunderts von der Gräfin Adelbrin gestiftet und von deren Brüdern,
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den Grafen Theti und Wikker ferner ausgestattet worden, worauf König Ludwig der Jüngere, am 26. Januar 877, zu Frankfurt eine Befreiung- und Immunitäts-Urkunde für dasselbe ausfertigen ließ. An späteren Urkunden über das Kloster ist für unsern Zweck nicht Bedeutendes vorhanden. Heinrich II. nennt es im J. 1004 "insigne monasterium". In der ersten Hälfte des zwölften Jahrhunderts stand Drübeck in dem Ruf größerer Zucht und Ordnung, und der Landgraf von Thüringen sah sich bewogen, seine Tochter dahin zu geben (es war ein weibliches Stift), so daß es auch in dieser Zeit bedeutende Mittel besessen haben dürfte  *).

Die Kirche, in jenem mehr entwickelten Basiliken-Styl erbaut, gehört, ihrer ursprünglichen Anlage nach, in die zweite Hälfte des elften Jahrhunderts (vergl. oben). Doch hat sie im Laufe der Zeit bedeutende Veränderungen erlitten. Zunächst nemlich ist mit ihr in der Periode des ausgebildeten byzantinischen Styles (in der zweiten Hälfte des zwölften Jahrhunderts) eine fast durchweg umgestaltende Veränderung vorgenommen worden, so jedoch, daß man hier immer noch das Ursprüngliche erkennen kann. Sodann ist der Chor in gothischem Style, jedoch einfacher Art, neugebaut, - endlich sind in neuerer Zeit die Seitenschiffe und die Flügel des Queerschiffes abgerissen und die entstandenen Lücken mit eingezogenem Mauerwerk (so daß die Bogenstellungen des Schiffes auf der einen Seite halb in diesen Mauern, auf der andern unmittelbar davor stehen) ausgefüllt worden.

Für die ursprüngliche Anlage dieser Kirche sind demnach vornehmlich nur noch die Bogenstellungen des Schiffes interessant. Hier wechselt je eine Säule mit einem viereckigen Pfeiler, so daß auf jeder Seite drei Säulen und zwei Pfeiler zwischen ihnen befindlich sind. Gegenwärtig sind nur noch die Pfeiler (unter sich und mit den Wandpfeilern, welche die Bogenstellungen beschließen) durch große Halbkreisbögen verbunden; die Säulen stehen frei zwischen ihnen, ohne etwas zu tragen. Unstreitig deutet dies auf eine ähnliche Einrichtung
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*) Nach brieflichen Mittheilungen des Hrn. Reg.-Direktors Delius zu Wernigerode, aus den im dortigen Archiv befindlichen Urkunden.

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wie die, welche sich im Schiff der Kirche der Huyseburg erhalten zeigt, und die Säulen waren gewiß in derselben Weise mit den nächststehenden Pfeilern durch kleinere Halbkreisbögen verbunden, welche den Raum unter dem großen Bogen ausfüllten. Wie es scheint, wurden diese kleineren Bögen erst bei den letzten Veränderungen der Kirche herausgenommen, da man wenigstens auf der Nordseite in den somit gewonnenen großen Bogenöffnungen Fenster angelegt hat. - Die Kapitäle dieser Säulen sind (soweit ihre ursprüngliche Gestalt erhalten ist) mit einem Blattwerk, zumeist auch mit kleinen Voluten, geschmückt, was noch immer an die Formen der antiken Kunst erinnert und nichts von speziell byzantinischer Verzierungsweise enthält; die Blätter sind wenig ausladend, von nicht sonderlich genauer Zeichnung, doch schon recht gut ausgearbeitet; an einigen dieser Blätter wird, was als besondere Eigenthümlichkeit zu bezeichnen ist, die mittlere Rippe derselben durch ein Kreuz von nicht starkem Relief gebildet. Das Deckgesims dieser Kapitäle hat durchweg dieselbe Form: eine Platte und eine große, scharf vorspringende Schmiege; letzteres Glied ist allenthalben mit einer, Voluten- oder Muschel-förmig gekrümmten Rankenverzierung geschmückt. -

Eine bedeutende Veränderung erhielt diese Anlage, wie bemerkt, in der späteren Zeit des byzantinischen Styles, und zwar zunächst durch die Bedeckung mit einem rundbogigen Kreuzgewölbe. Letzteres ist zwar (ebenso wie das spitzbogige Gewölbe des Chores) nicht mehr vorhanden, doch sind die Spuren seines Ansatzes an den Wänden noch deutlich zu erkennen. Daß dasselbe nicht ursprünglich zur Anlage der Kirche gehörte, geht außer andren Umständen, auch daraus hervor, daß die älteren, in regelmäßigen Abständen angeordneten Fensterreihen an den oberen Wänden des Mittelschiffes (deren Spuren man noch am Aeußeren deutlich sieht), um dem Ansatz der Gewölbe genügenden Platz zu verschaffen, vermauert und statt ihrer andre, eben wie jene im Halbkreisbogen überwölbte Fenster in den Lünetten des Gewölbes eröffnet wurden. Erhalten sind von dieser Anlage nur noch die, oberhalb der Pfeiler des Schiffes vorspringenden Pilaster, welche die Gurte des Gewölbes unterstützten; sie ruhen auf Consolen, welche zierlich, im Style der entwickelt byzantinischen Kunst, ornamentirt
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sind; sie selbst sind auf eine geschmackvolle Weise, mit Halbsäulchen auf den Ecken, gegliedert. - Gleichzeitig mit diesen Umänderungen ist auch die Anlage der großen Nische am West-Ende des Mittelschiffes, die in den reichen Gliederungen der Pfeiler, welche zu dieser Nische führen, und in dem Charakter des dabei angewandten Ornamentes ebenfalls den Styl der späteren byzantinischen Periode erkennen läßt.

Indem hiedurch der Kirche schon ein wesentlich verschiedenes Aussehen gegeben war, bestrebte man sich jedoch, auch den älteren Theilen derselben einen mit dem Styl der neuen Theile harmonirenden Charakter zu geben, und man wandte dabei ein Mittel an, welches in der Geschichte der mittelalterlichen Architektur gewiß als ein höchst seltnes Beispiel erscheint. Man umgab nemlich die, wie es scheint: durchweg ganz wohl erhaltenen Kapitäle und Deckglieder der Säulen des Schiffes mit einem festen Stuck, in welchem sodann neue Ornamente, dem Style der Zeit gemäß, ausgegraben wurden. So stehen noch gegenwärtig einige dieser umgewandelten Kapitäle in ihrer vollständigen Form, beträchtlich stärker als die älteren, da; bei den meisten jedoch ist der Stuck gänzlich oder in größeren oder geringeren Massen wieder herabgefallen, und sie zeigen nun die alte Form und das darüber gezogene neue Gewand in friedlicher Ruhe nebeneinander (Vgl.Taf.VII, 1.).  Die neubyzantinischen Ornamente der Kapitäle bestehen in phantastischen Köpfen, mit Blattwerk arabeskenhaft verbunden, in üppig geschweiften Blattgewinden u. dgl.; ebenso sind die Deckgesimse zum Theil mit zierlich bunten Verzierungen versehen  *). Wie aber dieses technische Verfahren, so ist nicht minder der, dem Mittelalter sonst so fremde feindliche und bis zum Uebermuth gesteigerte Sinn, mit dem hier die alte, an sich ganz gute Form verdeckt ward, höchst auffallend und läßt schon hierin mit Bestimmtheit
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*) Wir bedauern sehr, daß wir mit den Resten des Klosters von Ilsenburg, namentlich den großartigen Säulenhallen daselbst, vermuthlich Kapitelsaal und Refektorium, deren Kapitäle ebenfalls von Stuck sein sollen, nicht bekannt geworden sind. Hier ist es geschichtlich bestätigt, daß in der zweiten Hälfte des zwölften Jahrhunderts Refektorium und Dormitorium neugebaut wurden. (Mittheilung des Hrn. Reg.-Direktors Delius.)
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eine, von der Zeit der ersten Anlage wesentlich verschiedene Bildungsperiode, somit einen langjährigen Zwischenraum zwischen ihr und der ersten Restauration erkennen. Auch mußte die Erinnerung an die Mühen und an die Freude des früheren Baues bereits lange im Gedächtniß der Menschen erloschen sein, wenn man eine so durchgreifende Veränderung durchzuführen keine Scheu mehr trug.

Gleichzeitig mit dieser Restauration sind endlich auch noch die beiden, zu den Seiten der westlichen Nische ausgeführten zierlichen Thürme. Der Unterbau derselben, welcher bis zur Höhe des Mittelschiffes reicht, ist viereckig, mit rundbogigem Fries, mit Liseen auf den Ecken und Halbsäulchen zwischen diesen. Darüber erhebt sich ein achteckiges Obergeschoß, welches mit je drei schlanken Halbsäulchen auf den Ecken geschmückt ist. Ein hoher Zwischenbau verbindet beide Thürme.

Der Schreiber dieser Zeilen, bei der zur Untersuchung vergönnten Zeit beschränkt, hatte nur Gelegenheit, die vorstehend genannten Gegenstände genauer zu besichtigen. Da der gegenwärtige Boden des Kirchenschiffes keine beträchtliche Erniedrigung gegen den Boden des Chores zeigte, so blieb es ihm unbekannt, daß unter letzterem noch die Reste einer Gruftkirche (zu welcher der Zugang von außerhalb führt) vorhanden sind. Den gefälligen Mittheilungen des Hrn. Reg.-Direktors Delius verdankt er indeß einige Notizen über diese Gruftkirche, welche hier folgen mögen. Dieselbe, bei dem gothischen Umbau des Chores bedeutend beeinträchtigt, zeigt in ihren Umfassungsmauern nicht mehr die ursprüngliche Gestalt, wie namentlich die Altarnische fehlt. Aber sie hat (von Norden nach Süden) noch eine Breite von 32 Fuß und eine Tiefe von 21 Fuß, während der Chor nur 21 Fuß breit und 18 tief ist. Die nördliche Wand des Chores wird von einer Pfeilerstellung der Crypta getragen, woraus hervorzugehen scheint, daß der frühere Chor breiter und vermuthlich mit Seitenschiffen versehen war. Außer dieser Pfeilerstellung werden die Kreuzgewölbe der Crypta noch von einer zwiefachen Reihe von je 3 Säulen und Pfeilern (ohne regelmäßige Abwechselung) getragen, unter denen aber die Pfeiler nicht der ursprünglichen Anlage anzugehören
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scheinen. Nur zwei von diesen Säulen haben noch ihre alten Kapitäle; das eine ist ein Blätterkapitäl, ungefähr den Formen eines römischen Kapitäles verwandt; das andre hat die Grundform eines unten abgestumpften Würfels, dessen Seitenflächen mit sorgfältig ausgeführten und zum Theil frei vorspringenden Verzierungen, Arabesken und Thierfiguren, versehen sind. Von Stuck-Ueberzug findet sich keine Spur. Da es uns an eigner sicherer Anschauung fehlt, so wagen wir kein Urtheil über die Zeit, in welcher die Gruftkirche erbaut ist, auszusprechen; doch dürfte es als wahrscheinlicher anzunehmen sein, daß sie nicht der ursprünglichen Anlage der Kirche, sondern dem im zwölften Jahrhundert Statt gehabten Umbau angehört.

Quelle: C. F. Ranke, F. Kugler: Beschreibung und Geschichte der Schloßkirche zu Quedlinburg und der in ihr vorhandenen Alterthümer. nebst Nachrichten über die St. Wipertikirche bei Quedlinburg, die Kirche zu Kloster Gröningen, ... S. 119 bis  124. Berlin 1838. Verlag George Gropius

Hinweis: Das Gesamtwerk befindet sich in der Bayerischen Staatsbibliothek und ist dort unter folgendem Link einsehbar:
http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10059512_00005.html

 

 

Kloster Drübeck

FrauenOrte in Sachsen-Anhalt
FrauenOrte in Sachsen-Anhalt

 

Das Kloster Drübeck gehört zu den ältesten Gründungen Mitteldeutschlands. Über 1100 Jahre lebten hier Frauen in einer Gemeinschaft. Otto I. nahm 960 das Benediktinerinnenkloster mit einer Güterschenkung in seinen Schutz, seine Nachfolger Otto II. und Otto III. bestätigten 980 und 995 Rechte und Güter der Reichsabtei. Das Bistum Halberstadt erhielt 1058 das Kloster. Die Reformen Bischof Reinhards (1107-1123) führten zu einer strengeren Befolgung der Benediktinerregel. Seit 1140 unterstand das Kloster der Vogtei der Grafen von Wernigerode (bis 1429) und anschließend der Grafen zu Stolberg-Wernigerode.

 

Im Zuge der Reformation säkularisiert, blieb Drübeck als evangelisches Damenstift erhalten. Es ist das Verdienst der Grafen zu Stolberg-Wernigerode, das Kloster im 17. Jahrhundert wieder aufzubauen und zu befördern. Infolge dieser Entwicklung ging Drübeck in herrschaftlichen Besitz dieses Hauses über. Eine Entwicklung, die nicht ohne Einfluss auf die Organisation des Damenstifts blieb und die Vertretung des Stiftes nach innen und außen einem Klosterrat übertrug.

 

Die wachsende Industrialisierung und die einhergehenden gesellschaftlichen Probleme beförderten an der Schwelle des 20. Jahrhunderts eine Neubestimmung der Wirkungsmöglichkeiten des Damenstifts und dessen Orientierung auf soziale Tätigkeiten. Es ist das Verdienst der Äbtissin Anna, Freiin von Welck (1903-1907) die Stiftsreform einzuleiten und dessen Aufgaben auf Erziehung‚ Ausbildung und Gesundheitswesen auszuweiten. Sie ebnete die Wege für die Einrichtung eines Erholungsheims für berufstätige, später auch alleinstehende, erholungsbedürftige und rekonvaleszente Frauen, das durch ihre Nachfolgerin im Amt Magdalene Gräfin zu Stolberg-Wernigerode (1908-1955) eröffnet wurde. Das Erholungsheim Kloster Drübeck bestand im Sinne seiner Initiatorin bis 1991.

 

FrauenOrte erzählen Geschichten. Geschichten von Frauen, die im Gebiet von Sachsen-Anhalt gelebt und gewirkt haben. Geschichten von FrauenOrten, die für die Mitgestaltung verschiedener Lebensbereiche stehen. Inzwischen gibt es mehr als 40 Frauen-Orte in Sachsen-Anhalt, die durch Tafeln gekennzeichnet und das gleichnamige Buch des Mitteldeutschen Verlages vernetzt sind. Einer Anregung der Sachsen-Anhalt-Frauen-Initiativ-Runde (SAFIR), folgend, geben die, im Jahr 2000 als Expoprojekt entstandenen "FrauenOrte" Impulse für die individuelle und gemeinschaftliche Spurensuche nach der Geschichte von Frauen in Sachsen-Anhalt.