Wolfgang Scheffler zum Turmfries der Königslutterer Stiftskirche

"Der Turmfries der Königslutterer Stiftskirche,


mit dem bloßen Auge kaum sichtbar, ist kürzlich durch einen ebenso unternehmungslustigen wie geschickten Schüler von Prof. Flesche, Herrn cand. arch. Klaus Molly, systematisch durchfotographiert worden. Ein sinnreich konstruiertes, aus den Schalllöchern des Turmes herausgebautes Gestell ermöglichte es, die Kamera jeweils genau gegenüber den ornamentierten Friesfeldern zu montieren. Auf diese Weise konnten in 64 Einzelaufnahmen je 8 Bilder der 8 Turmseiten gefertigt werden.

Das Programm dieses Frieses zeigt im Norden Christus, Maria und Heilige sowie den Kaiser Lothar und seine Gemahlin Richenza, von Knappen umgeben; im Süden Christus und die gekrönte Himmelskönigin inmitten von musizierenden Engeln und den Gestirnen, im Westen die Kirchenpatrone Petrus und Paulus, nebst Andreas und Mathias; im Osten vier weibliche Heilige. An den Schrägseiten des Achtecks sehen wir die vier Evangelisten, vier Äbte und vier männliche Heilige, unter ihnen die beiden auch in Braunschweig verehrten Ärzte Cosman und Damian.

Während man bisher der Annahme war, daß der nachweislich um 1235 abgebrannte "Stiftsturm" bereits damals den jetzigen Friesschmuck erhalten habe, also in der Zeit des "Übergangsstils", läßt sich jetzt auf Grund von Stilmerkmalen feststellen, daß der Fries, mit dem steilen Helmdach darüber, nicht älter ist als die beiden Westtürme, die nach alter Angabe vom Abt Heinrich Wytingh (1431-1463) erbaut worden sind, also erst der Spätgotik entstammen. Zu den damals in Braunschweig entstandenen Skulpturen in der Annakapelle (1434-1438) und des Altstadtrathauses (Mitte des 15. Jahrhunderts) bestehen mannigfache stilistische Beziehungen, so daß der Meister des Königslutterer Turmfrieses aus der Tradition der damals bildhauerisch verhältnismäßig produktiven Stadt stammen dürfte.

Er hat etwa 1440 bis 1450 diese dekorativ äußerst ansprechende Arbeit geschaffen."


zitiert aus: Wolfgang Scheffler in: SALVE HOSPES - Braunschweiger Blätter für Kunst und Kultur Heft 3  Mai 1951  S. 44 und 47


Hinweis: Die eingefügten Fotos des Königslutterer Turmfrieses wurden 2013 aufgenommen, die der Annenkapelle und des Altstadtrathauses in Braunschweig 2015. Wolfgang Scheffler war ein Kunsthistoriker. (Dissertation Göttingen 1925: "Die gotische Plastik der Stadt Braunschweig und ihre Stellung im Niedersächsischen Kunstkreis.")

 





interessante Entdeckungen

 

 

 

Eine Entdeckung im Stadtarchiv

(dieser Artikel ist ebenfalls auf der Unterseite Graduale veröffentlicht)

 

Leider ist von den Schätzen und Zeugnissen des so reichen ehemaligen kaiserlichen Stifts Königslutter nur sehr wenig erhalten. Und dieses wenige befindet sich, abgesehen von den restlichen Gebäuden, hauptsächlich außerhalb von Königslutter. Die Aktivität um Erhaltung und Würdigung war am Ort offensichtlich gering oder wenig erfolgreich. Auch heute steht dem Bemühen um mehr Erfolg auf diesem Gebiet noch viel Trägheit und Unverständnis entgegen.


Da erfreuen dann selbst kleine Erfolge und Entdeckungen. Kürzlich gab es eine solche Entdeckung im Stadtarchiv. Dort befindet sich, besonders behütet, ein „Geldregister des Stiffts Königslutter“ von 1649/50, in dem alle Einnahmen und Ausgaben des Klosters in dieser Zeit sauber und aufschlußreich eingetragen sind. Die Bilanz schließt mit Guthaben, nicht mit Schulden. Und das kurz nach dem auch für Königslutter so verheerenden Dreißigjährigen Krieg. Damals gab man also kein Geld aus, das man nicht hatte. Aus diesem Sparsamkeitsprinzip hatte der Buchbinder, sicher ein Mönch, Wıederverwendung betrieben und beide Deckel des Geldregisters mit einem bereits benutzten Pergament dauerhaft bezogen. Mit einem alten Chorbuchblatt!


Das 31,5 x 42 cm große Pergament und die üblichen neun Noten- und Textzeilen darauf sind gut erhalten. Der Block aus gotischen Hufnagelnoten im Fünfliniensystem und außergewöhnlich exakt geschriebene Gotiko-Rotunda mit drei Zierbuchstaben ist ein Genuß für Kenner und Liebhaber alter Schriften. Zwei der Initialen sind im Sepiaton des Ganzen als schwungvolle Texturabuchstaben gezogen. ln dieser Schriftart druckte Gutenberg seine berühmte 41zeilige Bibel. Wır finden gute steingehauene Textura am Brunnenhaus und an der ehemaligen Klus des Klosters. Der dritte Zierbuchstabe ist ein blau ausgemaltes konturiertes V in der älteren Unzialeschrift. Alle drei sind offensichtlich weniger als Sinnverstärkungen oder Sinnfugen gesetzt, sondem sollen vielmehr Textlücken unter Psalmodiewendungen bzw. die dadurch entstandenen Verdichtungen im Notenbild ausgleichen. Darin beweist sich noch einmal das gute Formgefühl und Können des Schreibers. In der benediktinischen Liturgie war der bereits vom Bischof Ambrosius (374 - 397) eingeführte Wechselgesang zweier Chöre üblich. Nach diesem wurde ein solcher Gesang Antiphon (griech. = Dagegentönendes) und das Chorbuch Antiphonar oder Antiphonale genannt. Daß Ambrosius in unserem Kaiserdom einst besondere Verehrung genoß, beweist seine Darstellung im Vierungsturmfries.


Im 12. Jahrhundert kam der Name Graduale für verschiedene Meßgesänge auf, die auf den Stufen vor dem Altar gesungen wurden (lat. gradus == Stufe). lm Kaiserdom wurde die Chorstufe bei der Emeuerung des Fußbodens zur Apsis verlegt. Damit auch alle Sänger, die sich darum scharten, die Texte und Noten lesen konnten, wurden diese recht groß geschrieben. Um 1000 bildete sich ein ikonographisches Schema für die Illustrationen der Antiphonare aus. Dem Ablauf des Kirchenjahres folgend wurden Szenen aus dem Leben Christi oder Marias in prächtigen, oft mit Blattgold hinterlegten Miniaturen der Ordnung der Gesänge entsprechend dargestellt. Berühmtestes mittelalterliches Antiphonar ist das von St. Peter in Salzburg.

Der Text auf unserem Pergament ist Matth. 4,18 - 22 bzw. Mark 1, 16 - 19 entnommen. Dort wird berichtet, wie die Fischer und Brüderpaare Simon und Andreas sowie Jakobus und Johannes auf Christi Geheiß „ohne weiters ihre Netze verließen und ihm gefolgt sind,“ der sie zu Menschenfischem machte. Die Verwendung der im 13. und 14. Jahrhundert in Italien entwickelten Rotunda und der Textura läßt auf eine Entstehung des Blattes in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts schließen. In dieser Zeit wurde wahrscheinlich der Bau der Stiftskirche mit der Errichtung der Westtürme vollendet. Auch die erste Orgel soll laut Maiboms „Chronik von Königslutter“ in dieser Zeit unter dem Abt Henricus Gerke (1483-1503) von einem Mönch nebem dem Andreasaltar gebaut worden sein.
Nach der Reformation verloren die Chorbücher der katholischen Liturgie ihre Bedeutung und wurden vielfach zum Einbinden von Büchem verwendet. Unser „Venite post me (Folgt mir nach)'- Antiphon ist das einzige bekannte Exemplar aus dem Benediktinerkloster Königslutter und das älteste Schriftstück des Stifts am Ort.

Hoffentlich kann es bald einen würdigen Platz im Kaiserdom-Museum Königslutter finden, um dort vom Chor- und Geldwesen des Klosters zu künden.


Otto Kruggel

veröffentlicht in:
Das Moosholzmännchen Nr. 163/1984
heimatkundliches Beiblatt des lutterischen Stadtbüttels April 1984  S. 33-34

 

 

 

 

Dr. P. J. Meier "Der Duckstein und die Gründung Königslutters"

Sonnabend, 06. Juli 1935   Braunschweigische Landeszeitung    Seite 12

Der Duckstein und die Gründung Königslutters


Bei der Jubelfeier der Stiftskirche erinnert man sich noch eines besonderen Ruhmesblattes der Stadt Königslutter: Man läßt ihren einst so berühmten Duckstein, den L u t t e r t r a n k, wie er früher hieß,

w i e d e r a u f l e b e n. Wer gleich dem Schreiber dieser Zeilen noch das Glück in seiner Jugend genossen hat, mit diesem köstlichen Weizenbier seinen Durst zu stillen, der hat sein Bedauern nie unterdrücken können, daß die H e r s t e l l u n g des Biers, die nicht in einer Brauerei, sondern nach der Gewohnheit des Mittelalters, bis tief ins neunzehnte Jahrhundert  i n  d e n H ä u s e r n  d e r  B ü r g e r stattfand, schon lange der Vergangenheit angehörte. Die beste Auskunft über die Ducksteinbrauerei verdanken wir dem fleißigen Kontor A. L ü d e r s, der auch sonst nicht müde geworden ist, die Geschichte der Stadt aus alten Akten zu ergründen. In bezug auf die Brauerei konnte er sich die Ausführungen des Braunschweiger Arztes  T.  C.  B r ü c k m a n n von 1722 zunutze machen; aber auch sonst sind es die Verhältnisse des achtzehnten Jahrhunderts, die er dargelegt hat. Es gab damals 73 Brauhäuser in der Stadt, die in einer bestimmten Reihenfolge das Bier herstellten, um es dann zum Teil im Hause zu verschenken, zum Teil nach außerhalb zu verkaufen; mehrere Wagenladungen gingen damals in jeder Woche nach Leipzig, Magdeburg, Halle, Berlin. Für das Jahr 1769 wurden im ganzen nicht weniger als 3007 To. Biers verladen, die sogar bis Hamburg und Kassel gingen. Bekannt ist auch, daß der Duckstein im berühmten  T a b a k s k o l l e g i u m  K ö n i g  F r i e d r i c h  W i l h e l m s  I.  e i n e  b e d e u t e n d e  R o l l e   s p i e l t e.

Die Brauer bildeten die „ G r o ß e  B ü r g e r s c h a f t ", die auch über 1500 Morgen Acker im Schoderstedter Feld verfügte, und die Brauergilde wurde erst in den 40er Jahren des neunzehnten Jahrhunderts aufgelöst. Bemerkenswert ist, daß fast die Hälfte der Brauer nebenbei ein Handwerk betrieb, wie wir dies schon in früher Zeit und besonders nach der Erweiterung der Stadt um 1450 vorauszusetzen haben.

Der Duckstein wurde jedesmal, wenn das Bier fertig war, von Sachverständigen s e h r  k r i t i s c h 

g e p r ü f t ; das Bier mußte „hell und klar, von Farbe gelblich wie Wachs, dazu wohlriechend, angenehm und süß" sein. Wie die Braunschweiger Mumme, sollte auch der Duckstein die Lederhose des Trinkers auf der Holzbank kleben lassen. Alles dies gewährte   aber nur der erste Aufguß; spätere Aufgüsse lieferten nur den minderwertigen Kovent. Daneben wurde auch in der Erntezeit ein l e i c h t e s 

B r a u n b i e r  gebraut; aber das führte auch einmal zu einem erbitterten Streit der guten Leute, da sich die Bürger, die nur den Duckstein brauten, durch den großen Vertrieb des Braunbiers benachteiligt glaubten; und die Eigenschaft hat der Duckstein offenbar nicht gehabt, daß er die erregten Gemüter wieder zur Sanftmut zurückführte. Sonst freilich kann Brückmann die guten Eigenschaften des Ducksteins nicht genug rühmen: er gilt ihm „als bestes Getränke für gelehrte Leute, die den größten Teil ihres Lebens mit sitzen zubringen müssen; es ist gleichsam naturae medige zwischen dem Wasser und Wein, dient den Durst zu löschen, die Verdauung der Speisen zu befördern und selber zur nutrition zu distribuieren, hat überdies noch besondere herrliche Tugenden in  remedica, es widersteht dem Stein und ist sonst noch in vielen Krankheiten nicht sonder guten Effekt befunden worden"; er galt als „Allheilmittel gegen Podagra, Engbrüstigkeit, Fettleibigleit". Welche Aussicht für die Zukunft, wenn wir jetzt wieder den Duckstein trinken dürfen!  Aber freilich, wer dem Bier außer Kandis und Zitronenschale auch Wein und Rum zugab, was besonders beim Schützenfest geschah, blieb nicht ohne unangenehme Folgen. Besser war es schon, wenn man nur Brot und Zitronen schale dazutat, und das Bier als kalte Schale genoß. — Der Preis blieb sich ziemlich gleich, das halbe Faß kostete 2 Tlr. und etwas darüber, das Liter 10 bis 12 Pfg. 1899, als Lüders seinen Aufsatz schrieb, war die Brauerei auch in den letzten beiden Häusern, wo sie noch zuletzt betrieben wurde, eingestellt.

Der  Verfasser, dessen Beruf es mit sich brachte, die Geschichte unseres engeren Vaterlandes nach verschiedenen Richtungen hin zu erforschen, erkannte aber im Duckstein  n o c h   e i n e n  

U m s t a n d   v o n   g a n z   b e s o n d e r e r   B e d e u t u n g.

Schon im sechzehnten und dann im achtzehnten Jahrhundert bedeutete der  Duckstein  das Sein oder Nichtsein der Stadt  Königslutter, und hat damals jedenfalls mehr zur Berühmtheit der Stadt beigetragen, als selbst die Stiftskirche. Ja, es lässt sich völlig einwandfrei nachweisen, daß  d a s  B i e r  

ü b e r h a u p t   V e r a n l a s s u n g    z u r   G r ü n d u n g   d e r    S t a d t    g e g e b e n   und auch sonst in deren Geschichte während des Mittelalters die denkbar größte Rolle gespielt hat.

Wer jetzt den Duckstein wieder genießt, sollte deshalb doch auch an seiner  G e s c h i c h t e  Anteil nehmen und sich erzählen lassen, wie dies alles zuging. Das Seltsame besteht für den Forscher erstmal darin, daß es weder im Stadtarchiv noch im Landeshauptarchiv zu Wolfenbüttel Urkunden von besonderem Alter gibt, die uns Aufklärung geben, daß aber zum Glück schriftliche Zeugnisse aus dem sechzehnten, ja sogar erst aus dem neunzehnten Jahrhundert gibt, die vollen Aufschluß über längst entschwundene Verhältnisse geben. Die kleine und jetzt nur erst wenig außerhalb unseres engeren Vaterlandes bekannte Stadt Königslutter gewinnt dadurch eine·besondere Bedeutung, daß es möglich ist, ihre A n f ä n g e, ihr eigentliches  W e s e n  und ihre  w e i t e r e  E n t w i c k l u n g   r e s t l o s  

a u f z u k l ä r e n .
Die Stadt, die in den ersten Jahren des 14. Jahrhunderts als solche gegründet ist, bildete bei sehr regelmäßiger Anlage ursprünglich nur eine von Norden nach Süden  hin sich  erstreckende Straße, die sich in der Mitte zu einem, rechteckigen Marktplatz erweiterte, im Nordosten die Pfarrkirche, an der langen Ostseite zwei Mühlen, die Taverne (d. h. Schenke und Herberge), den Stoben (das Bad) und außerhalb der Befestigung die herzogliche Burg, das jetzige Amtsgericht, mit dem herzoglichen Wirtschaftshof besaß. Auf die Mitte des Marktplatzes stößt man von Westen her die Heerstraße von Braunschweig, die dann aber im Norden ursprünglich den Ausgang hatte, um erst außerhalb des Tores in die alte östliche Richtung auf Helmstedt und Magdeburg umzubiegen. Nun zeigt die wichtige Plankarte von 1761, die jetzt auch in einem zweiten Exemplar dem Stadtarchiv einverleibt ist, und die dazu gehörige Beschreibung, daß abgesehen vom Pfarrhof, der Herberge, dem Bade, den beiden Mühlen und den wenigen Höfen, die erst im Laufe der Zeit durch Teilung alter Höfe oder durch Schaffung neuer entstanden, restlos  a l l e  G r u n d s t ü c k e  d e r

u r s p r ü n g l i c h e n  S t a d t   b r a u b e r e c h t i g t   waren, ein Umstand; der sich meines Wissens in keiner deutscher Stadt wiederfindet. Die Braugerechtigkeit muß also von Anfang an, d. h. von etwa 1300 ab bestanden haben, ja sie muß überhaupt die  G r u n d l a g e   d a f ü r   abgegeben haben, daß  d i e   S t a d t    e n t s t e h e n   k o n n t e .
Daraus ist aber ohne weiteres zu folgern. daß schon die Bauern des Dorfes Lutter gewußt haben, welchen Schatz sie an dem kalkreichen Wasser ihres Flüßchens besaßen, und daß sie den „Luttertrank" nicht nur zum eigenen Gebrauch brauten, sondern auch an Fremde abgaben. Daraus aber entstand ein besonderes Gewerbe und der Entschluss, sich vom Landesherrn die Rechte eines Städtchens geben zu lassen.

Der Gewinn aus der Brauerei muß schon vor der Mitte des 15. Jahrhunderts so groß gewesen sein, daß es den Bürgern lästig wurde, daneben noch die erheblich beschwerlichere Ackerwirtschaft zu treiben und daß sie schließlich die ganze zu  Königslutter gehörige  F e l d f l u r   a n   d i e   B a u e r n   d e s  

d i c h t   v o r   d e r  S t a d t   n a c h   N o r d e n   z u   g e l e g e n e n  D o r f e s 

S c h o d e r s t e d t   v e r ä u ß e r t e n .
Dadurch aber wurden sie beim Bezug des zum Brauen nötigen Weizens ganz an die Preisforderungen jener Bauern gebunden, und dies ist  offenbar die Veranlassung dazu gewesen, daß man sich um 1450 entschloß, die   S c h o d e r s t e d t e r   i n   d i e   S t a d t  a u f z u n e h m e n   und ihnen dafür, daß sie nun ihren Acker wieder an diese zurückbrachten,  das e i n t r ä g l i c h e   B r a u r e c h t  

z u z u g e s t e h e n .
Die 36 Schoderstedter Höfe hatten schon immer gemeinsam die Große und Kleine Seewiese genutzt und der zu diesem Zwecke gebildete Seekonvent hat bis tief ins 19. Jahrhundert bestanden.  Zugleich mit der Aufnahme der Schoderstedter wurden auch eine ganze Anzahl Handwerker und Tagelöhner angesiedelt und es war nötig, die  a l t e   S t a d t   von etwa 1300, die nur aus den ehemaligen Bauern des Dorfes Lutter bestanden hatte, um m e h r   a l s   d a s   D o p p e l t e   i m   W e s t e n  u n d   S ü d e n  

z u   v e r g r ö ß e r n . Um nun aber auch den mit Braurecht ausgestatteten Höfen der Neustadt das Wasser der Lutter zuzuführen, fügte man nun zum Lauf der Lutter selbst und zu dem sogenannten Augang, der an der Westseite der Höfe in der alten Stadt entlang geführt war noch z w e i  w e i t e r e  

A u g ä n g e   hinzu; einer lief hinter den Höfen der westlichen Häuserreihe der Neuen Straße entlang, der zweite wurde von dem älteren Augang abgezweigt und bis etwa zur Mitte der Neustadt geführt, um dann wieder in den älteren Augang zu münden.

So genießt die Stadt Königslutter den Ruhm, den ihr keine andere Stadt in Deutschland streitig macht, daß sie sich  n o c h   h e u t e  k l a r   i n   i h r e r   G e s c h i c h t e   s p i e g e l n   k a n n .

                  
                                                                                                                           Dr. P. J. Meier.


Wie das Ducksteinbier gebraut wird

In der alten Stadt Königslutter braute man früher ein Bier, welches nach dem felsigen Untergrunde der Stadt ,,Duckstein" benannt wurde. Weit und breit war dieses Gebräu bekannt, auch im Tabakskollegium des Soldatenkönigs hatte es Eingang gefunden. Leider hat es mit der Zeit dem Lagerbiere weichen müssen und wird jetzt gar nicht mehr hergestellt. Nur zwei Herren sind in Königslutter noch wohnhaft, die als ,,brauberechtigt" das Brauen des Bieres selber ausgeübt haben. Auch diese sind schon bei Jahren, und deshalb habe ich einen derselben veranlaßt, mir das Brauverfahren mitzuteilen. Hier ist es. Eine spätere Zeit wird vielleicht das alte Bier, das seinen guten Namen in der Braunschweiger Bevölkerung immer noch erhalten hat, zu neuen Ehren bringen.


I. Das Mälzen des Weizens.
Es sei vorausgeschickt, daß zum Mälzen nur hiesiger Weizen, der auf Boden gewachsen sein muß, der keinen künstlichen Dünger erhalten hat, verwendet werden darf und daß dasselbe am besten im Monat März ausgeführt wird. Die Beachtung dieser Vorschrift soll viel zu dem guten Gelingen des Sudes beitragen.
Der Weizen kommt zunächst in einen Bottich, in welchen soviel Brunnenwasser gegossen wird, daß das Korn gerade bedeckt ist. In diesem Gefäße bleibt der Weizen so lange, bis ein herausgenommenes Korn, hochkant zwischen zwei Finger genommen, leicht zerdrückt werden kann. Das aufgequollene Korn wird alsdann auf einer Däle ausgebreitet und bleibt so lange liegen, bis es keimt. Hierauf kommt es auf den ,,Darren", um es zu trocknen. Die Keime werden dann abgerieben und abgesiebt.


II. Das eigentliche Brauverfahren.
Das erhaltene Weizenmalz wird 24 Stunden vor dem eigentlichen Brautage mit Wasser besprengt, bleibt bis zum Abend liegen, wird dann gemahlen und kommt am anderen Morgen in den Maischbottich, in welchen soviel Wasser gegossen wird, daß das Malz gerade bedeckt ist. Die Mischung bleibt eine Stunde sich selbst überlassen.
Während dieser Zeit bringt man eine größere Menge Wasser in dem sogenannten Braukessel auf zirka 80 bis 85 Grad Wärme und gießt dieses alsdann in den genannten Maischbottich, in welchem Maische und Wasser mit einem Holzstabe gut verrührt werden. Darauf läßt man die Mischuug ,,absitzen". Die über dem Bodensatze stehende Flüssigkeit bringt man alsdann wieder in den Braukessel zurück und läßt sie fünf Stunden kochen. Der Inhalt des Braukessels wird darauf durch den Filterbottich geschickt.
Beschreibung des Filterbottichs: Ein Faß mit einem zirka 20 cm über dem Boden befindlichen, mit zahlreichen Löchern versehenen Brette. Unter dieses, wie auch darüber, legte man eine Lage guten handgedroschenen Roggenstrohes. Auf das obere Stroh wurde ein mit einem Steine beschwertes Brett gelegt, welches als Presse diente. Die geklärte Flüssigkeit läuft dann durch einen am Boden des Fasses befindlichen Auslauf in die im Keller stehenden Kühlfässer. Das Erhaltene ist das sogenannte ,,Erste Bier". Von dem ersten Bier gießt man zirka 25 Liter in die Gärtonne und gibt ein faustgroßes Stück Gest hinzu. Es entsteht dann das ,,Gärbier". Nachdem dasselbe ,,vergoren", vermischt man 150 Liter des ersten Bieres mit zirka 10 Liter des Gärbieres. Der ,,Duckstein" ist alsdann ,,trinkreif".
Um dem Biere jede Spur von Gärpilzen zu nehmen, wird es oftmals in weithalsige Flaschen gefüllt. Aus den offenen Flaschenhälsen werden so auch die letzten Gärpilze abgestoßen.

III. Das Covent.
Der bei der Bereitung des ersten Bieres im Maischbottich gebliebene Bodensatz wird mit einer größeren Menge Wasser in den Braukessel gespült und gekocht. Die weitere Verarbeitung ist dieselbe wie oben. Dieses Bier wurde hauptsächlich von den ärmeren Bevölkerungsklassen getrunken.

 

(Georg Willeke, Beienrode bei Königslutter.)

 


Veröffentlicht in:
Braunschweigische Heimat
Zeitschrift des Landesvereins für Heimatschutz im Herzogtum Braunschweig
Jahrgang 1916  S. 31-32

 

 

weitere Informationen zum Ducksteinbier aus Königslutter sind unter der Rubrik

Königslutter - Duckstein zu finden.