Gervais 1841: Heinrich IV. und Pfalzgraf Friedrich von Goseck

 

 

Neue Mittheilungen aus dem Gebiet

historisch - antiquarischer Forschungen.

 

Im Namen des mit der Königl. Universität Halle-Wittenberg verbundenen

 

Thüringisch-Sächsischen Vereins für Erforschung des vaterländischen Alterthums und Erhaltung seiner Denkmale

 

herausgegeben von dem Secretair desselben K. Ed. Förstemann,

Doctor der Theologie und Philosophie, Königl. Preuß. Universität-Bibliothek-Secretär und Custos der v. Ponickau'schen Bibliothek zu Halle, Mitglied der Königl. Akadelmie der Wissenschaften zu Stockholm etc.

 

Fünfter Band. (Mit Steindrucktafeln und Holzschnitten.)

 

Auf Kosten und im Selbstverlage des Vereins.

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Halle, im Bureau des Thüringisch-Sächsischen Vereins,

und Nordhausen,

 

in Commission bei Ferdinand Förstemann.

 

1841.

 

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I. Geschichte der Pfalzgrafen von Sachsen bis zur Übertragung der Pfalzgrafenwürde an das landgräflich Thüringische Fürstenhaus

Von Dr. E. Gervais. (Fortsetzung.)

 

§. 5. Heinrich IV. und Pfalzgraf Friedrich von Goseck.

 

Durch Heinrich's III. kräftige Regierung niedergehaltene Haß der Sachsen wider das fränkische Kaiserhaus brach nach jenes Tode auf einmal so heftig hervor, daß selbst das Leben des fünfjährigen Heinrich IV. von demselben bedroht wurde 1). Die Herrschaft ihm zu entreißen, schien bei der . . . des Königs und bei der Vormundschaft von dessen Mutter Agnes leicht ausführbar. Bald fand sich auch ein Haupt, das keck genug war, die von den sächsischen Fürsten feilgebotne Krone anzunehmen. So tief wurde dieser höchste Erdenschmuck von den Feinden Heinrichs herabgewürdigt, daß sie einem Bastarde und nicht einmal reindeutschen Sprößlingee, Otto, dem Stiefbruder des Markgrafen Wilhelm von der Nordmark, von einer slavischen Mutter geboren überlassen ward. 2) Viele Sachsen

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1) Lamb. Schaffnab. ad 1075. Principes Saxoniae crebris conventicolis agitabant de injuriis, quibus sub Imperatore (Henrico III.) effecti fuerant, arbitrbanturque pulchre sibi de his satisfactum fore, si filio ejus, dum adhuc aetas opportuna injuriae . . set, regnum eriperent. Und bald danach: regemque ubicuoqua fortuna opportunum fecisset, interficere iconstituunt.

2) Lamb. a. a. O. Otto, frater Guillelmi Marchiois, sed matrimonio impari, matre scilicet Slavica natus, vir acer ingenio et manu impiger.

V. Bd. 1. Heft.

 

 

 

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2 Gervais, Geschichte der Pfalzgrafen von Sachsen.

 

versprachen ihm ihren Beistand, wenn Otto laut die Fahne des Aufruhrs erheben wollte. Der Vermessene war auch da zu bereit. Mit Besorgniß nahmen die übrigen Fürsten Deutschlands, auch mehrere sächsische, die aus Blutsverwandtschaft oder Freundschaft dem Sohne des großen Heinrich III. treu anhingen, die Bewegung wahr. Sie riethen der Kaiserin Agnes, mit dem jungen Könige augenblicklich nach Sachsen sich zu begeben, um, es koste, was es auch sei, die Gemüther zu besänftigen. Im Juni 1057 berief man alle sächsischen Füsten nach Merseburg 1) die Kaiserin umgab sich mit starkem Gefolge; da erscholl die Kunde, daß Otto im Selkethal 2) auf die Brüder Bruno und Eckbert 3) von Braunschweig, die Vettern des Königs, gestoßen, er und Bruno sich im wüthenden Zweikampf durchbohrt, und Eckbert über die Gegner einen entschiedenen Sieg erfochten, ja selbst einen Sohn des Herzogs Bernhard erschlagen habe. 4) - Die Anhänger Otto's, welche zu Merseburg sich eingefunden, waren bestürzt und wagten nun, da ihnen das Haupt der Empörung fehlte, nichts gegen Agnes und Heinrich zu unternehmen. So ward dießmal noch die Ruhe in Sachsen erhalten. Die Gemüther hätten allmählich besänftigt werden können, wenn nicht einerseits der König, von Vielen seiner nächsten Umgebung mit unablässigem Haß gegen die Nation genährt und stets an den Versuch der

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1) Lamb. a. a. O. Itaque Natalem Sanctorum Petri et Pauli in Merseburg celebraturus erat, eo, quidquid Principum erat in Saxonia, ad colloquium evocari jussit. Ann. Saxo ad 1057. sagt: ad curtem regis in Mersburg.

2) Ann. Saxo a. a. O. secus Salicam flumen, nicht, wie Wachter I. s. 338. angiebt, die Saale, sondern die Selke im Harz.

3) Lamb. ad 1057: Hi praeter causam publicam privatis quoque inimicritiis infestissimi illi erant.

4) Das Treffen berichten am ausführlichsten Lamb. a. a. O. edit. Krause pag. 15 Ann. Saxo z. g. J. apud Eccard corpus hist I. pag. 489. Hermann Corner apud Eccard II. pag. 594.

 

 

 

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3 Gervais, Geschichte der Pfalzgrafen von Sachsen.

 

Sachsen, ihn zu entthronen und zu ermorden, erinnert worden wäre, andrerseits nicht die Sachsen mißtrauisch auf die Schritte Heinrichs und seiner Leiter erst verborgen, dann offen Abneigung und feindseligen Sinn bekundet hätten.

 

Gerade Sachsen bedurfte, um es im Reichsverbande zu erhalten, aller Vorsicht von Seiten des Königs. Conrad II. hatte mit Vorsicht und Consequenz, Heinrich III. mit Umsicht und Strenge das königliche Ansehn gehoben, Heinrichs IV. Leichtsinn, Willkühr und Tyrannei verdarb Alles bei einem Volke, das streng am Herkommen festhielt, und bei einem Fürstenhause, das länger als hundert Jahre im Besitz der herzoglichen Würde stand; und nicht, wie in den übrigen Provinzen, wo die Königsgewalt viel fester Wurzel gefaßt , durch bloße Bestimmung des Königs dazu erhoben war. Leider wurde Heinrich, nachdem er den Händen seiner Mutter entrissen worden, durch schlechte Erzieher, durch Schmeichler und solche, die durch den König Länder und Würden zu erhalten hofften, in dem Glauben bestärkt, daß die königliche Gewalt nicht der Völker wegen, sondern nur da sei, um nach Willkühr jeder Neigung und Leidenschaft sich hingeben zu dürfen. Daher Heinrich, als er 1066 die Zügel des Reichs ergriff, alle Schranken seiner Gewalt für feindlich, widerrechtlich, strafbar betrachtete, und jedes Mittel sie fortzudrängen und niederzureißen für erlaubt und recht hielt.

 

Nicht gleich wider die Person des Königs, sondern gegen dessen schädliche Rathgeber ließ der Unmuth der von ihm beleidigten Fürsten sich aus. So drangen sie auf dem Reichstag zu Tribur in Heinrich, den Erzbischof Adalbert aus seiner Nähe zu verbannen 1) wobei freilich nicht blos

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1) Lamb. ad 1066. aut regno ei cedendum esse, aut familiaritate et amicilia Bremensis Archiepiscopi defungendum; und gleich darauf noch einmal dieselbe Alternative: ut aut regno se abdicaret, aut Archiepiscopum Bremensem a consiliis suis atque a regni consortio amoverent.

 

 

 

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4 Gervais, Geschichte der Pfalzgrafen von Sachfsen.

 

erlittne Kränkung, sondern auch Neid und Eiferfucht gegen den Günstling mitwirkten, und zugleich eine empfindliche Kränkung dem Könige widerfuhr, der Adalbert von ganzem Herzen zugethan war. Seitdem gab es zwischen Heinrich und den sächsischen Fürsten, die vornehmlich an dem Bremer Erzbischofe langgehegte Rache genommen 1) kein friedliches Verständniß mehr. Anstatt aber planmäßig zu deren Dermüthigung und Vernichtung sich zu rüsten, mit tüchtigen Räthen und Freunden sich zu umgeben, reizte er unbesonnen die Großen 2) und die Nation durch Willkühr und Bedrückung, lebte ausschweifend und zügellos, erlaubte sich und seinen Höflingen Alles. Verderblich für sein ganzes Leben wurde ihm der Widerwille gegen seine Gemahlin Bertha, 3) und der daraus hervorgehende Versuch, sich durch Siegfried von Mainz 4) von ihr scheiden zu lassen; denn als der Papst dieß hinderte, ward Rom die erste Gelegenheit gegeben, jederlei Klagen und Beschwerden wider Heinrich vor sein Forum zu bescheiden. In Deutschland gelang es, nach fünf Jahren durch den Einfluß der Bessern und

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1) Die Billungen begnügten sich nicht mit der Verbannung Adalbert's vom Hofe, sondern nahmen ihm auch fast sein garnzes Erzbisthum: Adam Brem. lib. IV. cap. 8. u. 9. Ita prorsus diviso in tres partes Bremensi Episcopatu - vix tertia remansit Episcopo, quam tamen ipse postea distribuens fere nihil sibi retinuit.

2) So behandelte er zwei angesehene Edle: Fridericus de Monte und Wilhelmus de Lotheslovo nach hist. belli Saxonici pag. 105. wie Leibeigene schnöde und grausam, ut propter hos duos ab omni Saxonia praecipue facta sit adversus Regem conjuratio.

3) Hist. belli Sax. pag. 102., wo aber wohl vielübertrieben ist.

4) Diesem bot er für seine Gefälligkeit die Zehnten in Thüringen, und machte dadurch ein Volk sich abwendig, dessen Nationalhaß wider die Sachsen sein Vater so klug benutzte, um letztere zu zügeln.

Kein Volk war den fränkischen Kaisern ergebener gewesen, als die Thüringer. S. die Verträge zwischen dem Könige und Siegfried, und des Letztern Verfahren bei der Ehescheidung bei Lamb. ad 1069

 

 

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5 Gervais, Geschichte der Pfalzgrafen von Sachsen.

 

durch das von Heinrich III. errungene Ansehn der Majestät die äußere Ruhe zu erhalten. Als aber Adalbert wieder an den Hof gezogen, Anno von Cöln und Siegfried von Mainz, die ihn verdrängt, mit Ungnade entfernt, Otto von Nordheim, der Herzog von Baiern, welcher lange beim König viel gegolten und allein noch als kräftiger Vertreter die Sachsen, seine Landsleute, vor Bedrückung und Verunglimpfung geschützt hatte, des Hochverraths angeklagt und seines Herzogthums entsetzt wurde 1) da brach der Unwille der Nation in offne Widerspenstigkeit aus. Noch einmal ward sie gezähmt durch einen kräftigen Mann. Graf Eberhard von Nellenberg. 2) Weil aber Heinrich an Otto Baiern nicht zurückgab, und Magnus, dem Sohne des Herzogs Ordulf von Sachsen, der 1071 gestorben, die Würden und Lehen des Vaters vorenthielt, ja ihn selbst, der sich sammt den übrigen Theilnehmern des Aufstandes dem Könige ergeben, in strenge Haft Aller Augen und Aller Kunde entzog, 3) so drohte aus der glücklichen Beilegung des Streits ein neuer gefährlicher Aufstand hervorzubrechen. Heinrich zwar scheute nicht ohne Grund, der ihm feindlich gesinnten Nation einen Mann, wie Magnus, der nur eben gezwungen vor

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1) Hist belli Sax. pag. 106. Helmold Chron. Slav. I. cap. 27. Lamb. ad 1070. u. a. m. Da Otto nach wie vor Herzog heißt (Hist. belli Sax. qui Dux olim fuerat, sed adhuc Ducis nomen habebat) und viel in Sachsen galt, hat dieß den Irrthum vieler Geschichtsschreiber veranlaßt, ihm ein Herzogthum im westlichen Sachsen an der Weser beizulegen.

2) Lamb. ad 1071. ap. Krause pag. 64.

3) Hist belli Sax. pag. 106. Lamb. ad 1073. pag. 92. Anders wußte sich Otto der Gewalt des Königs zu entziehen Lamb. pag. 81.: Otto Dux Bojoariorum post integrum annum deditionis suae gratiam regis recepit, data vel regi, vel his qui regi pro eo suggesserant, non modica protione praediorum suorum. Der schlaue Otto beugte sich, wenn es Noth that, um zu günstiger Zeit wieder Gewalt zu brauchen. Der gerade, rechtliche Magnus stützte sich stets auf sein Recht; das half ihm nicht aus des Königs Gewalt.

 

 

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6 Gervais, Geschichte der Pfalzgrafen von Sachsen.

 

ihm sich gebeugt, als Herzog an die Spitze zu stellen. Gewiß, Heinrich III. würde das Gleiche gethan haben, aber mit jener klugen Umsicht, mit jenem offenkundigen Streben das ganze Reich gesetzlich in eine gleiche Abhängigkeit,vorn Reichsoberhaupte zu bringen, um Einheit im Innern, Festigkeit nach Außen ihm zu verleihen. Statt dieser Besonnenheit zeigte Heinrich IV. in jugendlichem Uebermuthe nur Mißbrauch der ihm verliehenen Macht, Willkühr gegen Einzelne, Härte gegen ganze Nationen. 1) Anstatt den Fürsten des Reichs seine Absichten mit Sachsen vorzulegen, berief er den König Sueno von Dänemark zu einer geheimen Unterredung nach Bardewik, an der nur Adalbert, und ein Begleiter Suenos Antheil nehmen durften. Ein Vertrag ward geschlossen, daß der Dänenkönig wider alle Feinde Heinrichs, besonders aber gegen die Sachsen Beistand leisten und dafür mit den nordalbischen Gegenden 2) des Herzogthums Sachsen und mit der Mark Stade, die Udo von der Nordmark, gehörte, belehnt werden sollte. Dieses gesetzlose verfahren hätte auch ein andres Volk als die schon erbitterten Sachsen zur Empörung gereizt. Heinrich ging noch weiter. Nicht blos die Reichslehen der Billungen, auch ihre Stammgüter tastete er an. Als augenblickliches Verlangen nach der schön gelegenen Veste Lüneburg,

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1) Wie Sachsen, Thüringen und Bremen klagten auch die Schwaben: hist. Sax. belli pag. 105. Volebat enim Rex etiam Suevos violenter opprimers, et ut sibi de praediis suis redderent tributa, compellere. Der Autor dieser historia, Bruno, ist aber ein abgesagter Feind Heinrichs, und übertreibt offenbar alle Handlungen des Königs.

2) Hist. Sax. belli p. 6. sagt nur allgemein: cunctas regiones suo regno contiguas in proprium daret. Ebenso Ann. Saxo ad 1073. Daß dieses Jahr unrichtig ist, erhellt aus der Angabe, daß bei der Unterredung Adalbert v. Bremen zugegen gewesen, der schon zu Anfang d. J. 1072 starb. Lamb. berichtet es zwar gleichfalls unter A. 1073, aber er faßt dort die Ursachen, welche die Sachsen aufreizten, zusammen.

 

 

 

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7 Gervais, Geschichte der Pfalzgrafen von Sachsen.

 

die Graf Hermann, dem Oheim vom Herzog Magnus, aus seines Vaters Allodien, zugefallen war, ihm beim Vorbeireiten anwandelte, gab er 70 Rittern seines Gefolges den Befehl, sie zu überfallen und die Umgegend zu besetzen. 1)

 

Dieser Gewaltstreich konnte noch den Einflüsterungen Adalberts, des unversöhnlichen Feindes der Billungen, beigelegt werden, doch im März 1072 2) starb der Erzbischof zur Freude aller Sachsen. Gleichwohl ließ der Druck, die Willkühr Heinrichs nicht nach. Zahllose Burgen wurden in Sachsen und Thüringen angeblich gegen die Slaven erbaut; das Volk mußte Frohndienste thun, und sah ungestraft die königlichen Besatzungen, denen es an Lebensmitteln gebrach, ihr Land und Eigenthum plündern. 3) Ja Heinrich suchte wie es schien, mit Absicht das Volk zur Empörung zu bringen, um seinen Plan auszuführen, die Sachsen und Thüringer ganz allein von sich abhängig zu machen und ihre Güter zum Fiskus zu schlagen 4). Die Kirche sollte aber seinem Vorhaben die Hand bieten, darum näherte er sich nach Adalberts Tode wieder dem Erzbischofe Siegfried, und wußte durch die vorgespiegelte Hoffnung auf die Zehnten in Thüringen, die bereits früher ihm zugesprochen, aber von Adalbert und Heinrich selbst ihm

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1) Hist. Sax. belli pag. 106 Ann. Saxo ad 1075. Lamb. ad 1073. pag. 101.

2) Adam Brem. IV. cap. 36. XVII. Kal. Aprilis indictione X, hic est Annus Domini MLXXIII, Alexandri Papae XI. Henrici Regis quarti XVII. Lamb, ad A. 1072. Mediante Quadragesima, XVI Kal. Aprilis.

3) Lamb. Schaffn. ad 1073. Quibus permisit, ut ex proximis villis et agris hostili more praedas agerent, et ad ips a castella munienda circum quoque manentes cogerent, et impensas affatim convestare.

4) Lamb. a. a. O. pag. 90: magnum quiddam et a nullo majorum suorum antehac tentatum machinari coepit, videlicet, ut omnes Saxones et Thuringos in servitutem redigeret, et praedia eorum fisco publico adjiceret.

 

 

 

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8 Gervais, Geschichte der Pfalzgrafen von Sachsen.

 

wieder vorenthalten waren, denselben leicht zu gewinnen. Mit empörender Gewalt wurden nun auf der Synode zu Erfurt (1073, 10. März 1) nicht nur die Aebte von Hersfeld und Fulda ihrer alten Berechtigungen, wonach sie in Thüringen allein Kirchensteuern einzufordern hatten, zur Hälfte beraubt: Heinrich zeigte auch den versammelten Thüringern ganz das Benehmen eines Despoten. Als jene erklärten, daß sie an den Papst sich wenden wollten, stand der König zornig auf, und schwur bei dem Namen Gottes, daß er den, der solches wage, wie einen Majestätsverbrecher mit Tode bestrafen, sein Hab' und Gut zerstückeln und unwiderruflich auf Jahrhunderte entreißen werde. 2) Die Nation, wie die Aebte wichen damals der vereinten Gewalt des Königs und des Erzbischofs, doch die Thüringer, bisher dem fränkischen Königshause ergeben, beschlossen, sobald die Gelegenheit sich biete, Rache zu nehmen. In Sachsen war die gleiche Stimmung bei Volk, wie bei Vornehmen. Zu wirklichen Gewaltthaten des Königs kamen noch Gerüchte, die, was er sprach und zu beginnen dachte, schnöder und schrecklicher ausmalten. 3) Kaum war noch ein

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1) Lamb. ad A. 1073. bei Krause pag. 85-88. VI. Idus Martii; Ann. Saxo ad sund. Ann. In media quadragesima.

2) Lamb. a. a. O. Rex sub attestatione nominis divini affirmabat, se in eum, si quis id praesumpsisset, capitali sententia animadversurum, et omnia, quae ejus esset, usque internecionem dissipaturum, clademque ejus diei nultis postea seculis non abolendam.

3) S. Stenzel I. pag. 289. Dazu gehörten auch wohl die Frevel, welche die Besatzungen verübt haben sollen, nach Lamb. ad 1073. also geschildert: Omnia, quae in villis et agris erant, in dies eruptione facta diripiebant, tributa et vectigalia silvarum et amporum inportabilia exigebant, et plerumque sub praetextu decimarum totos simut greges abigebant, ipsos provinciales et plerosque ex his honesto loco natos, et re familiari florentissimos vilium mancipiorum ritu servire sibi cogebant, filias eorum et uxores, consciis et pene adspicientibus maritis, violabant, nonnullas etiam vi in castella sua raptas, et quanto tempore libido suggessisset, impudioissime habitas ad ultimum maritis cum ignominiosa exprobratione remittebant etc.

 

 

 

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9 Gervais, Geschichte der Pfalzgrafen von Sachsen.

 

einzelner Fürst, dem er nicht durch Entziehung von Lehnen, durch erniedrigende Worte und Kränkungen zu nahe getreten wäre. Laut klagten der Erzbischof Werner von Magdeburg, die Bischöfe Burkhard von Halberstadt, Eilbert von Minden, Benno von Meißen und andre Prälten, vor Allen aber die weltlichen Fürsten Otto, Hermann, Udo von der Nordmark, Eckbert von Meißen und Dedo von der Lausitz. Schon wankten auch andere Fürsten des Reiches, selbst ehemalige Freunde und nahe Verwandte des Kaisers, wie Hanno von Cöln und Rudolf von Schwaben, Heinrichs Schwager. Kein Reichsfürst war Heinrichs zuverlässiger Freund, und, die allein zu allen Zeiten ihm treu anhingen, die Reichsstädte, hat Heinrich IV. wie einst später die Hohenstaufen, nicht zu würdigen und zu nutzen verstanden, um die Macht der Fürsten und des Adels mit ihrer Hülfe zu brechen. Das Aufgebot Heinrichs zu einer allgemeinen Heerfahrt gegen die Polen (22. Aug. 1073) erregte den Argwohn der Sachsen, daß dieser Zug ihnen gelte. 1) Die genannten Fürsten traten zusammen, hielten geheime Zusammenkünfte und schwuren im äußersten Fall eher ihr Leben als ihre Freiheit zu opfern. Wohl erhielt der König von dieser Verschwörung Nachricht, doch anstatt die Unruhigen zu besänftigen oder gewaltsam aufzuhebem wählte er das Thörichtste, Spott und Verachtung. In der Pfalz zu Goslar, 2) wohin er auf Peter Pauls Tag die sächsischen

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1) Lamb. a. a. O. pag. 91.: Ut fama vulgatior postmodum loquebatur, sub occasione Polonorum volebat in Saxoniam exercitum ducere.

2) Oder vielleicht zu Werla vor der Stadt. S. Stenzel und in der Anmerk. 8. ad pag. 291. angegebenen Schriftsteller. Am ausführlichsten Hist. Sax. belli ap.Freher pag. 107. Er sagt ad Palatium primo diluculo congregantur. - Tota dies illa transit, - und zum Schluß: Quum jam nox facta fuisset, quidam de parasitis ejus egressus Principibus irrisorie dixit: Quamdiu ibi vellent expectare. quum Rex per alliam ianuam egressus ad urbem suam veloci cursu properaret; also war doch nicht in der Stadt, sondern in einem Palatium in der Nähe derselben die Versammlung; oder unter der urba sua ist, wie pag. 109., die Harzburg zu verstehen, alsdann kann Palatium auch das in Goslar selbst gewesen sein.

 

 

 

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10 Gervais, Geschichte der Pfalzgrafen von Sachsen.

 

Fürsten beschieden, ließ er dieselben im Vorgemache vom frühen Morgen bis in die Nacht harren, während er selber drinnen sich mit seinen Freunden am Brettspiel vergnügte, dann durch die entgegengesetzte Thür fortritt, und durch Hofleute spottend fragen ließ, warum sie noch warteten. Solche schimpfliche Behandlung gab den letzten Anstoß. Ganz Sachsen stand in Kriegsrüstung. Die Thüringer nahmen das Anerbieten eines Bündnisses freudig auf. Vergebens blieben nun Heinrichs Versuche, den Weg der Milde und Versöhnung einzuschlagen.

 

Zu den Theilnehmern der Verschwörung wider den König gehörte damals auch der Pfalzgraf Friedrich von Goseck. So lange Erzbischof Adalbert lebte, hatte auch Friedrich in Heinrichs Gunst gestanden; doch hatte er nie um des Kaisers Gunst gebuhlt, vielmehr trat er hemmend und mäßigend oftmals dem jungen Könige, wie seinem eignen Bruder und beider Anhängern entgegen, wenn seine amtliche Stellung oder seine Ueberzeugung es erheischte. -

 

Wie vormals Otto der Große und später Friedrich Barbarossa, suchte Heinrich III. die geistliche Gewalt der Bischöfe und Erzbischöfe zu nützen, um durch sie den eignen Thron zu befestigen. Vornehmlich in Sachsen war es ihm wünschenswerth, Männern, auf deren Ergebenheit er sich verlassen konnte, alle geistlichen Stühle zuzuwenden. Solcher Ergebenheit verdankte Adalbert das Erzbisthum Bremen; desgleichen Burchard von Halberstadt diese Diöcese. Burchard stammte aus einem bairischen Fürstengeschlechte ab, 1) und erwarb durch des Kaisers unmittelbare Huld

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1) Chron. Halberstad. apud Leibn. scpt. rer. Brunsw. tom. II. pag. 123. Hic igitur Borgardus ex altissimo Bavariae Principum sanguine originem ducens. in loco, qui Nappurg dicitur, felicissimae nativitatis auae exordium dedicavit.

 

 

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11 Gervais, Geschichte der Pfalzgrafen von Sachsen.

 

oder durch dessen Ansehn bei andern Fürsten viele Besitzungen 1) in Sachsen und Thüringen. Zu letztem gehörte der Hassegau, und der daran südlich gelegne Distrikt, die Grafschaft des Hauses Goseck. Seit ältesten Zeiten hatten in ganz Thüringen die Aebte von Fulda und Hersfeld das Diöcesanrecht geübt, und zwar in den genannten Grenzgauen die von Hersfeld. Deßhalb erhob sich, als der Bischof Burchard dieselben an sich reißen wollte, der Abt Meginher von Hersfeld mit bittern Klagen gegen denselben vor Kaiser und Papst. 2) Letzterer, Nikolaus II., ließ sich auch bewegen, drohende Briefe an den Bischof zu senden, 3) doch, da Burchard des Kaisers Gunst genoß, fruchteten Ermahnung und Drohung des Papstes wenig. Erst auf seinem Sterbebett soll der Bischof sein Unrecht erkannt, und die Stiftsgeistlichen gebeten haben, der Abtei Hersfeld das Ihre zurückzustellen. 4) Doch noch in den folgenden Jahrhunderten blieben die benannten Distrikte ein Zankapfel zwischen Halberstadt und Hersfeld. 5) An diesem Streit nahm Pfalzgraf Friedrich einen thätigen Antheil. Als Meginhard vergebens vor dem Richterstuhle Kaiser Heinrichs über Burchard Beschwerde geführt hatte, forderte er denselben kurz vor seinem Tode vor das Gericht Gottes in jener Welt. Friedrich war's, der diese Mahnung an Burchard überbrachte. 6)

 

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1) Ibid. Quoniam apud Imperatorem et Principes regni summa gloria et honore enituit, ecclesiam Halb. multis prediis et possessionibus, suarum instinctu petitionum, reverendus Imperator ampliavit. Doch werden pag. 124. nur genannt: comitatus istos in pagis Hardengowe, Derlangowe partimque Nordthuringen et Belchisheim.

2) S. Lamb. ad 1059. apud Krause pag. 19.

3) Ibid. pag. 18.

4) Ib. pag. 20.

5) S. v. Wersebe Vertheilung Thüringens Seite 38. und die dazu gehörigen Anmerk. 206. u. 216.

6) S. Lamb. Schaff. a. a. O. pag. 19.: antequam vita excederet, mendavit ei (Burchardo) per Fridericum, Palatinum eomitem, se quidem tanquam viribus imparem causa cadera, Deo tamen vires ad tuendam aequitatem non defuturas esse; proinde parati ambo essent, ut intra paucosdies ad tribunal aequissimi judicis Dei causam dicerent, victurum ibi esse, non qui plus posset, sed cujus causa justior esset.

 

 

 

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12 Gervais, Geschichte der Pfalzgrafen von Sachsen.

 

Sicher war der Pfalzgraf von Sachsen und Gaugraf in den streitigen Gegenden der Vereinigung letzterer mit dem Bisthum Halberstadt abgeneigt, sei's, weil er Burchard persönlich weniger zugethan war, als dem Hersfeldischen Abte oder weil er seinem eignen Bruder Adalbert von Bremen den Besitz des Klosters Goseck erhalten wollte, indem er dieß etwa als Bedingung stellte, unter welcher er die Sache des Klosters Hersfeld vertheidigen wollte. Auffallend bleibt immer, daß das Erzstift Bremen sich in so entlegenen Gegenden über ein Kloster Diöcesanrechte vorbehalten durfte, die entweder Halberstadt oder Hersfeld zugestanden hätten. Als Burchard zum Aufbau des Klosters die Grafen von Goseck antrieb, that er es wohl nicht ohne Eigennutz, nicht ohne Hoffnung eignen Gewinns. Von Freunden seines Gönners, des Kaisers, erwartete er, daß sie die neue Stiftung seiner kirchlichen Obhut anvertrauen würden. Daß diese Freunde ihn bald selbst in der Hofgunst ausstechen würden, hatte er nicht vorausgesehen. Nun mußte er geschehen lassen, was geschah. Dem Abte von Hersfeld geziemte noch weniger, Klage wegen des Klosters Goseck zu führenz seit Friedrich seine Sache gegen den Bischof von Halberstadt vertrat. Burchards Nachfolger, Bukko, 1) konnte die streitigen Distrikte schon nicht verlangen, weil Heinrich IV. sie ihm, seinem Gegner, nicht zuerkennen wollte, vielmehr den Aebten Ruthart und Hartwig von Hersfeld zugethan war. Heinrich V. zeigte vollends sich gegen die Ansprüche Halberstadts abgeneigt. 2)

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1) Chron. Halberstadt. pag. 125. Burchardus Secundus, qui et Bucco dictus est.

2) S. die Urk. von 1040. und 1069. bei Menk III. Urkundenbuch Nro. 52. u. 59., und die ohne Datum Nro. 64. Sie muß zwischen 1107 und 1109 ausgestellt sein, und ist nur ihrem Inhalte, nicht ihrer kaiserlichen Unterschrift nach ächt.

 

 

 

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13 Gervais. Geschichte der Pfalzgrafen von Sachsen.

 

In den Jahren, welche dem Aufstande der Sachsen wider Heinrich IV. vorausgingen, hatten die Aebte Ruthart und Hartwig von Hersfeld in dem Zehntenstreit noch ganz andre Beeinträchtigungen durch Mainz zu erdulden, wenn gleich dieses nie das Zehntenrecht in Thüringen dem Hersfelder und Fuldaischen Stift zu entreißen vermochte.

 

Diese Händel über den Zehnten mußten den Brüdern Adalbert und Friedrich schon darum zuwider sein, weil sie der Erzbischof Siegfried von Mainz angeregt hatte, der des Königs Gunst während Adalberts Verbannung vom Hofe zu erlangen wußte. Friedrich theilte wohl überdies nicht die Ansicht Heinrichs und seines eignen Bruders, die sächsischen Großen zu demüthigen, um dann das Land dem kaiserlichen Willen unmittelbar zu unterwerfen. Kaum sah er darin Gewinn seiner pfalzgräflichen Macht; denn nur den Herzögen und Fürsten Sachsens gegenüber hatte der Pfalzgraf als kaiserlicher Beamter und Vorsitzer des Reichsgerichts in seiner Provinz Wichtigkeit für das Reichsoberhaupt, wie für die Landesfürsten. 1) Weder wenn Sachsen dem kaiserlichen Arm sich ganz entzog, noch wenn der Kaiser als Herr des Landes gebot, behielt der Pfalzgraf einen bedeutsamen Wirkungskreis. Ein offner Krieg des Kaisers gegen die Fürsten drohte Eines oder das

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1) Nichts ruft besser die Vorstellung von der pfalzgräflichen Würde in ihrem ganzen Umfange zurück, als die Stelle in Aventini Annal. Bojorum lib. IV. Darum stehe sie hier nachträglich, da sie schon auf den ersten Blättern dieser Abhandlung einen Platz verdient hätte: Palatinus Vicem Caesaris praesidento sentui Principali defungebatur, fidem Imperatoris implorantibus aderat, jusque reddebat, fiscum Augusti, praeda salica, reitus regios procurabat, Caesarum censum exigebat. Nil citra ejus auctoritatem dici aut decernere aut statuere licebat. Einen solchen Wirkungskreis verlor Friedrich gewiß ungern; doch die Verhältnisse in Sachsen, die Willkür Heinrichs zwangen ihn endlich dazu.

 

 

 

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14 Gervais. Geschichte der Pfalzgrafen von Sachsen.

 

Andre herbeizuführen; und Friedrich hatte Ursache, diesen Krieg zu verhindern, wie sehr auch die Billungen ihm verhaßt sein mochten. Er hatte wohl an dem strengen Urtheilsspruche Theil, der in dem kaiserlichen Pfalzgericht über den Grafen Hermann, der das Gebiet des Erzbischofs von Bremen geplündert und verheert hatte, gefällt wurde. 1) Zu der Unterdrückung der Nation aber lieh Friedrich seinen Arm nicht; und das mochte ihm den Kaiser, der ihn sonst seinen lieben Getreuen genannt, entfremden, und selbst zwischen den Brüdern eine Spannung veranlaffen. 2) Indeß, so lange Adalbert lebte, bestand zwischen dem Kaiser und Friedrich äußerlich ein gutes Vernehmen, und Friedrich diente jenem mit gewohnter Treue.

 

Anders gestaltete sich sein Verhältniß zum Hofe, als Adalbert 1072 gestorben war. Die Männer, welche dieser aus der Gunst des Königs verdrängt hatte, kehrten nun an den Hof zurück. Anno von Chin zwar hatte sich unter dem Vorwande allzu vorgerückten Alters von den Staatsgeschäften entfernt, 3) gleichwohl bei günstiger Gelegenheit seine Herrschlust von Neuem gezeigt. Weil seine Strenge unbequem für den König war, hätte dieser ihn gern entlassen. Dagegen zog Heinrich den Erzbischof von Mainz an sich, und obgleich derselbe vor Kurzem mehrere sächsische und

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1) Adam Brem. IV. cap. 3. secunum judicium Palatii exilio relegatus Comes Hermannus etc.

2) Groß wurde diese, als der Erzbischof in all seinem Thun und Handeln schrankenlos sich zeigte, und auf FriedrichsAbmachung nicht achtete. S. Adam IV. cap. 18.

3) Lamb. ad. A. 1073. Coloniensis Archiep. offensus his, quae plurima praeter aequum et bonum fiebant in palatio, petiit a Rege, vacationem deinceps dari sibi a rerum publicarum administratione, causatus in senium iam vergentem aetatem, et laboriosis regni negotiis minus minusque in dies sufficientem. Der König ließ den strengen Sittenrichter gern von sich. Rex, tanquam severissimo paedagogo liberatus statim in omnia genera flagitiorum, ruptis omnibus modestiae et temperantiae frenis, praecipitem se dedit.

 

 

 

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15 Gervais, Geschichte der Pfalzgrafen von Sahsen.

 

andre Fürsten gegen den König aufgewiegelt hatte, war er doch leicht zu gewinnen durch das lockende Versprechen des Thüringer Zehnten, den Heinrich, wie wir gesehn, auf der Synode zu Erfurt durch sein königliches Machtwort ihm zuwandte.

 

Nicht Siegfrieds Ansehen bei Hofe, noch weniger sein Einfluß in Thüringen konnte Friedrich angenehm sein. Er hatte für seine eigne Gunst bei Heinrich, wie für seine thüringischen Verfügungen von Siegfried nichts Gutes zu erwarten. Bald zeigte sichs. Heinrich entzog dem Pfalzgrafen ein großes Lehn, das diefer von dem Kloster Hersfeld besessen, und die Veste Vockenrode, 1) worin. er kaiserliche Besatzung legen ließ. Vergebens bot der Beraubte dafür 100 Hufen Landes dem Kaiser. Dieser gab die Ländereien nicht heraus. 2) Wem anders konnte Friedrich die Ursache zu dieser ungnädigen, ja ungerechten Handlung beimessen, als dem Erzbischof von Mainz, der die Aebte von Hersfeld und Fulda, wie deren Lehnsträger und Freunde überall zu verkürzen und zu drücken suchte?

 

Solche persönliche Kränkung bestimmte Friedrich wohl von des Kaisers Partei zu der seiner Freunde überzutreten. Gerne nahmen diese ihn, obschon er kein eingeborner Sachse war, zum Genoffen auf, weil sie seinen Charakter ehrten, und sein Abfall ihnen um so wünschenswerther war, als seine Anhänglichkeit an den Kaiser diesem in Sachsen selbst einen festen Anhalt gegeben hätte. Mit den zu Goslar höhnisch verspotteten und darum so erbitterten sächsischen Fürsten begab sich Friedrich noch in derselben Nacht in eine

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1) Lamb. ad A. 1072. pag. 103. : Vokenroth Friderici Palatini comites fuerat, idqne ei rex quadam legum violentia eripuerat.

2) S. Hist. Sax. belli apud Freher pag. 108. : Fridericus comes Palatii conquestus est, quod beneficium, quod de Abbatia Heroldesfelde magnum habuerit, injusta sibi jussione Regis ablatum, centum mansis agrorum a Rege redimere volebat nec valebat. Ebenso Ann. Saxo ad 1073. pag. 507.

 

 

 

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16 Gervais, Geschichte der Pfalzgrafen von Sachsen.

 

Kirche, 1) und legte wie sie den Schwur ab, für die Vertheidigung und Befreiung des Landes gegen den König das Schwerdt zu ziehen.

 

Einige Zeit danach kamen die Verschwornen nebst einer Menge Edler, Ritter und Freier in Haldensleben zusammen. 2) Da noch nicht Alle von dem Grunde dieser Zusammenkunft genau unterrichtet waren, hielt Otto von Nordheim, das Haupt der Verschwörung, von einer Anhöhe herab eine Rede an die Versa'nmelten, setzte die Absicht, weshalb sie hieher berufen, ihnen aus einander, klagte über den Druck, die Ungerechtigkeit, die Schmach, welche sie Alle vom Könige erduldet hätten, und zeigte, welche größere Willkühr derselbe noch an den Sachsen ausüben werde, wenn die Burgen, die er nicht etwa an den Grenzen zum Schutz gegen äußere Feinde, sondern mitten im Lande zur Knechtschaft des Volkes erbauen lasse, erst alle fertig daständen. Daß es nicht zu diesem Aeußersten komme, müsse bei Zeiten abgewandt werden, ehe ihre Unthätigkeit und Gleichgültigkeit ihnen ewige Sklaverei herbeiführe. Nach Otto brachten auch die andern vom Könige Beleidigten und Beeinträchtigten ihre Beschwerden vor. Zuletzt schwuren Alle, die Bischöfe, so weit es ihr geistlich Amt gestatte, die Weltlichen ohne Vorbehalt, die Freiheit ihres Vaterlandes zu vertheidigen, und eher ihr Leben einzusetzen als ferner anzusehen, daß ein ungerechter grausamer König ihr Land plündre und plage. 3)

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1) Hist. Sax. belli pag. 107.: Eadem namque nocte Principes omnes parum pransi, cum singulis, quibus optime credebant, in unam ecclesiam, quum omnes ceteri jam dormirent, ex condicto convenerunt, ibique non paucis prius lachrymis effusis melius sibi fore mortem quamlibet pati quam talem vitam in tantis calamitatibus et contumeliis vivere dixerunt.

2) Hist. Sax. belli pag. 107. und das Chron. Magdeb. nennen den Ort Nokmeslovo, der Annal. Saxo aber Holeinesleve, was wohl Saldensleben ist.

3) Hist. Sax. belli pag. 108. Omnes ergo, qui ibi convenerant (convenerat autem maximus exercitus) sigillatim juraverunt, Episcopi quidem, ut quantum salvo ordine suo possent, totis viribus, ecclesiarum suarum necnon et totis Saxoniae libertatem contra omnes homines defenderent, Laici vero, ut quam diu viverent, libertatem suam non amitterent, terramque suam nullum deinceps praedari permitterent.

 

 

 

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17 Gervais, Geschichte der Pfalzgrafen von Sachsen.

 

und dem, was sie geschworen, folgte die That. Den Anfang machte Graf Hermann, der Billung, indem er seine Veste Lüneburg, die Heinrichs Willkühr ihm entrissen, bestürmte und die unvorbereitete Besatzung zwang, sich zu ergeben. 1) Ein Heer von 60000 Mann rückte gegen Goslar, wo Heinrich, nicht ahnend oder verachtend die Gefahr, verweilte. Die Sachsen wollten noch einmal durch Vorstellungen den König zu Recht und Pflicht zurück verweisen, und sprachen zu ihm in einem freimüthigen, bestimmten, ja fast strengen Ton. 2) Der König ward anfangs davon bewegt, doch als seine Umgebungen meinten, der Zorn der Sachsen werde vor den Schrecken des Krieges sich bald legen, fanden Stolz und Leichtsinn in seiner Seele wieder Raum. Er antwortete den Abgesandten der Sachsen mit allgemeinen, nichtssagenden Versprechungen, ja mit Verachtung und Spott. 3) Nun glaubten, die Verschwornen alles Schuldige gethan zu haben und mit der Waffe in der Hand den König züchtigen zu können. Kaum

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1) Lamb. ad 1073. pag. 492. Die Hist. Sax. belli pag. 106. u. 107. erzählt dieß zwar schon vor der Verschwörung, doch wohl nur, weil sie Frevel und Strafen Heinrichs gleich verbindet, die Befreiung des Herzogs erfolgte nach der Verschwörung.

2) S. diese Unterhandlungen bei Bruno in hist. Sax. belli pag. 109. Doch sind die darauf folgenden Begebenheiten zu allgemein und zu rasch auf einander folgend berichtet; darum Lambert u. a. Chronisten darin zu folgen ist. S. Lamb. ad 1073. pag. 93: Rede der Sachsen und Gegenrede Heinrichs.

3) Lamb. über eine frühere Antwort: Ad haec fertur rex atrox nimis dedisse responsum. - - Et vox acerbe prolata, acerbius est accepta, magnumque odii seminarium irarumque fomitem ministravit. Die im Text gemeinte steht pag. 96.

V. Bd. 1. Heft.

 

 

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18 Gervais, Geschichte der Pfalzgrafen von Sachsen.

 

entfloh dieser nach der Harzburg, knüpfte nun seinerseits Unterhandlungen an, versprach einen allgemeinen Reichstag; doch die Sachsen machten zur ersten Bedingunge Zerstörung der verderblichen Burgen, und Genugthuung nach ihrem Rechte 1) für Alle, denen er Güter entrissen hatte. Dazu wollte und konnte Heinrich, Empörern gegenüber sich nicht verstehen, doch hartbedrängt willigte er scheinbar in die Forderungen, um die Belagerer sicher zu machen. Bald entfloh er mit wenigen Getreuen, den Reichskleinodien und einem Theil der Schätze. Nach dreitägiger mühseliger Flucht 2) langte er am 4ten Tage in Hersfeld an, wo er Befehl gab, gegen die gefangne lüneburgische Befatzung den Herzog Magnus auszuliefern. 3) Magnus wurde mit größter Freude von den Sachsen empfangen. 4) Doch, daß der König entkommen, verdroß sie sehr, denn nun sahen sie einem großen Kriege entgegen. Sogleich rüsteten sie aus allen Kräften ein neues Heer aus, und sahen sich bei den Thüringern nach Hülfe um. Gern boten diese die Hand; zu Triteburg bei Tennstädt ward ein Schutz- und Trutzbündniß von beiden Völkern beschworen. 5) Den alten Nationalhaß brachte die gemeinschaftliche Noth zum Schweigen. Vergeblich suchte der König die Thüringer von der Verbindung abzuhalten. Seine Gefandten wurden mit Schmähungen abgewiesen und kaum das Volk von thätlichen Verunglimpfungen

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1) Lamb. pag. 95. secundum principum suorum jurisdictionem.

2) Lamb. page 100. beschreibt sie sehr gefährlich und mühselig.

3) Nach langem Deliberiren in Assumtione sanctae Mariae. Lamb. pag. 105.

4) Hist. Sax. belli 107. führt dieß unrichtig vor den Feindseligkeiten der Sachsen an. Lambert und Andere nach Ausbruch des Aufstandes.

5) Hist. Sax. belli 109. ipsos in suam societatem sacramentis datis et acceptis adjunxerunt. Lamb. ad 1073. pag. 102. Thuringi, celeberrimo conventu habito in loco, qui dicitur Triteburc, ubi legationem Saxonum audierunt, promtissime assensi sunt, nec ulla unquam legatio laetioribus acclamationibus excepta est. Anders der Gesandtschaft Heinrichs pag. 103.

 

 

 

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19 Gervais, Geschichte der Pfalzgrafen von Sachsen.

 

derselben abgehalten. Am härtesten fühlten den Zorn der empörten Nation die Besatzungen in den kaiserlichen Schlössern Sachsens und Thüringens.

 

Der Pfalzgraf Friedrich bewährte sich in diesen Bürgerkriegen als ein eifriger Anhänger der Sache, die er einmal als Feind des Kaisers zu der seinen gemacht hatte. Als sächsischer Reichsfürst und als im Thüringerlande begüterter Graf vermochte er am Besten das Band zwischen Thüringern und Sachsen zu befestigen, und ihm folgten beide Völker gleich bereitwillig. Ihm ward also die Anführung der Thüringer von den verschwornen Fürsten anvertraut. Gleich nach dem Tage zu Triteburg brach er mit seinem Heere 1) nach den Harzgegenden auf, und bestürmte die Heimburg 2) bei Reinstein und Blankenburg. Die kaiserliche Besatzung schlug zwar den ersten Angriff tapfer zurück; doch Friedrich kannte ein andres, hier, wie so oft, wirksameres Mittel als Gewalt. Geld und Versprechungen lockten erst die Führer, dann die Besatzung selbst. Nachdem sie die Veste übergeben, entließ Friedrich sie ungestraft, entweder weil er sein Versprechen heilig achtete, oder um dem Könige zu zeigen, daß er nicht aus Haß gegen ihn, sondern nur aus Abscheu gegen Unrecht und Willkühr die

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1) Anonymus de Henrici bello contra Sax. lib. I. apud Goldast. Apolog. pro Henrico IV. pag. 22., giebt die Zahl erst auf 3000, dann auf 6000 an. Man muß bedenken, daß er sehr eifrig Partei nimmt für, wie Bruno gegen Heinrich. Ein Historiker hat beide Quellen mit größter Vorsicht zu gebrauchen.

2) So Lamb. ad 1073. pag. 105. Anonymus a. a. O. hat Henneberg. Aus dieses Schriftstellers Versen erfahren wir, daß Friedrich der Anführer war. Lambert hat den kurzen Bericht: Thuringi, conglobata ex vicinis locis multitudine, Heimenburg castellum obsederunt, paucisque diebus vi et armis oppugnatum ceperunt atque succenderunt. Eos, qui intus erant, castello everso dimiserunt impunitos, ut scilicet se probarent non hostili odio adversus regem arma sumsisse, sed tantum ut injurias propulsarent. So dachte nicht der Haufe, wohl aber sein Führer konnte so gesinnt sein.

 

 

 

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20 Gervais, Geschichte der Pfalzgrafen von Sachsen.

 

Waffen ergriffen habe. Darauf legte sich der Pfalzgraf vor Asseburg. Dieses Schloß - nicht das bei Homburg unfern der Ocker, in einer der reizendsten Gegenden Braunschweigs, dessen Trümmer noch heute auf einer steilen Anhöhe emporragen, sondern in Thüringen 1) gelegen - war nicht so leicht zu gewinnen. Die Lage machte es der Gewalt unzugänglich, und die Besatzung bewährte ihrem König Treue, und war entschlossen, sich aufs Aeußerste zu vertheidigen. Den Thüringern blieb Nichts übrig, als jeden Ausweg sperrend durch Aushungern die hartnäckigen Gegner zur Uebergabe zu zwingen. Das Hauptheer der Sachsen lagerte sich unterdeß um andre kaiserliche Burgen. 2) Zwanzig tausend Mann hielten noch immer die Harzburg, die festeste und gefährlichste von allen, umringt. Doch hielt sich die 300 Mann starke Besatzung mit unerschrocknem Muthe gegen jene Uebermacht, und hoffte, der König werde zum Entsatz heranziehn. Dieser war auch unterdeffen nicht unthätig gewesen. Viele Bischöfe und weltliche Fürsten hatten, dem Aufgebot zu dem Polenzuge Folge leistend, ihre Heeresmacht herangeführt und bei Hersfeld sich gelagert. Der Herzog Rudolph von Schwaben aber, der längst schon mit den Sachsen im geheimen Bündniß gestanden, 3) lagerte mit vielen schwäbischen, bairischen und rheinländischen Bischöfen bei Mainz, und ließ sich erst

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1) S. Lamb. ad A. 1075. pag. 189. In Thuringia cast. Asenberg. [Wahrscheinlich die Hasenburg bei Groß-Bodungen, vgl. N. Mitth. Bd. III. Hft. 4. S. 154 ff. d. Red.]

2) Lamb. pag. 103. macht nur Hartespurg, Wigantenstein, Moseburg, Sassenstein, Spatenberg, Heimenburg, Asenberg, die zwei geraubten Vokenroht und Lüneburg als fertig dastehende namhaft. Alia praetar haec quam plurima exstruere agressus fuerat (scil. Henricus), sed eum ab incepto repente oborta bellorum tempestas revocavit.

3) Lamb. pag. 100. Plerique jactitabant, eum conjurationis hujus conscium participemque extitisse, ideoque tam lento gradu ad militiam procedere.

 

 

 

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21 Gervais, Geschichte der Pfalzgrafen von Sachsen.

 

durch nachdrückliche Aufforderung des Königs und der um diesen versammelten Fürsten bewegen, nach Kapell 1) bei Hersfeld zu kommen. Hier demüthigte der vorhin so stolze Heinrich sich so sehr vor den Anwesenden, daß er unter Klagen und Thränen sie beschwor, ihm ihren Beistand in seiner unglücklichen Lage nicht zu entziehen. Die Fürsten wurden von dieser Umwandlung irdischer Herrlichkeit bewegt, doch hielten die Meisten augenblickliche Abhülfe für unthunlich. Zu Breitenbach 2) an der Fulda sollte auf ein allgemeines Aufgebot eine Woche nach Michaelis 1073 ein neues Heer sich versammeln. Nichts ließ der König unversucht, um die treuen Städte am Rhein, die er früher vernachlässigte, enger an sich zu ketten, wankende Freunde wieder zu gewinnen, neue durch Versprechungen zu Abhülfe seiner Bedrängniß zu bewegen. Weil aber die Sachsen unterdeß viele Burgen erobert, alle Unterhandlungen mit einzelnen sächsischen Fürsten oder mit dem gesammten Volke keinen Erfolg versprachen, Heinrich auch vergeblich die Luitizen gegen seine Feinde aufgeboten. 3) so blieb ihm Nichts übrig, als den Forderungen der Sachsen für jetzt ein günstig Ohr zu leihen. Durch Vermittelung Annos von Cöln und Siegfrieds von Mainz kam am 20. Oktbr. zu Gerstungen an der Werra eine Unterhandlung zu Stande. Dort aber verriethen den König seine eignen Vermittler. 4)

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1) Lamb. pag. 101. in villa, quae dicitur Capella, haud procul ab Herveldia.

2) Ann. Saxo a. a. O. apud oppidum Bacham. Nicht Breitingen an der Werra, wie man aus Lamberts Bredigen geschlossen. S. Wenk Hess. Landes-Gesch. III. S. über Hs. Bemühungen Hist Sax. belli pag. 109. Lamb. pag. 102.

3) Zu diesen schickten auch die Sachsen um Beistand bittend. Das veranlaßte Zwiespalt und innern Krieg, der die Kräfte der Luitizen zum Gewinne Deutschlands auf lange Zeit schwächte. S. Lambert pag. 107. Bruno S. 112.

4) Außer den zwei Erzbischöfen die Bischöfe von Metz und Bautberg, die Herzoge Rudolph von Schwaben, Berthold von Kärnthen, Gozrlo von Niederlothringen. Lamb. pag. 108-110.

 

 

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22 Gervais, Geschichte der Pfalzgrafen von Sachsen.

 

Anstatt die Sachsen zum Gehorsam zu ermahnen, verabredeten sie mit ihnen: Heinrich zu entsetzen und gemeinschaftlich einen neuen König zu erwählen. Während dieß ins Geheim berathen wurde, meldeten die Verräther dem Könige, der in Würzburg erwartungsvoll ihrer Rückkehr harrte, die Sachsen würden ihm und dem Reiche eine Genugthuung für ihr kühnes Unterfangen geben, wenn er Verzeihung ihres Vergehens und für die Folge Abstellung aller gemachten Beischwerden zusichre.

 

Damit die treulosenVerräther einen Grund zu öffentlichem Abfall und gerechter Klage fänden, ward ein früherer Vertrauter des Königs Regenger gewonnen, 1) der aussagen mußte, der König habe ihn überreden wollen, die Herzoge Rudolph von Schwaben und Berthold von Kärnthen meuchelmörderisch zu überfallen. In der That war der erstere Heinrichs gefährlichster Gegner. Schon damals gedachte man Rudolph zum König zu erheben. Scheinbar ablehnend schwur der Schlaue, daß er die Krone nicht annehmen werde, wofern nicht seine Wahl von allen Fürsten auf einer Reichsversammlung geschähe. Damit hatte er den Weg zu seinem Ziele angegeben. Doch zerstreute diesmal noch Heinrich die von Siegfried zur Wahl nach Mainz berufnen Fürsten, und als diese die unerschütterliche Anhänglichkeit der rheinischen Städte und mehrer Fürsten erkannten, ließen sie von ihrem Vorhaben ab, und gelobten bei einer Zusammenkunft mit Heinrich zu Oppenheim diesem Treue, wenn er von der Anschuldigung des Fürstenmordes sich reinige. 2) Das versprach Heinrich. Einer seiner Getreuen, Ulrich von Kosheim, wollte mit Regenger einen Gotteszweikampf bestehen. Da starb Regenger wenige Tage vor dem angesetzten Zweikampf in heftigem Anfall von Wahnsinn. 3)

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1) Lamb. pag. 110. Incertum, aliorum instinctu, an privato in eum odio suscitatus.

2) Lamb. p. 114.

3) Lamb. ad 1074. pag. 119. ante paucos dies ineundae congressionis, dirissimo daemone arreptus, horrenda morte interiit.

 

 

 

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23 Gervais, Geschichte der Pfalzgrafen von Sachsen.

 

Das erhob den König wieder in der Meinung der Völker eben so sehr, als es die abtrünnigen Fürsten herabwürdigte.

 

In Sachsen währte unterdessen das Belagern und Bedrängen der königlichen Burgen fort. Die Harzburg hielt sich tapfer; die Asseburg war von Friedrich von Goseck so hart eingeschlossen, daß auch nicht das Geringste hineingebracht werden konnte. Schon war der Winter bis gegen Weihnachten vorgeschritten, und weder zogen die Belagerer nach Hause, noch nahte die ersehnte Hülfe vom Könige. Boten waren wiederholt an Heinrich gesandt und hatten ihn beschworen, für Abhülfe zu sorgen und die Besatzung dem höchsten Elend zu entreißen. 1) Entweder Hungers zu sterben oder sich zu ergeben, sei die traurige Wahl die sie treffen müßte. Des Königs Herz war tief von dieser Nachricht erschüttert. Die Erfahrungen, welche er in Einem Jahre gemacht, hatten ihm den Werth wahrer Treue und kühner Ausdauer gezeigt, und ihn belehrt, auf wessen Ergebenheit er bauen, wie wenig er seinen nächsten Umgebungen vertrauen dürfe. In den Burgen Sachsens lagen seine wahren Freunde, aber von ihm getrennt, von Kriegsnoth bedrängt, nahe daran von überlegner Gewalt gezwungen ihm nicht ferner dienen zu können. Der traurigen Lage der Getreuen abzuhelfen versagten die, welche durch seine Gunft gestiegen, durch seine Freigebigkeit bereichert waren. Noch einmal wandte er sich an die Erzbischöfe von Cöln und Mainz, daß sie mit den Sachsen unterhandelten, zu Aufhebung der Belagerungen, wenigstens zu kurzem Waffenstillstand sie überredeten. Siegfried und Anno erfüllten Heinrichs Auftrag nur mit Widerstreben. 2) Einerseits erkannten sie, daß die Sachsen von unnachgiebiger unbeugsamer Gesinnung seien, andrerseits fürchteten sie für sich selber, daß sie den Sachsen und Thüringern so zweideutig erscheinen

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1) Lamb. ad 1073. pag. 116.

2) Lamb. ad 1073. pag. 117. quia molestus eis erat.

 

 

 

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24 Gervais. Geschichte der Pfalzgrafen von Sachsen.

 

möchten wie dem Könige; denn im Geheimen hielten sie's mit den Rebellen, wenn Siegfried auch seine Hoffnung, die Thüringer zur Entrichtung des Zehnten zu bewegen, noch immer unerfüllt sah. 1)

 

In der That hatten die Unterhandlungen zu Korvei bei den Sachsen keinen Erfolg. Die heftigsten Vorwürfe trafen den König, mehr noch die beiden Prälaten, die durch nutzloses Unterhandeln und zweideutiges Betragen sie hinhielten und dadurch des Königs Trotz erhöhten. 2) Alles, was die Vermittler durch Hülfe der Gemäßigteren unter den Sachsen erlangten, war die Feststellung eines neuen Tages zu Fritzlar. 3) Die Belagerungen der Burgen wurden aber nicht unterbrochen. Drei Tage nach der Unterredung zu Korvei mußte, von der höchsten Hungersnoth gepeinigt, die Besatzung der Assehurg sich ergeben. Auch dießmal übte Pfalzgraf Philipp keine Rache an des Königs Söldnern und Diestmannen. 4) Er begnügte sich die Veste niederzubrennen. Darauf lagerte er mit den Thüringern vor Spatenberg an der Wipper. Wenige Tage vorher hatte man auch angefangen, Vockenrode, die dem Pfalzgrafen entrissene Burg, zwischen Eschwege und Kreutzburg unfern der Werra gelegen, einzuschließen. Schon seit dem Ausbruche des Krieges hielt sich hier die Königin Bertha auf, ihrer Niederkunft entgegensehend. Jetzt gab Heinrich dem Abte Hartwig von Hersfeld den Auftrag, die Hochschwangere aus der belagerten Burg nach Hersfeld zu geleiten.

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1) Lamb. a. a. O. Hoc anno, post exortum bellum Saxonicum, nulla deinceps exactio facta est decimarum in Thuringia, gaudentibus Thuringis.

2) Lamb. pag. 118.

3) Lamb. a. a. O. ut proxima hebdomada post Purificationem S. Mariae Friteslar convenirent.

4) Lamb. pag. 118. Thuringi tertia dehinc die eos, qui in Asenberg erant, inedia expugnatos in deditionem acceperunt, impunitosque dimiserunt; castellum succenderunt, statimque alii castello, quod Spatenberg dicebatur, exercitum admoverunt.

 

 

 

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25 Gervais, Geschichte der Pfalzgrafen von Sachsen.

 

Schon aber waren alle Ausgänge von den Feinden besetzt, nicht Gewalt noch List, nur Unterhandlung und Nachgiebigkeit der Belagerer konnte des Königs Bitte erfüllen lassen. Abermals zeigten die Thüringer sich ohne Zorn und Rachlust. Der Königin ward der Abzug nach Hersfeld ohne Behinderung gestattet. 1) Heinrich, nun selbst argwöhnisch, ob seine Unterhändler bei den Sachsen den Frieden vermittelten, und in der Furcht noch mehrere Burgen zu verlieren, bot im Winter 1073 auf 1074 Alles auf, ein Heer zusammenzubringen. Alle Fürsten und Prälaten wurden dazu aufgefordert, hier mit Strenge ermahnt, dort inständigst gebeten, hier durch Versprechungen gelockt, dort durch Mitleiden zum König bewogen. 2) Doch mehr als Rath und Vermittelung konnte Heinrich nicht erlangen. Noch einmal ward zu Gerstungen unterhandelt. Der König und die Fürsten kamen an die Grenze von Thüringen, ihnen gegenüber lagerten doppelt so stark 3) mit einer Macht von 40000 Mann die Sachsen. Zum Frieden zeigten sich diese sehr bereit, aber eben so hart bestanden sie auf die frühern Bedingungen desselben. Sie lauteten: 4) Zerstörung aller Burgen; Rückgabe aller eingezognen Erbgüter und Lehne an die Fürsten; Vergessen und Vergeben für alle, die während des Krieges vom Könige abgefallen; Erhaltung der alten Rechte und Freiheiten; nicht fortwährender

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1) Lamb. ad 1074. pag. 119.

2) Lamb. ad 1074. pag. 120.

3) Wenn dieß nicht übertrieben ist. Hist. Sax. belli pag. 110.: Erat autem Saxonum tam magnus exercitus, ut duplo crederetur esse major quam Regis exercitus. Lamb. p. 121. hat ad XL millia.

4) Hist. Sax. belli pag. 110. hat etwas abweichend vom Texte, wo ich Lambert gefolgt, die Antwort der sächs. Fürsten: Castella sua destrueret, nec ulterius ea restauraret, depraedationes amplius in sua terra nullas efficeret, in Saxonia Saxonum consilio cuncta disponenda disponeret, nullumque extraneae gentis hominem suis rebus agendis consiliatorem admitteret, et hanc sui expulsionem nunquam in aliquo vindicaret. Bei Lamb. pag. 122. u. 123.

 

 

 

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26 Gervais, Geschichte der Pfalzgrafen von Sachsen.

 

Aufenthalt in Goslar, sondern Wechsel desselben durch alle Provinzen des Reichs.

 

Wie sehr sich auch Heinrichs Stolz wider solche Demüthigung sträubte, er hatte von seinen Freunden keine Hülfe, von seinen Feinden keine Schonung zu erwarten. Darum schwor er, alle Bedingungen zu erfüllen. Auch die Sachsen schworen Treue, doch machten sie den Zufatz: Wenn der König je den Frieden, oder eine von dessen Bedingungen widerriefe, so sollten alle Völker und Fürsten die Waffen wider ihn ergreifen und ihn entthronen. 1)

 

Auch nach Spatenberg und Vockenrode kam die Friedensnachricht. Die Belagerungen wurden aufgehoben, die Besatzungen verzehrten ihre Vorräthe, zogen dann ungekränkt ab, worauf die Sachsen und Thüringer die Veste in Brand steckten. Zu Goslar beschenkte Heinrich noch die tapfern Vertheidiger der Harzburg. die einer vielfach überlegnen Macht mit allen Proben von Muth und List Widerstand geleistet hatten, 2) und jetzt selbst noch unwillig über Heinrichs Nachgiebigkeit waren. Ihre Worte weckten alte Empfindungen in Heinrichs Brust, nur die dringendste Nothwendigkeit, in welcher Feinde und Freunde ihn erhielten, zwangen den König, auf günstigere Zeiten die Ausführung seiner Pläne zu verschieben. Die Burgen sanken in Trümmer und Asche. Vergeblich hoffte Heinrich seine geliebte Harzburg zu erhalten, und nur die Brustwehren abnehmen zu lassen. 3) Alle Vestungswerke mußten

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1) Nach Lamb. a. a. O. pag. 123–25. Vergl. Stenzel I. Seite 306 ff. Dagegen durften die Sachsen dem Könige keinen Anlaß zum Kriege geben, wie aus den Entschuldigungen der Fürsten wegen der zerstörten Harzburg u. aus d. Bemerk. d. Erzb. y. Magdeburg (hist. Sax. belli pag. 113 u. 114.) hervorgeht.

2) S., wenn auch poetisch ausgeschmückt, doch in Thatsachen wohl historisch glaubwürdig, Anonymus de bello Sax. Ende von lib. I. und lib. II.

3) Hist. Sax. belli pag. 111. Nam quibusdam de suis antiquis familiaribus occulte praecepit, ut ejus tantum propugnaculum summatim deponerent. Vergl. Lamb. pag. 129.

 

 

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27 Gervais, Geschichte der Pfalzgrafen von Sachsen.

 

zerstört werden. Kaum hatte Heinrich, des verhaßten Krieges sattt, sich von Goslar nach seinem treuen Worms, begeben. fo brannten die wüthenden Umwohner der Harzburg auch das Kloster und die Kirche, die auf dem Berge standen, nieder, aus Furcht, sie könnten dem Könige einen Vorwand zu neuen Vertheidigungswerken geben. 1) Dieß war ohne Mitwissen, ja entschieden gegen den Willen der Fürsten geschehen, denn nun hatte Heinrich über Verletzung des Gerstunger Friedens zu klagen Grund erhalten. Vergebens bestraften die Fürsten mit aller Strenge die Thäter, vergebens suchten sie Heinrich zu besänftigen. Dieser schalt die Sachsen treulos, wortbrüchig, drohte nicht blos mit weltlicher Züchtigung, sondern auch die Kirchengesetze wider sie anzurufen. Sogleich schickte er Gesandte, an Gegor VII. und rief den päpstlichen Bannstrahl wider diejenigen auf, welche Kirchen verbrannt, Altäre zerbrochen, Gräber der Todten entweiht und grausamer Weise ihren Haß wider ihn den Lebenden an den Gebeinen seines Bruders und Sohnes, die auf der Harzburg begraben waren, aus gelassen hätten. 2)

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1) Hist. Sax. b. Regalia aedificia regali sumptu per multos annos constructa brevi tempore destruunt et in tantis moenibus nec fundamenta non eruta relinquunt. - Monasterium laborioso, opere perfectum dejiciunt usque ad fundamentum, totum thesaurum ibi congestum, sive Regis esset, sive Ecclesiae, diripiunt, campanas dulcisonas confringunt, filium Regis et fratrem quos ibi posuerat, effodiunt, ossaque eorum velut quaslibet immunditias dispergunt, et nihil penitus ejus loci permanere permittunt. Sollte darüber nicht der König vor den Fürsten Klagen erheben? Er thats, wenn auch gewiß nicht auf so herabwürdigende Art, wie Bruno pag. 111 u. 12, erzählt. Lamb. pag. 130. drückt das Bewußtsein der Schuld, welches die Fürsten befiel, unverhohlen aus: Rumor admissi facinoris grandi eos formidine pereculit, ne rex tanta injuria exacerbatus causaretur, ab ipsis foedus esse violatum.

2) Lamb. 130 u. 131.

 

 

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28 Gervais, Geschichte der Pfalzgrafen von Sachsen.

 

Heinrich glaubte, der rechte Zeitpunkt, an den Sachsen sich zu rächen und sie zu demüthigen, sei gekommen. Gern hätte er sogleich sein Herz befriedigt, doch erforderten blutige Unruhen in Cöln, und Vorfälle in Ungarn, die seinen Schwager König Salome des Reiches beraubten, seine Gegenwart bald im Westen bald im Osten. 1) Dort bewies der König sich milde, ja nachgiebig gegen Anno, den ihm längst verhaßten Erzbischof, obwohl Grund genug vorhanden war, diesen zu strafen, ja zu entsetzen; auch in Ungarn ließ sein stolzes Herz, obschon durch einen gänzlich mißlungnen Zug 2) verletzt, gleichwohl die Rache fahren; Beides, weil der Haß gegen die Sachsen ihn mehr bewegte als der Unwille gegen Anno und die erlittne Niederlage in Ungarn.

 

Eifrig, wenn auch ganz geheim 3) betrieb Heinrich die Vorbereitungen, um die verhaßte Nation gänzlich zu verderben. Kein Mittel, kein Weg blieb unversucht, und belehrt durch den unglücklichen ersten Krieg, ging er ganz anders als damals zu Werke, wo im Vertrauen auf seine festen Schlösser und auf - freilich sehr unzuverlässige - Freunde er spottend und verhöhnend den sächsischen Fürsten, allen Großen begegnet war. Nicht noch einmal wollte er demüthig bittend die Hülfe der Fürsten suchen, nicht noch einmal vorgeschriebnen Bedingungen von Rebellen sich unterwerfen. Der kaum 25jährige Jüngling entwickelte jetzt einen bewundernswürdigen Scharfblick, wahre Freunde zu

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1) S. Lamb. 131 u. 141.

2) Die Fürsten hatten dazu ihre Hülfe unter allerlei Entschuldigungen abgeschlagen, und Heinrichs eigne Hausmacht war zu klein und nicht mit dem Nöthigen versehen. S. Lamb. pag. 145.

3) Sed haec omnia occulta erant adhuc. Quod si quis suum jurabat adjutorium, jurare cogebatur ejusdem fidele silentium, sagt Bruno in s. hist. Sax. belli apud Freher pag. 213. S. ausführlicher über Heinrichs Verfahren, um die Fürsten zum Sachsenkrieg zu überreden, Lamb. pag. 148 u. 149. Saxo Ann. ad 1075. apud Eccard I. pag. 517.

 

 

 

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29 Gervais, Geschichte der Pfalzgrafen von Sachsen.

 

erkennen und an sich zu fesseln, eine Schlauheit und Gewandtheit, die Unzuverlässigsten in seinem Interesse festzuhalten, einen reichen Vorrath von Hülfsmitteln die Feinde zu schwächen und zu trennen. Freilich kamen ihm günstige Verhältnisse zu statten, die er nur klug zu benutzen brauchte. Rudolph von Schwaben zürnte den Sachsen. daß sie sein Streben nach der Krone durch ihren Separatfrieden zu Gerstungen vereitelt. 1) Siegfried war erbittert über die Thüringer, welche die Zehnten zu entrichten sich nach wie vor weigerten. Herzog Welf mußte sich ganz an den König schließen, wenn dieser nicht Otto das Herzogthum Baiern wiedergeben sollte. Diese drei falschen und doch Alles in Reichssachen entscheidenden Fürsten machte zuerst Heinrich sich verbindlich. Der schlaue Kunstgriff, dem Papste scheinbar die Züchtigung der Sachsen zu überlassen, gewann ihm die strengen Kirchenfürsten. Er gestattete dem Erzbischof Siegfried sogar auf der Synode zu Erfurt (im Oktober 1074), das Cölibat Gregors den Geistlichen und allem Volke zu verkünden, wohl wissend, daß Siegfried sich dadurch den Thüringern noch verhaßter machen werde. Der Erzbischof Anno sah zwar seinen eignen Bruder, den Erzbischof Werner von Magdeburg, durch den König

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1) Hist. Sax. belli pag. 110. Suevorum, qui foederis jam pridem cum Saxonibus facti memores cum Rege contra Saxones venire noluerant, ipsi Saxones, dum foedus cum Rege facerent, fuerunt obliti, et ob hoc illis Suevi facti sunt ex amicis fidelibus hostes atrocissimi. Daß dieß nicht von der Nation, sondern dem Herzog Rudolph ausging, sagt Bruno pag. 112.: Ille enim a Saxonibus, quorum confidebat auxilio, deceptus Regi, quomodo poterat, reconciliatur, et ei primus se cum suis omnibus Saxones hostiliter invasurum pollicetur. Und pag. 115. Dux Suevorum Rudolfus, foederis a Saxonibus cum Rege subito compositi non oblitus, Regem quatenus injuriam cum Deo tum sibi suisque Principibus universis contumeliose factam non sine vindicta dimitteret, instigavit, et ei se cum tota virtute, quam posset habere, promisit. Ann. Sax. a. a. O.

 

 

 

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30 Gervais, Geschichte der Pfalzgrafen von Sachsen.

 

bedroht, 1) gleichwohl konnte er, der sich kaum nur von harten Vorwürfen der Kölner Bürger gereinigt, keiner andern Partei als der Heinrichs sich anschließen. Trauen aber mochte der König Keinem der Genannten; nur um ihrem Abfall zu den Sachsen vorzubeugen, erschien er Allen freundlich gesinnt und forderte ihnen klug den Eid ab, ohne sein Mitwissen weder geheim noch öffentlich von den Sachsen Gesandschaften anzunehmen, denselben weder mit Waffen noch mit Rath Beistand zu leisten; auch nicht mit Bitten sich bei ihm für sie verwenden zu wollen, ehe er selbst eingestanden, daß ihm für die empfangenen Beleidigungen die verlangte Genugthuung geworden.

 

Was Heinrich bei sich beschlossen, ahnten die sächsischen Fürsten, die sich keiner Schuld bewußt fühlten, lange Zeit nicht. Denn seit dem Gerstunger Frieden empfing er die Hohen ehrenvoll, die Niedern freundlich, gab auch den Abwesenden wichtige Aufträge, wußte die Thüringer mit den Sachsen, die Fürsten unter sich, die Vasallen mit ihren Herren zu entzweien. 2) So gewann er in beiden Provinzen selbst einen großen Anhang. Die Meißner und Westphalen traten sämmtlich auf seine Seite, 3) von den

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1) Heinrich wandte vergebens Alles an, Werner zu gewinnen. Hist. Sax. belli pag. 113. Rex Archiepiscopo Magd. suam gratiam mandavit. Freilich hatte er zuvor einen Versuch gemacht, ihn zu vergiften, wenn Brunos Bericht pag. 113. kein Gerücht oder Lüge ist. Auch Ann. Saxo pag. 512. erzählt die Hinterlist.

2) Hist. Sax. belli pag. 112 und 113. schließt diese geheimen Intriguen, die gehässig genug geschildert sind, mit den Worten: Inde factum est, ut in nostra parte pater, in adversa filius esset, hiac frater unus, illinc staret alius. Multi etiam de majoribus, qui bona in utrisque regionibus habebant, ut utraque servarent, sponte sua hic relicto filio seu fratre ad Regem transibant, vel ipsi hic remanentes fratres rel filios ad Regem transmittebant. - Etiam famulos ad se vocatos non dedignatur orare, ut vel interficiendo vel deserendo dominos mererentur libertate donari, vel etiam domini dominorum suorum fieri.

3) Hist. Sax. belli a. a. O. Ann. Saxo pag. 513.

 

 

 

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31 Gervais, Geschichte der Pfalzgrafen von Sachsen.

 

sächsischen Bischöfen blieben allein seine Gegner die von Magdeburg, Halberstadt, Merseburg und Paderborn. Markgraf Dedo von Lausitz, früher einer der heftigsten Gegner, wurde gleichfalls durch Gunstbezeugungen vom Könige gewonnen. So stand von den frühern Feinden kaum mehr ein Drittel Heinrich gegenüber, und selbst diese Zahl hätte er vermindern können, wenn er Gewisse nicht eben zum Verderben auserkoren, denen andre sächsische Fürsten dann lieber mit Treue anhangen wollten als einem Könige, der ihre Nationalfreiheit zu vernichten trachtete. Doch auch diese ließen nichts unversucht, des Königs Zorn wegen Zerstörung der Harzburg zu besänftigen, und mit wiederholten Betheurungen ihre Unschuld zu beweisen. Schnöde wies Heinrich ihre Gesandschaften, ja viele Fürsten selbst, die ihn zur Osterfeier (1075) in Worms begrüßen wollten, zurück, ließ laut durch das ganze Reich eine Heerfahrt wider die rebellischen Sachsen verkünden, und zum 8. Juni nach Breitenbach an der Fulda entbieten. 1) Jetzt wurden als die Schuldigen, welche das leichtsinnige Volk aufgereizt, Bischof Buko von Halberstadt, die Herzoge Otto und Magnus, der Pfalzgraf Friedrich und einige andre bezeichnet. 2) Um sie von allen Genossen zu trennen, ließ Heinrich den in Goslar versammelten sächsischen Fürsten verkünden, gegen wen sein königliches Strafgericht mit unerbittlicher Strenge vollführt werden solle. Allen Andern biete er Verzeihung für das, was sie ihm Böses zugefügt; doch könnten sie seine Gnade nur erlangen, wenn sie die Verbrecher weder

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1) Lamb. pag. 157 u. 58. locum statuit coadunandi exercitus videlicet VI Idus Junii in possessione Herveldensis monasterii in loco, qui dicitur Bredingen.

2) Dem Erzbischof von Magdeburg, den er schon wegen seines Bruders Anno von Cöln zu gewinnen suchte, versprach er Gnade und Gunst: si sibi Burchardum Halberstadensem Episcopum, Ottonem Ducem, Fridericum praefectum Palatii cum ceteris, quos adhuc quaereret traderet. Hist. Sax. belli pag. 115. Ann. Saxo ad 1075. pag. 517.

 

 

 

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32 Gervais, Geschichte der Pfalzgrafen von Sachsen.

 

mit Rath noch mit That unterstützten, und, böte sich dazu Gelegenheit, jene zu gerechter Züchtigung ihm auslieferten. Die Sachsen antworteten würdig und gemäßigt, die Angeklagten erboten sich vor einem Gerichtshofe des Kaisers 1) zu erscheinen, und deffen Urtheilsspruche, auch dem härtesten, sich zu unterwerfen, wenn Sachsen nur vom Kriege verschont bliebe. Sämmtliche Fürsten versprachen alle Schuldigen auszuliefern, die dem Könige Genugthuung verweigern möchten; wofern aber aus Privathaß der König Unschuldige verfolge, wollten sie diese nicht verlassen, sondern mit ihnen gemeinschaftlich gegen Willkühr und Unrecht für die Freiheit ihres Vaterlandes die Waffen ergreifen. Der König ließ die, welche die Antwort der Sachsen brachten, nicht vor sich. Vergeblich waren auch die Gesandschaften, welche die Herzoge Rudolph, Berthold und Gozelo um Beistand beschwören, um Vermittelung und Fürsprache beim Könige bitten sollten. Krieg und Verderben war den Sachsen unabwendbar bereitet. 2)

 

Daß Pfalzgraf Friedrich zu denen gehörte, die des Königs Zorn vornehmlich auf sich geladen, ist aus seiner Stellung als Pfalzgraf von Sachsen erklärlich. Heinrich III. hatte ihm, wie seinem Bruder Dedo, dieses Amt übertragen, in der festen Hoffnung, er werde durch seine treue Ergebenheit, durch seine unermüdliche Thätigkeit des Kaisers

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1) Lamb. ad A. 1075. pag. 159. secundum leges Palatinas. So konnten im Gegensatz zu dem Sachsen- oder Landes-Recht die kaiserlichen Gerichte, wie sie in den Pfalzen statt hatten, bezeichnet werden. Bruno in hist. belli Sax. sagt etwas Aehnliches: ut ipsi (die vom König Verdammten) ei (Regi) hac conditione praesentarentur, quatenus sub utrorumque Principum (Sachsen und Nicht-Sachsen) judicio starent, ut eos illorum sententia vel convictos damnaret, vel innoxios Regis gratiae cum tota Saxonum gente conciliaret.

2) Weitläufig erzählen die Begebenheiten, die hier nur berührt werden durften, Lambert, Bruno, Berthold Constant. ad 1075. Anonymus de bello Saxon. u. andre Chronisten.

 

 

 

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33 Gervais, Geschichte der Pfalzgrafen von Sachsen.

 

Ansehn und Macht den sächsischen Fürsten gegenüber erweitern und befestigen. Noch nie hatte der Pfalzgraf ein andres Interesse als das des Reichsoberhauptes vertreten, ja es war dieß nur allein sein Beruf. Jeder andre Reichsfürst vertrat dem Kaiser gegenüber die Landeshoheit, und durfte thätig einschreiten, wenn dieser zum Nachtheil einer Provinz, eines Fürsten Beschlüsse oder Handlungen unternahm. Des Pfalzgrafen Verpflichtung ging einzig dahin, des Reichsoberhauptes Willen zu vollstrecken, oder - sein Amt niederzulegen. Nur, wenn von den Reichsfürsten der König entsetzt worden, hörte jene schuldige Folgeleistung auf. Friedrichs Vergehn, als er die Partei der sächsischen Fürsten nahm, war also in Heinrichs Augen strafbarer als das aller andrer Fürsten; und von ihm angefeindet zu werden, erregte des Königs Zorn um so mehr als dessen Vater mit ganzem Vertraun an Friedrich eine Macht übertragen, welche vordem der Kaiser selbst in Händen behalten oder nur Pfalzverwesern abwechselnd anvertraut hatte. Des Pfalzgrafen einzige Rettung war eine Entsetzung Heinrichs; darum mochte er im Jahre 1073 vornehmlich auf die Wahl Rudolphs von Schwaben gedrungen und dadurch von Neuem Heinrichs Zorn auf sich geladen haben. Wenig konnte derselbe durch die schonende Behandlung der kaiserlichen Besatzungen auf Heimburg und Asseburg besänftigt werden, nachdem Friedrich in Belagerung der Vestten sich so unermüdlich gezeigt hatte. Zu Gerstungen hatte gleichwohl auch ihm Heinrich Verzeihung angedeihen lassen und ihm die fernere Ausübung des Pfalzgrafenamtes in Sachsen zugestehen müssen. Hiebei litt die Ehre des Oberen, der des Untergebenen Pflichtverletzung nicht nur vergeben, sondern sogar gutheißen mußte. Keinem stand der König so gedemüthigt gegenüber als dem Pfalzgrafen Friedrich.

 

Bei Zerstörung der Harzburg durch das sächsische

 

V. Bd. 1. Heft.

 

 

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34 Gervais, Geschichte der Pfalzgrafen von Sachsen.

 

Landvolk hätte es dem Pfalzgrafen vornehmlich obgelegen, den Frevel zu verhindern. Friedrich hatte es nicht gethan, vielleicht nicht thun können. Gleichviel! in Heinrichs Augen erschien er schuldiger als die Herzöge Magnus und Otto, als Buko von Halberstadt, als jeder Andre, der dem König persönlich verhaßt war. Noch mehr! Die Thüringer und Sachsen, uralte Feinde, so lange ein deutsches Reich, bestand, waren vornehmlich durch Friedrichs Vermittlung zu einem so festen Bunde vereint worden, daß die Erstern noch fort und fort der Sache der Letztern sich anschlossen, und jeder Versuch Heinrichs, Beide zu entzweien, vergeblich blieb. Andrerseits war das eben so feste, als schön gelegene Vockenrode sammt den reichen hersfeldischen Lehnen, die Heinrich für sich zu behalten oder seiner Gemahlin als Wittthum zu geben beschlossen haben mochte, ein Verlust, der neuen Unmuth zu altem Haß erregte.

 

In diesen ganz äußerlichen Verhältnissen liegt der Grund, daß Friedrich den Verdammungsspruch des Königs sich zuzog; jener selbst mochte nicht durch sein Betragen dazu besondern Anlaß geben; auch erfahren wir nirgends von einer besondern Klage, die der König über den Pfalzgrafen führen konnte. Selbst im Kriege zeigte dieser, wie wir gesehn, eine durchaus würdige Haltung, eine Thätigkeit, die nur der Willkühr, dem Unrecht, der Bedrückung entgegen arbeitete. Das Volk der Sachsen und Thüringer zum Aufstande angereizt zu haben, dieser allgemeine Vorwurf wurde ihm sammt den andern Fürfien gemacht. 1) Ob Heinrich seit dem Gerstunger Vertrage versucht, Friedrich wieder zu gewinnen, wie ers mit andern Fürsten gethan, ob er namentlich die Trennung der Thüringer von der Sache der Nachbarn von Friedrichs Mitwirkung erwartet; ob Friedrich seinerseits sich dem Könige genähert, und seit Zurückerhaltung seines entrissenen Lehnes von der Partei

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1) S. Lamb. ad 1075. pag. 160.

 

 

 

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35 Gervais, Geschichte der Pfalzgrafen von Sachsen.

 

der Widerspenstigen abgestanden, wird weder durch eine Angabe der Schriftsteller bestätigt, noch ist Beides aus obwaltenden Umständen zu vermuthen. Friedrich blieb nur die Wahl, entweder sich dem Könige auf Gnade und Ungnade hinzugeben, oder festzuhalten an den sächsischen Gegnern desselben. In ersterm Falle verlor er seine Bedeutsamkeit in Sachsen, wenn nicht Heinrich dieses Land mit starker Hand unterwarf und dem Pfalzgrafen große Macht übertrug, um damit des Königs Sache gegen die Rebellen auszukämpfen. Konnte, durfte er das hoffen? Der bisherige Erfolg hatte die größte Schwäche des Reichsoberhauptes offenbart, und war nicht geeignet gewesen, Friedrich zu bewegen, die sächsische Partei mit der des Königs zu vertauschen, zumal da des Letztern Groll ihm nicht verborgen blieb. Noch weniger war Heinrich gesonnen, dem Manne, dessen Abfall ihn am tiefsten kränkte, dem zu verzeihen ihm so schwer gefallen, sein Vertrauen zuzuwenden, eine größere Gewalt zu übertragen. Wohl vor dem ersten Aufstande wäre es gerathen gewesen, durch des Pfalzgrafen Ansehen die unzufriedne Nation zu besänftigen, oder wenigstens ihn zu gewinnen, und demselben die Leitung des Kriegs, die Vertheidigung der kaiserlichen Schlösser und Städte anzuvertrauen. Jetzt aber wars gefährlich, dem Beleidigten größere Macht anzubieten. Sich einander zu nähern und freundlich auszugleichen, vermochte Heinrichs stolzer, Friedrichs biedrer Sinn nicht mehr. Dagegen ließ sicherlich Herzog Otto, gewöhnlich von Nordheim genannt, nichts unversucht, um den Pfalzgrafen und durch ihn die Thüringer an sich zu fesseln. Dieser tapfre, kluge, aber auch ehrgeizige und verschlagne Mann hatte während des ganzen Krieges eben so sehr sein Privatinteresse als die Freiheit seiner Landsleute im Auge. Nicht nur die Wiedererlangung Baierns, die ihm vor allen Kampfgenossen den größten Schein des Rechts gab, war sein Ziel; wenn Heinrichs Thron einmal

 

 

 

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36 Gervais, Geschichte der Pfalzgrafen von Sachsen.

 

wankte, konnte ja auch ihm derselbe zu Theil werden. Diese Hoffnung zur That zu machen, mußte ihm, dem Haupte der Gegenpartei, ihm einem gebornen Norddeutschen und zugleich Herzoge in Süddeutschland am leichtesten gelingen. Trugen doch die Sachsen seit Conrad II. es noch immer schwer, daß durch ein fremdes Fürstenhaus ihnen der alte Glanz der Königskrone entzogen war. Ein offner Krieg gegen dieses Haus bot dem Oberhaupte der sächsischen Partei die günstigste Gelegenheit, sich zum Gegenkönige zu erheben. Ottos Streben nach dem höchsten irdischen Glanze, der deutschrömischen Kaiserkrone, wird keinem Geschichtsschreiber entgehen. 1) Vorsichtig barg er noch immer diese ehrgeizige Absicht, um nicht den Neid andrer deutschen Fürsten zu erregen, das Vertrauen bei den Sachsen, den Schein der Uneigennützigkeit bei allen Reichsfürsten zu verlieren. Wenn auch Otto während des ersten Krieges seine Beistimmung gegeben hatte, Rudolph von Schwaben zum Gegenkönige zu erheben, so geschah dieß nur, um einen mächtigen Fürsten und dessen zahlreiche Anhänger von Heinrich abzuziehen. Wie wenig es den Sachsen und vornehmlich dem Hauptanführer derselben Ernst damit gewesen, bewies der Gerstunger Vertrag, der Rudolph, sicher nicht ohne Mitwirkung Ottos, welcher zuerst von allen sächsischen Fürsten sich Heinrich bereitwillig zeigte, die Aussicht zum Throne benahm. 2) Seitdem drängte sich Rudolph aus allen Kräften wieder an den König und erwarb als naher Verwandter, als minder verhaßter und gefährlicher Gegner eher als Otto Heinrichs Gunst. Zugleich verband er sich mit Herzog Welf, und beide hintertrieben die Wiedereinsetzung Ottos in Baiern, was dieser ohne Zweifel zur Hauptbedingung der geheimen Unterhandlungen, die dem Gerstunger

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1) S. Stenzel I. pag. 338.

2) Bruno hist. SWax. belli pag. 110 u. 111. sucht darin den Grund zu dem spätern Unglück der Sachsen.

 

 

 

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Frieden vorangingen. gemacht hatte. In Otto gewann der König nur einen und zwar länderlosen Fürsten, in seinen Nebenbuhlern zwei, deren einem er selbstt mit Zustimmung der Fürsten das Herzogthum Baiern übertragen hatte. Hier gebot die Klugheit, 1) abgesehen von dem Haß gegen den Mann, der ihn so tief gebeugt, Otto fahren zu lassen. Da blieb dieser nicht unthätig. Der Pfalzgraf Friedrich war ihm in Vielen unentbehrlich; auch zur Erlangung der Königskrone bedurfte er seiner vornehmlich.

 

Neben diesen Banden äußerer Nothwendigkeit vermuthe ich beinahe noch engere des Blutes zwischen Otto und Friedrich. 2) Der Gosecker Mönch berichtet sehr ungenügend, daß der Pfalzgraf Friedrich eine bairische Prinzessin Hedwig zur Gemahlin genommen. 3) Welches Fürsten Tochter sie gewesen, erfahren wir nicht. Der Name Hedwig ist in dem Hause der nordheimischen Familie vor und nach unsrer Zeit gewöhnlich. Sollte Friedrichs Gattin, der sonst keine Erwähnung geschieht, nicht eine Tochter Ottos gewesen sein, die, weil der Vater Herzog von Baiern und ihre Mutter aus bairischem Fürftenstamme entsproffen war, gleichfalls eine bairische Prinzessin genannt wird? Daß dieselbe schon vor dem Jahre 1063, wie mehrere annehmen, gestorben sei, beruht auf einem Irrthum. 4) Wird jene Annahme

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1) Sicher durchschauten Otto und Rudolph sich in ihrem gleichen Streben, nur aussprechen durfte es keiner, um sich selbst nicht zu verrathen. Auch Heinrich erkannte Beider hochstrebenden Sinn, und zog daraus Gewinn.

2) Außerdem war die Gemahlin von Friedrichs gleichnamigen Sohne, Adelheid, eine Stiefenkelin Ottos. S. Annal. Saxo sub A. 1085, und später meinen Bericht.

3) Chron. Gos. apud Hoffm. IV. 109. Dominus Palatinus Fridericus filiorum ductus amore Hadewigam de Bawaria oriundam nobilissimam genere jam dudum uxorem duxerat.

4) In einer Urkunde von 1063 in Buders Sammlung ungedruckter Urkunden, und Hist. der Pfalzgr. von Sachsen (von Heidenreich) pag. 73. heißt Hedwig Benedicta, was nicht die selige oder todte, sondern die als Wohlthäterin gepriesne bedeutet. S. gloss. manuale s. v. benedicta.

 

 

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gestattet, so erklären sich viele gleichzeitige und spätere Verhältnisse, die hier nur vorläufig anzudeuten, am gehörigen Orte auszuführen sind. Zu verschiedenen Zeiten machten die Nachkommen Ottos Ansprüche an Würden und Ländereien, die den Nachkommen des Gosecker oder des mit ihm in weiblicher Linie verwandten Sommerschenburgischen Hauses angehört hatten, die aber durch kaiserliche Acht ihnen entzogen waren. Ja Heinrich der Löwe machte, als mit Pfalzgraf Adalbert die Sommerschenburger 1179 ausstarben, als Verwandter derselben Ansprüche an ihre pfalzgräfliche Würde, wie an ihre Hausgüter. Diese Verwandtschaft ist erklärlich, wenn unsre Hedwig aus dem nordheimschen Hause entstammte, und wenn man bedenkt, daß Heinrichs des Löwen Mutter, die Tochter Kaisers Lothar, aus derselben Familie war. 1)

 

Ebensosehr erklärt sich aus dieser Blutsverwandtschaf mit Otto, daß dieser des Pfalzgrafen Beitritt zum Sachsenbunde und sein Festhalten an demselben bewirkte. Als Friedrich eine Tochter Ottos zur Gemahlin wählte, 2) galt das Ansehn des Baiernherzogs, den die Kaiserin Wittwe Agnes erhoben hatte, bei Hofe viel, und mußte dem Könige, wie dessen Mutter erwünscht sein. Als Erzbischof Adalbert den Herzog Otto aus der Hofgunst verdrängte, war Friedrich in Zwiespalt mit sich selbst gerathen, ob er dem Bruder, ob dem Schwiegervater sich anschließen sollte. Noch galt des Königs Gewogenheit ihm Alles, und dessen Gegner war auch der seine. Als aber Heinrich ihn selbst

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1) Zwar war auch Herzog Welfs erste Gemahlin Ethelinde eine Tochter Ottos, also nach unsrer Annahme eine Schwester der Hedwig; doch von ihr ließ sich Welf scheiden - und hatte von ihr keine Nachkonnnen.

2) Die Zeit der Heirath ist nicht zu ermitteln, schon vor 1063 mochte sie geschlossen sein, doch auch nicht viel früher, wenn man bedenkt, daß Beider Sohn Friedrich, als er 1083 ermordet wurde, ein Jüngling war. S. Chron. Gos. pag. 216.

 

 

 

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beeinträchtigte, nahm Otto die Gelegenheit wahr, ihn zu gewinnen. Er versöhnte mit ihm die sächsischen Fürsten, vornehmlich die Billungem, die bisher den Fremdling in Sachsen und zumal einen Bruder des verhaßten Adalbert von Bremen gleichfalls haßten. Von Friedrich erwartete dagegen Otto, daß er mitwirken werde, ihm die Krone zu verschaffen. In diesem Streben trat ihm aber Rudolph von Schwaben entgegen. Durch dessen Mitwirkung verlor Otto Baiern, auf seinen Rath ward Welf mit diesem Herzogthume belehnt, und überredet, von Ottos Tochter Ethelinde. seiner Braut oder Gemahlin, sich loszusagen. Da Baiern ihm entrissen, suchte Otto mit engern Banden an Sachsen sich zu knüpfen. Wie Hedwig ward nun auch Ethelinde an einen einflußreichen Fürften, den Grafen Hermann von Westphalen vermählt. 1)

 

Mochte nun aber auch die Gemahlin Friedrichs keine Tochter Ottos sein, 2) und dieser nur um Erreichung seiner Zwecke willen an den Pfalzgrafen sich ketten; genug! Friedrich ward in den Krieg, den König Heinrich trotz aller Nachgiebigkeit, Vorstellungen und Bitten der geschwächten sächsischen Gegenpartei beschloffen hatte, gezogen, und mußte das Schicksal seiner Verbündeten theilen. Eine Schlacht entschied dasselbe. Bei Hohenburg, 3) zwischen Groß-Gottern, Thomsbrück und Gräfentonna, auf beiden Seiten der Unstrut sorglos gelagert, wurden die Sachsen von Heinrichs

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1) Nur die Namen der ältesten der 3 Töchter, Ethelinde, die Hermann, Comes de Calverla nachher heirathete, und der jungsten, an Conrad v. Arnsberg vermählt, nicht aber den Taufnamen, der zweiten erwähnen Anal Saxo ad 1082 u. Botho Chron. Brunsw. pictur. ad 1063.

2) Ich gebe meine obige Hypothese für weiter nichts als solche, glaube jedoch an ihre Wahrscheinlichkeit. Zur Evidenz sie zu bringen, fehlen mir die Beweise noch.

3) Ein Kloster bei Langensalza und Nagelstädt. Die Schlacht wird von den Schriftstellern verschieden beibenannt, doch durch die Unstrut und die 2 Orte hinlänglich bestimmt. S. Stenzel .I. pag. 328. Wachter I. pag. 310 ff.

 

 

 

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Heer, zu dem alle Reichsfürsten 1) mit ihren Dienstmannen gestoßen, überfallen (9. Juni 1075). 2) Vergehens boten die sächsischen Fürsten, vor Allen der kriegserfahrne Herzog Otto, Muth und Klugheit auf, um die ungerüsteten, erschreckten Schaaren zu ordnen, zu ermahnen, mit Kampflust zu beseelen. Vergebens erschlugen einzelne Tapfre viele der feindlichen Fürsten. Nach neunstündigem tapfern Widerstande wichen die allzu Schwachen der überlegnen Uebermacht des königlichen Heeres, erst einzeln, dann in allgemeiner Flucht. Achttausend Sachsen und Thüringer deckten den Wahlplatz. Aber auch 5000 der siegenden Partei waren geblieben. 3) Daß darunter mehrere Fürsten sich befanden, dagegen die sächsischen meist glücklich entflohen waren, demnach der Kampf wider sie noch länger fortgesetzt werden mußte, erregte große Unzufriedenheit in Heinrichs Heer, das nur durch die Vorstellung des Erzbischofs Siegfried von Mainz: „es seien Gebannte, wider die sie das Schwerdt zögen und ziehen müßten, besänftigt wurde. - Den Beleg für sein Verdammungsurtheil nahm der habsüchtige

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1) Nur Anno von Cöln, weil sein Bruder unter den Gegnern war, und der altersschwache Balduin von Lüttich durften sich ausschließen. Letzterm hatte Heinrich seine Gemahlin anvertraut. S. Lamb. ad 1075. pag. 163.

2) Hist. Sax. belli hat Idus Junii fer. III.

3) Den ausführlichsten Schlachtbericht giebt Lamb. ad 1075. pag. 156 -170. Einzelnes findet sich bei Bruno, Annal. Saxo, Berth: Constant, Anonymus de bello Saxon. Vergl. auch Stenzel u. Wachter a. a. O. Heinrich hatte trüglich den Sachsen die Schlacht auf den folgenden Tag angekündigt: Nondum bene nuntius ille verba finierat, quum veniens alter Regem cum toto exercitu adventare dicebat. Hist. Sax. belli pag. 115. Aehnliches berichtet Helmold I. 27.: Cumque non longe abesset pugna, factum est ex consilio utriusque partis, ut laudaretur pax usque post biduum, sperantes bellum pace sopiri, Saxones ergo pace delectati, statim exuerunt se armis et diffusi sunt per latitudinem campi, figentes castra et curam corporis exequentes. So werden sie überfallen.

 

 

 

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41 Gervais, Geschichte der Pfalzgrafen von Sachsen.

 

Prälat daher, daß ihn im vorigen Jahre, als er in Erfurt den Zehnten forderte, die Thüringer mit entblößten Schwerdtern in der Kirche bedroht hatten. Nachdruck gab er seinem Bannstrahl durch die Lüge: der Papst Gregor habe ihm dazu Vollmacht gegeben.

 

Nun drangen zwar die kaiserlichen Schaaren verheerend, Heiliges wie Profanes, Städte, Dörfer, Kirchen und Altäre dem Raube oder den Flammen Preis gebend, 1) bis Halberstadt vor, doch das geringe Volk der Sachsen zog sich in Wälder und hinter Sümpfe, die Fürsten saßen wohlverschanzt auf ihren Vesten. Nur an hülflosen Weibern und Kindern konnten die Krieger ihre Wuth auslassen, Vergeblich unterhandelte auch Heinrich mit den sächsischen und thüringischen Fürsten. Sie wiesen seine Anschuldigungen als ungegründet zurück; den Versprechungen der königlichen Milde, womit die Unterhändler lockten, wofern auf Gnade und Ungnade die Fürsten sich ergeben wollten, mißtrauten diese vollends. Nur Udo von der Nordmark, die Bischöfe Werner von Merseburg, Friedrich von Münster und einige andre suchten und fanden Gnade bei dem Könige, der sie, bis der Krieg geendet, andern Reichsfürsten überwies. 2) Denen, welche als die Hauptrebellen bezeichnet waren, blieb Heinrichs Gnade verschlossen, selbst als sie dem König und den Fürsten des Reichs ihre Unschuld beweisen wollten. Nur unbedingte Unterwerfung sollte sie der Verzeihung theilhaftig machen. Dazu verstanden

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1) Hist. Sax. belli pag. 116. sagt: Si pagani nos ita vicissent, non majorem in victos crudelitatem exercerent; foeminis nil profuit in ecclesias fugisse, vel illuc suas res comportasse.

2) Lamb. ad 1075. pag. 172 u. 173. Udo Marchio et Episcopus Merseb. et pauci alii nobiles Saxoniae deditioni consenserunt, ex quibus Udo M., dato pro se obside filio suo, statim deditione absolutus est, Episc. in monasterium Laurisham missus, alii diversis principibus, ut ad tempus servarentur, commendati sunt.

 

 

 

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42 Gervais, Geschichte der Pfalzgrafen von Sachsen.

 

sie sich nicht. 1) Den König zu ermüden, blieben auf den Rath Ottos von Nordheim und Burchards von Halberstadt Alle auf ihren Burgen, obgleich sie zahlreiche Mannen um sich versammelt hatten, mit denen ein offner Kampf zu wagen gewesen wäre. Wirklich mußte dießmal der König die Unterwerfung ganz Sachsens aufgeben, und eine neue Heerfahrt auf den 22sten Oktober bestimmen. 2)

 

Anstatt diese Zwischenzeit zu nützen, um ein starkes Heer zu sammeln, die Burgen, die zerstört, herzustellen, die erhaltnen stärker zu befestigen und Alles aufzubieten, um vor einem zweiten Einfall des Königs sich zu verwahren, hielten die Sachsen und Thüringer nutzlose Zusammenkünfte, wobei die längst schon drohende Zwietracht vollends ausbrach. 3) Das Volk warf den Fürsten vor: von ihnen in der Schlacht bei Hohenburg im Stiche gelassen zu sein, durch die Schnelligkeit ihrer Rosse sich gerettet und das Fußvolk dem Feinde Preis gegeben zu haben. Die Fürsten schrieben die Niederlage der Langsamkeit zu, mit der das Volk im Lager sich gesammelt und ihnen Hülfe geleistet habe. Am heftigsten aber schalten die Sachsen auf die Thüringer. 4) welche sie auf der Flucht angefallen, geplündert und gemißhandelt hätten. Kaum vermochten Otto und

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1) Hist. Sax. belli 118. Quod vero ipse (Rex) solus volebat, ut statim cunctos suae servituti subjiceret, ad praesens implere non potuit.

2) Hist. Sax. belli a. a. O. Lamb. pag. 174. ad iterandam expeditionem XI Kalendas Novembris majores et ambitiosius instructas sibi in Gerstungen copias adducturi essent.

3) Lamb. pag. 177. Saxones et Thuringi crebra conventicula faciebant, in quibus plebs contra principes et principes contra plebem gravissima simultate tumultuabantur.

4) Omnes in commune Saxones omnes Thuringos infestissime aversabantur, et cum his justius quam cum Rege bellum sibi fore dicebant, quod in fugam verso Saxonico exercitu Thuringi per omnes vias et compita oppositi fugientes invaderent, raperent, lacerarent, et igneminiosa nudilate foedatos de suis finibus effugarent.

 

 

 

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43 Gervais, Geschichte der Pfalzgrafen von Sachsen.

 

Burchard die Gemüther zubesänftigen. Da aus der Verzagtheit des Volks ihnen selbst Verderben drohte, so versprachen sie, mit dem Könige zu unterhandeln. und unter jeder nur billigen Bedingung sich ihm zu unterwerfen. Heinrich von der Verlegenheit der Sachsen wohl unterrichtet, gab vor, ehe die Fürsten versammelt seien, nichts entscheiden zu können, noch zu wollen. 1)

 

Wohl aber fürchtete Heinrich selbst eine zu milde Entscheidung durch die Fürsten, deßhalb wollte er vor der allgemeinen Heerfahrt einen Streich gegen die Sachsen ausführen. Er meinte in der innern Zwietracht derselben die günstigste Gelegenheit zu erblicken. Unter dem Vorwande, Streitigkeiten in Ungarn auszugleichen, brach er mit einer kleinen ganz ergebnen Schaar nach Böhmen auf, theilte dem Herzog Wratislav von Böhmen, dem treuesten seiner Anhänger, den eigentlichen Plan mit, fiel durch die Schluchten des Erzgebirges in Meißen ein, und hoffte die Sachsen unvorbereitet zu überfallen. Als er aber vernahm, sie hätten seinen Plan erfahren, und ständen 15000 Mann stark schlagfertig da, so kehrte er eiligft nach Böhmen um, und wäre der nachsetzenden Reiterei kaum entgangen, wenn er nicht schlaue Unterhandlungen mit den Fürsten angeknüpft hätte. Keineswegs war es ihm damit Ernst. 2) In Regensburg angelangt, hielt er die ihn erwartende Gesandtschaft so lange zögernd hin, bis sein Heer zum Feldzuge gerüstet sich um ihn versammelt. Zwar war dieses nicht dem frühern an Stärke gleich, da viele Fürsten, namentlich

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1) Lamb. pag. 178. de tanto tamque atroci negotio praecipitanter sententiam ferre nec velle nec debere, donec principes regni in unum convenirent. Einer zweiten Gesandtschaft an ihn und die Fürsten benahm er die Gelegenheit zu jeder Unterredung.

2) S. Lamb. 180 u. 181. Ein Graf Boto war der schlaue Unterhändler, qui ad Saxones a rege orator ierat, provocare eos ad deditionem, vel, quod verius est, vana pollicitatione veniae implicare eos, ne persequerentur abeuntem.

 

 

 

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44 Gervais, Geschichte der Pfalzgrafen von Sachsen.

 

die Herzöge Rudolph, Welf und Berthold unter dem Vorwande, das viele vergoßne Blut gereue sie. 1) in der That aber, weil sie des Königs wachsende Größe fürchteten, sich der Theilnahme entzogen, Dennoch war eine Macht beisammen, die hinreichte, Sachsen zu verwüsten, und was noch verschont geblieben, zu vernichten. Zwischen Sondershausen und Ehrich unfern der Helme, lagerte das königliche Heer. Mit schwachen, muthlosen Schaaren standen die Sachsen gegenüber. 2) Immer höher stieg die Furcht des Volkes und die Besorgniß der Fürsten, von jenem selbst dem Könige verrathen zu werden. Zu Unterhandlungen bei Heinrich und den Fürsten nahmen sie abermals die Zuflucht; es war die letzte, verzweifelte, darum auf Milde, Nachgiebigkeit nicht zu hoffen. Zwar gaben des Königs Unterhändler, Siegfried von Mainz. Gebhard von Salzburg, Embricho von Augsburg, Adalbero von Würzburg und der Herzog Gozelo 3) von Nieder-Lothringen, welche die Sachsen sich erbeten, diesen den Trost: die Fürsten des Reichs würden nicht zugeben, daß denen, die sich gehorsam dem Reichsoberhaupte unterwürfen, Schande zugefügt werde. Zwar sagte man, 4) Heinrich selbst habe geschworen, er wolle, gegen die Sachsen nichts ohne Zustimmung der

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1) Lamb. pag. 184. poenitentes (ut ajebant) superiori expeditione in irritum fusi sanguinis, offensi etiam regis immiti atque inplacabili ingenio. Und Bruno vollends pag. 118. se pro Rege contra Saxonum innocentiam non esse pugnaturos fideliter deo voverunt. Er nennt nur Rudolph und Berthold.

2) Hist. Sax. belli pag. 118. ist zwar der entgegengesetzten Meinung, der Erfolg widerlegt aber dieselbe.

3) Lamb. 185. cujus in ea expeditione auctoritas valebat, et in eo omnium, quae agenda erant, summa et cardo vertebatur, pro eo, quod, licet statura pusillus et gibbo deformis esset, tamen opum gloria et militum lectissimorum copia, tum sapientiae et eloquii maturitate eminebat.

4) Lambert a. a. O. 187. sagt: Vulgata in plurimos fama loquebatur. Aehnliches meldet Bruno pag. 119., die Vita Henrici pag. 382. Ann. Saxo ad 1075.

 

 

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Reichsfürsten verfügen. Wie wenig der König gesonnen war, seine Rache aufzugeben, zeigte sich bald.

 

Auf den Rath der genannten 1) Unterhändler ergaben sich nun der Erzbischof Werner von Magdeburg, Bischof Buko von Halberstadt, die Herzöge Otto und Magnus, des Letztern Oheim Graf Hermann, der Pfalzgraf Friedrich, viele Grafen und Edle 2) dem König ohne alle Bedingung. 3) Sie wurden bis ein allgemeiner Reichstag über sie einen Beschluß gefaßt. einzelnen Fürsten in Verwahrung gegeben.

 

Heinrich, der fünfundzwanzigjährige Jüngling, stand nun auf dem Gipfel seiner Macht. Mit seltner Größe hatte er sich aus dem Unglück, das durch eigne Schuld ihn getroffen, empor gerungen; allein seine bittre Lebensschule sollte erst beginnen. Nicht das Glück adelte den früh Verwöhnten und Verdorbnen, es blieb vielmehr die Klippe, woran er scheiterte. Erst nach dreißigjährigem Ringen rettete der Schiffbrüchige zwar keine Glücksgüter, aber mehr als Alles, eine geläuterte Seele. Wir müffen ihn, wenn auch in größrer Ferne als bisher, begleiten und hin und wieder auf die großen Ereignisse der Zeit einen Blick werfen, um daraus die näher liegenden kleinern zu begreifen, und, was immer Hauptzweck bleibt, an jene anzureihen.

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1) Bruno a. a. O. u. Helmold I, 27. heben freilich Rudolph besonders hervor, Lamb. Gozelo.

2) Helm. a. a. O. nennt nicht Hermann, aber hier erst Udo. Lamb. 188. noch Andre nach den genannten: Ingenui omnes, qui generis vel opum claritate aliquantulum eminebant in populo.

3) Lamb. ebendaselbst: absque ulla exceptione regi se dederunt. Chron. de fundat. Monast. Gozec. apud Hoffm. IV. pag. 109. sagt von dem Pfalzgrafen: Dominus Fridericus Comes Palatinus cum multis Saxoniae principibus Regi Henrico IV. pro perdita ejus gratia absque omni exceptione se dedit. Helmold a. a. O. sagt freilich: interpositis scilicet conditionibus, ne aut captivitate gravarentur, aut ullam sustinerent laesionis molestiam; doch nennt er vorher Rudolph als Unterhändler, und dem sind diese Bedingungen beizulegen.

 

 

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Trotz dem selbstgegebnen Worte: Gnade ergehen zu lassen, 1) trotz der Hoffnung, die den gedemüthigten Fürsten von den Unterhändlern gemacht worden war, verfuhr Heinrich mit der größten Willkühr wider dieselben. Weithin ließ er die Gefangenen abführen, nach Frankreich, Schwaben, Baiern, Burgund und Italien. Wir folgen den Schicksalen Friedrichs von Goseck, so weit sie aus dunklen Nachrichten sich enthüllen.

 

Italien, Pavia, war dem Pfalzgrafen vom König Heinrich während der Verbannung angewiesen. 2) Wahrscheinlich hingen die Bürger dieser Stadt, die zu den bedeutendsten der Lombardei gehörte, schon damals, so wie später, treu an dem Könige. Ihnen konnte er den Gefangenen anvertrauen, sicher, daß sie ihn nicht entfliehen lassen würden. Nach dem Berichte des Gosecker Mönchs wurde Friedrich 1½ Iahr in enger Haft gehalten. Da Ausgang Oktobers 1075 die Unterwerfung der sächsischen Fürsten statt gefunden, so hätte danach die Gefangenschaft bis ungefähr zum April des Jahres 1077 gewährt. Doch sicher beruht diese Angabe auf einem Schreibfehler, oder der Chronist hat das Jahr 1075, in welchem Friedrich sich ergab, für ein volles gerechnet und zählt die Hälfte des folgenden hinzu. Lambert nennt ausdrücklich Friedrich 3) unter

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1) Chron. Gozec. a. a. O. Nam (Henricum) benignum se exhibiturum humiliato (Friderico) nunc jurando firmavit. Doch so war er nicht allen begegnet. Den Bischof Burchard von Halberstadt behandelte er am strengsten. S. Lamb. ad Annum 1076. pag. 217. u. Bruno zu dems. Jahre.

2) Chron. de fundat. Mon. Goz. pag. 109.: Quem rupto foedere - - Papiae relegavit, unde post annum et dimidium recepta regis gratia repatriavit. Ubi dum adhuc in arctissima custodia detineretur, etc.

3) Episcopum Magdeburgensem, Ep. Merseburgensem, Ep. Misnensem, Magnum Ducem, Fridericum Palatinum Comitem, praeterea omnes Saxoniae et Thuringiae principes, qui adhuc in deditione tenebantur, ab exilio revocari jubet, et clementer arcessitis ait, se, cum juxta palatinas leges extremo in eos supplicio animadvertere possit, et hoc jure faciat gravibus saepe ab eis contumeliis lacessitus, tamen memorem generis eorum, memorem virtutis, quae rei publicae et honori esse possit et munimento, tam atrocis facti veniam dare, et quod amplius sit, non alius ab eis quaerere redemtionis suae pretium, quam ut sibi deinceps in dubiis rebus fideles ac devoti maneant etc. pag. 220.

 

 

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denen, welche Heinrich (etwa im Juli 1076) ohne Lösegeld entließ. Was diesen dazu vermochte, kann nur aus der bedrängten Lage deutlich werden, in welche der König durch die Machinationen Roms und die Abtrünnigkeit der ersten Reichsfürften gerieth.

 

Hinlänglich bekannt ist, was den König Heinrich mit dem Papst Gregor VII. in einen Conflikt brachte, der jenen, welcher kühn im Unglück allen weltlichen Waffen getrotzt, und die gefährlichsten der Sachsen am Ende des Jahres 1075 entwunden hatte, zwang, vor einer Macht sich zu demüthigen, die nicht nur dem Herkommen, der festgegründeten Herrschaft weltlicher Fürsten, sondern auch der Menschennatur und Vernunft Hohn zu sprechen sich erkühnte. Der Mann, welcher solches damals vermochte, mußte allerdings eine seltne Kraft des Willens, eine genaue Kenntniß von der Gesinnung der Völker und Individuen seiner Zeit, einen scharfen Blick bei der Wahl seiner Mittel besitzen. Doch war auch nur in seiner Zeit möglich auszuführen, was einmal angenommen sich als unumstößlich wahr und rechtgläubigen Gemüthern aufdringen mußte, weil es von einer unsichtbaren Macht herrührend der Menge um so mehr furchtgebietend Gehorsam und Anerkennung aufdrang. Wer erst durch geistige Ueberlegenheit den Glauben der Völker gewonnen, an seiner Untrüglichkeit nicht mehr zu zweifeln, gezwungen hat, vermag die Welt um und um zu kehren! denn er hat gewissermaaßen einen Standpunkt über, außerhalb der Welt gewonnen, und von ihm aus läßt sie physisch und moralisch sich aus früherer Bahn bringen. -

 

 

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So lange der weltliche Arm des Kaisers die Kirche beherrschte, war ein Sich-selbst-gelten-machen dieser nicht zu erreichen. Gregor aber nutzte schlau den Kampf, in welchem auf deutschem Boden König und Fürsten weltliches Regiment zertrümmerten. Aufmerksam hatte er demselben zugeschaut und Heinrichs Thron untergraben, so daß dieser niederstürzte, als er gerade den höchsten Standpunkt eingenommen zu haben schien.

 

Die Macht Heinrichs nach dem Reichskriege war in der That nur ein äußerer Schimmer für ihn selbst, sobald er nicht Alles aufbot, ihr innere Festigkeit zu geben. Schon schwankten seit einiger Zeit die Herzoge Rudolph, Welf und Berthold, auf die Erzbischöfe von Cöln und Mainz war nie zu rechnen, der Bischof Udo von Trier hing zwar Heinrich treu an, suchte aber diese Treue mit dem Gehorsam gegen den Papst zu vereinen, und verletzte dadurch Heinrichs Räthe und Umgebungen. Heinrich mochte diese Schwäche seiner Macht kennen, 1) deßhalb vertraute er sich einem Manne, den er eben so wirksam in seinem Dienste, wie als gefährlichsten Gegner sich gegenüber kennen gelernt hatte. Otto von Nordheim war dieser Mann. Schon im Winter 1076 gab ihm Heinrich gegen Geißelstellung zweier Söhne die Freiheit, und erhob ihn bald zum vertrautesten Rath in persönlichen wie in Staatsangelegenheiten. Ihm übertrug er die Verwaltung Sachsens, und wahrscheinlich auch das Pfalzgrafenamt, welches Friedrich besessen. Denn zum Stellvertreter seiner selbst und zum Vollstrecker aller öffentlichen Geschäfte ward Otto erhoben. 2) Ueberdieß gab er ihm den Auftrag, die Harzburg, so wie eine neue Veste auf dem bei Goslar gelegenen Steinberge aufzubauen. 3)

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1) Nur die Herzöge von Lothringen und Böhmen hingen ihm treu an. Ersterer erbot sich, den Gegenpapst Gregors, den Heinrich erküren solle, mit bewaffneter Hand nach Rom zu führen, doch der wackere Gozelo starb schon im Februar 1076. Heinrich verlor in ihm seine kräftigste Stütze.

2) Lamb. ad 1076. Huic (Ottoni) Rex per totam Saxoniam vices suas et publicarum rerum procurationem delegaverat.

3) S. Lambert a. a. O.

 

(Die Fortsetzung folgt.)

 

 

Quelle:

Neue Mitteilungen aus dem Gebiete historisch-antiquarischer Forschungen

Geschichten der Pfalzgrafen von Sachsen : bis zur Übertragung der Pfalzgrafenwürde an das landgräflich Thüringische Fürstenhaus / von E. Gervais

5. Band, 1. Heft, S. 1 bis 48

Das Buch wurde eingescannt und ist in der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena unter folgendem Link zugänglich:

https://zs.thulb.uni-jena.de/rsc/viewer/jportal_derivate_00211512/neumittaudeg_1840-41_05_0007.tif