Klosterkirche zu Jerichow

 


Einfügung: Klosterkirche zu Jerichow

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Zur Charakteristik des älteren Ziegelbaues in der Mark Brandenburg, mit besonderer Rücksicht auf die Klosterkirche zu Jerichow.

 

Von F. v. Quast.

 

Die Mark Brandenburg bildet einen Theil der grossen norddeutschen Ebene in welcher gewachsenes Gebirge nur sporadisch erscheint. Wollte man daher zu den Bauten das Material nicht von entfernten Gegenden herkommen lassen, was immer nur in den seltneren Fällen günstigerer Communicationsmittel möglich war und auch dann nur mehr bei einzelnen geschmückteren Bautheilen, fast nie für ganze Gebäude statt fand, so war man auf zweierlei, dem Lande eigenthümliches Material angewiesen, auf die mehr oder weniger häufig vorkommenden Granitgeschiebe die, aus Skandinaviens Gebirgen stammend, seit den Zeiten der grossen Fluth hier abgelagert wurden, und auf das künstliche Material gebrannter Ziegel. Eine Ausnahme hiervon bilden, meines Wissens, nur vier grössere Gebäude in dem älteren Umfang der Mark Brandenburg, wo das Gebiet des Hausteinbaues sich den Gränzen der Mark Brandenburg nähert, wie bei den ehemaligen Klosterkirchen zu Hillersleben, Wolmirstädt und Leitzkau und bei dem älteren Dome zu Havelberg, wo die Bedeutsamkeit des Gebäudes und die Leichtigkeit des Transports auf der Elbe, die Anwendung von Plötzker Steinen veranlasste. Nur das letztere dieser Gebäude gehört noch jetzt der Mark Brandenburg an.

 

Im Uebrigen finden wir fast durchgehend den Feldstein- oder den Ziegelbau angewendet, und zwar nicht etwa den einen oder den anderen auf einen bestimmten Theil des Landes beschränkt, sondern beide neben und durch einander, doch so, dass in der einen Gegend, wie etwa in der Altmark in früherer Zeit der Ziegelbau bei den grösseren Gebäuden vorherrscht, in anderen, namentlich der Ukermark, dagegen der Feldsteinbau; doch findet ersterer überall bei den grösseren Bauwerken mit der Zeit mehr und mehr Anwendung, bis er endlich den Feldsteinbau auch fast aus den kleineren Dorfkirchen verdrängt, bei denen letzterer ursprünglich fast ausschliesslich zur Anwendung kam. Eine Mischung beiderlei Materials bei demselben Gebäude findet in ältester Zeit nur in wenigen Beispielen statt und auch später nicht häufig.

 

Wenn die Baukunst im Allgemeinen in denjenigen Ländern eine bedeutsame welthistorische Gestaltung zu gewinnen pflegt, wo neben den anderen geistigeren Voraussetzungen auch ein der Bearbeitung günstiges Material, wie Marmor, Kalkstein oder Sandstein zur Hand ist, so folgt daraus schon von selbst, dass in einem Lande wie die Mark Brandenburg schon der Mangel jener edleren Baumaterialien eine selbständige Stellung in der Baukunst verhindert haben würde, wenn nicht schon die ganze Entstehungsgeschichte ihrer Colonisation darauf hinwiese, dass sie neben ihren anderen politischen und religiösen Beziehungen auch in artistischer von den westlicher gelegenen Gegenden Niedersachsens abhängig gewesen wäre. Als daher in der Mitte des 12. Jahrhunderts die Mark Brandenburg gestiftet wurde, so konnte natürlich auch die Baukunst daselbst, namentlich die bei weitem überwiegende religiöse, nur diejenige Gestaltung dorthin übertragen und daselbst fortsetzen, welche in denjenigen Ländern schon herrschte, von wo aus sowohl weltliche wie geistliche Einrichtungen ausgingen.

 

Es ist aber eine Eigenthümlichkeit aller einen ursprünglichen Charakter tragenden Baukunst, dass sie, bei Uebertragung auf ein ihr von vorne herein nicht eigenthümliches Material, nur diejenigen Formen mitüberträgt, welche vom Material nicht wesentlich abhängen und daher eine allgemein gültigere Wesenheit besitzen, diejenigen aber abstreifen oder doch organisch umgestalten, welche nur durch das bestimmte Material entstehen konnten, und daher bei einem hievon verschiedenen etwas Unnatürliches gewesen wären. Die aus Feldsteinen oder Ziegeln aufgeführten Gebäude der Mark Brandenburg folgen diesem Grundgesetze mit grosser Bestimmtheit. Sie stehen in ihren Gesammtanlagen stets in enger Verbindung mit der jedesmaligen Ausbildung der Baukunst in denjenigen Nachbarländern, von denen sie, wegen geistigen Uebergewichts, abhängig waren; auch im Detail schloss man sich soweit an, als es die Formenbildung in dem verschiedenartigen Material irgendwie zuliess; doch gleichzeitig schloss sich hier eben so gleichmässig eine Modification und selbst völlige Neugestaltung an, welche sich in sich selbst ausbildete, in ähnlicher Weise wie die verschiedenen Dialekte einer und derselben Sprache zwar von einander abhängig sind und im Verlaufe der Zeiten einander ähnliche Abänderungen erleiden, dennoch aber dieses in sich organisch thun und nicht etwa durch eine blosse äussere Uebertragung von einem Dialekt zum andern.

 

Unter allem Steinmateriale, das in der Baukunst zur Anwendung kommt, dürften nicht leicht zwei andere so heterogen von einander sein, wie eben die beiden in der Mark Brandenburg allein herrschenden. Das eine, ein überaus hartes, von der Natur gebildetes Gestein, das nur sehr schwer zu behauen ist und deshalb nur mit grosser Mühe für eine nur irgendwie formirte Architektur bearbeitet werden kann; das andere aus weichem Thon geformt, der jedes Eindruckes, jeder Formbildung fähig ist und daher fast von selbst zu einer reich decorirten Baukunst auffordert. Der Feldsteinbau zeigt eine ernste dunkle Färbung der Mauern; der Ziegelbau dagegen eine lebhafte rothe, oft zu glänzende Farbe. Nur in einem stimmen sie zusammen: Feldsteine und Ziegel eignen sich vorzugsweise für Herstellung platter Mauern und sind nicht für solche Architekturen geeignet, welche vielfach frei vortretende Vorsprünge, oder reich ausgebildete freistehende Formen besitzen. Sie eignen sich daher nicht für solche Art von Gebäuden oder Gebäudetheilen, denen, wie der vollendet gothischen, ein nach jeder Richtung hin ausschliessender, krystallinischer Charakter eigen ist.

 

Wir können daher die älteren Bauwerke der Mark Brandenburg sehr wohl, je nach dem Material, in zwei Hauptgruppen vertheilen, deren jede für sich einer Betrachtung werth ist, da eben die Verschiedenheit des Materials ein Uebergreifen einer dieser beiden Formenbildungen in das Gebiet der andern nur selten vorkommen lässt; auch dann stehen sie noch isolirt neben einander, indem dann die eine Formenbildung nur für den einen bestimmten, die andere für den andern Bautheil Geltung hat.

 

Es sei erlaubt, die Gruppe des Feldsteinbaues, welche übrigens in den Nachbarländern, mit Ausnahme etwa des Flämings, weniger zur Anwendung kam als wie in den ursprünglichen Grenzen der Mark Brandenburg, hier für jetzt ausser Betracht zu lassen und dagegen die Ausbildung des Ziegelbaues daselbst in der älteren Zeit näher zu betrachten.

 

Das Gebiet des Ziegelbaues ist keinesweges so beschränkt, wie das des Feldsteinbaues. In partieller Anwendung bei einzelnen Gebäuden oder auch mit anderem Material gemischt, finden wir ihn seit den Zeiten der Römer her, welche denselben bekanntlich vorzugsweise gern anwendeten, in allen jenen Ländergebieten, über welche sich einst die Herrschaft der Römer erstreckte. Doch schwindet dieses Material mit der Zeit mehr und mehr in jenen Gegenden, wo natürliches Steinmaterial zur Hand war, weshalb die theilweise Anwendung der gebrannten Ziegel bei mittelalterlichen Gebäuden in den Rheingegenden und im nördlichen Frankreich fast in der Regel auf ein hohes Alterthum schliessen lässt; nach dem 10. oder 11. Jahrhundert

 

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erscheint dieses Material daselbst nur als partielle Ausnahme und pflegt erst wieder in den Neubauten seit dem 16. Jahrhundert vorzukommen.

 

Im imnern Deutschland, wo die Römer nicht herrschten, kommt der Ziegelbau im frühen Mittelalter nicht vor, und wo wir ihn, wie in Baiern, bei späteren gothischen Kirchen erblicken, ermangelt er jeder eigenthümlichen Ausbildung, indem er allein im glatten Mauerwerk als Ersatz der fehlenden Hausteine angewendet wird; alle selbständig decorirten Theile der Architektur sind von Hausteinen gebildet, in dem, letzterem eigenthümlichen Style und ohne dass eine organische Verbindung beider in Struktur und Farbe so verschiedenartigen Materials versucht worden wäre.

 

Doch auch in einem grossen Theile derjenigen Länder, welche der grossen nördlicheren Ebene Deutschlands angehören und des gewachsenen Steinmaterials entbehren, und die deshalb auf den Ziegelbau so zu sagen angewiesen sind, wie in Holland und dem grössten Theile des übrigen alten Niederdeutschlands, westlich der Elbe, findet sich dieselbe Erscheinung, welche wir so eben andeuteten; nur sporadisch erkennen wir daselbst eine eigenthümliche Ausbildung des Ziegelbaues, meist in willkürlichem Wechsel mit Steinbau, wie z. B. in Verden.

 

Ganz anders ist dagegen das Verhältnis in den östlicher gelegenen Gegenden, welche fast ausschliesslich aus ursprünglich slawischen Ländern bestehen, die von den Deutschen nach und nach christianisirt und zum bei weitem grössten Theile auch germanisirt wurden. Rein germanische Länder sind hierunter nur der östlichste Theil Niedersachsens (wo jedoch auch einst bedeutende slawische Elemente vorhanden waren) und Dänemark; doch gerade diese beiden Gebiete sind in Bezug auf die Art und Bedeutsamkeit der in ihnen vorhandenen Monumente noch nicht genügend bekannt, weshalb hier vorläufig die Frage, in wie weit etwa die Mischung germanischer und slawischer Elemente in jenen Gegenden wie in andern Beziehungen, so auch auf die eigenthümliche Ausbildung der Baukunst eingewirkt haben möge, nur angedeutet, nicht gelöst werden kann.

 

Das Gebiet des ausgebildeten Ziegelbaues erstreckt sich nun, so weit es erforscht ist, von der Nordspitze Dänemarks bis gegen Krakau hin, wo die Vorläufer des Karpathen-Gebirges schon gleichzeitig auch dem reinen Steinbau sein gleichberechtigtes Gebiet anweisen. Im Westen reicht dieser eigenthümliche Ziegelbau vollständig ausgebildet im ganzen Gebiet der Altmark und sporadisch bis zur Weser und über dieselbe hinaus; nach Osten hingegen so weit die Herrschaft des deutschen Ordens reicht; wie weit darüber hinaus, lässt sich nach den vorliegenden Materialien noch nicht bestimmen. Dahin zu rechnen sind also die gesammte Mark Brandenburg, und nördlich davon ein Theil des Lüneburgischen, Sachsen Lauenburg, Holstein, Schleswig, Jütland und alle dänische Inseln, Mecklenburg und Pommern; südlich der Mark Brandenburg, die magdeburgischen und chursächsischen Länder auf dem Fläming und andere östliche Theile von Chursachsen und Meissen, die Niederlausitz, der bei weitem grössere Theil von Schlesien, so weit nicht das Gebirge den Steinbau bedingt; ebenso die weiten Ebenen Polens, soweit hier deutsche Kultur Wurzel fasste; endlich gegen Nordosten ganz Preussen und alle vom deutschen Orden abhängige oder mit ihm verbundene Länder an der Ostsee.

 

Die Ziegelarchitektur in diesen weit ausgedehnten Ländergebieten, wenngleich auch in ihr sich Eigenthümlichkeiten je nach den einzelnen Gebietigern und Völkerschaften zeigen, erscheint dennoch als ein Gesammtganzes. Der Styl zeigt sich oft bis in die kleinsten Details hinein als ein in sich abgeschlossener, gegenüber dem Steinbau, so dass, des Beispiels wegen, die Details des Domes in Marienwerder denen des Domes in Stendal oder Brandenburg verwandter sind, als wie denen der eignen südlichen Vorhalle welche aus Stein gearbeitet ist. Die Ausbildung der Ziegelarchitektur im Laufe der Zeit, obschon im Allgemeinen von der des Steinbaues abhängig, bildet dennoch wieder ein in sich geschlossenes Ganze, so dass eine neue Errungenschaft nicht auf eine Provinz beschränkt bleibt, sondern alsbald im ganzen Gebiete des Ziegelbaues Geltung gewinnt.

 

In allen diesen Ländern dürfte es kein aus Ziegeln erbautes Bauwerk geben das um mehrere Decennien über die Mitte des 12. Jahrhunderts hinaufreicht; das älteste, sicher datirte fällt gerade um diese Mitte selbst; hieraus folgt, dass der Ziegelbau dieser Gegenden nicht an den Bestrebungen Theil nehmen konnte, welche die mittelalterliche Kirchenbaukunst zuerst überhaupt begründeten, da dieses fast schon hundert Jahre zuvor geschah; wohl aber an jenen, welche zur Begründung des gothischen Bausystems beitrugen, d. h. auch im Ziegelbau sehen wir die allmählige Entwicklung des Gewölbebaues bis zum Gothischen hin, obschon damit nicht gesagt sein soll, dass derselbe an der eigentlichen Erfindung dieses Styles einen Antheil hätte, sondern nur, dass er nach und nach, wie auch im übrigen Deutschland, alle diejenigen Phasen mit durchmachte, welche die Vorbereitungen des gothischen Bausystemes und dann die weitern Ausbildungen desselben stets begleiteten und deshalb, in eigenthümlich dialektischer Form, Analoga zu denselben bilden.

 

Es ist hier nicht die Absicht eine Gesammtübersicht der Ziegelbauten in jenem oben beschriebenen weiten Ländergebiete zu geben, was gegenwärtig wegen Mangels an Kenntniss aller dieser Gebiete noch nicht einmal möglich sein mögte, sondern nur in einem derselben, der Mark Brandenburg, jene fortschreitende Entwicklung bis zur Blüthezeit der gothischen Baukunst nachzuweisen. Theils liegen uns hierfür die Beispiele am vollständigsten vor Augen, theils auch dürfte dieses, unser näheres Vaterland, deshalb die meiste Beobachtung verdienen, da sich hier sowohl die ältesten Beispiele dieses Baukreises als auch die am höchsten vollendeten vorfinden.

 

Ich nenne hier zuerst nur im Vorübergehen ein Gebäude, das man gewöhnlich an die Spitze der der Mark Brandenburg angehörigen Architekturen stellt, nämlich die leider im Anfange des vorigen Jahrhunderts zerstörte Marienkirche auf dem Harlunger Berge bei Brandenburg. Nur einige ältere Abbildungen auf Gemälden aus der Zeit vor ihrer Zerstörung und ein kleines Modell, das vielleicht erst nach jenen Abbildungen angefertigt ist, zeigen die frühere Gestalt dieser Kirche, doch schon in der Zeit, wo sie ihrem Verfalle entgegenging; über das Detail aber, welches für Bestimmung der Erhauungszeit vorzüglich bedeutend ist, sind wir völlig im Dunkel. Die quadratische Anordnung des Grundrisses mit ihren vier Thürmen und vier Absidenvorlagen steht in der deutschen Architektur einzig da, so dass sie immer noch genug an orientalisch-byzantinische Bauformen erinnert, wenn schon die in den Abbildungen so auffälligen Halbkuppeldächer der Absiden ursprünglich wohl, wie anderwärts, mit gewöhnlichen Dächern überdeckt waren. Kurfürst Friedrichs II. Stiftungsurkunden des Schwanenordens von 1440 und 1443 1) nennen den letzten Wendenkönig Heinrich, oder Pribislav als ihren Erbauer, wonach sie in die Zeit zwischen 1136, wo er gelauft ward, und 1142 oder 43, wo er starb, fallen würde. Die erste urkundliche Erwähnung finden wir jedoch erst im J. 1165, wo sie dem Domkapitel nebst der Gotthards-Kirche durch Bischof Wilmar bestätigt wurde. Dass das Gebäude nicht völlig in einer und

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1) S. v. Stillfried: der Schwanenorden. 1846. S. 30. 33. Daselbst auch eine Abbildung der Kirche.

 

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derselben Zeit erbaut wurde, sieht man u. a. daran, dass einzelne Theile, wie der Obertheil der Thürme und gewiss auch einige, wenn nicht alle Gewölbe des Innern, den Spitzbogen zeigten, die unteren Theile der Kirche dagegen den Rundbogen. Nur letztere würden dem Bau des Pribislav angehören können, die spitzbogigen Zusätze jedenfalls erst dem 13. Jahrhundert. Aber auch an dem rundbogigen Bau erkennen wir keine andere Eigenthümlichkeit des Ziegelbaues als wie die Anwendung der Lissenen, die unter dem Gesimse durch Rundbögen verbunden sind; eine Architekturform die im Ziegelbau noch in der Mitte des 13. Jahrhunderts eben so vollständig erscheint, als wie in der Mitte des 12. Jahrhunderts. Alles übrigen Urtheils über die Eigenthümlichkeiten dieser Kirche entheben wir uns daher an diesem Orte.

 

(Fortsetzung folgt)

 

Deutsches Kunstblatt

Zeitung für bildende Kunst und Baukunst.

Organ der deutschen Kunstvereine.

 

Unter Mitwirkung von

Kugler in Berlin — Passavant in Frankfurt — Waagen in Berlin — Wiegmann in Düsseldorf — Schnaase in Berlin — Schulz in Dresden — Förster in München — Eitelberger v. Edelberg in Wien

redigirt von Dr. F. Eggers in Berlin.

 

Nr. 30 Montag, den 29. Juli. 1850.

 

 

Zur Charakteristik des älteren Ziegelbaues in der Mark Brandenburg, mit besonderer Rücksicht auf die Klosterkirche zu Jerichow

Von F. v. Quast.

(Fortsetzung)

 

Der erste sicher. doeumentrte Ziegelbau in der Mark Brandenburg nicht nur, sondern im Umfange des obengenannten Ländergebiets überhaupt, ist die ehemalige Klosterkirche zu Jerichow, welche an ihrer gegenwärtigen Stelle zwischen den Jahren 1147 and 1152 angefangen wurde zu bauen.) Dieser Bau ist noch gegenwärtig im Ganzen wohlerhalten; doch hat er im Laufe der Zeit einige Zusätze erhalten, unter denen, einiger geringen und ganz späten Zusätzen zu geschweigen, der westliche Vorbau mit den beiden eleganten Thürmen etwa hundert Jahre jünger sein mag. Der ursprüngliche Bau zeigt nun eine Kirchenanlage, wie sie zur selben Zeit etwa auch im übrigen Deutschland üblich war, nämlich eine Basilika mit hohem Mittel- und niederen Seitenschiffen, welche durch runde Säulen und Rundbögen von einander getrennt werden; ein Querschiff und einen, quadralischen Chor von gleicher Höhe wie das Mittelschiff und endlich eine Abside am Ostende des Chors. Das Kreuzesmittel öffnet sich gegen die vier Seiten hin je durch grosse Rundbögen, die an den beiden östlichen Ecken auf flachen und mehrfach rechtwinklich profilirten Wandpfeilern, an den beiden westlichen aber über Halbsäulen aufsetzen, die die Wandecken hinauflaufen. Alle diese verschiedenen Bautheile sind, mit Ausnahme der östlichen Halbkuppel, ohne Gewölbe

und nur mit hölzernen Decken flach eingedeckt. Den unteren Theil des Chores und Kreuzesmittels nimmt dagegen eine Krypta welche über einer mittleren Säulenreihe mit rundbogigen, quadratischen Kreuzgewölben überspannt ist, wie dergleichen zwischen flachen Gurten, aber noch ohne Kreuzrippen, in jener Zeit häufig vorkommen; da sie nicht tief im Boden eingesenkt liegt, so steigt sie desto höher in den Raum der Kirche hinauf, so dass der darüber befindliche hohe Chor gegen die übrige Kirche bedeutend erhaben liegt. Enge, in der Mauerdicke fast verdeckte Treppen führen hinauf, während zur Krypta breite Treppen hinabsteigen, auf jeder Seite, gegen das Schiff und die

beiden Kreuzarme je zwei, zusammen also sechs, durch weitgespannte Rundbogenöffnungen hindurch. Doch dürfte diese ausgezeichnet schöne Kryptenanlage aus Gründen, die hier zu erörtern zu weitläufig wären, der Erbauungszeit vielleicht nicht ganz gleichzeitig sein. Gewiss später als die Kirche, aber doch wohl wohl noch im Laufe des XII. oder im Anfange des darauf folgenden Jahrhunderts, wurden die mit rundbogigen Tonnengewölben überspannten schmalen Seitenkapellen des Chors angebaut, die an der Ostseite wieder mit kleinen Absiden schliessen; früher schlossen sich solche wohl unmittelbar der Ostseite der Kreuzesarme an. Noch später, um die Mitte des XIII. Jahrhunderts, wurde dann, wie schon oben erwähnt, die alte Westfront abgebrochen, dem Schiffe selbst noch eine Rundbogenstellung nebst viereckigem Pfeiler hinzugefügt und eine neue Façade mit Doppelthürmen errichtet, die den Uebergangsstyl aus dem Romanischen ins Gothische mit bereits vorherrschendem Spitzbogen zeigt; den ältere Theil der Kirche, mit Einschluss jener Zubauten am Chore, zeigt durchgehend nur den Rundbogen, sowohl im Innern, wie im Aeussern, wo ausser den einfachen Einschliessungen der Thür und Fensterbögen nur noch schmale Wandstreifen, durch Rundbogenfriese verbunden, die sonst glatten Mauern schmücken.

 

Diese ganze Anordnung verräth keine besondere Eigenthümlichkeit gegen gleichzeitige Kirchenanlagen des Steinbaues im benachbarten Sachsenlande; nur fällt hier allerdings die noch ausschliessliche Anwendung der runden Säulen auf, während dieses dort schon seit etwa 20 bis 30 Jahren abgekommen war, indem nunmehr Pfeiler oder doch wechselnde Säulen und Pfeiler zwischen Haupt- und Seitenschiffe gestellt, letztere auch wohl schon mit Kreuzgewölben überspannt wurden; in den westlicheren Rheingegenden auch schon bei bedeutenderen Bauten die Mittelschiffe. Bei der Kirche von Jerichow wurde also ein älteres Prinzip noch festgehalten. Sonst aber findet kein wesentlicher Unterschied statt.

 

Ganz anders ist es nun jedoch mit der Detailbildung; schliessen wir hier die Krypta aus, deren Details, d. h. alle freien und Wandsäulen mit ihren reichen Kapitälen und Basen, aus Stein gearbeitet sind und möglicher Weise sogar einer etwas spätern Periode angehören; so ist der gesammte Kirchenbau über einer ganz einfachen Basis von Plötzker Steinen nur aus Ziegeln aufgeführt — bei den späteren Anbauten auch die Basis, mit etwas reicherer Gliederung.

 

Hier tritt nun sogleich das allen Ziegelbauten aller Orten und aller Zeiten (in dem genannten Ländergebiete) gemeinsame

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1) Vergl. Riedel in v. Ledebur's Archiv VIII. S. 238.

 

 

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Prinzip hervor, die Construclion des Mauerwerks weder am Aeussern noch im Innern durch Abputz zu verdecken, vielmehr dieselbe als wesentlichsten Schmuck zu behandeln. Nur einige wenige Ausnahmen finden von dieser Regel statt, und diese wieder in allgemeiner Geltung; man putzte stels alle diejenigen Theile, bei denen ein Verhauen der Ziegel und dadurch ein weniger sorgfältiger Verband bedingt wurde, wie alle Gewölbeflächen, alle Bogenleibungen der Verbindungsbögen, Thüren und Fenster, so weit sie nicht gegliedert sind, doch so, dass der Rand der Leibung nach jeder Seite hin noch stets um etliche Zoll breit den reinen Ziegelbau zeigt; endlich pflegten auch die Flächen der Nischen und Mauerblenden geputzt zu werden, so wie alle vertieften Gesimsstreifen. Ausserdem findet absichtlich ein Putzen der Wandfächen in grösserer oder geringerer Ausdehnung noch dort statt, wo man Gemälde oder überhaupt einen reicheren Farbenschmuck anbringen wollte, wie dieses auch noch an den inneren Wänden des Chores zu Jerichow zu sehen ist. Ueberhaupt liebte man es, namentlich in der älteren Zeit, auch jene anderen geputzten Theile mit figürlichen Darstellungen oder Ornamenten in mehr oder weniger lebhaften Farben zu schmücken; doch scheint dieses in Jerichow weniger stattgefunden zu haben.

 

Was nun das eigentliche Ziegelmauerwerk dieser Kirche betrifft, wie wir es namentlich am Aeussern noch vorzüglich erhalten sehen, so ist es durchaus in der dem ganzen Mittelalter eigenthümlichen Weise, aber in der höchst möglichen Vollendung ausgeführt; irre ich nicht, so dürfte dieses älteste Ziegelbauwerk im nördlichen Deutschland zugleich auch das technisch vollendetste sein, wenn wir hier von allen späteren Künsteleien absehen und allein die Vollendung des glatten Mauerwerks betrachten. Der spätere Thurmbau steht in dieser Beziehung schon bei weitem zurück. Alle Ziegel, alle Figuren sind wie abgemessen und so fest, dass nicht der mindeste Schaden sich irgendwo gezeigt hat; der Anblick des Mauerwerks allein gewährt ein hohes Vergnügen, das durch den grünlichen Anflug feiner Moose nicht gestört wird, die seit undenklichen Zeiten sich den Ziegeln angesetzt haben, ohne irgend wie schädlich auf dieselben einzuwirken; man möchte sie hier die Patina des Ziegelmauerwerks nennen, die den sonst einförmig rothen Farbenton in erfreulichster Weise veredelt.

 

Das äussere Mauerwerk schmücken nun die senkrechten Lissenen, welche in ansehnlicher Breite an allen Ecken der äusseren Mauern als isolirte theilende Streifen von mässiger Breite, jedoch nur an den Wänden der Seitenschiffe und in der Mitte der Kreuzgiebel und der Ostseite des südlichen Kreuzarmes, so wie mehr schon als dünne Polygonwandpfeiler an der grossen Abside angebracht sind. Alle übrigen Wandflächen ermangeln derselben. Sie sind nur flach und springen in einfach rechtem Winkel aus der sonst glatten Wand hervor.

 

Die Rundbögenfriese, welche jene Lissenen verbinden, sind gedoppelter Art, einfache über Consolen von verschiedenartig profilirter Form, und sich kreuzende, indem der kleine Verbindungsbogen jedesmal von der ersten zur dritten, von der zweiten zur vierten Console u. s. f. hinüberspringt. Der kleine Bogen besteht in beiden Fällen aus mehreren im Steinschnitt zusammengefügten nicht profilirten Ziegeln von der Dicke eines gewöhnlichen Ziegels, so dass die obere Fuge den Bogenschnitt concentrisch wiederholt und die Zwickel darüber in gewöhnlicher Weise ausgemauert sind. Bei den sich kreuzenden Bögen durchsetzen sich alle Bogeneinfassungen der Art nach derselben Richtung hin, dass eine jede derartige Einfassung die andere einmal durchschneidet und einmal von ihr durchschnitten wird. Wo beide gleichzeitig auf der Console aufsitzen, bilden sie in beiden Fällen eine senkrechte Fuge gegeneinander, da die Console selbst nur die Breite einer Bogeneinfassung hat, jede derselben also nur zur Hälfte auf ihr sich stützen kann. Der innere vertiefte Zwischenraum des Bogens bis zur Console hinab, ist durchgehend mit Kalk geputzt. Ueber dem Rundbogenfriese sind zum Theil Stromschichten übereckgelegter Ziegel zwischen den glatten Ziegelschichten angeordnet, zum Theil auch einfach profiirte Consolen, über denen der höhere Theil bis zum Dache hinauf weiter hinauskragt.

 

Der einfachere Rundbogenfries findet sich nur an den Seitenschiffen angewendet; der sich kreuzende an allen anderen Gesimsen, auch an denen, welche die schrägen Giebel der Kreuzesarme und des Chorschlusses hinanlaufen.

 

Endlich ist noch der Form der Säulen zu gedenken, welche, je drei zu jeder Seite, die Rundbögen tragen, welche Haupt- und Seitenschiffe von einander trennen, und denen analog auch die Halbsäulen gebildet sind, welche an drei Seiten eines jeden Eckpfeilers zwischen Schiff und Kreuz angeordnet sind, deren je zwei zu den grossen Bögen hinaufsteigen, die das Kreuzesmittel einschliessen, je einer aber dem Rundbogen zum Auflager dient, der aus den Seitenschiffen in das Querschiff führt; auf den Aussenseiten ruht er dagegen jedesmal auf einem einfach vortretenden Wandpfeiler.

 

Jene Säulen haben ohne das nach allen Seiten vortretende Deckgesims der Kapitäle, das allein aus Stein gebildet und im Style jener Zeit mehr oder weniger reich profilirt oder auch ornamentirt ist, eine Höhe von nur vier Durchmessern der nach oben hin nicht verjüngten, völlig cylinderförmig gebildeten Säule; dieser Durchmesser beträgt 3½ Fuss und ist dem der Mauer darüber völlig gleich. Die ganze Säule mit Einschluss der Basis und des Kapitäls ist aus sorgfältig geschnittenen Ziegeln aufgebaut, die niemals überputzt werden sollten. Die Basis ist gleichfalls völlig rund und ohne sonst üblichen viereckigen Sockel und deshalb auch ohne alle, beide Formen vermittelnde, Eckblätter oder Warzen, welche doch im gleichzeitigen Steinbau und so auch an den Säulen der Krypta herrschen. Die Basis ist nur drei Schichten von zusammen 10 Zoll hoch, deren mittlere flach wie der Schaft und auch von demselben Durchmesser ist; die obere bildet einen Rundstab, die untere dagegen einen abfallenden Karniss mit Platte darunter, welche Form hier um so zweckmässiger den Anschluss an den Fussboden vermittelt, als die Basis einer Platte ermangelt.

 

Im Gegensatze gegen die niedre Basis zeigt das Kapitäl eine bedeutende Höhe, welche mit Einschluss der schon genannten steinernen Deckplatte, dem Durchmesser der Säule ziemlich entspricht, und aus acht Ziegelschichten besteht, deren untere scharf profilirt vortretend, dasselbe von dem Schale trennt. Die Formbildung des Kapitälkörpers zwischen der untern runden Säule und der vierseitigen Deckplatte ist nun im höchsten Grade merkwürdig. Es war der Uebergang zwischen beiden Formen ohne Anwendung aller Ornamente und ohne Vorsprung eines Theiles vor der allgemeinen Säulen- und Mauerdicke zu vermitteln. Hiebei bediente man sich einer den sogenannten Würfelkapitälen des Steinbaues analogen Form. Bei den Würfelkapitälen wird auf jeder der vier Seiten ein Halbkreis, die Sehne nach oben gerichtet und das Deckgesims stützend, angeordnet und die Zwischenräume zwischen demselben bis zum Schaftringe hinab werden dann mit Kugelabschnitten ausgefüllt. Dem ähnlich verfuhr man hier auch im Ziegelbau, jedoch mit dem wesentlichen, durch das Material bedingten Unterschiede, dass hier die vier senkrechten Seitenflächen nicht aus Halbkreisen, sondern aus Trapezen bestehen, deren obere breite Seite der Breite der Deckplatte entspricht, während die schrägen Seiten die Vermittlung bilden; in anderen, in Jerichow jedoch nicht vorkommenden Fällen, verwändelt sich jene Trapezform

 

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form in die eines Dreiecks, dessen Spitze nach unten gekehrt ist, was im Wesentlichen keine Aenderung macht, da auch hier die schrägen Seiten die Vermittlung bilden. In beiden Fällen werden die Zwischenräume aber, stets der Sache gemäss, nicht wie bei den Würfelkapitälen des Steinbaues durch Kugel-, sondern durch Kegelabschnitte vermittelt.

 

Der Gesammtanblick dieser Säulen mit ihren oben geschilderten Eigenthümlichkeiten ist ein überaus ernster und dieselben tragen vorzugsweise zu dem feierlichen und doch so harmonischen Eindruck bei, den das Innere dieser Kirche gewährt. In gleicher Weise, wie schon oben die hohe Vollendung des Mauerwerks dieser Kirche in technischer Beziehung hervorgehoben wurde, lässt sich nun auch aussprechen, dass die Gesammtanordnung dieser Kirche im Innern wie im Aeussern und die Vollendung aller Details, trotz ihrer noch grossen Einfachheit, die höchste Staffel unter allen Ziegelbauten nicht nur in der Mark Brandenburg, sondern in dem ganzen weiten Gebiete, dessen wir oben erwähnten, einnimmt.

 

Diese oben geschilderten Eigenthümlichkeiten des Ziegelbaues der Kirche zu Jerichow sind nun solche, welche dem gesammten Ziegelbau innerhalb des ihm angehörigen Gebietes angehören und theilen sich wieder in solche, welche entweder in der ganzen Zeit der mittelalterlichen Baukunst, oder in solche, welche nur bis zur völligen Einführung des gothischen Baustyles angewendet wurden, die also auch dort, wo die Kultur erst später eindrang, entweder gar nicht vorkommen konnten oder doch nur in späteren bereits modificirten Uebergangsformen. Zu allen Zeiten und an allen Orten fand jene oben ausführlich geschilderte Eigenthümlichkeit der Behandlung des Mauerwerks statt, so wie das Verhältniss derjenigen Theile zu einander, welche die reine Ziegelconstruktion zeigten und derjenigen, welche mit Mörtel überzogen wurden. Für die Dauer des Romanischen Bausystems allein hatten allgemeine Geltung: die Ver- zierung der Aussenflächen mit Lissenen und deren Verbindung durch Rundbogenfriese der angegebenen Arten, so wie jene dem Ziegelbau ganz eigenthümliche Kapitälform. Letztere wurde noch über hundert Jahre später in derselben einfachen Hauptform wie zu Jerichow angewendet, wenn schon gleichzeitig daneben auch reichere Kapitälformen Geltung und endlich bei völliger Einführung des gothischen Bausystems ausschliessliche Anwendung gefunden haben. Das System der Lissenen und Rundbogenfriese ward später gleichfalls durch reichere Formenbildungen, namentlich seit Aufnahme des Spitzbogens und seiner reichen Nebenformen, modificirt, doch finden wir ihn in ursprünglich einfachster Weise selbst noch in der Mitte des XIII. Jahrhunderts angewendet.

 

Sehen wir nun diese typischen Formen des Ziegelbaues an unserer Kirche, als dem ältesten sicher datirten Beispiele, nicht nur überhaupt zur Anwendung gebracht, sondern auch in einer solchen hohen Vollendung, wie sie kein folgendes Beispiel wieder aufweist (es lässt sich vielmehr ein allmähliches Sinken der Technik wahrnehmen) — so sind wir gewiss zu der Frage berechtigt, wo und in welcher Zeit sich jene typischen Formen ausgebildet haben, da man nicht, wohl annehmen darf, dass die der Kirche zu Jerichow, wo sie in so hoher Vollendung erscheinen, auch die ersten Beispiele der Art überhaupt seien. Die Beantwortung jener Frage ist jedoch nicht allein überaus schwierig, sondern gegenwärtig wohl noch überhaupt unmöglich, da uns noch keinesweges ein genauer Ueberblick alles vorhandenen Materiales vorliegt, namentlich nicht aus denjenigen Gegenden, wo eine frühere Einführung des Christenthums, und mit ihr der Kultur überhaupt, eine solche frühere Anwendung und Ausbildung voraussetzen lässt. Statt.der eigentlichen Beantwortung jener Frage erlaube ich mir nur die Thatsache anzuführen, dass sich mehrere jener Eigenthümlichkeiten des Ziegelbaues auch im nördlichen Italien gleichfalls im XII. Jahrhundert sicher datirt vorfinden, in einem Lande, wo der Ziegelbau überhaupt wegen Mangels an Hausteinen, seit den Römerzeiten her in wenig unterbrochener Folge üblich war und theilweise zur höchsten Vollendung gedieh. An den älteren Kirchen zu Mailand, Pavia, Verona u. a. O. finden wir nicht nur die Lissenen und Rundbogenfriese, welche ja im romanischen Style Italiens und Deutschlands überhaupt vorherrschen, sondern auch speciell jene Ziegelrundbögen in der oben geschilderten gedoppelten Art und genau mit allen Details denen der Kirche zu Jerichow und so vieler anderen im nördlichen Deutschland völlig entsprechend. Eine so genaue Uebereinstimmung ist gewiss nicht zufällig und deutet sicher auf einen gemeinsamen Ursprung hin, der jedoch allerdings nicht nothwendig der eben besprochenen Zeit anzugehören braucht; vielmehr ist es wahrscheinlich, dass derselbe in eine viel frühere hinaufgreift, wie wir denn schon in den Kirchen zu Ravenna aus dem V. und VI. Jahrhundert jene Lissenen und Rundbogenfriese, obgleich seltener und in etwas einfacherer Weise vorfinden; diese aber deuten jedenfalls auf Vorbilder in Byzanz und dem übrigen Orient hin, da sich gleichzeitig in Rom nichts Aehnliches vorfindet. Dass also eine Uebertragung auf Deutschland hin stattgefunden habe, dürfte ausser Zweifel stehen; die Zeit jedoch, wann es geschehen, ist viel schwerer zu bestimmen, da wir diese Einführung gleichzeitig mit der römischen Architektur in deren Besitzungen am Rhein u. s. w. nicht wohl annehmen dürfen, indem der römische Ziegelbau in ältester Zeit wohl überhaupt nicht sichtbar bleiben sollte; erst sehr spät haben wir vereinzelte Beispiele, die schon in die Zeit hinübergreifen, wo die christlichen Basiliken allgemein aus Ziegeln ohne Abputz im Aeussern erbaut wurden.

 

(Schluss folgt)

 

 

 

Deutsches Kunstblatt

Zeitung für bildende Kunst und Baukunst.

Organ der deutschen Kunstvereine.

 

Unter Mitwirkung von

Kugler in Berlin — Passavant in Frankfurt — Waagen in Berlin — Wiegmann in Düsseldorf — Schnaase in Berlin — Schulz in Dresden — Förster in München — Eitelberger v. Edelberg in Wien

redigirt von Dr. F. Eggers in Berlin.

 

Montag, den 5. August 1850.

 

Zur Charakteristik des älteren Ziegelbaues in der Mark Brandenburg, mit besonderer Rücksicht auf die Klosterkirche zu Jerichow.

Von F. v. Quast. (Schluss)

 

(Hierbei eine Tafel mit Abbildungen.)

 

Indem ich mir eine detaillite Fortsetzung des Themas vorbehalte, füge ich eine historisch geordnete Reihenfolge der bedeutendsten älteren Ziegelbauwerke in der Mark Brandenburg bei, wie sich solche aus der sich mehr und mehr zum Gothischen fortschreitenden Architektur ergiebt, und zwar von der Mitte des XII. bis zur Mitte des XIV. Jahrhunderts. Wo Jahreszahlen vorlagen, sind sie als Anhaltspunkte benutzt. Zur Mark Brandenburg sind hier auch diejenigen Landestheile gerechnet, welche, wie das sogenannte Stiftische, worin Jerichow liegt, und das Land Stargard, ihr später entfremdet wurden.

 

1. 1136—1142. S. Marien-Kirche auf dem Harlungerberge bei Brandenburg, in den unteren, älteren Theilen.

2. 1147— 1152. Kloster-Kirche zu Jerichow, mit Ausnahme des Thurmbaues, der Seiten-Kapellen des Chors und einiger anderer Zusätze. — Stadtkirche zu Jerichow und Kirche in Redekin u. s. w. ziemlich aus derselben Zeit

3. 1165 bis nach 1179. Dom zu Brandenburg. In diese Zeit gehören die Arkaden des Schiffs und einige Wandpfeiler der Krypta.

4. Vor 1173. S. Nicolai-Kirche vor Brandenburg; die älteren Theile, namentlich das Schiff mit seinen Arkaden.

5. Nach 1180. Kloster Lehnin. Chor und Kreuz, doch ohne die Erhöhung dieser Theile und deren Einwölbung.

6. Nach 1184. Kloster Arendsee. Aeltester Gewölbbau; Kuppelgewölbe; noch vollständig im Rundbau ausgeführt.

7. Vor 1192. S. Stephan in Tangermünde. Alter Mauerrest mit Rundbogenfenstern und Lissenen, an der Nordseite der Kirche.

8. S. Marien-Kirche in Salzwedel. Alte Mauern mit sich durchschneidenden Rundbogenfriesen; vielleicht der ganze Körper der Kirche mit dem westlichen runden Hauptthurme.

9. Pfarr-Kirche in Seehausen, 1192 zuerst erwähnt. Rundbogiges West-Portal und Thurmbau.

10. S. Nicolai-Kirche in Gardelegen. Reste der Westfront mit Rundbogenöffnungen; auch alte Rundbögen im Innern.

11. S. Marien-Kirche in Gardelegen. Theile des Aeussern und Innern, nebst einem Rundbogen-Portale der Südseite.

12. 1246. Kloster-Kirche in Neu-Ruppin. Reste der Chorwände mit sich kreuzendem Rundbogenfries.

13. 1247. S. Katharinen-Kirche der Neustadt Salzwedel; Rundbogenfries am Thurme.

14. S. Lorenz-Kirche in Salzwedel; Uebergangstyl in höchster Vollendung.

15. Kloster-Kirche zu Jerichow; westlicher Thurmbau.

16. 1257. Dom zu Stendal. Thurmbau und ältere Theile des Kreuzganges.

17. 1272.? Kloster Lehnin; Schiff und Gewölbe des Chors.

18. 1270 circa. Franziskaner - (Johannes-) Kirche zu Prenzlau. Feldsteinmauerwerk, mit Ziegelfenstern. Gothische Gewölbe über Wandsäulen mit Ziegelwürfel-Kapitälen.

19. S. Jakobi-Kirche daselbst. Aeusseres der vorigen völlig entsprechend; ohne Gewölbe.

20. S. Nicolai-Kirche zu Frankfurt. Drei gleich hohe Schiffe im fast gothischen Uebergangstyl.

21. 1275. Refectorium des Domklosters zu Havelberg.

22. Kloster-Kirche zu Neuendorf in der Altmark. Einfach frühgothisch.

23. Nach 1290. Kloster-Kirche in Berlin. Frühgothisch mit Romanischen Reminiscenzen.

24. S. Maria Magdalenen-Kirche in Neustadt-Eberswalde. Frühgothisch mit Romanischen Reminiscenzen.

25. Um und nach 1300. Kloster-Kirche zu Chorin; höchst vollendet altgothisch.

26. S. Jacobi-Kirche in Perleberg: Schiff.

27. Kloster-Kirche in Neu-Brandenburg.

28. Kloster-Kirche in Neu-Ruppin; mit Ausnahme der ältern Theile ad 12. strenggothisch, hochvollendet.

29. S. Johannes- (Franziskaner-) Kirche in Brandenburg.

30. Kloster-Kirche zu Königsberg in der Neumark.

31. Schwarzes (Dominikaner-) Kloster in Prenzlau.

32. Pauliner- (Dominikaner-) Kloster in Brandenburg.

33. Kloster-Kirche zu Gramzow. Nur noch Rest eines westlichen Polygonbaues.

34. S. Marien-Kirche in Wittstock, Schiff.

 

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35. S. Marien- (Ober-) Kirche zu Frankfurt.

36. S. Marien-Kirche, zu Neu-Brandenburg.

37. S. Marien-Kirche zu Pasewalk.

38. 1325—1339. S. Marien-Kirche zu Prenzlau. Höchste Kühnheit des gothischen Ziegelbaues.

 

In der zweiten Hälfte des XIV. Jahrhunderts erschlafft der Baustyl (Beweis der Chor der S. Jacobi-Kirche zu Perleberg von 1361). In der ersten Hälfte des XV. Jahrhunderts jedoch entsteht eine Reihenfolge der grossartigsten Bauwerke, welche theils wie die S. Catharinen-Kirche zu Brandenburg (um 1400) und die S. Marien-Kirche zu Königsberg in der Neumark (1407 geweiht) die üppigste Entfaltung der durchbrochenen Flächenverzierungen, theils wie der Umbau des Doms zu Havelberg (1411 geweiht), der Dom zu Stendal (vor 1224 begonnen), die Marien-Kirche daselbst (1447 eingewölbt) und vor Allen die mächtigste Wallfahrts-Kirche in Wilsnack (um dieselbe Zeit) die grossartigsten Anlagen bei auffälliger Reinheit des Styles entwickeln. (Siehe des Verf. Aufs. über d. Dom zu Stendal, Märk. Forschungen III, 132 seq.) Die Fülle der aus jener Zeit vorhandenen Monumente veranlasst mich, nur jene bedeutenderen hervorzuheben, denen sich andere, noch immer tüchtige Werke bis weit ins XVI. Jahrhundert anschlossen, wie die erst 1519 im Gewölbe beendete Pfarr-Kirche zu Bernau.

 

Zur Erläuterung der beifolgenden Tafel.

 

Die Tafel enthält eine Zusammenstellung von 16 verschiedenen Formen von Ziegelwürfel-Kapitälen an 13 Gebäuden im nördlichen Deutschland und in Dänemark. Ich habe sie sämmtlich, mit Ausnahme des Kapitäls ad 4, an Ort und Stelle gezeichnet. Leider besitze ich nicht von allen genügende Darstellungen, da meine Zeit mir häufig nur eine flüchtige Skizze zu nehmen erlaubte. Die übrigen Figuren enthalten die Hauptformen der bei Romanischen Ziegelbauten vorkommenden Gesimse.

 

Fig. 1. Kapitäle im Schiff der Kloster-Kirche zu Jerichow. Der obige Aufsatz enthält das Nähere darüber. Der mit ziemlich alterthümlichem Ornament geschmückte Abakus ist von Stein, und hat nur an einem Kapitäle die hier gezeichnete Form; an den andern kommen verschiedenartige strengromanische Profile vor, meist Zusammensetzungen von Rundstäben und Hohlkehlen; bei einer Halbsäule des Kreuzes wird die schräge Schmiege durch übereinander vortretende Würfel geschmückt. Ueber dem Kapitäl ist der Anfang der Bogenleibung dargestellt, deren Profil einen rechtwinklichen Absatz enthält, und die in der Mitte geputzt ist.

 

Fig. 2. Vordere und Seiten-Ansicht des Kapitäls an den Ecken der Kreuzarme der Kloster-Kirche zu Lehnin (1180 gestiftet). Die ursprünglich mit einer flachen Decke überspannte Kirche (d. h. Chor und Kreuz) wurde im XIII. Jahrhundert überhöht und eingewölbt. Damals ist das Deckgesims des Kapitäls zerstört und eine viereckige Pfeilererhöhung darüber aufgemauert worden.

 

Fig. 3. Kapitäle des Mittelpfeilers der südlichen Vorhalle des Doms zu Ratzeburg. Dieselbe ist um etwas, wenn auch nicht um Vieles jünger als der Dom selbst. Letzterer, ein ausgebildeter rundbogiger Gewölbbau, mit altspitzbogigen Kreuzgewölben ohne Rippen, gehört auf keinen Fall der Gründung des Domstifts in der Mitte des XII. Jahrhunderts an, sondern frühestens dem Anfange des XIII. Jahrhunderts. Derselbe ist eine, mit den für den Ziegelbau nothwendigen Abänderungen versehene, fast wörtliche Kopie des S. Blasien-Doms zu Braunschweig, der bekanntlich erst 1172 gegründet und 1194 geweiht wurde. 1127 war wieder eine neue Einweihung dieser Kirche, und dürften die dem Ratzeburger Dome völlig entsprechenden spitzbogigen Kreuzgewölbe ohne Rippen, so wie die damit zusammenhängenden Wand- und Gewölbemalereien noch jünger sein; folglich auch die zu Ratzeburg, welche jedoch jedenfalls ursprünglich sind und noch dem XIII. Jahrhundert angehören. (Vergl. die von der meinigen abweichende Meinung von Lisch, Meckl. Jahrb. XI. 420 und die daselbst verzeichneten Citate.)

 

Fig.4. Kirche zu Bjernede bei Soroe auf Seeland. Diese interessante kleine Rundkirche wird von 4 runden Säulen, mit Kreuzgewölben ohne Gurte zwischen Gurtbögen gestützt; Alles, wie es scheint, in sehr stumpfen alterthümlichen Spitzbögen. Zufolge Rafn (Mém. sur Ia découverte de l’Amerique au dixiéme siècle, p. 46), dem ich die Skizze dieses Kapitäls entlehne, ward die in der Mitte des XII. Jahrhunderts von einem Oheim des berühmten Erzbischofs Absalom gegründete Kirche, von dem Sohne des ersteren, der an der Eroberung Arconas 1168 Theil nahm, von Steinen neugebaut; der Architektur zufolge aber sei das jetzige Gebäude noch jünger. — Obschon es nicht ausdrücklich gesagt wird, so lässt die Form der Kapitäle doch annehmen, dass sie von Ziegeln gebildet sind, während die derselben Schrift beigegebene Abbildung der Krypta des Doms von Viborg nur Säulen mit dem bekannten Steinwürfelkapitäl zeigt. (Ebenso sollen sie auch in der Krypta des Doms zu Lund sein, der mächtigsten Kirche des Nordens.)

 

Fig. 5. Kapitäle an den Halbsäulen u. s. w. des Chors und Kreuzes der Klosterkirche zu Bergen auf der Insel Rügen. S. das Nähere über diese 1193 gegründete Kirche bei Kugler (Pommersche Kunstgeschichte S. 3 seq.). Die Vergleichung mit den übrigen auf der Tafel vereinigten Beispielen lässt erkennen, wie Kuglers Vermuthung (a. a. O. S. 13) über dänischen Einfluss auf den Bau der Kirche zu Bergen und auch anderwärts in Pommern in so weit nicht unbegründet ist, als namentlich die so charakteristische Kapitälform der Kirche zu Bergen und andrer ältester pommerscher Kirchen allerdings, wie das Beispiel von Bjernede zeigt, in Dänemark einheimisch ist; nicht minder, und in noch älteren Beispielen finden wir sie aber, wie eben die vorgenannten Beispiele zeigen, auch im benachbarten Norddeutschland, von wo aus sie erst nach Dänemark gekommen sein dürften, das in jeder kirchlichen Beziehung von Deutschland fortwährend abhängig blieb; daher dürften auch die Baumeister jener pommerschen Kirchen wohl eher aus Norddeutschland herzuleiten sein.

 

Fig. 6. Kapitäle an Wandpfeilern neben dem Kreuze der Klosterkirche zu Eldena. Sie treten über Consolen aus der Wand hervor und werden von weiter vortretenden Wandpfeilern überstiegen, die den Gewölbgurten als Träger dienen. Die ganze Anordnung zeigt schon etwas sehr Manirirtes, ebenso wie die nur schwächliche, in einer Curve gebildete Uebergangsform des Kapitäls. Ich kann daher Kuglers Urtheil (a. a. O. S. 38) nur beistimmen, welcher die Errichtung der jetzigen Kirche mit der Stiftung des Klosters in den ersten Jahren des XII. Jahrhunderts nicht gleichzeitig hält. Selbst die von Kugler auf 1230 angenommene Erbauungszeit halte ich noch für zu früh.

 

Fig. 7. Kapitäl der mittleren Pfeilergruppe der Kirche zu Mölln. Diese in sich sehr vollendete und merkwürdige Kirche steht mit dem benachbarten Dome zu Ratzeburg in allen Details in sehr enger Verbindung; doch ist hier der Spitzbogen bereits fast durchgängig, namentlich in allen Hauptformen, zur Anwendung gekommen.

 

Fig. 8. Kapitäle der Wandpfeiler im Kreuzgange des Doms zu Lübeck. Das Ziegelwürfel-Kapitäl mit der dreieckigen Vorderseite wechselt hier mit der halbkreisförmigen in Fig. 8. a., derjenigen, welche, wie schon öfter bemerkt wurde, dem Steinbau eigenthümlich ist. Im Ziegelbau ist sie mir sonst nur noch

 

 

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in zwei Beispielen vorgekommen, am Südportale der Klosterkirche zu Arendsee in der Altmark (gegr. 1184) und in der Krypta des Doms zu Brandenburg, beide Male, so wie hier, in ganz kleinem Maassstabe. Gegenwärtig ist nur noch die Ostseite und eine Wand der Südseite dieses Kreuzganges vorhanden. Ich halte sie, so wie das Juwel des Uebergangstyles, die nördliche Vorhalle des Doms, für Theile derjenigen bedeutenden Bauten, welche in der zweiten Hälfte des XIII. Jahrhunderts aufgeführt wurden, und auf welche sich zwei merkwürdige, im grossherzoglichen Archive zu Oldenburg aufbewahrte Ablass-Urkunden aus den Jahren 1266 und 1276 beziehen, von welchen der grossherzogliche Archivar Dr. Leverkus die Güte halte, mir Mittheilung. zu machen.

 

Fig. 9 und 10. Zwei Kapitälformen der S. Lorenz-Kirche zu Salzwedel, erstere der unteren Bögen zwischen Haupt- und Seitenschiffe; letztere der Gewölbträger des Mittelschiffs. Noch mehrere Abarten derselben Hauptform finden sich in der Kirche vor. Es dürfe wenig Bauwerke des Uebergangsstyles geben, welche eine so geistreiche Verbindung verschiedenartigster Bauformen zu so liebenswürdigen Gestaltungen und mit einer so ausgezeichneten Technik verbinden, als wie diese kleine Kirche, welche in der zweiten Hälfte des XIII. Jahrhunderts errichtet sein dürfe. Leider sind die Seitenschiffe schon von lange her abgebrochen, und der Rest dient als Salzmagazin noch immer einer unwürdigen und der Substanz des Gebäudes gefahrdrohenden Bestimmung.

 

Fig. 11. Kapitäl der Halbsäule, welche den altspitzbogigen Gurtbogen zwischen Chor und Schiff in der S. Marien-Kirche zu Gardelegen trägt. Auch in einigen anderen Theilen dieser später völlig veränderten Kirche findet sich das genannte Kapitäl.

 

Fig. 12. Kapitäl im Schiffe der Klosterkirche zu Lehnin. Dieser Bautheil, so wie die Ueberhöhung und Einwölbung des älteren Chors und Querschiffes gehört erst dem Uebergangsstyle an, und soll im Jahre 1272 vollendet worden sein.

 

Fig. 13. 14. Kapitäle des Chors und Querschiffs der Klosterkirche zu Colbatz; 14. Gewölbträger an den Eckpfeilern zwischen Chor und Kreuz: 13. Träger der kleinen Verbindungsbögen zu den der Ostseite der Kreuzarme angebauten Kapellen. Alle Bögen sind Spitzbögen. (Vergl. Kugler a. a. O. S. 11 seq.) Die auch von Kugler als gleich alt erkannten Gewölbegrate der beiden Kreuzarme zeigen ein sehr eigenthümliches alterthümliches Profil, welches an den ad 12. erwähnten späteren Theilen der Klosterkirche zu Lehnin so genau wiederkehrt, dass man nothwendig auf Uebertragung derselben Form, in welcher die Ziegel geformt wurden, von dem einen Kloster desselben Ordens auf das andere schliessen muss. Diese Verbindung beider Klöster zeigt sich ausserdem noch an der wörtlichen Wiederholung desselben höchst ausgebildeten Rundbogenfrieses, der in Colbatz, an der westlichen Façade vorkommt (Kugler a. a. O. S. 19) und in seinen eben so eigenthümlichen wie reichen Formen nur die Annahme der Uebersendung der Formen von dem einen Kloster an das andere zulässt. (Aehnliche Verbindungen völlig übereinstimmender reicher Friesformen des spätromanischen Styles findet man auch bei den ältern Theilen des Schlosses Marienburg und der Schlosskapelle zu Lochstädt in Preussen, beide vom deutschen Orden erbaut; eben so bei den älteren Theilen der beiden Dominikaner-Kirchen zu Breslau und Krakau.) Hierdurch wird sich auch auf gleichzeitige Erbauung beider Gebäudetheile schliessen lassen, und dürften deshalb selbst die älteren Theile zu Colbatz erst gegen die Mitte des XIII. Jahrhunderts errichtet worden sein, während die Einwölbung des Querschiffs und der Bau des Schiffs nur als unmittelbare Fortsetzungen desselben Baues anzunehmen sind. Die nicht unbedeutenden Verschiedenheiten beider Theile erklären sich durch die inzwischen erfolgte Adoption des gothischen Bausystems.

 

Fig. 15. Kapitäle der Arkaden des Schiffs und der Kreuzpfeiler des Klosters Oliva. In den „Beiträgen zur Geschichte der Baukunst in Preussen“ (Neue Preuss. Prov.-Bl., IX. S. 15 seq.) habe ich über diesen Bau das Nähere mitgetheilt und nachgewiesen, dass derselbe, wo jene Kapitälform am meisten gegen Osten hin erscheint, wohl einem Neubau nach der Zerstörung im Jahre 1251 angehört und dass der Bau wohl unter Einfluss des Klosters Colbatz vollführt wurde, dessen Tochterkloster eben Oliva war.

 

Fig. 16. Kapitäle der Wandsäulen der S. Johannes-Kirche des ehemaligen Franziskaner-Klosters zu Prenzlau. Das einfache Rechteck der Kirche (auch im Osten geradlinigt geschlossen) wird an den Wänden von einfachen Halbrundsäulen mit den bezeichneten Kapitälen umstellt, welche dem schönen gothischen Kreuzgewölbe als Auflager dienen. Erstere und die Kirche überhaupt scheinen nicht älter als der letztere zu sein. Das ganze Gebäude trägt schon entschieden den gothischen Typus, trotz der einfachen Feldsteinwände, welche jedoch von grossen, in Ziegeln ausgeführten Spitzbogenblenden unterbrochen werden, die jedesmal drei altgothische Schlitzfenster zusammenfassen. Die Erbauung der Kirche dürfte nicht viel vor dem Jahre 1270 anzunehmen sein, wo dies Kloster zuerst urkundlich erwähnt wird (eine Urkunde von 1223 ist falsch) und jedenfalls erst nach der Mitte des XIII. Jahrhunderts, wo die Ukermark unter die Herrschaft der Markgrafen von Brandenburg kam und hiermit gleichzeitig daselbst erst eine wirkliche Bauthätigkeit eintrat.

 

Obigen: 16 Beispielen von Ziegelwürfel-Kapitälen, welche 13 verschiedenen Gebäuden entnommen sind, füge ich noch einige hinzu, von denen mir Zeichnungen fehlen, deren Vorhandensein mir aber theils durch eigene Anschauung bekannt ist, theils durch Beschreibungen Anderer gewiss oder doch wahrscheinlich wurde. Es sind folgende:

 

17. S. Marien-Kirche zu Jüterbogk. Die Halbsäulen unter dem Gurtbogen, zwischen Kreuz und Schiff sind mit Ziegelwürfel-Kapitälen geschmückt. Der Bogen selbst ist zwar zugespitzl; es ist jedoch wahrscheinlich, dass die Säule nebst Kapitäl noch dem älteren rundbogigen Bau angehört, den das ganze übrige Kreuz zeigt, und somit noch aus dem Ende des XII. Jahrhunderts stammen könnte. Hierzu würde es passen, dass die gesammte Kirche keine Gewölbe zeigt. Die Spitzbogen des Schiffs erklären sich durch in Folge der seit 1282 geschehenen Verlegung eines Cisterzienser-Nonnenklosters dahin, mit dem Schiffe der älteren Kirche vorgenommenen Veränderungen, da hier, der Gewohnheit bei Nonnenklöstern gemäss, deren Chor auf einer Empore anzubringen war (wovon noch Spuren vorhanden sind). Ob aber und welche Theile des Querschifts noch der ältesten Kirche von 1172 angehören, welche 1174 geweiht wurde, die aber bei dem Einbruch der Slaven im Jahre 1179 (Chr. mont. ser. ed. Mad. p. 43) wohl nicht unverschont blieb, ist sehr schwierig zu sagen, da der Styl des Querschiffs zwar im Wesentlichen derselbe rundbogig Romanische ist, jede Seite desselben jedoch von der anderen mehr oder weniger in Kleinigkeiten abweicht und auch durch vielfache Maueransätze die nicht gleichzeitige Vollendung aller Theile erkennen lässt.

 

18. Die Kirche zu Schönhausen bei Jerichow (Besitzthum des Herrn v. Bismark-Schönhausen) soll in einem der Klosterkirche zu Jerichow sehr verwandten Style erbaut sein, und auch dieselben Kapitälformen zeigen. Das nahe Verhältniss verdient um so mehr einer genauen Beachtung, als das Jahr der Einweihung der Kirche zu Schönhausen, 1212, durch eine gleichzeitige

 

 

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Urkunde festgestellt ist (Vergl. Riedel die Mark Brandenburg im Jahre 1250, I. S. 235).

 

19. Die Kirche zu Altenkirchen auf der Insel Rügen zeigt, nach Kugler (a. a. O. S. 9), an den Säulen der Wandpfeiler neben der Altarnische Kapitälformen, welche, denen der Kirche zu Bergen sehr ähnlich sind, und von ihm auch in dieselbe Zeit gesetzt werden.

 

20. Die Kapitäle der Halbsäulen an den Ecken des Kreuzes der Kirche zu Vietlübbe bei Gadebusch in Mecklenburg (Meckl. Jahrb. IV. S. 83), und

 

21. Die Kapitäle der Mittelpfeiler der Kirche zu Schlagsdorf bei Ratzeburg (ebend. VII. S. 64 u. 70) scheinen nach der Beschreibung von Lisch dieselbe Kapitälform zu zeigen. Beide Kirchen sind noch völlig im Rundbogen aufgeführt, aber mit Gewölben überdeckt. Es ist auffallend, dass sich im übrigen Mecklenburg, mit Ausnahme dieser westlichsten, zum ehemaligen Bisthum Ratzeburg gehörigen Gegend, jenes Kapitäl nirgend zu befinden scheint, obschon das ganze Land mit Kirchen im Romanischen und Uebergangsstyl fast bedeckt ist.

 

22. Auch am Dome zu Roskild auf Seeland findet sich jenes Kapitäl und wahrscheinlich noch an vielen anderen im Ziegelbau aufgeführten in Dänemark. Dem Style nach zu urtheilen gehörte jener prachtvolle Dom etwa der Mitte des XIII. Jahrhunderts an und halte ich bei Feststellung des Grundplans, namentlich der mit einem Umgange und einer Empore darüber versehenen Chorhaube, nordfranzösisch-normannischen Einfluss für wahrscheinlich.

 

Aus obiger Zusammenstellung ergiebt sich, dass das Ziegelwürfel-Kapitäl während eines vollen Jahrhunderts, von der Mitte des XII. bis nach der Mitte des XIII. Jahrhunderts über die weiten Ländergebiete verbreitet ist, welche im Westen bis zur Altmark einschliesslich, im Osten bis nach Preussen reichen, und südlich vom Fläming bis nördlich zu den dänischen Inseln reichen. Den einzelnen Ländergebieten nach liegen sie folgendermaassen vertheilt:

 

I. In der Mark Brandenburg: 1. S. Lorenz in Salzwedel. 2. S. Marien in Gardelegen. 3. Klosterkirche zu Jerichow. 4. Kirche zu Schönhausen. 5. Kloster Lehnin in zwei Formen aus zwei verschiedenen Zeiten. 6. S. Johannes- Kirche in Prenzlau. 7. Ist denselben noch anzureihen: S. Marien-Kirche in Jüterbogk.

 

II. In Pommern: 1. Klosterkirche zu Bergen. 2. Kirche zu Altenkirchen. 3. Klosterkirche zu Eldena. 4. Kloster Colbatz.

 

III. In Preussen: Kloster Oliva.

 

IV. In Niedersachsen: 1. Dom zu Ratzeburg. 2. Kirche zu Schlagsdorf. 3. Kirche zu Vietlübbe. 4. Kirche zu Mölln. 5. Kreuzgang des Doms zu Lübeck.

 

V. In Dänemark: 1. Dom zu Roskild. 2. Kirche zu Bjernede:

 

Aus der ganzen Verhandlung ergiebt sich als Resultat, dass die Mark Brandenburg wie die ältesten Beispiele, so auch die allgemeinste Verbreitung dieser Kapitälform zeigt und daher als Heimathsland derselben betrachtet werden darf. Auch zur Zeit des vollendet gothischen Bausystems, um und nach 1300, findet man hier noch mehrfach Kapitälformen, welche jenen oben genannten verwandt sind, und sich von ihnen herleiten lassen, wie im Schiffe der Kirchen zu Neustadt-Eberswalde, der Kloster- und der Marien-Kirche zu Neu-Brandenburg und a. a. O.

 

Fig. 17. Rundbogenfries an den Seitenschiffen der Klosterkirche zu Jerichow.

 

Fig. 18. Fries an den übrigen Theilen derselben Kirche, namentlich am Mittelschiffe, den Kreuzarmen, dem hohen Chore und den Chornischen, aus Rundbögen bestehend, die einander durchschneiden. In beiden Beispielen sind die vertieflen Bogenlelder geputzt. Das nähere Detail über diese beiden Formen der Rundbogenfriese, mit Rücksicht auf deren weite Verbreitung, ist in der obigen Abhandlung enthalten.

 

Fig. 19. Ein Theil des Frieses am Chore des Doms zu Ratzeburg. Während die Anordnung der sich durchsetzenden Rundbögen auf der einen Seite der Lissene völlig der Form in Jerichow (Fig. 18) entspricht, zeigt die andere ein aus sich kreuzenden geradlinigten Ziegeln zusammengesetztes Muster, dessen Maschen gleichfalls geputzt sind. Auch diesen Fries findet man bei den Ziegelbauwerken des Romanischen und Uebergangstyles ziemlich häufig angewendet, namentlich in Mecklenburg. Ziemlich gleich alt, wenn nicht noch etwas älter, findet es sich, ebenfalls im Wechsel mit dem Muster Fig. 18, bei der schönen Klosterkirche zu Arendsee in der Altmark, welche, 1184 gestiftet, eine durchaus rundbogige gewölbte Kreuz-Basilika mit der seltenen Form der Kuppelgewölbe über dem Mittelschifle, zeigt.

 

 

 

 

Quelle:

Deutsches Kunstblatt, Zeitung für bildende Kunst und Baukunst. Organ der deutschen Kunstvereine.

Nr. 29., Montag, den 22. Juli 1850. S. 229-231

Nr. 30., Montag, den 29. Juli 1850. S. 233-235

Nr. 31., Montag, den 5. August 1850. S. 241-244

F. v. Quast: Zur Charakteristik des älteren Ziegelbaues in der Mark Brandenburg, mit besonderer Rücksicht auf die Klosterkirche zu Jerichow.

 

 

 

Dieser Artikel von F. v. Quast mit seinen Fortsetzungen und der Zeichnungsbeilage ist durch die UB der Uni Heidelberg digitalisiert in folgenden Links verfügbar:

 

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