Die Persönlichkeit Kaiser Lothars III. im Lichte mittelalterlicher Geschichtsanschauung

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Die Persönlichkeit Kaiser Lothars III. im Lichte mittelalterlicher Geschichtsanschauung
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Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Philosophischen Fakultät der Königlichen Universität Greifswald
vorgelegt von Karl Leßmann.
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Greifswald. Druck von Emil Hartmann. 1912.

Inhalt.                                                                                                Seite

Einleitung...........................................................................................5 - 14
Die augustinische Geschichtsanschauung..............................................8 - 12
Die apokalyptischen Antichrist-Erwartungen.........................................12 - 13
Die Sibyllinischen Weissagungen..........................................................13 - 14
Quellen....................................................................................................15
I. Teil: Allgemeine Charakteristik Lothars..............................................16 - 31
II. Teil: Charakteristik seiner Parteistellung im einzelnen:.........................32 - 56
1. Lothar und die Päpste:.....................................................................32 - 44
a) Lothar und Honorius II..........................................................................33
b) Lothar und Innozenz II...................................................................33 - 37
c) Lothar und Anaclet.........................................................................37 - 44
2. Lothar und König Roger von Sizilien.................................................44 - 49
3. Lothar und Heinrich V.....................................................................49 - 50
4. Lothar und die staufischen Brüder....................................................50 - 54
5. Lothar und die Böhmen...................................................................54 - 55
6. Lothar und die Dänen............................................................................55
7. Lothar und die Heidenmission.................................................................56
Schluss.............................................................................................56 - 57


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Für das Verstehen einer Persönlichkeit bedarf es der Kenntnis der Verhältnisse und Anschauungen der Zeit, in der jene Person gelebt hat. Man hat letztere Forderung oft nicht beachtet, hat bei der Unkenntnis des Geisteslebens einer Zeit dessen literarischen Ausdruck nicht verstanden oder, indem man den Quellen moderne Anschauungen unterlegte, missverstanden, hat den Personen ihrer Zeit fremde Motive und Ideen zugeschrieben und ist somit zu manchen falschen Resultaten gekommen. Erinnern will ich nur an die falsche Beurteilung, die der grosse Reformpapst Gregor VII. erfahren hat, dessen Pläne und Kämpfe nur dadurch uns verständlich werden, dass wir berücksichtigen, wie lebendig in ihm die augustinische Auffassung vom Staate war. Zwar hat man in der Beurteilung Karls des Grossen, hier wohl angeregt durch die Nachricht Einhards, dass der Kaiser täglich Augustins Schrift „De civitate Dei“ gelesen habe, letztere Anschauung berücksichtigt und hat in ihr einen Schlüssel zum Verständnis der eigenartigen Stellung Karls zur Kirche gefunden 1), doch haben seine Nachfolger auf dem römischen Kaiserthron, in denen ebenso wie bei den Autoren, die von ihnen berichten, diese Anschauung mehr oder minder lebendig war, das Gleiche nicht erfahren. Auch Bernhardi 2) hat in seinem Urteil über die Persönlichkeit Lothars III. das genannte Moment nicht beachtet und hat in diesem wie auch in andern Teilen seines Werkes deshalb falsch geurteilt.
 
1) Wilh. Ohr, Der karolingische Gottesstaat in Theorie und Praxis. Lpz. Diss. 1902.
2) Lothar v. Supplinburg, Jahrb. d. Deutsch. Geschichte. Lpz. 1879; p. 793-803.

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Im Mittelalter beherrschten die Anschauungen, die der Kirchenvater Augustinus in den 22 Büchern „De civitate Dei“ niedergelegt hat, das ganze Geistesleben 1). Diese konnten bei dem gläubigen Volke eine so weite Aufnahme finden, da sie in ihrem Kern der hl. Schrift entnommen waren. Augustin hat aus diesem Kern eine ganze Staats- und Kirchentheorie aufgebaut. Papst Gregor der Grosse recipierte diese Ideen, die durch seine Schrift „Moralia“, dann auch durch die Schrift „de XII abusivis saeculi“ 2) des Pseudo-Cyprian, die in einem Artikel die Kennzeichen des Gottes- und Teufelsfürsten behandelt, in weiteste Kreise eindrangen.
Augustin definiert den Begriff Staat: „Populus est coetus multitudinis rationalis rerum, quas diligit concordi communione sociatus“ (XIX 24). Dieser von Augustin dargelegte Begriff schliesst sowohl die sichtbaren Staaten als auch Staaten, wie es nach Augustin die civitas Dei und civitas diaboli sind, ein. Innerhalb eines oder mehrerer der ersteren, der sichtbaren Staaten, bestehen die unsichtbaren Reiche, die civitas Dei und die civitas diaboli.
Das erstere sucht den Willen Gottes zu erfüllen, der den zur Sünde neigenden Menschen in dem Staat eine Stütze geben wollte, erstrebt das irdische Glück seiner Mitglieder, jedoch nicht als höchstes Gut um seiner selbst willen, sondern um den Willen Gottes zu erfüllen. Es ist begründet auf der iustitia, die auf dem Dienste und Gehorsam gegen Gott beruht 3).

1) Die Literatur über die Darstellungen dieser Anschauung findet man bei Seidel, Die Lehre vom Staat beim hl. Augustinus. Breslauer Diss. 1910. Soweit diese Anschauung für den Historiker von Bedeutung ist, hat E. Bernheim dieselbe behandelt: Im Lehrbuch d. historischen Methode u. d. Geschichtsphilosophie 1903. Lpz. S. 639f. und in dem Aufsatz: Politische Begriffe des Mittelalters im Lichte der Anschauungen Augustins. Deutsche Zeitschrift f. Geschichtswissenschaft. Neue Folge. Heft 1. 1896. p. 1-23.
2) s. S. 9. Anm. 2.
3) Die Ausführungen über die aug. Theorie fussen auf der zitierten Abhandlung von E. Bernheim.

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Das andere Reich, civitas diaboli, erstrebt nur irdische Güter um ihrer selbst. willen, kennt keine Unterordnung unter Gott, sondern lehnt sich in Überhebung gegen ihn auf.
Kennzeichen der civitas Dei ist „pax“, „der Zustand inneren und äusseren Gleichgewichts, in dem sich alles Geschaffene, sofern es in seiner ursprünglich gut erschaffenen Natur verharrt, an seiner Stelle in den Kosmos einfügt und so an dem höchsten Gute, an der Einheit des Seins in Gott in unbedingter Ein- und Unterordnung teilnimmt“ 1). Dieser Begriff wird von Augustin Lib. XIX c. 13 dargelegt; die klassische Bedeutung deckt sich entfernt nicht mit dieser, wie man sieht. Die Herrscher führen ihr Amt im Bewusstsein ihrer göttlichen Mission und sollen es nicht in eigensüchtigem Hochmut ausbeuten. Die Aufgaben des gerechten, wahrhaft christlichen Königs führt der Artikel des Pseudo-Cyprian 2) aus: „Nomen enim regis intellectualiter hoc retinet, ut subiectis omnibus rectoris officium procuret. Sed qualiter alios corrigere poterit, qui proprios mores, ne iniqui sint, non corrigit? quoniam in iustitia regis exaltatur solium et in veritate solidantur gubernacula populorum. Iustitia vero regis est, neminem iniuste per potentiam opprimere, sine acceptione personarum inter virum et proximum suum iudicare, advenis et pupillis et viduis defensorem esse, furta cohibere, adulteria punire, iniquos non exaltare, impudicos et striones non nutrire, impios de terra perdere, parricidas et periurantes vivere non sinere, ecclesias defendere, pauperes eleemosynis alere, iustos super regni negotia constituere, senes et sapientes et sobrios consiliarios habere, magorum et hariolorum et pythonissarum superstitionibus non intendere, iracundiam differre, patriam fortiter et iuste contra adversarios defendere, per omnia in Deo confidere, prosperitatibus animum non levare, cuncta adversaria patienter ferre, fidem catholicam in Deum habere, filios suos non sinere impie agere, certis

1) Bernheim, l. c. p. 3.
2) Siegmund Hellmann, Pseudo-Cyprianus, de XII abusivis saeculi. (Texte u. Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Literatur, herausgegeben von Adolf Harnack u. Karl Schmidt) 51 ff.

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horis orationibus insistere, ante horas congruas non gustare cibum. Vae enim terrae, cuius rex est puer et cuius principes mane comedunt. Haec regni prosperitatem in praesenti faciunt et regem ad caelestia regna perducunt“.
Die„civitas diaboli“ ist nicht begründet auf der „iustitia“, sondern hat ihren Grund in der Überhebung, in der „superbia“, die das gewöhnliche Charakteristikum der Teufelsherrschaft ist. Sie besitzt nicht den wahren, sondern nur einen Schein-Frieden; „discordia“ und „iniustitia“ sind ihre Kennzeichen. An ihrer Spitze steht ein Herrscher, der selbstsüchtig sein Amt ausübt. Er heisst der „rex iniquus“ oder „tyrannus“. Sein Regiment charakterisiert Pseudo-Cyprian im Gegensatz zu dem des Gottesfürsten 1): „Qui vero regnum secundum hanc legem non dispensat, multas nimirum adversitates imperii tolerat. Idcirco enim saepe pax populorum rumpitur et offendicula etiam de regno suscitantur, terrarum quoque fructus diminuuntur et servitia populorum praepediuntur, multi et varii dolores prosperitatem imperii inficiunt, carorum et liberorum mortes tristitiam conferunt, hostium incursus provincias undique vastant, bestiae armentorum et pecorum greges dilacerant, tempestates aeris et hemisperia turbata terrarum fecunditatem et maris ministeria prohibent et aliquando fulminum ictus segetes et arborum flores et pampinos exurunt. Super omnia vero regis iniustitia non solum praesentis imperii faciem fuscat, sed etiam filios suos et nepotes, ne post se regni hereditatem teneant, obscurat. Propter piaculum enim Salomonis regnum domus Israel Dominus de manibus filiorum eius dispersit et propter iustitiam David regis lucernam de semine eius semper in Hierusalem reliquit“. Als Kennzeichen der Teufelsherrschaft gilt somit unter anderem auch die Störung des Friedens in der umgebenden Natur. Hierdurch wird klar, dass die mittelalterlichen Geschichtsschreiber nicht nur aus dem Interesse für das Abnorme seltene Naturerscheinungen berichteten, sondern auch den Zweck verfolgten, auf das Wirken des Satans

1) 1. c. p. 51 ff.

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hinzuweisen. Klar tritt dies z. B. hervor in Cosmae Chron. Boem. M. G. SS. IX 126, 10 f.: „Item in quadragesima fere per universum orbem aeriae potestates quasi plurimae stellae, etsi non ceciderunt, visae sunt tamen cecidisse in terram, huic simile Dominus dicit in evangelio: Videbam Satanam, quasi fulgur de coelo cadentem“ 1).
Pseudo-Cyprian fährt fort: „Pax populorum est tutamen patriae, munitas plebis, munimentum gentis,cura languorum, gaudium hominum, temperies aeris, serenitas maris, terrae fecunditas, solatium pauperum, hereditas filiorum et sibimet ipsi spes futurae beatitudinis. Attamen sciat rex, quod sicut in throno hominum primus constitutus est, sic et in poenis, si iustitiam non fecerit, primatum habiturus est. Omnes namque, quoscumque peccatores sub se in praesenti habuit, supra se modo plagali in illa futura poena habebit“.
Die Haupt- und Grundsünde nach Augustin, die „superbia“, wird in diesem Artikel nicht ausdrücklich erwähnt; sie ist in den Begriff „iniustitia“ einbezogen. Vor dieser besonders warnt Augustin den Gottesfürsten, erinnert diesen an seine göttliche Mission und stellt ihm als Vorbild vor Augen das Regiment der „primi iusti pastores“, der Patriarchen, die in Demut, im Bewusstsein der Gleichheit der Menschen vor Gott väterlich bemüht seien, die Untergebenen zum Dienste des Herrn anzuleiten. Solcher Herrschaft zu gehorchen sei wahre Freiheit. Bei demTeufelsfürsten, dessen feste Bezeichnung „tyrannus“ ist, ist die „superbia“, die Nichtachtung Gottes und Überhebung, die Haupsignatur. Ebenso kennzeichnen diesen die Schriftsteller des Mittelalters. In einem Poëm auf Erzbischof Adalbert von Mainz heisst es z. B.:
„Christus.....
dat fasces humili, dat regnum nobilef vili,
in se credentes faciens magis esse potentes,
quam sine se magnos, ausos regnare, tirannos“. 2)

1) cfr. Anselmi Cont. Sigeb. MG. SS. VI 380, 40: „Anathema in medio terrae, facinus audax et indignum, omnibus seculis vindicandum. Ecce enim solutus satanas terras perambulat“.
2) Jaffé, Bibl. rer. Germ. III 568 v. 12-15.

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Auf die Pflicht des Gottesfürsten, den Kampf gegen den Scheinfrieden des Teufelsreiches zu führen, weist Pseudo-Cyprian nur allgemein hin: patriam fortiter et iuste contra adversarios defendere.
Diese Anschauung ist nicht ein völliger Dualismus: Es besteht insofern eine Abhängigkeit des Teufelsreiches vom Gottesreiche, als Gott das Wirken des Teufels als ein über die Menschen verhängtes Strafgericht bezw. eine Versuchung zulässt, dieses aber jederzeit aufheben kann 1).
Mit dieser Theorie Augustins deckt sich in mancher Hinsicht und verbindet sich in den Anschauungen der Zeit die Prophetie der Heiligen Schrift vom Antichrist, wonach dieser vor dem Weltende auftretend viele Gotteskinder durch die ihm vom Teufel verliehene Macht zum Abfall verführen wird. Die Frage nach der Zeit seines Erscheinens und nach seinem Wesen hat das Mittelalter stets beschäftigt. Die Schriften der Kirchenväter und spezielle Kommentare zur Johannes-Apokalypse gaben mancherlei Antworten. Als Vorzeichen seiner Ankunft galten überhandnehmender Streit und Hass unter Verwandten, Volksgenossen und unter ganzen Völkern, Friedlosigkeit und Gottlosigkeit. Mehrere Kommentatoren haben nicht einen persönlichen Antichrist erwarten zu müssen geglaubt, sondern darunter den Inbegriff aller Übel verstanden. Die Mehrzahl jedoch erwartete einen persönlichen Antichrist, der aus dem Stamme Dan in Babylon geboren werde. Dieser werde sich die ganze Welt unterwerfen, dann im Tempel zu Jerusalem göttliche Verehrung verlangen und eine Zeit der grössten Schrecknisse heraufbeschwören. Gott werde ihn niederwerfen; dann werde das letzte Gericht beginnen.
Über die Beziehung des Antichrists zum Satan herrscht bei den Interpreten Uneinigkeit 2). Einige erwarten in ihm

1) Migne 182, p. 281 A. Bernhardi p. 116, c.14. „fidelis (Deus) est, non permittet vos tentari supra id quod potestis“. (Vorher ist von der Bedrängnis durch den Teufel die Rede.)
2) W. Bousset, Der Antichrist in der Überlieferung des Judentums, des neuen Testaments und der alten Kirche. Gött. 1895. p. 88.

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den Satan selbst 1), andere einen oder mehrere Menschen, die dessen Werkzeuge seien 2). Jedenfalls trägt sein Regiment die Zeichen der tyrannis; sein diabolischer Stolz wird besonders erwähnt. Seine schlimmste Eigenschaft ist der heuchlerische Trug, wodurch er selbst Fromme verführt, indem er „sub specie religionis“ auftritt.. Kurz vor dem Weltende wird er seine Macht entfalten. Allerdings hat der Antichrist seine Vorläufer, die ihm die Wege bereiten 3). Das besagt der Kommentar des Walafried Strabo 9, 1, Migne, Patr. Lat. 100: „Hic est damnatio eorum, quos diabolus inmittit ad praeparandas vias ante faciem Antichristi“.
Doch nicht nur den rein christlichen Prophetien, sondern auch heidnischen lieh das Mittelalter sein Ohr, nämlich den Weissagungen, die sich als solche der altrömischen Sibylle ausgaben. Jene alten Sibyllenstimmen der römischen Republik und Kaiserzeit berücksichtigten nur das römische Reich, nahmen einen rein nationalen Standpunkt ein. Mit der Änderung der Staatenverhältnisse, unter dem Einflusse der orientalischen Weltphilosophie und der universalen Idee des Christentums, wie sie deutlich in der Theorie vom Gottesstaat beim hl. Augustinus zum Ausdruck kam, zeigte sich in jenen Weissagungen bald ein universaler Gesichtspunkt.
Auch inhaltlich 4) erfuhren dieselben eine grosse Wandlung. Die römische Sibylle prophezeite ein goldenes Zeitalter unter der Herrschaft des Lichtgottes Apollo. Als sich dann die orientalischen Einflüsse geltend machten, finden wir schon eschatologische Gedanken vor: Die Sibyllen teilen die Weltgeschichte in sieben Perioden ein. Diese Zahl ist

1) z. B. Hippolyt und Firmicus Maternus.
2) z. B. Hieronymus (Dan. 7, 8), Irenaeus V, 25, 1.
3) z. B. wird Anaclet, wie wir sehen werden, „praeco Antichristi“ u. „praeambulus Antichristi“ genannt. cfr. Teil II, S. 36 ff. meiner Dissertation.
4) Für den ältesten uns erhaltenen Text erklärt Sackur den der Escorial-Handschrift. Aus diesem hat er den ältesten Kern herausgeschält und durch den Druck gekennzeichnet. cfr. Sackur, l. c. p. 181 ff. u. Karl Grund, l. c. p. 41 ff.

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der Zahl der Planeten entnommen, in derenReihenfolge 1) als letzter Saturn erscheint, der mit dem Gotte des Totenreiches verbunden ist. Durch den Einfluss des Christentums fanden die eschatologischen Erwartungen weitere Aufnahme und Gestaltung. Die römischen Hoffnungen auf den Friedenskaiser sind nun mit den eschatologischen Erwartungen verknüpft: Nach der furchtbaren Zeit der neunten Periode soll ein Friedenskaiser erscheinen, der das Gottesreich auf Erden errichten wird. Diese Herrschaft wird in augustinischer Weise als das Ideal des Friedensregiments dargestellt. Reichtum und Überfluss an Früchten der Erde wird unter ihm sein, die Heiden werden bekämpft und getauft werden. Der Friedenskaiser wird gegen den Antichrist, caput superbiae genannt, kämpfen, dann im Tempel zu Jerusalem seine Herrschaft Gott zurückgeben, der hierauf das völlige Wirkens des Antichrist eine Zeit lang zulässt und nach dessen endlicher Niederwerfung das letzte Gericht halten wird. In den Sibyllinischen Weissagungen des Mittelalters sind somit die Anschauungen Augustins vom Gottesstaat mit denen über den Antichrist und der alten Sibyllen verquickt, sodass die Entscheidung meistens unmöglich ist, welche von diesen Anschauungen im besonderen die Quellen unserer Zeit beeinflusst hat.
Alle diese Anschauungen und Erwartungen beherrschten das ganze Mittelalter. Aufgabe vorliegender Arbeit ist es, zu zeigen, wie die Persönlichkeit Lothars III. im Lichte dieser Anschauung zu seiner Zeit aufgefasst und dargestellt worden ist.

1) Sackur, Sibyllinische Texte u. Forschungen, Halle 1898, p. 145.

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Quellen.
Die Quellen für Lothars Regierung sind zusammengestellt bei Giesebrecht, Geschichte der deutschen Kaiserzeit, Bd. 4, im Anhang.
Für die dort nicht angeführten verweise ich auf die Fussnoten an den betreffenden Stellen meiner Arbeit.
Der grössteTeil derselben besteht aus knappen Annalen, die meistens eine Behandlung nach grossen Gesichtspunkten nicht enthalten oder nicht hervortreten lassen. Doch aus dem Gebrauch speziell augustinischer Ausdrücke und der charakteristischen Wendungen des Pseudo-Cyprian und der sibyllinisch-apokalyptischen Weissagungen lässt sich zuweilen der Gesichtspunkt des Autors deutlich genug erkennen, am besten in ausführlicheren Werken, wie denen der Paderborner Annalen, des Annalista Saxo und Ottos von Freising und anderer. Am ergiebigsten sind die Briefe - von Streitschriften in dem Papstschisma sind nur wenige erhalten -, die von den verschiedenen Parteien ausgehen; doch sind von Lothar selbst solche leider nicht erhalten.

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I. Teil.
Die Kirche als die von Gott eingesetzte Mittlerin zwischen Mensch und Gott nahm jederzeit das Recht der höchsten Leitung des Gottesstaates in Anspruch. Nach Augustin sollte das universale römische Reich zum Gottesstaate werden; seinen Sturz hat er aber nicht mehr gesehen. Von den germanischen Völkern suchte das Reich der Franken Anschluss an die römische Kirche, ordnete diese aber ganz den Zwecken des Staates unter 1). Gegen diese Verhältnisse trat in der Mitte des 8. Jahrhunderts seitens der Kirche die Reformbewegung ein. Namentlich unter dem Einfluss des hl. Bonifatius und begünstigt von den Karolingern wurden die früheren Verhältnisse vollständig in das Gegenteil umgekehrt: Die Staatseinrichtungen wurden von kirchlichen Grundsätzen durchdrungen und dienten ganz den Zwecken der Kirche. Karl der Grosse nahm dann bewusst die Idee des Augustinischen Gottesstaates auf, überliess jedoch nicht dem Papste dessen Leitung, sondern beanspruchte sie für sich 2). Der Widerstreit der beiderseitigen Ansprüche kam damals noch nicht zum Durchbruch. Nach dem Verfall des karolingischen Reiches war die Kirche die einzige universale Macht, der die Leitung zufallen konnte. Diese wurde ihr wieder entrissen von den deutschen Kaisern, die nach der Erneuerung des abendländischen Kaisertums universalen Ideen nachgingen. Das Papsttum, das vorher in den Thronstreitigkeiten die Rechte des höchsten Leiters im Gottesstaate ausgeübt hatte, musste es jetzt über sich ergehen lassen, dass die Kaiser in der Papstwahl und bei

1) H. v. Eicken, Geschichte und System der mittelalterl. Weltanschauung. Stuttgart 1887.
2) Ohr, l. c.

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Besetzung der Bischofstühle sowie anderen kirchlichen Angelegenheiten einen weitgehenden Einfluss geltend machten. Bei der Unfähigkeit der damaligen Päpste fand dies keinen nachhaltigen Widerspruch. Somit ging die Weltherrschaft, die dem Gottesherrscher zustand, an das Kaisertum über. Im 11. Jahrhundert setzte dann aber die gewaltige Reform seitens der Päpste ein, ein langer, schwerer Kampf, aber wert geführt zu werden, da der Besitz der höchsten Gewalt auf Erden der Kampfpreis war. Das ganze Geistesleben jener Zeit ist von diesem Streite bewegt worden. Die zahlreichen Streitschriften geben hiervon ein lebendiges Bild. Gregors VII. Ideen, die den augustinischen Ursprung deutlich erkennen lassen, waren siegreich durchgedrungen, in dem Wormser Konkordat der weltlichen Macht die Grenzen gezogen worden. Die Weltherrschaft lag in der Hand des Papsttums. Die Wirkung des Sieges zeigte sich sogleich in der italienischen Politik des Honorius 1), und in Deutschland gelang der Kurie bei der Wahl Lothars ein weitgehender Einfluss auf die Wähler. Von der Haltung des neuen Kaisers zum Papste hing die Dauer des Erfolges ab, und diese musste bei den Zeitgenossen, die jenen grossen Kampf zum Teil noch mitgekämpft hatten, und bei denen allen die Erinnerung hieran noch lebendig war, in erster Linie Beachtung finden. Unter diesem Gesichtspunkte hauptsächlich musste die Charakterisierung des Kaisers als Teufels- oder Gottesfürsten stattfinden. Es wäre verwunderlich, wenn dieses in den Quellen keinen Niederschlag gefunden hätte.
Über das Verhältnis von regnum und sacerdotium bestanden mehrere Theorien: die hierarchische der Gregorianer, die die völlige Unterordnung der weltlichen Gewalt unter die geistliche verlangte, die mönchische 2), die jede Berührung, mit dem Weltlichen ablehnte, die laikale, die

1) Bernhardi, I. c. 270.
2) E. Bernheim, Der Charakter Ottos von Freising und seiner Werke. Mitt. d. Instituts f. Österr. Geschichtsforschung, Bd. 6. Ribbeck, Gerhoh v. Reichersperg u. seine Ideen über das Verhältnis von Kirche u. Staat. Forsch. z. d. Gesch. Bd. 24, S. 35ff.
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die geistliche Gewalt der weltlichen wesentlich unterordnete 1), und zwischen den extremen die vermittelnde Ansicht von der autonomen Berechtigung der beiden Gewalten, deren jede in der Sphäre des von Gott verliehenen Amtes walte.
Lothar stellte sich auf den Boden dieser letzten Anschauung, die mit dem Abschluss des lnvestiturstreites die herrschende geworden war. Zudem war er persönlich fromm und hatte 2) ein innerliches Verhältnis zu den bedeutendsten Geistlichen seiner Zeit, denen er weitgehenden Einfluss gestattete. Seine Macht war von Anfang an bedeutend und wurde es immer mehr, so dass man selbst bei dem Ausbruch des Schismas im Jahre 1130 sich von beiden Parteien um seine Gunst bewarb. Dann auch brachte er den Sachsenstamm wieder zur Herrschaft und hatte die ganze Sympathie der besonders aufblühenden sächsischen Geschichtsschreibung für sich. Schliesslich ist auch der mögliche Einfluss sibyllinischer Weissagungen zu berücksichtigen. Schon in der Einleitung habe ich bemerkt, dass wahrscheinlich noch ältere Redaktionen als die der Escorialhandschrift im Umlauf waren. In der kampfreichen furchtbaren Zeit des Investiturstreites konnte man sehr wohl die Schreckenszeit der Sibylle erblicken und nach der Beilegung des Streites den Friedenskaiser erwarten.
Es ist daher begreiflich, dass Lothar III. ganz vorwiegend, und zwar auch von der hierarchischen Partei, als rex iustus betrachtet wurde, und nur vereinzelte Stimmen sich anders äusserten.
Otto von Freising, der sich für keine der genannten Theorien entschieden erklärt, scheint der letzteren zuzuneigen und Lothar diese Stellung zuzuschreiben, wenn er

1) Wilh. Ohr, Der karolingische Gottesstaat in Theorie u. Praxis, Lpz. Diss. 1902.
2) Vita Norberti, M. G. SS. XII 702, 25: „Diligebat et ipse virum Dei Norbertum, eo quod consiliis eius plerumque regeretur“; Ebonis Vita Ottonis III 23, Jaffé Bibl. V 685; Annales Stederburg. M. G. SS. XVI 205, 13: Gerhardus Richenberch, Propst in Stederburg, der als Mann grosser Heiligkeit gepriesen wird, war so vertraut mit Lothar, dass dieser sich niemals seinem Rate entzog. Weitere Belegstellen hierfür gibt Bernhardi, I. c. S. 794, Anm. 16.

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bei dem Hülfegesuch des Papstes Innozenz berichtet, dass der Kaiser jenen bescheiden darauf aufmerksam gemacht habe, wie sehr das Reich durch die Konzessionen an die Kirche geschwächt worden sei, dass er aber dennoch Hilfe zugesagt habe 1). Damit steht sehr gut eine andere Nachricht Ottos beim Tode Lothars in Einklang 2): „futurus (Lothar), nisi morte praeventus foret, cuius virtute et industria corona imperii ad pristinam dignitatem reduceretur“.
Hierarchisch gesinnt ist der Verfasser folgender Stelle 3): „Vos enim ille estis, qui et Wipertinam et Burdinianam haeresin et earum defensorem Henricum semper oppugnastis et Dei misericordia superavistis et catholicis apostolicis semper vos submittendo submisistis et aecclesiae atque eis pacem et victoriam optavistis“.
„Aecclesiastico iuri devotus“ wird der Kaiser genannt in Anselmi Cont. Sigeberti M. G. SS. VI 380, 15, Andreae Dandali Chronicon, Muratori XIII. 273 D, Annales Ferolivienses Muratori XXII. 5.
Häufig ist die Bezeichnung „aecclesiae advocatus“: Ptolemaei Lucensis Hist. Ecclesiast. Muratori XI 1096 D: „Hic post suam coronationem, zelo Dei et fidei, tamquam verus Catholicus et Ecclesiae advocatus vires Imperii denuo excitavit“, Ricobaldus Ferrariensis Murat. XI 122 E, Sigardi Chronicon, Murat. VI 596, C.
Das Bild, das Barbarossas Entrüstung später hervorrief, stellte Lothar als Lehnsmann des Papstes dar: Innozenz „in sede pontificali residentem imperatorem Lotharium complicatis manibus coram se inclinatum, coronam imperii suscipientem“ 4). Man brachte hierdurch zum Ausdruck, dass man die Gregorianischen Ideen unter Lothar verwirklicht glaubte.
Gerhoh von Reichersperg vertrat in seinen Schriften zunächst die hierarchische Richtung, neigte dann aber mehr

1) M. G. SS. XX 257, 18 ff.
2) M. G. SS. XX 259, 1 ff.
3) Neugart, Cod. diplom. Alemanniae et Burgundiae. Monasterii 1795. III 64.
4) Annales Colonienses maximi, M. G. SS. XVII 766, 21 ff.
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zu der vermittelnden Theorie. Deren Ideal, die Harmonie zwischen den beiden Mächten, sei von Kaiser Konstantin und Papst Sylvester verwirklicht worden. Deshalb tadelt er das Verfahren Hadrians IV. gegen Friedrich I. und weist auf jenen Papst hin, der weder durch Schrift noch durch Bild - hier spielt der Autor wahrscheinlich auf die genannte Darstellung an -- den Kaiser Konstantin als seinen Marschall bezeichnet habe 1). Die Zeit Lothars erscheint ihm in besserem Lichte als die vor ihm und nach ihm. In seiner Schrift „De investigatione Antichristi 2) zeichnet er die salischen Kaiser als tyranni und Vorläufer des Antichrist; an Lothar indes vermag er keine Anzeichen für das Erscheinen desselben zu finden.
Eine Zeit des Friedens schlechtweg zwischen regnum und sacerdotium nennt die Zeit unter Lothar Helmold, M. G. SS. XXI 44, 24: „Cepitque in diebus Lotharii cesaris nova lux non tam in Saxoniae finibus, quam in universo regno, tranquillitas temporum, habundantia rerum, pax inter regnum et sacerdotium“, ebenso Theoderici Aeditui Tuitiensis Summa Chron. M. G. SS. XIV 572, 23: „Huius tempore pacem maximam tam saeculares quam aecclesiastici habuerunt. Nec fames aliqua terras occupavit“. Die Nachricht des Annalista Saxo, M. G. SS. VI 774, 6 ff. und der sächsischen Weltchronik c. 266, M.G. Chronic. II 207, dass in Bari, als der Papst und der Kaiser dort die heilige Messe feierten, eine goldene Krone vom Himmel sich auf den Dom niedergesenkt habe, über der eine Taube geschwebt, während man darunter ein Weihrauchfass und zwei brennende Kerzen gesehen habe, interpretieren die genannte Chronik und ein Apokalypse-Kommentar aus dem Jahre 1251 3) dahin, dass diese Erscheinung den Frieden zwischen regnum und sacerdotium bedeute.

1) Ribbeck, l. c.
2) Gerhohi Reicherspergensis praepositi opera hactenus inedita. Curavit Fr. Scheibelberger. Libri III de investigatione Antichristi. Lincii 1875. S. 58 f.
3) Scriptum super Apocalypsim cum imaginibus. Prag 1873, p. 239.

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Unter den sächsischen Geschichtswerken sind die bedeutendsten die Paderborner Annalen 1). Diese geben zum Jahre 1137 nach dem Bericht von Lothars Tode folgende Charakteristik seines Regimentes: „Huius regis tempora iocunda fuere. Nam bona aeris temperie, [cfr. Pseudo-Cyprian: temperies aeris] omnigena terrae fertilitate [Ps.-Cypr. terrae fecunditas] cunctarum rerum copia non solum per regnum, set et paene per totum mundum exuberabat“. Dieser fast übertrieben klingenden Charakteristik widersprechen mehrere eigene Nachrichten des Autors:
Ad. a. 1132: „Eclipsis lunae facta est 5. non. martii. Vehementissima vis ventorum innumera aedificia subruit“.
Ad. a. 1133: „Eclipsis solis facta est ... in tantum ut stellae in coelo aparerent. Magna inaequalitas aeris et pluviarum inundatio per totum tempus messis subsecuta est“.
Ad. a. 1136: „Überschwemmung durch die Weser und andere Flüsse, wodurch „magni terrores seu pericula“
entstanden seien“.
Dieser Widerspruch erklärt sich so: Lothar sollte als rex iustus dargestellt werden, wie sich noch weiter zeigen wird. Nach Augustin und Pseudo-Cyprian ist aber für die Herrschaft des rex. iniquus ein Kriterium, dass „tempestas aeris et hemisperia terrarum fecunditatem et maris ministeria prohibent“. Auch die Mond- und Sonnenfinsternisse sah man als das Werk des Teufels an: In den Annales Rodenses (M. G. SS. XVI 710) wird die in fast allen Quellen jener Zeit berichtete Sonnenfinsternis auf die Niederlage der Christen durch die Türken, die als Heiden zur „civitas diaboli“ gerechnet werden, zurückgeführt. Nach dieser zeitgenössischen Anschauung würden die Leser die von dem Annalisten selbst als bedeutende anerkannten Naturerscheinungen als das Werk des Teufels angesehen haben und zur Ansicht gekommen sein, dass der regierende Herrscher ein Teufelsfürst sei. Das musste der Autor vermeiden, denn er war von dem Gegenteil überzeugt, für das

1) Annales Patherbrunnenses, Eine verlorene Quellenschrift des 12. Jahrh. Aus Bruchstücken wiederhergestellt von P. Scheffer-Boichhorst. Innsbruck 1870.

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die wesentlichsten Kriterien sprachen. Daher ignoriert er in der Gesamtcharakteristik jene misslichen Vorkommnisse, behauptet summarisch das Gegenteil und stellt seinem Leser stillschweigend jene Vorkommnisse als ein vereinzeltes Mucken des Teufels hin, das auch unter dem Gottesfürsten wohl geschehen konnte.
Es folgt: „Hic pace affluebat, concordia regnabat, moderatione fulgebat - pace belloque clarissimus erat“. Auch dieser Satz enthält, legt man dem Worte „pax“ seine gewöhnliche Bedeutung bei, einen Widerspruch, allerdings anderer Art als der eben behandelte: man kann nicht in einem Atem behaupten, jemand habe Überfluss an Frieden gehabt und sei berühmt gewesen im Kriege. Diesen Widerspruch würde der Autor auch bemerkt haben, da er doch eingehend von Lothars hartnäckigem Kampf gegen die Böhmen, die staufischen Brüder und Roger von Sizilien berichtet. Bernhardi 1) sucht diesen Widerspruch zu heben, indem er erklärt, der Autor, der Kleriker sei, habe den Schutz des kirchlichen Eigentums vor weltlicher Bedrängnis im Sinn. Als Beweis hätte Bernhardi noch anführen können, dass der Poehlder Annalist, der diese Annalen ausgeschrieben hat, immer nur von dem Frieden, den die Kirche genossen habe, spricht. Bei dieser Einschränkung muss der starke Ausdruck „affluebat“ Zweifel erregen, denn an einigen Streitpunkten zwischen Kirche und Staat hat es auch nicht gefehlt 2). Völlig hebt sich der Widerspruch, wenn man dem Worte pax die augustinische Bedeutung beilegt: Kampf gegen Rebellen, Teufelsfürsten, ist keine

1) Bernhardi, l. c. p. 49, Anm. 108.
2) Man denke nur an die Absicht und den Versuch Lothars auf dem Reichstage zu Lüttich, die alte Investitur wieder zu gewinnen, an die Klagen Adalberts von Mainz, dass Lothar ganz nach seinem Willen Bischöfe ein- und absetze, Cod. Udalr. 264, Jaffé, Bibl. V, 451, dann an den Streit Lothars mit dem Papste wegen der Belehnung Rainulfs mit Unteritalien u. bei der Besetzung der Abtei Monte Casino mit Wibald von Stablo, schliesslich an die Nachricht in Caesaris Cat. Aep. Coloniensium M. G. SS.  XXIV 341, 36-40, dass Lothar eine unkanonische Wahl begünstigt habe.

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Störung des wahren Friedens, sondern fördert diesen. Solcher Kämpfe hat Lothar in Erfüllung seiner göttlichen Mission viele geführt, so dass der Autor angesichts dessen doch gerade schreiben konnte, der Kaiser habe Überfluss an Frieden gehabt. Könnten wir Bernhardis Erklärung anerkennen, so würde sich auch der hierbei gewonnene Gedanke gut, wenn auch nicht in gleichem Masse wie der obige, in die Charakteristik des „rex iustus“ einreihen.
Weiter heisst es: „Merito a nobis nostrisque posteris „pater patriae“ appellatur, quia erat egregius defensor et fortissimus propugnator, nihili pendens vitam suam contra omnia adversa propter iustitiam opponere“. Im Sinne der alten Römer kann dieses „pater patriae“ nicht gemeint sein, da bei diesen dieser Lobestitel nur dem Retter des Staates aus der Gefahr völligen Untergangs erteilt wurde. Der Autor folgt hier vielmehr dem Gange der Ausführungen Augustins, der in Buch XIX c. 13 den Begriff der „pax“ darlegt und c. 14 als das Ideal christlicher Herrschaft die „pax domestica“ der Patriarchen hinstellt, die nicht „dominandi cupiditate sed officio consulendi“ - cfr. Ps.-Cyp. „propter iustitiam“ - regiert hätten.
„Et ut magnificentius de eo dicamus, in diebus eius populus terrae principem terrae non pertimuit nec violentorum manibus subiacuit. Unus quisque enim sua liberaliter pacificeque possidebat“. Es ist hier nicht sicher zu entscheiden, ob unter dem „princeps terrae“ Lothar oder in Anwendung der Sprache der Hl. Schrift und der Kirche der Teufel verstanden ist. Im ersten Fall hätten die Sätze folgenden Sinn: Lothar führte die Herrschaft über seine Untertanen wie die Patriarchen, die, ihrer göttlichen Mission sich bewusst, ihr Amt zur Zufriedenheit des Volkes ausübten, so dass dieses den Herrscher nicht fürchtete, sondern  Unterordnung als wahre Freiheit ansah. Letzteres besagt der Satz, der mit enim zur Erklärung angeschlossen ist: „Unus quisque enim sua liberaliter pacificeque possidebat“. Dieser Gedanke ist augustinisch: De civ. Dei XIX 14. „sed ne propter humanae mentis infirmitatem in pestem alicuius erroris incurrat [sc. homo]

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opus habet magisterio divino, cui certus obtemperet, et adiutorio, ut liber obtemperet“. In den Briefen Gregors VII. finden wir diesen Gedanken häufig wieder.
Für die zweite Erklärung, princeps = Teufel, spricht die häufige Anwendung dieses Ausdruckes in der mittelalterlichen Literatur 1), weiterhin die Verbindung von „principem terrae non pertimuit“ mit „nec violentorum manibus subiacuit“, wonach, wie es scheint, die violenti zum princeps gerechnet werden. Letzteres fügt sich bei der ersten Auslegung nicht so gut wie bei dieser in den Gedankengang ein. Jedoch bietet jener erklärende Satz auch bei der letzten Interpretation eine Begründung des vorhergehenden: Der Friede ist nur möglich bei der Machtlosigkeit des Teufels gegenüber dem Gottesfürsten, dem man „liberaliter“ gehorcht.
Die Anknüpfung dieses Abschnittes des Eulogiums mit „Ut magnificentius de eo dicamus“ kann auch nicht zur Entscheidung beitragen, da bei beiden Deutungen eine Steigerung des Lobes vorliegt.
Die Charakteristik schliesst der Autor: „Ergo pro pacificis erga dei ecclesiam ab eo gestis optamus, ut alta pace in domino quiescat et aeterna beatitudine perfruatur“.
Dieses ganze Eulogium ist darauf angelegt, alle Kriterien eines rex iustus, äusseren [temperies aeris] und inneren
[pace affluebat, concordia regnabat] Frieden, iustitia [propter iustitiam] und Ausübung der Herrschaft nach dem Willen Gottes [„pater patriae“, liberaliter], nachzuweisen und Lothar nachzurühmen.
Die Paderborner Annalen waren Quelle für den Annalista Saxo, der daneben mehrere andere Quellen benutzte. Das Eulogium nahm er nicht vollständig auf. Schon zum Jahre 1135 berichtet er mit einigen Zusätzen aus andern Quellen: „Sub illo enim imperium pace affluebat, copia rerum exuberabat, religio monasteriorum florebat, iusticia regnabat, iniquitas contiscebat“ 2). Diese Zusätze sollen die
 
1) Die Bedeutung princeps terrae = Landesfürst kommt erst im 12. Jahrh. auf.
2) Ann. Saxo, MG. SS. VI 770, 12.

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Erklärung der übernommenen Notizen bilden, und wir dürfen diese als weiteren Beweis dafür ansehen, dass auch das Wort „pax“ des Paderborner Annalisten in augustinischem Sinne aufzufassen ist, denn es ist so von einem späteren Zeitgenossen verstanden worden.
Tatsächlich ist sowohl der innere Reichsfrieden, als auch der Frieden zwischen Staat und Kirche in jener Notiz gemeint. Das Wort pacifici ist im Sinne Augustins zu verstehen, soll also die Zeit als eine der vollsten Harmonie bezeichnen. Bei dieser Interpretation löst sich der Widerspruch leicht: Kampf gegen Tyrannen ist keine Störung des wahren Friedens. So wollte auch die Notiz verstanden werden, denn sie ist an der Stelle des Kodex eingefügt, an der im Text die Aufnahme des Kampfes gegen Konrad, der in dieser Quelle als Teufelsfürst erscheint, berichtet wird. Es lässt sich dieser paradox klingende Satz am besten vergleichen mit einem Worte Ottos von Freising, das dieser von einer Zeit sagt, in der Kaiser Friedrich I. von der blutigsten Niederwerfung der lombardischen Städte zurückkehrte 1): „Princeps . . . rediens, sicut Francis praesentia sua pacem reddidit, sic Italis absentia subtraxit“.
An dieser Stelle scheint mir die Notiz speziell die Verwirklichung sibyllinischer Erwartungen ausdrücken zu wollen.
Nicht geringe Bedeutung ist einer Notiz zuzuschreiben, die eine gleichzeitige aber nicht dieselbe Hand am Rande eines Kodex ad a. 1126 eingetragen hat 2): „Incipiunt anni pacifici“. Bernhardi 3) erklärt diese Notiz: „Vielleicht hängt es mit der Verkündigung des Landfriedens auf längere Zeit, der 1135 auf zehn Jahre verlängert wurde, zusammen, dass in auffallender Weise von so vielen Chronisten die Zeit Lothars als die Epoche des Friedens gepriesen wurde, während sie in Wahrheit von Krieg durchaus erfüllt war“.
Diese Erklärung ist abzulehnen; vielmehr wird mit jenen Worten die gesamte Regierung Lothars als die eines

1) Gesta Friderici II 30, M. G. SS. XX 414, 26.
2) M. G. SS. VI  763, 14.
3) Bernhardi, l. c. S. 49. Anm. 108.

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Friedensfürsten im Sinne der augustinischen und sibyllinischen Anschauungen bezeichnet.
Die Annales Palidenses 1) haben neben Rosenfelder und Ilsenburger Annalen 2) auch die Paderborner und die verlorene sagenhafte Kaiserchronik benutzt. Aus letzterer stammte wahrscheinlich die Nachricht von Lothars keuscher Ehe. Nachdem der Poehlder Annalist die Worte Lothars im Anschluss an die Paderborner Vorlage berichtet hat, fügt er schon hier eine Charakteristik Lothars ein, die jene erst zum Jahre 1137 mitteilt. In dieser weicht er von seiner Vorlage ab, vielleicht, weil er in das allzu begeisterte Lob des Paderborners nicht einstimmen wollte 3). Sein Urteil lautet aber doch: „Ipse quoque inspirante Deo pacem ecclesie requiemque fidelibus confirmare sollicitus, ubicunque inventos predones aut sacrilegos sine acceptione persone vel muneris multare non distulit. Iusticie enim amator et tenax, precessorum suorum Constantini - dieser wird überall als das Ideal des Gottesfürsten dargestellt - Karoli primique Ottonis imitator et heres, temporum suorum usque in finem saeculi in benedictione memoriam reliquit. Nam diebus ipsius ecclesia pace gaudebat, divini etiam cultus religio crescebat, cunctarum rerum opulentia prospere habundabat“. Der Autor sucht alle Kriterien eines „rex iustus“ nachzuweisen. Der Forderung des Pseudo-Cyprian, dass jeder König „proprios mores, ne iniqui sint, corrigit“ wird er gerecht, wenn er von Lothar sagt: „Liuderum in regem elegerunt, ipsam sui generis nobilitatem honestis actibus et morum probitate decorantem“ 4), weiterhin mit der Nachricht, dass Lothar und Richinza nach der Geburt ihrer Tochter Gertrud „copula carnali ultra non fuisse coniunctos“ 5). Die Zeit hat nach ihm deshalb auch den äusseren Segen in der Natur: „cunctarum rerum opulentia prospere habundabat“.

1) M. G. SS. XVI 77, 50 ff.
2) H. Herre. Ilsenburger Annalen als Quelle der Poehlder Chronik, Diss. Lpz. 1890.
3) E. Bernheim. Forschungen z. d. Geschichte. Bd. XV.
4) M. G. SS. XVI 77, 47 f.
5) M. G. SS. XVI 79, 54 ff.

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Das Chronicon Gozecense 1) leitet Lothars Regierung ein: „Anno . . . 1126 imperatore Heinrico apud Traiectum defuncto, . . . veritas de terra prodiit, et iusticia de coelo prospexit. Siquidem . . . Liudegerus, dux Saxonum, gubernacula suscepit“.
Annales Rodenses M. G. SS. XVI 706, 11 ff.: „. . . successit Lotharius . . ., vir iustus et Deo coeli devotus. Nam  ipse iuste iudicavit, pacem composuit, aecclesias defendit, iniquos dampnavit, elemosinas distribuit, et quae Dei sunt exquisivit, unde toto eius tempore pax viguit, et terra fructum diu negatum uberius produxit“.
Chronicon Burchardi et Cuonradi M. G. SS. XXIII 342, 22 ff.: „Huius Lotharii quidam scriptor mores his verbis describit: Erat, inquit, vir ille strenuus belli ductor, precipuus in armis, providus in consilio, terribilis inimicis Dei et sanctae ecclesiae, veritatis amicus, iustitiae socius, iniustitiae inimicus, cuius probitas patuit in Sicilia, viguit et in Saxonia, qui quamdiu vixit, totum Romanum imperium, quod eius custodiae deputatum fuerat, titubare non potuit“ 2). Nur der erste Teil dieses Urteils lässt die Anschauungsweise nicht durchblicken; er scheint mehr das altgermanische Königsideal im Auge zu haben, dessen besondere Tugenden Kampfestüchtigkeit und die Tätigkeit weisen Ratens in der Volksversammlung sind.
Für unsere Untersuchung lassen sich auch jene Briefe ausbeuten, die zuerst von Körtum in Schlossers und Berchts Archiv für Geschichte und Literatur 1831 veröffentlicht wurden, von Ph. Jaffé für echt gehalten und in seiner Geschichte des deutschen Reichs benutzt wurden, von W. Wattenbach aber 3) als fingierte zu einem Briefsteller 4) gehörige Schreiben nachgewiesen sind. Die Abfassungszeit

1) M. G. SS. X 154, 29 ff.
2) Dieselbe Notiz findet sich in der Vita Norberti mit einem Einschiebsel: „Fuit enim idem Lotarius timens Deum, strenuus etc.“ M. G. SS. XII 702, 22 ff.
3) Archiv für österreichische Geschichtsquellen, Bd. 14. Wattenbach. Iter Austriacum. p. 39-94.
4) cfr. Bütow, Die Entwickelung der mittelalterlichen Briefsteller bis zur Mitte des 12. Jahrh. Greifswalder Diss. 1908.

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sei auf das Jahr 1132 anzusetzen, Verfasser sei aus der Schule des Henricus Francigena; denn es finden sich mehrere Übereinstimmungen mit Briefen der Aurea gemma dieses Autors. Können wir auch nicht die berichteten Tatsachen als genügend beglaubigt ansehen, so zeigen sie uns doch klar die Anschauungen jener Zeit. Denn Briefsteller passen immer die Briefe der Anschauungsweise ihrer Leser an, und die in ihm vorgefundenen Anschauungen kann man als die allgemein lebendigen einer Zeit betrachten.
Als ersten Brief führt diese Sammlung einen des Papstes Innozenz an Lothar, in dem dieser der grossen Freude Ausdruck gibt, die ihm die Nachricht bereitet habe, dass der Kaiser den Weg der Gerechtigkeit wandle und die Teufelsgenossen bekämpfe 1). Wegen seiner „iusticia“ sei ihm die Unterwerfung der Staufer gelungen. Wie Augustin führt auch dieser Briefsteller die Bestrafung des Königs Saul als Warnung vor der „superbia“ an und fordert ihn auf, ein Friedensreich zu errichten. Der folgende Brief, der die Antwort des Kaisers enthält, zeichnet Anaklet als den Antichrist, der das „idolum Moloch in templo Dei“ errichtet habe, und den Gott deshalb Strafen werde 2). In einem andern 3) weist der Papst den Kaiser, auf die Aufgabe seines Amtes hin: „Imperialem magestatem idcirco Deus ad regendum suum populum preposuit, ut iniquitates calumpniancium et tyrannidem et crudelitatem a regni limite repelleret, subiectos sibi legali tramite regeret et rebelles armorum virtute contereret. Quorum utramque viam superno lumine adiuvante naviter peragitis, cum totum regnum stabili pace federatis, ius suum unicuique tribuitis“.
Bernhardi 4) veröffentlichte noch einen Brief Innozenz' an Lothar, dem er Echtheit abspricht, und den er für eine Stilübung erklärt. Dort heisst es nach der salutatio: „Quemadmodum tyrannici furoris rabies sancte pastores ecclesie puniendo perturbat et perturbando fortiter debilitat,

1) Archiv f. österr. Geschichtsquellen XIV 68/9.
2) l. c. p. 69.
3) l. c. p. 83.
4) Bernhardi, l. c. 855. Exkurs XII. Ep. I.

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eodem modo regalis fortitudo pietatis illos tuendo confortare et confortando a suis persecutoribus debet protegere“.
Die bisher angeführten Quellen liessen durch den Nachweis mehrerer Kennzeichen eines Gottesfürsten den augustinischen Gesichtspunkt deutlich erkennen. Man sieht daraus, wie geläufig jener Zeit die augustinische Geschichtsanschauung war, und wir dürfen sie auch da annehmen, wo wir nur die charakteristischen Schlagworte finden. Allerdings ist genau zu prüfen, ob sie in augustinischem Sinne gemeint sind. Solche Schlagworte sind in erster Linie „pax“ und „iustitia“. „Pax“ hat gelegentlich in den Quellen natürlich auch die klassische und unsere heutige Bedeutung, ebenso „iustitia“. Der Zusammenhang wird im einzelnen Falle den Sinn ergeben müssen. Wenn z. B. bei Ordericus Vitalis 1) Lothar „militia iusticiaque probatus“ genannt wird, so lehrt die Verbindung dieser zwei Begriffe, dass die gewöhnliche Bedeutung gemeint ist. Finden wir aber „pax et iustitia“, so liegt immer die augustinische Bedeutung zugrunde.
Wie man alles Unheil auf das Wirken des Teufels zurückführte, der durch einen Teufelsherrscher seine Macht ausübte, so schloss man auch von besonders glücklichen Ereignissen auf das Regiment eines Gottesherrschers. So forscht der Autor, der über die Auffindung der Gebeine des hl. Matthias 2) berichtet, danach, warum diese grosse Gnade Gottes gewährt worden sei, und kommt zu dem Schluss: „Benedixit enim Dominus terram suam, avertit captivitatem Iacob; quia post longos annos sterilitatis inediae et famis terra dedit fructum suum, et Dominus praeparavit mensam populo suo; et depulsa violentia tyrannorum et praedonum iocunda tempora pacis et quietis successerunt, . . . Contigit autem haec inventio . . . regnante serenissimo et Dei cultore Lothario“.
Bernhardi 3) sagt in dem Schlussurteil über Lothar, dass dieser den Mangel an Energie gegenüber dem Klerus

1) M. G. SS. XX 77, 8.
2) M. G. SS. VIII 229, 44 ff.
3) Bernhardi, l. c. p. 796.

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durch die eifrige Ausübung der höchsten Tugend eines Regenten, der Gerechtigkeit ersetzt habe, die er als Leitstern seiner Handlungen nie aus den Augen zu verlieren getrachtet habe. Als Beleg führt er mehrere Stellen in den Quellen an, die unzweifelhaft im augustinischen, nicht in dem klassischen Sinne verstanden werden wollen:
Annales S. Iacobi Leod. 1): „Lotharius . . . vir strenuus et praecipuus aecclesiae Dei cultor iusticiaeque et pacis amator“, Bulle Innozenz' II. vom 8. Juni 2): „Ab ineunte aetate . . . cultor iustitiae“.
Gerechtigkeit im Sinne von Gottesfürchtigkeit war also der Leitstern seines Handelns. Das zeigen klarer andere Belegstellen, die Bernhardi nicht zitiert:
Vita Ottonis 3) berichtet, dass Lothar „zelo iusticiae“ gegen die heidnischen Liutizen gezogen sei. Lothar erscheint hier mehr als Missionar denn als Feldherr. Ludolfi Historia Mediolanensis 4): „Set ne moriar, sicut illi mei adversarii moriuntur et mortui sunt, valde multum desideravi et desidero, ut hii, qui adhuc (1136) vivere videntur, a sole iustitie illuminarenter; ut depulsa scismaticorum et superstitiosiorum superbia, spernant suorum auctorum mendatia, atque diligant et teneant quam optimi regis [Lothar] eiusque pontificis patrocinia“ 5).
Oben 6) habe ich bemerkt, dass nur vereinzelte Stimmen Lothar ungünstig beurteilen. Hinsichtlich der Gesamtcharakteristik - bei der Charakterisierung der Parteistellung im einzelnen finden sich mehrere - ist dies nur der Fall in zwei Versen eines kirchenpolitischen Gedichtes, wie Wattenbach 7) dieses Poem nennt:
„Papa wipertizas, regem heinrizare videmus:
Nec te pro papa, nec eum pro rege tenemus“.

1) M. G. SS. 640, 30.
2) Jaffé Reg. No. 7633 (5461).
3) Jaffé Bibl. V 657.  M. G. SS. XII 862, 42.
4) M. G. SS. XX 36, 14 ff.
5) cfr. Chronicon Holtzatiense M. G. SS. XXI 261: pius et iustus.
6) cfr. p. 41.
7) Im Anzeiger f. d. Kunde der deutschen Vorzeit, Bd. XX, p. 101.

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Verschwindend klein ist die Zahl derjenigen Prädikate, die von andern Gesichtspunkten aus Lothar beigelegt worden, sind. Darin hat Kircheisen 1) Recht, dass die Schriftsteller jener Zeit das einzelne Individuuın mit seinen Eigentümlichkeiten nicht darzustellen suchten, sondern nur „mit typischen Motiven, denen die Ausbildung eines „Ideals“ zugrunde liegt“ 2), Persönlichkeiten geschildert hätten 3). Aber zu allgemein gehalten behauptet er dann weiter, dass man die Diener der Kirche, späterhin auch Fürsten und Volk dadurch charakterisiert habe, dass man ihre Eigenschaften schematisch mit denen verglich, die man für einen Christenmenschen als erforderlich und notwendig ansah. Für die regierenden Herrscher trifft dies jedenfalls nicht zu. Die vorigen Darlegungen haben gezeigt, dass man ihre Eigenschaften speziell mit dem von Augustinus aufgestellten Ideal eines Gottesherrschers verglich.

1) Kircheisen, Geschichte des literarischen Portraits. Teil I, Lpz. 1904; Teil II. der mit Lothar beginnen müsste, ist noch nicht erschienen.
2) Kircheisen, l. c. p. 4.
3) Nur Lothars iracundia wird mehrmals erwähnt: Bernh. v. Clairv. Epist. 150. l. c. S. 308. Cod. Udalr. No. 260, Jaffé Bibl.-V 447 von Bischof Herrmann von Augsburg.

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II. Teil.  
Im ersten Teil hoffe ich dargetan zu haben, dass die mittelalterlichen Schriftsteller in der Gesamt-Charakteristik Lothars den Standpunkt Augustins bezw. Pseudo-Cyprians einnahmen. Der zweite Teil soll zeigen, dass Lothars Parteistellung im einzelnen in derselben Weise betrachtet wurde.
Die Geschichtsschreiber schildern, ausgehend von der Theorie Augustins, dass jeder Kampf ein solcher sei zwischen Anhängern des Teufels- und Gottesreiches, bei der Darstellung eines Kampfes in der einen Partei die Teufelsgenossen, in der andern die Gotteskinder. Die Kennzeichnung einer Partei in dieser Hinsicht geschieht ausser durch die feststehenden Ausdrücke „rex iustus“ bezw. „tyrannus“ etc. auch durch Mitteilung der Motive und angewandten Mittel. Die Teufelspartei kämpft aus Selbstsucht und Ehrgeiz, in Auflehnung und Hass gegen Gott, auf Anstiften und mit Hülfe des Satans, den Gott diese Macht über die Menschen ausüben lässt, „sub specie religionis“, was immer als schlimmste Eigenschaft vom Antichrist ausgesagt wird. Die andere kämpft, weil es ihre Pflicht ist, den Kampf gegen die Teufelsgenossen, die in falschem Frieden leben, zu führen, also um Gottes Willen zu erfüllen [„zelo iusticiae“]. Motive wie Ruhmsucht und Ehrgeiz - dass ein als Gottesherrscher dargestellter Kaiser sich um die Erlangung der Kaiserwürde aus eigener Initiative beworben habe, wird, damit dieser ganz als demütiges Werkzeug Gottes erscheint, immer geleugnet - können dem Gottesfürsten nicht beigelegt werden. Weiterhin kennzeichnet zuweilen die Nach-

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richt von Naturerscheinungen und grossen Begebenheiten, die entweder als das Wirken Gottes oder des Teufels erscheinen, in ihrer Verbindung mit den behandelten Begebenheiten die Stellung der Partei. Auch im übrigen werden die Kriterien, die Pseudo-Cyprian anführt, hier bei den handelnden Personen nachgewiesen.

1. Lothar und die zu seiner Zeit regierenden Päpste.

a) Lothar und Honorius II.
Mit dem Papst Honorius II. geriet Lothar bei seiner kirchlichen Gesinnung niemals in Streit, sondern gestattete der Kurie eine weitgehende Einwirkung auf die kirchlichen Angelegenheiten des Reiches. Erst das Schisma des Jahres 1130 verwickelte ihn in die Kämpfe der beiden Prätendenten, Innozenz' II. und Anaklets.

b) Lothar und Innocenz II.
In ihren Briefen wenden sich Innozenz und Anaklet und beider Anhänger an Lothar als den Gottesfürsten auf dem Kaiserthrone, von dem sie erwarten, dass er, seiner göttlichen Mission sich bewusst und sie erfüllend, der Kirche helfen wird. Es gilt, sich als deren rechtmässigen Leiter zu beweisen und die Partei des Gegners als die des Teufels oder Antichrists zu kennzeichnen. Unter Hinweis auf seine göttliche Sendung fordern sie von dem Kaiser, diese Partei niederzuwerfen. Das ist der Gedankengang aller in dieser Sache an Lothar gerichteten Briefe.
Die Untersuchung auf den kanonischen Verlauf der Wahl wies bei beiden Bewerbern mehrere Angriffspunkte auf. Bei dem Kampfe um die Anerkennung wurde daher diese zurück und die Frage der Würdigkeit mehr in den Vordergrund geschoben 1). Dass dies auf der Synode zu

1) Mühlbacher, Die strittige Papstwahl des Jahres 1130.

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Etampes geschah, berichten unter anderen Suger 1) und die Chronik von Morigny 2). In den Streitschriften und Briefen ist dasselbe Bestreben klar zu erkennen. Hierin ist der Grund zu suchen, dass die Verfasser jener Schriften sich sichtlich besonders bemühen, alle Momente beizubringen, die den Gegner als Anhänger der Teufelspartei kennzeichnen. Schon die „salutatio“ der Briefe kann man mit einigem Recht als Argument heranziehen, darzutun, dass die Briefschreiber auf ihre und des Adressaten Stellung zum Gottesstaate hinweisen wollen. Die Formel „servus servorum Dei“, die zuerst von Gregor dem Grossen gebraucht ist, geht auf Augustin zurück, und das „Dei gratia imperator“ tritt zuerst bei Karl dem Grossen auf, in dem die Idee des Gottesstaates besonders lebendig war. Diese wurden allmählich feste Formeln im Briefstil. Blosse Phrasen sind sie deshalb aber nicht geworden, sondern man war sich ihrer Bedeutung vollkommen bewusst. In den Briefen Gregors VII. an Heinrich IV. wechselt die Form der „salutatio“ mit der Änderung des Verhältnisses dieser beiden Männer zueinander. Auch in den uns vorliegenden Briefen finden wir diese Formeln zuweilen geändert vor. In dem Schreiben Innozenz' an Lothar heisst es: „Gregorius . . . Deo disponente . . . electus - Lothario illustri et glorioso et sanctae catholicae ecclesiae defensori et speciali filio 3)“, nach der Weihe: „Gregorius servus servorum Dei“ etc. Klarer tritt die genannte Absicht hervor in dem Briefe der Kardinäle, die Innozenz gewählt haben, an Lothar: „Lothario divina inspirante clementia Romanorum clarissimo regi, iusticiae rigore fulgenti“.
Sein zweites 4) Schreiben an Lothar leitet Innozenz mit der Bemerkung ein, dass der Kaiser stets eifrig der Kirche ergeben gewesen sei, dass ihn die Gnade Gottes zur Verteidigung der Kirche und zum Schutze des Reiches auf

1) Bouquet, Gallicarum et Francicarum script. 12, 57: „magis de persona quam de electione investigans“.
2). Bouquet l. c. 12, 80: „quia et vita sanctior et electione superior apparebat“.
3) Jaffé Bibl. V 419. Cod. Udalr. 241.
4) Jaffé l. c. p. 427 f. Cod. Udalr. 247.

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den Thron erhoben, weshalb ihn auch sein Vorgänger Honorius bestätigt habe. Sodann sucht der Papst Lothar von seiner eigenen Gottgefälligkeit zu überzeugen: Man habe ihn gegen seinen Willen und sein Sträuben einstimmig erhoben, und er habe diese Würde „nulla ambitione honoris, nulla omnino praesumptione, sed compulsus oboedientia, confisus insuper de omnipotentis Dei misericordia . . . ad honorem Dei et ecolesiae Romanae“ übernommen. Deutlicher zeigt sich der oben erwähnte Gesichtspunkt, wenn er den Kaiser bittet: „Sit itaque, fili karissime, regnum tuum adiutorium regni caelestis; ut post temporale regnum, quod longevum tibi Dominus faciat, cum ipso sine fine possis regnare“.
In den Briefen Innozenz' an die geistlichen Fürsten Deutschlands erkennt man dieselbe Gedankenfolge. Der Brief vom 20. Juni 1130 1), den er absandte, als der erste vom 18. Februar 2) nicht den gewünschten Erfolg gezeigt hatte, lehnt sich fast wörtlich an den eben besprochenen an.
Auf die Pflichten eines Gottesfürsten weist Innozenz den König hin 3), wenn er einmal als Gegendienst für die Bannung Konrads, dann aber auch, weil er auf des Königs „fidei firmitas“ und „iustitia“ vertraue, von ihm den Schutz der römischen Kirche fordert.
Die Anhänger Innozenz' richten ungefähr zu gleicher Zeit einen Brief desselben Inhalts an Lothar 4). Es ist jener, in dem sie ihn mit „iusticiae rigore fulgenti“ 5) begrüssen. Auch sie suchen sich als Anhänger des Gottesreiches zu beweisen, wenn sie die Notwendigkeit des Bestehens der römischen Kirche darlegen, die „ventorum ac tempestatum tyrannidem a se repellit“ und in deren Dienste sie zur Wahl Innozenz' geschritten seien; Anaklet dagegen kennzeichnen sie als Teufelsgenossen: Sie weisen auf seine jüdische Abkunft hin, um ihn als Antichrist darzustellen,

1) Jaffé Reg. No. 7413 (5321).
2) Jaffé Bibl. V 420, Cod. Udalr. 242.
3) Jaffé Bibl. V 419, Cod. Udalr. 241.
4) Jaffé l. c. 429.  Cod. Udalr. 248.
5) cfr. pag. 34.
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wie auch Arnulf in seinem Pamphlet auf Anaklet dieses Moment hierzu ausnutzt. Vielleicht ist hier ein Einfluss der sibyllinischen Weissagungen, die die Gottesfeindschaft der Juden besonders hervorheben, vorhanden. Unwahr berichten sie, dass Anaklet bereits durch Gottes Gnade gefangen genommen sei. Der König möge mit Erleuchtung des Hl. Geistes seine Massnahmen ergreifen.
Der Bischof Bruno von Strassburg schreibt an Lothar 1), dass in den schweren Kämpfen des Reiches und der Kirche sich aller Augen auf den Kaiser wendeten. Weil Lothar „non ambicione vel tyrannica pervasione sed divina disposicione“ den Thron bestiegen habe, wage er (Bruno) es, den Kaiser zu bitten, in dieser kirchlichen Angelegenheit den Rat der Königin und religiöser Männer zu pflegen. Er selbst enthält sich eines Urteils über die beiden Päpste.
Walter von Ravenna sucht Norbert von Magdeburg für die Partei Innozenz' zu gewinnen 2), indem er auf den kanonischen Verlauf der einstimmigen Wahl hinweist. Innozenz sei nach Gottes ewigem Beschluss gewählt worden, aber „Petrum, vere leonis rugientis filium, querentem quem devoret“ - also Teufelssohn - „tamquam non electum sed contra Deum et sanctam ecclesiam erectum . . . divina ei in omnibus et per omnia contradicente auctoritate“. Auch in diesem Briefe findet sich die Anspielung auf die jüdische Abkunft Anaklets. Gegen diesen Teufelsfürsten möge Norbert die Hülfe Lothars erbitten, damit dieser mit Gottes Hilfe den Frieden der Kirche wiederherstelle.
Hubert von Lucca 3) weist auf den kanonischen Verlauf der Wahl Innozenz' hin und nennt Anaklet geradezu den „praeco Antichristi“. Letzterer habe sich wortbrüchig gegen die Wahl aufgelehnt, habe aus Ehrgeiz schon lange vorher die Papstwürde erstrebt.

1) Jaffé l. c. 433. Cod. Udalr. 251.
2) Jaffé l. c. 423. Cod. Udalr. 245.
3) Cod. Udalr. 246. Jaffé l. c. p. 425.

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c) Lothar und Anaklet.
Papst Anaklet betont in seinen an Lothar gerichteten Briefen, die die Hülfe des Kaisers nachsuchen, ebenfalls seine Gottgefälligkeit: Durch den unerforschlichen Ratschluss Gottes, mit einer staunenswerten Einmütigkeit von Volk und Klerus sei er gewählt worden. Gerade letzteres Moment führt er als Beweis an, denn: „Solius enim Dei est, unire vota et omnium voluntates“ 1). Wenn er berichtet, dass seine Wahl durch Gottes Fügung geschehen sei, dass alles, was er beherrsche, in Frieden lebe, so hält er das zu berichten für nötig und wünscht es von Lothar als Beweis seiner Gottgefälligkeit angesehen 2). Als Hülfesuchender mochte er es nicht für angebracht halten, Lothar an seine Pflicht als Gottesherrscher, als den er ihn anerkennt, zu erinnern. Hierzu benutzt er die Vermittelung der Königin. In einem Briefe 3), in dem er von Richinza in der Salutatio lobt, „quod totius regni regimen et censura iustitiae de tua potissimum moderatione pendere“, ersucht er diese, sie möge ihren Gatten bitten, „ut sic terreno regno humana potestate praesideat, quatenus ipsum, qui supra nos est, per quem Reges regnant, et Principes iusta decernunt, qui transfert regna cum vult, qui facit reges inglorios . . ., caute semper et diligenter attendat. Et licet ipse Romanam ecclesiam . . . plenis bracchiis amplexetur, dilectionem tamen eius . . . optamus propagari“.
Anaklet erkennt den Kaiser auch dann noch als Gottesfürsten an, als dieser sich der Partei Innozenz' zuwendet, muss somit als Grund dieser Stellungnahme eine nur augenblickliche Irreführung Lothars annehmen, wie es Cosmas von Lothar bei dessen Zuge gegen die Böhmen behauptet 4).

1) Hieraus erklären sich gut die Notizen seitens der Innozentianer und Anakletianer, dass die Wahl ihres Prätendenten einstimmig erfolgt sei, obwohl in Wirklichkeit hiervon nicht die Rede sein kann
2) „Porro ut votis tuis satisfacere videamur, quae circa nos sunt, tuae volumus industriae fieri notiora.“
3) Lupus, Ad Ephes. Concil. variorum Patrum epistolae. Lovanii 1682, p. 511.
4) cfr. p. 54.

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In einem Briefe an Norbert von Magdeburg 1) spricht er seine Verwunderung darüber aus, dass Lothar nicht gegen jenen, der „vipereis sermonibus“ den Inhaber des römischen Stuhles schmähe, vorgehe, dass jener sich rühme, an Lothar einen Schutz zu haben. Er wundere sich, „quomodo tam religiosus princeps patiatur, te [Norbert] contra apostolatus nostri apicem oblatrare; circumquaque enim . . . visitando divertis, ut Nocentio, id est Antichristo proselytum facias“. Wie die Gegner ihn 2), so stellt er also die Gegenpartei als die Partei des Antichrist hin: den Kluniazensern stellt er jene dar als die „falsi fratres“, „filii Belial“, „Filii pestilentiae“, „Filii Agar, sapientiam, quae de terra est, exquirentes“, die sich erkühnt hätten, gegen Gottes Vorsehung zu handeln. Ihre Väter hätten Beelzebub ihren Stammvater genannt. Ihr Führer sei der Kanzler Haimerich, „avaritiae servus, servorum Dei improbus exactor“ 3). Diesem spricht er eine „propria superbia 4) zu. Johannes von Crema nennt er „superbissimus“ 5). In Anaklets Briefen finden sich immer wieder Anspielungen darauf, dass die Gegenpartei die des Antichrist sei: Lupus p. 506, ep. VIII, p. 509, ep. XV Anti-Christi plantationem et cruentam bestiam“, p. 59, ep. XXXVI „velut alter Babylonius“, Translatio Godehardi, M. G. SS. XII 641.
Erwünscht wäre hier ein Schreiben Lothars, das direkt über die Motive seiner Stellungnahme Aufschluss gäbe. Der Brief, in dem Lothar von dem Gericht über Anaklet berichtet, kann auf Echtheit keinen Anspruch machen. Bernhardi 6) hat diese zuerst angezweifelt und die Vermutung ausgesprochen, dass dieses Schriftstück in den obengenannten Briefsteller gehöre. Da er jedoch in jedem Falle die Gedanken eines Zeitgenossen wiedergibt, kann er doch von uns herangezogen werden. Im Anfange dieses Briefes

1) Jaffé Reg. No. 8409
2) siehe S. 36.
3) Lupus, l. c. p. 592.
4) Lupus, p. 503.
5) l. c. p. 496.
6) cfr. Bernhardi, l. c. p. 847 ff.  M. G. LL. II 81.

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weist Lothar darauf hin, dass er durch seine göttliche Mission zum Schützer der Kirche bestimmt sei und dass er deshalb für die Freiheit derselben kämpfen müsse. Daher sei er gegen Anaklet gezogen. Letzterer hätte Gesandte geschickt, welche beweisen sollten, dass auf seiner Seite die „iustitia“ stehe. Er selbst habe ohne Blutvergiessen den Frieden der Kirche wiederherstellen wollen und habe ein Gericht berufen, zu dem beide Parteien Bürgen stellen sollten. Die Anhänger Innozenz' hätten dies getan „utpote pacis amatores, de iustitia confidentes“, die Anaklets hätten ihn hinzuhalten gesucht und seien als „fallaces et perfidi, et tam divinae quam regiae maiestatis rei“ gebannt worden.
Ein klassisches Beispiel dafür, wie lebendig die Idee von jenen beiden Reichen war und in den Kämpfen sich wirksam zeigte, bietet das Pamphlet Arnulfs 1). Seine Schrift, die sich gegen Girard, einen Anhänger Anaklets, richtet, verfolgt deutlich den Zweck, Anaklet als Teufelsfürsten, als Antichrist darzustellen. Zu diesem Zwecke benutzt er alle nur auffindbaren Argumente: Seine jüdische Abkunft: „Augebat fidem, quod ex Iudaeis ortus“, er habe gestrebt „cupiditati suae potius quam iustitiae satisfacere“, dass er Luxus und Schlemmerei getrieben. Er legt dar, dass nicht schon der Besitz des päpstlichen Gutes Zeichen der iustitia sei. Die Wahl Anaklets bezeichnet er klar als das Werk des Teufels 2): „Postremo si non ille humani generis perfidus adversator ecclesiae Dei praestruxisset insidias“. Schon in seiner Jugend habe man jenen für den Antichrist gehalten 3): „At vero postquam adulescentia et peccandi facultatem et licentiam fecit liberius evagandi, si qua superbia si qua petulentia est, tum vero ipse superbus et petulans omni intemperantiae . . . sese satis impudenter addixit . . . tantum sibi suscitavit infamiam, ut eius ortu, ambitione vitaque praecognitis, ipsum esse antichristum universitas gentium passim crederet et pu-

1) M. G.  SS. XII  707-720.
2) l. c. 714, 1.
3) l. c. 711, 47 ff.

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blice testaretur“ 1). Als weiteres Argument führt er an, dass Anaklet sich Roger angeschlossen habe, jenem „tyrannus“, der sich „inane regis nomen“ gegeben habe. Das Wort „inane“ erklärt er damit, dass Anaklet „contra iustitiam“ sich diese Würde angeeignet habe. Den fingierten Einwand, der Besitz des päpstlichen Stuhles und die Gunst des römischen Volkes zeugten für die iustitia Anaklets, widerlegend sagt er, dass das römische Volk anderen Völkern nicht vorgezogen werden dürfe, denn auch unter diesen seien Mitglieder des Gottesreiches. Für die iustitia Innozenz' spreche, dass dieser Lothar, den er den „christianissimus rex“ nennt, „renitentem“ zum Kaiser gekrönt habe.
Zu den Verhandlungen Lothars mit Anaklet bemerkt Ordericus Vitalis 2): „At ille [Anaclet] gratanter mandatum suscepit, ac ad examen iustorum se venturum coram ipso caesare adquievit“.
Gesta episc. Halberstad. 3): „Verum Lotharius rex, virtutibus preclarus, longe lateque multa fortia faciens, tam pro amore iusticiae quam pro honestate ecclesiae . . . Romam venit“.
Oben 4) habe ich schon darauf hingewiesen, dass das Motiv eines Gottesherrschers zu seinen Taten nur „amor (zelus) iustitiae“ sein kann. Der Kampf Lothars erscheint als die Erfüllung seiner göttlichen Mission. Charakteristisch hierfür ist besonders die obige Wendung. Doch auch die konkrete Angabe der Motive lässt das erkennen. Friede und Eintracht in der irrenden Kirche zu stiften, geben als Grund an Ex Annalium Uticensium Cont. M. G. SS. XXVI 507, 19 und Continuatio Gemblacensis M. G. SS. VI 385, 35. Man beachte die charakteristische Wendung des Ordericus Vitalis und der Annales Uticenses: „pacificare populum Dei . . .  in den Annales Dissibodi. M. G. SS. XVIII 24, 40 lädt der Papst Lothar „,ad comprimendam tirannidem Petri Leonis“ ein, einen Romzug zu unternehmen.

1) cfr. „Das Chronicon Mauriniacense, M. G. SS. XXVI 40, 8: a quibusdam Antichristi praeambulus apellabatur.
2) M. G. SS. XX 80, 28.
3) M. G. SS. XXIII 106, 2.
4) S. 82.

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In der Bulle vom 4. Juni 1133 (Migne 179. p. 183) lobt Innozenz den Kaiser, dass er sich durch keine Mühe habe von dem Kampfe gegen die „tyrannis“ Anaklets habe hindern lassen. Die Vita Norberti M. G. SS. XII 700, 42 nennt Anaklet „fervore suae ambitionis excaecatus“.
Wattenbach veröffentlichte im Jahre 1873 „kirchlich-politische Gedichte des zwölften Jahrhunderts“ 1). Darunter befindet sich ein Poëm, das sich in schärfster Form über die römische Kurie beklagt:
„Hec (Rom) caput exerit, et furit, et ferit interiora
Interioribus acta furoribus exerit ora
Ora minatia, laxa capatia, plena cruoris;
Quod minus expedit, omne malum dedit omnibus oris
Roma timentibus, immo furentibus, insidiatur,
Arma petentibus, arma volentibus, arma minatur“.
Dieser Angriff richtet sich nicht gegen die päpstliche Politik im allgemeinen, was man bei dem Durchdringen der päpstlichen Machtansprüche in dem Investiturstreit annehmen könnte, sondern gegen die Person Anaklets, des Teufelsfürsten: Lothar wird als dessen siegreicher Gegner gefeiert:
„Sed quasi Marius, iste Lotharius induperator
Arma minantibus et dominantibus est dominator;
Post mala plurima, summa set infima, destitueris
Nec sibi comparat his 2) quibus imperat ambitus eris.
Roma quid afficit? omne quod aspicit, et quasi Satan
Non cito respuit, omne quod influit os Leviatan 3)
Iste Petrus Leo, quem minus audeo dicere iustum
Quid nisi despicit, omne quod aspicit esse venustum;
Hic Petrus incola, respicit idola, respicit era,
Respicit omnia spiritualia flante Megera.“
Oben habe ich schon darauf hingewiesen, dass die augustinische Anschauungsweise umso besser zu erkennen

1) Anzeiger f. Kunde der deutschen Vorzeit (Organ des germ. Museums). Bd. XX p. 99 f.
2) Wattenbach bemerkt zu his: vielleicht für is, wo dann eos zu ergänzen wäre.
3) Leviathan = das sich Windende =Drache ist ein Symbol des Königs von Babylon. Hier liegt also eine Anspielung vor, dass Anaklet der Antichrist sei.

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ist, einen je höheren Standpunkt die Quelle einnimmt. Es zeigt sich dies in dem angeführten Gedicht, doch besonders in den geistreichen Briefen Bernhards von Clairvaux, von dem in dem Schisma der grösste Einfluss auf die Anerkennung Innozenz' ausgeübt worden ist. Im Interesse des Papsttums suchte dieser auch nach dem Schisma auf Lothar einzuwirken. In der Anrede eines an den Kaiser im Jahre 1135 gerichteten Briefes 1) begrüsst er den Kaiser „Lothario Dei gratia Romano imperatori Augusto“. Ausdrücklich betont er dann nochmals die göttliche Einsetzung Lothars, die nach göttlichem Willen erfolgt sei „ad laudem et gloriam nominis, et reparandum imperii decus, ad subveniendum Ecclesiae suae in tempore malo, postremo ad reparandum etiam nunc salutem in medio terrae“. Die Kaiserwürde habe Lothar empfangen, damit seine fromme Gesinnung und sein Glaube klarer hervorleuchteten. Dann hält er dem Kaiser die Pflichten seiner Würde vor Augen. „Non est meum hortari ad pugnam: est tamen . . . advocati Ecclesiae arcere ab Ecclesiae infestatione schismaticorum rabiem: est Caesaris, propriam vindicare coronam ab usurpatore Siculo. Ut enim constat Iudaicam sobolem sedem Petri in Christi occupasse iniuriam; sic procul dubio omnis qui in Sicilia regem se facit, contradicit Caesari“. Dieser Pflicht möge der Kaiser nachkommen und den päpstlichen Stuhl der iustitia zurückgeben. Wird auch die Zugehörigkeit Anaklets und Rogers zum Teufelsreiche nicht ausdrücklich bemerkt, so genügten dem Zeitgenossen schon Schlagworte wie Feind Christi, Feind der „iustitia“ und „Iudaica soboles“. Bernhard nennt Roger in einem andern 2) Briefe an Lothar auch ausdrücklich den „tyrannus“. In sonstigen Briefen Bernhards finden sich die Parteien in der bezeichneten Weise sehr scharf charakterisiert, wohl am deutlichsten in ep. 124  3), wo es von den Parteien heisst: „Nam qui Dei sunt, libenter iunguntur ei; qui autem ex adverso stat, aut Antichristi est aut Antichristus“. Man könnte

1) Migne Ser. II Bd. 182, p. 293/4. ep. 139.
2) Migne II 182, 295.
3) Migne II 182, 268.

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einwenden, dass es hier und auch an den übrigen Stellen sich nur um einen Ausdruck handele, der in einem dem damaligen Volke geläufigen Bilde die Schlechtigkeit eines Menschen, hier Anaklets, dartun sollte. Doch hier lässt sich sehr gut zeigen, dass der Briefschreiber sagen will, dass die apokalyptisehen Weissagungen über den Antichrist auf Anaklet zutreffen. Denn im Jahre 1128 forschte Bernhard noch nach, wann die Prophetie über den Antichrist in Erfüllung gehen werde, und hatte seine Ansicht hierüber Norbert von Magdeburg mitgeteilt. Dessen Meinung, dass der Antichrist noch zu seinen (Norberts) Lebzeiten kommen werde, kann er in jenem Jahre noch nicht zustimmen 1). Jetzt hat er diesen in Anaklet erkannt. Anderen Orts nennt er diesen „serpens vetustissimus“ 2), „bestia illa de Apocalypsi“ 3), „bestia“ 4) und seine Partei „superbi“ 5), „homines se ipsos amantes“ 6), sagt von ihm, dass er „tyrannica fretus potentia“ 7) Bischöfe eingesetzt habe.
Nach dem Grunde von all diesem Aufruhr fragend findet er diesen ganz wie Augustin in der Überhebung des Menschen über Gott, die die Harmonie in der Welt stört 8): „Non alia sane, nisi quod displicet mortalibus angelica illa partitio, qua gloria Deo, pax hominibus nuntiatur; et dum gloriam usurpant, turbant pacem. Solus gloriam meretur, qui facit mirabilia solis, sicut dicit Apostolus: Soli Deo honor et gloria. Porro autem cum nostro genere bene agitur, si datur frui pace Dei, pace cum Deo, et quidem feliciter et misericorditer. Quonam ergo modo stabit pax hominum coram Deo, vel cum Deo, si Deo non potest apud homines esse tuta sua gloria? O stulti filii Adam, qui contemnentes pacem, et glo-

1) Migne l. c. p. 162 ep. 56.
2) Migne l. c. p. 269 ep. 124 u. p. 270 ep. 125.
3) l. c. p. 270 ep. 125.
4) l. c. p. 275 ep. 126.
5) l. c. p. 273 ep. 126, 2.
6) ep. 126, 3.
7) ep. 126, 3.
8) ep. 126, 7.

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riam appetentes, et pacem perdunt, et gloriam! Ob hoc denique et nunc Deus ultionem commovit terram et conturbavit eam“.
Die Gegenpartei Anaklets, nach Bernhard die Gottespartei, wird bezeichnet als populus Dei 1), civitas Dei 2),
filii pacis 3), universus Christi corpus 4), iusti 5). Diese fordert er auf, in dem Kampfe gegen das Teufelsreich auszuhalten, denn Gott werde die Schar der Gerechten nicht über ihre Kraft versuchen lassen. Lothar nennt er an mehreren Stellen den „rex christianissimus“ 6).

2. Lothar und König Roger von Sicilien.
Anaklets mächtigste Stütze war Roger von Sicilien, dessen Macht nicht nur Innozenz, sondern auch dessen Schützer, dem römischen Kaiser 8), verhängnisvoll werden konnte. Der Kaiser wäre bei einem völligen Siege des Normannen seines Einflusses auf den päpstlichen Stuhl enthoben worden. War nun dieser Kampf in erster Linie gegen den höchsten Leiter und nach der Überzeugung der meisten uns vorliegenden Quellen rechtmässigen Vertreter des Gottesstaates auf Erden gerichtet, so ist es nicht verwunderlich, dass Roger von dieser Seite in scharfer Form als Teufelsfürst gezeichnet wird. Während die einen Roger zum „tyrannus“ stempeln, weil er als „usurpator“ 7) und „iniuste“ 8) sich die Königswürde angeeignet habe, also der göttlichen Einsetzung entbehre, bezeichnen ihn die meisten so, weil er der rebellische Feind der Kirche und des christlichen Reiches ist. Chronicon Ottos v. Freising M. G. SS. XX 258, 25 ff.: „Imperator vero, ut erat armis

1) l. c. p. 269 ep. 124, 2, l. c. p. 273 ep. 126, 3.
2) l. c. p. 306 ep. 60
3) l. c. p. 283 ep. 129, 1.
4) l. c. p. 271 ep. 126, 1.
5) l. c. p. 277 ep. 126, 9.
6) Migne l. c. p. 282 ep. 77, 2
7) St. Bernardi ep. 139. Migne S. 182, p. 294.
8) Chronica Mon. Casin. SS. VII 817, 5: Lothar bezeichnet Roger als den grössten Feind des Reiches.

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strenuissimus et imperterritus, militem instaurat, . . . denuncians, praesertim cum in extera et remota regione positi ad patriam fugere nequeant, ac contra tyrannum non solum regni sed ecclesiae hostem et excommunicatum iuste arma sumpserint, ad bellum confortat“. Ausser den ersten rein praktischen Gründen führt Otto als die durchschlagendsten die religiösen an. Lothar wird besonders wegen seines Kampfes mit Roger „advocatus Ecclesiae“ genannt 1): „Et quoniam Rogerius Siciliae comes contra unitatem Catholicae Ecclesiae se erexerat, et Petrum Heresiarchum in errore suo fovebat et defensabat, Christianissimus Lotharius zelo Dei et fidei accensus, tamquam Catholicus Ecclesiae Advocatus vires imperii denuo excitavit et ad exheredandum et de toto Imperio expellendum ipsum Comitem attemptavit.“ Dieselbe Nachricht findet sich in Ptolemaei Lucensis Hist. Ecclesiastica Mur. XI 1096 D. Der Annalista Saxo 2) berichtet zu den Friedensverhandlungen Lothars mit Roger im Jahre 1137: „Imperator [dem Roger eine Geldsumme und seinen Sohn als Geisel angeboten hatte] autem paci eclesie magis consulens quam pecunie, semipagano tiranno tradere provinciam omnino recusavit“. In dieser Bezeichnung Rogers ist die Begründung für die Ablehnung ausgedrückt, da es als Pflicht des Gottesherrschers galt, rücksichtslos und unbeirrt den Kampf gegen die Teufelsmacht aufzunehmen.
Als tyrannus wird Roger im Kampfe gegen Lothar ferner bezeichnet: Ann. Saxo M. G. SS. VI 770, 36, Annales Magdeburgenses M. G. SS. XVI 185, 40, Annales St. Rudberti Salisb. M. G. SS. IX 775, 6, Annales Mellicenses M. G. SS. IX 503, 6, Annales Dissibodenbergenses M. G. SS. XVII 25, 10, Auctuarium Garstense M. G. SS. IX 569, 21. Wibaldi epistolae 246, Jaffé I 369, 7.
Bernhard von Clairvaux  3) stellt Lothar seine Pflicht als Gottesherrscher vor, „propriam vindicare coronam ab usurpatore Siculo“, den Pisanern rechnet er es hoch an, dass

1) Vitae pontificum rom. ed. I. Watterich II 177.
2) M. G. SS. VI 770, 36.
3) Migne l. c. p. 293, ep. 139.

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sie gegen den „tyrannus“ 1) die Waffen ergriffen hatten. In einem anderen Briefe 2) lässt er Gott selber zu den Pisanern reden: „Me auctore tyranni Siculi malitiae Pisana constantia non cedit“.
In dem umfangreichen Werke Falcos von Benevent 3), das die Geschichte der unteritalienischen Staaten jener Zeit behandelt, auf die Lothars aber nur wenig eingeht, werden deutlich die beiden Parteien charakterisiert, die der Verbündeten des Papstes Honorius und Innozenz als die „pars iustitiae“ 4), die Rogers von Sizilien als die des „tyrannus“. Papst Honorius fordert die Beneventaner zum Widerstande gegen Roger auf: „viribus cunctis iustitiae, quam amplectimur, severitatem ad ardua sublevemus. Deus enim, qui iustitiae via est . . . nos liberavit“ 5). Rainulph sagt zum gleichen Zweck: „Rex coelorum Dominus, fratres, iustitiam nostram inspiciat“. Zwar legt der Autor Roger, den er klar als Teufelsfürsten zeichnet, ebensolche Worte in den Mund, aber diese gibt der Autor nur als tatsächlich gesprochene Worte ohne eigenes Urteil wieder 7). Sein eigenes Urteil zeigt sich weiterhin ganz deutlich. Von der Partei des Papstes sagt er: „Lector si adesses, aspiceres victorem Deum invocantes, ut iustitiam ex altis inspiciat“. Dieser Ausdruck zeigt seine Teilnahme für diese Partei 8). Von Roger sagt der Autor: „ad Ducatum arripiendum honorem animum impulit elatum“ 9). Er nennt ihn V 115. B. 10. „tyrannus“, 115. B. 5. „tanto tyranno“, V 116, B. 12: „Mirabatur omnis exercitus, et facta Regis horrebat,

1) Migne l. c. p. 295, ep. 140. cf. l. c. p. 339.
2) Migne l. c. p. 285, ep. 130.
3) Muratori, Script. rer. Italic. V 79 ff.
4) l. c. 113, B „iustitiae partem“
5) l. c. 104, A.
6) l. c. 11 , B. 13.  
7) l. c. 125. A. „putavi (sagt Roger) etenim, . . . iustitiae semitam evidenter sectari“.
8) Die göttliche Hülfe wird öfter erwähnt; l. c. 124 (Roger): Dei adveniente iudicis timore perculsus 117, C. 4. 123 B. 8. 123, E 4. 110, D 4. 113  B. 6. 102.
9) l. c. X 103.

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coelorum regem deposcens, ut tanto tyranno et crudeli viro resistere dirgnaretur“. Hier liegt der Gedanke vor, dass das Wirken desTeufelsreiches eine Strafe Gottes ist: Das Heer fleht Gott an, ihm die Macht und Gnade zu erteilen, dieser Herrschaft zu widerstehen und somit die Strafe abzuwenden: l. c. 116, C. 5. 119, C. 13. V 122: „tota Italia, et Calabria, Siciliaque intonuit, et Regi coelorum gratias agens de tanti tyranni gutture eripi gaudebat“. l. c. V 104. „mentis suae iniquitatem“. Lothar wird der „christianissimus“ genannt. Die Beneventaner sagen Gott Dank, dass sie den Kaiser und die Kaiserin haben sehen dürfen 1).

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Wibald von Stablo, der von Lothar eingesetzte Abt von Mt. Casino sagt von seinen Gegnern, insbesondere von Roger: „Omnes . . . apostantes ad satan conversi sunt, et nihil dicunt vel faciunt, nisi quod digitus diaboli in corda eorum scribit. Nam quidquid nequitiae, quidquid malitiae, quidquid perversitatis, quidquid fortitudinis vel dici vel cogitari potest, in operibus ipsorum cernimus“ 2), und an anderer Stelle: „Nunc iam venit hora, ut omnes, qui nostram terram depraedantur, incendunt, devastant, et ruricolas et monachos in nervos vinciunt, . . . arbitrantur, se obsequium praestare Deo“ 3).
Über ein Gottesgericht berichtet die Fortsetzung eines Anonymus zu Florentis Wigorniensis historia“ 4): „communi principum consilio statuitur dies, quo inter Romanos et Apulienses duellum fiat, et Deus omnipotens iudex omnium cui disposuerit, victoriam tribuat. Congregato exercitu fere innumerabili, Lotharius, licet infirmitate positus, castrametatus est . . . „Rogerius multorum milium peditum et equitum multitudine constipatus occurrit. Pugnatum est utrinque. Deo autem sic disponente, imperator cum suis vincens triumphat, Rogerius . . . fugam iniit“. Dieselbe Quelle tadelt an Roger wie an Anaklet, dass sie

1) l. c. 123. A 110.
2) Jaffé Bibl. I 89,12 ff.
3) l. c. I 90, 5 ff
4) M. G. SS. V 567 Anm. 64 = p. 568, 13 ff.

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„dignitatis ambitio“ 1) angestachelt habe und dass keiner Gott gefalle. M. G. SS. V 567/8.
Der Bischof von St. Agatha 2) schreibt in einem Briefe an die Anhänger Innozenz', dass Roger „nequiter et crudeliter“ gehandelt, dass er „superbo fastu“ geantwortet habe. Unerhört scheint ihm dieses: „Et sic elevatis manibus ipsum Deum in causam duxit, ut ea die inter nos iudicaret et veram iustitiam demonstraret“.
Nur ein Autor, Alexander Telesinus 3), stellt Roger als Gottesherrscher dar. Sein Werk hat panegyrischen Charakter. Das höchste Ideal jener Zeit, das des „rex iustus“, suchte Alexander als in Roger verwirklicht darzustellen. Die Tendenz seines Werkes teilt der Autor im Nachwort mit 4): Er (der Autor) zweifle nicht, dass Roger der Hilfe Gottes seine Siege zu danken habe. Deshalb solle sich der König bewusst bleiben, dass er ein Werkzeug Gottes sei. Auf das Schicksal König Sauls und Nabucodonosors hinweisend warnt er ihn vor der „superbia“ und stellt ihm die Aufgabe seines Amtes vor Augen: „Memento itaque te idcirco Regis nomine censeri, ut omnes sub ditione tua positi, et iustitiae censura, et pacis vinculo regantur“. Seine göttliche Einsetzung betont er im Vorwort 5): Gott habe, beleidigt durch die gottlosen Taten in Italien, Roger ausersehen, „ut eundem quasi gladium acutum in manu tenens, harum perpetratores iniquitatum, per eum percutiendo comprimeret“. In Rogers Konflikt mit dem Papste Honorius, dem höchsten Leiter des Gottesstaates, betont Alexander die weitmöglichste Nachgiebigkeit des Normannen. Als sich nun die beiden, Roger, nach Alexander der Gottesfürst, und der Papst, der höchste Leiter des Gottesstaates, feindlich gerüstet gegenüberstehen, da legt der Autor dem Zögern des Königs,

1) l. c. 768, 8.
2) Cod. Udalr. 259. Jaffé V 442.
3) Muratori V 615 ff.
4) l. c. p. 644.
5) l. c. 616 B.

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das aus militärischen Rücksichten 1) geboten war, einen völlig andern Beweggrund unter: „At Rogerius . . . reverentiam illi [Honorius] ita exhibebat, ut vitaret eum contingere, ne contra Deum, spreto ipsius Vicario, repugnare videretur 2). Nach Rogers grosser Niederlage durch Rainulph fragt der Autor den Leser, warum Gott dies habe geschehen lassen, und kommt zu dem Schluss: „eo quod secundis semper successibus potitus, supra modum animus eius elatus sit“. Der König habe dies auch selbst später eingestanden 3).
Leider bricht die Quelle dort ab, wo Lothar in die Politik Rogers hemmend eingreift. Ein Urteil über Lothar an dieser Stelle würde sich wohl von den andern Urteilen des Autors über die Gegner Rogers weit unterscheiden.

3. Lothar und Heinrich V.
Lothars Kampf gegen Heinrich V. hat bei den zeitgenössischen Geschichtsschreibern keine eingehende Darstellung erfahren, da diese mehr die Persönlichkeit Heinrichs V. beschäftigte, der als Kaiser das grösste Interesse fand. Die Tatsachen sind uns kurz überliefert, es fehlt eine eingehendere Motivierung von Lothars Taten, doch sind einige Andeutungen bemerkenswert.

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Den Krieg der Sachsen gegen die fränkischen Kaiser, der nach dem Siege Heinrichs IV. geruht hatte, nahm der Sachsenherzog Lothar wieder auf. Man führt diesen Krieg heute auf nationalen Ehrgeiz und partikularistische Motive zurück; doch diese Motivierung weicht, wie wir wissen, ab von der dem Mittelalter geläufigen. Eine der heutigen ähnliche Begründung für Lothars Kampf bietet nur Helmoldi Chronica Sclavorum 4):  Lothar habe zu den neuerungssüchtigen Menschen gehört. Helmold beurteilt aber an einer

1) Bernhardi l. c. 278. - Romuald M. G. SS. XIX 418, 31: „(Roger) . . . tamdiu eos immorari fecit, quousque affecti tedio et necessitate compulsi se dividerent et unusquisque ad propria remearet“.
2) l. c. 618 E.
3) l. c. V 627 D.
4) M. G. SS. XXI 43, 15.
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anderen Stelle deutlich den Kampf auch von augustinischem Gesichtspunkte, wenn er Heinrich V. den „rex superbus“ 1) nennt, „vir iniquus“ 2), wenn der Papst bei ihm die Gefangenen, die Heinrich V. vor den Augen des Papstes enthaupten lassen will, bittet, „mori fortiter pro iustitia“ 3).
In den Paderborner Annalen findet sich das Eulogium auf Lothar, der diesen als Gottesfürsten darstellt. Dieselbe Tendenz ist zuweilen in der Darstellung des Kampfes gegen Heinrich V. zu beobachten: Als Hauptmotiv in diesem Kampfe blickt immer wieder durch der Schutz der Kirche.
Eckehard 4) gibt als Grund von Lothars Aufstand Erbstreitigkeiten an und das Unrecht, das Heinrich Lothars Schwester zugefügt habe. Als Antichrist bezeichnet Eckehard ihn, wenn er von ihm berichtet, dass er „sub specie religionis“ seinen Vater der Herrschaft beraubt habe. Dass Heinrich V. kinderlos starb, wird als eine Strafe Gottes bezeichnet 5) und Lothar erscheint als das Werkzeug göttlicher Rache 6). „Hic [Lothar] per omnia progeniem imperatoris Heinrici humiliavit, ut plane Dei iudicio iusto, sicut in libro Regnorum habes, ex peccatis ac praevaricatione semen ipsorum affligi videretur“ 7).

4. Lothar und die staufischen Brüder.
Den Kampf zwischen den Welfen und Staufern erklärt Otto von Freising im allgemeinen aus dem Motiv der Ruhm- und Eifersucht der beiden Geschlechter. (Gesta II 2). Er hält beide nicht für verworfen, aber er sieht doch in dem Wechsel ihrer Geschicke den Finger Gottes,

1) l. c. 42, 13.
2) l. c. 42, 33.
3) l. c. 42, 44.
4) M. G. SS. VI 246, 39 ff.
5) Martini Chronicon, M. G. SS. XXII 469, 20 ff., M. G. SS. XXXI 80, 23 ff., Ex Sugerii Vita Ludovici M. G. SS. XXVI 52, 13.
6) Otto Fris. Chronicon SS. XX 256, 42.
7) cfr. Sicardi episc. Chronicon, Muratori VII 595 A. „Lotharius, qui progeniem Henricorum nimis acriter persequebatur“.

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der vor „superbia“ warnen, zur „humilitas“ anleiten will (Chron. VII 17 und 24). In diesem Sinne betrachtet er speziell Lothars Erhebung und Stellung gegen die Staufer (Chron. l. c. und Gesta I 16); doch hebt er im Chron. VII 17 dessen Widerstreben gegen seine Wahl hervor und rühmt in beiden Werken dessen Tüchtigkeit und Erfolge.
Dieser Darstellung ähnlich, tragen auch die Verse Gotfrieds von Viterbo nicht den charakteristischen Ausdruck der augustinischen Anschauungsweise, wenn auch Ausdrücke wie livor und invidia das Verhalten Lothars als unchristlich bezeichnen.
„Conradus dux imperium captare paratur,
Lotharius dux Saxonicus contra relevatur,
Sed magis invidia quam ratione datur.
Livor et invidia recolebant gesta priorum,
Quos Henricorum fortuna repressit avorum;
Sic modo Lotharius tollit habetque thronum“ 2).
Im übrigen tritt die Charakterisierung der Parteistellung in der Weise Augustins deutlich hervor:
Gesta Treverorum M. G. SS. VIII 199, 19: „proceres Francorum . . . Leodegarium . . . in regnum elevaverunt . . ., cum ecce Fridericus dux Alamannorum, . . . facta conspiracione cum quibusdam iusticiae inimicis, fratrem . . . regno substituit“.
Die Narratio 3) de elect. c. 3 bezeichnet Friedrich als den Teufelsfürsten, indem sie ihn dessen Grundsünde schuldig weiss, sie nennt ihn „ambicione cecatus“. Lothar dagegen bittet demütig, von seiner Wahl abzustehen. Dann aber berichtet sie, dass Friedrich, als er in der Einstimmigkeit der Wahl Gottes Willen erkannt, sich bekehrt habe.
Anders berichten die Stader Annalen 4), dass Friedrich „humiliter onus recusavit“, von Lothar dagegen berichten diese, dass man ihn gewählt habe „ultro se offerentem“.

1) M. G. SS. XX 360, 16 f.
2) M. G. SS. XXII 259, 19 ff.
3) M. G. SS. XII 510, 37.
4) M. G. SS. XVI 322, 29 f.

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Annales Magdeburgenses 1): „Conradus . . . machinantibus quibusdam principibus, tirannice imposuit“  2).
ad. a. 1128 3): „Conradus falso nomine rex, et Fridericus frater illius, cum suis complicibus a domno Honorio papa . . . excommunicati sunt.“ Die Nachricht übernimmt das Chronicon M. Sereni, M. G. SS. XXIII 141, 38, setzt aber statt des „falso nomine rex“ „tirannus“ ein.
Annales Erphesfurdenses 4): „Cuonradus nimia inflatus superbia contra ius fasque regium sibi nomen usurpat“.
Annales Magni Presbyteri 5): „Illis diebus Chuonradus postmodum rex, tunc autem tyrannide assumpta contra Lotharium regem, quem principes communi decreto sibi regem fecerant, se regem haberi voluit“.
Chronicon Elwacense 6): „Cuonradus contra Liutherum regem insurgit, et terrae motus magnus factus est“. Hier zeigt die Verbindung der Nachricht von einem abnormen schädlichen Naturereignis mit der von Konrads Aufstand - beide Tatsachen erscheinen dem Autor in einem ursächlichen Zusammenhange - Konrad als Teufelsfürsten.
Der Nachricht über die Belagerung Konrads in Speyer beim Annalista Saxo 7) folgt: „Signum quoddam sanguinei coloris in coelo visum est  . . . et multociens hoc eodem anno signa talia visa sunt“. Berichtet wird unter diesem Jahre fast ausschliesslich der Kampf gegen Konrad, so dass jene Erscheinungen als auf das Walten des Teufels hinweisend angesehen werden sollen.
In einer anderen Nachricht 8) desselben Autors, dass nämlich die staufischen Brüder mehrere Kastelle in ihre

1) M. G. SS. XVI 183, 14 f.
2) Ann. Saxo, M. G. SS. VI 765, 32: „Fridericus . . . et Conradus . . . regem invida emulatione zelantes, multis iniuriis provocabant“.
3) l. c. 183, 17f.
4) M. G. SS. XVI 537, 18. Recipiert ist diese Stelle in Annales Pegavienses M. G. SS. XVI 255, 46 f.
5) M. G. SS. XVII 492.
6) M. G. SS. 36, 13.
7) M. G. SS. VI 766, 3 ff.
8) l. c. 765, 32 ff.

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Gewalt brachten, „ipsumque religiosum principem Liuderum regem ad fastigia regni subrogatum invida emulatione zelantes 1), multis iniuriis provocabant“ scheint der Gebrauch des Adjektivs „religiosus“ als Gegensatz zur „invidia“ durch die augustinische Charakterisierung der Parteistellung veranlasst zu sein. Genügt hätte doch hier der Hinweis auf Lothars rechtmässige Wahl.
Auch die Bischöfe haben den Bann über den „invasor regni“ und „auctor inquitatis“ ausgesprochen 2). Die Krönung Konrads durch den Bischof Anselm von Mailand nennt Landulf c. 55 ein „opus contrarium Deo et magno regi Lothario“ 3).
Lässt sich vielleicht aus der Tatsache, dass in Lothar die augustinische Anschauung sehr lebendig war, die ausserordentliche Strenge Lothars gegen die Empörer erklären, die so gross war, dass Adalbert von Mainz, der vorher die Würzburger wegen ihrer Einträchtigkeit „in iusticiae causa“, als diese Konrad von ihrer Stadt ferngehalten hatten, lobte, den Kaiser vor dem Übermass warnt und ihn an die Folgen des Hochmuts erinnert?
Als sich nun die Staufer Lothar unterworfen haben, berichten die Annales Neresheimenses als Grund dafür das Ausgehen der Kampfesmittel 4). Ähnlich der Annalista Saxo 5) : „Fridericus videns se a pluribus derelictum et adherentes sibi valde afflictos, . . . adiit imperatricem . . . satis humiliter nudis pedibus flagitans eius gratiam“. Beide Autoren unterstellen ihnen also nur kluge Berechnung, nicht religiöse Beweggründe. Letzteres tun die Gesta episcop. Halberstad. 6): „Conradus non ferens propter se patriae dispendium et iacturam, zelo Dei et humilitatis spiritu inflammatus, ad domnum Lotharium veniens . . ., regnum resignavit veniam postulando“.

1) Als „tyrannus“ bezeichnen Conrad ferner: Annales Magni Presbyteri XVII 492, 11.
2) Cod. Udalr. 236. Jaffé Bibl. V.
3) M. G. SS. XX 45, 8.  
4) M. G. SS. X  21, 22 „exhaustis rebus“.
5) M. G. SS. VI 769,13.
6) M. G. SS. XXIII 105, 36.

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Annales Patherbrunnenses 1) „dei gratia astipulante . . ., Fridericus . . . in concordiam cum imperatore redit“.
Ludolfi Historia Mediolanensis 2): „princeps Conradus, altiori consilio potitus, imperatoris vexilifer est factus“.
Annales Pegavienses 3): „Imperator pius . . . penitentem et satisfacientem recepit“ 4). Nicht politische Erwägungen werden hier als massgebend betont, sondern Lothars Frömmigkeit, die den vom Gottesreiche abgefallenen, jetzt aber reuigen Fürsten wieder aufnimmt.

5. Lothar und die Böhmen.
Der unglückliche Ausgang von Lothars Feldzuge gegen die Böhmen, des ersten nach seinem Regierungsantritt, konnte bei den Schriftstellern Zweifel erregen, ob Lothar ein Gottesfürst sei. Den Grund der Niederlage suchen sie aber meist nicht bei Lothar, sondern bei Otto von Mähren, der vorgab, Unrecht von dem Böhmenherzog erfahren zu haben, und der dadurch Lothars Hilfe erreichte. Otto Frisingensis Gesta I 20 M. G. SS. XX 362, 24: „ambitionis suae poenas luens, . . . necatus est“. Cfr. Annales Erphesfurdenses M. G. SS. VI 537, 1 ff. und Annales Patherbrunnenses p. 148, ad. a. 1126. Das Chronicon Martini M. G. SS. XXII 469, 27 schiebt die Schuld der Niederlage auf den Verrat der eigenen Fürsten. Anders die böhmisch gesinnte Continuatio Cosmae 5). Sie wirft Lothar teuflische Motive vor: Er habe „inflatus magna superbia et avaritia pecuniae atque malitia et iniquitate“ den Zug unternommen. Jedoch erklärt auch dieser Autor Lothar nicht als Teufelsfürsten schlechtweg, sondern schiebt die Hauptschuld ebenfalls Otto von Mähren zu, der den König momentan verführt

1) l. c. ad. a. 1125.
2) M. G. SS. XX 46, 40.
3) M. G. SS. XVI 256, 56.
4) Dieselbe Notiz findet sich auch beim Annalista Saxo M. G. SS. VI 771, 37.
5) M. G. SS. IX 132, 37.

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habe. Das zeigen auch die Verhandlungen Sobieczlaus' mit Lothar. Dieser betont zunächst seine göttliche Einsetzung: „neque scuto neque alia vi istum ducatum et honorem percepi, sed Dei misericordia . . . sum adeptus, hacque ratione et iustitia me iuste et rationabiliter arbitror possedisse. Quidam vero ex huius provincia nobiliores instinctu Satanae commoti, me, . . . perimere voluerunt, sed Dei gratia auxiliante perficere non valuerunt“ 1). Zu dem jetzigen Streite sei es gekommen „urgente vesania antiqui hostis discordiam et intestina bella ubique seminantis“ 2). Er weist es zurück, sich dem Kaiser gegenüber zum Werkzeug des Teufels gemacht zu haben: „Non superba nos presumptio ad effusionem sanguinis tuorum commovit procerum . . . et ecce divinum iudicium utriusque nostrum iusticiae manifestum dedit iudicium 3). Beide werden „intimi amici“ 4). Bei Lothars späteren Taten erwähnt der Autor immer die göttliche Hilfe. Den Anstifter des Krieges zeichnet er als Teufelsgenossen: Seine Anhänger nennt er „filii Sathanae“ 5), „filii iniquitatis“, deren ganzes Tun von dem Teufel bestimmt werde 6).

6. Lothar und die Dänen.
Über die Beweggründe zum Zuge Lothars gegen die Dänen liegen uns zwei Nachrichten vor: Ex Saxonis Gestis Danorum M. G. SS. XXIX 81, 29 ff.: „Imperator maiore potiendi regni quam exigendae ultioni cupiditate perductus“. Dieselben Annalen berichten dann auch, dass die Völker des Dänenlandes beim Anblick von Lothars Heer „divinitus perterriti“ wurden.

1) M. G. SS. IX 135, 36 ff.
2) M. G. SS. IX 155, 26.
3) M. G. SS. IX 156, 34 ff.
4) M. G. SS. IX 135, 48.
5) M. G. SS. IX 133, 40 ff.
6) M. G. SS. IX 136, 32,
    M. G. SS. IX 141, 26 ff.

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Annales Erphesfurdenses M. G. SS. VI 588, 19 ff.: „adversus tam immanem impietatem arma corripuit, ad ulciscendum sanguinem innocentem“. Die erste spricht Lothar die Motive eines Gottesherrschers ab, die letzte spricht sie ihm zu. Recht deutlich zeigt sich hier der Einfluss der Parteistellung auf die Gesamtauffassung.

7. Lothar und die Heidenmission.
Die Heiden sind nach Augustinus zum Teufelsreich zu rechnen, und ihre Bekehrung und Bekämpfung ist Aufgabe des Gottesherrschers. Der Widerstand der Heiden geschieht auf Geheiss des Teufels. „Instinctu Sathane“ 1) haben nach der Ebonis Vita Ottonis 2) die Heiden viele Prediger getötet, „diabolo instigante“ 2) ist Zwietracht ausgebrochen zwischen den Stettinern und dem Herzog Wortizlaus. Lothar erfüllt seine Aufgabe als Gottesherrscher, indem er „zelo iusticiae“ 3) den Kampf gegen die Heiden aufnimmt.

Schluss
Die Untersuchung hat erwiesen, dass die Geschichtsschreiber des Mittelalters von einem zu jener Zeit allgemeinen Gesichtspunkte, nämlich vom Standpunkte augustinischer Geschichtsanschauung und der damit verschmolzenen Anschauungen der apokalyptischen und sibyllinischenProphetie, die Persönlichkeit Lothars III. betrachteten, den Kaiser somit als Gottes- oder Teufelsfürsten darstellten, also nicht allgemein im Hinblick auf das Ideal eines Christenmenschen beurteilten, wie dies Kircheisen behauptet 4). Und zwar wird das Regiment Lothars beurteilt als eine

1) Jaffé Bibl. V 679. Ebonis Vita Ottonis III 20.
2) l. c. 659. III 6.
3) l. c. 657. III 5.
4) cfr. p. 31 meiner Arbeit.

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Friedensära. Die Kämpfe des Kaisers werden dargestellt als der pflichtmässige Kampf des Gottesreiches gegen das Teufelsreich. Lothar erscheint fast allen Autoren als das Ideal, das Augustin und nach ihm Pseudo-Cyprian von dem Gottesherrscher gezeichnet hat. Als solchen sah man den Kaiser noch ein Jahrhundert nach seinem Tode an:

tl_files/Fotos/Regione_Puglia/Bari-Kastell-IMG-0715.jpg

 

Der oben genannte Apokalypse-Kommentar stellt, nachdem er die Erscheinung der Taube in Bari berichtet und interpretiert hat, Lothar bildlich dar, sitzend auf einem Throne neben dem des Papstes Innozenz und in Eintracht mit diesem regierend in der jedem zustehenden Machtsphäre 1). In den Redaktionen der sibyllnischen Prophetien ist Lothar nur in der des Beda, die wahrscheinlich unter Heinrich VI. entstanden ist, genannt. Sein Name ist für den König eingesetzt, der nach einer Schreckenszeit zwölf Jahre 2) lang regieren werde, und unter dem viele Kriege stattfinden würden. Eine nähere Charakteristik ist nicht gegeben.
Bei Berücksichtigung dieser Anschauungsweise erwiesen sich uns manche neuere Urteile, die über die Persönlichkeit Lothars gefällt sind, als unrichtig.
Unsere Untersuchung hat die Notwendigkeit erwiesen, in der Ausnutzung der Quellen die Anschauungen ihrer Zeit zu berücksichtigen, im Mittelalter also hauptsächlich die augustinische Geschichtsanschauung. Hierdurch allein wird uns oft erst der Schlüssel gegeben zur richtigen Erkenntnis der Urteile und der Parteinahme der Quellen.
Eine dankenswerte Aufgabe wäre es, die Rezeption und Wirkung augustinischer Geschichtsanschauung für das ganze Mittelalter darzustellen. Hierzu dürfte dann auch vorliegende Arbeit für einen kleinen Zeitraum das Material bieten.

1) Scriptum super Apocalypsim. Prag 1873 p. 239.
2) Sackur l. c. p. 131 und 184.

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Lebenslauf.
Geboren bin ich, Karl Aloys Leßmann, preussischer Staatsangehöriger, katholischer Konfession, am 4. November 1888 in Borgholz (Kr. Warburg i. Westf.) als Sohn des † Lehrers Johannes Leßmann und seiner Ehefrau Amalie, geb. Sievers. Mein jetziger Wohnort ist Paderborn. In Brakel (Kr. Höxter) besuchte ich vier Jahre die Volksschule und fünf Jahre die Rektoratschule. Am Gymnasium Theodorianum zu Paderborn erlangte ich Ostern 1909 das Reifezeugnis. Ich widmete mich dem Studium der Geschichte, der klassischen Philologie und der Philosophie an den Universitäten Würzburg (S.S. 1909 und W.S. 1909/10), München (S.S. 1910) und Greifswald (seit W.S. 1910/11).
Meine akademischen Lehrer waren die Herren Professoren und Dozenten:
Bulle, Chroust, Freisen, Heisenberg, Henner, Kärst, Knapp, Merkle, Martin von Schanz, Stangl, Stölzle in Würzburg;
Crusius, Doeberl, Friedrich, Grauert, Jacobsohn, Riehl, Sandberger, Schmid, Voll, Vollmer in München;
Bernheim, Curschmann, Heller, Hosius, Mewaldt, Otto, Pernice, Rehmke, Schöne, Ulmann, Zupitza in Greifswald.

Allen meinen Lehrern spreche ich meinen ehrerbietigen Dank aus. Am meisten fühle ich mich meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Bernheim zu Dank verpflichtet. Ihm verdanke ich die Anregung zu vorliegender Arbeit, und sein wohlwollender Rat hat mich bei der Anfertigung stets in liebenswürdiger Weise unterstützt.


Hinweis: Die eingefügten Fotos sind nicht Bestandteil der Dissertation. Sie wurden 2013 / 2014 aufgenommen.

 

 





Der Name unserer Kirche

Über die richtige Bezeichnung unseres Gotteshauses wurde schon viel gestritten. Welche stimmt?
In der Gründungsurkunde des Klosters Königslutter vom 1.8.1135 stand 'ecclesie nostre in Luttere'. Damit war jedoch mehr die christliche Gemeinschaft gemeint als das gerade begonnene Bauwerk. Über dessen Weihe liegt keine Urkunde und somit auch keine Betitelung vor. Erst ab 1246 ist die Namensform "ecclesia sanctorum Petri et Pauli" belegt. Auch damit kann sowohl das Kloster wie das Kirchengebäude gemeint sein. Im Jahre 1540 begann der Abt Antonius sein Copialbuch mit der Bezeichnung 'kaiserlich freies Stift und Kloster der heiligen Apostel Sancti Petri und Pauli zu Konigeslutter'. Dieser Titel, oft erweitert durch Angabe der Zugehörigkeit zum Orden des hl. Benedikt u. zur Diözese Halberstadt bildete bis zur Auflösung des Klosters die "Kopfzeile" der Schreiben des Abtes und Konvents und ist völlig korrekt.
Seit dem 13. Jhdt. bezeichnet "Stift" die Gründung und Ausstattung einer Kirche oder kirchlichen Einrichtung. In der Gandersheimer Reimchronik (1688) heißt es: '... an seinem stichte to Magdeborch wart he (Otto I.) begraven.' Die für eine Mönchskirche zutreffende und aus dem lat. monasterium abgeleitete Benennung "Münster" wurde 1564 in Merians berühmter "Topographia ... der Herzogtümer Braunschweig und Lüneburg ..." speziell für Kaiser Lothars ansehnliches und prächtiges Gotteshaus gebraucht, während die Gesamtheit
der kaiserlichen Donation Stift oder Kloster genannt wird. Nachdem die Grabeskirche seiner salischen Vorgänger in Speyer "Kaiserdom" genannt wurde, übernahm man diese Bezeichnung für Kaiser Lothars Triumph-, Sühne-, Mahn- und Grabeskirche und Stätte benediktinischen Gotteslobes in Königslutter. Sie wurde aus mancherlei, meist aber ideologischen Gründen abgelehnt oder verfochten und vielleicht gerade dadurch populär. Sie lebt und klingt gut!
Vom 16.Jh. an verdrängte das vom französischem "dôme" übernommene "Dom" das ältere "thum" und bürgerte sich bald für viele durch Lage, Baukunst, Aufwand oder Funktion hervorragende Kirchen ein. Da die meisten von denen Bischofskirchen waren, entstand die Annahme, Dome müßten Bischofskirchen sein. So ist es nicht. Besonders in Süddeutschland findet man den Namen "Münster" für Bischofskirchen, während nichtbischöfliche Dome meist in Nord- und Mitteldeutschland stehen. Einer davon ist unser Kaiserdom.
Da in der Bischofskirche der Bischofsstuhl, die Kathedra steht, ist Kathedrale ihr eigentlicher Titel. Im Mittelalter waren die lat. Bezeichnungen ecclesia maior oder ecclesia cathedrais dafür üblich. Sie wurden nie für unsere reichsfreie kaiserliche Stiftskirche gebraucht.
Neuerdings nennen vornehmlich Kunsthistoriker sie "kaiserliche Abteikirche" bzw. "Abtei Kaiser Lothars". Diese hybride Neuschöpfung will wahrscheinlich ausdrücken, daß es sich bei dem Stifter dieser Benediktinerabtei um einen Herrscher handelt, "der nach den Worten der Kaiserchronik die geheimnisvolle Einheit des Göttlichen und weltlichen im Imperium verwirklichte." Wird sie Bestand erreichen? Will oder kann der vor 100 Jahren entstandene Ausdruck "Kaiserdom" nicht das gleiche bewußt machen? Die Korrektur, die statt Dom Abtei will, ist, wie gesagt, nicht unbedingt korrekt. Sie liegt im Zug der Zeit der Infragestellung. Die neue Antwort ist wie oft die alte im neuen Gewande. Die geheimnisvolle Einheit des Göttlichen und Weltlichen schwingt im umgangssprachlichen Namen "Kaiserdom" nicht minder als im Terminus "Abtei Kaiser Lothars", wenn überhaupt etwas in denen schwingt, die, wie einst  jener Herrscher, ihr Augenmerk auf die ecclesie nostre in Luttere richten. Seine Entscheidung, hier "vor alter Zeit Geschaffenes, aber Vernachlässigtes zum Bessern zu ändern, zu ordnen und zu seiner Wiederherstellung wachsam Sorge zu tragen," ließ diesen "Parthenon der deutschromanischen Baukunst" als Zeugnis seiner Bemühungen um diese Einheit entstehen.
Wir sollten uns entscheiden wie er. Dazu sind Taten erforderlich. Engstirnigen Streit um Worte sollten wir weise belächeln.


Otto Kruggel
1991


Veröffentlicht in:
Der Dombote  6. Jahrgang Nr. 30  März/April 1992 S. 17-18

 

 

 

Das Kindergrab im Kaiserdom zu Königslutter

Als im März 1978 die Grablege des Kaiser Lothar III († 1137), der Kaiserin Richenza († 1141) und des Herzogs Heinrich der Stolze († 1139) in der Stiftskirche zu Königslutter geöffnet wurde, fand man unmittelbar neben dem Sarkophag des Herzogs ein bis dahin unbekanntes Kindergrab.

 

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Der etwa 150 x 65 cm große Steinsarg dieses Grabes barg die unvollständigen Gebeine eines 10 bis 12jährigen Kindes. Neben dem Fehlen mehrerer Skelett-Teile erschwerte die gestörte Lage der vorgefundenen Knochen die Erstuntersuchungen am Fundort. Diese und die folgenden physisch-anthropologischen Untersuchungen führten Herr Dr. Mey und Frau Burkhardt vom Institut für Anthropologie der Technischen Universität Carola-Wilhelmina in Braunschweig durch. Prof. Schneider leitet die geologischen Untersuchungen der mineralischen Fremdeinschlüsse in den Sarkophagen.
Die Lage des Grabes direkt neben dem Schwiegersohn des Kaiserpaares läßt auf Zugehörigkeit bzw. nahe Verwandtschaft des Kindes zur Kaiserfamilie schließen. Laut Berichten, Chroniken und Chronologie der Lebensdaten dieser Familie kann es sich nur um den früh verstorbenen Sohn des Herzogs und späteren Königs und Kaisers Lothar handeln, der ebenfalls Lothar hieß.
Im Braunschweigisch-Lüneburgischen Prachtstammbaum von 1584 (Herzog-August-Bibliothek in Wolfenbüttel) ist er auf einem ganz kleinen Nebenast über dem Kopf des prächtig vollbärtig dargestellten Kaisers als dessen und "Richentzes" Sohn "LOTHARIVS starb in der Jugend" verzeichnet. Blättert man in alten Chroniken, flndet man diesen jung verstorbenen Sohn wiederholt erwähnt.
Die "Newe volstendige Braunschweigische und Lüneburgische Chronica ...von M. Heinricum Bunting, 1620 von M. Heinrich Meybaum überarbeitet neu herausgegeben" meldet: "Anno 1113 im achtunddreißigsten Jahr seines alters nam Hertzog Lutther zur Ehe Frewlein Richenze, Hertzog Heinrichs des feisten oder dicken an der Weser Tochter, bekam mit ihr all die Lande. so ihr Großvater Hertzog Otto an der Weser verlassen, Item, was die Marggraffen zu Sachsen in vnd vmb Braunschweig gehabt." Es folgt eine Aufzählung der Hochzeitsgäste und heißt danach weiter: "Frau Richenze, hat ihrem Herrn geboren ein Sohn Luther genant, so jung gestorben vnd im Kloster Königs Lutther begraben worden, Item zwo Töchter Frewlein Gertrud vnd Frewlein Heidwigen. Frewlein Gertrud ward Hertzog Heinrichen dem stoltzen zu Beyern zur Ehe gegeben. Ihre Schwester, Frewlein Hedwig bekam Graft Ludwigen zu Düringen dieses Namens den dritten, welchen Keyser Lotharius zu einem Landgrafen gemachet vnd ihm zehen Graffschafft zugeordnet."

Die Tochter Hedwig ist im Prachtstammbaum von 1584 auch als Nebenzweig verzeichnet. Da heißt es: „HEDWIG ward L. (andgraf) Ludwigen zu Thüringen vertrawt bekam von Lothario das Land Hessen." Wer alte Chroniken kennt, weiß, daß viele ihrer Angaben sich inzwischen als unzutreffend erwiesen.
Da Ludwig III. erst 1172 - 90 Landgraf von Thüringen war, konnte er nicht Kaiser Lothars Schwiegersohn sein. Landgraf Ludwig I. (1130 - 40) bekam die hessischen Kernlande durch Vermählung mit der Erbtochter Gisos IV., Graf von Gudensberg. Laut Philipp Julius Rehtmeiers „Braunschweig-Lüneburgische Chronica" von 1722 hat Heinrich Feller erwiesen, „daß Lotharius nur eine einzige Prinzessin, nämlich Gertrud, die keine Schwester, Namens Hedwig, neben sich gehabt und Landgraf Ludwig sein Schwiegersohn nicht gewesen.“
Der früh verstorbene Sohn Lothar wird aber weiterhin genannt. Da man sein Grab und seine Gebeine 1978 in Königslutter fand, bestätigen sich die ihn betreffenden spärlichen Chronik- und Stammbaumangaben.
Weiteres kann man aus dem Wissen über die Familie des Kaisers erschließen.
Lothar und Richenza heirateten nach Meibom „Anno 1113“. Rehtmeier (S. 281) gibt das gleiche Jahr der Vermählung an und nennt als Quelle Albertus Stadensis ad. a. 1113. Richenza war damals etwa 18, Lothar, wie Meibom berichtet, 38 Jahre alt. Beide waren zeugungsfähig. Das beweist die Geburt der Tochter Gertrud am Ostertag, dem 18. 4. 1115.
Zugleich tut sich durch dieses Geburtsdatum eine Lücke auf, die bei dem so sehr auf Nachwuchs bedachten Neuvermähltenpaar durch die Geburt des Sohnes Lothar sinnvoll geschlossen wird. Der demnach 1114 Geborene lebte aber im August 1125, als Lothar zum König gewählt wurde, bezeugterweise nicht mehr. Die Geschichtsschreibung betonte wiederholt, wie Lothars Wahl dadurch mit bedingt war, daß der Fünfzigjährige keine männlichen Erben, sondern nur eine Tochter hatte. Der zehnjährige Sohn müßte also 1124 gestorben und im Stammsitz Süpplingenburg bestattet worden sein. Dies stimmt mit der Altersangabe aus dem Untersuchungsbefund überein. Da sich bald eine skelettale Ähnlichkeit zwischen den Gebeinen des Kaisers und denen aus dem Kindergrab herausstellte, konnte auch aus den physisch-anthropologischen Untersuchungsergebnissen auf nächste Verwandschaft geschlossen werden. Es steht also nichts entgegen, daß die Geschichtswissenschaft diesen früh verstorbenen Sohn des Sachsenherzogs Lothar von Süpplingenburg und seiner „lieben Husfruwe", wie er Richenza in einer Urkunde nannte, endlich anerkennt.

Für die Geschichte des Reiches war zwar seine Existenz unbedeutend, aber nicht sein Tod. Dieser gab wohl den entscheidenden Ausschlag, als die 40 Wahlmänner und besonders der Bayernherzog Heinrich der Schwarze zwischen dem Schwabenherzog Friedrich II., dem Einäugigen, und dem Sachsenherzog Lothar zu wägen hatten. Die Aussicht auf das Erbe der Krone für seinen Sohn Heinrich den Stolzen durch die Heirat mit Lothars Tochter Gertrud bestimmte Heinrich IX. von Bayern zu seinem Votum zugunsten des Süpplingenburgers.
Bereits im ersten Monat nach der Salbung des am 30.8.1125 zum 92. Herrscher nach Augustus gewählten Königs Lothar III. wurde das Heiratsversprechen in Regensburg bekräftigt, und nur fünf Monate nach dem Tode seiner Eltern holte sich der neue Bayernherzog, Heinrich X., die zwölfjährige Königstochter im Mai 1127 zur Frau.
Bis zur allgemeinen Anerkennung durch die Historiker, die ja doch einiger Zeit bedarf, können wir den Besuchern unserer Stiftskirche aber schon sagen, daß in dem vierten, dem unbeschrifteten kleinen Grab in der Mitte des Hauptschiffes der „Prinz Lothar von Süpplingenburg", der Erstgeborene Kaiser Lothars bestattet liegt.
Ungewiß bleibt aber noch, wie das Fehlen der Skelett-Teile zustande kam. Da der Kindersarg sich neben dem des am 29.10.1139 beigesetzten Herzogs befindet, kann er frühestens zu diesem Zeitpunkt dort eingelassen worden sein. Das bedeutete eine Umbettung aus Süpplingenburg nach 15 Jahren. Kaiserin Richenza, die Mutter, nützte wahrscheinlich die Gelegenheit, als die Familiengrablege zur Beisetzung des Schwiegersohnes geöffnet war, um auch dem frühverstorbenen Sohn seinen Platz darin zu geben. Eine Umbettung nach dem Tode der Kaiserin halte ich nicht für wahrscheinlich, weil das Kind in diesem Falle den Platz neben der Mutter bekommen hätte.
Im Steinsarg gefundener Bauschutt läßt auf eine frühere Grabesöffnung schließen. Außer der Grabesöffnung vom 14. 1. 1620 (manchmal wird auch das Jahr 1618 dafür angegeben) durch den Landdrosten Joachim von Streithorst, die durch die Verhandlung am herzoglichen Hofe belegt ist, nennt der Cod. Guelf. 29. B. 4. eine Eröffnung des Grabes im August 1752. Bei Adolf Lüders „Der Kaiserdom zu Stift Königslutter" 1904, ist zu lesen: „. . . bei dieser letzten Erneuerung (1883/ 84) wurde die Gruft nochmals geöffnet, doch fand man in derselben nur noch Moder und Staub.“ Das Kindergrab wurde außer in der Chronik von Bünting/ Meibom nirgends erwähnt.  Das Fehlen der Knochen eines Beines kann auch einen Unfall zu Lebzeiten des Kindes vermuten lassen. Wäre dieser Unfall die Todesursache gewesen, hätte man das abgetrennte Bein sicher mit dem Körper bestattet.
lm Sarkophag vorgefundene Tierknochen könnten die eines Lieblingstieres des Jungen sein, das man ihm zu Füßen legte, wie es Grabtumben des Mittelalters oft zeigen, zum Beispiel auch die Heinrichs III. aus der Vierung des ehemaligen Domes von Goslar, jetzt in der Doppelkapelle St. Ulrich.


Daraus ergäbe sich allerdings, daß die Umbettung samt Steinsarg erfolgt sein müsse. Dies wiederum würde nachweisliche Veränderungen des Kalksteinbodens im Sarg durch die Körpersubstanzen erzeugt haben. Die damals bei weltlichen wie geistlichen Fürsten vielfach praktizierte Bestattung der vom Fleisch gelösten Gebeine im Sarg und des Herzens in einem kostbaren Gefäß, kann bei dem Knaben wohl ausgeschlossen werden. Hier bleibt also noch viel Ungewißheit. die durch weitere Untersuchungen zwar verringert, aber kaum ganz beseitigt werden kann. Daß es sich um die Gebeine des frühverstorbenen Sohnes Lothar des Kaiserpaares handelt, kann dagegen als sicher gelten.

Otto Kruggel

Veröffentlicht in: Das Moosholzmännchen
heimatkundliches Beiblatt des lutterschen Stadtbüttels Nr. 178/ 1985  September 1985

 

 

St. Silvester 1137 in Regis Luttera

Lothar III begann seine wichtigen Unternehmungen stets an „passenden“ Tagen des christlichen Festkalenders. Damit machte er sie quasi zu heiligen Handlungen und stellte sie unter den Schutz des oder der Tagesheiligen. (H. M. Schaller: Der heilige Tag als Termin mittelalterlicher Staatsakte. DA 30, 1974).

Am 15. August 1132 feiert Lothar Mariä Himmelfahrt in Würzburg und bricht nach Italien auf, um die Kaiserkrone zu erringen und Papst Innozenz II auf den apostolischen Stuhl zurückzuführen.“ (J. F. Böhmer, Regesta imperii IV, 1. Reg. 310).

Erfolgreich zurückgekehrt beging er am 8. September 1133 in Würzburg das Fest Mariä Geburt. (Reg. 364).

Am 15. August 1134 feiert Lothar das Fest Mariä Himmelfahrt in Würzburg, sammelt sein Heer zum Feldzug gegen Herzog Friedrich und dessen Bruder Konrad und bricht nach Schwaben auf“ (Reg. 413).

Kaiser Lothar begeht zu Mariä Himmelfahrt (1136) einen Hoftag in Würzburg, trifft Anordnungen für Deutschland, sammelt sein großes Heer zum seit langem beschworenen Zug nach Italien, welcher der Ordnung des dortigen Zustandes des Reiches und dem Kampf gegen den in Apulien eingefallenen Roger von Sizilien gilt“ (Reg. 494).

Heinrich der Stolze, der Schwiegersohn des Kaisers, zog mit seinen 1500 Panzerreitern durch Toscana und Umbria und Lothar mit dem Hauptteil des Heeres entlang der östlichen Küste. Richenza war immer aktiv dabei.

Vor Pfingsten (30. Mai 1137) während Lothar in die Stadt (Bari) einrückt und freundlich von den Bewohnern empfangen wird, treffen auch Innozenz II und Herzog Heinrich der Stolze ein ... Während der Papst in Anwesenheit Lothars, der Bischöfe und Fürsten in der Abteikirche S. Nicola die Pfingstmesse zelebriert, soll sich über der Klosterkirche eine Himmelserscheinung gezeigt haben, und zwar eine sich vom Himmel herabsenkende goldene Krone, über ihr eine Taube, unter ihr ein schwingendes Weihrauchfass und vor ihr zwei brennende Kerzen.“ (Reg. 585).

Mehrere Medien, auch der Annalista Saxo, meldeten diesen himmlischen Hinweis auf die Ausbreitung des heiligen Geistes durch den Kaiser.

Am Ende seines ersten Italienzuges feierte der als Kaiser zurückgekehrte Lothar am 8. September 1133 den Tag Mariä Geburt in Würzburg und „hält einen von zahlreichen geistlichen und weltlichen Fürsten besuchten Hoftag“ (Reg. 364).

Vor Ende seines zweiten Italienzuges hatten sich die zurückgebliebenen deutschen Fürsten in Würzburg versammelt, um den Kaiser feierlich zu empfangen, doch dieser starb am 4. Dezember in Breitenwang am Lech und seine Leiche wurde in seine Gründung Königslutter überführt, wo sie am Tag des hl. Silvester beigesetzt wurde. Da der Papst Silvester I (314 – 335) den ersten christlichen Kaiser, Konstantin (306 – 337) taufte, wollte Kaiserin Richenza mit der Wahl dieses Tages wohl in des teuren Toten Weise mahnen, dass Papst und Kaiser stets wohlwollend zusammen arbeiten sollen wie Silvester und Konstantin.

Bevor er den großen Zug begann, von dem er tot in den Sakralbau der künftigen Residenz des Reiches gebracht wurde, hatte der altersweise Kaiser am Allerheiligsten seiner gediegenen Gründung ehern verkünden lassen, dass sie allein durch die wohlwollende Zusammenarbeit zum Zentrum des ersehnten und verheißenen irdischen Friedensreiches werden kann und sollte.


Otto Kruggel
14.11.2011



Kaiser-Lothar-Straße in Breitenwang

Kaiser-Lothar-Straße

Zum Gedenken an des Herrschers Tod in Tirol

Von Ernst Eduard Becker

 

Die Region zwischen Garmisch-Partenkirchen, Grainau, Ehrwald, .Biberwier mit dem Fernpaß, Lermoos und weiter um Reutte bis Oberstdorf zählt mit ihren Bergen, Wäldern, Flüssen, Wasserfällen und glasklaren Seen zur klassischen Ferienlandschaft. Man pendelt hinüber in das Außerfern — die Landschaft rund um Reutte mit ihren 37 Gemeinden — und herüber über die österreichisch-deutsche Grenze ins Allgäu und würde den Grenzübergang kaum spüren, wären da nicht die Zollhäuschen, an denen die Touristen meist sehr formlos vorbeigewinkt werden.

 

Kaiser und Könige, Heer- und Pilgerzüge wählten mit Vorliebe den Weg durch Tirol. Burgen, Königs- und Grafenhöfe, Hospize und „einfache Hütten" gaben den Reisenden im Mittelalter Schutz und Unterkunft.

 

Gewöhnt an das perfekte Straßensystem von heute, können wir uns das Reisen in damaliger Zeit kaum vorstellen. Straßen existierten ebensowenig wie Wegweiser oder gar verläßliche Karten. Bei Expeditionen ins Ausland ritt ein „Hauptmann der Pfadfinder“ voran. Das Land war, dünn besiedelt, keines Menschen Fuß hatte die Berge erklommen. Die Zugspitze beispielsweise an dieser Reiseroute — der höchste Berg Deutschlands (2964 Meter) — galt als Wohnung der Götter und tabu für den Menschen. Erst 1820 wagte man den Schleier des sagenhaften Zugspitzhauptes zu lüften. Heute wird der Zugspitzgipfel von Ehrwald auf österreichischer Seite und vom Eibsee bei Grainau täglich in Seilbahnkabinen von Tausenden in wenigen Minuten erklommen.

 

Auf den ausnahmslos gut ausgebauten Straßen durchkreuzen Niederländer, Belgier, Franzosen, Engländer fast ebenso häufig das Land mit Autos wie Urlauber aus Berlin und allen deutschen Bundesländern. Gemeinsame Sprache, gemeinsam geteilte Freuden und ebenso gemeinsam ertragenes Leid in der Geschichte dieses Landes haben, seit die Römer die sumpfigen Pfade über die Pässe zu Straßen umgestalteten, Erbstücke der Geschichte und Kultur hinterlassen. Und so sieht sich der Tourist aus dem Braunschweiger Land unverhofft im Außerfern manchem ebenso interessanten wie bedeutenden heimatgeschichtlichen Kapitel gegenüber.

 

*

 

Zum Dank für ihre Hilfe beim Investiturstreit mit dem Papst — Papst und Kaiser nahmen jeder für sich das Recht in Anspruch, die Bischöfe im deutschen Reich einzusetzen — belehnte der salische Kaiser Heinrich IV. die Welfen mit dem Herzogtum Bayern. Den Höhepunkt ihrer Macht erreichten die Welfen unter Heinrich dem Löwen hundert Jahre später, und der Löwe konnte es sogar wagen, dem Staufenkaiser Friedrich Barbarossa die Gefolgschaft in dessen Kampf mit den norditalenischen Städten zu verweigern.

 

Eine mündliche Überlieferung erzählt, Barbarossa habe vor dem Löwen, um ihn umzustimmen, in Mittenwald — der späteren Geigenbauerstadt — einen Fußfall getan. Die Kaiserin (Barbarossa hatte in zweiter Ehe 1156 Beatrix von Burgund in Würzburg zum Altar geführt) habe ihrem Gemahl empört geraten, sich lieber auf Gott zu verlassen. Nach einer anderen Version soll der Fußfall 1176 in Partenkirchen geschehen sein. In Wirklichkeit hat die Begegnung — mit oder ohne Fußfall — in Chiavenna stattgefunden. Heinrich der Löwe blieb unnachgiebig, wurde von Barbarossa 1180 abgesetzt und behielt nur noch das kleine Restland Braunschweig.

 

 

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Dieses Kapitel deutscher Geschichte war noch nicht aufgeschlagen, als Mitte Juli 1136 Kaiser Lothar — einst Sachsens reichbegüterter und nach mancherlei Kämpfen zur Herzogswürde aufgestiegener Lüder von Süpplingenburg — in Lutter (später Königslutter) weilte, um den Fortgang des Kirchenbaues zu besichtigen, für den er am 10. Juli 1135 den Grundstein gelegt hatte.

 

Der Kaiser unterzeichnete noch hurtig zwei Urkunden in Lutter und reiste dann zum Reichstag nach Würzburg und von dort weiter nach Italien. Als der Kaiser in Monte Cassino weilte, überlieferte ein Chronist aus dem kaiserlichen Lager, durchwanderte Lothar barfuß die Kirchen und Kapellen, bevor er sich weltlichen Geschäften widmete. Den Witwen und Waisen wuschen Kaiser und Kaiserin, die Füße.

 

In einer sanften Kurve am Ortsanfang von Reutte veranlaßt ein Straßenschild an einer kantig vorspringenden Hauswand den Reisenden aus dem Braunschweiger Land, kurzfristig das Tagesziel zu ändern. Die „Kaiser-Lothar-Straße“ führt nach Breitenwang, der „Muttergemeinde von Reutte“ und wohl ältesten Siedlung im Außerfern. Breitenwang ist bereits 1137 in die deutsche Geschichtsschreibung eingegangen durch den Tod des deutsch-römischen Kaisers Lothar von Süpplingenburg.

 

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Der Kaiser befand sich mit seinem Gefolge auf der Rückreise von Italien, erkrankte in Oberitalien vermutlich an Ruhr oder Fleckfieber und starb während der eilig betriebenen Rückreise in Breitenwang in einer „armseligen Bauernhütte“ am 3. Dezember 1137, so daß an ihm, wie Otto von Freising schrieb, das Elend alles Menschlichen offenbar wurde.

 

tl_files/Fotos/Breitenwang/Kaiser-Lothar-III-Foto-E-Becker-small.jpg Kaiser Lothar von Süpplingenburg wurde in der Silvesternacht 1137 in der Gruft des „St. Peter und Paul“-Domes in Königslutter beigesetzt. 1139 fand auch Lothars Schwiegersohn, Heinrich der Stolze, und 1141 Kaiserin Richenza in der Gruft die letzte Ruhestätte. Die Gräber wurden 1690 durch eine einstürzende romanische Holzdecke zerstört. Die Figurenplastiken (unser Archivbild zeigt Kaiser Lothar und Heinrich den Stolzen) stammen aus dem Jahre 1708. — Zwei junge Männer drangen Ende Juni 1975 in den Dom ein und beschädigten die Grabstelle. Vom Bildnis des Kaisers wurden der Arm mit dem Reichsapfel und die Hand mit dem Zepter abgetrennt und entwendet. Von der Krone fehlten das Kreuzteil des Bügels und einige Kuppen. Auch ein Stück von der Krone der Kaiserin wurde geraubt. Verstümmelt wurde außerdem die Figur Heinrichs des Stolzen. Einige Tage später fand man die Teile der Marmorstatuen in einem Garten in Königslutter. Die ermittelten Täter wollten Kapital aus ihrer Beute schlagen, aber niemand fand sich, der ihnen Geld dafür gab.

 

An dem schmucken Haus Dorfstraße 3 ist auf einer Marmortafel zu lesen: „Hier starb am 3. Dezember 1137 Lothar. II., Deutscher und Römischer Kaiser, in den Armen seines Schwiegersohnes Heinrich des Stolzen. In Ehrfurcht gewidmet von Frederick R. Simms, London und Holzgau.“

 

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Solch Zeugnis der Geschichte vermag im Augenblick 800 Kilometer Wegstrecke von Tirol bis ins Braunschweiger Land und mehr als acht Jahrhunderte zu überbrücken. Geschichte wird lebendig und mit ihr die Legende und der Zweifel am Beweis des zeitgeschichtlichen Ereignisses.

 

Kaiser Lothar von Süpplingenburg ist als Lothar III. von der Geschichtsschreibung überliefert. Lothar II. wurde nach dem Tode des Franken-Kaisers Lothar I. 855 König des nach ihm benannten Königreiches Lotharingien (Lothringen), während Lothar III. von Sachsen (1060 geboren) von 1125 bis 1137 römisch-deutscher Kaiser war.

 

Für die Bewohner des mit dem Erbe aus der Geschichte aufgewerteten schmucken Hauses „Dorfstraße 3“ in Breitenwang ist diese Auszeichnung ehrenvolle Verpflichtung. Sie registrieren mit Stolz und Weltoffenheit das Interesse der Besucher.

 

Erwin Kofelenz ist in diesem Hause geboren. Es ist wohl das inzwischen dritte Gehöft an der Stelle, an der in der Nacht zum 3. Dezember 1137 der König und deutsch-römische Kaiser verschied, nachdem er auf dem Sterbelager Heinrich dem Stolzen, zu dessen Herrschaftsbereich Tirol damals gehörte, die Reichsinsignien übergeben hatte. Heinrich der Stolze sollte nach dem Willen Lothars sein Nachfolger werden. Die Fürsten aber setzten sich bald über den letzten Willen des Kaisers hinweg und wählten Konrad von Schwaben, der nun als erster Hohenstaufe die deutsche Königskrone erhielt.

 

Kofelenz ist davon überzeugt, daß der Kaiser in einer armseligen Köhlerhütte starb, und er hat einen Beweis zur Hand: Bei Kanalisationsarbeiten wurden auf dem Grundstück aus ungefähr vier Meter Tiefe große Mengen Schlacke freigelegt, ‚die aus damaliger Kupfer- und Silbergewinnung in Breitenwang, das 1095 erstmals anläßlich herzoglicher Hofschenkungen an schwäbische Klöster urkundlich genannt wird, stammt.

 

Auf Breitenwanger Boden entwickelte sich später aus kleinen Anfängen das heute auf dem Gebiet der Metallurgie in Herstellung und Forschung in Europa führende Metallwerk Plansee.

 

*

 

Oft wird von Besuchern der Gedenkstätte auf die oberhalb von Reutte gelegene Burgruine Ehrenberg gewiesen und gefragt, warum der Kaiser in eine „ärmliche Hütte“ eingekehrt sei und nicht auf der nahe gelegenen Burg Zuflucht genommen habe. Die Chronik von Ehrenberg setzt jedoch viel später ein. Ihre Anfänge gehen, wie Dr. Rudolf Palme berichtet, auf das Ende des 13. Jahrhunderts zurück, eine Zeit, in der an und für sich Burgenbauten nicht mehr üblich waren. Ehrenberg diente anfänglich der Verwaltung und Gerichtsbarkeit im Außerfernra. Die Wehrhaftmachung der Burg entstammt dem 16. Jahrhundert.

 

Auch Dr. Palme, Assistent an der Universität Innsbruck und Reutter Bürger, befaßt sich in jüngster Zeit intensiv mit der Frage, wo Kaiser Lothar tatsächlich gestorben ist, als er nach seiner zweiten Romfahrt 1137 in Trient an Ruhr oder Fleckfieber erkrankte. Der Historiker ist überzeugt, daß der schwerkranke Kaiser mit seinem Gefolge nicht in eine „ärmliche Hütte”, sondern auf, einem Grafen- oder sogar Königshof des Herzogtums Schwaben eingekehrt sei und dieser Hof an der Stelle gelegen habe, wo im 16. Jahrhundert — in nächster Nähe des Hauses „Dorfstraße 3" — die St.-Petrus-Pfarrkirche erbaut wurde, in der seit 1974 — ähnlich wie im Kaiserdom zu Königslutter — gründliche Renovierungen im Gange sind.

 

Der Breitenwanger Historiker würde „lieber heute als morgen“ — noch solange die Restaurierung im Gange ist — mit Probegrabungen auf dem Gelände des Pfarrhofes beginnen, um seine Hypothese zu beweisen und ein noch unbeschriebenes Blatt im Buch der Geschichte des 12. Jahrhunderts zu füllen.

 

Auf einer Tenne des Pfarrgehöftes in Breitenwang wartet seit den Renovierungsarbeiten vom Staub bedeckt eine andere stattliche Lothar-Gedenktafel auf einen würdigen Platz. Unter dem Reichsadler lassen die Worte „Lotharius, Romanorum Imperator, Saxoniae Dux, Imperii Germanici, in memoriam“ die historische Bedeutung dieser Stätte besonders spürbar werden.

 

 

Quelle:

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Würdige Festgabe für den Kaiserdom Königslutter 1985

Würdige Festgabe für den Kaiserdom Königslutter

Im Vorfeld des 850-jährigen Jubiläums der Stiftskirche Königslutter bietet die Kreısvolkshochschule Helmstedt in ihrer Außenstelle Königslutter, wie bereits berichtet, eine Vortragsreihe mit dem Thema : "Was wir über unseren Jubilar, den Kaiserdom, wissen sollten." Otto Kruggel, der sich seit Jahren intensiv mit der Geschichte und Aussage dieses "Parthenons der deutsch-romanischen Baukunst" beschäftigt, gab seinen Hörern eine Fülle solider Informationen in Wort und Bild, wie es sie im Schatten dieses Bauwerkes noch nicht gab.

Überzeugend stellte er den Zusammenhang des Baubeginns mit dem Friedensschwur von Magdeburg am Pfingsttag, dem 26. Mai(!) 1135 und den Grund dar, warum es bisher keine präzisen und ausführlichen Angaben über die Grundsteinlegung zu dieser kaiserlichen Triumph-, Sühne-, Grabes- und Auferstehungskirche gab, in der, wie er nachwies, auch der von der Geschichte noch nicht anerkannte Sohn Kaiser Lothars beigesetzt ist.

Mit fast 400 Dias erläuterte der Referent an drei Abenden das Schema des Baues, den Bauverlauf, die Gliederung, Ornamentik und Änderung und entwickelte aus dem Vorhandenen eine Rekonstruktion des ursprünglichen Planes für den Westteil, der bekanntlich später in schlichterer Form ausgeführt wurde. Die vierte Folge gilt am kommenden Mittwoch der Ausmalung.

Die Deutung der berühmten Chorkapitelle und der weiteren Figuren- und Gesichtskapitelle im Innern wurde aus liturgischen, ikonographischen und künstlerischen Entwicklungen des 12. Jahrhunderts abgeleitet.

In die Rekonstruktionszeichnung der Nordfront fügten sich die Maßverhältnisse des Gliederungsschemas, der vorhandenen Teile des geplanten Vorhallenportales, der Löwen, Säulen und Atlanten und des Dacheinschubes in der Arkadenhochwand über dem westlichen Seitenschiffsjoch ganz selbstverständlich ein, und die Verwandtschaft dieses Portals mit dem von San Zeno in Verona wurde sehr deutlich.

Gerade aus der Feststellung dieser Ähnlichkeit, verbunden mit dem hohen Anspruch des Stifters, resultierte Kruggels überraschende und dann doch überzeugende These, daß zu dieser Portalkonzeption eine ruhmredige Künstlersignatur und eine goldglänzende Erztür gehören.

Und das war der Höhepunkt der Vortragsreihe: beides ist vorhanden! Nur mußte es wegen Einstellen des Bauens nach dem Tode der Kaiserin im Jahre 1141 "disloziert" und damit verändert werden.

Die Bronzegießer von Magdeburg lieferten die offensichtlich für eine Peter- und Paulskirche bestellte - welche Peter- und Paulskirche konnte sich damals sonst eine Bronzetür leisten? -, 1150 dort gegossene und genau in die sich ergebende Portalöffnung passende nach Bauabbruch und Konzeptionsänderung hier nicht mehr verwendbare Tür nach Plock in Polen, von wo aus sie schließlich aus bisher unbekannten Gründen nach Nowgorod gelangte. Was Roger II. und Ludwig VI. recht war, war Kaiser Lothar sicher nur billig, aber seinem Enkel, Heinrich dem Löwen, zu teuer.

Für die Inschrift blieb im Fragment des Baues, der sein Lebenswerk krönen sollte, dem Meister von Königslutter kein besserer als der weder dafür vorgesehenen noch bemessene Platz zwischen den Bögen des Jagdfrieses und der Akanthusblattwelle darüber. Und wie den Bau mußte der Meister auch seine Signatur Fragment bleiben lassen. Aus ruhmredigen Versen im Stile der Zeit wurde ein Zeugnis tiefer Enttäuschung, die in Schweigen endet. Unter diesem Aspekt werden alle Versuche fragwürdig, Sinn des Jagdfrieses oder Namen des Meister aus der Korrelation von Schrift und Fries entschlüsseln zu wollen. Vielleicht führt das Erkennen der Sackgasse und die Suche nach neuen Wegen zu weiterem Finden von fruchtbaren Ansätzen und gesicherten Ergebnissen.

Der Kenner und Sucher Otto Kruggel bot beides und so eine würdige Festgabe an den Jubilar und für seine Liebhaber.


                      gez. Hans-Eckhard Noack










Bronzetüren für Lothars Grabeskirche in Königslutter?

Vorhallenportal, Rekonstruktionsskizze nach vorhandenen Bauelementen
Vorhallenportal, Rekonstruktionsskizze nach vorhandenen Bauelementen

Bronzetüren für Kaiser Lothars Grabeskirche in Königslutter?

Bei den Rang, den mittelalterliche Metalltüren einnahmen und den Kaiser Lothar seiner Grabeskirche in Königslutter zu geben bemüht war, wäre das Fehlen von Bronzetüren in der kaiserlichen Konzeption des Bauwerks ein Widerspruch in sich und ein unerklärlicher Abfall gegenüber den königlichen "Seelgeräten" dieser Zeit.

Das heutige Fehlen ist einzig eine Folge des durch den Herrschaftswechsel im Reich bedingten Konzeptionswechsels am Bau in Königslutter. Der erst im Laufe von Jahrhunderten vollendete, ursprünglich der Repräsentation des Imperiums und Imperators zugeordnete Westteil erfüllt keinesfalls den im Presbyterium manifestierten sehr hohen Lotharischen Anspruch.

Aber durch Übertragung der klaren Konsequenzen aus Baukörper- und Oberflächengestaltung des Ostteiles läßt sich viel von der ursprünglichen Planung rekonstruieren.

Aus der Gliederung der nördlichen Seitenschiffswand und den vorhandenen Elementen der damals etablierenden Portalvorhalle ergibt sich eine Lösung, die der von San Zeno in Verona aus dem Jahre 1139 sehr ähnelt. Die Maße einer modulgerecht dafür errechneten Türöffnung betrügen etwa 2.40 x 3.60 m.

Wenn 1150 in Magdeburg eine Bronzetür für eine Peter- und Paulskirche gefertigt wurde, dann könnte diese einzig und allein für Kaiser Lothars Thumstift in Königslutter bestimmt gewesen sein.

Es wurde 1150 in Magdeburg eine zweiflügelige Bronzetür von 2.40 x 3.60 m für eine Peter- und Paulskirche gegossen!

Da es aber in der Bauruine von Königslutter keine Verwendungsmöglichkeit für sie gab und sich bald herausstellte, daß eine solche auch für die Zukunft fraglich oder ausgeschlossen sein dürfte, nutzte Bischof Alexander von Plock, ein Mann aus dem metallgußreichen Maasgebiet. die günstige Gelegenheit, mit diesem "opus quod nobile claret" (s. Inschrift der Bronzetür für St. Denis, um 1140) an seiner neuen Kathedrale der Metropole Masowiens höchsten Anspruch im Polen des Seniorats zu erheben. Der um den Großfürstenthron kämpfende Herzog Boleslav IV honorierte diese Demonstration sicherlich, zu deren Folgen seine Huldigung Barbarossas in Jahre 1157 ebenso gerechnet werden kann wie die Bronzetür im Dom von Gnesen.
So öffnen die Bronzetüren aus Magdeburg möglicherweise den Zugang zu manchem Brachland der deutsch-polnischen Geschichtsbetrachtung.

Wann und wodurch die Türen von Plock nach Nowgorod gelangten, ist bisher noch nicht bekannt.

Den Auftrag zur Herstellung dieser Türen müßte Kaiser Lothar bereits seinem Vetter Konrad von Querfurt, dem Erzbischof von Magdeburg (1134-42) erteilt haben, in dessen Armen er am 4.12.1137 starb.

 


Otto Kruggel






Altenburg als Angelpunkt der deutsch-böhmischen Beziehungen unter Kaiser Lothar von Süpplingenburg


Weihnachten 1131 weilte König Lothar in Köln und setzte dort die Wahl seines Kandidaten Bruno von Berg, Propst von St. Gereon, gegen den vom Klerus gewählten Propst Gottfried von Xanten durch. Anselm von Gembloux beurteilte dieses Eingreifen des Königs mit
scharfe Worten, aber die anwesenden päpstlichen Legaten mußten es gutheißen. Der Papst brauchte des Königs Schwert und Schutz gegen seinen Rivalen Anaklet und dessen Schwertführer Roger II. von Sizilien.
Erzbischof Friedrich von Köln, ehemals Verbündeter des Herzogs Lothar und Gegner des Königs bis in den Tod, war am 25.10. 1131 in seinem Lieblingskloster Wolkenburg gestorben. Bereits am 2. Februar beging Lothar in Bamberg das Fest Mariä Reinigung. Dort traf er sich mit Herzog Sobeslaw von Böhmen, den er zur Teilnahme am Romzug gewinnen wollte. Dieser Zug war im März 1131 in Lüttich beschlossen und beschworen worden und sollte eigentlich noch im gleichen Jahre erfolgen. Aber wichtige Ereignisse in dichter Folge hielten den König vorerst ab, die Kaiserkrone in Rom zu holen und dafür den Gegenpapst zu beseitigen.
In Trier war der Stuhl des Erzbischofs zu besetzen und im Süden der staufische Widerstand noch immer nicht gebrochen. Kaum hatte sich der König dorthin gewandt, riefen dänische und slawische Machtkämpfe ihn nach Norden und Osten. Von dort mußte er nach dem Tode des Erzbischofs Friedrich nach Köln eilen, um seinen Kandidaten in das Amt zu bekommen, das zugleich das des Erzkanzlers für Italien war.
Freunde machte er sich mit solchen Aktivitäten beim hohen Klerus nicht. Auch Adalbert von Mainz, der „Königsmacher , fiel von ihm ab. Deshalb war er, wie schon 1126, sehr auf die böhmische Hilfe angewiesen. Bald nach dem Bamberger Hoftag trafen sich der König und der Herzog noch einmal in Altenburg an der Pleiße. Altenburg, bzw. die Pfalz Plysn, wie es in den Urkunden heißt, wurde also zum Angelpunkt der Beziehungen zwischen Lothar und Sobeslaw. Es lag am östlichsten Ende der vom Magdeburg nach Süden führenden Königsstraße. Tatsächlich zogen nach Mariä Himmelfahrt 1132 nur sächsische und böhmische Truppen mit dem König in den Süden. Selbst der neue Erzbischof von Köln, Bruno von Berg, versagte dem, der ihn zu seinem Sitz verholfen hatte, die Unterstützung.


Anfang April 1134 trafen der Kaiser und Herzog Boleslaw sich wieder auf der Pleißeburg. Sobeslaw kam diesmal als Bevollmächtigter seines Schwagers, des geblendeten Ungarnkönigs Bela II. Die nach dem Tode Stephans II. entstandenen Machtkämpfe der Kronprätendenten Bela und Boris hielte noch an und hatten die beiden Schwäger Belas, Sobeslaw von Böhmen und Adalbert von Österreich in Mitleidenschaft gezogen. (Adalbert oo Hedwig ; Sobeslaw oo Adelheid). Stephan II. hatte keine leiblichen Erben und deshalb seinen Halbbruder Boris zum Nachfolger bestimmt. Dieser war Sohn einer russischen Fürstin und mit Judith, einer Tochter des Polenherzogs Boleslaw III. verheiratet.
Stephans Vater, König Kolman, hatte zur Sicherung der Thronfolge seines Sohnes seinen Vettern Almus und dessen Sohn Bela aus dem
arpadischen Herrscherhaus blenden lassen. Mit Hilfe seines Schwagers Adalbert von Österreich konnte sich Bela gegen Boris durchsetzen, der von Rußland und Polen unterstützt wurde. Am 22.6.1133 besiegte Adalbert den Polenherzog in Ungarn. Boleslaw III. Krzywousty (28.8.1085 - 28.10.1138) hatte seine Tochter Richenza mit Magnus von Schweden, Thronfolger in Dänemark, Judith mit Boris von Ungarn und Agnes mit Konrad von Plötzkau, dem Vorgänger Albrechts des Bären in der Nordmark, verheiratet.
Adalbert war einer der angeblich 15 Söhne Luitpolds III. von Österreich und Agnes, der Tochter Heinrichs IV. Somit war er Stiefbruder Friedrichs II. und Konrads III. von Staufen, den Widersachern Lothars und - der Schwager seiner Tochter Gertrud.
Bela hatte durch Vermittlnng des Erzbischofs Konrad von Salzburg bereits um 1126 Frieden mit Luitpold geschlossen. Luitpold war übrigens einer der Mitkandidaten bei Lothars Königswahl und Erzbischof Konrad verweigerte als einziger Vertreter der Hochkirche dem König den Treueeid.
Das Treffen Lothars und Sobeslaws muß auch diesmal erfolgreich gewesen sein. Bald danach, am Pfingsttag 1134 (3. Juni), hob der ungarische König zum Zeichen der Freundschaft das Kind seines Schwagers Sobeslaw aus der Taufe. Sechs Jahre zuvor hatte Lothar zum Zeichen der Freundschaft einen Sohn Sobeslaws während des Hoftages in Merseburg aus der Taufe gehoben.
Der Bischof Peter von Stuhlweißenburg war mit in Altenburg erschienen, um Boleslaw Schiefmund beim Kaiser zu verklagen.


Ein Bündnis von Deutschen, Böhmen und Ungarn bedrohte nun den alternden Polenherzog,und er wurde vom Kaiser aufgefordert, sich in Magdeburg zu stellen.
Dort ließ Lothar als Abschluß der jahrelangen Kämpfe im Norden und Osten einen zehnjährigen Landfrieden beschwören.
Sobeslaw von Böhmen erschien selbstverständlich persönlich dazu, die Könige von Dänemark und Ungarn sowie die Herzöge von Polen und Niederlothringen waren durch Gesandte vertreten. Der Kaiser begnügte sich jedoch nicht mit der Friedenserklärung Polens im allgemeinen, sondern erreichte es, daß Boleslaw auf dem Hoftag zu Merseburg im August den Lehnseid für Pommern und Rügen und die Nachzahlung des Tributs für zwölf Jahre leistete.
Auch dies ist ein gutes Beispiel, an dem man den Realpolitiker Lothar erkennen kann.
Unmittelbar nach diesem Friedenstag vom 26.5.1135 zog der Kaiser nach Königslutter, damals Lutere oder Luttera genannt, um dort,
(bzw. hier) den Grundstein für seine Stiftskirche, das sichtbare und bleibende Denkmal seines Triumphes und dankbaren Gotteslobes
zu legen.
Pfingsten fällt im Jubiläumsjahr 1985 auf das gleiche Datum! Wir sollten der Bedeutung des Friedens damals wie heute an diesem Tage und im Rahmen des Stiftskirchenjubiläums unbedingt gedenken.

Die Bedeutung Altenburgs als Ort der deutsch - böhmischen Verhandlungen unter Lothar von Süpplingenburg ist meines Wissens noch nie besonders dargestellt worden und würde sich sehr gut als Thema ein Referenten aus der DDR oder der CSSR eignen.

 


Hauptsächliche Quellen und Literatur:


Annalista Saxo MG SS


Annales Magdeburgenses MG SS


Annales Patherbruunnenses. Wiederhergestellt von P. Scheffer- Boichhorst, Innsbruck 1870


Canonici Wissegracensis continuatio Cosmae, MG SS IX


Bernhardi, Wilhelm, Lothar von Supplinburg, Leipzig 1879


Giesebrecht, Wilhelm von, Geschichte der deutschen Kaiserzeit, 5 Bde. Vierter Band, Braunschweig 1875


Oehler, Hans, Das Itinerar des Königs, seine Ordnung und seine Bezıehungen zur Regierungstätigkeıt in der Zeıt Kaiser Lothars III. Inaugural-Dissertation der Universität Freiburg i. Br. 1957


Kuck, Charlotte, Das Itinerar Lothars von Supplinburg, Inaugural-Dissertation der Universität Greifswald 1945


Ermisch, Hubert, Geschichte des Benediktinerklosters Chemnitz bis zum Ende des 14. Jhs. - Arch. f. sächs. Gesch. NF IV 1877/78

 



Otto Kruggel, 25.01.1985




Nachtrag zu Altenburg:

Der Graf von Pleißen bat 1132 um Besetzung des von ihm gestifteten Klosters Schmolen (Schmölln) mit Konventualen aus Wakenried. 1137 wurde diese Tochtergründung Walkenrieds nach Porta verlegt. Mit Porta, dem heutigen Schulpforta bei Naumburg an der Saale verbindet uns der zweischiffige Kreuzgang.

Sophie, die Gemahlin Herzogs Magnus Billung (ca. 1043 - 23.8.1106) war eine Tochter des Ungarnkönigs Bela I. (reg. 1031 parvulus - Spätsommer 1063), der um 1040 geheiratet hatte. Sophie wurde 1061 mit Mgf. Wilhelm IV. von Meißen (†1062) verlobt und war von 1062/63 bis 1070 mit Mgf. Ulrich von Krain und Istrien († 6.3.1070) in erster Ehe und danach mit Magnus Billung verheiratet. Sie starb am 18.6.1095, nach Chronographus Saxo am 19.5. 1095.

Heinrich der Stolze war somit ein Urenkel des Ungarnkönígs Bela I, dem Boleslaw II., sein Onkel, 1061 durch den Sieg an der Theiß über seinen Bruder Andreas I. zum Thron verhalf. Belas Söhne Geisa I. und Ladislaus I. revoltieren gegen ihren Vettern, König Salomon ( ), Salomon muß fliehen und Geisa nimmte 1073 die Krone. Ein deutsches Heer, von Heinrich IV. seinem Schwiegersohn Salomon zu Hilfe geschickt, wird geschlagen.

Markgraf Wilhelm IV. von Meißen stammte aus dem Grafenhause von Weimar-Orlamünde, das die Markgrafschaft 1047-1067 innehatte. Ihm folgten unter Heinrich IV. die Brunonen Eckbert I. und II., 1076 übergab sie Heinrich IV. dem ihm ergebenen Herzog Wratislaw von Böhmen, weil sich Eckbert II. wiederholt treulos gezeigt hatte. 1080 erhielt er die Mark zurück mit Ausnahme des Milzenerlandes, das Wratislaw behielt. 1089 wurde Eckbert wieder entsetzt und geächtet und schließlich 1090 auf Anstiften der Äbtissin Adelheid von Quedlinburg, der Schwester Heinrichs IV., in der Eisenbütteler Mühle im Selketal erschlagen.
Er war der letzte Brunone, der Bruder Gertruds und damit Onkel der Kaiserin Richenza.
Gertrud hatte ihre Verwandtschaft mit Heinrich IV. oft betont. Ihr Vater Eckbert I. war ein Vetter des Kaisers und deshalb auch Markgraf geworden.


Otto Kruggel