Zum 850. Jahrestag der Kaiserkrönung Lothars von Süpplingenburg

Kaiser Lothar und Kaiserin Richenza
Kaiser Lothar und Kaiserin Richenza

 


Ausschnitt aus dem Braunschweigisch-Lüneburgischen Prachtstammbaum von 1584

Seitdem die Zukunft bedrohlich und dunkel dargestellt wird, sucht man das Lichte in der Vergangenheit. Nicht lange zuvor war es umgekehrt. Das finstere Mittelalter hieß es da, und die Zukunft erschien hell und strahlend. Was davon ist objektiv, wahr?
Wır wissen, es gibt in der Außenwelt keine Tatbestände, die unabhängig vom Beobachtungsprozeß ein objektives Dasein haben. Jede Zeit hat ihr Geschichtsverständnis und ihr Zukunftsbild. Ja selbst bei einem Menschen wandeln sich Ansichten über Kleines wie Großes in seinem Leben, in seiner Umwelt, seiner Welt und seinem Geschichtsbild. Wıe erscheint das heutige Romanikverständnis und Kaiser-Lothar-Bild? Am 4.6.1133, also vor 850 Jahren wurde Lothar zum Kaiser gekrönt. Wahrscheinlich am 1.8.1135 legte er den Grundstein zu seiner, zu „unserer“ Stiftskirche.
Das 850. Jubiläum dieses Baubeginns wird schon vorbereitet. Sein Krönungstag wurde vergessen. Wır mögen eben Dome mehr denn Monarchen, schätzen Dinge oft mehr als Menschen. Nun ist dieser Kaiserdom in Königslutter aber nicht ohne Lothar denkbar und nicht ohne die mittelalterliche Monarchie. Was war das für ein Mensch, der uns Gelegenheit bietet, Aktivität und Traditionsverbundenheit an einer Kette von Feiern zu beweisen, die einer von ihm hinterlassenen Sache gelten? Wıeviel lemt man aus der Geschichte, wenn man erfährt, wo die Gestaltungsvorbilder dieses bedeutenden Erbstückes Lothars zu finden sind, wo und wie man sie nachahmte, ohne etwas über den Inhalt, die Aussage dieser herrlichen Formen zu erfahren? Genügt uns die schöne Oberfläche, die als begehrte Importware das eigene bodenständige Formengut völlig disqualifizierte? Solange der Wandel zum Bewahren wirksam ist, sollten wir sammeln, was an Werken und Wissen vorhanden ist, ohne das weniger Gefällige, das nicht so Reizvolle zu verwerfen. Kultur bedarf der Dauer.
Aus der Fülle der historischen Daten seien zu diesem Versuch einer Würdigung Kaiser Lothars die wichtigsten biographischen und einige andere wesentliche, sein Wesen sinnfällig machende, hier aufgeführt.
Wahrscheinlich 1075 wurde Lothar als Sohn des Grafen Gebhard in Süpplingenburg oder Lutterloh geboren. Sein Vater fiel am 9.6.1075 in der Schlacht bei Homburg, die die Sachsen unter Führung Ottos von Northeim, des Großvaters der Kaiserin Richenza, gegen Heinrich IV. verloren. Die 1100 vollzogene Verlobung des 25jährigen Lothar mit der etwa 5jährigen Richenza, der Tochter Heinrichs des Fetten von Northeim und seiner zweiten Gemahlin, Gertrud von Braunschweig, entsprang dem üblichen Vorrang dynastischer Interessen. Nach dem Tode Magnus' Billungs setzte Heinrich V. am 23.8.1106 Lothar als Herzog von Sachsen ein, des Landes, das nach Meinung Adams von Bremen „nur des süßen Weines entbehrt, sonst bringt es alles, was zum Lebensbedarf gehört, selber hervor."
1113 heirateten Lothar und Richenza in der St. Blasiusklosterkirche von Northeim, und am 18.4.1115 wurde ihre Tochter Gertrud geboren. In Chroniken wird auch von einem früh verstorbenen Sohn Lothar berichtet, dessen unvollständige Gebeine in dem Kindergrab neben Herzog Heinrich liegen könnten. Das Fehlen von Knochen könnte durch die Umbettung verständlich werden. Am 23.5.1125 starb Heinrich V. kinderlos, und am 30.8.1125 wurde Lothar gegen die Ansprüche des Schwabenherzogs Friedrich II. von Staufen in Mainz zum König gewählt.
Mitte November verlobte der König seine Tochter Gertrud mit Heinrich, dem stolzen Sohn des schwarzbärtigen Bayemherzogs Heinrich IX. Nach dessen Tode am 13.12.1126 wird Heinrich der Stolze als Heinrich X. Bayemherzog. Die Nordsüdachse Sachsen - Bayem, die Grundlage der Königspolitik Lothars ist geschaffen. 1129 wurde Heinrich der Löwe in Ravensburg geboren. Während seiner Kindheit weilte seine Tante, die Herzogin Judith von Schwaben mit ihrem Sohn Friedrich, dem späteren Kaiser Barbarossa, oft in Ravensburg.
Am 18.12.1127 rief die staufische Partei Konrad, den Bruder des einäugigen Schwabenherzogs, zum Gegenkönig aus. Kein deutscher Bischof stimmt dieser Proklamation zu! Konrad zog nach Italien, um sich am 29.6.1128 in Monza vom Erzbischof von Mailand zum König von Italien krönen zu lassen. Ende 1129 gewährte Lothar der von Friedrich II. im belagerten Speyer zurückgelassenen Herzogin Judith ehrenvollen Abzug und beschenkte sie sogar. Die Eroberung der Stadt wurde am Epiphaniasfest 1130 mit aller Pracht gefeiert. Am 23.3.1131, dem Sonntag Lätare (Freuet euch!), fand in Lüttich eine große Prozession anläßlich des Treffens zwischen Lothar und Papst Innozenz II. statt. Dem König wurde es oft verübelt, daß er dem päpstlichen Gast den Zügeldienst erwies. Seit 74 Jahren, als Vıctor Il. Deutschland verließ, hatte kein Papst mehr deutschen Boden betreten. Lothar erreichte seine Ziele gegenüber dem Papst mit Erweisen dieser Formalität besser als durch demonstratives Verweigern. Lothar war erfahrener Pragmatiker. Er griff nicht nach unreifen Früchten, sondem konnte warten, bis sie ihm reiften.
In Rom feierte der Gegenpapst Anaklet II. die Prozession der Goldenen Rose. Die Heerfahrt Lothars nach Rom wird von den Fürsten beschworen. Nach der Feier von Mariä Himmelfahrt am 15.8.1132 brach Lothar mit 1500 Reitern von Würzburg nach Rom auf, wo er am 30.4.1133, dem Sonntag Rogate (lat. rogo = jemanden einladen, um etwas bitten, etwas holen!), in den Aventin, die Residenz Ottos III. einzog. Mit der Wahl dieses Quartiers zeigte er sich den Römern als Erbe der Ottonen, nicht der Salier.
Am 4.6., dem 2. Sonntag nach Trinitatis, fand die Kaiserkrönung durch Innozenz II. in der konstantinischen Lateransbasilika statt. Richenza war immer an Lothars Seite. Vier Tage später garantierte das Römische Konkordat dem Kaiser seine Rechte gegenüber der Reichskirche. Nach dem berühmten Wormser Konkordat von 1122, an dem Lothar nicht teilnahm, hatte jeder Kaiser nur soviel Recht gegenüber Papst und Kirche, wie er sich selbst eroberte, da Heinrich V. die dort festgelegten kaiserlichen Rechte nur für seine Person gewährt bekam. Lothar verzichtete auf die Krönung in der Peterskirche, die noch von Anaklet beherrscht wurde. Ob er nach der Eroberung des Vatikans und Beseitigung des Gegenpapstes das gleiche erreicht hätte wie bis zu seinem Aufbruch von Rom am 11.6.1133? So lange hatte er sich seit Regierungsantritt nirgends aufgehalten. Nirgends auch so erfolgreich. Durch Aufstecken eines Ringes hatte er auch die seit 1115 umstrittene Nutzung der reichen Mathildischen Güter für nur 100 Pfund Silber jährlich übertragen bekommen. In seinem Grab wurden zwei Ringe gefunden. Ist einer davon der päpstliche? Welcher könnte höheren Rang als kaiserliche Grabbeigabe haben? Am 15.8.1134 bricht das kaiserliche Heer wieder nach der Mariä-Himmelfahrts-Feier von Würzburg zum Feldzug, zum Zug gegen den dreimal geächteten Schwabenherzog und dessen Bruder, den Gegenkönig Konrad auf. Lothar besiegt sie endgültig, vergibt ihnen, beläßt ihnen ihre herzoglichen Titel und Ländereien und macht seinen vormaligen Gegenkönig sogar zum Reichsfahnenträger.
Am 15.8.1135 in Merseburg anerkennt auch Boleslaw III. von Polen Lothar als Lehnsherren und zahlt den zwölf Jahre verweigerten Tribut von 500 Pfund Silber jährlich nach. König Erik II. von Dänemark leistet ebenfalls den Vasalleneid. In zehn Jahren hat Lothar das Bauwerk seines Reiches in den wesentlichen Teilen errichtet, solide wie seine Stiftskirche, die er zwischen seinen beiden größten Hoftagen von Bamberg und Merseburg in Königslutter gründete. Beide Werke wurden nicht seinem hohen Anspruch gemäß vollendet.
In Merseburg wurde der zweite Italienzug beschlossen. Lothar zögerte ihn hinaus und mußte auf vielerei Drängen dann doch aufbrechen. Wıeder nach Mariä Himmelfahrt und wieder von Würzburg aus. Zwar gelang es Lothar und Heinrich dem Stolzen mit ihren Truppen, den Normannenkönig Roger II. von Sizilien in Unteritalien zurückzudrängen, der endgültige Sieg über ihn war aber nicht möglich. Unzufriedenheit im Heer, für Papst und Byzanz in süditalienischer Hitze kämpfen zu sollen, und Krankheit zwangen den Kaiser zurUmkehr. Am 22.9. äußerte er dem Abt des Benediktinerstammklosters Monte Cassino Todesahnungen, und in der Nacht vom 3. zum 4. Dezember 1137 starb er in Breitenwang in Tirol. Von dort führte seine letzte Reise nach Königslutter.
Seine Wegstrecken in die Landkarte gezeichnet ergäben ein dichtes Netz und veranschaulichten eine rastlose Aktivität. Man zögert, zum Wohle des Volkes zu sagen, weil diese Worte zu oft gebraucht und mißbraucht wurden, aber welche sollten sonst hier zutreffen? Auch die 82 überkommenen Urkunden Lothars demonstrieren sein Bemühen um das Wohl der neuen sozialen Gebilde an der Basis, deren Dauerhaftigkeit den inneren Frieden maßgeblich sichem. 70 Urkunden betreffen Klosterangelegenheiten: Stiftungsbestätigungen, Schutzbriefe, Schenkungen, Güteraustausch, Freiheitsbriefe. Sieben gewähren Privilegien für Städte und Kaufleute. Da wird der Schiffszoll auf der Elbe herabgesetzt, den Quedlinburgern das gleiche Recht eingeräumt wie den Kaufleuten von Goslar und Magdeburg, den Bürgern von Duisburg erlaubt, Steine für ihren Eigenbedarf im herzoglichen Wald zu brechen und den Straßburgern das Recht erteilt, daß keiner auswärts vor Gericht zu erscheinen brauche. An exponiertester Stelle des Ostteils der Stiftskirche, des lotharingischen Teils, an dem jedes Detail bewußt gewählt und meisterhaft ausgeführt und eingegliedert wurde, befindet sich der Jagdfries, der die Quintessenz der Lebenserfahrung Lothars ausdrücken könnte:

„Was wir erjagen wollen, das bindet uns, was wir erjagt haben, dem unterliegen wir."

Otto Kruggel

 


veröffentlicht in:
Das Moosholzmännchen
heimatkundliches Beiblatt des Iutterschen Stadtbüttels
Nr. 157/1983   Juli 1983

 

 

Weitergehende Informationen zur Regierungszeit Kaiser Lothars sind in Wikisource, der freien Quellensammlung zu finden:

http://de.wikisource.org/wiki/Topographia_Braunschweig_Lüneburg:_Königslutter

Hier wird zu seiner Regierungszeit folgendes hervorgehoben:

 

 

"Bey dieses (Lotharii) Regierung ist eine angenehme Zeit gewesen. Dann weil die Lufft für vnd für gesund vnd rein / der Erdbodem auch alle Jahr das seine reichlich gab / war nicht allein im Reich / sondern fast in gantzer Welt alles dinges ein Vberfluß. Er hatte beständigen [135] Friede / strebte nach Einigkeit / vnd regierte in guter Ruhe / war im Fried vnd Kriegssachen sehr berühmt / dahero Er bey vns vnd vnsern Nachkommen vor einen Vatter deß Vatterlandes muß gehalten werden / dieweil Er die seinigen mannlich verthädiget / vnd als ein starcker Held beschützete; schewete hierunter keiner Gefahr / noch sein Leib vnd Leben für die Gerechtigkeit in die eusserste Gefahr zu setzen. Vnd damit ich auffs herrlichste von ihm rede / bey seinen Zeiten fürchtete das Landvolck ihren Landesfürsten nicht / litte auch von keinem gewaltthätigen einige Vberlast vnd Trangsal / sondern ein jeder genoß deß seinen mit gutem Frieden / den Er der Kirchen wiederbracht / wir Ihme billig wünschen / daß Er in gutem Frieden im HERRN schlaffen / vnd der ewigen Seligkeit geniessen möge."





Quelle: Stadtspiegel, 20. Jg., 1. Dezember 2012 23/12 S.6

 

tl_files/Fotos/Allgemein/850 Jahre Kaiserdom/850-Jahre-Koenigslutter.jpg

tl_files/Fotos/Allgemein/850 Jahre Kaiserdom/850-Jahre-Koenigslutter-Kaiserfamilie.jpg

 

Quelle:

tl_files/Fotos/Allgemein/850 Jahre Kaiserdom/Quelle-Kreisanzeiger-19850712-small.jpg

 

 

Lothars Zeit als Herzog



Politische Geschichte Deutschlands

unter der Regierung der Kaiser Heinrich V. und Lothar III.

von Dr. Eduard Gervais,

Privatdocent an der Universität Königsberg

 

Erster Theil. Kaiser Heinrich V.

 

Leipzig: F. A. Brockhaus. 1841

 

 

Inhalt.

Seite

Vorwort VII

 

Erster Abschnitt. Einleitung. Staat und Kirche. Heinrich's V. Empörung gegen den Vater und Regierungsantritt. Sein Verfahren bei Besetzung der großen Reichslehen. Lothar, Herzog von Sachsen. Die Hohenstaufen. Die Welfen. Die Hierarchie. Der Investiturstreit. Heinrich's Sieg über Paschalis II. Sein Streben, die Geistlichkeit und die Fürsten zu beugen. Die deutschen Städte 1

 

Zweiter Abschnitt. Verhältnisse in Sachsen. Slavenkrieg. Stadische Händel. Lothar wider Heinrich V. Beilegung des drohenden Bürgerkrieges 54

 

Dritter Abschnitt. Der weimar-orlamündische Erbfolgekrieg. Erzbischof Adalbert von Mainz in Verbindung mit der Kirchenpartei und den sächsischen Rebellen. Reinald von Bar. Allgemeiner Aufstand Norddeutschlands. Schlacht im Welfesholze 92

 

Vierter Abschnitt. Folgen der Schlacht am Welfesholze. Kirchliche und politische Parteien in Deutschland. Adalbert von Mainz und Herzog Lothar, Vertreter der Kirchen- und Fürstenrechte. Heinrich's Unterhandlungen mit den Sachsen. Sein zweiter Zug nach Italien. Die Mathildische Erbschaft. Die Hoffnung auf friedliche Ausgleichung des Streites zwischen Reich und Kirche durch die Einnahme Roms vereitelt, durch Paschalis' II. Tod gänzlich geschwunden. Kirchenschisma. Gelasius II. und Gregor VIII. Heinrich's Rückkehr nach Deutschland 138

 

Fünfter Abschnitt. Kämpfe in Deutschland während des Kaisers Abwesenheit. Lothar und Friedrich von Schwaben. Unterhandlungen der Parteien. Adalbert von Mainz und Kuno von Präneste. Heinrich's Rückkehr und letzte Anstrengung wider die Kirchenpartei. Der Tod Gelasius' II., die Erhebung Calixtus' II. Unterhandlungen zu Straßburg. Reichsversammlung am Rhein 189

 

____

VI Inhalt. Seite

Sechster Abschnitt. Neue Hindernisse des Friedens. Synode zu Rheims. Heinrich's Unterhandlungen mit den Sachsen. Adalbert's Intriguen. Entscheidung des Kampfes durch die vereinigten Fürsten. Vertrag zu Würzburg. Ende des Investiturstreites. Concordat zu Worms 265

 

Siebenter Abschnitt. Zustand des Reiches nach dem Bürgerkriege. Zerwürfnisse in Sachsen. Holländische Fehde. Heinrich's Bestreben, die Macht der Fürsten zu trennen. Lothar, Schirmer der Fürstenrechte. Adalbert's Stellung zu Kirche, Reich, und Fürsten. Krieg mit Frankreich. Heinrich's Tod 356

 

 

____

VII

 

Vorwort.

 

Eine gründliche Darstellung der Regierung Kaiser Lothar's III. fehlte bisher in der Reihe historischer Werke, welche die vaterländische Geschichte durch kritisch sichtende Benutzung der Quellen zum Gegenstand der Wissenschaft und durch ein belebendes Interesse zum Gemeingut der Nation machten. Die Lücke mußte um so fühlbarer erscheinen, als das fränkische Kaiserhaus vor und das der Hohenstaufen nach jener so ausgezeichnete Bearbeiter wie Stenzel und v. Raumer gefunden hatte. Lange trug ich Scheu, mit einem Werke, das zwischen den ihrigen Platz gewinnen sollte, auch gleichsam zwischen ihre gefeierten Namen den meinigen einzudrängen, und obwol seit neun Jahren schon mit Forschungen in dem gleichen Gebiete beschäftigt, wollte ich doch nur einem untergeordneten, wenn auch auf den Gang der Reichsbegebenheiten nicht wenig einflußreichen Fürstengeschlechte meine Arbeit zuwenden. Die Ungunst des Verlags gestattete mir aber nicht, diese in ihrem ganzen Umfange, sondern nur Bruchstücke davon der Oeffentlichkeit zu übergeben. Da entschloß ich mich, wozu ich vergeblich Andere aufgefodert *), selbst zu unternehmen, obschon

 

*) In einer Abhandlung: „Friedrich Barbarossa, Heinrich der Löwe und die deutschen Fürsten in ihren Verhältnissen zu einander“ (f. Neue Jahrbücher der Geschichte und Politik, herausgegeben von Fr. Bülau 1839, Mai-, Juni- und Juliheft 1839), machte ich S. 322, Anm. 1 auf den Mangel einer Biographie Kaiser Lothar's aufmerksam und versprach in meiner „Geschichte der Landgrafen von Thüringen“ manches Wichtige zu beleuchten. Zu diesem Werke fand sich wegen Kostspieligkeit des Unternehmens kein Verleger. Ein längerer (20 Druckbogen starker) Aufsatz: „Geschichte der Pfalzgrafen von Sachsen“ ist ein Bruchstück jenes. Der thüringisch-sächsische Verein für Erforschung des vaterländischen Alterthums nahm ihn in seinen Mittheilungen, Bd. IV, Heft 3 u, 4, Bd. V, Heft 1 — 4, Bd. VI, Heft 1 (jedesmal zu Anfang) auf und versprach ihn auch als besonderes Werk herauszugeben, was aber unterblieben ist (wenn ich in nachfolgendem Werke auf jene Geschichte der Pfalzgrafen von Sachsen verweisend neben dem §. die Seitenzahl nach den mir vom thüringisch-sächsischen Verein verabfolgten Separatabdrücken die Seitenzahl bemerkt habe, so werden die meisten Leser nur nach dem §. nachzuschlagen haben, da die Separatabdrücke in Weniger Händen sein möchten). In Bd. V, Heft 4, S. 23, Anm, 1 gab ich bereits meinen Entschluß kund, die fühlbare Lücke in der Geschichte des deutschen Mittelalters ausfüllen zu wollen. Noch hat Niemand, soviel mir bekannt ist, der gleichen Arbeit sich unterzogen. Ich bin weit entfernt zu glauben, daß nicht nach mir noch Manches zu ergänzen und zu berichtigen sein wird.

 

 

____

VIII Vorwort.

 

ich fühlte, daß mein für einen speciellern Gegenstand auf einer früheren Reise durch Deutschland gesammeltes Material nicht erschöpfend und noch weniger die mir hier am Ort gebotenen Hülfsmittel zureichend seien. Zu diesen äußeren Schwierigkeiten kam noch eine Bedenklichkeit, die aus der Prüfung und Durchforschung des zu behandelnden Gegenstandes selbst hervorging. Erschien mir nämlich früherhin das Urtheil vieler neueren und hochgerühmten Geschichtschreiber, die Lothar's Regierung entweder als Uebergang zum Gebiete ihrer Forschungen nicht unberührt lassen konnten oder in bändereichen Werken deutscher Geschichte weitläufiger besprachen, im Einzelnen ungerecht, einseitig, parteiisch, so erkannte ich nun, daß fast durchweg bei gehöriger Benutzung und Sichtung der von ihnen wie von mir zu Rathe gezogenen Quellen, von einem Standpunkte aus, wie ihn die Personen, Ereignisse und Verhältnisse jener Zeit fodern, nach unbefangener Prüfung dieser aller ein anderes Resultat zum Vorschein komme, als sie es geliefert haben.

 

Lothar wurde entweder den vorausgehenden fränkischen Kaisern oder den nachfolgenden Hohenstaufen geopfert und theilte dies Loos mit anderen in ähnlicher Weise zwischen zwei gefeierten Dynastien stehenden oder eine solche unterbrechenden Herrschern. Doch eben seine Stellung zwischen den genannten Kaisergeschlechtern, seine von beiden abweichende Politik, die durch ihn begründete Uebermacht des Welfischen

 

 

____

IX Vorwort.

 

Hauses veranlaßte mich zu einer näheren Beleuchtung seiner Regierung, wobei freilich ein unbefangenes Urtheil allein mich davor bewahren konnte, daß ich nicht das Verdienst des Mannes einerseits über dem Ruhm, der seinen Vorgängern und Nachfolgern gespendet worden ist, verkannte, andererseits nicht ohne Nachweis mit größerem Lobe als von Anderen geschehen, herausstellte. Durch eine genaue Angabe der Quellen, durch kritische Prüfung der oft von einander sehr abweichenden Chronisten und Parteischriftsteller glaubte ich am besten meine Darstellung und mein Urtheil zu rechtfertigen. Freilich erfoderte dies viele und mitunter lange Anmerkungen, was nicht allen Lesern gefallen wird, weil ich sie oft nöthige, vom Text in die Anmerkungen zu blicken, wo sie nicht bloße Citate zum Nachschlagen, die sich leicht überspringen lassen, sondern die Beweisstellen selbst oder eine Vergleichung mehrer gegeneinander finden. Auch mir wäre das bloße Citiren eine große Erleichterung gewesen, und ich hätte mit viel geringerer Mühe die Zahl alter und neuer Citate vermehren können, als die sehr lästige und Zeit raubende Anführung der benutzten Quellen mir gekostet hat, wäre nur jene übliche Gewohnheit vieler Gelehrten mir nicht als eine - sehr übrige erschienen! Wie viele Leser schlagen wol die oft maßlos und nutzlos angehäuften Stellen nach? Und wie viele falsche, nichts oder wenig beweisende Citate laufen nicht selbst sorgfältigen Autoren durch die Feder? Ueberdies wie wenig zugänglich, wie wenig verbreitet sind noch immer die mittelalterlichen Quellenschriftsteller? Nur aus diesen wollte ich meine Belege hernehmen; einerseits aber sie nicht nutzlos anhäufen, andererseits mein von vielen und oft sehr gepriesenen Geschichtschreibern abweichendes Urtheil schlagend bekräftigen. Somit konnte ich, durfte ich die längeren Anmerkungen nicht vermeiden.

 

Ueberflüssig wurde hierdurch auf dem Titel hinzusetzen: bearbeitet nach den Quellen o. d. g., wenn bei einem wissenschaftlichen Werke solcher Zusatz nicht überhaupt überflüssig

 

____

X Vorwort.

 

scheint. Gleichwol bedarf der von mir gewählte Doppeltitel einer Rechtfertigung. Ich nenne mein Werk eine politische Geschichte Deutschlands, um von vorn herein die Tendenz desselben genauer zu bezeichnen. Nicht blos eine Biographie Lothar's, nicht seine Regierungsgeschichte zu schreiben war meine Absicht, sondern ein Bild zu entwerfen von der Umgestaltung, die durch den Uebergang von der hundertjährigen Herrschaft der fränkischen Kaiser auf einen Mann, der nach ganz entgegengesetzten Grundsätzen Deutschland regierte, im Innern des Reiches und nach Außen herbeigeführt wurde. Was unter jenen entstanden war, was unter diesem sich veränderte, war nicht allein das Werk der Herrscher selbst. Die Päpste, die Geistlichkeit, die Fürsten, die Städte, alle Stände der Nation wirkten unmittelbar oder mittelbar, bald die einen bald die anderen, bald einzeln bald insgesammt auf die Verhältnisse Deutschlands ein und zwangen oft dem Reichsoberhaupte ihren Willen statt des seinen auf. Darum mußte meine Darstellung bei den Urhebern oder Trägern der sich entwickelnden und herbeigeführten Zustände verweilen, sei es, daß der Papst oder der Kaiser die Geistlichkeit oder die Fürsten, die Städte oder das Volk mit oder gegen einander jenes vermittelten. Ein Zurückgehen in die Vergangenheit, zuweilen auch ein Hinweisen auf spätere Zeiten war unerläßlich. Eine Ungleichheit möchte es scheinen, wenn ich bei den kleineren norddeutschen Fürsten, zumal den sächsischen, länger verweile und die Nachweisung ihres Ursprungs, ihrer Familienverhältnisse und Schicksale mit größerer Ausführlichkeit gebe, während ich der süddeutschen nur erwähne, wo sie in den Gang der Reichsbegebenheiten eingreifen. Um mich darüber im Voraus zu rechtfertigen, bemerke ich:

 

Erstlich: Daß in Norddeutschland damals schon wie bis auf gegenwärtige Zeit mehr unabhängige, wenn auch kleine Fürsten dastanden, während im Süden die National-Herzöge die Grafen, Markgrafen, Pfalzgrafen und andere sich unterordneten

 

 

_____

XI Vorwort.

 

und jene als Landesherren allein eine politische Wichtigkeit behielten.

 

Zweitens: Daß die norddeutschen Fürsten, größere wie kleinere, unter den beiden letzten fränkischen Kaisern durch ihre Opposition, unter Lothar durch ihren engen Anschluß an diesen vornehmlich die Veranlassung zu den Umgestaltungen im Innern des ganzen Reiches gaben und auf die Stellung des Königs zu Kirche und Staat wesentlich einwirkten.

 

Wie aber hätte ich Lothar's steigende Macht, seine ganz entgegengesetzte Politik und vornehmlich die Umgestaltung der innern und äußern Verhältnisse Deutschlands unter seiner Regierung anschaulich machen können, ohne die sinkende Macht Heinrich's V., seine verderbliche Politik und den Verfall des Reiches unter seiner Regierung vorauszuschicken? Wäre nur eine Biographie Lothar's, nicht eine politische Geschichte Deutschlands der Gegenstand eines Werkes, so hätte ich mit jenem als Herzog, als Gegner Heinrich's V. beginnen und hiermit den gleichen Zeitraum von 1106 — 1125, der des letzten fränkischen Kaisers Regierung umfaßt, ausfüllen können. Doch um alle die Gegensätze beider Regierungen, die Umgestaltungen, die nicht blos durch den Wechsel der Herrscher veranlaßt wurden, sondern in viel verschlungenen Verhältnissen, in fern abliegenden Ereignissen ihren Grund hatten, klar zu entwickeln, mußte ich die Fäden früher und weiter aufsuchen und die Regierung Heinrich's V. ganz in den Kreis meiner Darstellung ziehen, doch so, daß ich Alles, was dieselbe mit den vorausgehenden Ereignissen verbindet, ohne wesentlich auf die nachfolgenden Umgestaltungen einzuwirken, ausschied, viele Tatsachen, die in ihrer genaueren Entfaltung kein für die Folge wichtiges Moment bieten, kurz berührte, dagegen manche in ihrem Erscheinen unwichtigen, doch für die Folgezeit bedeutsamen Vorfälle, sowie Personen und Verhältnisse, die ein Geschichtschreiber der fränkischen Kaiser oder nur Heinrich's V. unerwähnt lassen konnte, wegen ihres spätern Einflusses nicht

 

 

____

XII Vorwort.

 

übergehen durfte. Diese Rücksichten überwanden meine Scheu, die Regierungsgeschichte eines Kaisers noch einmal aufzunehmen, die Stenzel's treffliches Werk schon mitumfaßt. Bot letzteres für meine Arbeit eine treffliche Grundlage, so gestattete es mir auch Vieles ganz zu übergehen und auf das unumstößlich Begründete und nicht leicht besser Darzustellende in den Anmerkungen zu verweisen. Wo ich seine Ansicht nicht theilte, habe ich freimüthig die meinige entgegengestellt und aus den Quellen, die mir das Wahre oder Wahrscheinlichere darthaten, nachgewiesen. Auch Urtheile anderer Gelehrten habe ich dankbar anerkannt oder unumwunden zu widerlegen gesucht, und hoffe keines Tadel dadurch mir zugezogen zu haben, auch nicht dann, wenn ich ihre Resultate und Ansichten ganz abzulehnen oder als mangelhaft und falsch nachzuweisen veranlaßt wurde. Meinerseits bin ich weit entfernt zu glauben, daß ich auf dem oft unsichern, fast spurlosen Pfade niemals geirrt haben könnte.

 

Somit übergebe ich den ersten Theil meines Werkes, dem der zweite so schnell, als es der Druck gestattet, nachfolgen soll, der Oeffentlichkeit, bereit, jede wissenschaftliche Widerlegung, jede gründliche Nachweisung eines Irrthums oder unrichtigen Verständnisses der mir dürftig und oft in schlechten Ausgaben gebotenen Quellen und Hülfsmittel, besonders jede Ergänzung zu dem von mir Gelieferten mit Dank anzuerkennen, aber auch entschlossen, jeder oberflächlichen Beurtheilung, hämischem Tadel, wegwerfender Geringschätzung, die mein emsiges, sorgfältiges Streben nicht verdient, mit allen mir zu Gebote stehenden wissenschaftlichen Waffen zu begegnen.

 

Königsberg, den 24. August 1841.

E. Gervais

 

 

___

1

 

Erster Abschnitt.

 

Einleitung. Staat und Kirche. Heinrichs V. Empörung gegen den Vater und Regierungsantritt. Sein Verfahren bei Besetzung der großen Reichslehen. Lothar, Herzog von Sachsen. Die Hohenstaufen. Die Welfen. Die Hierarchie. Der Investiturstreit. Heinrich's Sieg über Paschalis II. Sein Streben, die Geistlichkeit und die Fürsten zu beugen. Die deutschen Städte.

 

Als die Schwäche der Karolingischen Kaiser das deutsche Reich in Gefahr brachte, von äußeren und inneren Feinden geschmälert und zerrissen zu werden, konnte nur die Vereinigung der Stände den gänzlichen Verfall desselben verhüten, und indem sie durch freie Wahl einen kräftigen Fürsten auf den Thron erhoben, den Umfang der alten Grenzen und den Zusammenhang der aus verschiedenen Nationen gebildeten Monarchie erhalten. Die Absetzung Karl's des Dicken, die Erhebung Arnulf's sind das Vorspiel des später gesetzlich gewordenen Zusammentretens der deutschen Fürsten und Völker zur Wahl eines Königs, wenn das Reich verwaist oder von seinem bisherigen Herrscher nach der Meinung der Stände schlecht verwaltet war. Seitdem gab es nicht mehr ein unbedingtes Erbrecht an die Krone, wenn man auch nicht ohne Grund von dem alten Herkommen abwich und bereitwillig dem Sohne des zeitigen Reichsoberhauptes noch bei Lebzeiten des Vaters die Nachfolge zusicherte. Daß hierzu die Beistimmung der Reichsstände nothwendig war, zeigte dem deutschen Könige, wem er seine Erhebung vornehmlich verdanke. Zwar ehrten die Wähler das Andenken an Karl den Großen, den Schöpfer

I. 1

 

 

____

2 Erster Abschnitt.

 

der deutschen Monarchie, noch Jahrhunderte lang, indem sie auf Abstammung von ihm bei der Wahl eines neuen Herrschers ganz besonderes Gewicht legten, allein bei der Eifersucht der Volksstämme und der mächtigsten Fürstenhäuser, wurde der Ruhm, von dem großen Kaiser entsprossen zu sein, bald soweit ausgedehnt, daß bei dem Uebergange der Krone von einer Nation auf die andre, von einem Geschlecht auf das andre die Ehrfurcht vor dem unvergeßlichen Ahnherrn nie mehr verletzt schien.

 

Durch die Verwandlung der Erbmonarchie in ein Wahlreich war einerseits der Unfähigkeit, andrerseits der Willkür des Herrschers vorgebeugt; und in der That, die Geschichte des deutschen Mittelalters rechtfertigt in beiden Beziehungen eine Verfassung, die der ganz veränderte Geist unseres Jahrhunderts so oft als die verderblichste aller Regierungsformen darzustellen bemüht ist. Keinen schwachen Regenten hat Deutschland aufzuweisen, so lange einmüthig der Wahlakt vollzogen und das Partei-Interesse, das dabei freilich nicht ganz unterdrückt werden konnte, noch nicht durch Bestechung oder andere unerlaubte Mittel herabgewürdigt wurde. Der Willkür und Tyrannei wehrte der Freiheitssinn der Völker und der Stände, denen der Krieg mit all seinen Schrecken weniger verhaßt war, als ein Zustand unwürdiger Abhängigkeit von dem Willen eines sich Alles erlaubenden Herrschers. Nicht nach heutigen Begriffen von Völkerglück und von der Nothwendigkeit einer geregelten Staatsmaschine dürfen die Zustände des Mittelalters beurtheilt, nicht Rohheit, Barbarei, geistige Beschränktheit als die einzigen Eigenschaften jener Jahrhunderte des Kampfes und der Durchbildung angesehen, sondern ein Standpunkt gewonnen werden, der uns einmal freier, als sonst gestattet ist, aus den Schranken der Gegenwart treten läßt und über das Gebiet selbst, das wir überblicken wollen, emporhebt. Sonst verkennt man zu leicht die größte aller Wohlthaten, welche uns Deutschen zu Theil geworden: daß wir in unserm Völkerleben eine herrliche, kräftige, ruhmreiche Jugendzeit durchgemacht haben, die uns damals vor allen Völkern der Erde groß machte und die uns jetzt eine Reife der Entwickelung ahnen läßt, welche, wenn sie nicht durch fremdes Element vergiftet wird, der deutschen Nation dereinst einen Vorrang vor andern geben muß, die ihr Jugendalter minder herrlich durchlebten, oder die nur ein verkümmertes genossen, oder die aus langer Kindheit, Barbarei und geistiger Beschränktheit durch eine fremde aufgepfropfte Kultur anstatt nach nothwendiger Selbstdurchbildung sogleich in ein scheinbar reifes, in Wahrheit aber ewig unreifes Mannesalter traten. —

 

 

____

3 Staat und Kirche.

 

Lag den Völkern und Fürsten ob, ihre Freiheit gegen schädliche Gewalt des Reichsoberhauptes zu bewahren, so ging dieses Absicht dahin, der Nation sich zu versichern und die Uebermacht der Fürsten zu brechen. Während dieser Reibung zwischen Haupt und Gliedern des Staats trat die Kirche, vor deren Lehren und Dienern das deutsche Gemüth, der echt christliche Sinn der Nation auch im Sturme der aufgeregten Leidenschaften, im Gefühl der angebornen Freiheit, wie im Bewußtsein der errungenen Herrschaft sich lenksam, gläubig und voll Ehrfurcht neigte, als politisch wirksame Macht hervor 1). Wer vermag es zu leugnen, daß trotz der Uebergriffe und der wachsenden Anmaßung der Hierarchie im Mittelalter die Kirche, concentrirt in der Anerkennung eines sichtbaren Stellvertreters Christi als des gemeinsamen Oberhauptes, ein Element war, welches in den wilden Kampf der mit weltlichen Waffen sich Vernichtung drohenden Parteien eine leitende und läuternde geistige Idee brachte und dadurch eine harmonische Entwickelung im Staate möglich machte? Wie hoch auch ihre Gewalt stieg, wie anmaßend sie sich zur Gebieterin der Welt zu machen trachtete, sie lähmte und untergrub nie die angebornen Kräfte der Völker und Individuen. Bemüht, diese zur eigenen Machtvergrößerung zu benutzen, übte, erhöhte sie dieselben in ihrem Dienste und bereitete den Sturz alternder Formen und die Entwickelung neuer Ideen vor.

 

1) Sehr richtig weist Schlosser in seiner „universalhistorischen Uebersicht der Geschichte der alten Welt und ihrer Kultur“ Th. 3, Abth. 2, 3 u. 4 die politische Macht der Geistlichkeit schon seit Konstantin dem Großen im römischen Kaiserreiche nach. Wie anders aber verhalten sich zu ihr die bigotten Herrscher und die entarteten Völker der Römerwelt als Deutschlands Fürsten und Nationen. Man vergleiche nur eben bei Schlosser das Verfahren eines Konstantin und Theodosius des Großen mit dem eines Odoaker und des ostgothischen Theodorich. Um im Mittelalter eine feste Basis zu erlangen, mußte die Kirche als solche sich erst im Papstthum constituiren, aus der Gewalt von Herrschern emancipiren, die nicht wie Roms Kaiser an ihrer Spitze standen und sie als Werkzeug gebrauchten, sondern ihrer Anmaßung entgegentraten und sie zu beschränken suchten. Daß solches nicht mehr gelang, hatten ein Konstantin und Theodosius veranlaßt, und die deutschen Kaiser selbst durch ihr zu frühes Sichüberheben aus dem altgermanischen Feudalsystem, ehe dessen hemmende Macht und nothwendige Schranke vernichtet waren, verschuldet. Der Kampf der kirchlichen Parteien im römischen Reiche wurde ein Kampf der weltlichen und kirchlichen Gewalt im Staate. War vorher diese getheilt, so war es nunmehr jene; nur die aufstrebende Kraft der Völker selbst vermochte und vermag den Kampf und jeden Misbrauch der einen oder der andern Gewalt zu unterdrücken.

1*

 

 

____

4 Erster Abschnitt.

 

Die Zeit des fränkischen Kaiserhauses ist es, wo die drei Gewalten im Wechselkampfe wider einander auf deutschem Boden sich in einer Weise erhoben, wie bis dahin die Welt sie nicht gesehen, ja nicht geahnet hatte. Zwar Konrad II. und Heinrich III. zügelten mit überlegner Kraft noch einmal den Freiheitsdrang der Völker, den Trotz der Fürsten, und wachten über die emporringende Kirche. Indeß noch hatten Völker und Fürsten nicht mit vereinten Kräften der Herrschergewalt ihre Uebermacht zu nehmen versucht, noch war die päpstliche Gewalt keine von der Kirche selbst anerkannte, von dem Kaiser unabhängige. Schwerlich würden beide so schnell vorgeschritten sein, wenn auf den kräftigsten aller deutschen Könige nicht ein unmündiges Kind gefolgt wäre, das trotz der herrlichsten Anlagen eine verderbliche Erziehung misleitete und zum Herrschen untüchtig machte, bis bittere Lebenserfahrungen dem Verblendeten, vom Papste Gedemüthigten, von den Fürsten oft Verlassenen zeigten, was er verscherzt hatte, und nun in ihm ein unerschütterliches Ringen nach dem Verlornen hervorriefen. Welch eine Zeit diese 50jährige Regierung Heinrich's IV.! Soll man mehr den Freiheitskampf der bedrückten sächsischen Nation, den die Fürsten zu Erreichung ihrer Absichten benutzten, oder das riesenhafte Gebäude der Hierarchie, das Gregor VII., zwar begünstigt durch die Unmündigkeit des deutschen Herrschers, zwar unterstützt von dem blinden Glauben der Völker und dem eigennützigen Streben der Fürsten, aber vornehmlich durch eigene Geisteskraft aufführte, oder endlich den wider solche Gegner muthig und ungebeugt sich emporringenden Kaiser bewundern? Keiner errang einen vollständigen Sieg.

 

Heinrich's V. Aufgabe beim Antritt seiner Regierung war durch den zerrütteten Zustand des Reiches, in welchem unter seinem Vater die Stellung, Würde und Gewalt des Kaisers so ganz von der unter seinem Großvater sich geändert hatten, zu deutlich vorgezeichnet, als daß er, selbst bei minderer Kraft, sich ihr hätte entziehen können. Daß er sich derselben nicht entziehen wolle, erkannten die, welche es gern verhindert hätten, zu spät, und auch die Bessern verkannten bei den glänzenden Eigenschaften Heinrich's V. seine Schattenseiten, die unlautern Beweggründe seiner Empörung wider einen vom Unglück und Alter gebeugten, ihm ganz vertrauenden, ihm liebevoll zugethanen Vater, das Unerlaubte seiner Mittel, das Schnöde in seiner Handlungsweise; sie hofften nur Deutschlands Frieden und Einheit nach mehr als 30jährigem Kampfe wiederhergestellt zu sehen. Dies Vertrauen, das die Fürsten wie die Kirche hegten, mußte die wirklich großen Eigenschaften, die seltene Geistesstärke des

 

 

___

5 Heinrich's V. Regierungsantritt.

 

24jährigen Königs so hoch erheben, daß, wenn von einer sittlichen Grundlage sein Streben unterstützt worden wäre, er seine Aufgabe, die Herstellung des gesunkenen kaiserlichen Ansehens, unfehlbar gelöst hätte.

 

Die zwei feindlichen Gewalten, welche den Kaiserthron Karl's des Großen, einst die höchste irdische Herrlichkeit, herabzuziehen suchten, hatte Heinrich's IV. unbesonnene Jugend selber hervorgerufen; sodann seine unbeugsame Kraft im Mannesalter sie nieder zu kämpfen rastlos gestrebt, bis der Unsegen im eigenen Hause mehr als die Mutlosigkeit des Alters dem Greise die Hoffnung entriß, das Verlorene wiederzugewinnen. Wenn aber auch die Kirche und die Hierarchie über seinem Grabe einen Triumph zu feiern gedachten, wenn sie den Kampf schon beendet glaubten, weil jener unermüdliche Gegner ihren Anmaßungen nicht mehr Einhalt that, so sollten beide die Verblendung, in welcher sie ihre Waffen dem gefährlichsten Manne geliehen, der sie beide durch und nach einander zu vernichten entschlossen war, bald bereuen, und erkennen, daß Heinrich V. nur aus Selbstsucht den Vater gestürzt und daß ihm, dem jungen, kräftigen, arglistigen, auf tausend Mittel und Ränke bedachten Herrscher nicht nur keine neuen Zugeständnisse zur Vermehrung ihrer Macht und Willkür abzugewinnen seien, sondern er das Kaiserthum auf den Standpunkt unter Heinrich III. zu bringen und Kirche und Fürsten sich unbedingt unterzuordnen trachte.

 

Wenn seine ganze Thätigkeit und Strenge zunächst gegen die treuen Anhänger seines Vaters gerichtet waren, so durften die, welche sich ihm angeschlossen, nicht ihren Beistand versagen, wie sehr auch jetzt schon sein Verfahren zeigte, daß er die deutschen Fürsten und Prälaten allein von seiner Wahl abhängig zu machen strebe, und wer ihm trotze, seinen Zorn fühlen lasse. So ward Heinrich von Limburg, der letzte Beschützer und Vertheidiger Kaiser Heinrich's IV., seines Herzogthums Lothringen entsetzt und dem Grafen Gottfried von Löwen dasselbe verliehen; die Stadt Köln aus eben dem Grunde zu 6000 Mark Silber Strafgeld verurtheilt, der in Widerspenstigkeit verharrende Graf von Flandern in die Reichsacht gethan und endlich zum Gehorsam gezwungen. Auch Papst Paschalis II., der den Grundsätzen Gregor's VII. gemäß Belehnung der Geistlichen durch Laienhand verboten, gab dem jungen Könige, in welchem er einen gehorsamen Sohn der Kirche zu erblicken gemeint, insoweit nach, daß er alle unkanonisch eingesetzten Bischöfe anerkannte, wenn sonst ihr Lebenswandel und ihre Kenntnisse dem Amte entsprachen. Zu diesen gehörte aber auch ein Erzbischof Ruthard von Mainz, den einst

 

 

____

6 Erster Abschnitt.

 

Heinrich der Vater wegen schändlicher Bestechlichkeit und schnöden Wuchers entsetzt, Heinrich der Sohn indeß zum Genossen und Rathgeber bei seiner Empörung gemacht hatte, und zum Werkzeug seiner Pläne in weltlichen und kirchlichen Dingen zu brauchen gedachte. Als er 1108 starb, ließ der König den ersten geistlichen Stuhl in Deutschland unbesetzt, um denselben seinem vertrautesten Freunde und, wie er glaubte, ergebensten Diener, dem Kanzler Adalbert zuzuwenden. Dies und die eigenmächtige Einsetzung vieler andern Bischöfe mußte dem Papste die Augen öffnen, und Paschalis würde die seinen Vorgängern geläufigen Drohungen mit Bannstrahl und Entsetzung schon jetzt angewendet haben, wenn nur die deutschen Fürsten, wie in den Unglückstagen Heinrich's IV., ihr Oberhaupt verrathen und verlassen hätten. Allein Heinrich V. wußte, was die Anmaßung der Päpste allein gefährlich für seinen Vater gemacht hatte. Es war der Abfall der weltlichen Fürsten. Um jener vorzubeugen, mußte er der Willkür, mit welcher diese in den Reichslehnen schalteten, den Rechtsansprüchen, welche sie an die Herzogthümer, als wären es Allodien, durch Blutsverwandtschaft mit dem letzten Besitzer erhoben, der Unabhängigkeit Einzelner, der eigenmächtigen Verbindung Mehrerer Schranken setzen, und überall seinen Willen, seine Macht, sein Ansehen als allein entscheidend und Alles überragend geltend machen. Blieb der König alleiniger Herr im Reiche, so war die Kaiserkrönung zu Rom eine schuldige Pflicht des Papstes und diesem keine Gewalt über das weltliche Oberhaupt der Christenheit gestattet.

 

Damit jeder Widerspruch der Fürsten wider seine Erhebung in der Folge unkräftig und für Meineid gehalten werde, hatte Heinrich seine frühere Königswahl durch den Vater als ungenügend erklärt, und am Weihnachtsfeste 1105 zu Mainz eine so zahlreiche Versammlung der Fürsten und Prälaten aus dem ganzen Reiche beschieden, wie sie bisher niemals gesehen worden, damit er von ihr und zwei anwesenden päpstlichen Legaten wie aus deren freiem Antriebe zum deutschen Könige erkoren würde. Zwar schien anfangs die unerwartete Bereitwilligkeit seines Vaters, mit dem Reiche und der Kirche sich auszusöhnen, den Anschlag zu vereiteln, allein bald ward der Kaiser zu Ingelheim durch jene von dem Sohne getäuschten Legaten zur Abdankung gezwungen, und Heinrich abermals zum Könige ausgerufen, und bereits am 6. Januar 1106 überreichte ihm der Erzbischof Ruthard die Reichskleinodien, die der Kaiser hatte herausgeben müssen.

 

Eine Wahl, die freiwillig von den gesammten Reichsfürsten und

 

 

____

7 Heinrich's Verfahren bei Besetzung der Reichslehen.

 

den päpstlichen Abgesandten mit allen solennen Feierlichkeiten und Eidesleistungen vollzogen worden 1), war für Heinrich's Absichten, die er damals trügerisch hinter Demuth gegen die Kirche und Schmeichelei gegen die Fürsten verbarg, nothwendig, um nicht von diesen, wie sein Vater, den man in der Wiege und nur auf Dringen des gefürchteten Heinrich's III. als König anerkannt hatte, so leicht verlassen, von dem Papste mit Erfolg gebannt werden zu können. Denn zog er nur die Maske allmälig herunter, so durften — mehr mit Scham ihre Verblendung eingestehend — jene dem schlauen Könige wol im Einzelnen eine Verletzung seiner Pflichten nachweisen, nicht aber die Aenderung seiner Handlungsweise als Grund zur Absetzung vorschützen. Heinrich hatte in den ersten Jahren seiner Regierung keinen Gegner zu fürchten, da die wenigen Anhänger seines Vaters sich bald freiwillig unterwarfen oder nach Ausspruch der Fürsten von der Reichsmacht überwältigt wurden. Um der deutschen Fürsten aber auch gewiß zu bleiben, wenn er den schwierigern Kampf mit Rom beginne, um dauernd die Ordnung im Reiche, den Gehorsam gegen das Reichsoberhaupt zu erhalten, mußte er die Herzogthümer nur zuverlässigen und nicht an Erbgütern allzureichen Grafen übertragen und vornehmlich verhüten, daß das den kleinern Fürsten seit Konrad II. und Heinrich III. zugestandene Erbrecht auf die großen Reichslehen ausgedehnt werde. Mochten auch mit Verdruß Viele sich dadurch in gehofften Ansprüchen und Berechtigungen behindert sehen und mistrauisch das energische Verfahren des Königs als Vorboten künftiger Eingriffe in ihre erworbenen oder angemaßten Rechte betrachten, ein Grund zum Abfall war ihnen darin nicht gegeben, und Heinrich durfte erwarten, durch Erhebung Geringerer zu größern Reichslehen und Reichswürden ebenso sehr an Macht zu gewinnen als die frühern Beeinträchtiger der Königsgewalt in ihrem Fortschritte zu hemmen. Das erste Beispiel, wie er mit den Herzogthümern zu verfahren gedenke, gab er in Nieder-Lothringen, als er hier Heinrich von Limburg entsetzte und Gottfried von Löwen, einen Nachkommen der französischen Karolinger in weiblicher

 

1) Annalista Saxo ad A. 1106, Eccard I., p. 609: Hoc ordine Henricus, illius nominus V., primum a patre,deinde ab universis Germaniae Principibus in Regem jam secundo electus, ab Apostolicis quoque legatis per manus impositionem Cattholice confirmatus acceptis tam ab Epistolis quam Laicis juxta morem patriae sacramentis, regnare coepiut etc. Sehr deutlich ist hier ausgesprochen, daß nach altem Herkommen die Geistlichen, wie die Laienfürsten, den Eid der Unterthanen dem Könige leisteten.

 

____

8 Erster Abschnitt.

 

Linie 1), an seine Stelle erhob. Dies geschah indeß noch mit Zustimmung der Fürsten, die den ebenso tapfern als verschmitzten Beschützer Kaiser Heinrich's IV. fürchteten. Bald darauf fand der junge König eine neue Gelegenheit, über das größte deutsche Reichslehen zu verfügen, und diesmal nach eigener Wahl und rücksichtslos auf sonst gültig erachtete Ansprüche. Sachsen wurde (1106) durch den Tod des letzten Billungen, Magnus, erledigt und mit ihm starb das den fränkischen Kaisern feindseligste Fürstengeschlecht aus. Noch durfte Heinrich V. nicht wagen, was Konrad II. und Heinrich III. mit mehreren erledigten Herzogthümern sich erlaubt hatten, sie nämlich unbesetzt zu lassen und mit der Krone zu verbinden. Ein solches Verfahren hätte bei den deutschen Fürsten dem kaum durch des Vaters Tod zu sicherer Herrschaft Gelangten Mistrauen und Abneigung erregt, und Heinrich suchte noch die entgegengesetzten Gesinnungen bei ihnen zu erwecken. Es kam also bei Besetzung des erledigten Reichslehns, wollte er sie eigenmächtig und doch nicht gehässig ausüben, darauf an, den rechten Mann zu finden, der bei den Sachsen Ansehen, bei den Reichsfürsten Achtung und bei ihm selbst Vertrauen besäße. Die Wahl fiel auf Lothar, Grafen von Suplingenburg, dessen Allodialgüter nicht eben sehr bedeutend waren, dem aber durch das zu hoffende Erbgut seiner Gemahlin in der Folge eine hinreichende Hausmacht zu Theil werden sollte, und den Geburt, Familienverbindungen und vor allem persönliche Eigenschaften zu dem geeigneten Manne, wie ihn Heinrich suchte, zu machen schienen.

 

1) d' Achery Spicilegium III p. 294 u. 95 in Genealog. Bald.:

 

Ludwig V. von Frankreich.     Karl von Lothringen und Brabant.

____________________^_____________________

Gerberga erhält Brabant.

Gemahl:Lambert I., Graf von Löwen.

____________________^_____________________

Heinrich I.        Lambert II. +1054.

+1038.      Gem.: Oda, T. Gozelo's v. Lothr.

_______________^__________________

Heinrich II.     Gem.: Adele, T. Otto's

                           v. Orlamünde.

____________^___________________

Heinrich III. +1096, Gottfried Barbatus

hat nur Töchter.    wird 1106 Herz. v. Lothr.

                                    +1139.

Daß Gottfried's Gemahlin Sophia eine Tochter Heinrich's IV. gewesen, haben erst sehr späte und wenig zuverlässige Schriftsteller angeführt.

 

 

____

9 Lothar, Herzog von Sachsen.

 

Lothar's Vorfahren lassen, wenn auch nicht auf Wittekind 1), so doch als ein altes berühmtes Geschlecht, der von Walbek, sich weit hinauf verfolgen 2). Es gehörten zu demselben der bekannte Geschichtschreiber Ditmar und jener unruhige, trotzig kühne Markgraf Werner, der zweimal vornehme Fürstinnen, die der Stolz ihrer Verwandten oder kaiserliches Gebot ihm vorenthalten wollte, gewaltsam entführte, die erstere, Luitgard, eine Tochter des berühmten Markgrafen Eckhard von Thüringen, der sie dem angetrauten Bräutigam versagte, um sie mit Kaiser Otto III. zu vermählen — auch wirklich zu seiner Gattin machte, bei Entführung der zweiten aber, der schönen Reinilde von Beuchlingen, einer Verwandten und Schutzbefohlenen Kaiser Heinrich's II., eine tödtliche Wunde erhielt und wenige Tage darnach (1014) starb 3). Die Besitzungen des Hauses Walbek lagen in den nördlichen Gegenden des großen Nord-Thüringer-Gaus und waren unter zwei Linien getheilt, die in den Brüdern Lothar und Siegfried zuerst bemerkbar werden, von denen jener Werner's, dieser des Geschichtschreibers Ditmar Vater heißt. Lothar wurde nach der Entsetzung des nordsächsischen Markgrafen Dietrich, der im Gau Moside die Hauptveste Tangermunde besaß, zu jenem sehr wichtigen Amte erhoben 4), das auch Werner bis 1009 bekleidete, dann wegen seiner Gewaltstreiche und Frevel, vornehmlich wegen Ermordung des Grafen Dedo von Wettin 5) aller Gunst und Würden bei Hofe verlustig ging und die Verwaltung der Nord-Mark an Bernhard, den Sohn Dietrich's, zurückgeben mußte, jedoch im Besitz seiner Erbgüter durch mächtige Verbündete im Lande und einflußreiche Verwandte bei Hofe sich behauptete 6).

 

1) Wie Corner berichtet p. 649: qui de sanguine Widekindi, regis Angarorum, descenderat. Doch danach: Plures autem Comites alii cum Ludero de semine Widekindi descenderant. Von Karl dem Großen oder Wittekind sich abzuleiten, war den Fürsten geläufig.

2) Vergl. Wersebe, Beschreibung der Gaue zwischen Elbe, Saale c. S. 118 ff.

3) Ditmar lib. VII, p. 401.

4) Ann. Saxo ad 983 p. 340: Theodoricus Dux et Marchio - dignitatem suam perdidit et Lotharius de Walbike Marcam ab Imperatore suscepit.

5) Ditmar VI, p. 388.

6) Seine Schwäger Hermann und Eckhard II., Söhne des berühmten Eckhard's von Meißen und Thüringen, schlossen an ihn sich in gleicher Gesinnung und aus Haß gegen Heinrich II. Alle drei standen in geheimer Verbindung mit dem Reichsfeinde Bolislav von Böhmen. Ditmar VI, p. 397. Wie Werner von seinem Verwandten, Pfalzgraf Burchhard, gegen die Anschuldigungen Dedo's bei dem Kaiser vertheidigt wurde, sehe man in meiner Gesch. d. Pfalzgr. v. Sachsen: Abth. I, S. 44 ff.

 

___

10 Erster Abschnitt.

 

Wenn nun einige Jahrzehende nach Werner's Tode ein Graf Lothar in demjenigen Theile des Nord-Thüringer-Gaus begütert erscheint, den Werner und dessen Vater Lothar besessen, so darf man in jenem einen Nachkommen dieser erkennen 1), und ihn etwa für einen Sohn Werner's und der Luitgard halten 2), der bei dem frühzeitigen Tode des Vaters noch ein Kind sein mußte, und an welchem der Kaiser keine Entgeltung für Werner's Frevel nehmen wollte oder konnte. So ganz und gar wird Graf Lothar's Herrschaft nur in denjenigen Gebietstheilen — den westlichen des genannten Gaus — bemerkbar, die der markgraflich Walbekschen Linie angehörten und worin das Stammschloß Walbek lag, wahrend der östliche Antheil des Siegfriedischen Familienzweiges nach Aussterben desselben an mehrere kleine Grafen, als die von Veltheim, Altenhaufen, Amensleben, Hillersleben gekommen war. Dagegen erstreckte sich Graf Lothar's Grafschaft über einen bedeutenden Theil des Derlingaus, von dem sich nicht nachweisen läßt, ob er ihm, wenn nicht schon seinen Vorfahren, durch Erbrecht oder ob durch kaiserliche Verleihung oder durch eigenmächtiges Ansichreißen zugefallen war. Daß ein Sohn Werner's unter den, fränkischen Kaisern wieder mächtig sein Haupt erheben durfte, wird begreiflich, wenn man die geänderte Stellung des neuen Herrscherhauses bedenkt, das den Sachsen fremd und verhaßt war 3), während Heinrich II. noch als Abkömmling der Ottonen daselbst wie ein einheimischer Fürst betrachtet und geliebt wurde. Alle Gegner der sächsischen Kaiser schlossen sich an Konrad II. an, der sie mit großer Gunst behandelte 4), wenn auch aus einer sehr richtigen Politik,

 

1) Wenn Schaukegl: spicileg. Austriacum p. 156 diesen Lothar, den er sehr richtig für den Großvater des Kaisers Lothar hält, zu einem Billungen macht und den unglücklichen Grafen Wichmann V. zu seinem Großvater, so liegt dem die willkürliche Annahme zum Grunde (s. Cap. XVII, p. 130—32), daß Wichmann's sonst unbekannter Sohn jener Graf Luitgerus gewesen, welcher nach Annal. Hildesh. ad 1033, Leibn. I, p. 726 bei der Veste Wirbin von den Luitizern (S. Ann. Saxo ad 1035) erschlagen wurde. Eben so willkürlich macht Schaukegl den ältern Bernhard von Haldensleben zu einem Bruder des Gr. Lothar.

2) Wersebe a. a. O. S. 133.

3) S. dies näher beleuchtet in meiner Gesch. der Pfalzgrafen von Sachsen, I, §. 3, S. 51—62.

4) So war vornehmlich der Bruder des Markgrafen Hermann von Thüringen und Oheim Graf Lothar's, Eckhard, bei Heinrich III. in hohem Ansehen, der ihn in einer Urkunde vom Jahre 1041 seinen getreuesten treuen Eckhard nennt. S. Gesch. d. Pfalzgr. v. Sachsen, S. 58.

 

 

_____

11 Lothar, Herzog von Sachsen.

 

um die abgeneigte Nation nicht zu erzürnen, und um einmal erlangte Rechte und Würden Niemandem zu entziehen, nicht in Lehen und Ehrenstellen restituirte, die sie oder ihre Vorfahren unter der vorigen Regierung verloren hatten. So mußte Lothar sich mit der Gaugrafschaft seiner Vorfahren begnügen, ohne die Verwaltung der Nordmark zugleich wieder zu erhalten, die selbst nach dem Tode Wilhelm's, des letzten Sprößlings der Grafen von Tangermunde, nicht an die Walbeker, sondern sammt der Gaugrafschaft in Moside an das Stadische Haus überging 1). Dagegen mehrte sich Lothar's Herrschaft, abgesehen von den Besitzungen im Derlingau durch Gebietstheile in der Umgegend von Magdeburg, die früher dem Markgrafen Dietrich und den beiden Bernharden, seinen Nachkommen, gehört hatten. Ohne Zweifel ist dieser Graf Lothar, der bis zum Jahre 1051 in mehreren Urkunden, als im Derlingau und Nord-Thüringau begütert vorkommt 2), ein Großvater des nachmaligen Kaisers Lothar gewesen, da gerade die Gegend um Königslutter und Suplingenburg, in welcher dieser seine Stammgüter besaß, den Landesstrich — nämlich von dem Elmwalde bis zur Grenze des Nord-Thüringer-Gaus — welchen jener im Derlingau außer den Walbekschen östlich daran grenzenden Besitzungen inne gehabt hatte, ausmachte. Ueberdies stellt in einer Urkunde vom Jahre 1056 3), worin Gebhard, der Vater Kaiser Lothar's, dem Kloster Korvey eine Schenkung zum Seelenheile seiner Vorfahren zuweist, der Name Lothar als der von Gebhard's Vater sich ganz unzweifelhaft heraus. Die Mutter Gebhard's und Gemahlin des Grafen Lothar wird Ida und eine Bruderstochter des berühmten Bruno, des Märtyrers der Preußen, genannt. Sie gehörte dem Geschlechte der Grafen von

 

1) S. Wersebe S. 144 und weiter unten in unserm Texte, wo die Händel Herzog Lothar's mit dem Stadischen Hause erzählt werden.

2) S. Wersebe, S. 132 u. 33, Note 204.

3) So muß bei Falke: tradit. Corbej. p. 682—85 die Zahl 1046 umgeändert werden, da noch 1051 Graf Lothar am Leben genannt wird. Die hieher bezüglichen Worte sind: Gebhardus Comes pro salute animarum patris sui Luitharii omniumque progenitorum suorum ad Monasterium dictum Corbeja quaedam tradidit in villis Kissunleve et Redepke, in pago Derlingo, consentiente ejusdem patruo Thiaderico. Wersebe a. a. O. weist die genannten Orte Kisleben und Räpke an der Schunter nach.

 

____

12 Erster Abschnitt.

 

Querfurth 1) an, das mehrere berühmte Geistliche verschiedenen deutschen Bisthümern gegeben hat, und länger als die meisten kleineren Fürsten eine Unabhängigkeit von größern, ja die Reichsunmittelbarkeit zu behaupten wußte. — Gebhard war nicht der einzige Sohn aus dieser Ehe, wie daraus erhellt, daß Ditmar, der im Jahre 1088 von einer Partei des halberstädter Capitels zur bischöflichen Würde erhoben wurde, aber noch vor der Weihe ums Leben kam, ein Vaterbruder des Kaisers Lothar genannt wird 2). Dieser dem geistlichen Stande Angehörige hätte indeß Gebhard nicht im väterlichen Erbe beschränken können, und doch finden wir Letztern nur in dem früher bezeichneten Theile des Derlingaus herrschend, nicht in dem eigentlichen Stammgau der Walbeker, wo von nun ab das Geschlecht der Grafen von Sommerscheuburg, das später die Pfalzgrafenwürde von Sachsen erlangte, auf den Schauplatz tritt. Es ist deshalb nicht unwahrscheinlich, daß die Suplingenburger und Sommerschenburger in sehr naher Verwandtschaft gestanden, und beide als Zweige des Walbeker Hauses, den alten Familiennamen aufgebend, sich von ihren

 

1) Die Genealogie nach Ann. Saxo p. 409 u. 618, in Betreff der Vorfahren Erzbisch. Wigmann's von Magdeburg S. 464:

 

                                         Ida — Bruno

____________________________^________________________________

Gebhard.                 S. Bruno.             Christian v. Seeburg.

___________^________________ _________^_________

Ida v. Querfurth.          Burchard.            Wigmann v. Seeburg.

_______^___________________ ____^______ _____^_______

Gebhard von      Ditmar,B. v.     Gebhard von   Gero, Com. de

Suplingenburg.   Halberstadt.    Querfurth.       Bavaria.

_______^_____                  _________^____ _____^_________________

Lothar von                         Konrad, Erzb.v.    Wigmann, Erzb.   Konrad,

Suplingenburg.                   Magdeburg.        v. Magdeburg.       Comes.

 

Ann. Saxo p. 376 nennt Gebhard, den Vater des Erzbisch. Konrad, einen Grafen von Querfurth. Ida selbst wird vom Chronogr. Saxo ad Annum 1009 Domina Querfurthensis bezeichnet. Vergl. Schaukegl a. a. O. p. 113 und Cap. XIX, p. 137 ff. und p. 158. 59, wo die Ableitung Ida's von Kaiser Otto's III. Schwester, Mathilde, wie sie Hahn, Koehler, Scheid erklären, aus richtigen Gründen widerlegt ist. S. auch Wersebe's Gauen S. 133.

2) Ann. Saxo p. 588: Dietmarus patruus scilicet Lotharii Imperatoris ab ipsis est constitutus Episcopus, quo sine consecratione defuncto etc. Chron. Halberstad., Leibn. II, 129: Ditmarus occulto dei judicio casu a gradu quodam corruens confracto corpore exspiravit.

 

 

____

13 Lothar, Herzog von Sachsen.

 

jetzigen Hauptvesten, die in keiner großen Entfernung von einander bei Helmstädt lagen, zubenannt haben 1).

 

Schwieriger, als die väterlichen Ahnen Lothar's, ist es, seine mütterliche Abkunft nachzuweisen, da sie in zwei Nationen, Sachsen und Baiern, aufwärts steigt 2), Auch sind es erst spätere Chronisten, die Lothar's Mutter, Hedwig, erwähnen, sie die Tochter des bairischen Grafen Friedrich von Formbach und der aus sächsischem Blute, von dem oben genannten Markgrafen Bernhard abstammenden Gertrud nennen, und berichten, daß ihre Ehe mit Gebhard von Suplingenburg angeblich wegen zu naher Blutsverwandtschaft auf einer Synode zu Halberstadt getrennt, dann aber Hedwig von Gebhard mit Gewalt wieder heimgeholt und trotz dem Banne Bischof Burchard's II. als Gemahlin behalten sei, bis ihn der Tod ihr (1075) entriß, worauf sie sich zum zweiten Male mit Herzog Dietrich von Lothringen vermählte, dem sie einen Sohn, Simon, und zwei Töchter, Gertrud und Oda, gebar 3). Auch ihre Mutter, Gertrud, heirathete nach dem frühzeitigen

 

1) S. Wersebe a. a. O. S. 133 und über die zwei Stammschlösser Martiniere's Lexikon unter den betreffenden Artikeln.

2) Schaukegl Spicil. historico - genealogico - diplomaticum p. 150 — 53. Die Verwandtschaft Gertrud's, der Großmutter Lothar's, mit dem fränkischen Kaiserhause (p. 150: Quae Imperatoris neptis fuisse traditur, und p. 151: Divexat hoc vehementer viros eruditos, quorum quidam Gertrudem praetendunt fuisse amitam, alii neptem Henrici IV. Imperatoris.) hätte kaum eine Widerlegung verdient. Wollte man auch die Stelle aus Monum. Boica IV, p. 9: (Fridericus de Varnbach) senioris Timonis filius, cum in curia Regis moraretur, neptem ipsius Regis Gertrudem nomine clam accipiens conjugem aufugit et postea rediens gratiam Imperatoris recepit etc. auf Kaiser Heinrich III. beziehen, wie es das Lebensalter der Gertrud, der Großmutter des 1075 geborenen Lothar's nöthig macht, so würde eine neptis Imperatoris unter jenem Namen sich gleichfalls nicht ausmitteln lassen. Die — freilich immer noch sehr späten — Chronisten, welche in der nächstfolgenden Anmerkung citirt sind, geben über Gertrud das Wahrscheinlichste.

3) S. die deutsch geschriebene Chron. Luneburgensis apud Eccard I. p. 1372. Die lateinische Quelle des Konrad von Halberstadt oder richtiger Heinrici de Hervordia: Chronographia summorum Pontificum et Imperatorum weist Scheid Orig. Guelf. III praef. p. 14 nach. Die hieher bezüglichen Worte lauten: Comes vero Conradus genuit unam filiam nomine Gertrudem, quam accepit in conjugium Fridericus de Bavaria et Vorenbach, qui genuit cum ea Hedwigam, quae accepit in conjugium Comitem Gebehardum de Suppelingeburch. — Post hoc fuerunt accusati in synodo Halberstadensi, quod essent in linea consanguinitatis et quod de jure non possent insimul matrimonialiter vivero et illud ordinavit Marggravius Fridericus (muß heißen Pfalzgraf), qui fuit frater Episcopi Bremensis Adelberti, qui tandem divisi sunt ab invicem. Scheid gibt nun die Genealogie, von Bernhard (hier nur einer dieses Namens) ab, also:

 

                           Bernhard

___________________^____________________________________________

Wilhelm, Markgraf,          Konrad.             Oda.                             Otto,

+1056, hat n. Ann. Saxo                                                    von einer Russin,

u. Lambert v. Aschaffenb.                                                   + im Treffen an

2 Töchter.                                                                          der Selke 1057.

                                                                                         Lamb. u. Ann.

                                                                                          Saxo ad 1057

___________________^____________________________________________

Gertrud vermählt: 1) mit Friedrich von Fornbach,

                          2) mit Herzog Ordulf

___________________^______________________________________ 

von 1): Hedwig, vermählt:                           von 2): Bernhard, stürzt

1) mit Gebhard v. Suplingenb.                                 vom Pferde.

2) mit Dietrich v. Lothringen.

___________________________^____________________________________

von 1): Lothar,   von 2): Simon,          Oda,                  Gertrud

Herzog, später        Herzog von        vermählt mit        od. Petronella,

Kaiser.                   Lothringen.         Sighard, Grafen   vermählt mit

                                                      v. Baiern.             Florenz v. Holland.

 

____

14 Erster Abschnitt.

 

Tode ihres ersten Gemahls 1) zum zweiten Mal und gebar diesem — es war Herzog Ordulf von Sachsen — einen Sohn, Bernhard, der aber schon in jungen Jahren durch einen Sturz vom Pferde seinen Tod fand 2).

 

Aus Ansprüchen, die von seiner Mutter und Großmutter ihm zugestanden, scheint Lothar in spätern Jahren einen neuen Zuwachs in der Erwerbung Haldenslebens erlangt zu haben. Es lag dieser Ort auf der Grenze des Gaus Moside, in welchem die Markgrafen Bernhard, also auch des jüngern Bernhard's Söhne, Markgraf Wilhelm und der Bruder desselben, Konrad, der Vater der genannten Gräfin, späteren Herzogin Gertrud, ihre Stammgrafschaft besaßen. Beide Brüder hatten nur Töchter hinterlassen, die ihren Männern und Kindern das väterliche Erbtheil überbrachten, weshalb auch der Enkelin Konrad's, Hedwig und ihrem Sohne Lothar ein Antheil zufiel. Ein solcher war wol Haldensleben. Die unruhigen Zeiten Heinrich's IV. ließen Erbtheilungen nicht immer auf friedliche und

 

 

1) S. Orig. Guelf. a. a. O. nach dem Codex trad. Coenobii S. Mariae zu Fornbach. Als Ursache von Friedrich's Tode wird seine heimliche Vermählung mit Gertrud angegeben.

2) Ann. Saxo ad 1076, p. 534: Gertrudis Magni ducis noverca. Ueber den Sohn aus dieser Ehe, Bernhard, vergl. Chron. pictur. Leibn. III, p. 325 und Chron. Luneb. a. a. O.: cum quo genuit Bernhardum, qui cadens de equo mortuus est. Gertrud starb erst 1117, s. Ann. Saxo, p. 638.

 

 

____

15 Lothar, Herzog von Sachsen.

 

gesetzliche Weise zu Stande bringen, zumal da nach dem Grundsatze der Salischen Kaiser Herrschaften ohne männliche Erben als erledigte Reichsgüter angesehen und, ohne auf die weiblichen Descendenten Rücksicht zu nehmen, eingezogen oder willkürlich an andere Fürsten, besonders Günstlinge und Hofbeamte verliehen wurden. Damit waren die Männer und Söhne der ausgeschlossenen weiblichen Descendenten selten zufrieden, und forderten, oft nach Verlauf vieler Jahre, vom Kaiser oder von den neuen Inhabern das ihren Frauen und Müttern Entzogene mit gewaffneter Hand zurück. Die kriegerischen, fast anarchischen Zeiten Heinrich's IV. haben zahllose solcher Erbfehden aufzuweisen. — Auch Lothar scheint erst um sein mütterlich Erbtheil Haldensleben 1), das nach seines Vaters Tode, ohne auf den kürzlich zur Welt gekommenen 2) Knaben Rücksicht zu nehmen, sammt dem übrigen Gaue Moside die Markgrafen von Stade an sich gezogen hatten 3), einen Kampf mit Letztern bestanden zu haben und zwar lange ohne Erfolg, da ein Vasall Udo's II.

 

1) Chron. vet. Duc. Brunsw., Leibn. II, p. 16: ad quem (Lotharium) devoluta est hereditas de Halvesleve, morientibus Bernhardo, wonach zu ergänzen filioque oder et Conrado, denn es folgt noch ein plural, qui conventum Canonicorum in Luttere fundaverunt. S. auch Cron. pict. p. 40 u. 44. Daß durch Erbschaft und wegen Verwandtschaft mit Bernhard Haldensleben an Lothar gefallen, ist nicht zu bezweifeln.

2) Dodechin ad 1075: Interiit Comes Geverhardus, pater Lutgeri, qui etiam paucis diebus ante hoc proelium natus fuit. 3) Ob Udo nach dem Tode Wilhelm's 1056 blos der kaiserlichen Belehnung die Markgrafschaft Nord-Sachsen und den Gau Moside verdankte, oder ob er mit den früheren Besitzern des letzten verwandt war, ist nicht zu erweisen, doch möchte man solche Verwandtschaft nicht unwahrscheinlich finden, da er sonst nicht die Allodialgüter Wilhelm's erhalten konnte. Udo's Gemahlin, Oda, nach Ann. Saxo p. 458 eine Tochter Hermann's und Enkelin Rudolph's von Werle, ist vielleicht richtiger für eine Schwester Wilhelm's zu halten, wie unter diesem Namen eine Schwester aus Chron. Luneb. und aus Scheid's angeführter Quelle wirklich bekannt ist. Es wäre dann hier der oft vorkommende Fall eingetreten, daß der Schwestermann (Udo) den männlichen Descendenten der Töchter Wilhelm's und Konrad's, wozu Lothar gehörte, vorgezogen wurde. Lothar machte, wenn auch nur an einen Theil der Allodien der alten Nordmarkgrafen Anspruch, erhielt denselben (Haldensleben) aber erst sehr spät, nach Corner p. 667 erst im Jahre 1126. Wenn er in dies Jahr auch erst den Tod des Grafen Bernhard setzt, so ist nicht an Markgraf Wilhelm's Vater zu denken, sondern an einen Grafen von Haldensleben, wie deren als Vasallen der sächsischen Herzoge noch später vorkommen (z. B. Dietrich von Haldensleben unter Heinrich dem Löwen 1164, Chron. Stederb. p. 857) und den Corner mit dem Markgrafen Bernhard verwechselte.

 

 

____

16 Erster Abschnitt.

 

Friedrich, der Angle zubenannt, seinen Angriffen tapfer Widerstand leistete, wofür er Lothar's Zorn noch in spätern Jahren erfahren sollte.

 

Was aber auch Lothar als Erbtheil von Vaters- und Mutterseite besaß oder in Anspruch nahm, es würde seine Macht immer unbedeutend gewesen und selbst nach dem Gewinn, den der 14jährige Jüngling dem Erzbischof Limar von Bremen, der im Treffen bei Gleichen (1089) von ihm gefangen wurde, für seine Freilassung abgewann 1), noch nicht groß geworden sein. Deshalb sah er nach einer reichen Erbtochter in Sachsen sich um, die ihm ein ansehnliches Heirathsgut mitbrächte. Auf keine reichere konnte seine Wahl fallen, als auf Richenza, die Tochter seiner westlichen Nachbarin, der Gräfin Gertrud von Braunschweig. Neben den Billungischen Herzogen und den Grafen von Nordheim galt das Braunschweigische Haus schon unter den letzten sächsischen Kaisern für das angesehenste im Lande und hatte sich auf Kosten manches weltlichen und geistlichen Nachbarn unter den ihm verwandten fränkischen Kaisern noch bereichert. Bruno hatte bei der Verschwörung Otto's, des Stiefbruders von Markgraf Wilhelm, und vieler mit der fränkischen Herrschaft unzufriedenen sächsischen Großen für den 10jährigen Knaben Heinrich IV. und dessen Mutter und Vormünderin Agnes in einem Treffen an der Selke sein Leben eingesetzt, sein Bruder Ekbert aber ihn gerächt und zugleich das Reich von einer großen Gefahr gerettet 2). Das blieb bei Hofe nicht unbelohnt. Sein Sohn, der wilde, ehrgeizige Ekbert II., ward Markgraf von Meißen und Thüringen, fand aber für seine Treulosigkeit gegen Heinrich IV. durch dessen Anhänger seinen Tod, ehe er eine Nachkommenschaft erzeugt. Seine Schwester Gertrud war nun die einzige Erbin all der Güter, die Oheim, Vater und Bruder hinterlassen 3). Die reiche braunschweigische Erbin hatte einem noch mächtigern Fürsten ihre Hand gereicht, Heinrich von Nordheim, dem ältesten Sohne jenes berühmten Otto von Nordheim,

 

1) Alb. Stad. ad 1089: Ibi (apud castrum Gliche) etiam Liemarus Bremensis Archiepiscopus captus est a Comite Ludero, qui postea regnavit, qui dedit pro redemptione sua Advocatiam Bremae et CCC marcas, argenti et ita restitutus est Episcopatui suo.

2) S. die Empörung Otto's und deren Ausgang bei Lamb.Schaffn. u. Ann. Saxo ad 1057.

3) Am kürzesten faßt dies zusammen Chron. vet. Ducum Brunsw. bei Leibn. II, p. 16: Brunonis defuncti frater, qui Marchio (von Meißen) dicebatur, genuit Ecbertum et Gertrudim, quae defuncto patre et fratre a fautoribus Imperii interfecto hereditatem in Brunswik obtinuit.

 

 

____

17 Lothar, Herzog von Sachsen.

 

der auch nach seiner Entsetzung als Herzog von Baiern alle deutschen Fürsten, ja den Kaiser selbst durch eine für seine Zeit fast beispiellose Politik 1) überwog und das Schicksal des Reiches von seinem Willen abhängig machte. Des Vaters Macht sowol wie sein Geist vererbten sich auf die Söhne, ja erstere vermehrte noch der älteste derselben 2), während der zweite Sohn, Konrad, in einem reineren Glanze die Talente des Vaters bewahrte und sie durch andere Eigenschaften zu einem beneidenswerthen Ruhm erhöhte 3). Allein ein böses Verhängniß, das an den Söhnen des Vaters Vergehen zu strafen schien, entriß sie im besten Lebensalter der Welt. Wie Heinrich in seinem neuen Erwerb, der friesischen Mark, womit Heinrich IV. ihn belehnt hatte, durch den Neid des früheren Besitzers und den Haß einer freiheitliebenden Nation (1101) seinen Tod fand, so erlag dem gleichen Geschick (1103) der edle Konrad, weil auch den rechtmäßigsten Besitz, den Natur und Glück ihm verliehen, eine Zeit nicht gönnte, die nur wilden Leidenschaften eine Herrschaft gestattete 4). Da beide Brüder nur Töchtern ihre ausgedehnten Allodialgüter hinterließen 5), so waren die Besitzerinnen

 

 

1) Die von älteren und neueren Historikern viel zu wenig hervorgehoben und doch unverkennbar ist. Eine gute Biographie Otto's v. Nordheim wäre eine zur Kenntniß seiner Zeit sehr ersprießliche Arbeit. Würde sie doch bald geliefert!

2) Ann. Saxo ad 1101 beim Tode Heinrich's: Henricus Crassus, potentissimus Comes Saxoniae, gratiam Imperatoris adeptus Marchiam Fresiae ab Imperatore in beneficium suscepit.

3) Derselbe ad 1103 bei Konrad's Tode: Cuno, filius Ottonis, frater Henrici Crassi - - cui nihil supra in omni humanarum rerum dignitate, natu scilicet litterarumque scientia, fortitudine atque divitiis praepollens elegantia atque facundia bonis omnibus amabilis et affabilis.

4) Chron. Ursperg u. Ann. Saxo ad 1103. Daß der Kaiser Konrad ermorden lassen, ist ein unwürdiger und ganz unerweislicher Verdacht, den nur der damalige Parteihaß anzuregen sich nicht scheute.

5) Ann. Saxo ad 1101: Habuit autem (Henricus) duas filias, Richenzam, postea Imperatricem, et Gertrudem, Palatinam Comitissam. Die vier Töchter Konrad's und deren Männer s. ebendaselbst ad 1103. Außerdem lebten noch 4 Töchter Otto's von Nordheim, über die Ann. Saxo p. 563 u. Alb. Stad. ad 1105 berichten. Ueber Siegfried von Bomeneburg, den 3. Sohn Herzog Otto's und Stammvater der jüngern nordheimschen Linie s. Alb. Stad. a. a. O., die Orig. Guelf. IV, p. 75 etc. und die Berichtigungen bei Wersebe, S. 24. — Den Umfang der nordheimschen Güter nachzuweisen ist schwer. Sie lagen wahrscheinlich alle in der mainzisch-sächs. Diöcese um das Stammschloß und die Stadt Nordheim, deren Gebiet nebst den Aemtern Brunstein und Catlenberg und einzelnen nördlich und östlich davon gelegenen Orten den Bittegau ausmachten in welchem das nordheimsche Haus die Gaugrafschaft hatte. Schon Otto's Vater, Bernhard, dehnte dieselbe auch über den Gau Moringen aus. Und da wahrscheinlich auch die Grafen von Catlenberg und die spätern von Dassel Zweige jener Familie waren, so haben wir die Macht des Hauses auch noch über den Gau Suilbergi und Lisgo auszudehnen. Vergl. Wersebe S. 17. 22. 29 u. 30.

 

 

____

18 Erster Abschnitt.

 

derselben gar lockende Partien für junge Fürsten des Landes. Etwa ein Jahr vor Heinrich's Ermordung hatte Lothar die älteste der beiden Töchter, welche Gertrud jenem geboren 1), Richenza, geheirathet, und da diese nur mit einer Schwester, Gertrud, die nachmals dem Pfalzgrafen Siegfried am Rhein sich vermählte, die reiche Erbschaft des Vaters theilte, so war ihm die Aussicht auf große Hausmacht gegeben, was ebenso sehr als seine eignen Verdienste und Tugenden die Aufmerksamkeit der Landesfürsten und des Reichsoberhauptes auf ihn lenken mußte 2).

 

Dieses Ansehen Lothar's in Sachsen war es auch unfehlbar, was Heinrich V. bei dessen Ernennung zum Herzog der Sachsen bestimmte und wodurch er selber sich die seinem Hause noch immer sehr abgeneigte Nation zu verbinden glaubte. Absichtlich wich er von der Politik seines Großvaters ab, der fast immer durch Erhebung auswärtiger Fürsten in Sachsen sich eine ergebene Partei zu verschaffen und überhaupt durch Versetzung norddeutscher Geschlechter nach dem Süden, süddeutscher nach dem Norden die Nationalunterschiede aufzuheben und auszugleichen gesucht. Dieses eigenmächtige, willkürliche Verfahren, das nur durch Heinrich's III. Kraft und sonstige Regententugenden für ihn unschädlich geblieben, hatte vornehmlich jene Stimmung unter den Völkern und Fürsten hervorgerufen, die unter Heinrich IV. bald nach Antritt der Regierung in offenen Empörungen sich kundgab. Heinrich V. erkannte den Misgriff seines Großvaters und hoffte die Völker, vornehmlich die Sachsen,

 

1) Wenn die Angabe in der historia translationis S. Autoris bei Leibn. I, p. 701 von einem Sohne aus dieser Ehe, Otto, richtig ist, so muß derselbe jung gestorben sein.

2) Wenn Ann. Saxo ad 1115 von der 15jährigen Unfruchtbarkeit Richenza's spricht, mußte Lothar 1100, also, da er 1075 geboren, 25 Jahr alt, geheirathet haben. Was er durch seine Gemahlin erhalten, findet sich im Allgemeinen wol bei Krantz Saxon. V, Cap. 25 richtig angegeben: Rixa attulit dotem Brunswicum oppidum cum attinentiis ex materno sanguine. Avus ejus paternus - - ad Visurgam sedit et ibi usque ad Nordhem et contermina omnem gubernabat ditionem, princeps Saxonici generis, quam onmem ditionem, quam hereditariam Rixa accepisset, marito Ludero in dotem afferebat. Letzteres natürlich mit Beschränkung, da Richenza zwar die älteste, aber nicht die einzige Erbin war.

 

 

____

19 Lothar, Herzog von Sachsen.

 

durch ihm ergebene und der Nation nicht gehässige oder fremde Fürsten zu beugen und in Allem willfährig zu machen.

 

Daß Lothar vormals gleich seinem Vater Gebhard auf der antifränkischen Seite gestanden und im Kampfe wider Heinrich IV. seine ersten Lorbeeren errungen, konnte ihm bei dessen Nachfolger — im Jahre 1106 wenigstens — nicht zum Vorwurfe gemacht werden. Denn Lothar hatte unfehlbar zu den sächsischen Fürsten gehört, welche zuerst sich für den jüngern Heinrich und gegen dessen Vater erklärten, weil sie von dem Sohne die Erwartung hegten, daß er den Unbilden und Bedrückungen, welche Sachsen seit mehr als 30 Jahren durch den unbeugsamen Heinrich IV. erduldet, auch wirklich ein Ende machen werde, wie ers feierlich in der Fürstenversammlung zu Quedlinburg 1) gelobt und deshalb auch so bereitwillige Unterstützung bei der Empörung wider den Kaiser und Vater gefunden hatte. Ueberdies war bei Lothar kein so eingewurzelter Nationalhaß gegen das fränkische Haus wie bei den Billungen zu vermuthen, da sein Großvater die Rückgabe verlorner Güter und eine besondre Gunst Heinrich III. verdankte. Wie so mancher der kleinen sächsischen Fürsten, mochte Gebhard von Suplingenburg die Partei des Kaisers verlassen haben, weil von der Uebermacht der verbündeten Gegner desselben ihm Verlust seines Besitzes und Züchtigung für bewahrte Treue, die er dem Kaiser zeige, drohten, oder weil er aus Gefühl für Recht und Freiheit die Bedrückungen und die Willkür Heinrich's IV, nicht diesen selbst haßte. Der unheilschwangere Krieg hatte erst wenig Jahre gedauert, als Gebhard in der Schlacht bei Hohenburg an der Unstrut (9. Juni 1075), fast der einzige unter den Fürsten höhern Ranges auf sächsischer Seite, seinen Tod fand 2). Wie mancher Andre hätte auch er späterhin seine

 

1) Dies war die erste Versammlung; andere zu Goslar, Nordhausen folgten. Von der zu Nordhausen sagen Chron. Ursp., Ann. Saxo u. Alb. Stad ad 1105: Juxta principum decreta omnibus suas leges et jura innovavit, si qua vero irrationabiliter rogabatur, prudenti responso et avita magnanimitate confutavit. Interea obortis lacrimis deum testabatur, nonnulla se cupiditate regnum invasisse, nec patrem et Dominum suum deponi ab Imperio exoptare, immo pertinaciae et inobedientiae ejus debitam compassionem exhibere. Und von dem Erfolg seiner Heuchelei: Quod autem omnis multitudo collaudans lacrimas simul et preces tam pro patris conversione quam pro fillii prosperitate fundere coepit, magna voce Kyrieleison declamans. Nicht Alle waren Heuchler.

2) S. Bruno de bello Saxonico, Ann. Saxo, Dodechin ad 1075. Auch Otto Frising Chron. VII, 34 und das von Scheid Orig. Guelf. III, praef. p. 13 angezogene Manuscript: qui miserabiliter mortuus est juxta Unstrut prope Homburg (Hohenburg).

2*

 

____

20 Erster Abschnitt.

 

Stellung zum Kaiser wechseln können, da die Beweggründe, welche anfangs den Aufstand der ganzen Nation erheischten, nicht mehr obwalteten und für Heinrich IV. im Lande selbst eine mächtige Partei sich erhob. Außer bei Gleichen, wo der wilde, rachsüchtige Markgraf Ekbert, der Verwandte des Kaisers, diesen, nicht ohne geheimen Verrath des treulosen Erzbischofs Hartwig von Magdeburg, am Weihnachtsfeste (1088) überfiel, erscheint Lothar nicht in den Reihen der sächsischen Empörer 1). Ob den Vater zu rächen, ob andere Gründe den 14jährigen Jüngling bewogen, auf die Seite des Bruders seiner künftigen Schwiegermutter zu treten, ist nicht zu entscheiden. Bald waffneten sich gegen Ekbert, der mit Mord und Brand in Sachsen wüthete 2), auch frühere Gegner des Kaisers. Die meisten Fürsten, auch die Nordheimer und selbst die Billungen versöhnten sich mit dem Letztern, und es hörte, obgleich kein ununterbrochener Landfriede herzustellen war, der verheerende Parteikampf in Sachsen früher auf, als in andern Provinzen. Seit der Vermählung mit Richenza war Lothar's Interesse an das nordheimsche Haus geknüpft, und die Schicksale desselben berührten auch ihn. Die Gunst, welche Heinrich IV. den Söhnen Otto's von Nordheim, seines gefährlichsten Gegners, zuwendete, machte auch alle Verwandte und Freunde der Nordheimer dem Kaiser geneigt. Es konnte diesen nichts Verhängnißvolleres treffen, als daß durch Heinrich's und Konrad's Tod ihm die Hauptstützen seiner Macht in Sachsen entzogen wurden, und daß das immer noch nicht ganz geschwundene Mistrauen der Fürsten, welches seine frühere Unbesonnenheit und Willkür erzeugt hatten, von seinen öffentlichen und geheimen Feinden benutzt wurde, ihn als den Mörder Konrad's zu bezeichnen. Die allgemeine Aufregung, welche dieser beklagenswerthe Vorfall herbeiführte, mußte auch Lothar, Konrad's Verwandten, ergreifen und von dem Kaiser noch einmal

 

1) Auch die Theilnahme an der Schlacht bei Gleichen von Seiten Lothar's ist bezweifelt worden, weil Ann. Saxo nur der Gefangennehmung des Erzbischofs Liemar, nicht Lothar's dabei erwähnt. Auch Chron. Ursp., Dodechin u. Bernold ad 1089 u. Waltram p. 308 berichten von Lothar Nichts. Hier aber verdient das Zeugniß Alb. Stad. vollen Glauben, weil er in Angelegenheiten der bremer Diöcese besser unterrichtet ist und Manches hervorhebt, das andere Chronisten übersahen oder übergingen.

2) Wie der Parteihaß der Schriftsteller auch das zu beschönigen weiß, sieht man aus Bernold, der Ekbert auch hier noch nachrühmt: captis quoque pluribus et occisis gratiarum actiones Deo et S. Petro referre non cessavit, quibus et se deinceps puriori fidelitate adhaesurum destinavit.

 

____

21 Lothar, Herzog von Sachsen.

 

abwenden 1). Kaum ein Jahr war danach verflossen, als König Heinrich öffentlich von seinem Vater abfiel, nachdem bereits im Geheimen mit den wider den Kaiser erbitterten Fürsten Alles verabredet worden 2). Daß Lothar dabei dem jungen Könige wesentliche Dienste leistete, darf man aus dem angegebenen Gesichtspunkte Ersterm nicht zum Vorwurfe machen. Weder die Gründe, welche Heinrich IV. von dem Verdacht eines schnöden Mordes freisprechen, noch Heinrich's V. schnödes Verfahren gegen einen höchst liebevollen Vater, lagen damals den deutschen Fürsten so deutlich wie heute uns vor Augen. Erst nach Verlauf einiger Jahre wurde ihnen des Letztern wahre Gesinnung offenbar, und als er von Allen durchschaut worden, nützten ihm nicht unermüdliche Kraft und stetes Ringen, List und Gewalt, Beharren und Nachgeben, Aufgebot zum Kampf und Anerbietungen

 

1) Noch durch einen andern Mord, der gleichfalls dem Kaiser und mit mehr Grund zugeschrieben ward, verlor Lothar einen nahen Verwandten. Graf Sieghard, aus dem Geschlecht der baierischen Pfalzgrafen, wurde von den Dienstmannen des Hochstiftes Regensburg wegen eines ungerechten Schiedsspruches 1103 ermordet. Die Anverwandten des Erschlagenen warfen dem Kaiser — den freilich Sieghard vielfach beleidigt hatte — vor, daß er den Grafen, obgleich er in der Nähe stand, nicht habe retten wollen. S. Ann. Hildesh. ad 1104, Alb. Stad. ad 1104 (wo geradezu der Mord a militibus Imperatoris verübt genannt wird). Vergl. Stenzel's fränkische Kaiser I, S. 582 u. 83. Ich halte diesen Sieghard für den in dem mehrmals erwähnten Manuscript Orig. Guelf. III, praef. 13: Post mortem ejus (Geberhardi de Suplingenburg) Hedewig illa accepit Theodoricum Ducem, apud illum genuit Symonem Ducem et duas filias, quarum - - alia (Oda) accepit Comitem Segehardum de Bavaria. Vergl. Schaukegl p. 185. Bei Suntheim, Leibn. I, p. 803 heißt er fälschlich Sigbert und ein Bruder Welf's V. und Heinrich's des Schwarzen, sowie Oda filia Gebhardi Comitis de Suplingeburg et soror Lotharii. Nur an eine Stiefschwester Lothar's ist zu denken. Auch so mußte diesen der Vorfall gegen Heinrich IV. erbittern und für Heinrich V. einnehmen, von dem Chron. Ursp. ad 1104 also berichtet: seditio, quae nullo modo vel ipso Imperatoris filio interveniente sedari potuit. Bald schlossen alle Anverwandten des Ermordeten sich an den jungen König und unterstützten seine Empörung gegen den Kaiser.

2) Alb. Stad. ad 1105: Machinantibus Dietpoldo Marchione (nach Ann. Hildesh., Chron. Ursp.: Comitis Sigehardi nepote) Berngaro Comite (Ann. Saxo: de Sulzbach) et Ottone quodam nobili viro, sibique materna stirpe cognato. Noch andere Theilnehmer werden von Chron. Ursp., Ann. Saxo, Ann. Hildesh. angegeben. Diepold und Berengar waren von dem Könige nach Sachsen geschickt und hatten die Feinde des Kaisers, besonders die Geistlichkeit leicht gewonnen.

 

 

____

22 Erster Abschnitt.

 

zum Frieden; denn das Vertrauen, mit dem Kirche und Reichsfürsten ihm entgegen gekommen, hatte er vergiftet und dadurch jeden heilsamen Frieden im Reiche unmöglich gemacht.

 

Wenn einige Schriftsteller behaupten, Heinrich habe Lotharn zum Herzog von Sachsen erhoben, weil dieser bereits eine große Macht durch seine Gemahlin Richenza besessen 1), andere diese Erhebung als schuldigen — vielleicht bedungenen Lohn für geleistete Dienste betrachten 2), so wird neben beiden Ansichten auch die noch Raum gewinnen, daß Heinrich hier, wie stets bei Erledigungen seinem Princip getreu geblieben, keine Erblichkeitsrechte bei großen Reichslehnen anzuerkennen, sondern nach seinem kaiserlichen Willen und Gutdünken dieselben zu verleihen. Wäre bei Besetzung des Herzogthums Sachsen auf die nächsten Verwandten der Billungen Rücksicht genommen worden, so hätten die Schwiegersöhne des Herzogs Magnus, Graf Otto von Ballenstädt, Gemahl der ältern Schwester Eilike, und Herzog Heinrich der Schwarze von Baiern, Gemahl der jüngern Wulfhild Ansprüche gehabt, zumal Ersterer als Eingeborner des Landes, Besitzer der halben billungschen Erbschaft und nicht unbeträchtlicher eigner Allodien, überdies ein tapferer, einsichtsvoller Mann, ohne wie Heinrich von Baiern ein allzugroßes Uebergewicht und die Verbindung von zwei umfangreichen Herzogthümern befürchten zu lassen. Weder Mistrauen noch Abneigung hegte der König gegen Otto, wie beweist, daß er später, als Lothar ihm feindlich entgegentrat, die sächsische Herzogswürde jenem übertragen wollte. Die freie Bestimmung des Königs in Lothar's Erhebung läßt sich nicht verkennen 3); daß er durch ihn sein Streben

 

1) Krantz V, 25, p. 122.

2) Chron. vet Duc. Brunswic., Leibn. II, p. 16: Lotharius a Rege Henrico Ducatum Saxoniae pro sua industria est adeptus. Corner 667 gibt Erdichtetes, doch ein früher gegebenes Versprechen Heinrich's ist nicht unwahrscheinlich.

3) Schaukegl, in seinem öfters angeführten, viel Treffliches enthaltenden Buche, leitet freilich Lothar in gerader Linie von des ersten billunger Herzogs Hermann älterem Bruder Wichmann her. Sein Beweis ist nicht auf Lokalverhältnisse, sondern auf Namensgleichheit gestützt. Cap. XVII, p. 131 glaubt er in einem Grafen Luiderus, der seit 1624 einigemal als Zeuge in der Vita Meinwerci p. 336. 536. 559 erwähnt wird, den Urenkel jenes Wichmann's und den Urgroßvater Herzog Lothar's entdeckt zu haben. An der Existenz eines solchen Grafen Luiderus ist nicht zu zweifeln, allein mehrere desselben Namens hat es um die gleiche Zeit gegeben. Selbst wenn wir Schaukegl einräumen, daß der in vita Meinwerci erwähnte und der 1033 bei Wirben erschlagene eine Person gewesen, so lebte um dieselbe Zeit auch der Graf Luiderus im Derlingau, den wir als Gebhard's von Suplingenburg Vater deutlich nachwiesen. Darin freilich stimmt auch Schaukegl bei, macht ihn aber, ohne einen Nachweis zu geben, zum Sohne des 1033 Gefallenen. Namen allein können für eine Genealogie Nichts entscheiden, wenn nicht andere Umstände und Verhältnisse, namentlich gleiche Stammbesitzungen die Reihenfolge bestätigen. Auf Letzteres mehr als auf die Wiederkehr gleicher Namen stützt sich die im Text versuchte Ableitung von dem alten walbekschen Hause. Wenn Schaukegl p. 217 die Erhebung Lothar's zum Herzog von Sachsen also rechtfertigt: Luiderus Comes de Suplingenburg, mortuo sine filio Saxoniae Duce Magno, fuit haeres necessarius ejusdem Ducatus, utpote a Billungo II Comite descendens, cujus filii erant Wichmannus vulgo Senior et Herimannus Dux Saxoniae, a quorum priore Luiderus, a posteriore Dux Magnus processit, cujus atavus Ducatum Saxoniae tunc adhuc ex gratia Imperatoris, postposito ejus fratre Wichmanno, obtinuit, nunc per haereditatem ad eos recidit, qui nativitatis jure primi fuissent. Tranquilla igitur et pacifica haec Ducatus Sax. translatio evidenter demonstrat, Luiderum linea recta a Wichmanno Seniore descendisse et non fortuito casu aut favore, sed haereditatis adeptae jure ac justitia Sax. Ducatum suscepisse, so kehrt er die Sache um, und beweist aus Lothar's Erhebung seine Abstammung von den Billungen, die er vorher als Grund der Erhebung angegeben. Kein alter Chronist weiß von Erbansprüchen Lothar's. S. Chron. Ursp., Ann. Hildesh., Ann. Saxo ad 1106, Helmold lib. I, cap. 36.

 

 

____

23 Lothar, Herzog von Sachsen.

 

nach unumschränkter Herrschaft zu fördern glaubte, wenn man Heinrich's Charakter ganz durchschauet, kaum in Zweifel ziehen. Wenn seine gehegten Erwartungen, seine längst berechneten aber noch verborgenen Absichten, die gehofften Dienste für die Beknechtung Deutschlands in der Folge bei dem Manne seiner freien Wahl und besondern Gunst zum Gegentheil ausschlugen, so liegt hierin ein augenfälliger Beweis, wie verschieden Beider Charakter, Gesinnung und Streben gewesen sind. Seltsame Fügung des Schicksals! beide sollten die gleiche Aufgabe lösen, beide den Kaiserthron besteigen, um seine erschütterte Macht zu befestigen. Leicht wäre im Jahre 1105 einem Manne von Lothar's Eigenschaften gelungen, was ein Heinrich, wie ihn die Natur geschaffen, auf immer verdarb, sodaß 20 Jahre später kaum die Pfosten von Kaiser Karl's des Großen Herrscherthron erhalten waren und ein kommendes Kaiserhaus voll Kraft, Geist und unermüdlicher Thätigkeit, anstatt jenen neu zu erheben und auf festen Grund zu stellen, wenn scheinbar dieser gewonnen, wie in einen unterhölten Boden hinabstürzte, und endlich unter den Trümmern seiner Herrlichkeit begraben, kaum mehr als das Gedächtniß an seine Größe, an seinen Glanz der Nachwelt zurückließ. Daß nicht erst ein Lothar, dann ein Heinrich zur Regierung kam,

 

 

____

24 Erster Abschnitt.

 

hat Deutschlands Geschick, wie keine andre Folge der Regenten seltsam gestaltet, und gehört zu den Räthseln, die Der nur löst, der die wunderbare Verkettung der Weltbegebenheiten fügt und ordnet.

 

Wenn Heinrich V. in Lothringen und Sachsen durch die neuen Herzoge seine Macht befestigt, das Ansehen des Reichsoberhauptes durch willkürliche Besetzung zweier bedeutender Reichslehen gehoben glaubte, so suchte er in Schwaben das kaum emporgekommene Geschlecht der Hohenstaufen gegen Ansprüche Andrer zu schützen. Kaiser Heinrich IV. hatte oftmals, ohne nach einer Reihe berühmter Ahnen zu fragen, persönlichem Verdienste eine Anerkennung gezollt, die nicht selten den stolzeren Reichsfürsten anstößig und verhaßt gewesen war. Keinen aber lohnte er, um den Wankelmuth und den Eigennutz älterer Fürstenhauser zu strafen, und Treue und Tüchtigkeit als einzige Berechtigung auf seine Gunst hervorzuheben, so wahrhaft kaiserlich als den Gründer von Schloß Hohenstaufen, den gleichnamigen Sohn eines schwäbischen Edlen, Friedrich's von Büren, dessen Vorfahren noch fast unbekannt gewesen waren, und es selbst dann noch blieben, als ihre Nachkommen bereits den Kaiserthron bestiegen. Friedrich's, des neuen Herzogs von Schwaben und Schwiegersohns von Heinrich IV., erwähnen die ältesten Geschichtsschreiber gleichfalls nur in allgemeinen Ausdrücken, daß mehr als seine Erhebung im Jahre 1079, sein Kampf um das ihm zugesprochene Herzogthum wider Berthold II. von Zähringen und Welf IV. von Baiern bis 1097, und sein Tod im Jahre 1105 nicht anzugeben sind. Letzterer überhob ihn der peinlichen Wahl, die er zwischen dem Vater und Bruder seiner Gemahlin in dem unnatürlichen Kampfe beider hätte treffen müssen 1). Er hinterließ zwei unmündige Söhne, die sammt ihrer Mutter Agnes von König Heinrich ihr künftiges Geschick zu erwarten hatten und von ihm in der vom Vater hinterlassenen, noch keineswegs sichern Herrschaft geschützt werden mußten. Denn wenn auch Berthold II. von Zähringen seine Ansprüche an das Herzogthum Schwaben erneute, so stand den Knaben ein schwerer Kampf mit einem tapfern, klugen und im Lande sehr beliebten Manne bevor. Denn dieser war nach altem Brauch von der Nation selbst nach dem Tode seines Schwagers, Berthold, des Sohnes von dem Gegenkönig Rudolf, zum Herzog ausgerufen worden

 

1) S. Raumer I, S. 291. Chron. Ursp. und danach Annalista u. Chronographus Saxo nennen ihn: vir prudentia, moribus et nobilitate satis clarus, insuper clarissimo matrimonio Adelheidis (Agnetis) inclitae famae, filiae Imperatoris et ex eadem mirae indolis prole decoratus.

 

 

____

25 Die Hohenstaufen.

 

(1090) 1) und nur der vereinten Uebermacht Heinrich's IV. und Friedrich's von Hohenstaufen gewichen (1097) 2). Allein Berthold zeigte sich, wie überall so auch hier besonnen und ehrenfest, begnügte sich mit dem Herzogtitel und den ihm früher zugestandenen Besitzungen im Turgau, der Landgrafschaft zwischen Jura und St. Bernhard und seiner Erbgrafschaft im Breisgau. Wie seit dem Vertrage dem alten Kaiser, blieb er nunmehr dem allgemein anerkannten jungen Könige bis zu seinem Tode (1111) 3) getreu und auch sein Sohn Berthold III. ließ dessen Neffen im unangefochtenen Besitz Schwabens, wie günstig jenem die Jugend beider 4), diesem ihre von allen Seiten bedrängte Lage (in den Jahren 1116—18) zu neuen Versuchen, das Verlorne wieder zu erwerben, gewesen wären.

 

Daß Heinrich V. nicht gesonnen war, seines Vaters Anordnungen umzustoßen und dessen Anhänger weiter als der Schein neuer Grundsätze, oder die Hartnäckigkeit letzterer erforderte, zu verfolgen, konnte nicht lange verborgen bleiben. Geraume Zeit wußte aber der schlaue König auch dies für eine Pietät auszugeben. Die Söhne seiner Schwester mit Wohlwollenheit zu behandeln, schien nur Pflicht gegen nahe Verwandte, aber der eigne Vortheil war dabei seine Hauptrücksicht. — Da er ihre Erziehung leitete, pflanzte er früh in die jugendlichen Gemüther die Grundsätze, an denen er selbst Reich und Kirche gegenüber seine ganze Regierung hindurch festhielt, die von dem ganzen fränkischen Kaiserhause ausgeübt waren und die, wenn er selbst kinderlos stürbe, von den Neffen festgehalten werden sollten. Wie gelehrig und dankbar gegen den Meister die Schüler gewesen sind, dafür liefern Friedrich's und Konrad's spätere Thaten unverkennbare Beweise. Ihnen konnte Heinrich durchaus vertrauen, ihnen später seine fast verlorne Sache in Deutschland überlassen, während er selbst in Italien ein neues Wagestück begann. Wie die Kinder, sollte auch die Mutter Heinrich's Absichten dienen. Sie wurde an den Markgrafen Leopold von

 

1) Otto Fris., de gest. Friderici primi lib. I, cap. 7. Berth. Constant. ad 1093. Fragm. histor. apud Urstisium II, p. 83.

2) S. Wegelin II dissert. 38, p. 564, nach Otto Fris. a. a. O. 8, Chron. Ursp. 1097 u. A. m. Vergl. Stenzel I, S. 565. Anmerk. 29.

3) Ebenso heißt der bei einem Ueberfall der Stadt Mollenheim 1123 fallende Berthold III. Imperatori fidissimus. S. Wegelin a. a. O. 4) Otto Fris. cap. 9: Mortuo Duce — filiis ipsius Friderico quindecim, Conrado duodecim annos habentibus — Fridericus patri in Ducatum successerat.

 

 

____

26 Erster Abschnitt.

 

Oestreich verheirathet 1), um das babenbergische Haus an sein Interesse zu knüpfen. Dann war in der Länderkette des südlichen Deutschland vom Elsaß 2) bis Oestreich, mit Ausnahme des Herzogthums Baiern, Alles nahen Verwandten oder ergebenen Freunden zugetheilt. Vollends war die welfische Macht ganz umstellt, als der jüngere Neffe des Königs, Konrad, späterhin das Herzogthum Franken und dann die Verwaltung der italienischen Reichslehen erhielt. Heinrich wußte sehr wohl, daß er den Welfen nicht trauen dürfe, und daß die Politik der Päpste den alten Familienhaß 3) zwischen ihnen und den Waiblingern zum eigenen Vortheil nähre. Jetzt gerade drohte eine neue Verwicklung, wenn die hochbetagte Markgräfin Mathilde starb, deren Besitzungen ein Zankapfel für Papst, Kaiser und Welfen werden mußten und die Erster, wenn er nicht das Vermächtnis der einstmals so ergebenen Freundin Gregor's VII. zu seinem alleinigen Vortheil benutzen konnte, lieber dem Herzoge von Baiern scheinbar als Kirchenlehn übertragen, in der That auch so noch in Anspruch nehmen, als unwiederbringlich Heinrich V. und seinen Nachfolgern auf dem Kaiserthrone einräumen wollte. Darum mußte Heinrich den zweideutigen Vasallen des Reichs, den Schützling der Kirche, in seinen Erblanden bewachen und umstellen lassen. Angesehene Grafen in Baiern hatte er schon gewonnen, und mancher von ihnen gehörte zu den Vertrauten des Königs, mit denen 1105 der Abfall von seinem Vater verabredet war, ehe die öffentliche Empörung kund wurde. Jetzt, da der mächtigste Vasall des Herzogs, der Markgraf von Oestreich, Heinrich' s Schwager geworden, konnten in Baiern die Welfen nichts Feindliches gegen den König unternehmen; und während ihre schwäbischen

 

1) Otto Fris., de gest. Frid. prim. lib. I, cap. 10 und Chron. lib. VII, cap. 9. Chron. Mellicense ad 1106. Chron. Claustro - Neoburg. ad 1106. Chron. Austriacum incerti aut. ad 1058. Sie starb 1143 VIII. Kal. Octobris. S. Nerol. Claustro-Neob. in scriptores rer. Austr. I, p. 494., Chron. Saxo ad 1143., Necrol. vetus Mellic. in scriptores rer. Austr. I, p. 309.

2) Daß Friedrich außer Schwaben auch Elsaß besaß, erhellt schon aus seiner Unterschrift Dux Sueviae et Alsatiae bei Schaten Annal. Paderb. I, p. 770 u. 71. Vergl. Obrecht, Prodromus rer. Alsat. cap. X, wogegen Cruse Ann. Suev. part. II, lib. VII, cap. I und lib. VIII, cap. 8 bewiesen, daß Elsaß den Hohenstaufen, nicht den Zähringern zugefallen.

3) Als Anfangspunkt dieses Familienhasses betrachtet man die Feindschaft zwischen König Heinrich III. und Herzog Welf III. bei des Kaisers zweitem Römerzuge. Doch läßt sich der Zwist noch anders herleiten und weiter hinaufführen. S. darüber Otto Fris., de gest. Frid. prim. lib. II, cap. 2.

 

 

____

27 Die Welfen. Die Hierarchie. Der Investiturstreit.

 

Besitzungen durch die Hohenstaufen bewacht waren, standen die durch Heirath erworbenen Güter in Sachsen nicht unter der Landeshoheit eines dem billungischen Hause verwandten Fürsten, sondern unter einem durch kein Band weder an die Billungen noch an die Welfen geknüpften Herzog, den des Königs Gnade dazu erhoben hatte. Um noch sichrer vor den Welfen zu sein, mußte Friedrich von Schwaben, sobald er in das heirathsfähige Alter getreten, sich mit Judith, der Tochter Herzog Heinrich's des Schwarzen, vermählen. Daß dieser so wenig als sein älterer Bruder Welf V., die freilich beide mehr Stolz als Herrschsucht besaßen, nie, auch selbst nicht bei dem spätern Abfall so vieler Fürsten, dem Kaiser feindlich entgegentraten, und die mathildischen Güter ihm unbestritten ließen, beweist, wie gut Heinrich seine Macht im Süden befestigt hatte.

 

Wer möchte Heinrich's kluge Politik in all diesen Angelegenheiten nicht bewundern? Und wer es unbedacht oder vermessen nennen, daß er nach so zweckmäßigen als sicherstellenden Anordnungen im Reiche den Kampf wider die Hierarchie, ungeschreckt von dem Beispiel seines Vaters, wieder aufnahm? — Wenn er vor den Reichsfürsten noch längere Zeit die angenommene Maske freundlicher Zuneigung und Herablassung beibehielt, so zeigte er gegen den Papst viel früher statt der Demuth und Unterwürfigkeit, die er geheuchelt, jene gebieterische Sprache des ersten Beherrschers in der Christenheit, welchem alle Bischöfe bis zu dem höchsten in Rom unterwürfig und gehorsam sein müßten, und dem jedenfalls die Geistlichkeit innerhalb des Kaiserreichs, wofern sie weltliche Macht und Güter in Anspruch nähmen, gleich den Laienfürsten damit zu belehnen, sie ein- und abzusetzen, allein zukäme. Dieser Kampf Heinrich's V. mit der Kirche, gewöhnlich der Investiturstreit genannt, war eine Fortsetzung dessen, den sein Vater wider Gregor VII. erhoben, den in der Folge das Haus der Hohenstaufen mit allen weltlichen und geistlichen Waffen wieder aufnahm, an den sich alle welthistorischen Ereignisse zweier Jahrhunderte knüpften, der nicht minder auf das bürgerliche Leben als auf das politische Einfluß übte, und der mannigfache Verhältnisse unserer Gegenwart hervorgerufen hat, die ohne seine Bedeutsamkeit zu prüfen und zu erkennen, uns räthselhaft und wunderbar bedünken müssen. Es ist nicht zu leugnen, daß jenem Kampfe zwischen Kaiser und Papst eine sittliche Idee ursprünglich zum Grunde gelegen, daß nicht minder geistige Kräfte als weltliche Waffen in ihm um ein Lebensprincip für Staat und Kirche aufgeboten worden; allein die früh erhitzte Leidenschaftlichkeit der Kämpfenden hat in ihnen selbst nie den

 

 

____

28 Erster Abschnitt.

 

leitenden Gedanken zum klaren und richtigen Bewußtsein kommen lassen; und mehr als von ihm haben von obwaltenden Zeitverhältnissen das Uebergewicht der Parteien, die momentanen Vortheile, der Ausgang des Streites abgehangen. Seine Gegenwart hatte Gregor VII. zu benutzen verstanden, als er den Plan: die Macht der Kirche zur höchsten auf Erden und über alle Gewalten der Erde zu erheben, der christlichen Welt kund gab. Vorbereitet fand er sein Werk freilich durch Vorgänger auf dem römischen Stuhle und durch Satzungen in der Kirche; der gläubige Sinn der germanischen Völker, die innerhalb des römischen Reiches sich niedergelassen, war schon seit Jahrhunderten von dem Bischof der ehemaligen Weltstadt, die zur Herrscherin des Erdkreises bestimmt schien, geleitet worden, und seit Missionäre von Rom entsandt und gelenkt, das Land zwischen Deutschland und dem Papste befestigt hatten, achteten die Nationen des bald weiter und weiter sich verbreitenden Frankenreiches als folgsame Heerde auf die Lehre und das Gebot ihres geistlichen Hirten. Ein weltlicher Einfluß wäre von diesem nicht so leicht errungen worden, wenn nicht das neu aufstrebende Geschlecht der Karolinger zum Sturze der Merowinger, zur Sanktion ihres unrechtmäßig errungenen Thrones einen Beistand bedurft hätte, der mehr als jeder andre die Gemüther der Nation versöhnte und lenksam machte. Mit der Erhebung Pipin's war unabweislich der Einfluß des Papstes auf die weltlichen Verhältnisse des Frankenreiches begründet, und sein Vorrang über alle andern Bischöfe von der höchsten weltlichen Macht anerkannt worden. Seitdem kannte Rom den Weg und die Mittel, sein Ansehen höher zu steigern. Ob der Gedanke, Karl den Großen zum römischen Kaiser zu krönen, eher in diesem als im Papst Leo entstanden, mag immerhin unentschieden bleiben; daß der Akt der Kaiserkrönung nur in Rom, nur durch den römischen Bischof vollzogen werden könne, blieb ein Grundsatz, den auch die kräftigsten Gegner der Hierarchie nicht umzustoßen wagten. Der prunkliebende Otto I. gab der Feierlichkeit eine erneute und höhere Bedeutung, sodaß seine Nachfolger den Römerzug und die Kaiserkrönung für unerläßliche Bedingungen ihrer höchsten Herrschermacht in der Christenheit ansahen. War nun noch der Empfänger oder nicht vielmehr der Ertheiler des höchsten irdischen Schmuckes die Hauptperson bei diesem Schauspiel für die ganze christliche Welt? Konnte die Kniebeugung des Kaisers, das Zeichen seiner Demuth vor Gott, nicht für eine schuldige Ehrfurcht vor Dem, welcher sich für den Stellvertreter Gottes auf Erden ansah, gedeutet werden? Die erniedrigenden Ehrenbezeugungen und Handdienste, selbst auf ihre

 

____

29 Der Investiturstreit.

 

Macht und Majestät stolzer Kaiser, geben Beweis, welches Gewicht die römische Kurie auf ein bloßes Ceremoniel legte, und wie solches den Nimbus „des heiligen Vaters“ in den Augen der Völker erhöhte.

 

So lange indeß die Wahl des Papstes vom Könige abhängig blieb, so lange dieser die Kaiserkrönung als eine ihm allein gebührende Ehre von jenem fordern konnte, wagte Rom nicht über den weltlichen Herrscher sich zu erheben. Wie sehr das Kirchenhaupt noch unter des Kaisers allgebietender Macht stand, hatte Heinrich III. gezeigt, der drei eigenmächtig erhobene Päpste entsetzte und stets den Stuhl Petri mit Männern seiner Wahl besetzte. Doch Heinrich ist der letzte deutsche Herrscher, der, unbeschränkt in weltlichen und geistlichen Dingen, Staat und Kirche unter sein Scepter beugte. Schon war der Mann, der Heinrich's Nachfolger die Macht entreißen sollte, kein müßiger Zuschauer in der römischen Kurie 1), und baute, ohne daß er Denen selbst, deren Handlungen er leitete, sein Streben deutlich enthüllte, mit unsichtbarer Hand an dem Gebäude, das, als der Welt es sichtbar wurde, unerschütterlich jeder weltlichen Waffe widerstand, und durch keine Macht erschüttert worden wäre, wenn ein Geist, wie Gregor's, zu allen Zeiten darin gewohnt, gewacht, es mit Leben beseelt und, wie er, die Zeitverhältnisse zu benutzen und zu beherrschen verstanden hätte. Daß Gregor dies verstanden, thut seiner bewundernswürdigen Größe keinen Abbruch, sondern ist, wie bei allen eminenten Geistern, nur die Bedingung, ihre Kraft wirksam und der Welt nothwendig zu zeigen. Wer will die Nothwendigkeit eines Gregor für seine Zeit ableugnen? Nicht nur die mannigfachen Verderbnisse und Misbräuche in der Kirche selbst erforderten einen Mann von solcher Kraft und unerschütterlicher Festigkeit, der mit aller Kühnheit, Offenheit und Beharrlichkeit der gesunkenen Geistlichkeit entgegentrat, sondern auch Heinrich's III. Alles niederbeugender Arm, Heinrich's IV. aus zügellosen Leidenschaften, aus misleiteter Erziehung, aus falschen Begriffen von seiner Stellung

 

1) Vermutlich hatte Hildebrand an der Wahl Gregor's VI., eines der drei entsetzten Päpste, Theil genommen. Gewiß aber wirkte er mannigfach auf den vom Kaiser erhobenen Leo IX., der ihn zum Subdiakonus der römischen Kirche machte, und stand vor Allem an der Spitze der strengen Partei, die schon damals die Papstwahl unabhängig vom Kaiser zu machen bemüht war. Der Umfang seiner Kenntnisse, die Bestimmtheit seines Charakters, die unwiderstehliche Gewalt seines Geistes, die ihm über Andre eine Herrschaft gab, sprachen sich damals schon entschieden aus. S. Stenzel I, S. 117 und 121.

 

 

____

30 Erster Abschnitt.

 

hervorgegangene Willkür und Tyrannei wartete auf einen Beschränker der über das rechte und gesetzliche Maß hinausgeschrittenen Königsgewalt, die freilich nur mit List und nach lange versteckten Vorbereitungen zu brechen möglich war.

 

Mit Unrecht sind Gregor's Kirchenreformen unpolitisch, seine Bestrebungen, die weltliche Macht zu beschränken, nur für Herrschsucht und Arglist gehalten worden 1). Dieser Tadel würde, wenn auch jeder der beiden Sätze gesondert sich nachweisen ließe, in der Art zusammengestellt, sich selbst aufheben, und die allgemein zugestandene Klugheit des Mannes in ein sehr zweifelhaftes Argument bringen. Vom Standpunkt des Mittelalters und seiner Völker aufgefaßt, erkannten wir oben schon das tief in der Gemüthswelt der Germanen wurzelschlagende Christenthum als das einzig wirksame Element, welches die rohen, oft überstrotzenden Kräfte bezähmte und zu milderer Gesittung und intellektueller Veredlung hinleitete. Auf die gröbere Sinnlichkeit konnte aber nur durch ein sichtbares Gebäude, durch die Kirche und ihre Diener, ein wirksamer Eindruck gemacht werden, und die Lehre Christi wirkte hier nur, insoweit sie als Kirchendogma verbreitet und verständlich gemacht wurde. Um ihr größern Nachdruck zu geben, war Einheit der Kirche und ein sichtbares Oberhaupt derselben erforderlich. In dem römischen Bischofe letzteres anzuerkennen, war längst herrschende Idee, aber bis auf Gregor VII. nie durch Ausübung alleiniger Gewalt zur Erscheinung gelangt. Wer mag es tadeln, daß Hildebrand die nothwendige Alleinherrschaft in der Kirche, die dem römischen Stuhl bisher stillschweigend zuerkannt war, mit aller Festigkeit, Kühnheit und Umsicht zu erringen strebte? Hier entsprach er nur einem allgemeinen Bedürfniß in der ganzen Christenheit. Diese war, weil noch keine durchgreifende Hand sie gelenkt, in ihren Lehren zerfallen; die Diener der Kirche hingen an weltlichem Gewinn und sahen die Religion als das Mittel, ihn zu erringen, an; sie strebten weniger durch eigne Tugenden und Verdienste bei der Gemeinde ihre freie Erwählung, als durch Geldbestechung, feile Dienstbarkeit und niedere Schmeichelei bei den weltlichen Machthabern ihre willkürliche Einsetzung zu erlangen. Die den ganzen Stand entehrende Simonie, welche vom geringsten Pfarrer bis zum obersten Hirten der Christenheit ihren

 

1) Selbst Stenzel hat Gregor zu einseitig beurtheilt, und doch kann er die Nothwendigkeit seines Erscheinens nicht leugnen. Er geräth dadurch in Widersprüche. Johannes Voigt's Gregor verdient immer noch die Anerkennung aller Religionsparteien vom moralischen wie vom politischen Standpunkt.

 

 

____

31 Der Investiturstreit.

 

Wucher verbreitet, hatte der Kirche in den Augen jedes rechtschaffenen Mannes, bei allen frommen Gemüthern und den von Christi reiner und göttlicher Lehre durchdrungenen Völkern so viel von der einstigen Geltung entzogen, daß sie weniger eine Förderin der Gottseligkeit als eine Helferin der Tyrannei, mittels welcher die weltlichen Machthaber Freiheit und Selbstständigkeit zu vernichten strebten, genannt wurde. Ist bei der allgemeinen Lasterhaftigkeit und Schamlosigkeit der damaligen Geistlichen noch zu verwundern, daß der Unwille der Niedern, der Eigennutz der Großen, selbst der bessere Wille oder die augenblickliche lobenswerthere Stimmung der höchsten Machthaber 1), die doch allein von dem Knechtsinn der Geistlichkeit Vortheil errangen, sich ungescheut wider die höchsten Würdenträger der Kirche ausließ? Selbst in Deutschland, in dem Lande, das mehr als jedes andre eine heilige Scheu vor den Dienern der Kirche hegte, mußten ein Anno von Köln, ein Siegfried von Mainz, ein Adalbert von Bremen, Männer, die den höchsten geistlichen und weltlichen Einfluß übten, die Mishandlungen eines empörten Pöbels wie erzürnter Fürsten und Edlen erfahren, ohne daß ihr Stand, ihre Würde, ihr Kleid sie zu schützen vermochten. Bei den leicht erregten, bestechlichen und zügellosen Römern war bereits die Frechheit und Schamlosigkeit so tief gewurzelt, daß seitdem Schändung und Grausamkeit an hohen Geistlichen, an den Päpsten selbst verübt, für nichts Unerhörtes mehr galten.

 

Erst wenn man erkannt, wie weit und allgemein die Verderbtheit der Geistlichkeit verbreitet war, erscheint das Unternehmen Gregor's als ein wahrhaftes Riesenwerk. Die äußersten Grenzen desselben schwebten wol auch seinen Blicken nicht sogleich deutlich vor. Von der Nothwendigkeit überzeugt, daß der Kirche nicht nur die höchste Achtung und Anerkennung, sondern auch Unabhängigkeit von jeder weltlichen Gewalt zu Theil werden müsse, führten bald die Consequenz dieses Vorhabens, die dargebotenen Zeitumstände, die im Kampf mit den Gegnern erhitzte Leidenschaftlichkeit ihn über das richtige Maß hinaus, und gefährdeten die Welt von der Seite her, wo die Rettung von Tyrannei sich ihr gezeigt hatte, als die Kirche nicht Gleichstellung mit, sondern Gewalt über jede weltliche Macht

 

1) Auch der junge Heinrich IV., wenn er dem bessern Zuge der Natur folgte, erkannte die Schändlichkeit der Simonie, und beschämte oft die freche Käuflichkeit der nach Pfründen gierigen Geistlichen. Doch durchgreifend und consequent war sein Verfahren keineswegs, und nicht einmal der Bestechlichkeit seiner Hofbeamten konnte oder wollte er steuern.

 

 

____

32 Erster Abschnitt.

 

in Anspruch nahm. Die Simonie auszuheben und für alle Folgezeit unmöglich zu machen, war der Gedanke, der den noch unscheinbaren Hildebrand leitete. Aber beginne ein Riesengeist, wie der seine, mit unwiderstehlicher Gewalt auch nur ein kleines Gebrechen der Zeit zu heben, und er wird wie Gregor damit enden, die Welt erschüttert und all ihre Triebräder aus dem Gleise gerückt zu haben, sodaß der Spruch der kommenden Jahrhunderte noch segnend oder fluchend über ihn ergeht. — Um der Simonie wirksam zu steuern, mußte die ganze Lebensweise der Geistlichkeit zu höherer, ja zu möglichst höchster Moralität geleitet, ihr Wollen und Handeln dem römischen Stuhl, als dem anerkannt ersten des Abendlandes 1), unterworfen, dieser von jeder Macht unabhängig, in sich selbst fest begründet werden. Dem ersten Verbot der Simonie folgte das strengere Gebot des Cölibats. Wie seit Jahrhunderten bewahrter, durch traditionelle Verbreitung befestigter und durch Thatsachen entschieden ausgesprochener Glaube den Papst zum Haupt der Kirche erhoben, so heiligte Gewohnheit seit den ersten Anfängen des Christenthums, ja das Beispiel des Stifters und seiner Apostel die Ehelosigkeit der Priester, ohne daß beide Ansichten strenge festgehalten oder als Vorschrift der Kirche anerkannt und befolgt worden wären 2). Ihre Nothwendigkeit, ihre zum Wohl der Kirche heilsame Befolgung erkannten für ihre Zeit sehr richtig Hildebrand und jene strengere Kirchenpartei, die längst sich gebildet, aber bis dahin stets nur die Minderzahl ausgemacht 3) und den Spott, die Verfolgung der Menge erfahren hatte.

 

1) Um auch die griechische Kirche mit der römischen zu vereinigen, trat Gregor, bald nach seiner Erhebung auf den päpstlichen Stuhl, mit dem Kaiser Michael in Unterhandlung. S. Regesta I, 18. An der alten Eifersucht zwischen Orient und Occident scheiterte sein Plan, und als der Papst bei den Normannen seine Stütze suchte, waren die byzantinischen Kaiser auch aus politischen Rücksichten jeder Verbindung beider Kirchen entgegen, es sei denn, daß der Papst sie statt der deutschen Könige in Rom kröne, welche Idee unter Paschalis auch wirklich einmal aufgenommen wurde.

2) Der heilige Ambrosius, dessen Lehren und Grundsätze das Mittelalter durchweg als Norm alles Denkens, Handelns, Unterlassens ansah, hatte in seinen Schriften, an Jungfrauen und Wittwen gerichtet, oder der Jungfrau Maria gewidmet, Ehelosigkeit als Verdienst herausgestellt. Vergl. Schlosser's Universalhistorische Uebersicht der Geschichte der alten Welt, III, 4, S. 31.

3) An ihrer Spitze stand der zwar im Alterthum belesene und gelehrte, aber ganz mönchisch gesinnte Peter Damiani, dessen Hildebrand schon, ehe er Papst wurde, sich vielfach zu seinen Plänen bediente. Diese erkannte Peter, der einem Werke wie dem Gregor's nicht gewachsen war, erst spät, entsetzte sich vor dessen Riesenschritten und zog bald die klösterliche Einsamkeit seinem Bisthum Ostia vor, vielleicht ehrlicher, aber beschränkter als sein früherer Genosse. Bei dem ersten Versuche der römischen Kurie, die Hildebrand's Geist beherrschte, gegen den Willen des Königs sich aufzulehnen, bei Gelegenheit der beabsichtigten Scheidung Heinrich's IV. von Bertha, wurde Peter Damiani als das geeignetste Werkzeug nach Deutschland gesandt (S. Lamb. Schaffn. ad 1069). Seine Lehre, vom Standpunkt mönchischer Beschränktheit entwickelt, würde nie viele Anhänger erhalten haben, wenn Gregor in ihr nicht ein geschicktes Mittel seiner Pläne gefunden hätte.

I. 3

 

 

____

33 Der Investiturstreit.

 

Hildebrand wußte den besten Vortheil von jener Idee für seine Absichten zu ziehen. Schon daß das Cölibat eine Anforderung an alle Geistliche war, brachte in diesen Stand die gewünschte Einheit, machte ihn unabhängig vom Staat und gab ihm eine Heiligung in den Augen der Menge. Wenn der Geistliche, um seines himmlischen Berufs auf Erden willen, der höchsten irdischen Glückseligkeit, zu der die Natur auch den geringsten Mann, wenn Händearbeit ihm den nothdürftigen Unterhalt gewährt, befähigt hat, zu entsagen und zwar im Besitz großer Macht über die Menge, über die Hohen und Höchsten zu entsagen sich entschloß, so mußte allerdings solche Enthaltsamkeit in den Augen jedes Laien sein Wirken, sein Leben, seine Person höher als ihr eignes, dem Naturtriebe fröhnendes Dasein erscheinen lassen, und eine Heiligung des dem Körper gebietenden Geistes anzuerkennen nöthigen. Der Gedanke war groß, aber seine Ausführung auch nur für einen Geist wie Gregor's nicht allzugroß. Wie heftig in allen Ländern, vornehmlich in Deutschland, von vielen Geistlichen und ihren Anhängern dem Gebot des Papstes widersprochen wurde, wo dieser auf kirchlichem Gebiete stand, drang er ohne Scheu und mit unbeugsamer Gewalt vorwärts, und mußte endlich Gegner zum Verstummen bringen, die wider seine Anforderung geistiger Willensstärke die Schwäche menschlicher Unfähigkeit, wider seine kirchlichen Zwecke irdische Bedürfnisse geltend machen wollten. Auf der zweiten allgemeinen Kirchenversammlung zu Rom (im Februar 1075) erklärte Gregor für unwiderruflich die früheren Beschlüsse gegen Simonisten und verheirathete Priester, setzte die widerspenstigen Bischöfe ab und drohte, sie von aller Kirchengemeinschaft auszuschließen. Zum Herrscher geboren, überwand er Jeden, der nicht die Kraft besaß, gleich ihm seine Partei zum Kampfe zu begeistern. Er blieb allein im Recht, so lange er allein im Besitz der Gewalt dastand. Diese aber Dem zu entreißen, der sie bisher besessen, erforderte Klugheit und List. Einem Heinrich III. würde er sie nie abgerungen

 

 

____

34 Erster Abschnitt.

 

haben. Doch Heinrich IV., erst ein Kind unter wechselnder, schlechter Vormundschaft, dann unbesonnen die vom Vater errungene Herrschermacht misbrauchend, ohne den längst gährenden Unwillen der Völker und den noch mehr Gefahr drohenden Ehrgeiz und Trotz der Fürsten zu erkennen, bot selber die günstigste Gelegenheit, um die so nöthigen Reformen der Kirche und die dazu erforderliche Unabhängigkeit des päpstlichen Stuhles von dem Willen des Kaisers zu bewerkstellen. So lange die Thätigkeit der römischen Kurie, die unter den Päpsten Leo IX., Nikolaus II., Alexander II. schon Hildebrand's Wille leitete, auf Abschaffung anstößiger Misbräuche gerichtet war, konnte ein gerechter, weiser Herrscher ihr nicht hindernd in den Weg treten. Hatte doch Heinrich III. auch der schändlichen Simonie zu steuern gesucht. Nur in dessen Sinne schien man in Rom fortzuarbeiten. Wenn Heinrich IV. von schlechten Günstlingen, die von der Bestechlichkeit der Geistlichen Vortheil zogen, gegen das strengere Eingreifen der genannten Päpste auftrat, büßte die höchste Herrscherwürde so viel an moralischer Bedeutsamkeit ein, als das Kirchenhaupt gewann, zumal da des jungen Königs eigne Mutter Agnes und sein strenger Erzieher Anno von Köln, die nach einander die Vormundschaft über ihn geführt, der Kirchenpartei eifrig ergeben waren, und so das Gebäude, das Hildebrand aufführte, auch vom Hofe aus kräftig unterstützten. Unter solchen Umständen war es Hildebrand gelungen, im Jahre 1073 die Papstwahl von dem deutschen Könige, dem Schutzherrn des römischen Stuhles, an das Kardinalcollegium zu bringen, so daß Ersterem nur die Bestätigung des Gewählten blieb, anstatt daß er früher den zu Wählenden der gesammten römischen Kirche und dem Volke bezeichnet hatte.

 

Als Hildebrand diesen wichtigen Schritt zur Erhöhung des geistlichen Ansehens that, war Heinrich IV. in die für sein ganzes Leben so unseligen Mishelligkeiten mit den Sachsen und den angesehensten Reichsfürsten verwickelt. Er hatte zum erstenmal erkannt, auf welchen schwachen Stützen sein Thron stand, auf dem er bisher jeder Willkür und Leidenschaft sich zügellos hingegeben hatte. Während ihn die Wuth der Sachsen zur Flucht aus der Harzburg nöthigte und er sich gezwungen sah, demüthig den Beistand der deutschen Fürsten zu erflehen, die einst seines Vaters Scepter gebeugt, er durch Ungerechtigkeiten beleidigt, im Uebermuth verhöhnt hatte, führte Hildebrand, nun endlich selbst als Papst Gregor VII. auftretend, seine Kirchenreformen mit dem Bewußtsein überlegner Kraft aus und konnte, wie in jedem Reiche, so auch in Deutschland auf thätige, folgsame Anhänger und Vollstrecker seines Willens

 

 

____

35 Der Investiturstreit.

 

rechnen. Nicht unbesonnen wollte er auf einmal ausführen, was er bezweckte. Indeß er mit Nachdruck auf Unterdrückung der Simonie, auf Einführung des Cölibats, auf Unterwerfung der ganzen Geistlichkeit drang, um in der Kirche als unbeschränkter Gebieter anerkannt zu werden, indeß er die übrigen Könige und Fürsten der römisch-katholischen Länder schon als Untergebene der Kirche mit Strenge zur Ausführung seiner Gebote anhielt, ehrte er scheinbar noch das Vorrecht des römisch-deutschen Königs und bat diesen in demüthigen Ausdrücken um Bestätigung seiner Erhebung auf den päpstlichen Stuhl. Heinrich IV., obwohl von den Gegnern Gregor's gemahnt, die ohne alle Beobachtung frühern Herkommens und Gesetzes vollzogene Wahl des Papstes für ungültig zu erklären, durfte bei seiner Bedrängniß keinen neuen Feind, der bereits großen Anhang in Deutschland gefunden und noch mehr Furcht erweckt hatte, sich zuziehen und gab den scheinbar billigen Vorstellungen und demüthigen Ausdrücken Gregor's solange nach, bis er der Sachsen und Fürsten wieder Herr geworden. Als dies dem Könige noch einmal im Jahre 1075 gelungen und er auf dem Gipfel weltlicher Hoheit sich wähnte, wollte er nicht mehr der Kirche gegenüber Etwas von seinem königlichen Rechte einbüßen, oder gar Mahnungen und Drohungen, die bereits Gregor sich erlaubte, gehorsam Folge leisten 1). Da begann jener Kampf zwischen Papst und Kaiser, der, weil er von der Idee ausging, die jeden von der Rechtmäßigkeit seiner Gewalt auf Erden erfüllte, ein Kampf auf Tod und Leben werden mußte, in welchem alle Leidenschaften entbrannten, alle Mittel zur Erreichung des Zweckes in Bewegung gesetzt wurden. Wer mag Richter solches Kampfes sein? Wer wagt es, ohne Scheu das Urtheil über Die, welche ihn kämpften, zu fällen? Wer es anzugeben, auf welcher Seite mehr das Gefühl für Recht, Wahrheit, Sittlichkeit, auf welcher mehr der Eigennutz, die Herrschsucht den Kampfesmuth beseelt? Wer den Wunsch auszusprechen, daß einen völligen Sieg der Papst oder der Kaiser errungen hatte? — Nur Eines vermag der Geschichtsforscher zu erkennen: daß der welterschütternde Zwiespalt zwischen den höchsten Gewalten, der zuletzt Nichts mehr von der ihn bewegenden

 

1) Regest. III, 10 vom 8. Januar 1076, worin Gregor dem Könige mit Kirchenstrafe droht, wenn er nicht die von Alexander II. gebannten Bischöfe entferne, ihn zur Demuth nach dem glücklichen Ausgange des Sachsenkrieges ermahnt und ihm Saul's Schicksal als Warnung vorhält. Auch dringt er darauf, die Untersuchung der gefangenen sächsischen Fürsten nach Kirchenrecht führen zu lassen. Vergl. Bruno, de bello Sax. p. 196 ff.

3*

 

 

____

36 Erster Abschnitt.

 

Idee, sondern nur starre Form als Hemmung jeder geistigen Entwickelung zurückließ, einen heilsamern Ausgang genommen hätte, wenn Papst und Kaiser die Nothwendigkeit ihrer nebeneinander bestehenden Macht früher als nach gegenseitiger Schwächung erkannt und nicht, um sich der ihnen Beiden entfremdeten Völker, die sich ohne sie emporzuringen begannen, dennoch Herr zu bleiben, zu Mitteln gegriffen hatten, die weder der Natur der Völker, noch einer fortschreitenden Intelligenz entsprachen. Da bedurfte es einer Reformation, um den unnatürlichen Zustand aufzuheben, Volk und Regierung, Glauben und Kirche, Gesetz und Verfassung in ein mehr geistiges Verband zurückzuführen. Immer aber mangelte noch die lebendige Theilnahme der Nation, die Mitwirkung jedes Einzelnen für die Interessen des Staats und der Kirche. An unsere Gegenwart ergeht die Mahnung, den seit Jahrhunderten fortdauernden Zustand der Unmündigkeit aufzuheben und zeitgemäß die Freiheit der Intelligenz im Staats- und Kirchenleben zum alleinwirksamen Hebel zu machen.

 

Als Gregor und Heinrich, jener auf Traditionen, die die Kirche sanctionirt hatte, dieser auf einst gültige, jetzt vergessene Rechtsansprüche gestützt, Beide aber im Vertrauen auf ihre Stärke einander zu befehden anfingen, war es natürlich, daß jeder in des andern persönlichen Feinden seine Verbündeten suchte, und somit weltliches und geistliches Element auf beiden Seiten den Kampf unterhielten. Wie Heinrich in den vom Papst gebannten Bischöfen und in Allen, die den neuen Kirchenreformen abgeneigt blieben, Werkzeuge fand, die dem Gegner in seinem eignen Gebiet entgegentraten, so wandte Gregor seine Gunst und seinen Beistand den vom Könige bedrängten Sachsen und den dem Reichsverbande sich entziehenden deutschen Fürsten zu. Abgesehen davon, daß der Letztere hierbei eine kräftigere Partei gewann als Heinrich, so boten sich für jenen viel günstigere Verhältnisse dar, seine Macht geltend zu machen, als für diesen. Sie lagen in der Stellung des Kaisers zur Kirche und zu den deutschen Fürsten. Als Heinrich die Absetzung Gregor's aussprach, forderte er ein Recht zurück, das er bei dessen Anerkennung bereits aufgegeben hatte und das der Wahlreform Nicolaus II. widersprach, nach welcher die Unabhängigkeit der Papstwahl von kaiserlichem Einfluß und die alleinige Wahlberechtigung des Kardinalcollegiums von der Kirche sanctionirt waren. Wenn dagegen Gregor in der Folge durch die deutschen Fürsten eine neue Königswahl zu veranlassen wußte, so stand dies in keinem Widerspruche mit älteren oder neueren Rechten, weil den Fürsten es nach Herkommen zustand,

 

 

____

37 Der Investiturstreit.

 

frei das Reichsoberhaupt zu küren und den zeitigen Herrscher zu entsetzen, wenn er ihren Wünschen nicht entsprach, wenn er zum Nachtheil des Reichs gewirkt zu haben überführt wurde. So veranlaßte Heinrich's unbesonnenes Verfahren, daß ein Gegner, der bisher nur seine Gewalt neben die königliche zu stellen gewagt, dieselbe bald über diese zu erheben ohne Scheu, ohne Verletzung der alten Ordnung, und doch zu seinem alleinigen Vortheil wagen durfte. Dieser Gipfel der Hierarchie, von dem herab auch das Kaiserthum dem päpstlichen Stuhle unterwürfig erschien, war ein Punkt, zu dem hin der Gegner ihn gedrängt hatte, und den die Consequenz seines Strebens als letzte Grenze, die er behaupten dürfe, billigte, der aber auch, als er beiden Theilen sichtbar geworden, mit Aufbietung aller Kräfte von dem einen erstrebt, von dem andern bestritten werden mußte 1).

 

1) Was Stenzel I, S. 279 von Andern übersehen glaubt, das Letzte, Aeußerste jenes Kampfes, ist von ihm selbst übersehen worden. Nicht Gregor's Politik, sondern Heinrich's unpolitisches Verfahren spielte dem Papst den ersten Sieg in die Hände; allein Heinrich wars auch, der denselben dem nahe am Ziele Stehenden entwand, um für Jahrhunderte, ja für immer die letzte Entscheidung unmöglich zu machen. Gemeiniglich tadelt man bei dem Vorfall zu Kanossa Heinrich's schimpfliche Unterwürfigkeit und Gregor's stolzes, arglistiges Benehmen, ohne zu bedenken, daß das innerliche Sachverhältniß von der äußerlichen Stellung der beiden betheiligten Personen gerade das umgekehrte, daß Gregor der Bedrängte, Heinrich der durch seine Demüthigung schlau sein fast verlornes Spiel Wiedergewinnende war. Als die deutschen Fürsten Heinrich nicht mehr als König anerkennen wollten, wofern er nicht vom päpstlichen Bann sich gelöset habe, verriethen sie, wer eigentlich die Seele ihrer trotzigen Verbindung sei. Der König, scharfsichtig und von beispielloser Willenskraft im Unglück, erkannte, daß er der Fürsten und des Papstes Plan zerstöre, wenn er die Zurücknahme des Bannes von Letzterem erlange. Alles setzte er daran, selbst die Würde seiner Person. Auch Gregor verkannte nicht, daß er seinen errungenen Vortheil aus den Händen gebe, wenn er Heinrich absolvire. Er opferte seine Ueberzeugung dem Drange der Umstände, in welchen der schlaue Gegner und seine eignen, nächsten, aufrichtigsten Freunde ihn versetzten. Er durchschaute Heinrich's listige Absicht ganz. Ists da noch zu verwundern, daß er diesem so viel als möglich für die Zukunft die Hände zu binden, ja durch eine Gegenlist bei Ueberreichung der Hostie (S. Stenzel I, S. 409—11) den Entronnenen in einer neuen Schlinge zu fangen suchte? Heinrich entging derselben, wenn auch nicht, ohne viel — in den Augen Derer, die ihn sich für schuldig bekennen sahen — zu verlieren. Aber er hatte die Verbindung der Fürsten und des Papstes gelöst, er hatte das Gericht, das ihn verurtheilen und verderben wollte, inkompetent gemacht. Zwar konnten die Fürsten ihn entsetzen, aber der Papst mußte erklären, daran keinen Theil gehabt zu haben, wodurch er Jener Mißfallen erhielt; wenn dennoch auch der Papst später den Bann erneute, so that dies dem Könige, der nach Art seiner Vorfahren bereits von einem andern Papste sich hatte krönen lassen, wenig Eintrag, weil Heinrich nun dem größern Theil der Fürsten in Deutschland und Italien nicht mehr schuldig erschien, sondern vielmehr Gregor als der Wortbrüchige angesehen wurde. Daß Gregor VII. seine furchtbare Consequenz einmal selbst gebrochen, machte seinen erlangten Sieg erfolglos für alle Zeiten. Nur einer seiner Nachfolger, Innocenz IV., behauptete eine bis zum Aeußersten festhaltende Consequenz dem Kaiser Friedrich II. gegenüber und vernichtete diesen beinahe. Doch seit die Völker und Fürsten ihre Freiheit mehr durch die Hierarchie als durch unbeschränkte weltliche Despotie bedroht sahen, erhoben wider jene sich Kräfte, die zur Zeit Gregor's VII. noch schlummerten. Daß Heinrich IV. durch List des Gegners Gewalt sich entzog und dann ihm unüberwindlich Trotz bot, macht sein Andenken unsterblich. Aus seiner Demüthigung zu Kanossa ging er als Retter der Freiheit hervor.

 

 

____

38 Erster Abschnitt.

 

An zwei Bedingungen war das Uebergewicht des Papstes oder des Kaisers geknüpft, an die Art, wie die Kaiserkrönung in Rom vollzogen wurde, und an die Entscheidung über Investitur der Bischöfe im Reich. In Ansehung ersterer hing Alles davon ab, ob der Papst, wie bisher, nach dem Willen des römisch-deutschen Königs jene Feierlichkeit vollzog, oder ob seine Prüfung, seine Genehmigung dem Krönungsakte vorausging. Bei der Wahl des Königs hatte der Papst nur einen mittelbaren Einfluß, insofern er die Wahlfürsten zu gewinnen und für diesen oder jenen zu bestimmen wußte. Die Kaiserkrönung dagegen erlaubte ihm unmittelbar eine höhere Stellung geltend zu machen und die erste der Erdenkronen wie ein Geschenk seiner Hand zu ertheilen oder sie zu verweigern. Wollte der König solche Abhängigkeit und Unterwürfigkeit nicht anerkennen, so mußte er ohne die letzte Weihe seiner Hoheit bleiben oder sie, wie einst Heinrich I., bei ganz selbstständiger Macht als überflüssig betrachten. Es ist keine Frage, daß dies Beides den Päpsten nachtheilig geworden wäre; denn jene Vollziehung der Kaiserkrönung hatte, wie oben bemerkt ist, vornehmlich dem römischen Bischof einen Vorrang vor allen übrigen verschafft, und war nun vollends eine nothwendige Bedingung, um das Supremat der Kirche über jede weltliche Hoheit in einem äußern Akte zu bekunden. Es mußte also von einer andern Seite her dem deutschen Könige jeder selbstständige Entschluß in Betreff jenes Aktes benommen und er bei der Wahl schon verpflichtet werden, sobald als möglich den Römerzug anzutreten, um von der Gnade des Papstes die Kaiserkrone zu erbitten. Dann erst war der Vorrang des kirchlichen Oberhauptes vor dem weltlichen entschieden. Diese Absicht lag als letztes Ziel

 

 

____

39 Heinrich's Sieg über Paschalis II.

 

versteckt hinter dem Bestreben der Päpste, das Recht der Belehnung der Bischöfe und Aebte, welches bisher der König durch Ueberreichung von Ring und Stab an die Erwählten ausgeübt, als ein der Kirche mehr geziemendes an sich zu bringen. Doch wie schlau auch Gregor diesen Rechtsanspruch ersonnen hatte, Heinrich IV. entgingen nicht die vielfachen Nachtheile und die letzte Absicht des Papstes dabei. Hartnäckiger als jedes andre Recht vertheidigte er das der Investitur, und machte den Plan seines Gegners dadurch unwirksam, daß er die Kaiserkrönung zu Rom zwar nicht zurückwies, sie jedoch nicht von Gregor und den in seinem Geiste fortwirkenden Nachfolgern, sondern allein von Klemens III., dem von ihm erhobenen Gegenpapst, in der Weise, wie sein Vater und alle römisch-deutschen Könige es gehalten, vollziehen ließ.

 

Von Heinrich V., der, wie er vorgewandt, um der Kirche den Frieden und ihre Rechte zu geben, seinen Vater vom Throne gedrängt hatte, hoffte Papst Paschalis, der im Jahre 1099 durch die Partei Gregor's auf den Stuhl Petri erhoben war, Alles zu erlangen was Heinrich IV. standhaft zurückgewiesen. Allein bald zeigte sich, daß Paschalis, obwol ein Schüler des großen Hildebrand, doch diesem an Geistesschärfe und Energie weit nachstand, dagegen der neue König an Verschlagenheit und Scharfsinn seinen Vorgänger noch übertraf. Es ist keine Frage, daß Heinrich V. ohne die Treulosigkeit wider seinen Vater, ohne jene Maske der Milde, Demuth und Sorgfalt um des Staates und der Kirche Wohl, nicht so allgemein würde anerkannt worden sein, und daß die kirchliche Partei seine Wahl hintertrieben, oder einen Andern auf den Thron gesetzt, oder mindestens einen Gegenkönig erwählt haben würde. Allen diesem hatte Heinrich V. durch seinen Abfall vorgebeugt, und durch die erneute Wahl, der er sich schlau unterzogen, die freie Zustimmung der Fürsten, der Bischöfe und des Papstes selbst erlangt. So einstimmig war noch nie die Wahl eines Königs ausgefallen; und der bald hergestellte äußere und innere Friede schien eine Bürgschaft, daß man sich in seinen Erwartungen nicht getäuscht habe. Paschalis, Gregor's Grundsätze befolgend, glaubte die Investitur der Geistlichen nun leicht zum Vortheil der Kirche vom Könige abgetreten zu erhalten, und verbot bald nach Heinrich's Krönung auf der Kirchenversammlung zu Guastalla, daß ein Geistlicher die Belehnung mit Ring und Stab von Laienhand annehme. Wie wenig er aber von der strengen Consequenz seines Meisters besitze, zeigte sich jetzt schon. Denn trotz dem ausgesprochenen Gebot gab er nach, daß diejenigen Bischöfe, welche bereits unkanonisch eingesetzt seien, wenn sie nur nicht

 

____

40 Erster Abschnitt.

 

als Simonisten oder sonst untauglich befunden, ihre Würde behalten und von ihm anerkannt werden sollten. So behielt der König zunächst eine Menge ihm treu Ergebene in geistlichen Aemtern, wußte bald neue Wahlen nach seinem Wunsche zu leiten und als in Deutschland seine Macht fest gegründet war, zeigte er auf keine Weise sich willfährig, der Kirche die Investitur einzuräumen. Wie konnte es auch anders sein. Die vielfachen Nachtheile, die dem weltlichen Regiment daraus erwachsen mußten, lagen zu klar am Tage. Es gehörten der deutschen Geistlichkeit nicht nur sehr ausgedehnte Besitzungen, die man Kirchengüter nannte, sondern seit Jahrhunderten waren ihr auch bedeutende Reichslehne zugewiesen, die an bestimmten Kirchenwürden hafteten, und die wiederum an Reichsfürsten oder an eigne Vasallen die Inhaber verliehen. Ueber alle diese Ländereien und deren weltliche Verweser verlor der König seinen Einfluß, wenn er Bischöfen und Aebten eine unabhängige Stellung zuerkannte, oder dem Papst es gestattete, jene nach seiner Willkür zu ernennen. Abgesehen davon, daß den Geistlichen ihre Würde, ihr Stand, ihre kirchlichen Verrichtungen den größten Einfluß auf ihre Gemeinden gestattete, waren sie als Reichsfürsten bei allen weltlichen Verhandlungen zugegen, bildeten einen großen Theil des Reichskörpers, gaben bei der Königswahl gleich den weltlichen Fürsten ihre Stimme, ja die drei rheinischen Erzbischöfe übten bei dem Wahlakt, bei der Weihe und Krönung des Königs die höchsten Functionen aus. Sobald keine andre Pflicht als Gehorsam gegen den Papst sie band, war diesem auch eine unmittelbare Einwirkung auf Besetzung des Thrones und somit das Supremat der Kirche über den weltlichen Herrscher eingeräumt. Selbst ein minder auf seine Macht eifersüchtiger König als Heinrich V. wäre mit Nachdruck dem Ansinnen Paschalis' entgegengetreten. Die durch Verstellung und List erworbene Zuneigung der Fürsten, das wieder hergestellte königliche Ansehen, der bereitwillige Beistand der von ihm erhobenen Geistlichen ließ Heinrich nicht bezweifeln, daß er mit mehr Glück und besserm Erfolg gegen den schwachen Paschalis, als sein Vater gegen den unbeugsamen Gregor, den Kampf bestehen werde.

 

Wie wenig Paschalis begriff, was sein großer Vorgänger ihm vorgezeichnet, wie weit er hinter seinem Gegner, dem gewandten, versteckten, arglistigen Heinrich zurückblieb, wurde bald offenbar. Nur der geprüfte Scharfblick seiner Räthe hielt jenen ab, der Einladung des Königs zu folgen, und in Deutschland eine allgemeine Kirchenversammlung zu halten, was ihn ganz in jenes Gewalt gegeben haben würde. Anstatt dem nicht mehr zweifelhaften Verfahren

 

 

____

41 Heinrich's Sieg über Paschalis II.

 

Heinrich's, der alle erledigten Bisthümer nach seiner Bestimmung besetzte und die Männer seiner Wahl durch die Erzbischöfe weihen ließ, sogleich kräftig entgegenzutreten, ließ er ihm Zeit, sich durch Ueberwältigung hartnäckiger Gegner oder beunruhigender Friedensstörer, durch willkürliche Besetzung erledigter Reichslehen jeder Art, durch Erneuerung alter Rechte, die jemals dem Könige zugestanden hatten, zum unumschränkten Herrn in Deutschland zu machen und durch Heerfahrten wider die Polen, Böhmen und Ungarn die Nachbaren zu schrecken, und das lang vergessene oberherrliche Ansehen des deutschen Königs bei ihnen wiederherzustellen 1). So im Rücken gedeckt, brach Heinrich im Herbst 1110 nach Italien auf, begleitet sowol von einem trefflich gerüsteten Heere als von unterrichteten, gelehrten, gewandten Männern, um neben den weltlichen die geistigen Waffen wider die hierarchischen Anmaßungen zu gebrauchen. Gegen solchen Gegner aber waren die Anstalten Paschalis', der Frankreich, die Normannen und vor Allen die Freundin des päpstlichen Stuhles, die Markgräfin Mathilde, zu seinem Beistande aufgefordert hatte, nicht genügend. Dem schlauen Könige gelang es sogar, diese treueste und mächtigste Verbündete insoweit der Kirche abwendig zu machen, daß sie äußerlich ihm Unterwerfung bezeugte und parteilos dem Kampfe zuzusehen beschloß. Unaufhaltsam drang er vor, und schickte Gesandte nach Rom, um über die Bedingungen der Kaiserkrönung mit Paschalis zu verhandeln. Dieser war in der peinlichsten Lage. Da er noch im Frühjahr von 1110 in einer Lateransynode das Verbot der Belehnung durch Laienhand von neuem bestätigt hatte, so wäre es ein offenes Eingeständnis seiner Schwache gewesen, wenn er Heinrich's dringendste Forderung, die er zur Hauptbedingung machte, unter der allein er von Paschalis gekrönt werden wollte, das Recht der Investitur eingeräumt hätte. Entwich er aber, standhaft die Ansprüche der Kirche festhaltend, aus Rom, um sich, wie einst

 

1) Es liegen diese Kriege außerhalb der Sphäre der politischen Verhältnisse in Deutschland, die ich allein in diesem Werke darzustellen beabsichtige. Das Resultat der Feldzüge gegen Ungarn, Böhmen und Polen habe ich hier im Texte hinreichend angedeutet. Wichtige Folgen derselben im Einzelnen, besonders auf das feindliche Verhältnis, zwischen dem Kaiser und dem groitscher Fürstenhause werden am gehörigen Orte mitgetheilt werden. Die Kriegsereignisse gibt Stenzel in seiner Geschichte Deutschlands unter den fränkischen Kaisern Bd. I, S. 617—26. Ich könnte ihm nur nachschreiben, ohne neue Resultate für meinen Zweck zu gewinnen. Erst unter Kaiser Lothar haben die Kriege gegen die Völker im Osten Deutschlands eine Wichtigkeit für die deutsche Geschichte, auch von dem in meiner Darstellung gewählten Standpunkt.

 

 

____

42 Erster Abschnitt.

 

Gregor, in den Arm der Normannen zu werfen, oder den Schutz Frankreichs zu suchen, so mußte er befürchten, daß Heinrich nach dem Beispiele seines Vaters und Großvaters einen neuen Papst erheben möchte, der bei der jetzigen Uebermacht und bei dem großen Anhange des Königs sich glücklicher als einst Klemens III. behaupten werde, und daß somit alle Vortheile, die seit Gregor die Kirche erlangt, wieder verloren gingen. Auf den Rath des Kardinal Petrus Leonis, der zwar von jüdischer Abkunft, aber damals durch Reichthümer und mächtige Familienverbindungen eine wichtige Person war, wählte der Papst einen Ausweg, der ihm bei dem Beschluß so vieler Kirchenversammlungen und bei dem einmal geforderten Anspruch des päpstlichen Stuhles zu beharren verstattete und doch des Königs Haupteinwand gegen die Abtretung des Investiturrechts, daß nämlich diese ihn zu bedeutender Regalien beraube, beseitigte. Es sollte, so endete die Verhandlung mit den Abgesandten Heinrich's, die Geistlichkeit im ganzen Reiche sich mit den Zehnten und den ihren Stiftungen ertheilten Vermächtnissen und Geschenken begnügen und alle Reichslehen und Regalien, welche seit Karl dem Großen an Bischöfe, Aebte u. s. w. übertragen wären, dem Könige zurückstellen 1), dagegen ihre Einsetzung dem Papste allein zustehen. — Es ist schwer zu entscheiden, ob dieser Vertrag, der viel mehr dem Könige zugestand, als er zu fordern berechtigt war, aus einer sehr gemäßigten Ansicht des Papstes über die geistliche Würde entsprang 2), oder ob er eine schlecht angelegte Falle war, wodurch er die gesammte Geistlichkeit wider den König aufzureizen hoffte, genug Heinrich war zu klug, den von seinen Gesandten abgeschlossenen Vertrag anders als unter Zustimmung der ganzen Kirche und aller Reichsfürsten

 

1) Codex Udalv. epist. 261, ein Schreiben Heinrich's an die Parmenser: Subjunxit (Paschalis): Fratres ecclesiae decimis et oblationibus suis contenti sint. Rex vero omnia praedia et regalia, quae a Carolo, Ludovico, Ottone et Henrico, aliisque suis Praedecessoribus Ecclesiis collecta sunt, sibi et suis successoribus recipiat et detineat. — Me quoque investituras Ecclesiarum, uti quaerebat, refutare.

2) Zwar verkennen läßt sich nicht, daß auch bei diesen so gemäßigten Bedingungen, unter welchen Paschalis das Recht der Investitur für sich forderte, der letzte Zweck derselben zu erreichen möglich war, und um dessenwillen vielleicht Paschalis die näher liegenden Vortheile fahren ließ. Aber Heinrich V. würde, wenn er erst die großen Reichslehen der Geistlichkeit zurückerhalten, sich eine Macht gegründet haben, die jeden geistlichen Einfluß, auch der drei ersten rheinischen Erzbischöfe, vernichtet hätte.

 

 

____

43 Heinrich's Sieg über Paschalis II.

 

anzunehmen 1). Dies erklärte er auch in Gegenwart des Papstes und der zahlreichen Versammlung von Kardinälen, Bischöfen, Fürsten und des römischen Volkes in der Peterskirche, und sah es gern, daß alle Anwesenden heftigen Widerspruch gegen den Papst erhoben. Nun erschien seine Forderung, daß die Bischöfe nach wie vor im Besitze der Regalien bleiben, aber selbige, wie es seit Karl's des Großen Zeiten dreihundert Jahre Kaisers Recht gewesen, aus seiner Hand empfangen sollten, gerecht und gemäßigt. Nur bei ihr beharrte er und gebrauchte seine Ueberlegenheit an Macht nicht zur Vollziehung der vom Papste angebotenen Beeinträchtigung der Geistlichen, sondern zur Demüthigung und moralischen Vernichtung des in seinen eignen Schlingen verstrickten Kirchenhauptes. Die Gefangennehmung des Papstes, die nach alter Weise geforderte Kaiserkrönung, die endlich von Paschalis bewilligte Investitur schienen Heinrich den vollständigsten Sieg über die Kirche zu geben. Dennoch war hier das Kaiserthum ebenso wenig in der Demüthigung des Papstes zu einem wahren Vortheil gelangt, als das Papstthum in dem Moment, wo der weltliche Herrscher demüthig bittend im Büßergewande zu Kanossa erschien. Wie damals nur eine von Gregor geleitete neue Königswahl den römischen Stuhl über alle Throne gestellt haben würde, so wäre jetzt die Unterordnung des erstem durch einen authentischen Akt erwiesen worden, wenn Heinrich den ohne kaiserliche Empfehlung nur von den Kardinälen erhobenen Paschalis entsetzt und unter eigner Leitung mit Zuziehung der Geistlichkeit, die sich selbst von ihrem Haupte losgesagt, einen andern Papst erwählt hätte. Denn in beiden Fällen genügte es nur, wenn zugleich diejenigen in Abhängigkeit gebracht wurden, durch die allein der Machthaber seine Würde erhielt. Und Heinrich V. konnte, das Beispiel Otto's des Großen und Heinrich's III. erneuend, leichter und in unmittelbarer Machtausübung einen neuen Papst auf den römischen Stuhl,

 

1) Chron. Ursp. ad 1111: Eo pacto, quatenus haec transmutatio firma et autentica ratione, consilio quoque vel concordia totius ecclesiae ac regni principum assensu stabiliretur. Heinrich selbst sagt schon von seinen Gesandten in dem angeführten Schreiben an die Parmenser: Nostris tunc idem firmantibus, si haec, uti promissum est, complesset, quod tamen nullo modo fieri posse sciebant. Unter den Gesandten war auch der Kanzler Adalbert, dem damals bereits das Erzbisthum Mainz zugesagt war. Konnte er die Ausführung solches Vertrages wünschen? Er wars wol, der auch den weltlichen Fürsten zeigte, wie viel sie verlören, wenn sie auf die Afterlehne der Geistlichkeit verzichten, oder dieselben vom Kaiser erbitten müßten.

 

____

44 Erster Abschnitt.

 

als Gregor VII. einen König auf den deutschen Thron erheben, wozu noch keinem Papste eine Mitwirkung eingeräumt worden war. Täuschte Gregor sich in der Schwäche des gedemüthigten Heinrich's IV., so verkannte Heinrich V., daß er in einem schwachen Papst, der allen seinen Forderungen nachgegeben, noch keineswegs die Kirche sich unterworfen habe.

 

Kaum hatte er Italien verlassen, als diese Kirche, vertreten durch mehrere Kardinäle und Bischöfe der strengern Partei, Das wieder zu gewinnen suchte, was der Papst aufgeopfert hatte. Zunächst mußte ihr Unwille sich gegen den Letztern kehren. Bitten und Drohungen ergingen an ihn von allen Seiten wegen des mit dem Kaiser eingegangenen Vertrags; seine mildern Grundsätze nannte man Ketzerei, sein Verzichtleisten auf die Investitur galt für Verrath an der Kirche; daß er Heinrich, den Unterdrücker der Geistlichkeit, den Räuber der Kirchengüter, den arglistigen Heuchler und despotischen Tyrannen zum Kaiser gekrönt, hieß ein Vergehen, das nur durch den Bannstrahl wider den entlarvten Verräther gesühnt werden könne. Paschalis, der Nichts von Gregor's Selbstständigkeit und durchgreifender Herrscherkraft befaß, vermochte ebenso wenig die Würde eines Kirchenhauptes gegen die untergebenen Glieder als die geistliche Hoheit der weltlichen gegenüber zu behaupten. Wie viel er von letzterer aufgegeben, fühlte er wohl; um die erstere nicht ganz einzubüßen, oder gar eine Entsetzung von Seiten der Kirche zu erdulden, erklärte er den Vertrag mit dem Kaiser für erzwungen, und forderte von diesem aufs neue das Recht der Investitur. Natürlich wies Heinrich solche Forderung zurück. Da nun erhoben sich laut die Verfechter der kirchlichen Freiheit und hierarchischen Grundsätze, zum Kampfe wider Jeden bereit, der ihrem Streben, welches Gregor vorgezeichnet, Schranken setzen wollte. Die ganze abendländische Kirche suchten sie gegen den Kaiser und anfangs auch gegen den Papst in Bewegung zu setzen. Bald zeigte sich, zu welcher tausendköpfigen Hydra die Hierarchie schon herangewachsen war, der ein Kopf wie durch Zaubermacht Leben und Seele eingehaucht hatte. Nun war es nicht mehr der römische Bischof allein, der die weltliche Herrschaft bedrohte, es war die Geistlichkeit insgesammt, die das Gebäude der geistlichen Weltherrschaft aufzurichten und zu erweitern sich unermüdlich beeiferte. Nicht wider Rom, nicht wider den Papst mußte der weltliche Arm zuerst sich waffnen, um das Ungeheuer in seinem Fortschritt zu hemmen, sondern den verderblichen Samen, der in seiner Nähe wucherte, im eignen Reiche Wurzel schlug, ausreuten. Doch in allzu beschränkter Politik den Punkt, von welchem

 

 

____

45 Sein Streben, die Geistlichkeit u. die Fürsten zu beugen.

 

die gefährliche Idee ausgegangen, im Auge behaltend, erkannten oft Heinrich V. und nachmals die Hohenstaufen nicht, daß unter ihren Füßen der Boden wanke, auf dem sie dahinschritten, um den fernen Gegner zu bekämpfen. Zwar Heinrich schien, als er, vom Römerzuge zurückgekehrt, den schnell errungenen Vortheil von seiner Waffengewalt noch schneller entschwinden sah, um Rom und die italische Geistlichkeit trotz all ihrer Intriguen und offenen Angriffe eine Zeit lang sich wenig zu kümmern und allein gegen die priesterlichen Anmaßungen in Deutschland sein Augenmerk und seine ganze Strenge zu richten; allein da er auch der weltlichen Fürsten nicht schonte und dadurch sie zu einer Verbindung ihres Interesses mit dem der geistlichen zwang, verlor er die nöthige Uebermacht, und um die mathildischen Güter in Italien dem päpstlichen Stuhle zu entreißen, wandte sich sein Schwert gegen diesen, ehe er die um sich greifende Kirchengewalt in Deutschland gebrochen. Seine Habgier und Herrschsucht verhinderten ihn, die errungene Macht zum wahren Vortheil anzuwenden; im Streben, Alles an sich zu reißen, verlor er auch den schon erkämpften Gewinn, und anstatt mit den weltlichen Fürsten vereint die Kirche in Schranken, die er bestimmen konnte, zurückzuweisen, brachte er es dahin, daß beide Gewalten wider ihn sich verbanden, und ihn zuletzt nöthigten, ihren die königliche Macht beschränkenden Einfluß und ihre politische Bedeutsamkeit, die bis dahin nur ungesetzlich und misbräuchlich gegen schwache Herrscher sich geltend gemacht hatten, als gesetzlich und verfassungsmäßig anzuerkennen. Wider Bischöfe, Fürsten und die sich zu größerer Selbstständigkeit emporringenden Städte aufzutreten und gleichzeitig den Papst zu bekämpfen, war ein Unterfangen, dem auch die bewundernswürdige Kraft der hohenstaufischen Kaiser sich nicht gewachsen fühlte. Ihre Politik suchte wenigstens ein Gegengewicht aus den sie behindernden Gewalten selbst hervorzurufen; sie begünstigten die Fürsten auf Kosten der Städte, wie sie den Kampf gegen Rom vornehmlich durch Geistliche führten, die im Felde wie im Rath gleich erfahren sich zeigten. Viele Bewunderer hat diese Politik gefunden, Unbefangenen muß sie aber unzureichend und unnatürlich erscheinen, und aller Glanz, der die Thaten der beiden Friedriche umstrahlt, kann die nachtheiligen Folgen jenes Verfahrens nicht verkennen lassen. Es setzte zu viel Selbstverleugnung voraus, wenn Fürsten und Geistliche ihre Kräfte gegen die Städte und gegen den Papst aufbieten sollten, um den etwanigen Vortheil allein dem Kaiser zu überlassen. Den bekämpften Mächten war aber Nichts abzugewinnen, und der Kaiser mußte, um die zu seinem Beistande thätig gewesenen gebührend

 

 

____

46 Erster Abschnitt.

 

zu lohnen, dies auf eigne Kosten thun. So wuchs nur der Besitz und das Ansehn der weltlichen und geistlichen Großen des Reichs, während dessen Oberhaupt außer dem Glanz zahlreich besuchter Hoftage, wo eitle Versprechungen und Zusagen jener von ihm nur durch Opfer erlangt wurden, außer dem Erbgut und den ihm anheimgefallenen Allodien, wovon jedoch wiederum für Dienste der Fürsten und Prälaten Vieles veräußert werden mußte, außer dem Namen, Mehrer des Reichs oder andern blos in Urkunden vorgesetzten aber bedeutungslosen Titeln Nichts besaß, was seine Macht der Karl's des Großen, Otto's des Großen und Heinrich's III. gleich stellte. Während die Städte sich gar Nichts abgewinnen ließen und die Fürsten sich überzeugten, daß der Kampf gegen dieselben erfolglos sei, zeigten die Päpste in Verträgen mit dem Kaiser sich nur bereit, dessen geistlichen Helfern Würden und Pfründen zu lassen oder neu zu verleihen , dem weltlichen Oberhaupte aber Nichts als Aufhebung des Bannes, den Friedenskuß, oder höchstens die vorher versagte Kaiserkrönung zuzugestehen. War in ihren Folgen die Politik der Hohenstaufen nichts weniger als vortheilhaft, so ist sie in ihrem Wesen sogar unnatürlich zu nennen. Um dem Reiche Festigkeit zu geben, war ein Anschluß an den Bürgerstand damals wie zu allen Zeiten den Herrschern allein ersprießlich; sollte aber einmal durch Waffengewalt Rom gedemüthigt werden, so waren unter den Reichsfürsten die für weltliche Hoheit sich opfernden Streiter zu suchen, nicht Geistliche an die Spitze der Kriegsheere zu stellen, was nur die weltlichen Fürsten mit Mistrauen oder mit Gleichgültigkeit für die Sache des Kaisers erfüllte und die Römerzüge als nutzlos, ja dem Reiche nachtheilig, ihnen erscheinen ließ. Warum wars überhaupt aber erforderlich, mit dem Schwerte einen Gegner zu bekämpfen, der nicht in Rom, wo er so oft der Spielball wankelmüthiger Bürger und Großen, so oft der Gegenstand schimpflicher Mishandlungen wurde, sondern im Geiste der auf der ganzen Erde verbreiteten Kirche seine wahre Macht besaß, die, so lange als jener hierarchische Geist nicht im eignen Reiche erstickt wurde, unbezwinglich blieb und, in der Ferne mit Gewalt bedroht, selbst drohender in der Heimat sich erhob? Seltsam und unbegreiflich müßte dieser Wahn des Mittelalters erscheinen, wenn letzteres nicht in seinem ganzen Umfange ein solches stetes Aufbieten mächtig ringender Kräfte nach einem fern gesuchten Ziele, dessen wahrer Höhenpunkt in der Nähe lag, darstellte.

 

Vermeinte die weltliche Macht ihren Sieg durch Bekämpfung des kirchlichen Oberhauptes zu erringen, so erkannte die Geistlichkeit

 

 

____

47 Sein Streben, die Geistlichkeit u. die Fürsten zu beugen.

 

aller christlichen Länder, daß ihre hierarchische Größe durch Unterordnung unter den Willen eines Einzigen allein Festigkeit erhalte. Verstand dieser Eine gleich Gregor VII. seine Stellung der Geistlichkeit und den weltlichen Machthabern gegenüber zu nützen, so verbreitete um seine Person sich allerdings ein Nimbus, der in der Ferne ihn als leuchtenden Mittelpunkt der Welt erscheinen ließ. Paschalis hätte durch seine schwache Kraft dies niemals erreicht, aber die Kirche erkannte, wie nothwendig ein Vereinigungspunkt für ihr gemeinsames Streben sei, und ließ als Träger ihrer eignen Macht nun aus Ueberzeugung den römischen Bischof fortbestehen, wider den noch unter Gregor eine heftige und zahlreiche Opposition sich erhoben hatte. Als daher die Synode zu Vienne, von den strengen Eiferern unter dem Vorsitze des Erzbischofs Guido von Vienne, des päpstlichen Legaten, gehalten, in ihren Endbeschlüssen (16. September 1112) nicht nur den Vertrag des Papstes mit Heinrich für ungültig, die Investitur durch Laienhand für ketzerisch erklärte und den Kaiser wegen seiner Gewaltthätigkeiten gegen Paschalis und die Kirche in den Bann that, sondern auch den Papst, im Falle er die Bestätigung jenen Beschlüssen versage, mit Absetzung bedrohte, traten gemäßigtere Bischöfe, namentlich der ebenso rechtschaffene als gelehrte Ivo von Chartres als Vermittler auf, vertheidigten Paschalis und tadelten das Verfahren der Eiferer. „Es sei ebenso unschicklich als unklug (ließen sie sich vernehmen), Schwächen des Papstes aufzudecken, dem als Stellvertreter Christi in allen Fällen Gehorsam gezeigt werden müsse, und dem keine Gerichtsbarkeit der Welt das Urtheil sprechen dürfe.“ Diese Ansicht, deren hierarchische Zweckdienlichkeit bald allen Kirchenparteien einleuchtete 1), erhielt nicht nur den schwachen Paschalis auf dem päpstlichen Stuhle, sondern gab auch diesem Stuhle erst für die Folgezeit die unerschütterliche Festigkeit, den unauslöschbaren Glanz, wie schwach auch

 

1) S. Stenzel I, S. 649-51. Daß die Gemäßigten hier die Klügsten waren, um die Hierarchie zu befestigen, verschaffte ihnen den Sieg über die Eiferer. In dem letzten Ziele verstanden sich alle Kirchenparteien, nur in Art der Ausführung blieben wenige so besonnen, wie Gregor VII., und erkannten, daß Festigkeit mit Vorsicht gepaart, der Kirche die Oberhand verleihe. Vermittler zwischen Kirche und weltlicher Macht, wenigstens durchgreifende, erblicken wir nirgends. Die Nothwendigkeit solcher Einigung konnte nur von den Häuptern selbst erkannt werden; doch die Kaiser verblendete meist Herrschsucht und Stolz, die Päpste blieben trotz aller scheinbaren Unterwürfigkeit der gesammten Geistlichkeit doch nur ein Organ dieser, und nur Der war ihr wahres Haupt, der in seinen Anforderungen weiter dachte als sie.

 

 

____

48 Erster Abschnitt.

 

mitunter Der, welcher ihn inne hatte, an Körper oder an Geist sein mochte, welchen Mißhandlungen auch seine Person in dem unruhigen, wankelmüthigen Rom Preis gegeben war. Nicht die Person, sondern die Würde des Papstes sollte zur mächtigsten auf Erden erhoben werden. Die auf solche Weise wieder vereinten Kräfte der Hierarchie wurden danach mit der größten Erbitterung wider Den gekehrt, der die Kirche durch Trug und Gewalt um die errungenen Vortheile gebracht hatte. Wenn die weltlichen Fürsten gleich den geistlichen ihre Kräfte vereinten, um der wachsenden Hierarchie entgegen zu treten, so konnte der Ausgang des Kampfes keinen Augenblick zweifelhaft sein, ja, wagten auch die andern Könige Europas keinen Widerstand in Rücksicht auf Investitur der Bischöfe durch die Hand des Papstes, der Kaiser an der Spitze seiner Reichsmacht war sich genug, um Papst und Kirche in die frühern Schranken zurückzuweisen und jeden Versuch, in Rom oder Deutschland sie zu überschreiten, unkräftig zu machen.

 

Wie wenig die Kirche den Kaiser offen angreifen und ihrer Erbitterung Raum geben durfte, erkennt man daraus, daß die Beschlüsse der Vienner Synode unausgeführt blieben und kein Geistlicher es wagte, sie auf irgend welche Weise zu verbreiten und zu veröffentlichen. Daß Heinrich seinerseits gleichfalls dieselben unbeachtet ließ, entsprang ebenso sehr aus einer nöthig erachteten Schonung gegen die Geistlichkeit überhaupt, als besonders gegen den Papst, mit dem er in Rom zu gewaltsam verfahren, von dem er wußte, daß derselbe keinen Antheil an den Beschlüssen der Kirchenreform habe, ja vielmehr ihnen widerspreche, und dessen Freundschaft und guten Willen er so lange als möglich zu Erreichung anderer Zwecke sich erhalten wollte. Ihn beschäftigte schon der Plan seiner Machtvergrößerung in Deutschland, wozu er sich des kirchlichen Beistandes jetzt ebenso zu versichern bestrebt war, als er vorher zur Demüthigung des Papstes die weltlichen Fürsten gewonnen hatte.

 

Bald nach seiner Rückkehr aus Italien ließ Heinrich V. die noch immer unbestattete Leiche seines Vaters, nachdem dessen Absolution von Paschalis bewilligt worden, aufs Feierlichste zu Speier beisetzen, und, um das Andenken an seine eignen Vergehen gegen den Verstorbenen auszulöschen, wandte er den Städten, die seinem Vorgänger in allen Widerwärtigkeiten des Lebens die größte Anhänglichkeit bewiesen, eine ganz besondere Gnade zu, ja erklärte den Bürgern von Worms bei der Bestätigung ihrer alten Freiheiten und Privilegien, daß er sie wegen der beständigen Treue und aufopfernden Liebe, welche sie seinem Vater bewahrt hätten, für die würdigsten

 

 

____

49 Die deutschen Städte.

 

ihres Standes erachte und das Vertrauen hege, daß sie ein gleiches Verhalten gegen ihn zeigen und dadurch den übrigen Städten ein Beispiel löblicher Nachahmung geben würden 1). - So suchte Heinrich die Städte an sich zu fesseln, in der Voraussetzung, daß sie ihm, wie seinem Vater, Beistand gegen die geistlichen und weltlichen Fürsten, die in Deutschland allzu mächtig geworden, gewähren und sich dann noch dem Kaiser gehorsam zeigen würden, wenn er auch ihre ausgedehnten, oft unrechtmäßig erworbenen Besitzungen zu beschränken trachte. - Werfen wir darum zum Schluß dieses Abschnittes noch einen Blick auf die deutschen Städte.

 

Durch Aufrechterhaltung des alten Gemeindewesens, das in dem engbeschlossenen Raume innerhalb fester Ringmauern sich noch kräftiger entwickeln konnte, erhielt sich der Stand der Freien in den Städten selbstständiger, als es selbst die Grafen, die früher angesehensten Männer in der Gauverfassung, den sich mehr und mehr erhebenden Herzogen gegenüber vermochten. Auch wo die Bürger nicht dem Pfalzgerichte des Königs, sondern der Herrschaft eines Bischofs, später der Herzoge oder sonstiger Landesherren unterworfen waren, konnten die freien Leute niemals, wie es so häufig außerhalb der Städte geschehen war, ganz zu Hörigen herabgedrückt werden, indem sich aus ihnen der Stadtrath, eigentlich nur eine Behörde, welcher die polizeiliche Aufsicht über Gewicht, Maß, Einkauf, Verkauf und die Verwaltung des Gemeindeguts im Umkreis des Stadtgebiets übertragen war, allmälig zu einer höchsten Stadtbehörde erhob, die durch Sammlung aller gegebenen Bestimmungen, Rechtssprüche und Ordnungen, die das Bedürfniß hervorgerufen, und die zum Theil von dem Herrn des Orts, zum Theil von der ganzen Gemeinde mit jenes Zustimmung erlassen worden, den Grund zu den nachmaligen Stadtrechten legte, für deren dauernde Gültigkeit, zeitgemäße Abänderung und namentlich größere Ausdehnung Sorge trug. Als bereits im 11. Jahrhundert durch Handel und Gewerbfleiß

 

1) S. Ludwig Manuscr. tom. II, p. 180. Auch Speier erhielt wegen seiner standhaften Treue einige Vorrechte und Freiheiten von Abgaben. S. Trithemii Chron. Hirsaug., p. 351. Nach Chron. Praesulum Spirens. Civitatis, Eccard corp, hist. II, p. 2265 geschah es zum Nachtheil des Bischofs von Speier: Henricus V. cives Spirenses eximeret a quibusdam legibus et exactionibus, quibus erant adstricti Episcopo Spirensi pro tempore existenti. Quae quidem exemptiones in perpetuam rei memoriam literis aureis cum interpositione Imperatoriae imaginis in frontem templi exaratae sunt anno incarnationis MCXI.

I. 4

 

 

____

50 Erster Abschnitt.

 

der Wohlstand und somit die Bedeutsamkeit der Kaufleute und Handwerker, die Hörige waren, zunahm, mußte ihre niedrige Stellung von selbst aufhören und ihnen Antheil an der Gemeindeverfassung, sowie Erhebung zu den höchsten Stadtämtern eingeräumt werden, sodaß nach und nach die Bevorrechtigung der Geburt in den Städten ihre Geltung verlor. War dies schon dem Adel, der seine Standesbevorzugung überall aufrechtzuerhalten suchte, nachtheilig, so mußte der Reichthum der Bürger, die Befestigung der Städte, die Uebung in den Waffen, wie sie die Vertheidigung der Mauern und die Sicherheit auf den Handelsstraßen nöthig machten, zugleich Neid und Furcht erregen. Streit und Fehde konnten nicht ausbleiben; weil aber die kleinern Grafen und Herren der Uebermacht der Städte nicht mehr gewachsen waren, sahen sie sich in die Nothwendigkeit versetzt, entweder mächtigern Fürsten für deren Beistand mehr noch als schon geschehen, sich in Abhängigkeit zu geben, oder ihren Adelstolz beugend, den Schutz der Bürger um der eigenen Sicherheit willen nachzusuchen und das Bürgerrecht zu erwerben. Besonders geschah dies Letztere häufig, seit Konrad II. und Heinrich III. dem Adel und den kleinern Fürsten Erblichkeit ihrer Lehen zugesichert hatten, wodurch ihr Vasallenverhältniß zu höherstehenden Lehnsherren mehr gelöst und ihre Sorge dahin gerichtet wurde, sich auf dauernde Zeiten einen zweckmäßigen Schirm und die Verpflichtung zu nöthigem Beistande zu verschaffen. Eine benachbarte Stadt, die mit Ringmauern, einer kampfgeübten Bürgerschaft und Reichthümern aller Art versehen war, gewährte Beides am Besten. Ihrerseits konnten dann auch die Städte auf die Kriegserfahrenheit, Tapferkeit und auf die Burgen des Adels und seiner Dienstmannen zählen; sie gestatteten durch Ertheilung des Bürgerrechts ihm Antheil an dem Stadtregiment, und wählten einen mächtigen Grafen auch wol zum Advokaten, zum Schirmherrn der Stadt, ohne daß jedoch deren eigentlicher Herr, sei's Kaiser, Bischof oder Landesherr, dadurch in seinen Rechten gekränkt wurde.

 

Mehr diese innern Verhältnisse, als besondere urkundliche Begünstigungen hatten das Ansehen der Städte unter den beiden ersten fränkischen Kaisern, die überdies durch Aufrechterhaltung des Landfriedens, durch Strenge gegen Uebermacht und Willkür tatsächlich die größte Bürgschaft ihrer Gunst den städtischen Gemeinden gegeben, zu solcher Höhe gebracht, daß bei allen unter den beiden letzten Kaisern jenes Hauses ausbrechenden innern Kämpfen der widereinander ringenden Gewalten, des Königs, der Kirche, der Fürsten, von dem Beitritt der Städte auf die eine oder die andere Seite viel abhing, und daß

 

 

____

51 Die deutschen Städte.

 

sie selbst zum klaren Bewußtsein gelangten, wie sie ihr Verhältniß zu den drei Ständen festzustellen hatten. Da bei ihnen die Idee der Freiheit nicht aus dem Glauben eines durch Geburt berechtigten Vorzugs, der die größte Unabhängigkeit des einen Standes auf Unterdrückung der andern, auf Trotz wider das Reichsoberhaupt gründete, sondern aus der im praktischen Leben gewonnenen Ueberzeugung hervorgegangen war, daß kein Stand, um sein eigenes und des Staates Wohl zu fördern, von irgend welcher Gewalt gedrückt und belastet werden dürfe, Gehorsam aber und rechtlich geforderten Beistand dem Herrscher vorzuenthalten, das Verderben des Reiches herbeiführe, so blieb ihnen bei aller für sich erlangten Macht und bei der Bedeutsamkeit ihres Einflusses auf die öffentlichen Angelegenheiten das Streben fern, Berechtigungen, die bisher den Fürsten ausschließlich zugestanden, oder welche die Kirche nach traditionellen Satzungen geltend gemacht, beiden Ständen vorzuenthalten oder sich selbst anzueignen, oder gar über das Reichsoberhaupt sich eine Entscheidung anzumaßen. Dieses Ehren und Anerkennen fremder Vorrechte, sobald nur die ihnen nöthige Unabhängigkeit und die ihnen einmal ertheilten Privilegien nicht angetastet wurden, hat den deutschen Bürgerstand von gewaltsamen Eingriffen in die Staats- und Kirchen-Angelegenheiten zurückgehalten, sie meist nur defensiv gegen irgend welche sie bedrohende Gewalt verfahren lassen, dadurch sie aber auch behindert, trotz der Ueberlegenheit an physischen und intellektuellen Kräften, einmüthig und nachdrücklich den egoistischen Bestrebungen, die bald der Adel, bald die Kirche, bald der König mit Glück verfolgten und zum Nachtheil der Gesammt-Stände Deutschlands durchsetzten, Einhalt zu thun. Bei so gemäßigter Gesinnung wurde dieser Stand in Deutschland nie von einem excentrischen Freiheitsdrange, wie etwa der lombardische Städtebund, begeistert; dagegen hat er zu allen Zeiten bewiesen, daß alle zum Bessern, zum Fortschritt der bürgerlichen Verfassung leitenden Ideen in seinem Schoße gediehen oder aus seiner Mitte erwuchsen. Selten einig und nie entschlossen genug, verderblichen Reaktionen zu begegnen, war er doch stets bereit, beim Einlenken zum längst als gut erkannten und geprüften Vorhaben die eigene Kraft einzusetzen, und wo die Willkür und GesetzwidrigKit gegen Ordnung und altes Herkommen sich erhoben, Partei für die gerechtere Sache zu nehmen. Dieses Gefühl für Rechtlichkeit war es, was die Städte bewog, in dem Kampfe zwischen Heinrich IV. und den Fürsten entschieden für erstern zu handeln, und wenn auch nur vorzugsweise die rheinischen mit bewaffneter Macht den von den Reichsfürsten Verlassenen, von

4*

 

 

____

52 Erster Abschnitt.

 

der Kirche Gebannten unterstützten, so dürfen wir von ihnen, da sie die angesehensten und ein Vorbild der übrigen in Verfassung wie in Gesinnung waren, auf die gleichen politischen Grundsätze der andern schließen, zugleich aber auch an ihnen den angegebenen Charakter deutscher Bürgerschaften nicht verkennen. Denn nur um das Königthum wider den Trotz der Fürsten, wider die Anmaßung der Kirche zu schützen und aufrecht zu erhalten, hatten sie und mit ihnen das durch das Gemeindewesen in den Grundsätzen verwandte Landvolk 1) für Heinrich IV. mit aller Kraftanstrengung einen Bürgerkrieg, der ihren Handelsinteressen höchst nachtheilig sein mußte, in Deutschland 30 Jahre fortgesetzt. Keineswegs aber waren sie bereit, der Willkür und Herrschsucht Heinrich's V. ihren Arm zu leihen. Schon 1106 hatte ihm Köln, als er durch den Beitritt der Kirche und der Fürsten

 

1) Wie sehr das gemeine Volk, die Bauern, auf Seiten des Kaisers waren, beweisen ihre Zusammenrottirungen wider dessen Gegner, die Fürsten und die Bischöfe. Das Landvolk Thüringens, angeblich Slaven, die in jenen Gegenden die Hauptmasse ausmachten, fielen nach der Schlacht bei Melrichstädt über die flüchtigen Schaaren der Sachsen, erschlugen den Erzbischof von Magdeburg, plünderten die Bischöfe von Merseburg und Paderborn, und lieferten den von Worms dem Kaiser aus. Hist. belli Saxon. edit. Struve, p. 214, Ann. Saxo und Berth. Constant. ad 1078. Häufig waffneten sich die Bauern auch wider die weltlichen Fürsten. S. Berth. Const. ad 1078, wo auch die Grausamkeit, mit der sie gestraft wurden, berichtet wird: pene XII millia conjurati populi transitum Neccari fluvii illis (den Anhängern König Rudolf's) prohibentia partim occiderunt, plurimos autem misericordius castigando eunuchiazaverunt. Es sind die Zeiten der steigenden Macht der Herzoge, wo das Volk, welches bisher an den öffentlichen Angelegenheiten großen Antheil gehabt, ohne dessen Zustimmung die Wahl und Anerkennung ihrer Fürsten ungültig war und noch bei Nationalkriegen, wie der sächsisch-thüringische, von den Edlen des Landes zusammenberufen und befragt werden mußte, in größere Unbedeutendheit, Knechtschaft und politische Unthätigkeit versetzt wurde und bis zu den Zeiten der Reformation wenig Lebensspuren in der Geschichte Deutschlands zeigte. Nicht ganz mit Unrecht trifft die Städte, die doch vornehmlich zum Schutz des Landvolks in allen Drangsalen dienen sollten, der Vorwurf, daß sie die Freiheiten und Rechte desselben zu wenig vertraten und nur ihre eigene Unabhängigkeit zu bewahren, sich angelegen sein ließen. Das Anschließen an den benachbarten Adel, das allzu eifrige Trachten nach Erwerb von Reichthümern, der überhandnehmende Luxus, auch wol einseitige Bildung, die nur die Intelligenz der Einzelnen, der Wohlhabenden, nicht der Gesammt-Bevölkerung förderte, lockerte und trennte das Gemeindewesen der Bürger von dem der Bauern mehr und mehr. Erst als der Adel bei Hofe sich alleingeltend zu machen wußte, erkannte der Bürgerstand, wie sehr er zum eigenen Nachtheil vom Volke sich getrennt, und es der Willkür der Fürsten und des Adels preisgegeben.

 

 

____

53 Die deutschen Städte.

 

übermächtig und nach seines Vaters Tode von keinem Gegner gedrängt den Rheinstrom hinabzog, die Thore geschlossen und allein ihm Widerstand entgegenzusetzen gewagt. Wie heftig auch der König gegen die Widerspenstigen entbrannte, er mußte seinen Stolz zum ersten Male gegen Bürger herabstimmen, und mit einer mäßigen Summe, welche die Stadt entrichtete, zufrieden sein, da sein Heer meist aus Aufgeboten anderer rheinischen Städte bestand 1). Der Widerstand der Kölner, die Lauheit der übrigen Städte hatten Heinrich überzeugen können, wie wenig er von ihrer Seite auf kräftigen Beistand bei seinen herrschsüchtigen Planen zu rechnen habe. Allein er bedurfte eines Anhaltes, um die Macht der Fürsten zu brechen, und hoffte durch Gunstbezeugungen, Lobsprüche und Ertheilung von Privilegien die Städte an sich zu fesseln. Wie wenig ihm dies gelungen, wie weit entfernt jene waren, ihm den Haltpunkt in Deutschland zu geben, den einst sein Vater bei ihnen gefunden, zeigen Heinrich's spätere Regierungsjahre. Weder vermochte die Ehrfurcht, welche er seit der Rückkehr aus Italien in den Städten dem Andenken des von ihnen gefeierten Kaisers bewies, allgemeinen Beifall, Vertrauen und Hingebung zu erwecken, noch bewogen die demüthigenden Forderungen, welche später die hohe Geistlichkeit und die Reichsfürsten an Heinrich machten, die Städte zu einem nachdrücklichen Beistand, zu einer allgemeinen Bewaffnung zu seinen Gunsten. Köln zeigte ihm stets seine Abneigung, Mainz und Worms, die sich

 

1) Dies erhellt auch aus den undeutlichen Berichten der Chronisten. Man betrachte nur die Angaben Ann. Saxo's, der hier, wie fast überall, fremde Angaben entlehnt und zusammenschmeißt. Nachdem er berichtet, wie alle Anhänger Heinrich's IV. bis auf Heinrich von Limburg sich zu Aachen dem jungen Könige unterworfen hätten, fährt er fort: his expletis Rex cum magna ira reversus est Coloniam, praecepitque per omnes civitates Rheno adjacentes congregare exercitum, ut sibi in adjutorium navigio venirent, ut se vindicaret in eis. Colonienses hoc audientes (was sie vielleicht von den Städten, die dem verstorbenen Kaiser so treu angehangen, nicht erwartet. Neid gegen das allzu mächtige, darum oft übermüthige Köln mochte dazu mitwirken.) nimis obstupefacti et perterriti undique ab inimicis vallati et in nullo spem habentes promiserunt se Regi daturos sex millia talentorum argenti. Rex vero dolens, quod in obsidione multi cecidissent, diu denegavit, tandem deo inspirante concessit, sicque exercitus dilabitur, et unusquisque cum gaudio ad propria revertitur. Offenbar wollte Heinrich härter verfahren, fand aber bei seinem Heere, das aus Städtekontingenten bestand, Widerstand und mußte mit Dem, was Köln freiwillig angeboten, sich begnügen. Er so wenig als die Kölner waren im Herzen versöhnt, und Beide fanden später Gelegenheit, es zu zeigen.

 

 

____

54 Zweiter Abschnitt.

 

besonderer Auszeichnungen erfreuten, erhoben rebellisch die Waffen gegen ihn. Er, der Alle getäuscht und mit Gewalt zu unterdrücken gesucht, der nur herablassend, gnädig, huldreich erschien, um erst Andre, dann die Begünstigten selbst zu berauben, flößte Keinem Ergebenheit, er, dem beim Antritt seiner Regierung sich Alle voll Vertrauen zugewendet, vermochte am Ende seiner Tage, bei geringerer Macht, nach vielfach erfahrenen Demütigungen, keine Zuneigung, keine offene Hingebung, keine Theilnahme für seine Sache und seine Person hervorzurufen, sondern mit Furcht und Mistrauen bewachten Fürsten, Geistlichkeit und Städte noch des Gedemüthigten Schritte, und in der ganzen Nation war sein Andenken nach dem Tode kein gesegnetes. Für die Städte aber erwuchs auch nicht einmal aus der Umgestaltung der Verfassung, die Heinrich's Verfahren gegen Kirche und Fürsten veranlaßte, ein andrer Vortheil, als der, den jedes Aufheben einer unbeschränkten Staatsgewalt den selbstständig Vorwärtsringenden bringt.

 

 

Zweiter Abschnitt.

 

Verhältnisse in Sachsen. Slavenkrieg. Stadische Händel. Lothar wider Heinrich V. Beilegung des drohenden Bürgerkrieges.

 

Wie bereitwillig auch Heinrich V. von den Fürsten als König anerkannt worden war, die ganz unerwartete Energie und Thätigkeit, welche er bei Wiederherstellung der Ordnung im Reiche zeigte, die Maßregeln, die er zu Erhöhung seines Ansehens anwandte, die Strenge, womit er Landfriedenstörer und Räuber 1) bestrafte, konnten Denen nicht angenehm sein, die bei der frühern Verwirrung in Deutschland, bei dem geschwächten Ansehen des Reichsoberhauptes ihre Macht vergrößert, keine Abhängigkeit von einem Mächtigern gekannt, und ihre Willkür gegen Schwächere ungestraft ausgeübt

 

1) Ann. Saxo ad 1107, p. 619: Per Thuringiam ad Saxoniam vadit, Radelburch et Bemelburch praesidia munitissima in Thuringia propter latrocinia, quae inde in finitimos exercebantur, cremari praecepit.

 

 

____

55 Verhältnisse in Sachsen.

 

hatten. So lange indeß Heinrich das Vertrauen der Bessern, die Zustimmung und Willfährigkeit der Mehrzahl der Fürsten besaß, wagten jene Misvergnügten und Händelsüchtigen sich nicht wider ihn aufzulehnen, und die Ehrgeizigen und Stolzen fühlten sich geschmeichelt, weil Heinrich Nichts ohne ihren Rath einzuholen, ohne ihren Beistand zu erbitten, unternahm. Wie gegen seine Anhänger offen und zutraulich, erschien er gegen Solche, die von seines Vaters Lebzeiten her noch im Widerstand verharrt hatten, bis Uebermacht sie zur Unterwerfung gezwungen, versöhnlich und gnädig. Der Graf Robert von Flandern, der die nordwestlichen Gegenden des Reiches beunruhigt, und, durch keine Mahnungen und Drohungen geschreckt, den König zu einem kostspieligen Feldzuge genöthigt hatte 1), erhielt um Weihnachten 1107 Verzeihung, und blieb im ungeschmälerten Besitz seiner Grafschaft 2). Selbst Heinrich von Limburg, der lange durch Waffengewalt sich in Lothringen wider den neuen Herzog Gottfried zu behaupten wußte 3), endlich ihm weichend die Gnade Heinrich's erbitten mußte, erhielt nicht nur diese, sondern galt bald für den Vertrauten des Königs, wozu Gewandtheit, Verschlagenheit und Tapferkeit ihn geschickt machten. Dieser neue Günstling war es, der Heinrich zu einem Schritt verleitete, der ihm für seine ganze Regierung verderblich werden sollte, weil er seinen wahren Charakter enthüllte, und die Fürsten stutzig und argwöhnisch machte.

 

Auf Heinrich's von Limburg Aussage nämlich wurde der Pfalzgraf Siegfried vom Rhein, ein Sohn Adalbert's, Bruder Otto's von Ballenstädt und Schwestermann Richenza's, der Gemahlin Lothar's, vom Könige angeschuldigt, ihm nach Reich und Leben getrachtet zu haben, und auf dem Reichstage zu Frankfurt (bald nach Weihnachten 1108) dem Bischof von Würzburg zur Haft übergeben 4). Sei's

 

1) Ann. Saxo ad 1107 a. a. O.: In mense Octobri ejusdem anni terram Rotberti ingressus non sine gravi exercitus sui dispendio per unum et amplius mensem vastat, donec per internuntios res ad proximam curiam dilata litem separat.

2) Chron. Ursp. und Ann. Saxo ad 1108: Rex Henricus Moguntiae natalem Domini celebrans praescriptum Rupertum in gratiam recepit. Vergl. über den flandrischen Krieg Mascov, Commentar. p. 145 und Anm. 2 daselbst.

3) S. Chron. Sigeb. Gembl. ad 1106. Heinrich's Begnadigung erhellt aus der folgenden Anmerkung.

4) Chron. Ursp. und Ann. Saxo ad 1109. Franconevord conventu Procerum habito Sigefridum Palatinum Comitem apud Wirceburgensem Episcopum custodiae deputavit eo quod prodente Heinrico prius Duce Lotharingiae jam in gratiam Regis recepto in necem et regnum ejus insurgere consiliatus sit.

 

 

____

56 Zweiter Abschnitt.

 

nun, daß der ränkevolle Ankläger durch Absetzung Siegfried's seine eigene Erhebung zum Pfalzgrafen herbeizuführen hoffte 1), oder daß der König sich seiner bediente, um einen der mächtigsten Fürsten und den ersten Hofbeamten, der außer der Rheinpfalz reiche Allodien in Sachsen besaß und die nächste Anwartschaft auf eine bald zu erwartende große Erbschaft in Thüringen hatte, um alle diese Besitzungen zu bringen, und zugleich ein furchterregendes Beispiel Denen zu geben, die, wie dem scharfsichtigen Könige nicht entging, seiner durchgreifenden Herrschaft abgeneigt waren und verrätherische Plane gegen ihn im Schilde führten. Genug, es trat zum ersten Mal der Fall ein, daß nicht wider einen offenen Reichsfeind, sondern einen vom Könige als persönlichen Gegner Angeklagten die Fürsten ihre Gesinnung, ihre Bereitwilligkeit für, oder ihre Abneigung gegen Das, was Heinrich von ihnen forderte, darthun sollten. Daß Siegfried nicht verurtheilt, ja nach dreijähriger Haft freigesprochen wurde, beweist, wie wenig der König auf unbedingte Folgeleistung bei den Großen des Reichs rechnen durfte und wie sehr diese einem willkürlichen Verfahren des Reichsoberhauptes abgeneigt blieben. Heinrich sollte aber auch noch um dieselbe Zeit erfahren, daß er nicht mehr die treue Anhänglichkeit Derer besaß, die ihn vor drei Jahren einstimmig gegen seinen Vater auf den Thron erhoben. In einem Feldzuge gegen die Böhmen und Ungarn, der eine sehr zweideutige Politik 2) und mehr die Bestechlichkeit des Königs als die eines Oberlehnsherrn würdige Rechtlichkeit offenbarte, gaben einige Fürsten Abneigung zu solchem Kriege kund, und nöthigten Heinrich, der ihren offenen Abfall zu befürchten hatte, wenn er weiter vordränge, trotz der glücklichen Fortschritte und überlegenen Heeresmacht, die einen günstigen Ausgang versprachen, unverrichteter Sache zurückzuziehen 3)

 

1) Die Nichterfüllung dieser Hoffnung mochte Beweggrund für Herzog Heinrich werden, später auf die Seite der Gegner des Kaisers zu treten.

2) Zum Kriege gegen Ungarn scheinen Gewaltthätigkeiten Collmann's Anlaß gegeben zu haben, wiewol die Nachrichten der Schriftsteller darüber sehr verschieden lauten. Vergl. Mencken I zu Cosmas von Prag, p. 2093 not. 153. Gegen Böhmen aber verfuhr Heinrich durchaus ungerecht und unredlich. Anfangs begünstigte er Borivoy (der immensa auri et argenti pondera promittit se daturum), dann dessen Gegner Svatopluck (der decies mille marcas argenti verspricht.) S. Cosmas, p. 2091 u. 92. Daß Geld allein des Königs Entscheidung bestimmte, mußte die Fürsten ihm abwendig, sein Verfahren verächtlich machen.

3) S. Dodechin ad 1108: Henricus Rex Pannoniam ingreditur, ubi ob infidelitatem quorundam Principum (worin diese Treulosigkeit sich gezeigt, erfahren wir nicht) nihil memoria dignum ab eo agitur. Ebenso Alb. Stad. ad 1108. Wie über den Anlaß sind auch über den Hergang des Krieges die Nachrichten abweichend. S. Mascov's Citate p. 146. Alle stimmen aber in dem Misglücken des Feldzuges überein, wozu neben andern Ursachen auch Abneigung der Fürsten mitwirken mochte.

 

 

____

57 Verhältnisse in Sachsen.

 

Der Vorfall mit Siegfried stand unfehlbar mit der Unzufriedenheit, Abneigung und sogar Untreue der Fürsten in Wechselwirkung 1) und ist als der Anfangspunkt des Kampfes zu betrachten, der bald Deutschland in zwei Parteien, eine kaiserliche und antikaiserliche, zerspaltete, der von Heinrich zur Beschränkung der Fürsten begonnen ward, und welcher damit endete, daß nicht nur diese sich zu größerer Unabhängigkeit erhoben, sondern auch die Kirche, die günstige Gelegenheit benutzend, ihre Ansprüche erweiterte.

 

Da Siegfried mit den angesehensten sächsischen Fürsten in naher Verwandtschaft stand, so mußte seine Gefangennehmung und ungenügend begründete Anschuldigung, die vielleicht nur durch seine frühere Ergebenheit gegen Heinrich IV. 2) oder durch seinen leicht zu leidenschaftlichen Ausbrüchen des Unwillens geneigten Sinn veranlaßt sein mochte, in Sachsen vornehmlich Misfallen und Argwohn gegen den König erregen. In dieser von allen fränkischen Kaisern strenge behandelten Provinz erkannte man zuerst, daß Heinrich V. sich nur durch einen heuchlerischen Charakter von seinen Vorgängern unterscheide, sonst aber an Herrschsucht, an Willkür, an nationaler Antipathie gegen die Sachsen jenen nichts nachgebe, ja durch sein arglistiges Verfahren, das an früher geheuchelter Demuth und Willfährigkeit und nun sichtbarem Stolz und eigenmächtigem Verfahren

 

1) Vielleicht gehörte Siegfried zu den der infidelitas auf dem ungarischen Feldzuge Beschuldigten; oder, was wahrscheinlicher, es war der Abfall der Fürsten eine Folge des Unwillens, den die Anschuldigung gegen Siegfried erregt (erst die Gefangensetzung fällt Ende 1108, die Anklage ist früher zu setzen).

2) Nach 1105 ward Siegfried sammt dem Grafen Wilhelm (wahrscheinlich von Lutisburg, genannt König von Lutisburg) von Heinrich IV. nach Mainz geschickt, um die dortige große Fürstenversammlung zu verhindern. S. Ann. Saxo ad 1105. Von Beiden heißt es freilich: qui mercede conducti adhuc secum remanserant, und nirgends erscheint Siegfried nach des Kaisers Tode als Gegner des neuen Königs. Wenn dieser sich ihm aber nicht freigebig zeigte, wie sein Vater, war das Anlaß genug zum Groll. Die reichen Geldgaben Heinrich's IV. hatten dessen Andenken bei vielen Fürsten unvergeßlich gemacht, sein Sohn war geizig und habsüchtig; solcher Wechsel hat stets Misvergnügte gemacht. Was von Siegfried's heftigem, ungestümem Sinn gesagt ist, wird später seine Nachweisung finden.

 

 

____

58 Zweiter Abschnitt.

 

unzweifelhaft sich kundgegeben, zu noch größern Besorgnissen berechtige als seines Vaters Härte und Strenge. Als vollends Heinrich V. durch sein Verfahren gegen die Kirche, durch die Verehrung, die er seines Vaters sterblichen Ueberresten, wie dessen Regierungsmaximen bewies, seine Gesinnung an den Tag legte, konnte da Sachsen, welches ein Bollwerk gewesen war, daß Deutschland nicht von seinem Herrscher in ein Sklavenjoch gebracht wurde, ohne Unruhe zusehen, wie seine ehemaligen Verbündeten, der Papst und die mächtigsten der weltlichen und geistlichen Reichsfürsten, gehorsam dem Willen des Königs sich fügten? Wenn abermals gegen Sachsen dieser wie seine drei Vorfahren despotische Maßregeln ergriff, bot kein energischer Papst wie Gregor die Hand den Bedrängten. Die Herzoge von beiden Lothringen, von Schwaben, Baiern, die Erzbischöfe von Mainz, Köln, Trier waren dem Kaiser durch Verwandtschaft oder schuldige Dankbarkeit für ihre Erhebung verpflichtet, oder dadurch gebunden, daß sie seine Wahl gefördert und ihm Treue geschworen, oder endlich dadurch verblendet, daß ihr Rath und Ermessen auf den Reichstagen mit scheinbarer Hochachtung von Heinrich eingeholt wurde, während er doch immer nur, was ihm gefiel, gut hieß, was er wollte, ausführte. Franken, das Stammland des Kaiserhauses, stand ganz gegen altes Herkommen seit 1047 als weltliches Lehen unter dem Bischofe von Würzburg, der dem Reichsoberhaupte willfahren mußte, wollte er nicht — wozu die Laienfürsten gewiß ihre Zustimmung gegeben hätten — die Landeshoheit an einen Herzog wieder zurückfallen sehen. Die Rheinpfalz, damals schon einem Herzogthume gleich geachtet, war seines Fürsten beraubt und dadurch Sachsen ein Helfer entzogen, auf den es allein außer Landes hätte rechnen dürfen. Zwar konnte Heinrich V. bei einem Kriege gegen Sachsen auf keinen so mächtigen Beistand der Böhmen zahlen, wie einst Heinrich IV., weil ein blutiger Bürgerkrieg dort, wie in Polen und Ungarn, wüthete, und den Nationalhaß wider die nordwestlichen Nachbaren hemmte. Allein die mächtigere Partei daselbst war stets die vom Kaiser anerkannte 1), und versprach dafür Hülfe gegen seine Feinde. Schon jeder Heereszug nach Böhmen drohte Sachsen Gefahr, weil derselbe leicht gegen sie gerichtet werden konnte. — So war die

 

1) Als Sventoplok ermordet worden, war Heinrich V. erst für Otto, den die Böhmen zum Herzoge ausgerufen. S. Cosmas, p. 2099; dann gab er auf Dringen Wiprecht's von Groitsch zur Erhebung Borivoys seine Zustimmung. S. vita Viperti, cap. X, §. 3. Als er im Januar 1113 selbst nach Prag kam, erklärte er sich für Wladislav. S. Cosmas, p. 2103 u. vita Vip. cap. X, §. 4 u. 5.

 

 

____

59 Verhältnisse in Sachsen.

 

Provinz allein auf sich und ihre Fürsten gewiesen, wenn Heinrich V. die Absichten seines Vaters, das Reich seinem unbedingten Willen zu unterwerfen, aufnahm, was seit der Rückkehr aus Italien Keinem mehr zweifelhaft sein konnte, doch nicht Allen so verhaßt, wie den Sachsen, erschien.

 

Werfen wir nun auch einen Blick auf die innern Verhältnisse dieser Nation und ihrer vornehmsten Fürsten.

 

Selbstständiger als die andern deutschen Nationalherzogthümer hatte Sachsen, seitdem es ein integrirender Theil des deutschen Reichs geworden, seine alte Volksthümlichkeit in Sprache, Sitten, Einrichtungen und Allem, was sie von den germanischen Stammgenossen je unterschied, behauptet. Karl der Große begnügte sich, die Provinz mit dem Frankenreiche zu verbinden und zum Christenthum überzuführen, ohne ihre Nationalitat anzutasten. Völker des fränkischen und des sächsischen Rechts blieb noch lange nach der Periode, die wir hier beleuchten, eine Scheidung Deutschlands von bürgerlicher wie von politischer Bedeutung. Gehörten zu jenen mehrere einst unabhängige, dann aber von den Merovingern und Karolingern dem Frankenreich einverleibte germanische Stämme, so machte zuerst nur Sachsen eine durch eigene Gesetze bevorzugte Provinz des Reichskörpers aus, der man später noch die Thüringer und Friesen zugesellte. Eine neue Bedeutsamkeit erhielt Sachsen, als Heinrich I., sein Herzog, zum deutschen Könige erhoben wurde, und die Herrscherwürde über 100 Jahre seinem Geschlechte und seiner Nation verblieb. Um so unzufriedener war letztere, als mit Konrad II. ein Haus, das weder durch Herkunft 1), noch durch Nationalität ihr nahe stand, zum Thron gelangte. Nur durch Strenge, oft durch Härte unterdrückten die beiden ersten fränkischen Kaiser den Unwillen der lange bevorzugten und darauf trotzigen, auf alle Vorrechte, Freiheiten, Gesetze

 

1) Daß Konrad vor der schwäbischen Gisela, der Witwe des Herzogs Ernst, Gisela von Werla, die Witwe Bruno's von Braunschweig, zur Gemahlin gehabt, ist von Schaukegl, Spicil. p. 130, nicht ohne Wahrscheinlichkeit vermuthet worden. Denn wenn in dem Diplome ad 1051 bei Eccard, hist Princip. Sax. p. 279, Heinrich III. den Ludolf von Braunschweig noster frater, und Heinrich IV. denselben Patruus noster, überdies die Annal. Hildesh. ad 1038 Luidolfus Comes privignus Imperatoris und Lamb. ad 1056 Bruno und Ekbert patrueles Henrici IV. nennen, so ist darauf doch mehr Gewicht zu legen als Viele thun, ja auch durch die von Stenzel II, S. 126 angenommene Nachricht aus den Act. acad. Palat. Vol. IV, p. 479 u. 516 lange nicht Alles beseitigt. Daß die Gisela Allemanica nicht an Bruno verheirathet sein konnte, zeigt Schaukegl p. 128 u. 29. Pfister, Geschichte von Schwaben II, p. 70.

 

 

____

60 Zweiter Abschnitt.

 

stolzen Sachsen, und vornehmlich um die Macht des billungischen Herzogs Bernhard II. zu beschränken, begünstigten sie geringere Fürsten. In keiner andern Provinz gab es so viele Markgrafen, Grafen und unabhängige Edle als dort. Schon daß diesen allen die Erblichkeit ihrer Würden und Lehen zuerkannt wurde, während die Verleihung der Herzogthümer der König sich vorbehielt, war eine Maßregel, die wol vornehmlich zum Nachtheil der Billungen wirken sollte. Die Besetzung der Bisthümer mit Günstlingen, ergebenen Männern, oder gar den Sachsen feindlich gesinnten Ausländern verstärkte die Partei des fränkischen Hauses. Vollends aber erlangte Heinrich III. großen Einfluß durch die Machtvergrößerung des sächsischen Pfalzgrafen, wozu er den ebenso klugen als treubewährten Dedo von Gosek erhob, der nebst seinem Bruder, dem bekannten Erzbischof Adalbert von Bremen, alle Schritte Herzog Bernhard's bewachte und jeden Versuch einer Empörung oder Losreißung Sachsens vom Reichsverbande verhütete 1). Hätte sich Heinrich IV. begnügt, in dieser zwar strengen aber gesetzlichen Weise eine ihm abgeneigte Nation im Zaume zu halten und jede Bewegung ihm feindlich gesinnter Fürsten zu unterdrücken, anstatt durch Willkür, Ungerechtigkeit, leidenschaftlichen Haß und ausschweifende Lebensweise sie zu erbittern und zum Aeußersten, einem allgemeinen Aufstande, zu bringen, er würde tausend bittere Erfahrungen sich erspart, Deutschland vor einer Trennung, die seitdem den Norden und Süden nie wieder für das gleiche Interesse, für einen Herrscher, für eine Sache ohne Zwang zusammenstehen ließ, bewahrt und der Hierarchie schädliches Emporringen verhütet haben. Denn keineswegs war bei Heinrich's IV. Regierungsantritt für all diese Uebel schon ein Grund in der Nation selbst vorhanden. In Sachsen rief die gemeinsame Gefahr kaum so lange sie dauerte Einheit hervor. Wenn das Reichsoberhaupt die vielen größeren und kleineren Fürsten im Lande nebeneinander frei sich zu bewegen und gegeneinander in dauernder aber nicht feindseliger Spannung zu erhalten gestattete, wie Heinrich III. gethan, so wirkte solche Getheiltheit im Innern heilsam für den Reichskörper und für die Ruhe der Provinz zugleich. Ohne dieses vom Kaiser erhaltene Gleichgewicht der Gewalten drohten nicht nur feindliche Spaltung, gegenseitige Bekämpfung die Einheit des Nationalinteresses aufzuheben, sondern auch jeder außerhalb stehenden

 

1) Ueber das Verfahren der beiden ersten fränkischen Kaiser in Sachsen siehe meine Geschichte der Pfalzgrafen von Sachsen, Abth. I, §. 3, S. 51-61.

 

 

____

61 Verhältnisse in Sachsen.

 

Macht wurde es dann möglich, in den Parteienkampf sich zu mischen und für ein der Nation ganz fremdartiges Princip Anhänger zu finden. Hierin ist der Grund zu suchen, daß trotz alles Festhaltens am Altherkömmlichen in Sachsen nicht nur aus fremdem Stamm entsprossene Fürsten, wie die Gegenkönige Rudolf von Schwaben, Hermann von Luxemburg, ihre Hauptstützen fanden, sondern auch der Papst für feine hierarchischen Absichten, die den rein weltlichen Zweeken der sächsischen Fürsten ganz fremd waren, über ein Jahrhundert hindurch dort Verbündete gewann, die mehr als die Kircheneiferer in Italien, oder die ergebenen Anhänger in Frankreich, mehr als alle Verfechter hierarchischer Grundsätze den Kampf zwischen Papstthum und Kaiserthum entschieden haben. Der Druck, die Willkür, die Sorglosigkeit Heinrich's IV. entfremdeten nicht blos diesem die Nation, sondern bereiteten auch letzterer selbst ein fremdartiges Interesse vor, das nur der Politik der Fürsten, nicht dem Charakter der Nation entsprach. Solche Politik, keineswegs ihre Persönlichkeit, machte Männer wie Otto von Nordheim, Magnus, Lothar von Suplingenburg, wie später Heinrich den Löwen und dessen Sohn Otto zu Anhängern und Beförderern der Hierarchie. Dies darf nicht übersehen werden, will man keinen der genannten Fürsten in einem falschen Lichte erblicken 1). Was in dem ersten Kampfe der Sachsen gegen Heinrich IV. sich als vortheilhaft erwiesen, mußte natürlich bei jeder Auflehnung wider den Kaiser sich zu einem festen Grundsatze ausbilden, und eine dauernde Verbindung zwischen zwei vom Kaiser gleich bekämpften Gewalten von rein politischem Interesse sein. Seit die Hierarchie, wie wir gesehen, nicht mehr auf der Persönlichkeit des Papstes, sondern auf dem gleichen Grundsatze der gesammten Geistlichkeit beruhte, forderte jene Politik der sächsischen Fürsten, so oft sie von der Uebermacht, Willkür und Tyrannei des Reichsoberhauptes bedroht wurden, der in Deutschland mächtiger als in jedem Staate dastehenden Geistlichkeit die Hand zu reichen und gegenseitig sich zu unterstützen. Das verkannte Heinrich V., als er durch seinen Sieg über Paschalis, durch sein allgemein anerkanntes kaiserliches Ansehen, durch die Bereitwilligkeit und den Gehorsam der Fürsten sicher gemacht, und mächtiger als sein Vater und Großvater sich dünkend, es unternahm, einer Nation, die noch keinem fremden Herrscher unbedingten Gehorsam gezeigt hatte, seinen Willen als

 

1) Alle die genannten Fürsten waren so wenig der Hierarchie zugethan, als König Franz I. von Frankreich dereinst dem Protestantismus.

 

 

____

62 Zweiter Abschnitt.

 

zwingende Gewalt auch wider Recht und Herkommen, als einziges Gesetz, als unverweigerliches Gebot aufzudringen.

 

Wenn die nationalen und politischen Verhältnisse des Landes dem Streben Heinrich's V. ungünstig waren, ehe er noch daran dachte, sie allein von sich abhängig zu machen, so wurden die Fürsten erst durch dieses Bestreben ihm feindlich gesinnt. - Als der angesehenste, mächtigste, einflußreichste stand noch immer der Landesherzog da, wenn auch nicht mehr, wie einst Heinrich der Vogler und die Ottonen, durch den doppelten Glanz des Reichsoberhauptes und Landesherrn alle andern, wie ganz unscheinbare, überstrahlend. Thüringen, das Heinrich mit seinem Herzogthume verbunden, und das unter dem sächsischen Herrscherhause wie ein Erblehn gestanden und erst von Otto III. einem eigenen Fürsten, dem berühmten Markgrafen Eckhard, übertragen worden, war seitdem getrennt und unter den ersten beiden fränkischen Kaisern dem sächsischen Interesse dadurch entfremdet, daß ein stammverwandter fränkischer Graf, Ludwig der Bärtige, ein überwiegendes Ansehen im Lande erhielt, und die Thüringer dem Kaiserhause geneigt machte. — Wie die thüringer Mark waren auch Meißen, Lausitz und die Nordmark zwar nicht reichsunmittelbaren, doch von dem Landesherzog wenig abhängigen Fürsten übertragen, die schon wegen ihrer militairischen Stellung größere Gewalt besaßen. Den Billungen an Hausmacht fast gleichstehend und von hohem Ansehen im Lande erkannten wir vorhin die nordheim'schen und braunschweig'schen Grafen, die bei den fränkischen Kaisern, um die Macht jener zu beschränken, in besonderer Gunst standen, bis Heinrich IV. auch sie beleidigte und in Otto von Nordheim wie in Ekbert von Braunschweig seine erbittertsten Gegner fand. Als es ihm nach dem Tode Beider gelang, Sachsen friedlicher zu stimmen, erhielt Heinrich der Reiche, Otto's Sohn, den ersten Platz nach dem Könige 1), sodaß dem Herzoge Magnus kaum noch ein Schatten der Würde, die seine Vorfahren und er selbst in jüngern Jahren besessen, verblieb. Ganz natürlich scheint es daher, daß nach seinem Tode ein Schwiegersohn Heinrich's von Nordheim, der der That nach erster Landesfürst gewesen war, dem Schwiegersohne des Titularherzogs 2) vorgezogen wurde.

 

1) Ann. Saxo ad 1101: qui totius Saxoniae principatum secundus ab Rege gerebat. Daher bei Alb. Stad. 1105: qui fuit Landgravius.

2) Heinrich IV. hatte Magnus wol nie mit der Herzogswürde belehnt. Bei dem Tode Ordulf's 1071 suchte der Kaiser ihn zur Entsagung zu zwingen. S. Lamb. ad 1073. Zwar entließ er ihn bald danach aus der Haft, um die eigenen Getreuen, welche Magnus Bruder, Hermann, in Luneburg gefangen genommen, auszulösen. Daß er aber den Entlassenen als Herzog anerkannt, wird nirgends gesagt. S. Lamb. ad 1074. Wenn Heinrich im Vertrage zu Gerstungen allen sächsischen Fürsten ihre Lehen und Güter bestätigen mußte, so erklärte er nach Zerstörung der Harzburg den Vertrag für nichtig. Nach der Schlacht bei Hohenburg mußte Magnus nebst allen Rebellen sich auf Gnade und Ungnade ergeben, verlor Würden und Lehen und ward gefangen gehalten. Lamb. ad 1076 berichtet von Otto v. Nordheim, der schlau den König für sich zu gewinnen gewußt hatte: Huic Rex per totam Saxoniam vices suas et publicarum rerum procurationem delegavit. Darin liegt deutlich, daß alle andern Würden, vornehmlich die herzogliche, suspendirt waren. Zwar entkam Magnus aus seinem Kerker und nannte sich nach wie vor Herzog. Schwerlich erkannte ihn aber je der Kaiser an; vielmehr spricht der principatus totius Saxoniae, welchen Heinricus Crassus erhielt, es aus, daß der Kaiser noch im Jahre 1101 keine Würde der feindlichen Fürsten in Sachsen anerkannte. Als der hochbejahrte Magnus sich friedlich oder doch parteilos verhielt, überging man stillschweigend die Sache und wartete den Tod des kinderlosen Greises ab. Es lag im Interesse der fränkischen Kaiser, die Herzogswürde in Sachsen aufzuheben, weshalb auch die Nordheimer keinen bestimmten Titel bei ihrer Verwaltung der Provinz erhielten. Heinrich V. gestatteten es aber seine Verhältnisse im Jahre 1106 nicht, den alten Würdenamen bei der Belehnung Lothar's vorzuenthalten.

 

 

 

____

63 Verhältnisse in Sachsen.

 

Als Lothar mit der alten Würde eines Herzogs von Sachsen bekleidet worden, suchte er auch das Ansehen derselben in altem Glanze herzustellen. Seine durch Erb- und Heirathsgut bedeutende Hausmacht erhob ihn schon zum ersten Fürsten des Landes, und wenn er auch die walbek'schen, braunschweig'schen und nordheim'schen Güter mit Andern theilte, so war er doch der Repräsentant dieser drei Häuser und stand fast mit allen sächsischen Fürsten in Verwandtschaft. Mehr aber als Alles gaben seine persönlichen Eigenschaften ihm ein Uebergewicht, das die Meisten bereitwillig anerkannten und unterstützten, weil er mehr die Interessen des Landes als seinen Privatvortheil zu fördern trachtete, und Niemanden zu beschränken suchte, als wer auf ungerechte Weise seine oder eines Andern Ansprüche beeinträchtigte. In den ersten Jahren nahmen indeß Einfalle der Slavenvölker an der Nordgrenze seines Herzogthums Lothar's Tätigkeit in Anspruch.

 

Seit den Zeiten des ersten billunger Herzogs Hermann gehörte zu dessen Reichslehen die Grafschaft Holstein, die aber als Afterlehen einem eigenen Verweser, meist jüngern Brüdern der Herzoge, übertragen worden war 1). In dem Jahre, als Lothar seine neue Würde

 

1) S. Krantz, hist. Sax. V, cap. 26, p. 124 ff., wo über den Namen, die Grenzen und Verwaltung Holsteins ausführlich gehandelt ist. Corner, p.676.

 

 

____

64 Zweiter Abschnitt.

 

erhielt, stand ein Graf Gottfried als Schirmvoigt der Nordgrenze vor, ward aber bald darauf, als er einer slavischen Räuberhorde ihre Beute abjagen wollte, in Stormarland in einem Hinterhalt getödtet. Lothar ernannte zu Gottfried's Nachfolger einen Mann, der nicht sowol durch hohe Geburt als militairische Vorzüge, Umsicht und Thätigkeit sich auszeichnete 1). Adolf von Schaunburg entsprach dem gehegten Vertrauen vollkommen, verwaltete mit Klugheit und Tapferkeit lange die Grafschaft Holstein und hinterließ sie einer Reihe ebenso würdiger Nachkommen 2). — Ueber die benachbarten Slavenländer, von der Elbe bis zum baltischen Meere und den Grenzen Polens, herrschte damals Heinrich, der Sohn des ersten christlichen Slavenfürsten Gottschalk, wie dieser von der Lehre des Evangeliums erleuchtet und als Herrscher vor Allen seines Stammes durch Macht, Kriegsruhm und Weisheit ausgezeichnet, weshalb ihm der Königstitel von Slaven und Deutschen beigelegt ward 3). Lothar und Adolf, mehr auf Sicherheit als Erweiterung ihrer Grenzen bedacht, schlossen mit einem so würdigen Nachbarn gern ein Freundschafts- und Trutzbündniß wider gemeinsame Feinde, zumal da Heinrich schon dem Vorganger Lothar's eine freiwillige Lehnsabhängigkeit zugestanden hatte 4). Die übernommene Verpflichtung nöthigte bald Adolf und den Herzog selbst, zum Beistand Heinrich's mehrere Feldzüge zu machen, die nur ihrem Verbündeten Gewinn, den deutschen Hülfsvölkern kaum mehr als den Ruhm unwiderstehlicher Tapferkeit und einen Antheil an der Kriegsbeute einbrachten. Noch im Jahre 1106 mußten die Holsteiner dem von den Rügern und Ranen bedrängten Könige zur Hülfe ziehen. Sie erfochten einen glänzenden Sieg in der Nähe von Lübeck, an einem Orte, der von der Niederlage den Namen Ranenberg erhalten haben soll 5). Als

 

1) Corner p. 650: Et sic Adolfus Comes factus est de non Comite. Chron. Comit. de Schowenburg, Meib. I, p. 498: virtutibus militaribus et industria tunc in partibus occidentalibus singulariter creatus.

2) S. Helmold I, cap. 36, p. 568, Corner, Krantz, Mascov p. 141.

3) Corner: Henricus filius Godescalci ex filia Regis Danorum. Ueber den Königstitel Helm. a. a. O.

4) Helm. I, cap. 34: Accessit etiam ad Ducem Magnum eo quod cognatus ejus esset (die Mutter des Herzogs war des Königs von Dänemark Schwester. Helm. I, cap. 25, Alb. Stad. ad 1042) et magnificatus est apud eum fecitque ei juramentum fidelitatis ac subjectionis. (S. Alb. Stad. ad 1106.) Und cap. 36: Fuitque pax inter Adolfum Comitem et Principem Slavorum Henricum. Corner a. a. O., Alb. Stad. Ad 1106.

5) Helm. I, cap. 36.

 

 

____

65 Slavenkrieg.

 

im folgenden Jahre sich unter Heinrich's eigenen Völkern, die noch keineswegs alle dem Christenthum und einem Fürsten, der durch Waffengewalt sich zu ihrem Herrn gemacht, bereitwillig zugethan waren 1), ein Aufstand in den Gegenden der heutigen Mark Brandenburg erhob, konnte abermals die Gefahr nur mit Beistand der Sachsen 2) abgewendet werden. Wie wenig Treue in einem überwältigten Volke zu finden sei, erfuhr Heinrich schmerzlich im Jahre 1109. Als sein Sohn Waldemar von den Rugiern den versprochenen Tribut einfoderte, erschlugen ihn diese. Heinrich, als König und Vater zwiefach gekränkt, sammelte seine ganze Kriegsmacht und sandte zu Holsteinern und Stormarn Boten, sie an das geschlossene Bündniß zu erinnern; bereitwillig zogen 6000 derselben herbei und vereinten sich bei Wolgast mit Heinrich's Heer. Vor solcher Uebermacht erschraken die Feinde und boten 200 Mark zur Sühne ihres Frevels an; doch die Sachsen selbst, deren Entscheidung der König es überließ, ob er das angebotene Sühngeld oder blutige Rache nehmen solle, mahnten zu letzterer, und gern bewilligte Heinrich so edeln Bundesgenossen, die für seine Ehre ihr Blut verspritzen wollten, das alte Vorrecht des Sachsenvolkes, den Vorkampf in der Schlacht. Nicht schreckten die mit Schnee und Eis bedeckten Wege, nicht die von allen Seiten heranziehenden Feinde das muthige Heer. Schon stand es im Lande der Rüger, schon hatte es die an der Meeresküste liegenden Flecken und Ortschaften in Flammen gesteckt, als das feige Volk, das nur durch Treulosigkeit, nicht mit Tapferkeit dem Joche sich entziehen wollte, dem Könige 400, dann 800 Mark für den Frieden bot; und als die Sachsen Heinrich dennoch zur Schlacht mahnten, warf es demüthig flehend sich dem Könige zu Füßen, und war zu Allem bereit, was er fodere. Gegen 4800 Mark sagte endlich Heinrich ihnen Begnadigung zu, empfing die Geißeln und kehrte mit seinem Heere und den deutschen Bundesgenossen zurück. Allein der auferlegte Tribut war zu groß, als daß ein geldarmes

 

1) Alb. Stad. a. a. O. Audientes autem Slavi, qui habitabant ad Orientem et Austrum, quia surrexisset inter eos Princeps Christianus, qui diceret Principibus tributa solvenda, convenerunt omnes, ut pugnarent contra Heinricum.

2) Es scheint zwar, daß diesmal nur die Nordalbinger ihm Beistand leisteten (S. Helm. I, cap. 37), indeß war auch hier der Vertrag für Lothar bindend und erfoderte dessen Aufmerksamkeit. Die Nordalbinger hatten früher viel von den Slaven zu leiden und konnten nun unter Heinrich's und Lothar's Schutz sicherer ihr Land anbauen. S. Alb. Stad. ad 1106

I. 5

 

 

____

66 Zweiter Abschnitt.

 

Volk ihn hätte auftreiben können. Mit Aufbietung aller öffentlichen und Privatschätze brachten sie, zumal da Heinrich das größte Gewicht verlangt, kaum die Hälfte der Summe auf, und Heinrich mußte abermals versuchen, ob mit Waffengewalt das Uebrige zu erzwingen war. Diesmal leistete ihm Herzog Lothar in eigener Person Beistand. Beide zogen über die Eisflächen des Meeres in das Gebiet der Rüger. Kaum aber hatten sie wenige Tage dort verweilt, als die Kälte nachließ, und die Eisbahn zu zerschmelzen drohte. Zu einem langwierigen, hartnäckigen Kampfe waren die Verbündeten nicht gerüstet und traten, nachdem sie Unerhebliches ausgerichtet, den Rückweg an, den sie nur mit vielen Gefahren bewerkstelligten. Lothar ward bald darnach in Sachsen selbst für einen Kampf in Anspruch genommen, der ihn mehre Jahre nicht an Feldzüge wider die Slaven denken ließ. Die Zwistigkeiten zwischen König Heinrich und seinen Nachbaren dauerten bis zu des Erstern Tode fort 1). Wir werden öfters noch auf die Verhältnisse Lothar's zu den Slaven zurückkehren und bemerken hier nur noch, daß er durch Milde und Gerechtigkeit bei diesen leichter seine Oberlehnsherrschaft geltend zu machen verstand, als es die billunger Herzöge in

 

1) Dunkel herrscht über dem letzterwähnten Kampf Heinrich's mit den Rügern. Helm. I, cap. 38, bei Leibn. II, p. 571, 577 u. 578: Cumque exhausissent aerarium publicum et quidquid in privatis suis auri vel argenti habuerant, vix medietatem pecuniae persolverunt, puta statera delusi. Quam ob rem iratus Henricus, quod promissa ex integro non persolvissent, paruit secundam profectionem in terram Rugianorum. Accitoque Duce Ludero proxima hyeme (das wäre 1110), quae mare pervium reddidit, intravit terram Rugianorum cum magno Slavorum et Saxonum exercitu. Vixque tribus noctibus illic remanserant, et coepit hyems resolvi et glacies linguescere. Contigitque ut imperfectis rebus revertentes marina pericula vix evaserint, et non adjecerunt Saxones ultra intrare terram Ranorum eo quod Henricus modico superveniens tempore morte sua controversiae finem dederit. Dies wäre erst 1126, wo Heinrich starb. (S. cap. 44, p. 577.) Lothar konnte freilich bis dahin seinem Bundesgenossen keinen Beistand außer Landes leisten, wol aber hat er während der Zeit manche Siege über die Slaven in dem von ihm beherrschten Gebiete erfochten. Die Annal. Hildesh. ad 1110 und nach ihm Ann. Saxo z. g. J. berichten von einem Feldzuge Lothar's gegen die Slaven, auf dem er novem urbes munitiores eingenommen. Ann. Saxo knüpft dies unmittelbar an den Tod des Grafen Gottfried, der 1106 fällt. Wenn Lothar selbst gegen die Slaven ausgezogen, ist dunkel; vor 1111 muß es gewesen sein. Fast scheint es, daß sein Feldzug 1110 unabhängig von dem Heinrich's gewesen und einen bessern Erfolg gehabt hatte, den aber Heinrich's misglückter Zug übers Eis und bald darauf die Händel mit dem Kaiser nicht dauerhaft machten.

 

 

____

67 Die sächsischen Pfalzgrafen.

 

den vorigen Jahrhunderten mit harter Strenge, ja oft empörender Grausamkeit, der auch ein knechtisches Volk bei jeder günstigen Gelegenheit sich zu entziehen sucht, vermocht hatten 1).

 

Mit den Suplingenburgern nahe verbunden und in Gauen ansässig, die Lothar's Vorfahren einst allein beherrscht hatten, erkannten wir oben schon die Grafen von Sommerschenburg und schlossen deshalb auf beider Familien gleichen Ursprung. Wie Lothar im Besitz der Herzogswürde, war Friedrich von Sommerschenburg bereits unter Heinrich IV. Pfalzgraf von Sachsen, da Friedrich von Gosek, der jüngere Bruder Erzbischof Adalbert's von Bremen und jenes Dedo, dem Heinrich III. die Alleinherrschaft und wahrscheinlich auch die Erblichkeit in den sächsischen Pfalzen zuerkannt hatte, bei seinem Tode 1088 nur einen dreijährigen Enkel hinterließ, dem der Kaiser ein so wichtiges Amt, welches die Vertretung des Reichsoberhauptes den Landesfürsten gegenüber und die Reichsgerichtsverwaltung in sich schloß, nicht übertragen konnte 2), und deshalb dem Oheim des Unmündigen, dem genannten Friedrich von Sommerschenburg, dasselbe entweder auf Lebenszeit oder bis zur Großjährigkeit des Neffen anvertraute. Der geringe Einfluß in Sachsen, die fortdauernden Fehden im ganzen Reiche, endlich die Empörung des eigenen Sohnes machten es Heinrich IV. unmöglich, der Pfalzgrafenwürde die alte Bedeutsamkeit zu erhalten. Sie war längst zu einem Schatten Dessen, was sie einst gewesen, herabgesunken und konnte nur durch die Hausmacht des jedesmaligen Verwesers, durch sein persönliches Ansehen, durch seine Verbindungen mit andern Fürsten Wichtigkeit behalten. Schon der letzte goseker Pfalzgraf hatte wegen erlittener Unbilden vom Jahre 1073 ab, uneingedenk der ihm obliegenden Pflicht, anstatt des Kaisers Ansehen gegen die Landesfürsten aufrechtzuerhalten, mit diesem wider jenen Partei genommen, später bald gezwungen, bald aus freier Wahl mit Heinrich IV. sich ausgesöhnt, stets aber mehr die Vergrößerung seiner Besitzungen als die Aufrechterhaltung des pfalzgräflichen Ansehens im Auge gehabt. Kaum mehr als einen bloßen Titel erwarb Friedrich von Sommerschenburg, als ihm die

 

1) Helm. I, cap. 35, Ann. Saxo, Alb. Stad. ad 1106: Gubernavit cum modestia tam Slavos quam Saxones. 2) Dieser war ein Enkel Friedrich's, des Pfalzgrafen von Sachsen, und ein nachgeborener Sohn des bei Scheiplitz ermordeten Grafen Friedrich. Ueber Datum und Faktum des Mordes vergl. man meine Geschichte der Pfalzgrafen von Sachsen, Abth. I, §. 5 zum Schluß. Der §. 6 gibt über Friedrich von Sommerschenburg ausführlicher, was hier nur kurz berührt werden konnte.

5*

 

____

68 Zweiter Abschnitt.

 

Pfalzgrafschaft Sachsen übertragen ward. Allein die Verwandtschaft mit Lothar, dem mächtigsten und angesehensten Herrn im Lande, gab ihm persönliche Wichtigkeit. Als jener zum Herzog erhoben wurde, konnte es bedenklich scheinen, zwei Würden, die einander die Waage halten sollten, ja ganz entgegengesetzte Interessen wahrzunehmen bestimmt waren, so engverbundenen Fürsten anzuvertrauen, wenn nicht beide dem neuen Könige sich gleichergeben gezeigt hätten. Wie Lothar gehörte gewiß auch Friedrich zu den sächsischen Fürsten, die im Jahre 1105 zu Quedlinburg Heinrich V. Beistand gegen seinen Vater gelobten. Dafür sicherte ihm der König die fernere Verwaltung der Pfalzen wider den zwanzigjährigen, nach den Würden und Lehen seines Großvaters ungestüm verlangenden Friedrich von Gosek zu, indem dieser vorläufig mit Wiedererlangung Dessen, was sein Stiefvater, Graf Ludwig von Thüringen, ihm entrissen, sich begnügen mußte 1). Bis zum Jahre 1112 blieb Friedrich von Sommerschenburg ein Freund des Königs und begleitete denselben auf dem Römerzuge, auf dem er nicht unwichtige Dienste leistete 2).

 

Hatten die sächsischen Pfalzgrafen während des alle Reichsbanden auflösenden Bürgerkrieges unter Heinrich IV. ihre frühere Bedeutsamkeit verloren und nur in einem Anschluß an die mächtigern Landesfürsten den eigenen, nicht des Königs Vortheil zu erhalten gesucht, so erhoben sich dagegen die Markgrafen im Lande zu ungewöhnlicher Macht und Unabhängigkeit. Da sie ursprünglich bestimmt gewesen, die Grenzen wider fremde nicht zum Reichskörper gehörende Nationen zu schirmen, so hatten die Kaiser ihnen eine militairische Gewalt, wie sie anderen Grafen nie gestattet worden, übertragen, bei größeren Heereszügen und Reichsaufgeboten aber ordneten sie sich den Herzögen als Oberanführern der Gesammtkriegsmacht der Provinz unter, wie sie von denselben auch als den Landesoberherrn abhängig waren. Seit die Politik der fränkischen Kaiser die Uebermacht der National-Herzöge zu beschränken und Unabhängigkeit und Selbstständigkeit der geringeren Fürsten jenen gegenüber zu fördern suchte, zogen daraus die Markgrafen als die bedeutendsten nächst den Herzögen den größten Gewinn, vornehmlich

 

1) S. Gesch. d. Pfalzgr. v. Sachsen §. 6, wo auch die Streitigkeiten zwischen Ludwig und dem unruhigen Friedrich von Putelendorf näher beleuchtet sind.

2) So gehörte er zu den Fürsten, die nach dem Vertrage zwischen Heinrich und Paschalis am 4. Februar 1111 sich verpflichten mußten, als Geißel sich zum Papste zu begeben, wenn der König den Vertrag breche, und zu den Eidhelfern des spätern Vertrages zu Ponte Mammolo vom 11. April.

 

 

____

69 Die sächsischen Markgrafen.

 

in Sachsen, wo Konrad II. und Heinrich III., außer andern Beschränkungen, des Herzog Bernhard's Ansehen auch dadurch verringerten, daß sie den Oberbefehl des sächsischen Heerbanns nicht diesem, sondern einem sächsischen Markgrafen übertrugen. Diese Maßregel erhob zu neuer Bedeutsamkeit ein Amt, das nach seiner ursprünglichen Bestimmung eigentlich überflüssig geworden war, da viele der frühern Marken, wie z. B. Thüringen und Meißen, bei Erweiterung der Landesgrenzen und bei der Vereinigung sonst geschiedener Provinzen mit dem Reiche gar nicht mehr als solche zu betrachten waren, andere, wie die Nordmark und Lausitz, seit die Slaven im Norden, die Böhmen im Osten die Oberlehnshoheit des sächsischen Herzogs und des deutschen Kaisers anzuerkennen gezwungen worden, keine feindlichen Einfalle fremder Völker 1) zu fürchten hatten. Gleichwol blieben alle jene Markgrafschaften fortbestehend 2), ja es entstanden im 12. und 13. Jahrhundert neue, deren Bedeutung nicht mehr in der Lage des Landes, sondern in der Würde seiner Beherrscher zu suchen ist. Wie diese sich durch eigene Kraft während der Regierung Heinrich's IV. emporgeschwungen, zeigt Ekbert, jener letzte männliche Sprößling des Braunschweigischen Hauses. Außer der von seinem Vater geerbten meißner Mark erhielt er nach dem Tode seines Schwiegervaters Otto von Orlamünde (1067) durch kaiserliche Belehnung die Mark Thüringen 3), verband sich aber bald danach mit Markgraf Dedo von der Lausitz, dem zweiten Gemahl der Schwiegermutter Ekbert's. Diesmal beugte sie Beide noch Heinrich IV., der in Rücksicht auf Verwandtschaft und seine große Jugend Ekbert verzieh und nicht nur das Seine zurückgab, sondern bald noch neue Lehen übertrug. Gleichwol empörte wenige Jahre später der unruhige ehrgeizige Jüngling sich abermals wider den

 

1) Denn Slaven und Böhmen, obschon öfters noch von ihren Heeren Deutschland verwüstet und geplündert wurde, waren keine fremden Völker, seit der deutsche Kaiser sie als zum Reichskörper gehörige ansah und von ihren Beherrschern den Lehnseid foderte.

2) Mit Ausnahme Thüringens, das zu einem Landgrafenthum umgewandelt wurde, um die vielen dort mächtiger emporgekommenen Grafen durch ein neues Band zu vereinen, bis sie allmälig unter der Herrschaft der Landgrafen sich verloren.

3) Ann. Saxo ad 1067: Otto, Marchio de Orlagemunde, obiit. — Marchiam, quam ille tenuerat, Rex patrueli suo Ecberto, Comiti de Brunswik, dedit.

 

 

____

70 Zweiter Abschnitt.

 

Kaiser, und blieb trotz wiederholter Begnadigungen und Auszeichnungen während des Kampfes der Sachsen wider Heinrich ein ebenso unzuverlässiger Verbündeter dieses wie der sächsischen Fürsten 1), da stets der augenblickliche Gewinn oder leidenschaftliche Aufwallung ihn von einer Partei zur andern trieb. Mehr als einmal entriß er bald Heinrich, bald dem Gegenkönige Hermann von Luxemburg, denen Beiden er eine Krone misgönnte, die er am liebsten auf sein Haupt gesetzt hätte 2), die entschiedensten Vortheile, und so lange er lebte, war kein dauernder Friede in Sachsen vom Kaiser oder von den Fürsten zu bewerkstelligen. Dadurch wurde er endlich Allen verhaßt, und leicht fand sich ein Arm, welcher, ohne daß ein höherer Befehl dazu anreizte, Den, dessen ganzes Leben nichts als Verrath und Gewaltthatigkeit gewesen, auf gleiche Weise ums Leben brachte. Nur der Parteihaß, welcher auch die Schriftsteller jener Zeit ergriff, konnte den Mord dem Kaiser aufbürden, der freilich durch die Acht, die er mit Zustimmung der Reichsfürsten über den Frevler verhängt hatte, die That Jedem freistellte und ungestraft hingehen ließ 3). Wie unter Ekbert die thüringer und meißner Mark verbunden gewesen, so vereinte nach seinem Tode die letztere Heinrich von Eilenburg 4) aus dem Wettiner Hause mit der Mark Lausitz und gab dadurch einen neuen Glanz seinem schon angesehenen und im Lauf der Jahrhunderte zu noch höherer Macht bestimmten Geschlecht, das heute vielfach verzweigt in der Mitte Deutschlands über schöne Länder gebietet, zwei Königreiche beherrscht, während zwei seiner männlichen

 

1) Der Apologist Heinrich's IV. p. 216: Ecbertus contra Regem conjuravit; saepe etiam sese a conjuratorum societate ad Regem convertit et nunc harum nunc illarum partium fuit. Ebenso zweideutig und treulos handelte er an den Gegenkönigen Rudolf und Hermann. Berth. Const. ad 1087: Hic enim Comes gloriae domini sui Herimanni Regis multum invidens concepit animo eum regno privare. Sein zweideutiges Benehmen gegen Rudolf in der Schlacht bei Flarchheim s. Stenzel I. S. 455 u. 456.

2) Berth. Const. ad 1088: Eggebertus Comes se regnum affectare manifestavit, sed incassum. Nam Principes regni ei assentire noluerunt. Hartwig von Magdeburg und Halberstadt hatten freilich arglistig ihn dazu angereizt, und dann getäuscht. S. Apol. Heinrici IV. p. 216.

3) S. die abweichenden Berichte bei Berth., Chron. Ursp., Ann. Saxo, Waltram, Ann. Hildesh., Chron. Halberst. Continuat., Lamb. Schaffn., Apol. Heinr. IV. und Andern.

4) Herzog Wratislav von Böhmen, dem Heinrich schon zu Lebzeiten Ekbert's die meißner Mark verliehen, hatte sich nicht behaupten können. S. Lamb. ad 1075 u. 1076.

 

 

____

71 Die sächsischen Markgrafen.

 

Nachkommen bestimmt sind, dem englischen und portugiesischen Throne die künftigen Herrscher zu geben, seine weiblichen Descendenten durch Tugend und Anmuth mächtige Fürstensöhne zu Ehebündnissen mit ihnen bewogen haben. — Damals befestigte Markgraf Heinrich die neuerrungene Herrschaft und beugte zugleich den Ansprüchen Anderer vor, indem er die Schwester seines Vorgängers, Gertrud, die Witwe Heinrich's von Nordheim, heirathete 1). Was er aber von Fremden besorgt, wurde nach seinem frühzeitigen Tode (1103) seinem nachgeborenen Sohne Heinrich von den nächsten Verwandten bereitet. Ohne die Niederkunft Gertrud's abzuwarten, wollten zwei Vettern, Konrad und Dedo, sich in den Besitz der beiden Marken theilen, verbreiteten Verläumdungen, zuerst, daß die Witwe Heinrich's nur fälschlich eine Schwangerschaft vorgebe, dann, als dieselbe ihre getreuen Dienstmannen von ihren gesegneten Umständen überzeugte, daß sie nicht einen Sohn, sondern eine Tochter zur Welt gebracht, statt dieser aber den Sohn eines Kochs untergeschoben habe. Aus diesem Familienzwist entstanden nachmals Bürgerkrieg und Parteiung der sächsischen Fürsten für oder wider den unmündigen Knaben und dessen Mutter. So lange Letztere lebte, war durch ihre Erbgüter, durch ihr und ihrer Schwiegersöhne Ansehen der junge Heinrich zu wohl geschützt, als daß Konrad und Dedo die Vormundschaft oder gar die Landesverwaltung an sich zu reißen vermochten. Lothar stand zu beiden Theilen in einem wegen naher Verwandtschaft peinlichen Verhältniß; denn war Heinrich der Stiefbruder seiner Gemahlin, so waren dessen Vettern und Gegner Söhne von Richenza's Vaterschwester Ida, der Tochter Otto's von Nordheim 2). Unter

 

1) Gertrud war dreimal verheirathet, zuerst an den Grafen Dietrich von Catlenburg, dem sie den jüngern Dietrich (+ 1107 ohne Erben) gebar; dann an Heinrich von Nordheim (+ 1101), bald nach dessen Tode an Heinrich von Eilenburg (+ 1103, Chron. Ursp., Ann. Saxo ad 1103).

2) Die verschlungene Verwandtschaft der Wettinischen, Nordheimischen und Braunschweigischen Häuser stellt sich also heraus:

 

Ekbert der Aeltere. Otto von Nordheim. Wettiner.

________^____ ________^_______ __________^_____

 

Gertrud — Heinrich. Ida — Thimo. Dedo.

_______^____________ ____^________ ____^_______

Richenza, Gemahl Lothar Konrad. Dedo. Heinrich der

folgt auf Aeltere, Ge-

Heinrich mahlin Ger-

d. Jüngern trud von

v. Eilenburg. Braunschweig.

_____^________

Heinrich d. Jüng.,

+ kinderlos.

 

Ueber Ida, Tochter Otto's von Nordheim und Gemahlin Thimo's, s. Annexa zu Chron. Mont. Ser., Menck. II. p. 308 und Ann. Vet. Cellens. p. 380. Die Gerüchte über Heinrich den Jüngern s. am besten in Chron. Mont Sev. p. 167 und 168. Ob Konrad von Wettin schon bei Lebzeiten Gertrud's den Titel eines Markgrafen angenommen, ist ungewiß. Zuerst findet er sich so genannt in einer von ihm ausgestellten Urkunde vom Jahre 1119. S. Schannat Vindem, lit., Hahn, collectio man. I. p. 77.

 

 

____

72 Zweiter Abschnitt.

 

solchen Umständen, bei seiner rechtlichen Gesinnung und obenein als Landesherzog mußte Lothar der geeignetste Vermittler in jenem Familienzerwürfniß erscheinen. Ihm darf es daher wol beigemessen werden, daß äußerlich wenigstens eine Versöhnung hergestellt wurde, die erst in eine neue heftige Fehde sich verwandelte, als Heinrich der Jüngere, herangewachsen, die Beschimpfung, die ihm angethan, an Konrad mit dem Schwerte rächen wollte, und dadurch, wie wir sehen werden, einen allgemeinen Krieg in Sachsen herbeiführte.

 

Wenden wir uns von den östlichen Marken zu der Nordmark, so treffen wir auch hier ein mächtiges Fürstengeschlecht 1), das Kaiser Heinrich IV. seine Erhebung zu verdanken hatte. Das Alter dieses Geschlechts läßt sich mit Sicherheit bis zum Ausgang des 10. Jahrhunderts hinaufführen 2). Damals lebte ein Graf Heinrich, Besitzer des Schlosses Hirschfelde, welches dessen Sohn gleiches Namens, der anfangs dem geistlichen Stande bestimmt gewesen, zur Sühne seines Austritts in ein Kloster verwandelte und reiche Besitzungen, Gold und Kostbarkeiten demselben zuwandte. Erst dieses Heinrich's ältester Sohn, Siegfried, erbaute Stade, oder stellte vielmehr die Stadt aus ihren Trümmern wieder her 3); seitdem nannte er und seine Nachkommen sich Grafen von Stade. Durch Reichthümer, in glücklichen Kriegen wider die Seeräuber erbeutet, durch ausgedehnte

 

1) Es herrschte ursprünglich über den Bosogau in der Bremer Diöcese (siehe Wersebe, Gauen S. 270), übte aber auch schon früh das Grafenamt im Pagus Herlanga, besonders über Harsfelde (Kloster Hirschfelde), s. Wersebe, Gauen S. 241. Wie es auch bald im Nordosten sich ausdehnte, beweist der nachmalige Hauptsitz seiner Herrschaft Salzwedel an der nordöstlichen Grenze des Gau Osterwalde. Die daran grenzenden Gaue Belesen und Mosidi fielen ihm auch zu.

2) Ausführlich berichten darüber Alb. Stad. (Quartausgabe, Helmstädt 1587) p. 1636 ff. Krantz Metrop. lib. VI, cap. 24, p. 155. Ann. Saxo p. 488 sagt: Henricus Calvus (bei Krantz Crassus) Comes de Stathen (so nannte sich erst sein Enkel), qui fuit temporibus primi Ottonis consanguineus ejusdem Imperatoris. Was er beim Kaiser galt, ist p. 319 und ausführlicher bei Ditmar, p. 337 erzählt.

3) S. Wersebe, Gauen S. 270 u. 271.

 

 

____

73 Stadische Händel.

 

Besitzungen, die in der Hand eines Erben verblieben, und durch Heirathsverbindungen mit angesehenen Fürstentöchtern 1) hob sich das Geschlecht seit Siegfried schnell empor. Sein Erbe und Sohn Loder oder Udo hatte eine Vatersschwester des Gegenkönigs Rudolf, Adelheide, zur Gemahlin und erzeugte mit ihr jenen Udo, der, wie wir früher gesehen, nach dem Tode des Markgrafen Wilhelm (1056) nicht nur die Nordmark, sondern zugleich auch den von Wilhelm's Vorfahren verwalteten Gau Moside erhielt. Auch Udo vergaß der Wohlthaten, die er dem fränkischen Kaiserhaufe zu danken hatte, und verband sich (1073) mit den sächsischen Großen. Nach der unglücklichen Schlacht bei Hohenburg, wo er tapfer gegen die Uebermacht Heinrich's IV. focht, und, ohne es zu wissen, beinahe seinen eigenen Verwandten, den Herzog Rudolf von Schwaben, getödtet hätte 2), war er einer der ersten, welche die Gnade des Siegers suchten und erfuhr auch wirklich ein milderes Urtheil als Die, welche später sich dem Kaiser ergaben und in entfernte Theile des Reichs, selbst nach Ungarn und Italien, als Gefangene abgeführt wurden. Nachdem er seinen Sohn als Geißel gestellt, ward er auf freien Fuß gesetzt und leitete mit dem würdigen Erzbischof Limar von Bremen die Unterhandlungen, in Folge deren Heinrich IV. den sächsischen Fürsten, falls sie die Waffen niederlegten, Versöhnung und Gnade zusagte 3). Seitdem scheint Udo keinen besondern Antheil an den Kämpfen der Fürsten gegen das Reichsoberhaupt genommen zu haben, wenigstens wird er nirgends mehr unter Denen, die fort und fort

 

1) Heinrich's Gemahlin Judith war eine Schwester des Herzogs Otto von Franken, der unter Kaiser Otto II. in Calabrien seinen Tod fand. Ann. Saxo p. 488. Alb. Stad. a. a. O. nennt sie Hildegard. Diese macht Krantz a. a. O. zur Gemahlin des zweiten Heinrich, den Ann. Saxo nicht für den Vater, sondern Bruder Siegfried's hält. Dieses Namens gibt Alb. Stad. zwei an. Dann übereinstimmend nennen die Chronisten Siegfried's (des Jüngern nach Albert) Gemahlin Adele eine Tochter Gero's von Alsleben, der nach einem Gottesurtheil seinen Tod fand (Ann. Saxo p. 329 u. 488). Weil die Güter Gero's der Tochter und deren Gemahl zufielen, heißt Beider Sohn Udo oft Graf von Alsleben. Ein großer Theil fiel freilich durch Schenkungen Adele's an das Erzstift Magdeburg und die Klöster zu Alsleben und Hirschfelde.

2) Ann. Saxo ad 1075: Udo Marchio de Stadhen, consobrinum suum Rudolfum, Ducem Suevorum, qui eo die fortiter pro Rege dimicasse notatus est, fortiter percussit in faciem et nisi galea dependens eum defenderet, capitis ei superiorem partem abstulisset. Was änderte nicht dieser starke Helm an dem Geschicke Deutschlands! Rudolf's Ehrgeiz that zu dem Kaiserschisma ebensoviel als Gregor's VII. Erbitterung.

3) S. Stenzel, I S. 333 u. 335.

 

 

____

74 Zweiter Abschnitt.

 

wieder die Waffen ergriffen, namhaft gemacht, obschon er dem beständigen Leiter der Sachsen, Otto von Nordheim, da dieser seine Schwiegermutter Richenza geheirathet hatte 1), nahe stand. Seine Gemahlin Oda gebar ihm vier Söhne, Heinrich, Udo, Siegfried und Rudolf, und zwei Töchter, von denen die eine Aebtissin zu Alsleben, die andere, Adelheide, zuerst an den jüngern Pfalzgrafen Friedrich von Gosek, dann, nach dessen Ermordung, an den Grafen Ludwig von Thüringen, der sich sammt ihr der Theilnahme an jenem Morde verdächtig machte, verheirathet war. Von den vier Söhnen starb der älteste, Heinrich, 1087, ohne von seiner Gemahlin Adelheide, einer russischen Prinzessin, Nachkommen zu hinterlassen. Die Witwe erhob Kaiser Heinrich IV. zu manchem neuen Misgeschick 1089 zu seiner Gemahlin 2). Siegfried erwählte den geistlichen Stand, wurde Propst zu St. Nikolaus in Magdeburg und Kanonikus bei der Hauptkirche ebendaselbst. Als Udo I. 1082, sein ältester Sohn 1087 gestorben, folgte des erstern dritter Sohn, Udo II., in der Markgrafschaft. Auch dieser scheint an den Kämpfen wider Heinrich IV. keinen Antheil genommen zu haben 3), vielmehr suchte er bessern Ruhm und reicheren Gewinn in Feldzügen wider die Luitizer und die Slaven, welche in der nachmaligen Mark Brandenburg wohnten. Im Winter 1100 auf 1101 belagerte Udo in Verbindung mit andern sächsischen Fürsten 4) die Hauptveste Brandenburg 4 Monate und feierte nach ihrer

 

1) Ann Saxo ad 1082 p. 562: Matrem autem praedictae Odae post obitum Comitis Hermanni duxerat uxorem Otto de Nordheim quondam Dux genuitque ex ea praeclarissimos viros, Heinricum Crassum Comitem, patrem Richinzae Imperatricis et Gertrudis Palatinae Comitissae etc. Ob Oda nicht dem alten nordmärkischen Geschlecht, das mit Wilhelm in männlicher Linie erlosch, anstatt dem von Werla zuzuzählen sei, diese Frage ist oben aufgeworfen und zu lösen versucht.

2) S. Ann. Saxo ad 1082.

3) Ann. Saxo ad 1085 klagt über die jüngern sächsischen Fürsten: utpote jam defunctis, qui robustioris aetatis et ingenii erant, Ottone scilicet, qui Dux fuerat Bavariae, Udone Marchione (in Rücksicht auf seinen frühern Abfall ist er allerdings der antikaiserlichen Partei beizuzählen), Theodorico Comite, Saxonici principatus cesserant fluctuanti pueritiae, quibus allectis Henrici promissis hoc concordat sententia nullatenus alicujus eorum interesse ut Henricus per eos avito exhaerederetur Regno, cum ipse experta Saxonum vi correctus eos velit securos reddere.

4) Ann. Saxo ad 1100 p. 589: Udo Marcio et alii complures Saxonum barbaros, qui Luitici dicuntur, invasit et de ipsis honorifice triumphans urbem Brandeburch per quatuor menses obsedit et cepit. Zu 1101 p. 591 berichtet er noch einmal: Brandeburch ab Udone Marchione et Saxonibus per quatuor menses obsessa capta est. Also fällt wol der Feldzug Ende 1100 und Anfang 1101.

 

 

____

75 Stadische Händel.

 

Einnahme einen glänzenden Triumph über die Feinde. Dauernde Eroberungen zu machen, gestatteten solche Streifzüge freilich nicht, sondern Kriegsruhm, einige Beute und höchstens Tribut auf ein oder ein paar Jahre waren der ganze Gewinn. Eine vortheilhafte Verbindung und reiche Mitgift ließ Udo fahren, als er Eilika, die Tochter des Herzogs Magnus, die er zu heirathen entschlossen war, den Reizen der schönen Irmengard, der Schwester des Grafen Helprich von Plotzke, hintansetzte. Doch selbst den Unmuth seiner Vasallen erregte diese Vermählung, weil der Bruder der Braut ihnen an Rang gleich, mehrern sogar nachstand 1), seitdem sich aber über sie zu erheben suchte. Daß Udo II. mit Lothar von Suplingenburg in Händel verwickelt gewesen, ist früher schon, wo von den Gütererwerbungen des Letztern die Rede war, erwähnt worden. Ohne daß von den Chronisten die Veranlassung derselben näher angegeben ist, lassen sich mancherlei Ursachen dazu auffinden, die wol alle zur Feindschaft anregen konnten. Nicht blos an dem Gau Moside hatte das stadische Haus eine Besitzung erworben, an die Lothar durch seine Großmutter Hedwig Ansprüche erheben durfte. Als Udo mit seiner Gemahlin Irmengard Erbgüter des einen Zweiges der Walbeker Linie erhielt 2), auf die ihr Bruder Helprich verzichtete, mußte gesetzlicherweise auch Lothar, der Nachkomme des andern Zweiges, dazu seine Einwilligung geben, die aber ebensowenig eingeholt, als seine nächsten Ansprüche, sobald Helprich verzichtete 3), berücksichtigt wurden. Andererseits war Oda, die Gemahlin des ältern Markgrafen Udo, durch die zweite Heirath ihrer Mutter Richenza in ihrem Erbe verkürzt, und Güter an die Nachkommen Otto's von Nordheim, also

 

1) Alb. Stad.: Unde multum indignati sunt vasalli sui, qui pares erant Helperico et quidam majores. Indeß gewann Udo auch mit Irmengard eine nicht unbedeutende Erbschaft. Ann. Saxo p. 481: Irmingardis nupsit Udoni Marchioni, totaque haereditas Conradi Comitis (dieser Konrad war ein Sohn Friedrich's, Enkel Siegfried's von Walbek, hatte nur eine Tochter, Mathilde, die Dietrich von Plotzke, der Vater Helprich's, heirathete.) totumque patrimonium illius cum ea suscepit. Ein eigener Vertrag muß Irmengard zur alleinigen Erbin eingesetzt haben. Vielleicht war er die Bedingung, unter welcher nur Udo die Schwester eines unbedeutenden Grafen heirathete, der um solcher Verbindung wegen gern sein Erbtheil der Schwester überließ.

2) S. die vorige Anmerkung.

3) Und Lothar war in männlicher Descendenz ein Nachkomme der Walbecker, Helprich und Irmengard nur in weiblicher durch ihre Mutter Mathilde; doch selten erhält eine Nebenlinie vor Erbtöchtern Berücksichtigung, wenn nicht Erbverträge Solches feststellten.

 

 

____

76 Zweiter Abschnitt.

 

auch an Richenza, Lothar's Gemahlin, gefallen, die sonst Oda dem Stadischen Hause zugebracht haben würde. Von der Fehde selbst erfahren wir nur, daß bei derselben Udo's Vasall, Friedrich, einen hartnäckigen Widerstand gethan und jeden Angriff Lothar's vereitelt habe 1). Dieser Friedrich gab in der Folge Anlaß zu einem Kriege zwischen Heinrich V. und mehren sächsischen Fürsten, weshalb über seine Herkunft und Persönlichkeit hier nähere Aufschlüsse gegeben werden müssen.

 

Der Chronist Albert v. Stade erzählt 2), daß zur Zeit Udo's des Aeltern zwei Frauen aus England durch Schiffbruch an den Theil der Küste, welcher die Grafschaft Stade im Norden begrenzte, verschlagen worden und dadurch nach der Härte des alten Strandrechts sammt ihrer Habe dem Reiche und zunächst dem Inhaber des Strandungsortes verfallen seien. Sie wurden unter das Hofgesinde der Markgräfin Oda aufgenommen, und die jüngere an einen Dienstmann verheirathet, dem sie drei Töchter gebar, von denen die jüngste mit einem gewissen Reinold vermählt, den genannten Friedrich, einen zweiten Sohn, Ulrich, und zwei Töchter, Odilia und Rokele, zur Welt brachte. Alle Nachkommen der wahrscheinlich von hoher Geburt entsprossenen und begüterten Frauen 3) fanden bei ihrer Gebieterin die beste Behandlung, ja Friedrich und Ulrich wurden am Hofe erzogen und erhielten, als sie herangewachsen, die Verwaltung und Einkünfte mehrer Güter. Ihre Geistesfähigkeiten rechtfertigten das in sie gesetzte Vertrauen, dagegen erscheinen sie von Seiten des Charakters in sehr trübem Lichte, wenn nicht etwa durch gehässige Gerüchte, die ihre Gegner verbreitet, der anderthalb Jahrhunderte später lebende Chronist getäuscht worden ist. Nach seiner Berichterstattung gelangten die Brüder durch eine schnöde Frevelthat zum Besitz großer Reichthümer, indem sie drei dänische Bischöfe auf der Reise durch die Nordmark sammt deren Begleitern ermordeten, die Leichen in die Elbe warfen und die Schätze unter sich theilten. Ulrich zeigte früh

 

1) S. Alb. Stad. p. 154. a. Krantz Metrop. lib. VI. p. 143: Quum dudum illi (Lothario) bellum cum Udone fuisset Marchione, Fridericus primus pro domino suo restitit.

2) Alb. Stad. p. 133 a: Hujus Friderici avia et mater de Anglia navigantes in comitatu Stadensi naufragium passae sunt. Die Frauen können, wie aus dem Nachfolgenden erhellt, nicht Großmutter und Mutter, sondern um einen Grad aufwärts Urgroßmutter und Großmutter gewesen sein, sodaß mater scilicet aviae zu verstehen ist; freilich ist dann später für mater nupsit, avia nupsit zu verstehen.

3) S. Krantz Metrop. VI. cap. I. p. 143.

 

 

____

77 Stadische Händel.

 

einen hochstrebenden Sinn und suchte dem Joch der Leibeigenschaft sich zu entziehen. Gleich einem freien Edlen erschien er an einem Hoftage zu Goslar vor dem Kaiser und den versammelten Fürsten. Sein Benehmen erregte den Unmuth vieler Anwesenden, vornehmlich seines eigenen Herrn Udo's, der ihn für die Keckheit mit einem Schlage ins Gesicht züchtigte. Der Kaiser aber, entweder weil er von Ulrich's Golde gewonnen, oder weil er eine solche Züchtigung in seiner Gegenwart für Entweihung der Majestät ansah, zürnte heftig über den Markgrafen, und es wäre zu blutigen Auftritten gekommen, wenn nicht die Gleichheit der Parteien zu ruhiger Ueberlegung und Beschwichtigung der Aufregung gemahnt hätte 1). Klüger verbarg Friedrich seinen nicht minder hochstrebenden Sinn und zeigte gegen seinen Gebieter Gehorsam und Dienstfertigkeit, gegen Widerspenstige im Lande Strenge, gegen auswärtige Feinde viel Umsicht und Tapferkeit. Udo II. übertrug ihm seit 1095 2) die Verwaltung der Grafschaft Stade, die unter Udo I. bereits aus einem Reichslehn in ein Kirchenlehn von Bremen 3) umgewandelt worden. Da Udo II., der in seinen letzten Lebenstagen einer mönchischen Andacht sich ergeben und, von einer plötzlichen Krankheit ergriffen, sie zu

 

1) Alb. Stad. a. a. O. Olricus in diebus secundi Udonis liberum se jactitans curiam Imperatoris Henrici adiit, quem cum coram Imperatorem Udo vidisset Goslariae, quaesivit in sententia, an licite posset vindicare sibi mancipium suum ubicunque reperiret. Et cum lata esset sententia, quod posset, dedit magnam alapam Olrico. Unde Imperstor commotus est, et ad arma, concurritur, sed propter aequalitatem partium lis facilius sopitur. Vergl. Krantz Metr. VI. cap. 2. Beide erzählen den Mord der dänischen Bischöfe.

2) Alb. Stad. a. a. O, Ann. Saxo ad 1087 p. 569: quem (Comitatum) habuit quadraginta annos. Da Friedrich 1135 starb, besaß er die Verwaltung Stade's seit 1095.

3) Alb. Stad. p. 164 a. Krantz Saxon. I. VI. cap. 6. p. 140: Cujus (Udonis I.) etiam tempore Comitatus Stadensis rediit ad eeclesiam Bremensem et datur in feodum Udoni. Nam usque in illum diem videntur Imperatores in eo suum jus constituisse. Dies Letztere erhellt auch aus Alb. Stad. p. 153 a., wo er bei Gelegenheit der beiden schiffbrüchigen Frauen sagt: tam homines quam res regiae ditioni sunt mancipati. Die regia ditio wurde eine ditio ecclesiae Bremensis, weshalb der Erzbischof Friedrich auf Anrathen Herzog Lothar's seine Macht über den Grafen Friedrich geltend machte. Alb. Stad. a. a. O.: ut Comitem Fridericum Ecclesiae suae mancipium evincere satageret, etc. Krantz Metr. p. 144: ut Fridericum velut mancipium suum in servitutem vendicaret. Von diesem Vorfall s. das Nähere im Text selbst und in den folgenden Anmerkungen.

 

 

____

78 Zweiter Abschnitt.

 

Rosenfelde 1) (Juni 1106) beschlossen hatte 2), nur einen unmündigen Sohn hinterließ, begann Friedrich, dem die Verwaltung sämmtlicher Hausgüter bis zur Volljährigkeit des jungen Heinrich übertragen worden, darauf zu sinnen, wie er zu völliger Unabhängigkeit und zum erblichen Besitz der Grafschaft Stade gelangte. Die Zeitumstände schienen seinen Absichten günstig. Da Stade kein Erbgut mehr der frühern Besitzer war, so hatte der Erzbischof Friedrich von Bremen darüber zu bestimmen, und diesem mußte ein von seiner Gnade abhängiger Emporkömmling willkommener sein, als ein Lehnsträger, der wie ein Familienrecht den Besitz eines Kirchenlehns ansah. Die Minderjährigkeit Heinrich's erleichterte eine Aenderung um so mehr, als Udo II. nicht den nächsten Verwandten, sondern einen Fremden zur Verwaltung Stade's berufen 3) und Das, wie es scheint, mit Genehmigung des Herzogs Magnus und des Erzbischofs Friedrich 4). Um aber dem jungen Heinrich auf immer vom Besitz des Kirchenlehns auszuschließen, mußte Friedrich erst Standesfreiheit, die durch das Misgeschick seiner Großmutter und durch niedere, mindestens unfreie Abkunft seines Vaters ihm trotz alles Reichthums und persönlichen Ansehens mangelte, erlangen. Durch den Beistand des Kaisers hoffte er seinen Zweck am leichtesten auszuführen. Friedrich wußte, was Geld bei Heinrich V. vermöge. Er bot diesem 40 Mark Gold, eine zu verlockende Summe, als daß der habsüchtige Kaiser hätte widerstehen können. Alles kam nun darauf an, daß Friedrich seine freie Geburt in der Grafschaft, der er vorstand, nachwies 5).

 

1) Rosenfelde ist wol nur ein anderer Name, den die Mönche dem Kloster Hirschfelde beilegten. S. Wersebe, Gauen S. 269.

2) Alb. Stad. p. 153 b., Ann. Saxo ad 1106 p. 615: IV. Non. Junii de hoc saeculo migravit, eo felicius, quo sanctae illius legionis Monachorum, cui ipse studiosius stipendia vitae praesentis et fomenta paternae consolationis contulerat, jejuniis et orationibus adjuvatur intentius.

3) Der verschlagene Friedrich, der Alles über Udo vermocht hatte, wußte auch wol die Brüder zu seinem Vortheil zu entzweien.

4) Ann. Saxo a. a. O.: Udo Marchio Aquilonaris habita conventione cum Magno Duce et Bremensi Archiepiscopo vehementi infirmitate repente coepit laborare. Sollte bei dieser Zusammenkunft nicht auch über die Verwaltung der Länder, die Udo, im Begriff, sich von weltlichen Geschäften zurückzuziehen, Andern übertragen mußte, eine Abmachung mit dem Landesherzog und dem Oberlehnsherrn von Stade getroffen sein? Iedenfalls konnte Udo über Stade nichts ohne Zustimmung des Erzbischofs verfügen.

5) Alb. Stad.: Adiit ergo Imperatorem Henricum ultimum, dans ei XL marcas - - ut libertatem suam in comitatu, cui praeerat, testimonio posset astruere.

 

 

____

79 Lothar wider Heinrich V.

 

Dann erhob ihn jener zum Grafen und Reichsfürsten. Die Sache wäre leicht von einem Kaiser, der damals auf dem Gipfel seiner Macht stand und dem in Sachsen alle Fürsten willfährig schienen, durchgesetzt worden, wenn nicht Herzog Lothar sich unerwartet der Beeinträchtigten, des jungen Heinrich's und Rudolf's, der bis zur Großjährigkeit seines Neffen mit der Nordmark vom Kaiser belehnt worden war 1), angenommen hätte. Wol nicht blos persönlicher Haß gegen Friedrich 2), oder ein Verlangen, mit dem Kaiser zu brechen, sondern das Gefühl der Rechtlichkeit veranlaßten den Herzog einer unredlichen Handlung sich zu widersetzen. Lothar, wenn er eigennützig seinen Vortheil suchen wollte, hätte jetzt von Friedrich mehr erlangen können, als ihm derselbe vormals im Diensteifer für Udo vorenthalten. Auch trat der Herzog zum Vortheil eines Hauses auf, das ihm einst rechtmäßige Ansprüche verweigert und nun seines Beistandes gegen den gefährlichsten Gegner bedurfte. Die Art, wie der Kaiser, den überdies seine Bestechlichkeit noch tiefer herabwürdigte, in Sachsen sich willkürliche Eingriffe erlaubte, gab dem Landesherzoge diesmal wie in der Folge bei ähnlichen Eingriffen Grund genug, der Erhebung Friedrich's sich zu widersetzen. Zu verhindern — ohne geradezu dem Kaiser entgegenzutreten — war die Sache allein, wenn die niedere Geburt des von unfreien Vorfahren Entsprossenen durch unbezweifelbares Zeugniß nachgewiesen, und so jede Standeserhöhung unmöglich gemacht wurde. Zu dem Zweck wandten Lothar und seine Schützlinge sich an den Erzbischof von Bremen. Sei es nun, daß Friedrich diesen Prälaten dadurch beleidigte, daß er sich an den Kaiser statt an ihn wandte, oder daß er die gefoderte Summe für seine Emancipation verweigerte, oder daß reinere Beweggründe den Erzbischof geleitet; genug er ließ sich von Herzog Lothar bewegen, Friedrich für einen Leibeigenen seiner Kirche zu erklären,

 

1) Ann. Saxo p. 615: Rudolfo fratri illius commissa est Marchia per octo annos ab Henrico Rege, ut nutriret filium ejus Henricum.

2) Alb. Stad. p. 154 a.: Dux autem Luderus infestus erat ei (Friderico), quia cum Udoni quondam guerram movisset, iste strenue ei restiterat. Das schreibt natürlich Krantz Metr. VI. cap. 2 nach. Es stimmt dieser Vorwurf gegen Lothar damit schlecht überein, daß Friedrich später bei einem Ueberfall Rudolf's und Heinrich's den Herzog um Schutz bittet. Er war bei Nacht den Ver- folgern entgangen, konnte also schwerlich große Geldsummen mitführen, durch die nach Krantz Lothar bestochen sei. Versprechen mochte er allerdings viel, und das nur sagt Alb. Stad.: quae potuit et quae non potuit, dedit. Von dieser Begebenheit und ihrer Veranlassung später.

 

 

____

80 Zweiter Abschnitt.

 

da dessen Großmutter in Folge Schiffbruchs an den Küsten einer dem Bremer Stift angehörigen Grafschaft sammt ihren Nachkommen die Standesfreiheit verloren habe 1). Beide Theile mochten sich mit Beschwerden an den Kaiser wenden. Dieser, soviel er auch für Friedrich zu thun geneigt war, wagte dennoch nicht ohne die herkömmliche Form zu entscheiden. Er setzte einen Gerichtstag zu Rudolfsdorf 2) an, und sandte einen Hofbeamten zur Schlichtung des Streites dorthin. Der Erzbischof wie der Herzog erschienen nicht sowol als Partei denn als Vorsitzer in einer Landesangelegenheit, dagegen traten Rudolf und Heinrich einerseits und Friedrich andererseits als die Streitenden auf. Da Letzterer nicht Edle, sondern nur Leute niederen Standes, die er zu Eideshelfern gedungen, mit sich brachte 3), gerieth Rudolf darüber in Zorn, und, nicht Willens, auf ihr Zeugniß ein Erblehn seines Hauses fahren zu lassen, nahm er Friedrich gefangen und führte ihn in seine Feste Salzwedel ab 4). Es ist kein Zweifel, daß Lothar den Schritt gebilligt 5), da er das Recht auf Rudolfs Seite und die Entscheidung des kaiserlichen Bevollmächtigten zu Gunsten Friedrich's für Unrecht erkannte. Aber der

 

1) Alb. Stad. a. a. O.: Suggessit ergo Dux Friderico Bremensi Archiepiscopo, ut ipse Comitem Fridericum Ecclesiae suae mancipium evincere satageret, in Bremensi quippe avia et mater sua praetextu naufragii servituti sunt addictae. Krantz Metrop. a. a. O. sagt richtig avia et ejus mater. Da die Grafschaft Stade zu der Zeit, als jene Frauen dorthin kamen, noch Reichslehn gewesen, so mochte darauf hin der Kaiser sich die Freisprechung beimessen und dadurch des Erzbischofs Eifersucht reizen, der mit der Grafschaft auch alle darauf ruhende Rechte behaupten wollte. So war er Lothar's Vorschlag geneigter, als es sonst der Fall gewesen wäre, weil ihm Friedrich der unbedeutende Mann als Lehnsträger lieber als die mächtigen Markgrafen sein mußte.

2) Alb. Stad. p. 154: Rudolvethorpe indicto placito. Krantz a. a. O. gibt den Ort nicht an. Es ist Rahmsdorf im Amte Moisburg an der Grenze des Bremischen Sprengels. S. Wersebe, Gauen S. 242.

3) Fridericus Comes cum testibus plebejis videlicet, quos ad quidlibet jurandum compellere potuit.

4) Comes ergo Rodolfus rem tam (terram?) diu possessam levi testimonio non exponens, cum in manu valida venisset, Fridericum captivatum abduxit, et Soltwedele incarceravit.

5) Ann. Saxo und Annal. Hildesh. ad 1112 legen ihm sammt Rudolf die Schuld des Krieges bei: Commotio adversus Imperatorem concitata est a Duce Luidero et Rodolfo Marchione propter Fridericum Comitem de Stadhen, quem illi captum vinculis mancipaverant, quod Imperator graviter accepit.

 

 

____

81 Beilegung des drohenden Bürgerkrieges.

 

beleidigte Kaiser vermeinte in dem Vorgefallenen eine Verletzung der Majestät und einen hinlänglichen Grund gefunden zu haben, in Sachsen feindlich aufzutreten. Zu Goslar versammelte er die Reichsfürsten um Weihnachten (1111) 1), ließ über Rudolf und Lothar die Reichsacht verhängen und sprach die Herzogswürde dem Grafen Otto von Ballenstädt, die Markgrafschaft Heinrich von Plotzke zu. Das war gleichfalls ein übereilter Schritt, zu dem gewiß nicht Alle, am wenigsten die sächsischen Großen ihre Einwilligung gaben. Nicht einmal den beiden zu neuen Würden Erhobenen erwuchs ein Vortheil daraus. Was vermochte Otto dem Herzog Lothar abzugewinnen? Nicht einmal den Titel seiner Würde. Und gegen Helprich von Plotzke, der schon den Vasallen der Nordmark verhaßt war, widersetzten sich diese mit neuer Erbitterung. Als darum der Kaiser mit einem Heere wider die Geächteten heranzog, fand er sie nicht von den Ihrigen verlassen, vielmehr zum Kampfe wohl gerüstet und entschlossen, ihm die Spitze zu bieten 2). Heinrich lag lange vor Salzwedel 3), vergeblich bemüht, die Veste zu erobern und den gefangenen Friedrich zu befreien. War ihm dies nicht einmal gelungen, so durfte er noch weniger hoffen, die unerschrocken zum Entsatz heranziehenden Feinde zu bekämpfen. Gern sah er es daher, daß friedliebende Vermittler 4) eine Aussöhnung zwischen ihm und den Fürsten herbeiführten. Der Ausgang dieses Streites zeigt, wie wenig Macht und Anhang der Kaiser in Sachsen befaß, um seinen Drohungen und Beschlüssen Nachdruck zu geben. Nicht nur daß Lothar und Rudolf in ungeschmälertem Besitz ihrer Länder und Würden blieben; es erhielt auch Friedrich, für den Heinrich sein ganzes kaiserliches

 

1) Ann. Hildesh. ad 1112 und Ann. Saxo: Imperator Natt. Dom. Goslariae celebrat, und Letzterer gleich darauf: Principes Goslariam convocat.

2) Ann. Saxo und Ann. Hildesh.: Ipsi non longe cum Imperatore pugnaturi cum exercitu manent.

3) Ebendaselbst: Imperator Saltwidele obsidet. Daß er die Stadt erobert und Friedrich so befreit habe, wird nirgend gesagt.

4) Ann. Hildesh. und Ann. Saxo wissen zwar von solchen nichts, sondern sagen: Bellica tandem rabie dissipata praedicti Principes gratia Imperatoris utuntur. Solche rabies konnte aber wol nur entweder durch Kampf gestillt, oder durch Vermittelung beschwichtigt werden. Ich vermuthe, der Erzbischof Friedrich von Bremen trat ins Mittel. Er, der früher gegen den Kaiser gleichfalls aufgetreten, ward von diesem unangetastet gelassen. Er blieb also wol neutral und konnte in einer Angelegenheit, die ein Lehen seines Stiftes so nahe anging, als der Kaiser friedlichere Gesinnungen zeigte, am leichtesten das Kriegsfeuer dämpfen.

I. 6

 

____

82 Zweiter Abschnitt.

 

Ansehen aufgeboten, nichts als die Freiheit und lebte seitdem am Hofe und von der Gnade des Kaisers, bis es ihm beim Ausbruche eines neuen Bürgerkrieges gelang, die Grafschaft Stade wieder zu erhalten, deren ruhiger Besitz ihm jedoch noch oftmals streitig gemacht werden sollte.

 

Gleichzeitig mit den genannten Fürsten im nördlichen Sachsen zeigten sich im Südosten derselben Provinz und in Thüringen zwei Männer widerspenstig gegen den Kaiser, von denen der eine, Friedrich von Putelendorf 1), der Schwestersohn, der andere, Ludwig von Thüringen, der Schwestermann Rudolf's von Stade war, und daher vermuthen lassen, daß sie von Letzterem aufgereizt die Waffen ergriffen, um so von Norden und Süden zugleich den Kaiser zu bedrängen, oder ihn doch zu zwingen, seine Heeresmacht zu theilen und zu schwächen. Wirklich sah sich Heinrich genöthigt, dem Grafen Hoyer von Mansfeld den Krieg wider die Rebellen im Süden zu übertragen, wodurch er sich seines besten Feldherrn für seinen Feldzug im Norden beraubte. Auffallend bleibt, daß die bezeichneten Gegner des Kaisers diesmal für die gleiche Sache ihre Schwerter erhoben, die sie bisher mit so großer Erbitterung wider einander gekehrt hatten, und auch in der Folge stets für ganz entgegengesetzte Interessen erhoben. Der Grund, warum beide Männer einander tödtlich gehaßt, läßt sich leicht auffinden. Friedrich's Vater war (1085) von zwei Dienstmannen Ludwig's erschlagen worden; dieser hatte kurze Zeit danach die Witwe des Ermordeten, die durch Schönheit und seltene Geistesgaben berühmte Adelheide, Schwester Rudolf's von Stade, geheirathet, und sammt der Erziehung des aus ihrer ersten Ehe erzeugten nachgeborenen Sohnes auch die Verwaltung von dessen Stammgütern übernommen. Als Friedrich das zwanzigste Lebensjahr erreicht und das Ritterschwert 2) empfangen hatte, foderte er ungestüm die Ländereien und erblichen Würden seines Hauses. Wie erstere von seinem Stiefvater, wurden letztere von seinem Oheim 3), Friedrich von

 

1) So nannte sich schon sein Großvater, der Pfalzgraf Friedrich, da das alte Stammschloß Gosek in ein Kloster verwandelt worden war. Putelendorf, wol das spätere Botendorf, wurde seitdem der neue Hauptsitz der goseker Grafen.

2) Oder wie sich der goseker Mönch bei Hoffm., Script, rer. Lausatic, IV. p. 110, sehr gelehrt ausdrückt: Quoad usque Pythagoricae litterae bivium attingeret, und p. 114: Juvenis factus arma succinxit, paterna hereditate donari voluit.

3) Oda, die Schwester der drei berühmten Brüder, Dedo's, des ersten, Friedrich's, des zweiten Pfalzgrafen und Adalbert's, des Erzbischofs von Bremen, war an Adalbert Seveke, Grafen von Sommerschenburg, verheirathet. Beider Sohn war der hier genannte Friedrich. S. Ann. Saxo, p. 487.

 

 

____

83 Friedrich v. Putelendorf u. Ludwig v. Thüringen.

 

Sommerschenburg, ihm vorenthalten. Wider Beide zugleich mit Gewalt aufzutreten, widerriethen ihm seine Freunde; er trachtete also zunächst in Besitz seines Erbgutes zu kommen. Wie aber auch nur dem machtigen Grafen Ludwig beikommen? Schon dessen Vater 1) war durch bedeutendes Privatvermögen, durch Gunst bei den Kaisern Konrad II. und Heinrich III., durch eine reichbegüterte Gemahlin der einflußreichste Fürst in Thüringen geworden. Ludwig selbst hatte wegen seiner treuen Anhänglichkeit an Heinrich IV. zwar manche Bedrängniß durch die antikaiserliche Partei erduldet, aber durch Klugheit und unermüdliche Thätigkeit seine Macht und sein vom Vater ererbtes Ansehen im Lande behauptet, wozu die Verbindung mit einer so reichen Fürstin wie Adelheide und die an sich gerissenen Güter ihres ersten Gemahls nicht wenig beitrugen. Friedrich dagegen hatte wenig Aussicht, sein Vorhaben mit Gewalt oder auf dem Wege des Rechts durchzusetzen; denn weder durfte er auf Beistand der sächsischen und thüringischen Fürsten hoffen, die damals alle mit Heinrich IV. und dessen Anhängern ausgesöhnt waren, noch einer günstigen Entscheidung an den Stufen des Thrones gewärtig sein, da sein Gegner beim Kaiser in höchster Gunst stand. Nichts als sein Schwert bot ihm Hülfe. Er war keck genug, dem allein zu vertrauen. Den nicht ganz ungegründeten Verdacht 2), daß Ludwig den Mord seines Vaters angestiftet habe, benutzte Friedrich, um Blutrache und zugleich das ihm vorenthaltene Erbe zu fodern. Zu einem Zweikampf, gleichsam zu einem Gottesurtheil ließ er Ludwig nach Merseburg entbieten. Nur ein Verbot des Kaisers Heinrich IV. oder des Königs Heinrich V. hintertrieb solche Entscheidung und zwang auf kurze Zeit den leidenschaftlichen Jüngling mit dem Stiefvater Frieden zu halten 3). Bald aber brach die heftigste Fehde

 

1) Der bekannte Ludwig mit dem Barte, angeblich ein Sprößling der französischen Karolinger, sicherlich wenigstens ein naher Verwandter Kaiser Konrad's II. und seiner Gemahlin Gisela.

2) Der goseker Mönch, p. 110, scheint die Anschuldigung Ludwig's zu kennen, doch hält er sie zurück, da Ludwig der Advokat seines Klosters ist. Von den Mördern, Ulrich von Deidenleibe und Reinhard von Rinstede, sagt er: Hi cum nullam causam mortis erga eum habuerint, quare vel cujus hoc flagitium commiserint consilio nostro non patet judicio.

3) Derselbe sagt p. 114: Verum inter se (Fridericum) et vitricum inimicitia publica exorta eousque processit, ut tam pro sui injuria quam pro patris interfectione duello Mersburg eum appetisset, nisi Imperatoris Heinrici autoritas intercepisset. Hinc pace inter eos reformata, sed in brevi ab utrisque ea violsata. Wenn dies im ersten Jahre der Mündigkeit Friedrich's, also 1105, geschah, konnte allerdings Kaiser Heinrich IV. noch der Vermittler sein. Mehr Wahrscheinlichkeit ist aber für König Heinrich V., der 1105 Pfingsten zu Merseburg zubrachte. S. Chron. Ursp. ad 1105. Vergl. meine Gesch. der Pfalzgrafen von Sachsen, §. 6.

 

 

____

84 Zweiter Abschnitt.

 

zwischen ihnen aus, die Raub, Brand und Mord über das arme Land verbreitete 1). Im Widerspruch mit diesem gegenseitigen Hasse erscheint nun die Verbindung Friedrich's und Ludwig's wider Heinrich V. im Jahre 1112, die daraus noch nicht hinreichenden Ausschluß erhält, daß Beide als nahe Verwandte Rudolf's von Stade für dessen Sache zu kämpfen sich gedrungen fühlten. Wol mochte dieser Vorwand für Ludwig gelten, der ungern an seinen Stiefsohn die Besitzungen des goseker Hauses, weil es Heinrich geboten hatte, herausgegeben 2), und mit Unmuth gesehen, daß der Kaiser nicht wie dessen Vorfahren ihm, sondern einem bisher unbedeutenden Mann, Hoyer von Mansfeld, seine Gunst und die wachsame Beobachtung der Fürsten Thüringens anvertraue. Um Friedrich zum Abfall vom Kaiser und zu einem Bündniß mit seinem Todfeinde Ludwig wider jenen zu veranlassen, mußten stärkere Beweggründe mitwirken. Sie werden von keinem Schriftsteller angegeben, lassen sich aber wol, zumal bei seinem ungestümen, ehrgeizigen Charakter, aus seinen Ansprüchen an die Pfalzgrafschaft Sachsen vermuthen. Als Heinrich Herstellung des Rechts und der alten Ordnung versprochen, unterließ Friedrich sicherlich nicht, Ansprüche geltend zu machen, die seinem Hause unter frühern Regierungen zugestanden. Dazu gehörte die Verwaltung der Reichspfalzen in Sachsen. Heinrich V. war aber

 

1) De fundat. Monast. Gozec., a. a. O.: Iterantur rapinae, homicidia et incendia.

2) Daß dies in Folge des Vergleichs zwischen Stiefvater und Sohn geschehen, erhellt schon daraus, daß Friedrich nun im Stande war, eine Fehde gegen Ludwig zu beginnen. Wollte man den Bericht des goseker Mönchs gleich nach den angeführten Worten: Unde Palatinus ad Regem se contulit, cujus auxilio vitricum Principesque Saxoniae plurimum infestavit, auf die Zeit vor Friedrich's Gefangennehmung durch Hoyer von Mansfeld beziehen, so hätte Heinrich schon vor seinem Römerzuge den Grafen Ludwig angefeindet. Doch scheint die nachfolgende Bemerkung: Siquidem eo tempore ingentes inter eos excreverant inimicitiae, wol auf eine spätere Zeit, wo in Sachsen Alles sich in zwei Parteien spaltete, zu deuten. Die Bezeichnung Rex von Heinrich V. wird von dem goseker Mönch auch gebraucht, wo die Kaiserkrönung Heinrich's ganz unzweifelhaft vorüber war; z. B. nach der Schlacht im Welfelsholz: Fugatur Rex Henricus.

 

 

____

85 Friedrich gefangen.

 

ebensowenig als sein Vater geneigt, ein Amt, das für die Aufrechterhaltung des kaiserlichen Ansehens, sobald dieses nur hergestellt, höchst wichtig werden konnte, einem unbesonnenen, händelsüchtigen Jünglinge anzuvertrauen. Er ließ es nach wie vor in den Händen Friedrich's von Sommerschenburg, und daß dieser im Jahre 1112 nicht einmal seinem Stammverwandten, dem Herzog Lothar, beitrat und selbst die Reichsacht über ihn ergehen ließ, beweist, wie gut der Kaiser sich auf ihn verlassen konnte. So lange Heinrich seine wahre Gesinnung vor den deutschen Fürsten zu verbergen Ursache hatte, hielt er Jeden, der Ansprüche machte, die er nicht sogleich befriedigen konnte oder wollte, mit Versprechungen und Vertröstungen auf die Zukunft hin. Als er aber von der Kaiserkrönung nach Deutschland zurückgekehrt war, warf er die Maske der Leutseligkeit und Milde ab, foderte mit Strenge Gehorsam und beachtete die gerechtesten Ansprüche und Anfoderungen Anderer wenig oder wies sie unwillig zurück. Zumal in Sachsen kennen wir sein Verfahren. Da mochte auch Friedrich's ungestümes Verlangen von ihm stolz abgeschlagen worden sein, und der Zurückgewiesene in bitterm Unmuth über seine getäuschten Hoffnungen sich mit seiner Mutter Bruder verbinden und selbst mit seinem Stiefvater aussöhnen, um mit ihm vereint an Heinrich V., wie sein Großvater an Heinrich IV., für Beeinträchtigungen sich zu rächen. Der Erfolg dieses raschen Wagnisses war aber für ihn ein unglücklicher. Er mußte (6. Juni 1112) sammt seinem Stiefbruder Hermann auf einer thüringischen Veste sich dem Grafen Hoyer von Mansfeld ergeben, wurde dem Kaiser ausgeliefert und fast zwei Jahre auf dem Hammerstein am Rhein gefangen gehalten 1). Wie Heinrich hier nicht selbst thätig gewesen, sondern seinem Feldherrn Hoyer den Kampf und den Gewinn desselben überließ, so scheint auch die Aussöhnung mit den nordsächsischen

 

1) Chron. Sampetr. ad 1112, Mencken III, p. 207: Hermannus, Ludewici, Comitis filius, et Fridericus, frater illius uterinus in castello Thuchure obsidentur et VIII Idus Junii deditioni se cujusdam Hogeri tradentes captivi abducti sub potestate Regis Heinrici in vincula detruduntur, sed Fridericus post annos duos resolvitur, Hermannus duobus annis et plus in carcere transactis flebiliter in castello Hammerstein III Idos Julii in vinculo moritur. Die Addit. ad Lamb. Schaffn. nennen den Ort der Gefangennehmung Truthira, der Autor de Landgraviis Thur. bei Pistor p. 985 Tucher. Gegen diese sehr bestimmten Angaben setzt Stenzel I, S. 654 ohne Grund Friedrich von Sommerschenburg statt Friedrich von Putelendorf. Jenes Gefangensetzung fällt erst in den weimarschen Erbfolgekrieg 1113.

 

 

____

86 Zweiter Abschnitt.

 

Gegnern sich nicht auf die Widerspenstigen im Süden erstreckt zu haben, und Ludwig, wenn auch hart bedrängt 1), wollte sich doch keineswegs ergeben, was freilich die gefangenen Söhne hart entgelten mußten.

 

Diese Vorfälle in Sachsen waren das Vorspiel eines Kampfes, der bald ganz Deutschland wieder in die Zeiten Heinrich's IV. zurückversetzen und dem kaum wiederhergestellten kaiserlichen Ansehen eine größere Beschränkung als je, nicht nur den Päpsten, sondern auch den Reichsfürsten gegenüber, herbeiführen sollte. Als Heinrich um die Mitte des Jahres 1112 2) Sachsen verließ und sich nach dem Rhein begab, war zwar kein Fürst außer Ludwig von Thüringen wider ihn in Waffen, aber bei vielen ein Unwille über seinen Stolz, seine Habgier, seine willkürlichen, selbst gewaltsamen Eingriffe zurückgeblieben, und es bedurfte nur eines geringen Anlasses, um die Fürsten mit Hintansetzung ihrer Privatfehden zu einem Bunde gegen das Reichsoberhaupt zu vereinen. Zu den bisher genannten traten noch als zwei der heftigsten Gegner Heinrich's V. die Grafen Wiprecht von Groitsch, Vater und Sohn. Sie stammten von einem berühmten slavischen oder nach Anderen von einem altgermanischen Geschlechte, dessen Sprößling Wolf um die Zeit, als Markgraf Wilhelm von der Nordmark gegen die Luitizer blieb, in dem Gau Belesen oder dem sogenannten Balsamerlande auf der Grenze Sachsens und der Altmark sich eine Herrschaft erkämpfte 3). Sein Sohn Wiprecht, des Namens der erste, der zum Christenthum übertrat, behauptete sich nicht nur gegen die neuen Inhaber der Nordmark aus dem stadischen Hause in des Vaters Eroberung 4), sondern erwarb auch durch Vermählung mit Sigena, der Tochter des Grafen Goswin von Leige oder Leinungen, neue Besitzungen in freilich entlegenen Gegenden 5). Gleich Wolf ward er als Kriegsheld gepriesen,

 

1) Eckardsberge und Naumburg, die Heinrich V. 1112 in seine Gewalt bekam (S. Vita Viperti, cap. X, §.6), waren Besitzungen Ludwig's und also damals ihm entrissen.

2) Am 16. Juni war Heinrich noch in Salzwedel, am 16. Juli in Mainz. S. die von Stenzel II, p. 321 angezogenen Urkunden.

3) S. Vita Vip., cap. I, §. I, wo von den berühmten Harlungen Wolf abgeleitet wird. Seine Schicksale und Kriegsthaten §. 2—5, wo es §. 4 heißt: Praeter ea Balsamorum regio sorte bellica cessit ejus dominio.

4) Daß der Gau Belesen zur Nordmark gehört, weist Wersebe, Gauen, S. 149 nach.

5) Vita Vip., cap. I, §. 8: In cujus (Sigenae) dotem Morunge et Gaterslebe, cum suis territoriis et allodiis ac caeteris appendiciis constituit. Wersebe zählt die Orte zum Helmgo und hält Goswin für keinen Gaugrafen, sondern zählt ihn den sogenannten freien Schloßgrafen bei a. a. O. S. 63.

 

 

____

87 Die Grafen Wiprecht von Groitsch.

 

starb aber jung, ehe sein Sohn gleiches Namens im Stande war, das väterliche und mütterliche Erbe selbst schon zu verwalten 1). Sigena, die noch einmal mit dem Grafen Friedrich von Lengenfeld sich vermählte, übertrug die Vormundschaft über die Kinder erster Ehe 2) dem Markgrafen Udo I. von Stade, der dieselben mit Sorgfalt erzog, und vornehmlich Wiprecht in Allem ausbilden ließ, was ihn dereinst zum Muster eines Mannes, wie die damalige Zeit es aufstellte, machte, sodaß sein Name in Italien, wie in Deutschland und den Slavenländern gefürchtet war, ja selbst in Kaiser Heinrich IV., dem er wie kein anderer sächsischer Fürst in vielen Gefahren und Kämpfen treu angehangen, eine Eifersucht über sein Glück und Argwohn über sein Ansehen erweckte 3). Udo bot seinem Mündel — zugleich um seine eigenen Besitzungen zu arrondiren — einen Ländertausch an, wodurch Wiprecht in ganz anderen Gegenden seine und seines Hauses Herrschaft gründete. Für das Balsamerland gab ihm der Markgraf die Herrschaft Groitsch an der Elster, und für Tangermünde, das er ihm früher zugewiesen, andere zur Nordmark gehörige Lehen. Mochte immerhin eine versteckte Absicht, den gefährlichen Nachbar mehr zu entfernen, hiebei zum Grunde gelegen haben 4), Wiprecht, der ohne Widerspruch in die Abtretung eingewilligt, fand niemals Grund zu bereuen, daß er eine Herrschaft in Gegenden gewonnen,

 

1) Vita Vip., cap. I, §. 8: In armis et consilio viguit, multaque praeclara belli facinora miles egregius exercuit. Von seinem Tode §. 10: Immatura morte terminum vitae clausit Wigberto filio adhuc puerulo.

2) Außer Wiprecht II. waren noch zwei Töchter, über deren Verheirathung Vita Vip., cap. I, §. 9. Ein Enkel Sigenens aus zweiter Ehe war Erzbischof Rugger von Magdeburg, ein Urenkel in weiblicher Descendenz der berühmte Otto von Wittelsbach.

3) Wiprecht's Thaten unter Heinrich IV. berichtet sehr ausführlich Vita Vip., cap. III—V. Im letzteren §. 11: Sed etiam ipsi Imperatori Henrico videretur formidabilis, qui invidiam contra eum coepit habere quam maximam. Daß es von Seiten Heinrich's nicht Eifersucht, und von Seiten Wiprecht's nicht die Thaten im Dienste des Kaisers und seiner Hausmacht, sondern eine geänderte Gesinnung gegen den Papst und die Kirche gewesen, später.

4) Vita Vip., cap. II, §.2: Qui ejus diligere videbantur probitatem, exosam habebant vicinitatem. Quapropter plerique Marchioni consilium dederunt, ut quoquo pacto, duntaxat honeste et pacifice, Wigbertum a se removeret, eo quod non sibi suisque tantum sed etiam posteris praecaveret. Ueber die an Wiprecht abgetretene Lehen des stadischen Hauses s. Schwarz, Appendix ad Petrum Albinum, Mencken III, p. 960.

 

 

____

88 Zweiter Abschnitt.

 

wo er durch Kriegsthaten und geistige Ueberlegenheit später eine Menge kleiner Landesherren sich unterwarf oder doch abhängig machte. Sehr richtig berechnet war auch von Wiprecht sein Anschluß an Herzog Wratislav von Böhmen. Indem er demselben bei Heinrich IV. die Königswürde auswirkte, kettete er nicht nur Beider Interesse aneinander, sondern wußte in dem Schutze und in der Gunst zweier so mächtiger Herren auch für sich einen Gewinn zu erringen. Wratislav gab ihm seine Tochter Judith zur Gemahlin und als Heirathsgut die Gauen Nisin und Budissin 1). Reich belohnte ihn der Kaiser für die in Italien geleisteten Dienste mit Ländereien und großen Geldsummen. So kamen die Veste Leisnig zwischen Dresden und Leipzig und die alte Pfalz Dornburg in Thüringen an Wiprecht. Wie abgeneigt diesem auch die für Gregor gesinnten Geistlichen wegen seiner Treue gegen Heinrich waren, um Andere hatte er sich verdient gemacht und erhielt von ihnen Geld und Gut zum Lohne 2). Anderes fiel ihm durch Erbrecht zu, wie die an der Unstrut gelegenen Ländereien Viso's von Wisenburg 3). Daneben vergrößerte er selbst durch Tapferkeit und, wo es galt, durch List seine Besitzungen, die ihn in Thüringen, im Osterland und Sachsen zu einem der mächtigsten, geachtetsten, aber auch gefürchteten und beneideten Fürsten machten. Im Geiste seiner Zeit vernachlässigte Wiprecht über dem Irdischen nicht das ewige Heil zu suchen, durch Erbauung von Klöstern, durch reiche Spenden an Kirchen und Stifter bei Gott und Menschen Wohlgefallen zu erwerben. So gründete er neu die Klöster Pegau im Osterlande, Reinersdorf an der Unstrut, stellte die verfallene Abtei Oldensleben auf der Grenze von Thüringen und Sachsen wieder her und wendete diesen und

 

1) Vita Vip., cap. IV, §. 28, cap. V, §. 10, De fundat. Coen. Bigaug., p. 120. Vergl. Petri Albini genealog. Com. Leisnic., Mencken III, p. 854.

2) Vita Vip., cap. IV, §. 19: Maguntinus 1300 taIentorum beneficium, Coloniensis pagum omnem, qui dicitur Horla, Halberstadensis et Monasteriensis singuli ad trecenta Wigberto concesserunt. Revertenti tandem eidem Imperator obviam processit, seque negligenter in tam utilem ac fidissimum sibi totique Regno deliquisse fatetur. Proinde castellum nomine Leisnik cum plurimis adjacentibus in proprietatem donavit, postmodum ad Curiam in Altestede beneficium trecentorum talentorum et Dornburg cum suis attinentiis, postea in curia Merseburg habita eidem 300 talenta assignavit. Und cap. V, §. 7: Suscepit etiam eo tempore in beneficium a Walrabano, Zisensi Episcopo, pagum Butsin cum mille et centum mansis ei adjacentibus. Vergl. über diese und andere Besitzungen Schwarz, Append. p. 960 seqq.

3) Vita Vip., cap. IX, §. 5. Schwarz, Append, p. 967.

 

 

____

89 Die Grafen Wiprecht von Groitsch.

 

anderen Stiftungen ausgedehnte Güter und reiche Geschenke zu 1). Mit solchen frommen Werken vertrug sich nicht länger, daß Wiprecht dem Papste die allgemeine Verehrung versagte, daß er vor dem Stellvertreter Christi auf Erden ein Gebannter, ein Ketzer, ein aus der Kirchengemeinschaft Verstoßener erschien. Es mahnte ihn mit Furcht und Reue an seine einst dem römischen Stuhle angethanen Gewaltthätigkeiten. Auf den Rath des Erzbischofs Hartwig von Magdeburg und dessen Nachfolgers, Werner, unternahm er eine Reise nach Rom, warf sich dem Papst unter Thränen der Reue zu Füßen, und unterzog sich auf sein Gebot sogar einer Pilgerfahrt nach Compostella in Spanien 2). Der Freund des Papstes hörte aber auf, der des im Banne liegenden und im Kampfe wider die Hierarchie verharrenden Kaisers zu sein. Dies mehr als Neid über Wiprecht's Glück machte dessen Wohlthäter, Heinrich IV., gegen ihn mistrauisch. Auf welche edle Weise Wiprecht dies vergalt, und wie er noch einmal einen treuen Dienst seinem Herrn und Kaiser leistete, zeigt, daß in einer Zeit, wo fast alle deutschen Fürsten jenen verlassen, Wiprecht den in Borivoi's von Böhmen Schutz Geflüchteten trotz der Kriegsmacht des rebellischen Sohnes mitten durch Deutschland sicher bis nach Mainz geleitete 3). Erst als die meisten Fürsten dem neuen viel versprechenden Herrscher sich zuwandten, wollte auch Wiprecht die Ruhe im Osten nicht länger stören, schloß sich an Erzbischof Ruthard von Mainz und somit an den jungen König 4).

 

So war der Mann, der sammt seinem gleichnamigen Sohne Wiprecht III. auch in der Regierungsgeschichte Heinrich's V. eine bedeutende Rolle spielen sollte. Daß dieser einen mächtigen, angesehenen, kriegserfahrenen Fürsten auf alle Weise an sich zu fesseln suchte, war natürlich. Doch die unlautere Politik des Königs bei den Thronstreitigkeiten Böhmens, wobei Wiprecht sich seines Schwagers und ehemaligen Kampfgenossen Borivoi's gegen die Kronprätendenten

 

1) Vita Vip., capp. VI—IX.

2) Vita Vip., cap. V, §§. 11—21, De fundat. Coen. Big., p. 120 und 21. Man sieht, wie die Geistlichkeit dem Reuigen auf alle Weise Güter und Geld abzudringen bemüht war. Da gingen die reichen Geschenke, die Wiprecht von Kaiser und Fürsten erhalten, darauf, und er mußte von seinem Schwiegervater neue Summen erbitten.

3) Cosmas p. 2089; Chron. Ursp. ad 1105; Vita Henrici IV., p. 388.

4) Vita Vip., cap. VII, §. 22. Auf der großen Fürstenversammlung zu Mainz erschien auch Wiprecht. Vita. Vip., cap. VIII, §. 1; De fund. Coen. Big. p. 121, dort fälschlich das Jahr 1109, hier 1107 angegeben.

 

 

____

90 Zweiter Abschnitt.

 

Swentopolk und Wladislav mit Eifer annahm, untergrub das gute Vernehmen Beider und machte Wiprecht zu einem erbitterten Gegner Heinrich's. Schon hatte der jüngere Wiprecht seinen Oheim nach Prag zurückgeführt (Dec. 1109), als Heinrich durch Wladislav bestochen, diesen begünstigte und Borivoi sammt seinem Beschützer, weil sie sieben Tage sich hartnäckig widersetzt, nach Hammerstein als Gefangene abführen ließ 1). Vergebens zürnte der ältere Wiprecht über die Treulosigkeit des Königs. Noch war dieser in Deutschland zu mächtig, als daß ihm ein Graf Trotz bieten konnte. Um die Freiheit seines Sohnes zu erlangen, mußte der Vater die wichtigen Städte Leisnig und Morungen, die Gaue Nisin und Budissin abtreten, womit der König seinen Günstling Hoyer von Mansfeld belehnte 2). Es konnte nach solcher Kränkung nicht fehlen, daß Wiprecht bei den stadischen Händeln seinen Unmuth über Heinrich schon in Thaten bemerkbar machte und mit den widerspenstigen Fürsten Gemeinschaft pflog. Ueberdies war er ja an das stadische Haus durch empfangene Wohlthaten und schuldige Lehnspflicht gekettet 3), und mit Lothar stand das groitscher Haus seit einigen Jahren in naher Familienverbindung, da Wiprecht der Aeltere nach dem Tode seiner ersten Gemahlin (gestorben 1109) sich abermals (1110) mit Kunigunde, der Witwe Konrad's von Beichlingen,

 

1) Vita Vip. und De fund. Coen. Big. p. 122 weichen in Vielem von Chron. Ursp., Ann. Saxo ad 1110, wie von Cosmas, Anonym. Chron. Boh. und anderen böhmischen Schriftstellern ab. Die Zeitangaben sind bei ersteren falsch. Auch ist die Ermordung Swantopluck's wahrscheinlicher einem Wisrowacier, der sein Geschlecht rächte, als einem der Dienstmannen Wiprecht's beizulegen. Daß dieser aber dem Mörder und denjenigen Böhmen, die Borivoi anhingen, Schutz verliehen, daß Heinrich ihn nur durch das Versprechen, Borivoi die Krone zuzuwenden, von offener Widersetzlichkeit abgehalten, ist glaublich. Ueber Wiprecht muß dessen Biograph doch für unterrichteter gelten. In der Rückführung Borivoi's durch Wiprecht den Jüngeren stimmen Alle überein. Dann lassen die böhmischen Chronisten Borivoi und Wiprecht durch Wladislav und ein deutsches Heer in Prag bedrängen; die deutschen, auch Chron. Ursp. und Ann. Saxo, den König Heinrich herbeiziehen. Ann. Saxo und die böhmischen Schriftsteller haben die Gefangennehmung Wiprecht's ganz kurz, Vita Vip. und der pegauer Mönch weitläufiger angegeben: Rex Wigbertum in Praga, Borwi in Wissegrad obsedit, eosque per septem dies reluctantes tandem obtinuit et captivos secum abduxit eosque in Hammerstein custodiae mancipavit.

2) Vit. Vip., cap. X, §. 6; Pegauer Mönch p. 122.

3) Vita Vip., cap. II, §. 1 u. 3, cap. VII, 30, sprechen das Lehnsverhältniß deutlich aus, wenn auch kein so mächtiger Lehnsträger zu Diensten gezwungen werden konnte.

 

 

____

91 Die Grafen Wiprecht von Groitsch.

 

Wiprecht der Jüngere mit dessen Tochter, Kunigunde, also mit Tante und Nichte Richenza's vermählt hatten 1). Der Kaiser, der wohl wußte, daß er vom Vater beim Ausbruche der thüringischen Unruhen für sich nichts Gutes zu erwarten habe, suchte den Ehrgeiz des Sohnes, der an seinem Hofe lebte, zu bestechen, belehnte ihn mit Eckardsberga 2) und versprach, ihn noch reicher und, ehe der Vater mit Tode abgehe, zum unabhängigen Fürsten zu machen. Gegen den älteren Wiprecht aber entbot er Wladislav, der auch mit einem Heere aus Böhmen und Deutschen Groitsch belagerte, hier aber so tapferen Widerstand fand, daß er nach acht Tagen mit einem Verluste von 500 Todten abziehen mußte. Im Unwillen über dies misglückte Unternehmen vergaß Heinrich seine Verbindlichkeit gegen Wiprecht den Jüngeren und übergab das diesem zugesagte Naumburg einem Andern 3). Da erkannte der getäuschte Jüngling, der seinem eigenen Vater feindlich entgegengetreten war, daß der Kaiser ihm und seinem Hause nicht nur keine neuen Besitzungen abtreten, sondern wol gar die alten entziehen wolle, wurde der erbittertste Gegner Heinrich's, und hat diesem in der Folge bewiesen, welchen Heldenarm er durch Arglist und Habsucht sich verscherzt. Freilich sollte auch das groitscher Haus den Haß des Kaisers noch hart empfinden.

 

1) Vita Vip., cap. IX, §. 1 und 2, Ann. Saxo ad 1103 p. 599: Quarta (filia Cunonis) Cunigunda nominata, sicut mater, nupsit Wiperto juniori.

2) Vita Vip., cap. X, §. 6; Pegauer Mönch p. 122. Eckardsberga, 2 Stunden von Naumburg, gehörte wahrscheinlich dem vom Kaiser bekriegten Ludwig von Thüringen.

3) Vita Vip., cap. XI, §. I u. 2; Pegauer Mönch p. 121.

 

 

____

92 Dritter Abschnitt.

 

Dritter Abschnitt.

Der weimar-orlamündische Erbfolgekrieg, Erzbischof Adalbert von Mainz in Verbindung mit der Kirchenpartei und den sächsischen Rebellen. Reinald von Bar. Allgemeiner Aufstand Norddeutschlands. Schlacht im Welfesholze.

 

Eines der ältesten und mächtigsten Geschlechter Thüringens war das weimar-orlamündische, da seine Abstammung von jenem fränkischen Grafen Poppo 1), der nach Tachulf und Ratolf als der dritte Markgraf oder Herzog der sorabischen Grenze unter den letzten Karolingern das südöstliche Thüringen verwaltete, sich mit großer Wahrscheinlichkeit herausstellt 2). Zwar wurde Poppo, weil man ihn der Ermordung des Bischofs Anno von Würzburg beschuldigte, seines Amtes entsetzt 3), doch erscheint schon im Jahre 953 sein Nachkomme Wilhelm als mächtiges Oberhaupt der Thüringer und wieder ein Wilhelm — wol des vorigen Sohn — war es, der 1002 vom Kaiser Heinrich II. für die wichtigen Dienste, die er demselben gegen den Markgrafen Eckhard, den Mitbewerber um die Krone, geleistet, die Aufhebung eines althergebrachten aber drückenden Tributs, den die Thüringer an den kaiserlichen Hof entrichten mußten, auswirkte. Gewiß belohnte der König auch Wilhelm selbst durch manche Erweiterung seines Gebietes und seiner Macht, die weiter als über eine bloße Grafschaft sich erstreckte 4). Nicht minder gnädig erwiesen

 

1) Er heißt der Bruder eines mächtigen fränkischen Grafen Heinrich. S. Gensler, Gesch. des Grabfeldes, II, S. 109.

2) Schulte's Henneberg. Gesch., I, S. 17 und Eccard, De reb. Franc. orient., II, p. 731 und Historia geneal. princ. Sax., p. 237 seqq. weisen die hennebergischen und die älteren orlam. - weimar. Grafen als Descendenten jenes Poppo nach. S. die geneal. Tabelle Nr. XVII, in Schaukegl, Spicil.

3) Nach Poppo erhielt es Konrad, der Vater König Konrad's I., trat seine Würde in Thüringen aber an Burchard ab, der 909 gegen die Ungarn blieb, und dessen Söhne, Burchard und Bardo, vor der Uebermacht Herzog Heinrich's von Sachsen weichen mußten. Die Markgrafenwürde in Thüringen hörte wol auf, bis Eckhard, der auch Markgraf von Meißen war, die erneute von Otto III. erhielt.

4) Besonders wurden durch ihn die Söhne Eckhard's, die des Vaters Würde dem Namen nach beibehielten, sehr beschränkt. Princeps, Praetor, Comes potentissimus Thuringiae, auch Comes de Thuringia sind die Benennungen Wilhelm's bei Ditmar, Ann. Saxo, Adelbold u. A.

 

 

____

93 Der weimar-orlamündische Erbfolgekrieg.

 

sich die beiden ersten fränkischen Kaiser gegen die Söhne Wilhelm's, obschon auch das den Orlamündern feindliche Haus Eckhard's in hoher Gunst bei ihnen stand. Entschiedene Uebermacht gewannen Jene, als 1046 nach Eckhard's des Jüngern Ermordung Wilhelm der Jüngere die Markgrafenwürde erhielt 1). Eingedenk der vom Kaiser empfangenen Wohlthaten blieb Wilhelm auch Heinrich IV. getreu, wenn er auch dabei ebenso sehr seines Hauses Vergrößerung als des Reiches Ruhm und Wohlfahrt im Auge behielt. Als er 1061 auf des jungen Königs Geheiß dessen Schwager, Andreas von Ungarn, zu Hülfe zog, erlag seine Tapferkeit der Uebermacht des Herzogs Bela, allein der Sieger ehrte den Helden, entließ ihn nicht nur aus der Gefangenschaft, sondern verlobte ihm sogar seine Tochter Sophia 2). Leider wurde Wilhelm auf der Rückreise von Ungarn krank und starb, ehe er die reiche Braut geheirathet (1062). Die Mark erhielt sein Bruder Otto, und auch die Braut vermählte sich einem nahen Verwandten des Verblichenen, dem Markgrafen Ulrich von Krain, dem Sohne von Wilhelm's zweitem Bruder Poppo 3). Die Thüringer hatten bald Ursache, mit ihrem neuen Herrn unzufrieden zu sein; denn, wie einst Graf Wilhelm der Aeltere durch jene Befreiung von drückender Steuer ihre ganze Zuneigung gewonnen, so erregte Otto ihre Erbitterung, als er zuerst unter allen Fürsten des Landes dem habsüchtigen Erzbischof Siegfried von Mainz den gefoderten Zehnten bewilligte 4). Deshalb zeigte bei seinem Tode (1067) sich allgemeine Freude, und statt der früheren Anhänglichkeit für das orlamündische Haus, dessen nächster männlicher Sprößling, da Otto nur Töchter hinterlassen, Ulrich von Krain, zu der Markgrafenwürde

 

1) Ann. Saxo ad 1046: Eckihardus Marchio subitanea morte praefocatus interiit, et Wilhelmus Marchiam illius adquisivit. Hujus pater fuit Wilhelmus, Comes de Wimare, venerabilis senex, qui ab Henrico Imperatore Babenbergensi pro gente Thuringorum impetraverat, ut census porcorum, qui annis singulis ab ea regiis stipendiis persolvebatur, remitteretur. Quem censum instituerat Theodoricus Rex, qui eosdem Thuringos ex maxima parte delevit. S. Wersebe, Vertheilung Thüringens, S. 59.

2) Daß Sophia Bela's Tochter gewesen, zeigt Schaukegl, Spic. p. 175 not. 45.

3) Ann. Saxo ad 1062. Nach Ulrich's Tode (1070) vermählte sich Sophia mit Magnus von Sachsen. S. Ann. Saxo ad 1106

4) Lamb. Schaffn. ad 1067: Primus ex Principibus Thuringorum — decimas ex suis in Thuringia possessionibus dare consensisset, etc. Bekanntlich erregte die Sache viel Unruhe und that auch Heinrich IV., der Siegfried, damit dieser ihn von seiner Gemahlin Bertha scheide, unterstützte, bei den dem fränkischen Hause bisher sehr zugethanen Thüringern Abbruch.

 

 

____

94 Dritter Abschnitt.

 

im Lande berechtigt gewesen wäre, große Bereitwilligkeit einem fremden Landesherrn zu gehorchen. Es war dies Ekbert der Aeltere von Braunschweig, dem Heinrich IV. aus Rücksicht auf Verwandtschaft und vielfach geleistete Dienste die Markgrafschaft Thüringen übertrug 1). Weil kein Familienband zwischen dem neuen Markgrafen und dem orlamündischen Geschlechte bestand, und in solchem Falle irgend welche Verbindung durch Heirath von den Unterthanen gern gesehen wurde, so war Ekbert entschlossen, sich von seiner früheren Gemahlin Irmengard zu trennen, um mit Otto's Witwe, der schönen, sowie reich begüterten Adele, einer Tochter des Grafen Lambert von Brabant, sich zu vermählen. Doch der Tod entriß ihn (Ende 1067), ehe er dieses Vorhaben ausführen konnte 2). Ihm folgte in allen Erb- und Lehngütern sein gleichnamiger Sohn, der noch in sehr jugendlichem Alter stand, nach wenig Jahren aber durch sein ehrgeiziges Streben Thüringen und Sachsen, ja dem ganzen Reiche Verderben brachte, bis er Allen ein Gegenstand des Hasses seinen verdienten Tod fand (1090). Obschon ihm gelungen, woran seinen Vater der Tod verhindert, durch Vermählung mit Oda, der Tochter des Markgrafen Otto, dem vorigen Herrscherhause von Thüringen verwandt zu werden, so blieb doch seine Ehe kinderlos, und erlosch mit ihm die männliche Linie der braunschweigischen Fürsten. Die großen Erbgüter erhielt seine Schwester Gertrud, die, obschon dreimal vermählt, auch den dritten ihrer Männer, Heinrich den Aelteren von Eilenburg aus dem Hause Wettin noch vierzehn Jahre überlebte. Diesen Letzteren, dessen Vater Dedo die Mark Lausitz

 

1) Lamb. Schaffn. und Ann. Saxo ad 1067: Marchiam ejus Ecbertus patruelis Regis suscepit. Diese Verwandtschaft ist nur dann richtig, wenn Kaiser Konrad II. vor Gisela von Schwaben mit Gisela von Werla, Ekbert's Mutter, verheirathet gewesen ist. Ekbert befreite Heinrich IV. nicht nur von dem Rebellen Otto 1057, sondern rettete ihm auch 1062 das Leben, als der junge König von Anno von Köln entführt, in die Fluthen des Rheins sprang. S. Lamb. ad 1062.

2) Ann. Saxo ad 1068: Ecbertus Marchio - - modica febre pulsatus finem vitae accepit, sed Marchiam adhuc vivens adquisierat filio suo tenerrimo infantulo, nomine Ecberto, quem ei Imula vel Irmengardis, vidua Ottonis, Ducis de Svinvorde, genuerat, Berthae Reginae matertera, cui tamen ipse paucis diebus, antequam vita discederet, repudium scribere cogitaverat, et contra statuta Canonum viduam praedicti Ottonis Marchionis ducere, quod haec forma elegantior et efferatis suis moribus opportunior videretur. — Ad 1062: Otto M. habuit uxorem nomine Adelam de Brabantia ex Castello, quod Lovene dicitur.

 

 

____

95 Der weimar-orlamündische Erbfolgekrieg.

 

erhalten 1) und auf den Sohn vererbt hatte, belehnte Heinrich IV. noch zu des rebellischen Ekbert's Lebzeiten mit der meißner Mark. Auch er heirathete, um sich in Meißen zu befestigen, seines Gegners und Vorgängers Schwester, Gertrud. Nicht so glückte es ihm, Thüringen, Ekbert's zweite Lehnsherrschaft, zu erwerben 2), die wieder ein orlamündischer Sprößling, Ulrich der Jüngere, der Sohn Ulrich's von Krain, also ein Brudersenkel von Wilhelm und Otto, erhielt, und mit dessen Tode der orlamündisch-weimarische Mannesstamm ausstarb (1112) 3).

 

Dieses Ereigniß war es, welches den Ausbruch der lange verborgenen Gährung in Sachsen auf einmal herbeiführen und den Thron Heinrich's mächtig erschüttern sollte, obschon anfangs das Glück ihn auf den höchsten Gipfel zu stellen schien. Nach altherkömmlichem Rechte, das den Kaiser nach dem Aussterben eines Fürstenhauses zum Erben aller nachgelassenen Güter machte, wollte Heinrich die Hinterlassenschaft Ulrich's einziehen 4). Da trat Pfalzgraf Siegfried von Rhein, der kürzlich auf Dringen der Fürsten aus seiner Haft entlassen und, wie es schien, zu vollen Gnaden bei Hofe restituirt war 5), mit Ansprüchen an die orlamündischen Allodien hervor, eilte nach Sachsen und bewog durch heftige Klagen über seine früher erlittene Gefangenschaft und die neue Beeinträchtigung seiner Erbrechte die erbittertsten sächsischen Fürsten leicht, sich für ihn und mit ihm gegen das Reichsoberhaupt zu verbinden. Zu einer andern Zeit würde man seinen Ansprüchen an die orlamündischen Güter wenig Gehör geliehen, und das Verfahren des Kaisers kaum eine Ungerechtigkeit genannt haben, da dieser Beispiele viel ungegründeter

 

1) Chron. Mont. Ser. annexa, p. 308, Annal. Vet. Cellens., p. 381. Dedo obtinuit Marchiam Odonis de Lusatia, qui sine herede mortuus fuit.

2) Lamb. ad 1069 berichtet schon von Dedo, der Adele Otto's Witwe geheirathet: Praedia, quae ille (Otto) a diversis dominis beneficii loco habuerat, summa vi nitebatur adquirere. Als Genosse Ekbert's gefangen: Aliquamdiu habitus in custodia adempta possessionum et redituum non modica parte dimissus est. Von einer Mark Thüringen ist nicht mehr die Rede. Ulrich heißt nur Comes.

3) Chron. Ursp., Ann. Saxo ad 1112.

4) Chron. Ursp. und Ann. Saxo: In jus regni, Heinrich selbst in der Urkunde bei Gaden p. 392: Communi judicio principum nostrorum.

5) Chron. Ursp. ad 1112: Sigefridum Palatinum Comitem diutina satis afflictum custodia juxta Principum consilium atque petitionem sibi reconciliatum dimittens benigne tractare coepit, adeo ut ejus filium baptismare susciperet et injuriarum praeteritarum oblivisci se facturum sponderet.

 

 

____

96 Dritter Abschnitt.

 

Erledigungserklärungen von Seiten des Reichsgerichts unter seinen Vorgängern anführen konnte, andere sächsische Fürsten aber ebenso nahe, wenn nicht nähere Verwandtschaft mit dem orlamündischen Hause Siegfried entgegenhalten konnten. Dieser war ein Sohn Adalbert's von Ballenstädt und der dritten Tochter Markgraf Otto's 1). Wollte man einmal auf weibliche Descendenz die gebührende Rücksicht nehmen, so mußten Nachkommen älterer Erbtöchter vor denen jüngerer den Vorzug bekommen. An ersteren fehlte es nicht. Denn eine ältere Tochter Otto's, Kunigunde, damals an Wiprecht den Aelteren von Groitsch vermählt, hatte nicht nur von Konrad von Beichlingen Töchter, deren eine, Kunigunde, an Wiprecht den Jüngeren verheirathet war, sondern aus einer noch früheren Ehe mit dem Könige von Rußland eine Tochter, die, an Graf Günther von Kefernberg vermählt, bereits einen Sohn Sizo besaß 2), dem als Enkel der älteren Schwester das Vorrecht vor dem Sohne der jüngeren Adelheide nicht abzusprechen war. Keine ungegründeten Ansprüche durfte auch der damals freilich auf Hammerstein gefangene Friedrich von Putelendorf erheben; da sein Großvater, Pfalzgraf Friedrich, ein Schwestersohn der Markgrafen Wilhelm und Otto gewesen 3), so standen die männlichen Nachkommen einer Schwester

 

1) Ann. Saxo ad 1062 p. 493: Habuit (Otto Marchio) tres filias, Odam, Cunigundam, Adelheidam. — Adelheidis vero conjuncta fuit Adelberto, Comiti de Ballenstide — — qui Adelbertus genuit ex ea Ottonem Comitem et Sigefridum Palatinum. Adelheide heirathete nach Adalbert's Tode Henricum de Lacu, Comitem Palatinum sad Rhenum, der, weil er kinderlos war, Siegfried zum Nachfolger in der Rheinpfalz erhob. Seltsam, daß nur Siegfried, nicht der ältere Bruder Otto, Ansprüche an die orlamündischen Güter erhob. Oder sollte Ann. Saxo sich in Betreff Otto's irren, und dieser vielleicht von einer anderen Mutter als Adelheide geboren sein?

2) Ueber diesen Sizo gibt gründlichen Ausschluß Schwarz in Mantissa diplom. historiae Comit. Leisnic. inserviens, Mencken III, p. 1009 not. e. Er erscheint (s. p. 1011) im Jahre 1118 schon als Zeuge, also mündig, hat 1134 eine Tochter, die mit Friedrich, dem letzten Sprößling der Goseker, vermählt werden sollte, war also 1112, als Ulrich starb, wenn auch noch ein Jüngling, so doch unter Vormundschaft berechtigt, sein Erbe zu fodern.

3) Von des Pfalzgrafen Friedrich Vater sagt der Autor de fundatione Monast, Gozec., p. 107: Comes Fridericus — Agnem procerum de Wimare filiam sibi in conjugio sociavit. Fälschlich machen Chron. Mont. Ser. adnexa p. 308 und danach Ann. Saxo p. 477 diese Agnes zur Tochter des Markgrafen Dedo, weil ihre Mutter später an diesen verheirathet war. Vergl. meine Gesch. der Pfalzgrafen von Sachsen, S. 79, Anmerk. 2. — Schaukegl, Spicil. tab. XVII nennt Agnes richtig eine Schwester Wilhelm's, Otto's und Poppo's, irrt aber, wenn er ihren Gemahl Friedrich von Sommerschenburg nennt.

 

 

____

97 Der weimar-orlamündische Erbfolgekrieg.

 

den Töchtern und deren Descendenten nicht nach. Hatte Markgraf Dedo von der Lausitz viele thüringische Lehen erlangt, auf keinen anderen Rechtsgrund seine Foderung basirend, als weil er die Witwe Markgraf Otto's geheirathet, so konnte sein Enkel Heinrich der Jüngere von Eilenburg, oder für den Knaben dessen Mutter Gertrud, die überdies die Schwester des vormaligen Markgrafen Ekbert von Thüringen war, mit noch gegründeterem Recht auf die lange mit der meißner Mark verbunden gewesenen Lehen eine Anwartschaft geltend machen. Doch weder die beiden Wiprecht, noch Günther und Sizo, noch Gertrud und Heinrich von Eilenburg, noch sonst ein Fürst Sachsens oder Thüringens traten Siegfried entgegen, vielmehr fand er überall nur Freunde und Vertheidiger seiner Sache, oder vielmehr Feinde und Widersacher des Kaisers, welche diesem keinen Zuwachs an Macht innerhalb ihrer Grenzen einräumen wollten, da er zu deutlich eine feindliche Gesinnung wider sie an den Tag gelegt und durch eigenmächtige Handlungen Viele gekränkt hatte. So klagten Bischof Reinhard von Halberstadt und die Markgräfin Gertrud über ungerechten Schiedsrichterspruch, über Wegnahme ihnen zuständiger Besitzungen 1). Rudolf von Stade sah sich dadurch beleidigt, daß der Kaiser, der ihm bis zur Großjährigkeit Heinrich's die Nordmark übertragen, dem Mündel gleichwol schon im Jahre 1112 die Würde eines Markgrafen beilegte 2), den Grafen Friedrich nach wie vor begünstigte und ihn - mit Zustimmung des jungen Heinrich's - in die Grafschaft Stade wieder einzusetzen trachtete 3).

 

1) Ann. Saxo 1112: Reinhardus, Halberstadensis Episcopus, nec non Gertrudis illa praepotens vidua violentiam se nihilominus pati ab Imperatoris praejudiciis et invasione praediorum suorum clamitabant.

2) Dieses beweist Reinhard's von Halberstadt Bestätigungsurkunde für das Kloster Hammersleben vom Jahre 1112, abgedruckt in Lünig, Spicil. II, Anhang, p. 25 u. a. m. Vergl. Wersebe, Gauen, S. 121, Anmerk. 173. Reinhard, damals noch nicht des Kaisers offener Gegner, gab dem jungen Heinrich den Titel, den dieser nur mit des Kaisers Bewilligung führen konnte.

3) Daß Friedrich nicht unmittelbar nach dem Kriege zwischen dem Kaiser und Rudolf Stade zurückerhalten, wie viele neuere Schriftsteller annehmen, erhellt aus Alb. Stad. p. 154: Imperator, ne ignominiose frustra datum aurum haberet, eum (Fridericum) a carcere absolvit et multo tempore, quia reditus ad propria non patuit, secum detinuit. Tandem restitutus in integrum etc. Die Befreiung erfolgte erst nach Beendigung des Krieges; wenn Friedrich lange Zeit danach heimatlos blieb, so erhielt er doch wol Stade im Frieden zwischen Heinrich und den verbündeten Fürsten Rudolf und Lothar nicht zurück. Auf welche Zeit die Worte tandem restitutus in integrum zu beziehen sind, ist schwer zu ermitteln. Wenn der junge Heinrich schon vor seiner Volljährigkeit vom Kaiser zum Markgrafen, und gegen seinen Oheim ernannt wurde, so konnte der Kaiser auch von ihm einen Gegendienst fodern, der darin bestand, Friedrich in Stade zu restituiren oder diesem wenigstens die Verwaltung der Grafschaft zu übertragen. Rudolf aber mußte über Heinrich's Markgrafenwürde wie über Friedrichs Einsetzung erzürnt sein.

 

 

____

98 Dritter Abschnitt.

 

Ob auch der Herzog Lothar vom Kaiser persönlich beleidigt oder beeinträchtigt worden, erfährt man nicht, doch eine Kränkung seines früheren Bundesgenossen Rudolf, eine Beeinträchtigung seiner Schwiegermutter Gertrud, eine vorenthaltene Erbschaft seines Schwagers Siegfried und jede willkürliche Handlung des Kaisers in Sachsen mußten das gute Vernehmen, wenn solches seit der letzten Aussöhnung Beider stattfand, wieder aufheben. Bald erscheint er an der Spitze der gegen Heinrich V. geschlossenen Coalition. Dieser blieb auch wol Siegfried's Bruder, Otto von Ballenstädt, nicht ganz fremd, zumal da der Kaiser ihn in der gehegten Erwartung auf das Herzogthum Sachsen abermals getäuscht hatte. Mehr aber als um die innern Reichshändel kümmerte der tapfere, kriegserfahrene Mann sich um Sicherstellung seines Gebietes und ganz Sachsens gegen die Slavenvölker im Osten, und als Beschützer gegen sie glänzt sein Ruhm am schönsten.

 

Nicht weniger als politische Beweggründe trugen religiöse dazu bei, die Gemüther einem Kaiser, der seine früher sklavische Demuth vor der Kirche in tyrannische Unterdrückung derselben verwandelt, zu entfremden. Wir bemerkten früher, daß die eifrigen Verfechter hierarchischer Grundsätze, die erbittertesten Gegner Heinrich's V., auf der Synode zu Vienne über diesen den Bann ausgesprochen hatten, und Paschalis nach scheinbarem Sträuben alle ihre Beschlüsse bestätigte. Auf die damalige Stimmung in Deutschland konnte dies nicht ohne Einfluß bleiben 1), wenn man gleich hier wider den mächtigen Kaiser das Anathema offen zu verkünden, noch Scheu trug. Doch im Geheimen entwarf schon den Plan, wie einst Heinrich IV., so Heinrich V. zu verderben, ein Mann, der alle Mittel und Gaben zu dessen Ausführung besaß. Es war der bisherige Kanzler und vertraute Rath des Kaisers, Adalbert, der 1111 durch Heinrich auf den

 

1) Chron. Ursp. ad 1112: Quia coeptum ejus (Archiepiscopi Viennensis) apostolica autoritate indeque omni ecclesiastica autoritate videbatur carere, parum interim potuit vigere. Attamen ejusdem dissensionis seminatae causa circumquaque coepit invidiae serpere malum, adeo ut nonnulli quidquam contra rem publicam intentantes hujus rei materiam in suae commotionis arripere meditarentur clipeum. Inter quos — — Adelbertus designatus Moguntiae pontifex etc.

 

 

____

99 Abfall des Erzbischofs Adalbert von Mainz.

 

erzbischöflichen Stuhl von Mainz erhoben 1) und mit reichen Gütern belehnt worden war. Aus keinem reichen Hause, dem der Grafen von Saarbrück 2), oder doch als jüngerer Sohn nur auf geringen Besitz gewiesen, hatte er gehofft, im geistlichen Stande sich eine glänzendere Laufbahn zu eröffnen, als weltlicher Waffendienst dazu Aussicht gewährte, obschon er auch die Kenntnisse und die Geschicklichkeit eines Kriegers und Heerführers bei vielfachen Gelegenheiten an den Tag legte. Nicht gesonnen, von niederen Kirchenämtern oder gar aus klösterlicher Zurückgezogenheit zu einer höheren Prälatur sich befördern zu lassen, suchte er bei Hofe rascher sein Glück zu machen. Es gelang ihm auch bald, die Gunst König Heinrich's zu erwerben und dessen Erzieher und Leiter, den Erzbischof Bruno von Trier, zu verdrängen 3). Als Kanzler war er in alle Staatsangelegenheiten eingeweiht, bald wurde er Heinrich unentbehrlich. Nichts that dieser, ohne seinen Rath zu erholen, ihm schenkte er sein ganzes Vertrauen, theilte ihm seine geheimen Plane mit, machte ihn zum Vertreter seiner Person und gab ihm nächst sich den ersten Platz 4). Große Geistesschärfe, Schlauheit, Gewandtheit im Umgange, unwiderstehliche Beredtsamkeit machten Adalbert zum geschicktesten Werkzeug des mit

 

1) Ann. Hildesh. ad 1111: In Assumptione Sanctae Mariae. Vergl. wegen des Datums Stenzel II, S. 319.

2) Otto Fris. Chron. lib. VII, cap. 14 nennt ihn natione Lotharingum. De gestis Frid. cap. 21 erwähnt er: Friderici Comitis de Saarbur, fratris Alberti Episcopi.

3) Gesta Trevirorum in Leibnitz access. I, p. 109: Defuncto Imperatore communi consilio Principum Vice Dominus, Regiae curiae effectus est et regnum regnique haeres Heinricus — — adhuc adolescens circiter annos XX ei committitur — quem susceptum tam diu educavit usque dum Adelberti tunc Cancellarii postea Moguntini Episcopi detractionibus exasperatus regni et haeredis providentiam proceribus reconsignavit. Bruno stand noch an der Spitze der ersten Gesandtschaft, die Heinrich V. an Paschalis sandte. S. Suger Vita Ludewici, p. 289.

4) Chron. Ursp. und Ann. Saxo ad 1112: Qui per omnia secundus a Rege semper fuerat, sine cujus consilio nihil facere solebat. Ann. Hildesh. a. a. O.: Omnium cancellariorum in aula regis celeberrimus. Otto Fris. Chron., lib. VII, cap. 14: Primus cancellarius et inter primos ejus praecordialis consiliarius. Cap. 21: Vir ad saeculum prudens et potens locupletissimusque. De gestis Frid. cap. 13: Principum versutissimus et locupletissimus. Was seine Beredtsamkeit selbst über rohe Haufen vermochte, erfuhr er bei dem Volksaufstande in Thüringen 1123. S. Chron. Sampetr., Addit. ad Lamb. Schaffn., Varil. Erfurd ad 1122 u. 23. Von seiner geistigen Geschmeidigkeit zeugen auch seine Briefe in Cod. Udalr. a. a. O.

7*

 

 

____

100 Dritter Abschnitt.

 

gleichen Eigenschaften begabten jungen Königs, so lange Beider Interessen nicht eine entgegengesetzte Richtung nahmen. Der Kanzler befand sich bei der Gesandtschaft, die Heinrich im Jahre 1109 an Paschalis geschickt, um die Kaiserkrönung und die Art der Einigung zwischen Reich und Kirche zu besprechen. Zwar standen die Erzbischöfe Friedrich von Köln und Bruno von Trier dem Range nach über Adalbert, aber der Vertraute des Königs kannte den wahren Zweck des Auftrages besser als sie und ließ Heinrich's Verlangen der unbeschränkten Investitur auch gegen den Papst nicht undeutlich merken, sodaß dieser nicht wenig beunruhigt erst durch eine Lateransynode, dann durch Auffoderungen an die Normannen und Lombarden sich gegen die drohenden Foderungen, die er so unerwartet vernahm, zu schützen suchte. Als bereits das zahlreiche deutsche Heer bis Arezzo vorgerückt und Alles, was sich widersetzte, zum Gehorsam gebracht, ging abermals Adalbert an der Spitze der neuen Gesandtschaft, der diesmal kein hoher Prälat vom Könige zugesellt war, nach Rom, und schloß daselbst jenen merkwürdigen Vertrag mit Paschalis, wonach dieser zwar die Investitur sich vorbehielt, den Bischöfen aber Entsagung aller weltlichen Güter, Würden und Einkünfte gebot 1). Nur ein Mann wie Adalbert, der noch keine kirchliche Würde bekleidete, durch des Kaisers Freundschaft indeß reich, mächtig und vor allen Prälaten angesehen war, konnte aus eigenem Interesse zu solchem Entschluß den Papst bringen, kein noch so kaiserlich gesinnter deutscher Bischof hätte Verzichtleistung auf weltliche Macht unterzeichnet. Nur er konnte, als sich der ganze Vertrag bei der Zusammenkunft Heinrich's und Paschalis' in der Peterskirche zerschlug, den Rath geben, den Papst gefangen zu setzen und zur Verzichtleistung auf das Investiturrecht zu zwingen 2).

 

1) S. über die Gesandtschaft, die Verhandlung und die Belege dazu am besten Stenzel S. 632 u. 33. Daß außer dem Kanzler die Gesandten nur weltliche Fürsten waren, daß nur solche für den Vertrag Bürgschaft leisten sollten (Stenzel S. 634), daß die Geistlichen bei Eröffnung des Vertrages durch den Kaiser selbst heftigen Widerstand erhoben (Cod. Udalv. ep. 271, Otto Fris. Chron. lib. VII, cap. 14), alles Dies läßt vermuthen, daß Heinrich und Adalbert die Unterhandlung mit dem Papste den deutschen Geistlichen zu verheimlichen suchten. Als der Papst den König zur Veröffentlichung des geschlossenen Vertrages auffoderte, stellte Heinrich die Sache so dar, daß nicht er, der Kaiser, sondern der Papst in einem nachtheiligen Lichte erschien.

2) Otto Fris. Chron. lib. VII, cap. 14: Hujus maximi sceleris autor fuisse dicitur Albertus.

 

 

____

101 Adalbert in Verbindung mit der Kirchenpartei.

 

Aber auch nur der Kanzler Adalbert konnte des Kaisers ergebenster Freund und thätigster Helfer wider Papst und Kirche sein. Als Heinrich ihm das erste Erzbisthum im Reiche zuwies, versetzte er denselben in die nun unvermeidliche Lage, zwischen dem Kaiser und Papst eine Wahl zu treffen, der er bisher überhoben gewesen war, als seine bedeutsame Stellung allein von Ersterem abgehangen hatte. Zwar blieb Heinrich immer der Verleiher auch dieser neuen Gunst, doch nach der Wahl und Belehnung fehlte noch die Weihung zum Erzbischof von Mainz, und diese konnte nur vom Papste ausgehen. Konnte Adalbert aber erwarten, Paschalis werde vor einem Manne, der ihm einen verderblichen Vertrag abgerungen, der ihm eine schmachvolle Gefangenschaft bereitet, der ihn zur Verzichtleistung auf das Palladium der Hierarchie genöthigt hatte, der die rechte Hand des Kaisers war, sich noch so tief demüthigen und demselben durch Ertheilung der Weihe für den Würdigsten des ersten Stuhles nach dem römischen erklären? Wol hatte er gelobt, das erlittene Unrecht nicht zu ahnden, Niemand wegen des Geschehenen mit dem Kirchenbanne zu belegen; aber den Urheber des von dem Kaiser selbst als ungeziemend Erkannten, den Frevler an der Kirche und deren Haupt der höchsten Ehre zu würdigen, wäre eine Zumuthung gewesen, die Paschalis selbst in der höchsten Bedrängniß, im kaiserlichen Lager, von Kriegsschrecken und Drohungen geängstet, zurückgewiesen haben würde. Seit Heinrich nach Deutschland zurückgekehrt war, seit die strenge Kirchenpartei in Italien und Frankreich kühn wider ihn auftrat, fühlte auch der Papst, wie schmählich er alle Vortheile, die Gregor VII. und Urban II. errungen, durch seine Schwäche vernichtet, und nur die Skrupel wegen des öffentlich geleisteten Eides verhinderten ihn, sogleich den Vertrag mit dem Kaiser zu widerrufen. Doch schon im Anfange des Jahres 1112 nannte er in einem Schreiben an Erzbischof Quido von Vienne denselben erzwungen und darum ungültig, foderte die Investitur vom Kaiser zurück und verwarf bereits am 22. April auf der Lateransynode die Urkunde, die er nothgedrungen, um sein Leben zu retten, dem Kaiser ausgestellt habe. Damit begnügten sich aber die Eiferer und erbitterten Gegner Heinrich's noch nicht. Dieser sollte gestraft und sein ganzes Werk vernichtet werden. Von dem ganzen Ausdruck ihres Zornes zeigte die Synode zu Vienne (16. Sept.), und von ihrer Uebermacht, selbst gegen den Papst, die Bestätigung der Synodal-Beschlüsse durch Paschalis (20. Okt.). Adalbert erkannte wohl, daß er unter solchen Umständen nie die Weihe vom Papst empfangen, daß er gleich dem Kaiser, mehr noch als dieser den Kircheneiferern

 

 

____

102 Dritter Abschnitt.

 

stets verhaßt bleiben werde. Nur ein Mittel gab es, seine Feinde zu versöhnen, — wenn er seinen bisherigen Freund und Wohlthäter verrieth. Lange mochte er mit diesem schändlichen Gedanken gerungen haben. Aber Ehrgeiz, und Herrschsucht, die in dem ganzen Leben des Mannes als Haupttriebfedern seines Handelns sich kundgeben, überwogen jedes andere Gefühl. Was ihm der Kaiser zu bieten vermochte, besaß er, nur vom Papste hatte er noch höhere Würde, höhere Macht zu erwarten. Der Kardinalshut, das ausdrücklich zuerkannte Supremat über alle Bischöfe des Reiches, eine Stellung, die ihn nicht als den Zweiten neben dem Kaiser erkennen ließ, sondern als Haupt der Kirchenpartei, unter dessen Fahne alle Gegner Heinrich's sich begeben sollten, das waren die Zielpunkte seines Strebens, die nicht unerreichbar schienen, wenn er noch die Maske der Freundschaft und Ergebenheit vor dem Kaiser beibehielt, in dessen Vertrauen sich tiefer drängte, um nun auch die geheimen Plane gegen die weltlichen Fürsten, wie früher die gegen die Kirche ihm abzulocken, ihn zu deren Ausführung anzutreiben, damit eine mächtige Partei in den beleidigten und bedrohten Fürsten erstehe, die er dann nach abgeworfener Maske für seine eigenen Absichten benutzen könne. Um aber den ganzen Verrath zu beschönigen, ja zu einer heiligen Sache zu machen, sollte ihm des Kaisers Zerwürfniß mit der Kirche, dessen hartes Verfahren gegen viele Geistliche, selbst die einst von ihm dem Kanzler veranlaßten Gewaltthätigkeiten in Rom den Vorwand geben 1). Durch die Mittheilung seines Vorhabens mochte er den Papst und die gegen Heinrich erbitterten Geistlichen von seinem Zwecke unterrichtet haben, aber sogleich ihm zu trauen, wagten diese nicht, da jenes Vorhaben auch eine Arglist gegen sie sein konnte, die nichts Anderes bezwecke, als die Weihe zum Erzbischof zu erlangen. Von dem Ausgange des Unternehmens sollte die Belohnung, die Adalbert foderte, abhängen. Jenes hatte der Abtrünnige also allein durchzuführen, und seine Maßregeln ebenso geheim als förderlich zu treffen. Wenn Adalbert seinen Verrath gegen den Kaiser begann, und welche Schritte er gethan, als Heinrich ihn errieth, darüber sind, wie es in der Sache selbst liegt, auch die gleichzeitigen Schriftsteller nicht unterrichtet. Darf man den gewiß übertriebenen Vorwürfen des

 

1) Adalbert selbst sagt über seine spätere Gefangenschaft (S. Guden Cod. dipl. p. 118): Imperator non nisi propter Romanae ecclesiae obedientiam carceris etiam mihi captivo tenebras intulit.

 

 

____

103 Anfang von Adalbert's Verrath.

 

Kaisers gegen den Erzbischof in Bezug auf die darin angegebenen Thatsachen 1) einigen Glauben schenken und sie als Ergebnisse einer angestellten Untersuchung ansehen, so muß Adalbert schon bald nach seiner Belehnung mit Ring und Stab 2) wider Heinrich Intriguen geschmiedet haben. Dieser führt an, daß, während er in Worms schwer erkrankt danieder gelegen (anfangs Sept. 1111) 3), Adalbert Zwietracht und Aufruhr in seiner nächsten Umgebung anzustiften, die rheinischen Bischöfe zu gewinnen, den Herzog Friedrich von Schwaben aufzureizen, ja ihm, dem Kaiser, selbst Reich und Leben zu nehmen getrachtet habe. Wenn auch so weit Adalbert, ohne zu großen Verdacht zu erregen und ohne als offener Gegner aufzutreten, was er sorgfältig vermied, nicht gehen konnte, sondern später nur von ergebenen Freunden Heinrich's und diesem selbst alle Handlungen des Erzbischofs als ein teuflisches Gespinnst des schnödesten Verraths dargestellt sein mögen, so ist doch nicht unwahrscheinlich, daß der Abtrünnige, um sein Erzbisthum besser zu verwahren, bei benachbarten Fürsten einen Abfall zu erregen wünschte. Die oberrheinischen Bischöfe konnte er als Oberhirt leicht in sein Interesse ziehen, dem jungen ehrgeizigen Friedrich von Hohenstaufen die Aussicht auf den deutschen Königsthron zeigen, auf den er, wenn Heinrich vor seiner Vermählung mit Mathilde von England stürbe, als nächster Verwandter Ansprüche machen durfte. Die bedenkliche Krankheit des Kaisers, die vielleicht schon deutliche Anzeichen jenes unheilbaren Uebels, woran er früh sterben mußte, verrieth, ließ an die Wahl seines Nachfolgers denken, die Adalbert, um den Herzog Friedrich zu gewinnen, auf diesen zu lenken versprach. Solche Andeutungen und für den möglichen Todesfall des Kaisers eingeleitete Maßregeln, jedes Wort, das damals dunkel oder anders verstanden dem Erzbischofe

 

1) S. Raumer I, S. 278 den daselbst mitgetheilten Brief aus den Manusc. Palat., womit man die Bedenken Luden's vergleichen mag. S. Geschichte des deutschen Volkes, Bd. IX, S. 638, Anmerk. 1 zu Buch 20, Kap. 5.

2) Die immerhin nach Ann. Hildesh. und Ann. Saxo ad 1111 auf Assumptio Sanctae Mariae gesetzt werden darf, obschon Adalbert am 27. August sich noch Vice Moguntinae ecclesiae, quae nunc archicancelariatum tenet (S. Schannat Vindem. I, p. 112) unterschrieb. Der schlaue Mann mochte, um sicher zu täuschen, mit der Würde noch zurückhalten, um, angeblich zum Vortheil Heinrich's, der den Papst zu schonen suchte, letztern nicht zu beleidigen.

3) Dieser Krankheit Heinrich's und seiner Genesung erwähnt das Schreiben des Papstes vom 26. Oktober 1111 in Cod. Udalv. 271: In litteris, quas a tua dilectione suscepimus, diu te graviter infirmatum fuisse cognovimus. Sed sicut nos infirmitatis rumor affecerat, ita rursus sospitatis exhilaravit auditio.

 

 

____

104 Dritter Abschnitt.

 

entfallen war, galt später für einen Beweis seines Verbrechens. Gegründeter scheint der Verdacht, daß Adalbert mit den Gegnern des Kaisers in der Lombardei, Burgund und Sachsen in Unterhandlung getreten 1), und daß die Synode zu Vienne und die päpstliche Kurie schon sein Vorhaben kannten 2).

 

Das Wagniß des Erzbischofs war zu groß, jede Unterhandlung mit irgend welchem Verbündeten, den er nothwendig suchen mußte, gefährlich, um nicht bald entdeckt zu werden. Um die Zeit der Vienner Sunodal-Abschlüsse 3) scheint der Kaiser gegen die unlauteren Absichten seines Kanzlers Argwohn geschöpft zu haben, doch nicht, weil dessen geheime Verbindungen ihm schon bekannt geworden, sondern weil derselbe auf alle Weise Schätze aufhäufte, Mannschaften aushob, eigenmächtig Schlösser und Güter von Freunden des Kaisers an sich brachte. Er wollte ihn darüber zur Rechenschaft ziehen; Adalbert weigerte sich, an jedem andern Orte als in Worms zu erscheinen, und hier trat er mit so zahlreichem Gefolge, so trotzigem Benehmen auf, daß er den Kaiser und die Reichsversammlung mehr erschreckte, als die verlangte Genugthuung und Wiedererstattung für das unrechtmäßig an sich Gerissene gewährte. Nun ward seinen Handlungen seit Erhebung zum Erzbischof strenge nachgeforscht und ihm all die Vorwürfe gemacht, die vorhin aufgezählt sind. Doch alle ferneren Vorladungen wies der Angeklagte zurück, traute auf die Zahl seiner Bewaffneten, auf die festen Mauern von Mainz und den Beistand der geheimen Feinde und offenen Gegner des Kaisers 4). Daß er nun ungescheut Zwietracht und Ausruhr zu verbreiten bemüht war, und den Vorwand dazu von dem Zerwürfniß Heinrich's mit der Kirche, auf Ersteren Schuld und Verbrechen wälzend, hernahm,

 

1) Manuscr. Palat. bei Raumer a. a. O.

2) Gewiß würden die Eiferer, von denen Chron. Abb. S. Trudonis lib. XI, p. 697 sagt: Tristi nuntio (Heinrich's Verfahren gegen den Papst) facto conventu Imperatorem excommunicavit, und deren Endbeschlüsse bei Mansi XXI, 73 stehen, auch Adalbert gebannt haben, wenn sie dessen geänderte Gesinnung nicht schon gekannt, und auf seinen Beistand gerechnet hätten. Daß Adalbert mit jenen Hauptgegnern des Kaisers nicht sollte unterhandelt, auf ihre Beschlüsse und des Papstes geheime Weisung sich gestützt haben, ist kaum glaublich. So nur erhält auch seine Vertheidigung propter ecclesiae Romanae obedientiam ihre ganze Bedeutung.

3) S. über die Zeit Stenzel I, S. 655. Anmerk. 9.

4) Somit bleibt des Kaisers Brief einzige Quelle, der in den Vorladungen Adalbert's in dem ganzen wider ihn eingeleiteten Verfahren gewiß Glauben verdient.

 

 

____

105 Adalbert in Verbindung mit den sächs. Rebellen.

 

wissen auch die Schriftsteller 1), die von den Begebenheiten jener Zeit unterrichtet sind, ohne immer die geheimen Motive, Anlaß und Anfangspunkt zu kennen. Es ist kaum zu bezweifeln, daß mit Adalbert's Abfall die gleichzeitigen Bewegungen in Sachsen und Thüringen, wenn nicht in direkter Verbindung 2), so doch in ganz natürlicher Wechselwirkung gestanden haben. In beiden Provinzen dehnte sich der mainzer Kirchensprengel weithin aus; das einst vom heiligen Bonifacius oder einem seiner Schüler gestiftete Bisthum Erfurt 3) war früh mit dem Erzbisthum Mainz verbunden worden, und oft hielten die Erzbischöfe in jener Stadt sich auf, wie noch der von Heinrich IV. verjagte Ruthard bis zu seiner Zurückführung durch Heinrich V. dort gelebt hatte. Wenn auch gegen den von Erzbischof Siegfried I. gefoderten Zehnten und noch später gegen wiederholte Versuche derselben Art die Thüringer sich hartnäckig auflehnten, so erkannten sie doch die kirchliche Abhängigkeit von dem mainzer Stift willig an, und fanden bei Schilderhebungen wider den Kaiser an den Erzbischöfen den mächtigsten Beistand. Sollte Adalbert, als er auf Abfall und Empörung wider Heinrich V. sann, nicht den drei bereits im offenen Widerstande begriffenen Fürsten, Ludwig von Thüringen, Wiprecht von Groitsch und Siegfried von Orlamünde, wie der Pfalzgraf

 

1) Chron. Ursp. und dieses ausschreibend Ann. Saxo ad 1112: ut nonnulli — — — hujus rei materiam in suae communionis (Ursp. hat commotionis) arripere meditarentur clipeum. Inter quos Adalbertus — conspirare cum quibusdam principibus infamatur.

2) Des Kaisers Brief sagt nur sehr allgemein, Adalbert habe sich in feindlicher Absicht nach Sachsen gewandt. Dies mochte nur Heinrich vermuthen. Die Chronisten stellen beide Empörungen isolirt hin, außer Helmold Chron. Slav. I, cap. 40: Adalbertus, Moguntinus Episcopus, sociatis sibi quam plurimis, maxime vero Saxonum Principibus; doch die Beweggründe für beide gibt er verschieden an, während er von den Sachsen sagt: quos ad defectionem partim necessitas, partim etiam rebellionum vetus consuetudo illexerat, heißt es vorher von Adalbert, daß der Kirchenbann ihn zur Empörung gegen den Gebannten bewogen.

3) Gegen die Zeugnisse, die der Brief des Papstes Zacharias an Bonifacius bei Othlo lib. II, cap. 3, Serarius ep. 142, Baronius ad annum 742. Nr. 5 ff. Valesius, Rer. Francic. lib. 25 geben, läßt sich an dem einstmaligen, wenn auch kurzen Dasein eines Bisthums Erfurt nicht zweifeln, wenn auch die Gründe, die für dessen frühe Aufhebung angegeben werden, z. B. bei Gobelin Cosmodr. lib. VI, cap. 39, Serarius in den Noten ad vit. Bonif. nach einem Manuscript Spangenberg's, Histor. Bonifacii, cap. 36 u. 51 u. A. m. nicht genügen.

 

 

____

106 Dritter Abschnitt.

 

von Rhein 1) als Erbe Ulrich's von Weimar-Orlamünde sich nannte, die Hand geboten und dadurch des Letzteren Aufreizungen in Sachsen einen besonderen Nachdruck gegeben haben? Dann aber haben wir Adalbert als die Seele des Bündnisses anzusehen, dem außer den drei genannten Fürsten Herzog Lothar, Rudolf von der Nordmark, Pfalzgraf Friedrich von Sommerschenburg, die mächtige Markgräfin Gertrud entschieden beitraten, andere, die noch schwankten, beizutreten nicht abgeneigt schienen, als der Unfall, der plötzlich Adalbert in Fesseln schlug, auch seine Verbündeten lähmte und ihrer ganzen Sache einen schlimmen Ausgang bereitete. Jener ehrgeizige und von Haß gegen Heinrich beseelte Mann war rastlos thätig, am Rhein neue Verbündete zu gewinnen und seine Streitmacht zu erhöhen. Doch auch Heinrich, von den Bewegungen aller seiner Gegner unterrichtet, drohte der Gewalt mit Gewalt zu begegnen, und ließ durch seine Anhänger überall Mannschaften zusammenziehen. Da gerieth der Erzbischof auf einer Reise unter einen jener kaiserlichen Heereshaufen, ward erkannt und festgehalten. Zwar mit schneller Geistesgegenwart gab er vor, daß er den Kaiser aufsuchen und sprechen wolle, als er aber vor diesen geführt zum Eingeständniß seines Verrathes und unrechtmäßiger Gütereinziehungen aufgefodert wurde, erklarte er: „Nur die Sache der Kirche habe er vertreten, deren Verfechter werde er auch ferner bleiben und keine seiner Besitzungen Jemandem herausgeben“ 2). Zu solchem Trotz bewog den stolzen Prälaten nicht minder das Vertrauen auf seine hohe Stellung als die Zuversicht, daß jede Schmach, die ihm widerführe, von seinen Anhängern und Verbündeten nicht ungerächt bleiben werde. Der Kaiser aber hoffte durch Züchtigung seines Hauptwidersachers ein abschreckendes Beispiel zu geben, wie seiner Macht zu trotzen auch der erste Reichsfürst nicht ungestraft wagen dürfe. Er ließ den Gefangenen

 

1) War Siegfried als benachbarter Fürst doch schon ein Verbündeter, der für Sicherstellung des Erzbisthums ebenso willkommen sein mußte, als dieses wiederum Siegfried's Besitzungen am Rhein gegen den Kaiser Schutz verlieh. Beider Einverständniß war dadurch nicht gestört worden, daß der Kaiser dem Erzbischofe Besitzungen bestätigt hatte, die einst Ulrich von Weimar dem Erzstifte zugewiesen. S. Guden Cod. diplom. p. 392: Traditionem, quam Ulricus bonae memoriae de Wimmar Ecclesiae Moguntinae per manuin Hermanni Comitis de Thuringia fecit. Nos quoque, ad quos allodia supradicti Ulrici communi judicio Principum nostrorum devenerunt, eandem traditionem laudamus et proprio privilegio confirmamus.

2) Chron. Halberstad. p. 131.

 

 

____

107 Adalbert gefangen.

 

auf Grund der gemachten Anschuldigungen 1) nach der Veste Trivels an der Queich bringen, begab sich dann mit starker Heeresmacht nach Thüringen und beschied die sächsischen Fürsten zum Weihnachtsfeste nach Erfurt, wo jedoch keiner von denen, die wider ihn feindselige Gesinnungen gezeigt hatten, weder zu erscheinen noch zum Kampf gerüstet ihm entgegenzuziehen wagte.

 

Heinrich's Rüstungen konnten den sächsischen Fürsten nicht verborgen geblieben sein, allein sie glaubten dieselben gegen den Erzbischof gerichtet, der als offener Feind dastand und erst bekämpft werden mußte, ehe gegen sie der Kaiser sich wenden durfte. Diesen von Osten und Westen her zu bekämpfen, und wenn er nach der einen Seite sich wende, ihm von der andern in den Rücken zu fallen, mochte der Plan der Verbündeten sein. Als Adalbert unschädlich gemacht worden, glaubte der Kaiser im Westen keinen Feind fürchten zu dürfen und führte seine gesammte Kriegsmacht ungesäumt wider die nur Abfall drohenden, noch nicht zum Kampfe vorbereiteten sächsischen und thüringischen Fürsten 2). Der Schrecken, den so unerwartete Ereignisse verbreiteten, vermochte indeß nur Die, welche bisher geschwankt, zum Gehorsam zu bringen, nicht aber die entschieden feindlich Gesinnten zu einer demüthigen Unterwerfung zu bewegen. Wider diese, die ihr Ausbleiben ihm hinreichend bezeichnete, gab Heinrich Befehl, noch während der Feiertage feindselig zu verfahren 3). Er selbst brach sogleich in das Gebiet des Bischofs Reinhard von Halberstadt, der zu den verbündeten und, wie es scheint, den einzigen kampfgerüsteten Fürsten Siegfried, Wiprecht und Ludwig sich begeben 4) und dadurch natürlich den Zorn des Kaisers auf sich geladen

 

1) Chron. Ursp., Ann. Saxo ad 1112: Reque cognita (nämlich Adalbertum conspirare cum quibusdam principibus) custodiae traditur.

2) Manchen beschäftigten noch Privatfehden. So stritt Rudolf von der Nordmark mit dem Grafen Milo und rief wider ihn die Luitizen ins Land, die nun und bei dem ausbrechenden Bürgerkriege Gelegenheit fanden, in Sachsen vielfache Verheerungen anzurichten. Ann. Saxo ad 1113. Chronogr. Saxo 1114.

3) Chron. Ursp., Ann. Saxo ad 1113: Illuc (Erpesfort) cum praedicti Saxoniae Principes curiam non adissent, indignatione nimia commotus Imperator bona eorum diripi possessiones incendiis devastari etiam inter ipsa festa praecepit.

4) Ann. Saxo ad 1113: Post haec absente Episcopo Halberstadt venit, Castellum ejus Horneburg obsedit (dies Letztere hat auch Chron. Ursp.) Episcopus vero et Sigfridus Palatinus Comes et Wicbertus Comes et Comes Lodowicus cum Imperatore pugnaturi castris haud longe fixis manent. Sie waren also gerüstet. Nirgend wird dies von den anderen Fürsten berichtet, obschon Chron. Ursp. u. Ann. Saxo von ihrer Verschwörung gegen den König schon ad 1112 sprechen. Erst 1115 traten sie, nachdem sie ohne Schwertschlag vor dem Kaiser sich gedemüthigt, auf den Kampfplatz. Der Autor Vitae Vip. IX, §. 3 u. Liber de fund. Coen. Big. p. 122 ad 1113 wissen nur von einem Bündniß Wiprecht's, Ludwig's und Siegfried's. Zu ihnen hatte Reinhard bei Heinrich's Annäherung sich begeben, da er hier nur kräftige Hülfe erwarten konnte.

 

 

____

108 Dritter Abschnitt.

 

hatte. Nur die Weste Hornburg leistete einigen Widerstand. Nachdem sie gefallen und, damit der Bischof keine Schutzwehr behalte, die Mauern von Halberstadt niedergerissen, die umliegenden Ortschaften verwüstet und geplündert, blieb Reinhard nur die Wahl, entweder sich ganz seinen Bundesgenossen zu vertrauen, in welchem Falle er seines Bisthums, das seinetwegen schon so viel gelitten, verlustig ging, oder die Gnade des Kaisers durch Vermittelung der Fürsten nachzusuchen, was ihm bei dem entschiedenen Uebergewicht der kaiserlichen Waffen heilsamer schien, da Wiprecht, Ludwig und Siegfried keinen offenen Kampf wagen durften, und auch die mächtigern sächsischen Verbündeten, Lothar, Rudolf, Friedrich von Sommerschenburg und die Markgräfin Gertrud, geschreckt waren. Der Kaiser gebot ihm, auf einem festgesetzten Hoftage zu erscheinen, um, wenn er könne, sich zu rechtfertigen 1). Nachdem Heinrich in die wichtigsten Vesten, die noch unzerstört geblieben, Besatzungen gelegt, verließ er einstweilen Sachsen, übertrug die Fortsetzung des Kampfes wider die Rebellen seinem Feldherrn Hoyer von Mansfeld, und eilte nach dem Rhein, um auch die dort ausgebrochenen Unruhen unschädlich zu machen. Eine gänzliche Unterdrückung durfte er so wenig als in Sachsen erwarten. Denn wenn, auch Adalbert's Gefangennehmung Schrecken verbreitet hatte, so war sie doch keineswegs geeignet, die übrigen Gegner zu entwaffnen, vielmehr erweckte sie dem Kaiser neue Widersacher, und Viele, die Adalbert's Benehmen gemisbilligt, fanden das gesetzwidrige, willkürlich harte Verfahren gegen ihn anstößig. Dies hob den Muth der bereits von Heinrich Abgefallenen, und sie verstärkten ihre Kriegsmacht, anstatt sie auseinandergehen zu lassen. Der Kaiser wollte indeß den

 

1) Ann. Hildesh. ad 1113: Deditione urbis facta ipsique Episcopo die statuta, ut se, si posset, de objectis excusaret, bellicus ille tumultus solutus est. Dies schreibt Ann. Saxo nach, fügt dann hinzu: Quo tempore Rex civitatem Halberstadt violenter intravit et timens ab Episcopo in illa poni praesidium fractis muris ac domibus ipsam et adjacentes villas praedis et incendiis vastavit. Dies würde dem tumultus solutus widersprechen, wenn es nicht den Friedensunterhandlungen oder wenigstens deren Abschluß vorauszusetzen wäre.

 

 

____

109 Vernichtung der sächsischen Rebellen.

 

einmal eingeschlagenen Weg nicht verlassen, achtete weder der Fürsten noch des Papstes 1) Verwendungen für Adalbert, ertheilte die Rheinpfalz, die der geächtete Siegfried verwirkt, an den schwäbischen Grafen Gottfried von Calwe und Tübingen 2) und hielt im Erzbisthum und in der Stadt Mainz jede feindliche Bewegung mit Gewalt danieder. Das Osterfest (8. April) feierte er zu Worms, und ließ, um sich den Schein der Gerechtigkeit zu geben, vor den versammelten Reichsfürsten, die natürlich nur aus ihm Ergebenen bestanden, Adalbert verhören. War nun dieser zu stolz, seine Schuld einzugestehen, oder die Zeugnisse dafür zu schlagend, daß er sie nicht ableugnen konnte; genug, er wurde abermals zur Haft und zwar einer noch härteren verurtheilt, nachdem der Kaiser die Burg Trivels als Reichsveste ihm und dem Erzstift Mainz abgesprochen 3). Diese durchgreifenden Maßregeln, die alle Gegner schreckten, glaubte Heinrich um so ungescheuter anwenden zu können, als er aus Sachsen erfreuliche Nachrichten erhalten. Hoyer von Mansfeld hatte die drei verbündeten Fürsten Siegfried, Wiprecht und Ludwig, die wahrscheinlich zu einer Berathung des bevorstehenden Feldzuges in Warnstädt, einem Flecken unfern von Quedlinburg, zusammengekommen waren, mit einer kleinen Schar von nicht mehr als 300 Mann überfallen (28. Febr.). Siegfried wurde tödtlich verwundet und starb bald danach (9. März), Wiprecht, der sich lange heldenmüthig vertheidigte,

 

1) Paschalis' Schreiben aus Benevent vom 25. Januar (Codex Udalv. Nr. 272) beweist wol deutlich, daß der Erzbischof mit dem Papste auf ganz anderem Fuße gestanden als früher. Für einen, der der Urheber aller Gewaltthätigkeiten des Kaisers in Rom gewesen, hätte sich jener schwerlich so warm verwendet. Zwar gibt er sich den Schein der Uneigennützigkeit und Unparteilichkeit, der aber nur in den Worten, nicht in der Verwendung selbst liegt: De quo (Adalberto) quantum novimus, quantum experti sumus, testimonium ferimus, quia te super omnia diligebat, qua de re multi profecto tam amici quam inimici loquuntur adversus te. Doch räth er zur Freilassung des Erzbischofs, oder, wie er schlau ihn nur immer nennt, des Kanzlers: quatenus nec persona tua et regnum ullam incurrat infamiam. Heinrich gab auf diese Verwendung Paschalis', der ihn immer noch einen geliebten Sohn der Kirche nennt, um so weniger, als bereits der Papst die Synodal-Beschlüsse der Vienner Synode anerkannt und den Vertrag mit dem Kaiser für ungültig erklärt hatte.

2) S. Mascov., Comment. p. 169: Ob Gottfried schon vor Siegfried's Tode (9. März) die Pfalz erhalten, wissen wir nicht. Daß er Ostern (8. April) bereits Pfalzgraf am Rhein war, beweist die Urkunde in Martene, Collect. I. p. 632.

3) Ann. Hildesh. u. Ann. Saxo 1113.

 

 

____

110 Dritter Abschnitt.

 

aber aus vielen Wunden blutend endlich erschöpft niedersank, gerieth in die Gefangenschaft Hoyer's, wurde erst auf seine eigene Veste Leisnig gebracht, dann zu Würzburg vor Kaiser und Reichsfürsten gestellt und zum Tode verurtheilt, welcher Ausspruch zwar dahin gemildert ward, daß gegen Abtretung von Groitsch und seiner Erbgüter Wiprecht das Leben rettete, aber noch drei Jahre und wiederum in einer ihm früher gehörigen Stadt Drunts gefangen blieb 1). Der Graf Ludwig rettete bei Warnstädt sich noch durch Flucht 2), aber auch er sollte harter Züchtigung nicht entgehen.

 

Bald nach Ostern kam der Kaiser wieder nach Sachsen, in der Erwartung, alle seine Gegner gebeugt zu finden. Auch erschienen zu Goslar zwei als Bittende vor ihm, Ludwig von Thüringen und Reinhard von Halberstadt. Nur durch der Fürsten Verwendung erhielten sie die Freiheit und Begnadigung, nachdem Ersterer einige Zeit gefangen gesessen und die Wartburg abgetreten 3), Letzterer bewilligt, daß die Veste Hornburg gänzlich durch Feuer vernichtet werde 4).

 

1) Vita Vip., cap. XI, §. 3 u. 4.

2) Chron. Ursp., Ann. Saxo, Ann. Hild., Chron. Sanpetr. ad 1113 und am ausführlichsten Vita Vip., cap. XI, §. 3: Apud Warenstede condixere colloquium. Quorum contra regem conventione comperta cum trecentis insperatus advenit. Illi cum impares armis ac militum numero ad resistendum essent, Ludovicus fugiens evasit, Sigefridus Palatinus occiditur, Wigbertus multis vulneribus sauciatus captivus abducitur et in Leisnik custodiae mancipatur.

3) Daß Ludwig schon im Mai sich ergeben, zeigt die Urkunde in Schannat Vindem. T. I, p. 113. Vergl. Mascov, Comment. p. 170 not. 4. Die Angabe Chron. Sanp. ad 1113: Ludwigus Comes die Assumptionis S. Mariae in villa Trutmundi in potestatem Henrici Imperatoris se contradidit ist also in der Zeitangabe ungenau, und jener Tag (15. August) wol das Ende der Haft, der Ludwig bis zur Uebergabe der Wartburg sich unterwerfen mußte: Quem aliquamdiu sub custodia servando tenuit, donec castrum, quod dicitur, Wartberg in sua suscepit potestate.

4) Ann. Saxo ad 1113: Interventu Principum gratiam Regis obtinuit castro Horneburg incremato. Wenn hierunter nicht die Zerstörung Hornburgs gleich beim Einfall des Kaisers in das halberstädtische Gebiet (Ende 1112) zu verstehen ist, so war damals die Veste nur erobert, und wurde jetzt, nachdem Reinhard sich ausgesöhnt, erst in Asche gelegt. Wahrscheinlich hatte unterdessen eine kaiserliche Besatzung darin gelegen. Konnte diese nach der Friedensvermittelung nicht im Lande des Bischofs bleiben, so war es für den Kaiser doch auch gefährlich, die wichtige Veste einem Manne zurückzugeben, dem er nicht trauen durfte.

 

 

____

111 Reinald von Bar.

 

Aber nicht blos die offenen Feinde, auch die geheimen Widersacher sollten gedemüthigt werden. Die Niederlage bei Warnstädt hatte die sächsischen Fürsten geschreckt, des Kaisers abermaliges Erscheinen machte Widerstand unmöglich. Vier Monate verweilte er in der Provinz und verfuhr mit Strenge und Gewalt wider die Ungehorsamen, die auf dem Reichstage zu Erfurt nicht erschienen waren. Zu ihnen hatte auch der Pfalzgraf Friedrich von Sommerschenburg gehört. Was ihn wider Heinrich, der sich ihm früher so gnädig gezeigt hatte, zum Abfall bewogen, wird nirgend berichtet, läßt sich aber errathen. Wol nicht blos die allgemeine Gefahr, die Sachsen bedrohte, nicht das gemeinschaftliche Familieninteresse, bewogen ihn, an den Herzog Lothar sich anzuschließen. Eine Beeinträchtigung seiner Ansprüche war es, daß die Güter seines auf Hammerstein gefangen gehaltenen Neffen nicht ihm, sondern dem Grafen Hoyer von Mansfeld als Kriegsbeute und Lohn für die Bezwingung der Rebellen des Jahres 1112 zugefallen, und überhaupt durch diesen, der Heinrich's ganzes Vertrauen besaß, sein Amt als kaiserlicher Vertreter in Sachsen sehr beschränkt worden war. Als aber derselbe Hoyer nach dem Siege bei Warnstädt des Pfalzgrafen Sohn in einer Veste zur Uebergabe gezwungen, blieb Friedrich nichts übrig, als des Kaisers verlorene Gnade durch große Opfer wieder nachzusuchen. Er mußte vorerst seinen Sohn als Geißel in der Haft lassen, und als demselben endlich die Freiheit gegen 500 Mark bewilligt wurde, zur Auftreibung dieser Summe an Bischof Reinhard von Halberstadt bedeutende Stücke seiner Erbgüter abtreten 1). Auch Lothar und Rudolf nebst den Verwandten ihres Hauses sahen zur Unterwerfung sich genöthigt. Rudolf sollte auf die Markgrafschaft verzichten und dem Grafen Friedrich den Besitz Stades zuerkennen 2), Lothar zu einer persönlichen Demüthigung vor dem Kaiser sich verstehen. Diesen rief, bevor die Ruhe in Sachsen völlig hergestellt war, noch einmal ein trotziger Gegner jenseit des Rheines nach dem Westen des Reichs. Mit gewohnter Schnelligkeit überraschte und vernichtete er auch diesen.

 

Es war der Graf Reinald von Bar und Mousson, ein jüngerer

 

1) S. Urk, vom 4. Mai 1114 in Heidenreich, Entwurf einer Historie der Pfalzgrafen von Sachsen, S. 101.

2) Die Lage der Dinge in Sachsen um diese Zeit, als Heinrich V. zum zweiten Mal (im Mai) 1113 dorthin kam und vier Monate verweilte, macht die Wiedereinsetzung Friedrich's sehr wahrscheinlich.

 

 

____

112 Dritter Abschnitt.

 

Sohn Dietrich's des Aelteren und Bruder Dietrich's des Jüngeren, des früheren Beherrschers der genannten Grafschaften, der aber wegen harter Bedrückung vertrieben und auf die Herrschaft Mömpelgard beschränkt worden war 1). Auch Reinald zeigte einen ungestümen Sinn, den er zwar nicht gegen seine Unterthanen, aber gegen seine Nachbarn, vornehmlich gegen den Bischof Richard von Verdun, ausließ. Schon im Jahre 1112 suchte er diesem die Grafschaft Verdun zu entreißen. Mit Beistand Wilhelm's von Luxemburg gelang es indeß Richard, sich seines Gegners zu erwehren, ja sogar dessen Länder bis auf die festen Städte und Burgen zu erobern 2). Traf so den händelsüchtigen Grafen von Bar eine gerechte Wiedervergeltung für seine feindseligen Absichten gegen den Bischof, und konnte es diesem nicht eben verargt werden, daß er auch jetzt noch seinen Sieg verfolgte und die festen Plätze zu belagern beschloß, so war es doch ungebührlich, daß der Kaiser in einer Privatfehde zweier Reichsfürsten, die er hätte beizulegen gebieten sollen, für den einen Theil entschieden Partei nahm, und nicht eher in seinem Zorn wider den andern nachlassen wollte, bis er ihn um all das Seine, ja um das Leben selbst gebracht hätte. — Noch ist ein gefährlicher Sturm im Osten des Reiches nicht vorüber, als er, der Haß, Entzweiung, Bürgerkrieg unterdrücken sollte, plötzlich nach dem äußersten Westen aufbricht, um einem Geistlichen wider dessen schon hart bedrängten Beleidiger Beistand zu leisten 3). Im ersten Anlauf fällt die Veste Bar, Graf Reinald wird gefangen; doch dessen Gemahlin vertheidigt noch das durch Natur und Mauern unbezwingliche Schloß Mousson. Der Kaiser will auch dieses in seine Gewalt bringen und droht,

 

1) Alberticus Chron. Trium Fontium p. 221 ad 1113: Ante Rainaldum fuit Comes Barri et Moncionis frater ejus Theodoricus, qui cum esset intollerabilis subjectis, expulsus fuit et Comitatum Montis Beliardi tantum sibi retinuit. Horum autem pater fuit antiquus Comes Barri Theodoricus. S. jedoch die nachfolgende dritte Note.

2) Ibidem ad 1112: Comes Barri Rainaldus Comitatum Virdunensem armis sibi vendicavit. Richardus cum Comite Guillelmo Luscebergensi ipsum graviter urgebant ita, quod primo impetu belli amisit vicum sancti Michaelis et castrum incensum est et eversum. Deinde tota terra coepit esse in ruinam praeter castella et quaedam loca munita. Ad quae expugnanda Imperatorem Richardus evocavit.

3) Alberticus schreibt zwar noch ad 1112: Qui (Henricus) capto castello Barri et incenso Comitem Rainaldum abduxit; doch ad 1113 berichtet er die Eroberung von Bar. Vergl. Chron. Ursp., Ann. Saxo, Otto Fris. Chron. lib. VII, cap. 15.

 

 

____

113 Reinald von Bar.

 

wenn es ihm nicht sogleich übergeben werde, den Grafen aufknüpfen zu lassen. Die Besatzung fodert Ausschub, aber nur um dem so eben geborenen Sohne Reinald's als ihrem neuen Herrn zu huldigen. Da läßt Heinrich den unglücklichen Gefangenen zum Galgen führen, und nur den dringenden Vorstellungen der Fürsten gelingt es, seinen zornentbrannten Sinn von der entehrenden Züchtigung Reinald's abzubringen 1). Rechtfertigen läßt sich allein des Kaisers Verfahren, wenn man annehmen darf, daß der Graf von Bar in Verbindung mit anderen Gegnern Heinrich's ein gefährlicher Reichsfeind gewesen und daß seine Bekämpfung dem Bischof Richard und dem Grafen Wilhelm von Luxemburg eigens übertragen worden, denen der Kaiser, sobald er die Hände frei hatte, die letzte Entscheidung durch sein eigenes Ansehen abnehmen mußte, und solche nur mit unbedingter Unterwerfung des Geächteten beschließen durfte. Daß hier wirklich die Reichsehre und höhere Zwecke den Kaiser geleitet, wird uns, auch ohne daß wir specielle Nachrichten über die Beweggründe vorfinden, aus seinem späteren Verfahren mit Reinald wahrscheinlich. Als des Grafen Verwandte, die zu den angesehensten Fürsten im Reiche gehörten 2), für ihn um Gnade bei Heinrich baten, entließ dieser noch im Jahre 1113 den Gefangenen, der ihm selbst durch Bande des Bluts nahe stand 3), aus der Haft und verlangte von ihm nichts

 

1) Ausführlich bei Otto Fris., De gest. Frid., lib. I, cap. 11. Nachdem die Huldigung dem neugeborenen Herrn von der Besatzung geleistet: Qua de re inflammatus Princeps praedictum Comitem ad patibulum trahi jussit, cumque a Principibus, qui aderant, ne id faceret, rogaretur, ipsoque in proposito perseverante, a quibusdam ut saltem divina animadversione a coepto desisteret, turbato prae ira oculo respondisse fertur: Coelum coeli domino, terram autem dedit filiis hominum. Tandem tamen irrationabili motu defervescente cunctorum precibus Augustus inclinatus a mortis sententia animum revocavit.

2) Daß Reinald derselbe war, der 1127 als Prätendent in Hoch-Burgund nach dem Tode Wilhelm's auftrat, ist schon von Bünau, Leben Kaiser Friedrich's I. S.375 (gestützt auf Otto Fris., De gest. Frid., lib.I, cap. 11) und von Stenzel I, S. 657, Anm. 11 vermuthet. Otto Fris., De gest. Frid., lib. II, cap. 29 sagt von ihm: De antiqua et illustri Burgundionum prosapia originem trahens. Sein Vater heißt bald Dietrich (Alb. a. a. O.) bald Stephan, bald Wilhelm (vergl. Bünau's Anm. a. a. O.). Wenn Alber. p. 224 von Intervenientibus pro Comite Barri de toto Regno nobilissimis consanguineis spricht, so bestätigt dieser Ausdruck Otto's von Freisingen Worte.

3) Chron. Ursp. ad 1113: Quidam Reinaldus Burgundiae provincialis Comes et, ut ajunt, Imperatoris consanguineus. Ann. Saxo läßt ut ajunt fort. S. die folgende Anmerkung.

I. 8

 

 

____

114 Dritter Abschnitt.

 

als den Lehnseid dem Reiche zu schwören 1), Diese Verwandten, Reinald's Fürsprecher, mochten früher seine geheimen Verbündeten gewesen sein, oder doch es gern gesehen haben, daß der trotzige Jüngling sich wider das Reich auflehnte. Ihn mit ganzer Macht zu bekämpfen und zum warnenden Beispiel für alle geheimen Anhänger desselben hart zu züchtigen, erscheint dann nicht mehr allzuhart. Diese Strenge war nicht nur nothwendig, um des Kaisers Ansehen im Reiche aufrecht zu erhalten, sondern zugleich auch zu verhüten, daß nicht der König von Frankreich, welcher schon dem deutschen Kaiser durch Unterstützung der Päpste und Begünstigung aller kirchlichen Reformen ein gefährlicher Nachbar war, sich zum Schutzherrn Derer aufwerfe, die der deutschen Oberhoheit ungern gehorchten 2). Als Heinrich die Reichsehre durch Reinald's völlige Besiegung geschützt und erhöht, war eine zeitgemäße Milde gegen den für jugendliche Unbesonnenheit 3) hart Gestraften ebenso klug als scheinbar edelmüthig. Er gewann dadurch die Herzen Vieler und betrübte nur Einen, den Bischof Richard, der bisher ihm sehr ergeben und bis zum Ungehorsam gegen den Papst folgsam gewesen war. Er hatte gehofft, daß durch Reinald's Sturz sein Bisthum nicht nur gesichert, sondern auch vergrößert werden möchte. In des Grafen Freilassung glaubte er eine Kränkung, ja eine feindliche Gesinnung des Kaisers gegen ihn zu erkennen; darum nahm er das Kreuz und gedachte im heiligen Dienste für das Fehlschlagen irdischer Wünsche Ersatz zu finden; aber schon auf dem Wege nach Rom, ehe er die Absolution des Papstes erlangt, entriß ihn der Tod in eine andere Welt 4).

 

1) Alber., p. 224: Imperator eum custodia solvit cum omnibus suis et ut sibi cognatum ad pronria remisit; tantummoao sibi hominium ab eo suscepit.

2) In Bezug auf Heinrichs auswärtige Politik, vornehmlich gegen Frankreich, dürften zwei Stellen bei Otto Frising. beweisen, was im Text gesagt ist: De gest. Frid., lib. I, cap. 10: Hic armis strenuissimus totum imperium ita in brevi suae subjecit ditioni, ut et omnes in Romano orbe positi subjectionis jugum humiliter portarent et vicini dominationem ejus suspectam habentes metu obrigescerent. Bei Gelegenheit des Krieges gegen Reinald cap. 11: Omnibus Gallicanis trepidantibus. Gallia fängt nach Otto Fris. gleich jenseit des Rheines an.

3) Chron. Ursp.: Tyrannidem juvenili actus insolentia contra Kempublicam orditur.

4) Alber., p. 224: Richardus Episcopus omnia sibi contraria videns Ecclesiam infensam, Imperatorem non fidum, qui hostem ejus dimiserat et ipsum contra se nova moliri, crucem accepit, ultro Romam in itinere obiit, nondum a Papa absolutus.

 

 

____

115 Heinrich V. auf dem Gipfel weltlicher Macht.

 

Heinrich stand auf dem Gipfel weltlicher Macht, von einem Theil der Reichsfürsten gehorsam unterstützt, von den anderen, die es gewagt, ihm zu trotzen, demüthig um Gnade gebeten und wie sein Großvater innerhalb und außerhalb des Reiches gefürchtet. Selbst der Kirche Bannstrahl konnte nicht auf ihn niederzucken, nur verkündete eine Schwüle umher sein Drohen. Der Papst mochte im Herzen ihm abgeneigt sein, aber noch klangen seine Worte freundlich, versöhnlich, fast wie eines Bittenden, Bedrängten, der von den Kircheneiferern selber gewaltsam fortgerissen werde 1). Der Kaiser antwortete in der gleichen Weise, schaltete übrigens aber in Kirchendingen nach seinem Willen, setzte Geistliche ein und ab, wie es ihm gut und vortheilhaft dünkte. In Adalbert von Mainz hoffte er allen trotzigen Prälaten ein abschreckendes Beispiel gegeben zu haben, doch wußte er recht gut, daß mancher Kirchenfürst mit jenem in Gemeinschaft und Verbindung gestanden. Sie mußten bewacht und gedemüthigt werden. Solchen Argwohn hatte auch der fromme Bischof Otto von Bamberg erweckt, weil er seit Adalbert's Verhaftung nicht mehr bei Hofe erschienen war 2). Gewiß konnte ein so rechtschaffener, gemäßigter Mann, wie Otto, weder das Verfahren des Kaisers gegen den Erzbischof, noch die eigenmächtige willkürliche Einsetzung vieler Bischöfe billigen, und entzog sich deshalb der Nähe Heinrich's. Dieser suchte ihn auf, um ihn auf die Probe zu stellen, und hielt Weihnachten sein Hoflager zu Bamberg. Otto betrug sich aber so klug gegen den Kaiser und sein Gefolge, bewirthete beide sehr reich und festlich und übertrug an Ersteren Kirchengüter, sodaß der Verdacht bald in Vertrauen und Gunst verwandelt und Beider Eintracht fest gegründet schien 3). Wenn gleichwol Otto später auf die Seite der Gegner Heinrich's trat, so darf man den Grund nicht in des Bischofs Falschheit oder Wankelmüthigkeit, sondern in des Kaisers bald alle Schranken übersteigendem Stolz und beleidigendem Verfahren gegen geistliche und weltliche Fürsten suchen.

 

1) Cod Udalr., Nr. 271 u. 273, ersteres ein Schreiben Paschalis', worin er sich über die Kircheneiferer beschwert, letzteres die Antwort Heinrich's auf des Papstes Brief: Compertum habemus, pater venerande, te propter nos gravi controversia et plurimis affectum esse molestiis.

2) Daß Otto 1112 zu Salzwedel bei Heinrich gewesen, erhellt aus der Urkunde bei Guden, I, p. 390.

3) Chron. Ursp., ad a. 1114: Ipse vero (Otto) transitoriis pro concordia ecclesiastica non parcens beneficiis indefessis animositatem regis gloriose devicit.

8*

 

 

____

116 Dritter Abschnitt.

 

Heinrich wollte nun, wie im Reiche, so auch im Hause sein Glück dauernd gründen. Am 7. Januar vollzog er zu Mainz seine Vermählung mit der ihm schon vor dem Römerzuge verlobten und bereits zur Königin gekrönten Mathilde, Tochter König Heinrich's I. von England, obgleich dieselbe noch nicht die reifen Lebensjahre erreicht hatte 1). Der Alles sich erlaubte, verachtete ebenso die Gesetze der Natur, wie die der Völker. Zu bald nur sollte er erfahren, daß Gewalt zwar schrecken, aber die Gemüther nicht fesseln könne. Während der glänzenden Hochzeitfeier, die alle Fürsten des Reiches durch ihre Anwesenheit erhöhten, und wo der letzte bis dahin noch ungebeugte Gegner, der Herzog Lothar von Sachsen, zu der Demüthigung sich verstehen mußte, mit bloßen Füßen, in schlechtem Gewande vor allen Fürsten die Gnade und Verzeihung des Kaisers zu erbitten 2), begann der von den Meisten gefühlte Unmuth ein neues Kriegsfeuer zu bereiten. Ein eigenmächtiges und ungerechtes Verfahren Heinrich's empörte selbst viele seiner bisherigen Anhänger. Unter den anwesenden Fürsten zu Mainz befand sich Ludwig von Thüringen, der bereits, wie wir gesehen, die Gnade des Kaisers nach Erfüllung sehr harter Bedingungen erhalten hatte. Im Vertrauen darauf und vielleicht mit der Hoffnung, das Verlorene wiederzugewinnen, hatte er zu der Hochzeitfeier des Kaisers sich eingestellt. Zu seinem und aller Fürsten Schrecken wurde er aber festgenommen und zu strenger Haft abgeführt 3).

 

Ob Ludwig durch Aufnahme der Söhne des gefangenen und seiner Länder beraubten Wiprecht's von Groitsch sich gegen Heinrich feindlich bewiesen 4) und den Verdacht neuen Abfalls veranlaßt hatte,

 

1) S. die Citate bei Mascov, p. 148 u. 149. Wilhelm Gemmeticens., hist. Normann. lib. VII, cap. 11: Desponsatam (zu Utrecht) Archiepiscopus Coloniensis in festivitate S. Jacobi Moguntiae in Reginam consecravit, caeteris Coepiscopis assistentibus et praecipue Archiepiscopo Trevirensi, qui eam, dum consecraretur, inter sua brachia reverenter tenuit. Deinde consecratam Reginam usque ad tempestivum tempus nuptiarum studiose nutriri praecepit, in quo nutrimento et linguam addisceret et se secundum Teutonicos mores componeret. — Ibidem: Hanc virginem vix quinquennem Heinricus V. in conjugem requisivit. Wenn dies auch nach Ordericus Vital., hist. eccles., lib XI., im Jahre 1109 geschah, so zählte Mathilde im Januar 1114 höchstens zehn Jahre; vielleicht ist aber bis für vix zu lesen. Guden, IX, p. 629.

2) Otto Fris., Chron. lib. VII, cap. 15: Nudis pedibus, sago indutus, coram omnibus ad pedes ejus venit seque sibi tradidit.

3) Ann. Saxo, Chron. S. Petri ad 1114 u. a. m.

4) Liber de fund. Coenob. Big. p. 122, nachdem die Verhaftung Wiprecht's und dessen Abführung nach Druls erzählt ist: Quo comperto filii ejus Wicpertus et Henricus contra Regem ad Saxones se contulerunt, et ob hoc cum Ludovico Comite rei majestatis adjudicantur. Diese Zusammenstellung läßt vermuthen, daß Ludwig sich vornehmlich, wenn auch sehr geheim, der flüchtig und länderlos gewordenen groitscher Brüder angenommen. Das konnte damals bereits geschehen sein.

 

 

____

117 Ludwig von Thüringen gefangen gesetzt.

 

oder ob der Kaiser unter irgend welchem Vorwande eines alten oder neuen Vergehens noch mehr von ihm erpressen wollte, bleibt zweifelhaft. Vielleicht war der — schon damals oder bald danach — seiner Haft entlassene 1) und zu neuer Gunst bei Hofe erhobene Friedrich von Putelendorf die Veranlassung, daß Ludwig ohne begründete Anklage und Rechtsspruch gefangen gesetzt und dann noch festgehalten wurde, als bereits seine Söhne 40 Mark zu seiner Befreiung an den Kaiser gezahlt hatten 2). Um Friedrich für den Verlust der Besitzungen, die 1112 Hoyer von Mansfeld erhalten, zu entschädigen, durfte nur Ludwig gezwungen werden, die seinem Stiefsohne noch vorenthaltenen gosekischen Güter oder einige der seinen herzugeben. Gutwillig hätte er sich dazu nicht verstanden; List und Gewalt konnten ihn aber zwingen. Friedrich durfte nur die alte Anklage wegen des Vaters Ermordung vor den Kaiser bringen, dann hatte Letzterer einen Vorwand, Ludwig zu strafen. Wie die in den folgenden Jahrhunderten mit Bestimmtheit behauptete Anschuldigung des Grafen Ludwig auf historischem Grunde beruhe, ist früher schon erwähnt worden. Die Sage weiß von einer Gefangenschaft Ludwig's auf dem Giebichenstein bei Halle, die der Kaiser wegen des angeblichen Mordes verhängt habe. Hat auch dies eine historische Beziehung, so ist solche in der zu Mainz geschehenen Verhaftung zu suchen und Friedrich als der Urheber derselben anzusehen. Letzterem

 

1) Fridericus post duos annos resolvitur, sagt der Verfasser des Chron. Sampetr. ad 1112. Diese zwei Jahre wären freilich erst im Juni 1114 völlig abgelaufen. Doch sind wol nur die Jahre von 1112 bis 1114 zu verstehen, und nicht genau zu nehmen. Die Freilassung Friedrich's um die Zeit des mainzer Festes oder wenigstens nicht lange danach zu setzen, bestimmen innere Gründe.

2) S. Schultes, Directorium diplom. I, p. 240. Sie verkauften große Güter in der Loibe, einem Theile des Thüringer Waldes, an das von ihrem Vater gestiftete und reichbegüterte Kloster Reinhardsbrunn. Die darüber gegebene Urkunde ist schon vom 3. Mai; die Bestätigung derselben von Seiten des Kaisers erfolgte erst am 14. Sept. So lange hatten wol die jungen Fürsten noch die Zahlung der Lösungssumme zurückgehalten, weil sie des Kaisers unredlichen Sinn aus ihres Stiefbruders feindlichen Angriffen auf ihr Gebiet deutlich erkannten. Erst als Heinrich V. in Thüringen mit Heeresmacht erschien, sahen sie zur Auszahlung der gefoderten 40 Mark sich gezwungen, natürlich ohne des Vaters Befreiung zu bewirken.

 

 

____

118 Dritter Abschnitt.

 

wieder seine Gunst zuzuwenden, hatte Heinrich mancherlei gute Gründe. Er kannte Friedrich's Ehrgeiz und Kriegslust, dessen Haß gegen den Stiefvater Ludwig nicht minder als gegen den Oheim Friedrich von Sommerschenburg, die beide für ihre Widerspenstigkeit gegen kaiserliche Majestät zwar hart gezüchtigt, aber darum für die Folge um so gefährlicher waren, und selber mächtige Fürsten in Thüringen und Sachsen, durch Verwandtschaft und gleiche Gesinnung noch mächtiger eine neue Empörung anzustiften vermochten. Ihnen konnte er keinen besseren Mann entgegenstellen als Friedrich von Putelendorf, zumal wenn er demselben die alte Familienwürde, das Pfalzgrafenamt, das in Friedrich's von Sommerschenburg Händen nicht länger verbleiben durfte, übertrug und ihm gestattete, auf Kosten Ludwig's sich zu vergrößern. Vor dem ersteren der dadurch beeinträchtigten Fürsten war er so lange sicher, als er dessen Sohn, den jüngeren Friedrich von Sommerschenburg, als Geißel zurückbehielt. Den Grafen Ludwig unschädlich zu machen, konnte nur durch einen Gewaltstreich, wie er zu Mainz ausgeführt wurde, gelingen. Während seiner Gefangenschaft schien es ein Leichtes, daß Friedrich von Putelendorf mit Beistand des benachbarten Grafen Hoyer von Mansfeld seines Stiefvaters Besitzungen an sich riß. Der neue Günstling des Kaisers fing auch sein Werk sogleich an, fand aber unerwartet in seinen Stiefbrüdern Ludwig und Heinrich, obgleich beide noch sehr jung waren, hartnäckige Gegner, die wohl einsahen, daß der Kaiser trotz aller Opfer, die sie für Freilassung des Vaters zu bringen geneigt waren, nicht zu versöhnen und nicht eher zu befriedigen sei, bis sie Alles hergegeben und dann doch, wie die Söhne Wiprecht's von Groitsch, nicht ihres Vaters Ketten gelöst, sondern sich nur in Verbannung und Elend gebracht haben würden. Sie widersetzten sich also Jedem, der sie in ihrem Besitzthum, das sie in des Vaters Abwesenheit zur Zufriedenheit der Unterthanen verwalteten 1), zu beeinträchtigen suchte. Der allgemeine Haß gegen den Kaiser bei weltlichen und geistlichen Fürsten, bei den Städten wie beim Volke gab ihnen Hoffnung, daß sie nicht lange als die einzigen Kämpfer dastehen würden. Der neue Pfalzgraf von Sachsen machte bald durch Willkür, Habsucht und Anwendung unerlaubter Mittel sich Laien und Geistlichkeit zu Feinden, und schadete dadurch der

 

1) Liber de fund. Monast. Goz., p. 115: Comes Ludovicus necessitate ductus Imperatori Hinrico traditur, captivatur, incarceratur. Cujus loco filii ejus Ludowicus et Raspo Hinricus surrexerunt vicemque ejus favorabiliter suppleverunt.

 

 

____

119 Allgemeiner Aufstand Norddeutschlands.

 

Sache des Kaisers mehr als daß er als sein Stellvertreter dessen Macht befestigt und vergrößert hatte 1).

 

Während Heinrich sich zu einem Feldzuge gegen die Friesen rüstete und alle Fürsten, auch die gedemüthigten sächsischen, zur Theilnahme nöthigte, bereiteten ins Geheim seine Widersacher und selbst früher ergebene Anhänger, die sein Stolz, seine Härte, seine Willkür erbittert, einen Aufstand vor, der nachdrücklicher als jeder frühere im ganzen Reiche, von allen Ständen, mit weltlichen und geistlichen Waffen zugleich gegen das Reichsoberhaupt erhoben werden sollte. An der Spitze der Empörer standen der Erzbischof Friedrich von Köln, der einst Heinrich's Abfall von seinem Vater begünstigt hatte, Gottfried von Löwen, der vom Kaiser erhobene, Heinrich von Limburg, der entsetzte Herzog von Nieder-Lothringen, der nach vorübergehender Gunst bei Heinrich dessen erbitterter Gegner geworden und selbst mit seinem Verdränger Gottfried wider jenen sich verbunden; ferner der Erzbischof Konrad von Salzburg, die Grafen Gerhard von Jülich, Heinrich von Zütphen, Friedrich von Arnsberg. Diese und andere 2) hatten bereits während des Hochzeitfestes zu Mainz sich über einen allgemeinen Aufstand berathen, sehr klug aber denselben verschoben, bis des Kaisers Aufgebot gegen die Friesen ihnen gestattete, die nöthigen Rüstungen zu betreiben, durch die sie jenen zugleich täuschen und mit gewaffneter Hand angreifen konnten 3). Ins Geheim war die Stadt Köln, die stets dem Kaiser abgeneigt sich gezeigt, von den Verschworenen in ihr Interesse gezogen. Sie sollte die Schilderhebung beginnen, wenn das aus Schwaben und Baiern bestehende Heer, welches unter des Kaisers eigener Anführung auf Schiffen den Rhein hinabfuhr, das friesische Gebiet erreicht, sodaß ihm der Rückweg nach Deutschland abgeschnitten, und es von

 

1) Die Händel Friedrich's mit seinem Stiefvater und den Stiefbrüdern gehören in eine Specialgeschichte dieser Fürsten. Ich habe sie weiter ausgeführt in meiner Geschichte der Pfalzgrafen von Sachsen, §. 6. — Wie Friedrich als Advokat des Klosters Gosek, der Stiftung seines Großvaters und Großoheims, verfuhr, siehe Lib. de fundat. Mon. Goz., p. 115.

2) Vergl. Mascov p. 127; Raumer I, S. 284; Stenzel I, S. 660. Ann. Saxo ad 1114: Complures Transrhenanos atque Westfalos.

3) Otto Fris., Chron. VII, cap. 15: Verum in hac curia (Moguntiae), quo pene omnes Principes Regni confluxerant, conspirationes fiunt, ac exhinc non solum occulta consilia, sed et publica contra eum machinamenta disponuntur. Vorher hat er von der großen Furcht gesprochen, die bei den Fürsten des Kaisers Macht erregt hatte.

 

 

____

120 Dritter Abschnitt.

 

allen Seiten von Feinden umringt werden könne. Dieser Plan blieb aber Heinrich nicht verborgen; auch erkannte er, als er stromabwärts zog, die feindliche Gesinnung der Fürsten in Lothringen, am Niederrhein und in Westfalen 1). Er gedachte nun List mit List zu hintertreiben und sandte eine Heeresabtheilung aus kölnischen und anderen rheinischen Mannen bestehend gen Friesland voraus, um sie entweder der augenscheinlichen Gefahr auszusetzen, von den Friesen vernichtet zu werden und dadurch sie sich unschädlich zu machen, oder sie zu zwingen, mit dem Muth der Verzweiflung einen Sieg zu erfechten, der immer blutig und nachtheilig für sie und doppelt gewinnvoll für ihn sein mußte 2). Auch sein Plan scheiterte, weil der gleichfalls zum Feldzuge gegen die Friesen aufgebotene Herzog Lothar zu rechter Zeit den Kölnern, die bereits von Feinden umringt waren, zu Hülfe eilte und ihnen die Rückkehr möglich machte. Dieser Vorfall beschleunigte den Ausbruch des Bürgerkrieges und erbitterte den Kaiser wie die Gegner aufs heftigste. Die Kölner klagten über Verrath, Heinrich nannte ihre nun begonnene Rüstung zur Selbstvertheidigung Widerspenstigkeit und Empörung. Der Krieg gegen die Friesen unterblieb; um Köln entbrannte ein Kampf, der für Deutschland

 

1) Ann. Saxo ad 1114: Imperator contra quosdam in locis palustribus ultra Fresonum insulas habitantes navalem expeditionem multo studio instituit. Quo dum tendit, Coloniam sibi rebellem et in hoc complures Trans-Rhenanos atque Westfalos consentientes invenit. Wer diese waren, wissen wir bereits.

2) So erklärt, erhält die fälschlich zu 1113 gesetzte Nachricht, welche die über die kölner Angelegenheit sonst gut unterrichtete Chronica regia S. Pantaleonis gibt, eine ungezwungene Auslegung. Es heißt daselbst p. 915: Imperator expeditionem super Fresones fecit, ubi Colonienses, qui inter alios huic expeditioni intererant, fraude ipsius Imperatoris a Fresonibus circumventi interventu Ducis Saxonum evaserunt. Dies kann nur zu Anfang des friesischen Feldzuges stattgefunden haben, den alle anderen Schriftsteller auf das Jahr 1114 setzen, und den Herzog Lothar dabei sehr thätig nennen. Da der Kaiser erst im Juni mit dem süddeutschen Heere heranzog, konnte er das norddeutsche, dem Feinde näherstehende, namentlich die Contingente der rheinischen Städte und Fürsten voranschicken. Die großen Zurüstungen, die er gemacht, um ein kleines, unbedeutendes Volk zu bekämpfen, hatten wol auch seinerseits eine andere Absicht. Die Verschwörung, die unter seinen Augen zu Mainz geschehen, und noch weniger die publica machinamenta konnten ihm nicht verborgen bleiben. Er mußte unter irgend welchem Vorwande eine große Heeresmacht aufbringen, und diese vornehmlich in dem ihm treuen, ergebenen Süden, in Schwaben und Baiern, zusammenziehen. Sein Schwager Markgraf Leopold von Oestreich erhielt wol den Auftrag, den unruhigen Erzbischof Konrad von Salzburg zu bewachen. Erst später trat dieser als offener Feind auf.

 

 

____

121 Allgemeiner Aufstand Norddeutschlands.

 

und seine Verfassung höchst verderblich werden sollte, da er das Reichsverband, das kaum von Heinrich V. hergestellt war, mehr als je lose und in solcher Gestalt doch zur Norm für die Folgezeit machte.

 

Um die ganze Bedeutung des nun beginnenden Reichsschismas zu erkennen, müssen wir hier neben den politischen Verhältnissen auch die kirchlichen in ihrer Rückwirkung auf jene verfolgen. Wir sahen, wie unermüdlich die Theilnehmer der vienner Synode an dem Gebäude der Hierarchie fortzuarbeiten, das Fundament fester und breiter zu legen, und den Giebel, der durch Heinrich's V. kräftiges Auftreten in Rom erschüttert war, auf stärkere Pfeiler zu stützen und höher aufzurichten sich bemühten. Nur wenn der Zerstörer von Gregor's Werk unschädlich gemacht, in seiner Kraft nach außen durch Krieg im Innern seines Reiches gelähmt, wo möglich vernichtet wurde, konnte ihr Vorhaben gelingen. Der Kaiser selbst arbeitete ihnen in die Hände. Ohne seinen Sieg über die Kirche gehörig zu benutzen, ohne die wahre Bedeutung seines Vortheils zu erkennen, gab er diesen hin, als er dem schwachen Paschalis den päpstlichen Stuhl wieder überließ, anstatt aus eigener Machtvollkommenheit einen neuen Kirchenfürsten, einen Diener seiner Wahl darauf zu setzen. Vollends aber bereitete Heinrich sich Verderben, seit er die weltlichen Fürsten, anstatt sie als Stützen seines Thrones mit Milde und Bedachtsamkeit sich unterzuordnen, mit Härte und Stolz zur Ergebenheit zwingen wollte. Da versagten sie auch den ihnen gebührenden Gehorsam und schuldigen Dienst, und wollten lieber auf ihren Schultern Roms Hierarchie erheben als dem eigenen angeborenen Herrscher sich beugen, lieber einen fremden Willen als Princip ihres Handelns und Denkens aufnehmen, als das angestammt germanische Gefühl persönlicher Freiheit beeinträchtigt sehen. Die schlaue Politik der Kircheneiferer blieb nicht säumig, den Unmuth aller Stände in Deutschland, der Fürsten wie der Städte und des gemeinen Volkes zu benutzen. Hatte Heinrich IV. eine kräftige Stütze an letztern beiden gefunden, so waren gerade sie Heinrich V. seit Beginn seiner dem Vater entrissenen Herrschaft abgeneigt geblieben. Viel tiefer als damals faßte jetzt der Glaube in Deutschland Wurzel, daß die Kirche der Willkür und Gewaltthätigkeit des Kaisers Schranken zu setzen suche, daß unter ihrem Schutze die Freiheit Aller gesichert stände, weil des Kaisers Härte und Willkür Alle gleich bedrohe und bedrücke. Daß Heinrich auf Grund des dem Papste abgedrungenen Investiturrechts in Kirchensachen unbeschränkt verfuhr, die Besetzung der Bisthümer und Abteien allein von sich abhängig, die Provinzialsynoden durch

 

 

____

122 Dritter Abschnitt.

 

seine Bestimmungen unkräftig machte, die Kirchengüter Voigten übertrug, die seinen Vortheil nicht den der Bischöfe und Gemeinden wahrnehmen sollten 1), dies Alles mußte bei der gläubigen Menge großen Anstoß finden und neigte das Urtheil mehr und mehr dahin, daß der Kirche zu all Dem ein größeres Recht zustünde, als dem Kaiser. Diese Gesinnung im Volke zu nähren, und die Fürsten gegen den Kaiser zu neuem Widerstande zu reizen vor Allem aber die eigenen weltlichen Vortheile zu erringen, die aus einem Kampfe der Nation wider das Reichsoberhaupt unfehlbar ihnen zu Theil werden mußten, waren die hohen Geistlichen im Geheimen geschäftig, wenn auch keiner, selbst der Papst nicht, es wagte, den Bann der vienner Synode in Deutschland laut gegen Heinrich zu verkünden. Aber nur so lange dieser durch Gewalt der Waffen sich furchtbar machte, blieb der allgemeine Unwille stumm. Das Verfahren gegen Adalbert und die überwundenen Fürsten erbitterte mehr, als daß es abschreckte, und brachte die getrennten Interessen der Geistlichen und Weltlichen um so näher zusammen, als beide Theile erkannten, daß sie gegenseitig ihren Vortheil unterstützen könnten, und daß Beschränkung der kaiserlichen Gewalt ein gleiches Bedürfniß für sie sei. Seine Uebermacht zu brechen, einen kräftigen Widerstand auf einen Punkt zu veranlassen, gestattete dann der Kirche, ihre Stimme im ganzen Reiche zu erheben, den von der vienner Synode Gebannten laut als Feind der ganzen Christenheit zu bezeichnen und die gedemüthigten Fürsten zur Rache ihrer eigenen und der der Kirche zugefügten Schmach aufzufodern. Aber nur mit Aufbietung aller Kräfte und durch Vereinigung der weltlichen und geistlichen Interessen gegen die des Kaisers war ein glücklicherer Ausgang als bisher zu erwarten. Denn mislang auch dieser Versuch, so hätten Deutschland, Rom und alle Gegner des Kaisers kaum seine Macht zu erschüttern vermocht,

 

1) Man höre nur die Klagen Friedrich's von Köln in einem Schreiben an Otto von Bamberg, Cod. Udalr., Nr. 277: Omnis Ecclesiastici vigoris autoritas aulicis et Palatinis in quaestum versa est. Synodales Episcoporum conventus, annua consilia, omnes denique Ecclesiastici ordinis administrationes in regalem curiam translata sunt, ut illorum marsupiis inserviant, quae spiritualiter examinari debuerant. Quid de cathedris Episcopalibus dicemus, quibus regales villici praesident, quas disponuut, et de domo orationis speluncam plane latronum efficiunt, de animarum lucris nulla penitus quaestio est, dum tantum terrenis lucris regalis fisci os insatiabile repleatur. In diesem Tone geht es weiter fort, der freilich Alles sehr übertreibt, wenn auch viel Wahres darin nicht zu verkennen ist.

 

 

____

123 Allgemeiner Aufstand Norddeutschlands.

 

und die Hierarchie wie die Unabhängigkeit der Fürsten waren einer unbeschränkten Monarchie, ja einer Despotie gewichen, die Deutschlands Einheit und Größe fester gegründet, aber seine Freiheit und eigenthümliche Entwickelung, die nur durch Kämpfe aller Stände und Gewalten widereinander aus der Beschränktheit der mittelalterlichen Lebenselemente zu den erweiterten Ideen der neuen Zeit vorschreiten konnten, auf lange Zeit mindestens in eine starre, einseitige Staatsorganisation gebannt hätte. Diese war das System der geschlossenen und vollständigen Lehnsherrschaft, die im Kaiser den alleinigen Mittelpunkt des Reiches kennt. Heinrich V., dessen ganze individuelle Persönlichkeit dazu berufen schien, war nahe daran, eine unerschütterliche Feudalverfassung in Deutschland zu begründen. Daß sein Streben scheiterte, verdankte Deutschland damals Männern, die mit derselben Energie ganz entgegengesetzte Principien geltend machten und zur Beschränkung der kaiserlichen Gewalt eine Constitution 1), die der hohen Geistlichkeit und den ersten weltlichen Fürsten sehr bestimmt neben dem Reichsoberhaupte eine beschränkende Gewalt zuwies, hervorriefen, und allen künftigen Kaisern die Herstellung einer absoluten Monarchie unmöglich machten. Diesen höheren politischen Standpunkt muß man zu Würdigung der folgenden Begebenheiten festhalten, um über die scheinbar wenig entscheidenden Kriegsvorfälle das ganz entschiedene Resultat nicht zu verkennen.

 

Welche Gefahr mit dem Aufstande in Köln für ihn drohend anhob, entging Heinrich V. nicht, und sein Zorn vermehrte die Eile, ihr zu begegnen 2). Nicht nur gab er, um die eine Stadt, freilich die mächtigste im ganzen Reiche, zu züchtigen 3), den Feldzug gegen die Friesen auf, sondern zog auch mit der ganzen Heeresmacht, die bereits sich versammelt hatte, gegen die Rebellen. Die Kölner aber,

 

1) Den Begriff der Constitution hat nicht erst die neuere Zeit hervorgerufen; er findet seine praktische Anwendung in der Geschichte des Alterthums wie des Mittelalters, und paßt für das Endergebniß des Kampfes, zu dem der Kaiser und seine Gegner vor Köln sich rüsteten.

2) Wenn die Worte der Chron. Regia S. Pant. ad 1112: Conjuratio Coloniae facta est pro libertate auf einen Aufstand gegen Heinrich gedeutet werden dürfen, so hätten schon vor zwei Jahren die Kölner den Kaiser gereizt, und seinen Unwillen gegen die freiheitliebenden Bürger Kölns sogleich auszulassen, verhinderten nur andere Empörungen.

3) Chron. Regia S. Pant. ad 1114: Imperator memor injuriarum suarum in Colonienses (vornehmlich, als er sie den Friesen preisgab) et illam florentissimam totius Galliae et Germaniae civitatem toto orbi etiam famosissimam aut extenuare aut obfuscare toto conatu deliberans.

 

 

____

124 Dritter Abschnitt.

 

von ihrem Erzbischof Friedrich, den Fürsten in Lothringen, am Niederrhein und in Westfalen einer gleichzeitigen Schilderhebung versichert, erwarteten ihn nicht erst vor ihren festen Mauern, sondern führten ihre kampfgeübte Jugend, von besonnenen, erfahrenen Hauptleuten befehligt, auf dem rechten Rheinufer ihm entgegen und verhinderten die Einnahme von Deutz, wodurch ihnen die Zufuhr auf dem Rheine und die Verbindung mit Westfalen abgeschnitten worden wäre. Als der Kaiser solche Kampfbegierde an den Rebellen wahrnahm, beschloß er sie durch leichte Scharmützel den Tag über zu ermüden und dann am Abende mit seinem überlegenen Heere von Baiern, Schwaben und Sachsen, welche Letztere unter ihrem Herzog Lothar zu ihm gestoßen 1), zu vernichten. Allein, was den Feinden verderblich werden sollte, brachte ihm selber den größten Nachtheil. Da die Kölner eine große Anzahl Schützen auf einer Anhöhe, die die Ebene beherrschte, aufgestellt hatten, erlegten sie durch einen Hagel von Pfeilen Viele aus der kaiserlichen Reiterei, die mehr um ihren Muth oder ihre ritterliche Fechtkunst an unbeholfenen Bürgern im Einzelkampf zu zeigen als eine eigentliche Schlacht zu liefern, hervorsprengte. Am meisten litt eine auserlesene Schar, die theils wegen der drückenden Sonnenhitze, theils aber auch um des Kaisers Beifall zu erhalten, ihre aus undurchdringlichem Horn gefertigten Panzer abgelegt hatte und in wenig Augenblicken fast ganz vernichtet wurde 2). Da gab Heinrich den Plan zu einer offenen Feldschlacht auf, und weil auch die Stadt Köln zu berennen ihm gefährlich schien, so wollte er durch schreckliche Verheerungen am Gebiete der Kölner sich rächen. In der Nacht noch über den Rhein setzend zog er Tags darauf am linken Ufer gegen Bonn 3) und Jülich, wohin die Kölner starke Besatzungen geschickt hatten. Unterdessen waren der Erzbischof Friedrich, Herzog Gottfried von

 

1) Chron. Regia S. Pant. ad 1114: Adunato grandi exercitu Alamannorum, Bajoariorum et Saxonum cum Duce suo Lothario. Der Kampf ist, wie der Text angibt, beschrieben, und hier einmal eine eigene Nachricht in der sonst meist compilirten Chronik.

2) Chron. S. Pant.: Quaedam legio, quae loricis corneis ferro impenetrabilibus utebatur, quas dum captandae aurae gratia exuissent, aestus quippe erat, continuo sagittis excepti ad sex in monumento sunt extincti. Uebertreiben mag wol der kölner Chronist.

3) Wenn dies, mit Stenzel I, S. 661, statt Verona der Chron. S. Pant. zu lesen oder darunter zu verstehen ist.

 

 

____

125 Allgemeiner Aufstand Norddeutschlands.

 

Lothringen 1), die Grafen Heinrich von Zütphen, Dietrich von der Aar, Gerhard von Jülich und viele andere Fürsten und Edle gleichfalls mit ihren Scharen herbeigezogen, und, durch den Sieg der Kölner ermuthigt, wollten sie nicht erst noch andere Bundesgenossen abwarten, sondern sogleich den Kaiser, ehe dieser Verstärkungen erhalte, angreifen. Schlimm wäre beinahe dieses Wagniß abgelaufen. Schon hielten ihre Reihen nicht mehr Stand, schon waren viele Tapfere, und unter ihnen Fürsten, gefallen, verwundet oder gefangen genommen, als die Grafen Friedrich und Heinrich von Arnsberg zu rechter Zeit den Wankenden zum Beistand heranzogen, mit frischen Streitkräften die Kaiserlichen angriffen und nach hartem Kampfe zur Flucht nöthigten. Kaum entging Heinrich selbst den heftig verfolgenden Siegern 2).

 

War durch zwei Niederlagen die Macht des Kaisers zu sehr geschwächt, durfte er den Fürsten in seinem Heere nicht mehr ganz trauen, oder lief die Zeit der Heeresfolge ab, die zu einem Feldzuge gegen auswärtige Feinde, nicht gegen deutsche Fürsten und Städte aufgeboten war; genug Heinrich entließ seine Mannen, befahl aber den Fürsten, im Herbst sich zu einem neuen Zuge gegen Köln zu rüsten. Er selbst eilte nach Thüringen, wo die Flamme der Empörung noch immer fortgelodert, und die Söhne des gefangenen Grafen Ludwig, obschon sie (im Mai) die Lösungssumme für den Vater vom Kloster Reinhardsbrunn erhoben, die Entrichtung verzögerten 3) und wie gegen ihren Stiefbruder Friedrich von Putelendorf, so gegen den Kaiser feindlich gesinnt waren. Als dieser von Ausgang August bis Mitte September in Thüringen verweilte 4), mußten sie die 40 Mark abliefern, nicht sowol zur Befreiung des Vaters, als zur

 

1) Dieser hatte schon vorher den dem Kaiser anhängenden Grafen Giselbert, Advokaten der Abtei St. Tron, bekriegt, die Stadt St. Tron sammt allen Dörfern und selbst Kirchen in Asche gelegt. S. Chron. abbat. St. Trudonis, p. 696.

2) Chron. S. Pant. nachdem er von den Verbündeten gesagt, daß sie fortiter sed infelicter gekämpft: Superveniente autem Friderico Comite Westfaliae et fratre ejus Heinrico valida acie Imperator bello avertitur, et insequentibus adversariis vix fuga labitur.

3) Entweder, wie früher angegeben ist, weil sie dem Kaiser nicht trauten, oder weil sie nach den Vorfällen am Rhein, nach den geheimen Verschwörungen der sächsischen Fürsten eine günstige Wendung der Dinge und die Freilassung des Vaters hofften, ehe sie die Summe auszahlten.

4) Am 26. Aug. und 14. Sept. war der Kaiser in Erfurt. S. Stenzel, II, S. 324.

 

 

____

126 Dritter Abschnitt.

 

Sühne ihrer eigenen Vergehen wider das Reichsoberhaupt 1). Jener blieb in Haft, bis eine günstige Wendung der nachfolgenden Kriegsereignisse seine Auslösung herbeiführte.

 

Als im Anfange Oktobers 2) ein neues großes Heer aus Sachsen, Franken, Schwaben, Baiern, Burgund 3) sich um den Kaiser versammelte, beschloß dieser die neulich erlittene Niederlage an den Grafen von Arnsberg zu rächen. Verheerend fiel er in ihre westfälischen Besitzungen, belieh Andere mit ihren Reichslehngütern und ließ, um in diesen Gegenden wider alle Rebellen einen festen Anhalt zu haben, eine Burg aufrichten, die mit einer starken Besatzung, allen nöthigen Waffenvorräthen und Lebensmitteln versehen wurde 4). Darauf wandte er sich gegen das trotzige Köln, das auch seine jetzige Uebermacht nicht schreckte. Um eine abermalige Verheerung ihres Gebietes zu verhindern und die Zufuhr auf dem Rhein nicht abschneiden zu lassen, hatte ihr Heer bei Andernach eine feste Stellung genommen und erwartete den Feind, obgleich ihr Heer, selbst nach Vereinigung mit Erzbischof Friedrich, Heinrich von Limburg, Dietrich von der Are und anderen Bundesgenossen an Zahl dem kaiserlichen nachstand, über welches diesmal nicht Heinrich selbst, sondern mehre Anführer den Oberbefehl hatten. Zwar die Vorhut unter dem Erzherzoge von Lothringen mußte sich vor der

 

1) Schannat, Vind, I, p. 114: XL libris argenti pro redemptione inhabitandae Patriae sui suorumque, qui Imperio nostro secum rebelles exstiterant, persolutis Ludovicus Iunior vendidit (nämlich vorher aufgezählte Ortschaften). Patre suo Ludovico Comite, tunc temporis per nos redacto in captivitatem, praecipiente sibi et collaudante et Cohaeredibus suis - - consentientibus per omnia, ut V Nonas Maji MCXIV in villa, quae dicitur Ilmine. — Datum XVIII Kal. Octobris. Actum Erfurth.

2) Chron. Ursp., Ann. Saxo ad 1114: Circa Kal. Octobris.

3) Diese nennt Chron. S. Pant. Die Fürsten, die Theil nahmen, waren nicht dieselben, oder wenigstens nicht alle die gleichen, wie bei dem Sommerfeldzuge.

4) Chron. Ursp. und Ann. Saxo: Friderici possessionem aggreditur. Qua undique vastata et in medio regionis illius castro firmo constructo eoque militibus, armis atque stipendiis instructo hieme superveniente ab armis disceditur. Hier ist von der im Texte gegebenen Niederlage gar nicht die Rede. Die erbaute Burg würde man nach dem Zusammenhang der Worte für eine im Lande Friedrich's halten. Doch ist regio wol allgemeiner für das ganze Gebiet der Verbündeten zu nehmen, und vornehmlich an eine Veste, die den Kölnern verderblich werden sollte, zu denken. Wo und welche es gewesen, erfahren wir nirgend.

 

 

____ 127 Allgemeiner Aufstand Norddeutschlands.

 

überlegenen Macht der Kaiserlichen ins Lager zurückziehen, doch noch zu rechter Zeit stellte das ganze Heer der Verbündeten sich in Schlachtordnung und griff mit Ungestüm die Gegner an. Lange blieb der Ausgang zweifelhaft, bis eine auserwählte Schar der kölner Iugend unter ihrem tapferen Führer Dietrich von der Are, entschlossen zu Sieg oder Tod, die Kaiserlichen zum Wanken brachte und endlich völlig in die Flucht trieb. Viele Edle und Knechte fanden den Tod oder geriethen in Gefangenschaft der Sieger, wie Herzog Berthold III. von Zähringen 1), der gleich seinem Vater dem Kaiser jetzt wie in Zeiten noch größerer Bedrängniß mit Treue und Eifer diente. Heinrich, der nicht fern von dem Kriegsschauplatze verweilte 2), empfing die Nachricht einer abermaligen 3) Niederlage der Seinen, mit Schmerz und Zorn; es war sein Verlangen, an den Rebellen harte Züchtigung zu üben, wiederum vereitelt. Der herannahende Winter hatte, selbst wenn sein Heer noch stark genug gewesen, oder

 

1) Chron. S. Pant. ist für diese Schlacht bei Andernach Hauptquelle. Ueber den Ausgang: Plures ingenui et militares trucidantur et capiuntur, inter quos et Bertolfus Dux Karinthiorum (richtiger wol Bertholdus Dux Zaringorum, weil nicht wegen Kärnthen, das Berthold's Vater einmal kurze Zeit besessen, sondern wegen Schwabens den Zähringern der Herzogtitel verblieben war) Imperatori fidissimus captus. Auch die Kölner hatten einen Verlust: Heinricum Comitem de Kesle, virum egregium, qui, per fraudem suorum, equorum pedibus suffocatus, Coloniae juxta ecclesiam B. Petri honorifice tumulatus est.

2) Chron. S. Pant. berichtet zu Anfang des Feldzuges: Imperator per suos duces pugnaturus cum intolerabili multitudine Andernacum venit, ipse quidem bello abstinens et non longe eventum pugnae operiens, was von Ort und Zeit zugleich gilt.

3) Daß das Treffen bei Andernach nicht in den ersten Feldzug des Jahres 1114, wie Mascov p. 172 annimmt, sondern wie Stenzel I, S. 661 thut, in den vom Oktober zu setzen sei, erhellt aus der Angabe der Völker, die Chron. S. Pant. im Heere des Kaisers nennt. In den Schlachten bei Deutz und Bonn werden nur Schwaben, Baiern und Sachsen (unter Lothar) angegeben; bei Andernach zwar auch jene drei, aber die Sachsen nicht von Lothar geführt, und außerdem Franken und Burgunder. Der Chronist scheidet zwar die Feldzüge nicht genau (Tertio posthinc bello in campis Anturnacensium d. i. das dritte Treffen. Danach doch von einer neuen Heeresversammlung: Congregato namque plurimo tam pedestris quam equestris militiae comitatu) und gibt keine Zeitbestimmung; jener Umstand aber und daß nach einer Niederlage, wie die bei Bonn, Heinrich nicht sogleich ein neues Treffen liefern konnte, in welchem sein Heer intolerabili multitudine, das der Verbündeten longe satis impari copia heißt, beweisen, daß hier an das neue Aufgebot zu denken ist, welches Chron. Ursp. und Ann. Saxo circa Kal. Octobris setzen, ohne freilich der Schlacht bei Andernach zu erwähnen.

 

 

____

128 Dritter Abschnitt.

 

durch neue Aushebungen ergänzt worden wäre, von neuen Kriegsunternehmungen gegen Köln ihn abhalten müssen. Ueberdies drohte bald anderswoher eine größere Gefahr.

 

Die Folgen zweier so schimpflicher Feldzüge gegen die westlichen Rebellen mußten bei der Stimmung, die in ganz Deutschland herrschte, für Heinrich äußerst nachtheilig wirken. Außer seinen Neffen, Friedrich und Konrad von Hohenstaufen, und dem Pfalzgrafen Gottfried vom Rhein konnte er kaum noch einem der größeren Fürsten sicher trauen, und die einzelnen ergebenen Grafen und Ritter in den aufgestandenen oder sich zum Aufstande rüstenden Provinzen waren zu schwach, den mächtigen Verbündeten lange Widerstand zu leisten oder des Kaisers Sache aufrecht zu halten. Fast in allen Gegenden des Reiches erhob sich Zwiespalt, Parteiung und Kampf zwischen Anhängern und Gegnern des Kaisers, vor dessen Zorn Keiner mehr zaghaft zurückbebte.

 

Die gefährlichste Empörung aber drohte in Sachsen. Allgemein und groß war hier der Unwille über die schmachvolle Behandlung, durch welche Heinrich die meisten Fürsten in ihrer Person verletzt hatte, über die unerhörten Geldfoderungen 1), wodurch Viele zu Gebietsabtretungen genöthigt und in Schulden gerathen waren, über die Ungerechtigkeit, womit er die Einen nach Empfang der Lösungssummen dennoch in Haft zurückhielt, Andere ihrer Würden und Lehen beraubte, wie Ersteres mit den Grafen Wiprecht von Groitsch, Ludwig von Thüringen und Burchard von Meißen 2), Letzteres mit Rudolf von der Nordmark, Friedrich von Sommerschenburg, Friedrich von Arnsberg und Reinhard von Halberstadt 3) geschehen war. Noch fehlte den Misvergnügten ein mächtiges Haupt, bis wieder Lothar an ihre Spitze trat. Ob auch ihn eine besondere Beeinträchtigung nach seiner Demüthigung zu Mainz getroffen, ist nicht bekannt. Es scheint, daß der Kaiser ihm nur die Heeresfolge gegen seine und des

 

1) Vita Vip., cap. XI, §. 6: Omnes Principes Saxoniae censu ante inaudito cunctis indicto vehementer infestabat. Fast scheint hier von einer neu eingeführten Abgabe, wie Heinrich sie später dem ganzen Relche auferlegen wollte, die Rede zu sein.

2) Burchard wurde 1116 freigelassen; den Anlaß seiner Verhaftung kennen wir nicht. S. Vita Vip., cap. XI, §. 19.

3) Lib. de fund. Coen. Big., p. 123: Privavit dignitatibus suis Episcopum Halberstadensem venerabilem, Reinhardum Comitem Palat. de Sommerskenburch et Fridericum de Arnsberg ac Rudolfum Nordmarchia potitum substituitque pro eis alios sibi faventes. Vergl. Vita Vip. a. a. O.

 

 

____

129 Allgemeiner Aufstand Norddeutschlands.

 

Reiches Feinde auferlegt hatte, welcher Verpflichtung er, wie wir gesehen, gegen Friesland und selbst gegen Köln entsprochen. Unter den Theilnehmern des Herbstfeldzuges erscheint er nicht mehr, sei es, weil er nicht zweimal in einem Jahre zu Felde ziehen durfte, oder, was wahrscheinlicher, weil ein feindlicher Einfall der Slaven ihm einen Vorwand gab zurückzubleiben. Genug, ein Krieg gegen diese nahm seine ganze Thätigkeit in Anspruch und wurde mit großem Ruhm beendet. Nicht nur den Slavenfürsten Dumar und dessen Sohn zwang er zur Unterwerfung, auch einen Häuptling der Rüger, der feindlich eingefallen, trieb er durch eine geschickt und rasch ausgeführte Umzinglung so in die Enge, daß derselbe ohne Schwertschlag sich für überwunden erklärte, um Frieden bat, einen großen Tribut zu zahlen versprach und dazu durch Eidschwur und Geißelstellung seines Bruders sich verpflichten mußte 1).

 

So ganz geändert hatte sich die Lage Lothar's und des Kaisers, daß jener nun als Sieger ein Heer erprobter Krieger, dieser als Besiegter kaum die Ueberreste eines ihm zum großen Theil nur ungern gehorchenden Reichsaufgebotes von ihren Feldzügen zurückführten. Auf Jenen sahen die misvergnügten, zum Theil schon im Aufstande begriffenen sächsischen Fürsten als ihren mächtigsten Helfer, auf Diesen mit Furcht, daß er seinen Zorn, den erlittene Schmach nur erhöhet, an ihnen auslassen werde. Lothar konnte die auf ihn Hoffenden täuschen, dem Kaiser seinen mächtigen Arm bieten und reichen Lohn dafür erwarten. Doch Eigennutz leitete nicht seine Handlungen. Sein Streben war, die Rechte der Fürsten gegen Willkür des Reichsoberhauptes zu schützen. Noch im Jahr 1114 trat er an die Spitze der sächsischen Misvergnügten, und mit ihm seine Schwiegermutter Gertrud und der Erzbischof Adelgot von Magdeburg, der seine geächteten Neffen, die Söhne des gefangenen Wiprecht von Groitsch, aus dem Versteck der Wälder und unsicherer Schlupfwinkel in seiner Stadt Luburg aufgenommen hatte 2), dem Bunde gegen den Kaiser bei.

 

1) Ann. Saxo hat hier eine eigene Nachricht, die man selbst bei Helmold vergeblich sucht: Luiderus D. S. expeditionem movet super Dumarum Slavum ejusque filium et eos ad deditionem coegit, principem quoque Rugianorum ad se in bellum venientem sagaci agilitate circumvenit, qui, ut circumventum se vidit, pacem colloquiumque Ducis depoposcit, germanum fratrem suum obsidem dedit, pecuniam copiosam spopondit, fiem sacramento confirmavit.

2) Adelgot war ein Sohn Werner's des Aeltern von Veltheim und der Schwester des ältern Wiprecht. S. Vit Vip., cap. I, §. 9. Das im Text Erzählte berichtet ausführlich Vit. Vip., cap. XI, §. 8 u. 9. Adelgot hatte sich wol von mehr als der seinen Verwandten erwiesenen Gunst vor dem Kaiser zu rechtfertigen. Da die Neffen an der Verschwörung zu Kreutzburg Theil nahmen, mußte auch Adelgot darum wissen, und war dadurch schuldig. Furcht vor Heinrich war gewiß ebenso die Triebfeder seines Erscheinens vor dem Kaiser als seiner Flucht von Hofe, sobald er erkannt, daß er sich nicht würde völlig rechtfertigen können.

 

 

____

130 Dritter Abschnitt.

 

Die Verschworenen hielten mehre geheime Berathungen 1), die nicht sogleich auf Empörung und Abfall gerichtet waren, sondern nur einmüthige Beschwerdeführung über die erlittenen Beeinträchtigungen, Abstellung derselben, vornehmlich Freigebung der gefangenen Fürsten, Wiedereinsetzung der Beraubten, eine allgemeine Amnestie und Sicherstellung für die Zukunft bezweckten. Bei aller Mäßigung dachten sie indeß auch daran, wie sie vor jeder neuen Gewaltthätigkeit sich schützten. Zu diesem Zweck ward eine Bewaffnung und Vorbereitung der Vertheidigung nöthig erachtet. Auf der letzten Versammlung zu Kreutzburg 2) an der Werra verpflichtete sich jeder Theilnehmer zu treuester Hülfeleistung und fester Ausdauer, wenn des Kaisers Sinn gegen ihre Bitten und Vorstellungen keine Nachgiebigkeit zeige. Ohne Zweifel fand eine Verbindung der sächsischen und rheinischen Fürsten schon damals statt, und Letztere hatten gewiß viel beigetragen, die Sachsen zu einem neuen Aufstande durch Zusage ihrer Hülfe zu bewegen 3). Kreutzburg, einen soweit westlich gelegenen Ort, der überdies dem am Oberrhein verweilenden Kaiser die Verschwörung leicht verrathen konnte, hätten wol die sächsischen Fürsten nicht zu ihrer Versammlung gewählt, wenn an dieser nicht

 

1) Vit. Vip., cap. XI, §. 7: Multa conventicula simul habuerunt.

2) Ibidem: Tandem juxta Kruciburg simul conglobati initum foedus juramento firmarunt.

3) Friedrich von Arnsberg gehörte als westfälischer Graf schon zum Sachsenbunde. Seine Verbindung mit den transrhenanischen Fürsten und den Kölnern brachte auch diese mit den östlichen Widersachern in ein Einverständniß. Ob Letztere an dem Aufstande Kölns im Geheimen Theil genommen, oder denselben veranlaßt, um sich unterdessen zu rüsten, ist nicht zu entscheiden. Erst als Lothar wider den Kaiser auftrat, wurde Sachsen der Heerd und die Basis der allgemeinen Empörung durch ganz Norddeutschland. Auf die Stimmung der Sachsen war bei der Empörung in den Rheingegenden gerechnet. Ja selbst weiter noch scheint die Verbindung verzweigt gewesen. Erzbischof Friedrich von Köln in seinem früher angeführten Mahnungsschreiben an Otto von Bamberg meldet diesem: Jungitur se nobis Francia, libero ore veritatem Saxonia profitetur.

 

 

____

131 Allgemeiner Aufstand Norddeutschlands.

 

auch die Rebellen im Westen des Reiches Theil genommen. Die Folge bewies, daß Letztere ihren Beistand Jenen nicht versagten, als dem Schwert die letzte Entscheidung vorbehalten blieb. Sobald Heinrich von den Bewegungen in Sachsen hörte, bot er seine stets unermüdliche Thätigkeit auf, ihnen zu begegnen. Allein zu den einzig heilsamen Mitteln, Nachgiebigkeit, Milde, augenblicklicher Entlassung der gefangenen Fürsten, Aufhebung der Bedrückungen, nachdrücklichen Verweisen an seine willkürlich im Lande schaltenden Diener und Günstlinge konnte sein Stolz sich noch nicht entschließen. Mit Strenge hoffte er die Widerspenstigen, die er so wenig vorbereitet wie im vorigen Jahre zu überraschen glaubte, zum Gehorsam zwingen zu können. Am Rhein brachte er eine bedeutende Kriegsmacht zusammen, mit der er noch im Winter 1114 in Goslar erschien, und die seine Anhänger in Sachsen und Thüringen noch verstärken sollten 1). Als er um Weihnachten die Häupter der neuen Verbindung nach Goslar beschied, blieben dieselben wie vor zwei Jahren zu Erfurt aus 2). Nur der Erzbischof Adelgot, der eine seinen Verwandten bewiesene Mildherzigkeit für kein strafbares Vergehen wider den Kaiser hielt, oder diesen zu versöhnen hoffte, erschien am Hofe, verließ ihn aber bald wieder, weil die Warnung eines geheimen Anhängers seines Hauses, der im kaiserlichen Gefolge sich befand, in ihm den Argwohn erweckte, Heinrich wolle ihm den Prozeß machen und ihn gefangen setzen 3). Alle Widerspenstigen traf nun die Reichsacht, ihre Würden und Lehen wurden Andern zugewiesen und der Krieg gegen Jene beschlossen. Die dem Kaiser willfährigen

 

1) Ann. Saxo ad 1115: Imperator considerans Saxoniam manifeste jam a se deficere contra eam ut iratus ita et armatus venit, et tam ex his, quos adduxersat, quam quos inibi voluntarios invenerat, castra non modica instituit.

2) Ann. Saxo a. a. O.: Natalem Domini Goslariae celebravit, et Reinhardo Halberstadensi Episcopo, Duci Liudero, Palatino Comiti Friderico, Marchioni Rodolfo, ut curiae huic intersint, edicit. Geladen waren gewiß alle sächsischen Fürsten. Der Annalist nennt nur die welche ausblieben.

3) Vita Vip., cap. XI, §. 9 u. 10: Quidam Archiepiscopo familiaris a suo nepote, qui in regis erat ministerio, est clam praemonitus, scilicet Archiepiscopum regis circumventum fraudibus et non solum sequenti die deponendum, sed etiam cum suis omnibus capiendum. — Ille (Adelgotus) nil moratus in ipsius noctis tenebris, ignorantibus adversariis et celeriter equis ascensis Nsgäeburg snte meöism noctem cum suis sufugit. - §. II: Archiepiscopus absens deponitur et ultio fieri de Saxonibus reipublicae contemptoribus illico decernitur.

9*

 

 

____

132 Dritter Abschnitt.

 

Fürsten versprachen binnen vierzig Tagen ihre Mannschaft aufzubieten und die alte Pfalz Walhausen wurde zum Sammelplatz bestimmt 1).

 

Unterdeß waren auch die Verbündeten nicht unthätig und keineswegs von Furcht gelähmt. Gleich nach dem Tage zu Kreutzburg hatten sie die Veste Walbeck an der Wipper stark befestigt und von derselben aus den Grafen Hoyer von Mansfeld, den gefährlichsten Gegner im eigenen Lande, auf alle Weise bedrängt 2). Von dort aus ließen sie durch Gesandte Heinrich erklären, daß sie nur zur Selbstvertheidigung, nicht zum Kampfe wider Kaiser und Reich die Waffen ergriffen hätten 3) und sogleich diese niederlegen würden, wenn er ihren Bitten geneigtes Gehör und Abstellung ihrer gerechten Beschwerden gewähre. Anstatt zu besänftigen, erhöhete dies Heinrich's Zorn, und dem Schwert allein verblieb die Entscheidung. Beide Parteien zogen ihre Streitkräfte zusammen. Im Dienste des Kaisers zeigten sich besonders Diejenigen sehr thätig, denen die Würden und Güter der Geächteten zugesprochen waren, wie der junge Heinrich von Stade, der schon früher die Nordmark erhalten, sie aber seinem Oheim noch nicht hatte entreißen können 4), Friedrich von Putelendorf, der neue Pfalzgraf, und vor Allem der zum Herzog von Sachsen ernannte Hoyer von Mansfeld. Während dieser mit andern Anhängern des Kaisers Orlamünde belagerte, nahm Heinrich selbst Braunschweig, das Erbe der Markgräfin Gertrud, ein und zerstörte das seiner Mauern beraubte Halberstadt nun vollends 5). Die Verbündeten, sei es nun, daß sie dem Kaiser nicht unmittelbar Trotz bieten, oder daß sie leichter den Grafen Hoyer zu bekämpfen dachten, wandten sich gegen diesen und suchten nur die Vereinigung der noch

 

1) Vit. Vip., cap. XI, §. 9 u. 10! Expeditione dehinc post 40 dies scilicet IV. Idus Februarii suis omnibus indicta, apud Walehusen suum adunant exercitum.

2) Vit. Vip., cap. XI, §. 7: Inde proficiscentes castrum, quod Wallebeche dicitur, ad injuriam Regis aedificarunt. Ex quo Hogerum Comitem onmibus modis infestabant. S. auch Ann. Saxo ad 1115. Walbeck, nicht das ohnweit Helmstädt gelegene Stammschloß von Lothar's Vorfahren, sondern im Mansfeldischen an der Wipper gelegen.

3) Chron. Ursp.: Non pugnandi contra dominum suum audacia sed defendendi necessitate coacti.

4) Ann. Saxo ad 1114: Ejecto Rodolfo, milder Chron. Saxo ad 1115: Rudolfus remisit marchiam. Der Pegauer Mönch dagegen a. a. O.: Rudolfum Nordmarchia potitum.

5) Ann. Hildesh., Ann. Saxo ad 1115.

 

 

____

133 Schlacht am Welfesholze.

 

vereinzelt operirenden Gegner bei Walhausen zu verhindern 1). Diese bewerkstelligte der Kaiser dennoch zu der festgesetzten Zeit 2) an einem Orte, das Welfesholz genannt, in der Gegend von Eisleben, machte es dadurch aber zugleich den westlichen Bundesgenossen der Sachsen möglich, zu diesen zu stoßen. Die Arnsbergischen Brüder, Heinrich von Limburg, Hermann von Cavelage, ein Enkel des berühmten Otto von Nordheim 3) und andere Fürsten und Hülfsvölker 4) verbanden sich mit Herzog Lothar, unter dessen Führung die Gesammtmacht gleichfalls am Welfesholz lagerte. Einige Tage zögerte man noch auf beiden Seiten mit dem Angriff, theils wegen der rauhen Winterkälte und Schneemassen, die Wege und Felder deckten, theils aus Besorgniß über den Ausgang eines Alles entscheidenden Treffens 5). Waren die Verbündeten der Härte und des Zornes eingedenk, mit denen der Kaiser sie bedrohete, wenn er Sieger bliebe und die abermals Abgefallenen züchtigte, so erkannte Heinrich, daß nach einer Niederlage in Sachsen wie am Rhein seine Herrschaft, ja in ganz Deutschland sein kaiserliches Ansehen kaum noch zu behaupten möglich wäre. Aber der ungestüme Hoyer, der nach der Herzogwürde begierig Verlangen trug und für schimpflich hielt, mit fast noch einmal so starkem Heere unentschlossen vor dem Feinde im Lager zu stehen, er, der einst mit 300 Mann das Vorhaben der rebellischen Sachsen vereitelt hatte, wollte mit seiner Schar, einer auserlesenen jungen Mannschaft, die gleich ihm kecker Muth und Kampfeslust beseelte , nicht länger zaudern. Mit Ungestüm warf er sich (am 13. Februar 1115) auf den Feind; ihm entgegen trat, zornentbrannt für des Vaters Gefangenschaft und die Beraubung des Erbes an dem

 

1) Vita Vip., cap. XI, §. 11: Saxonibus e contra pro posse in id ipsum (Walehusen) enitentibus.

2) Vita Vip. a. a. O.: Ventum erat ad tempus indictum ad locum, qui Welfesholz dicitur.

3) Ann. Saxo p. 563 nennt Hermann einen Sohn des ältern Hermann von Calverla (so wird er hier genannt, p. 631 H. de Cavelage) und der von Welf verstoßenen Ethelinde. Friedrich von Arnsberg war der Sohn einer jüngern Tochter Otto's, die an Konrad von Arnsberg vermählt gewesen.

4) Ann. Hild. und Ann. Saxo a. a. O. geben nur die Genannten an. Chron. Pantal. p. 916: Adjunctis Friderico Archiepiscopo cum Coloniensibus. Daß auch Diese Hülfstruppen nach Sachsen geschickt, ist wahrscheinlich.

5) Vita Vip. a. a. O.: Propter hyemis asperitatem ac nivium importunitatem bellum in crastinum differtur. Chron. Ursp. und Ann. Saxo: Cumque per aliquot dies pars utraque alteri minaretur et parceret.

 

 

____

134 Dritter Abschnitt.

 

Urheber Beides sich zu rächen, der junge Wiprecht von Groitsch. Wie jenen die Hoffnung auf ein neues großes Besitzthum erfüllte, trieb diesen Verzweiflung, weil ihm nichts von seiner Habe als das Schwert gelassen. Weit voran vor den Seinen, nur von einem Ritter gefolgt, sprengt der Mansfelder in den feindlichen Haufen; weil dieser unberitten, oder weil er durch sein Streitroß sich behindert glaubt, steigt er ab und will mit erhobenem Schwert sich Bahn brechen. Nicht erschreckt dies den jungen Groirscher Helden; auch er, nur begleitet von einem tapfern Brüderpaar, stürzt zum Zweikampf hervor, schleudert die Lanze wider die Brust des Gegners mit solcher Gewalt, daß sie tief in den Panzer dringt; doch Hoyer's Gefährte zieht das Eisen heraus, mit erhöheter Wuth führt Hoyer selbst einen toddrohenden Schlag auf Wiprecht's Haupt; den fängt dieser mit dem Schilde auf, dringt nun auch mit dem Schwerte auf den Gegner ein und glücklicher als der, versetzt er demselben einen Hieb, daß er niederstürzt und den zweiten tödtlichen nicht mehr abzuwenden vermag. Da jeder den Furchtbaren im Leben gekannt, bleibt sein Fall nicht verborgen und erhebt den Muth der Sachsen, wie er den der Kaiserlichen niederbeugt. Jene kämpfen für Freiheit und Recht, diese erfüllt kein höheres Interesse; auch Denen, die Heinrich auf den Lohn des Sieges verwiesen, schwindet die Hoffnung auf Beides, und bald erfaßt Alle die Furcht vor den erbitterten Gegnern, deren Einer zwanzig bis dreißig von ihnen niederwirft oder in die Flucht jagt. Dennoch währete, weil der Kaiser nicht die Fassung verlor und um jeden Preis den Sieg noch zu erringen suchte, die Schlacht bis zum Einbruch der Nacht. Da hielt auch jener die Flucht für das einzige Heil 1). Mit den Ueberresten seines großen Heeres wandte er sich

 

1) Jenes famosissimum proelium berichten alle Chronisten, am ausführlichsten die Vita Vip., cap. XI, §. 11-14, und nach ihm der Pegauer Mönch bei Hoffm., Scrpt. rer. Lusat. IV, p. 123. Ohne diese Beiden wüßten wir nichts von der Heldenthat Wiprecht's, da die anderen Schriftsteller, obwol auch sie die Niederlage des Kaisers vornehmlich aus dem Fall Hoyer's von Mansfeld herleiten, den Ueberwinder dieses nicht namhaft machen. Differenzen herrschen in der Angabe des Tages. Ann. Hildesh., Ann. Saxo, Chronogr. Saxo geben das Datum III. Idus Februarii, Helmoldi Chron. Slav., Dodechin, Alb. Stad. Kalend. Februarii. Die Angabe der Ersteren, die, wenn man die Nachricht der Vita Vip. aus dem Zusammenhange des Erzählten auffaßt, auch durch sie bestätigt wird (ad tempus indictum, die vorher IV. Idus Febr. angegeben, trafen die Heere im Welfesholz zusammen; bellum in crastinum differtur, also III. Id. Febr.) scheint die richtigere. Vergl. Stenzel II, S. 324. Die Stärke der Feinde nach Helm. und Alb. Stad.: Tres (Saxones) contra quinque pugnaverunt. Daß der Kaiser die Seinen geführt, sagt Vita Vip. §. 13: Imperator adveniens ordinavit acies. Die Gesinnung beider Heere §. 14: Saxones pro patria viriliter agentes, hostes nec spe nec timore enitentes, quasi oves tanto furore aggressi sunt, ut XXX seu XX ab uno Saxone occumberent Die Dauer des Kampfes, ibid: Toto die pugnatum est, et nox interveniens bellum diremit.

 

 

____

135 Schlacht am Welfesholze.

 

nach Baiern und dann nach dem Rheine 1). Die Sachsen waren von ihrem unerwartet glänzenden Siege so überrascht, daß sie noch bei des Kaisers Flucht an demselben zweifelten, und in der Furcht, es möchte ein versteckter Hinterhalt ihnen den errungenen Vortheil entziehen, den Fliehenden nicht einmal verfolgten. Auf dem Schlachtfelde errichteten sie zum Gedächtniß des für ihre nationale Freiheit so glücklich ausschlagenden Kampfes eine Kapelle und darin eine Statue nach Weise ihrer Altvordern mit Helm, Schild und Keule, welcher späterhin die Umwohner der Gegend den Namen des heiligen Tyodut oder Jodut beilegten 2). Den Haß gegen Heinrich bezeichnete eine andere minder lobenswerthe Handlung. Auf den Rath des Bischofs Reinhard von Halberstadt, der im Heere der Verbündeten viel galt, der vor und während der Schlacht die Kämpfer durch seine religiös ermahnenden, auf die Gerechtigkeit ihrer Sache tröstend verweisenden Reden ganz besonders ermuthigt hatte, ward den gefallenen Kaiserlichen eine ehrliche Bestattung versagt, weil sie als Anhänger eines gebannten Kaisers in den Tod der Verdammniß gegangen seien. Ueberhaupt fing man an, diesem anfangs rein weltlichen Kampfe in Sachsen, wie in den andern Provinzen, die wider Heinrich im Aufstande waren, eine kirchliche Bedeutung unterzulegen und die Kämpfer für Freiheit und Eigenthum in Streiter für Kirche und Hierarchie umzuwandeln. Nicht alle weltlichen Fürsten mochten darin einverstanden sein, allein noch nicht gestattete ihnen ihr eigenes Interesse sich von der Geistlichkeit zu trennen oder als Vermittler und selbstständiger Stand für Kaiser und Kirche, wie für sich selbst bestimmte Rechte zu fodern. Noch immer schien Heinrich's Macht

 

1) Ersteres nennt die Vita Vip. a. a. O.: Victores postera die Regem in Bojariam fugisse compererunt. Dagegen sagen Chron. Ursp. und ihm nachschreibend Ann. Saxo ad 1115: Imperator non parum amaricatus ad Rhenum convertitur, was indeß nicht unmittelbar nach der Schlacht geschehen zu sein braucht.

2) Corner p.657 ad 1117 (für 1115) und Dodechin ad 1115. Erster fügt hinzu: Quasi Saxones victoriam ipsius auxilio habuerint. Vergl. Krantz, Hist. Saxon., lib. V, cap. 36. Es charakterisirt auch diese Erhebung der Kriegestrophäe zu einem Heiligen den Geist des Krieges selbst.

 

 

____

136 Dritter Abschnitt.

 

gefährlich; um ihn zu beschränken, wider ihn das Volk in Aufregung zu erhalten, damit es nicht gewahr werde, daß an die Stelle eines Tyrannen jetzt der härtere Druck vieler kleinen Despoten getreten, gestatteten sie, daß man der Empörung gegen das Reichsoberhaupt das Ansehen eines heiligen Krieges gab, während weltliche und geistliche Fürsten auf gleiche Weise die Vergrößerung ihrer Macht im Auge behielten. Zur Verhütung jenes Zerwürfnisses, welches dem Kaiser Gelegenheit geben könne, sich für die erlittenen Niederlagen zu rächen, wurde der früher geschlossene Bund auch ferner aufrecht erhalten, wiederholte Zusammenkünfte und Berathungen über des Landes Wohl gaben seiner Thätigkeit Einheit und Nachdruck. Vorerst ward beschlossen für Sicherheit im eigenen Lande durch Unterdrückung aller inneren Zwistigkeiten, durch Bekämpfung der kaiserlichen Anhänger und Abwehr jedes auswärtigen Feindes Sorge zu tragen 1). Denn noch waren viele Vesten in Sachsen und Thüringen mit starker Besatzung versehen und droheten nicht nur mit verheerenden Ausfällen, sondern gewährten auch den Freunden des Kaisers so lange Schutz und Beistand, bis dieser, wie jene mit Zuversicht erwarten durften, einen neuen Heereszug nach Sachsen machen werde. Die feindlichen Burgen zu belagern oder zu beobachten mußte eine bewaffnete Kriegsmacht unterhalten werden. Daß die slavischen Völker im Osten und Nordosten nicht die Zwietracht im Reiche, wie bisher geschehen, zu verheerenden Einfällen und Raubzügen benutzten, waren starke Grenzbesatzungen nöthig. Schon hatten die Luitizen, zum Theil von sächsischen Fürsten selbst herbeigerufen 2), sich auf deutschem Boden gezeigt, und waren um die Zeit, als im Welfesholze die eine Hälfte des Reiches wider die andere zum Kampfe entbrannte, bis Köthen vorgedrungen. Nur ein sehr kleines sächsisches Heer unter der Anführung Otto's von Ballenstädt konnte, während der innere Zwiespalt die Auftreibung so großer Streitmassen hervorrief, dem gemeinsamen 3) Feinde des Vaterlandes entgegengestellt

 

1) Helmold, lib. I, cap. 40: Saxones propter victoriam animis sublevati perpendentes Caesaris iram non facile impunitatem tantae calamitati praebituram frequentibus colloquiis caussm suam muniverunt, seditiones, quae intra provinciam erant, foederibus conciliant, aliunde auxiliantum manus consciscunt, postremo ne complures foedera rumpant, omnes in defensionem patriae conjurant.

2) Chron. Saxo ad 1114 (d. i. 1113): Barbari, qui dicuntur Luitici, consilio Rudolfi Marchionis propter odium, quod habebat adversus Milonem, multas strages patriae intulerunt.

3) Weder daß der Kaiser, noch daß die sächsischen Fürsten die Luitizen herbeigerufen, wird aus den alten Chronisten sich beweisen lassen. Am wahrscheinlichsten bleibt, daß aus freiem Antrieb die Slaven einen Einfall gethan. Stenzel I, S. 669 mischt auf sehr unklare Weise diesen Heereszug der Luitizen in den sächsischen Krieg, und seine Angabe, daß Rudolf von der Nordmark sie gerufen, und daß Otto von Ballenstädt wegen seiner Ansprüche auf das Herzogthum Sachsen wider die Verbündeten und mit dem Kaiser gewesen, sind falsch oder ungenügend. Wie die vorige Anmerkung zeigt, hatte in einer Privatfehde gegen Milo (1113) nicht gegen den Kaiser (1115) der Markgraf die Barbaren aufgeboten. Durch Rudolf's unbesonnenen Streich war Letztern der Weg gezeigt, und ungehindert konnten sie auf demselben 1115 vordringen, als der verderbliche Bürgerkrieg, der ihnen kein Geheimniß blieb, die sächsischen Fürsten beschäftigte. Nur Otto hatte daran keinen Antheil nehmen können, weil sein Land von jenen slavischen Horden zunächst bedroht wurde. Vergebens mochte er den Kaiser, wie die Landesfürsten um Beistand anrufen. Seine Stellung zu Heinrich, wie zu den sächsischen Verbündeten ist früher gezeigt. Schwerlich konnte er damals für Heinrich sein, der nicht ihm sondern Hoyer'n das Herzogthum Sachsen zugewiesen hatte. Daß er gegen die Verbündeten gewesen, wird von keinem Chronisten berichtet.

 

 

____

137 Besiegung der Slaven.

 

werden 1). Gleichwol erfocht diese kleine Schar einen glänzenden Sieg über die regellosen Horden bei Köthen zwei Tage vor der Schlacht im Welfesholze 2), die vielleicht um des auswärtigen Feindes willen noch scheu vermieden, dann durch die Nachricht von jenem Siege beschleunigt wurde, zumal da Hoyer von Mansfeld in Otto einen gefährlichen Mitbewerber um das Herzogthum Sachsen zu fürchten hatte, den er nur durch einen ebenso erfolgreichen Schlag wider Lothar und dessen Verbündete ausstechen konnte. Dieses ehrgeizige Streben brachte ihm statt Ruhm und Gewinn, Schmach und Tod. Sachsen aber war in zwei Tagen von einem auswärtigen und einheimischen Feinde befreit worden. Daß keiner von diesen den Angriff erneute, mußte durch kluge Maßregeln verhütet werden.

 

1) Wenn Ann. Saxo und Chronogr. Saxo 60 Deutsche gegen 2800 Slaven angeben, so ist das Uebertreibung, oder nur die Zahl der Ritter im deutschen Heere darunter verstanden.

2) Ann. Saxo ad 1115, Chronogr. Saxo ad 1116: Otto, Comes de Ballenstede, cum LX de Theutonicis (vielleicht leisteten ihm seine slavischen Unterthanen besseren Beistand als der Kaiser und die sächsischen Fürsten, und machten den Haupttheil seines Heeres aus) vicit duo millia et octingentos de Slavis loco, qui Cothine dicitur, ex quibus ibidem corruerunt mille septingenti et amplius V. Idus Februarii. Fälschlich setzen Spätere beide Schlachten auf denselben Tag. Außer Otto hat nur noch Adelgot von Magdeburg sich thätig, aber nur mit der Feder, gezeigt, die Slaven aus Deutschland zu vertreiben. S. sein Schreiben an die deutschen Fürsten in Martene et Durand, Collect. vet. scriptorum I, p. 625. Auch sein Erzbisthum war bedroht.

 

 

____

138 Vierter Abschnitt.

 

Vierter Abschnitt.

Folgen der Schlacht am Welfesholze. Kirchliche und politische Parteien in Deutschland. Adalbert von Mainz und Herzog Lothar, Vertreter der Kirchen- und Fürstenrechte. Heinrichs Unterhandlungen mit den Sachsen. Sein zweiter Zug nach Italien. Die Mathildische Erbschaft. Die Hoffnung auf friedliche Ausgleichung des Streites zwischen Reich und Kirche durch die Einnahme Roms vereitelt, durch Paschalis' II. Tod gänzlich geschwunden. Kirchenschisma. Gelasius II. und Gregor VIII. Heinrichs Rückkehr nach Deutschland.

 

Die Schlacht am Welfesholze macht einen entscheidenden Wendepunkt in der Regierung Kaiser Heinrich's V. Bis dahin war sein despotischer Wille allein Gesetz für Staat und Kirche in Deutschland gewesen und kein Anderer hatte neben ihn sich stellen dürfen, ohne gestraft oder vernichtet zu werden, ohne des Kaisers Macht und Willkür anstatt sie zu beschränken, nur zu vermehren. Aber von jetzt ab erhoben sich wieder die Gewalten, die er aufzuheben gesucht, wie einst unter seinem Vater drohend und unbezwinglich. Ob er zeitgemäß einzulenken verstände, ob er im Trotz verharren wolle, sollte nun sich zeigen. Das verlorene Vertrauen der deutschen Reichsstände wiederzugewinnen, war, seit er sein Streben zu unverkennbar verrathen, und das nicht wie bei seinem Vater von augenblicklichen Regungen, Stimmungen, Leidenschaften, sondern von kalter Ueberlegung, festen Grundsätzen und von einem versteckten Charakter ausging, unmöglich, auch wenn er seinen Stolz zu aller Milde und Freundlichkeit, die ihm, wenn er wollte, zu Gebote standen, herabstimmte. Nur zwei Wege standen ihm offen: entweder mit letzter Kraftanstrengung das Aeußerste zu wagen, um die feindlich entgegenstrebenden Glieder des Reichs zu Gehorsam und Unterwerfung zu zwingen, oder auf Ansprüche, die er früher behauptet, freiwillig zu verzichten und den Fürsten wie der Kirche auf dem Wege der Unterhandlung gewisse Rechte einzuräumen. Ersteres wäre ein Kampf auf Leben und Tod gewesen; dazu war Heinrich zu besonnen. Letzteres sogleich einzuleiten, war er seinerseits zu stolz, und hatte von den Gegnern ebensowenig Mäßigung zu erwarten als er selber bisher bewiesen. Heinrich schlug bald den einen, bald den andern Weg ein, und hoffte von Zeitumständen und glücklichen Ereignissen für sich das Beste.

 

 

____

139 Folgen der Schlacht am Welfesholze.

 

Das ist der Grund, warum sein Handeln seit dem Jahre 1115 weniger entschlossen, weniger konsequent und auf kein bestimmtes Ziel gerichtet zu sein scheint. Genauer betrachtet zeigt sich nun erst seine umsichtige Geistesschärfe, seine Unermüdlichkeit im Ringen, der unerschöpfliche Vorrath an immer neuen Anschlägen und Ränken, die das Verlorene wiederzuerhalten und das möglich Erreichbare zu gewinnen bezwecken; allein auch an der Spitze seiner Gegner standen besonnene und vorsichtige Manner, die gleichfalls ein bestimmtes Ziel im Auge behielten, das fernab von dem seinen lag und kaum eine Einigung erwarten ließ.

 

Noch erfüllte den Kaiser bitterer Schmerz über die in Sachsen erlittene Niederlage, als deren Folgen seinem stolzen Herzen noch tiefere Wunden zu schlagen droheten. Geschäftig zeigte sich die Kirche, sein Unglück als Strafe der gegen sie verübten Frevel darzustellen und den Bannstrahl der Vienner Synode nun auch auf deutschen Boden Eingang zu verschaffen. Der Kardinal-Legat Kuno, Bischof von Praeneste, der den Fluch der Kirche über den Kaiser und dessen ergebenste Anhänger, den Bischof Burchhard von Münster und den Grafen Heinrich von Winzenburg, schon am 6. Dezember 1114 auf der Versammlung zu Beauvais verkündet und, als die Nachricht von der verlorenen Schlacht am Welfesholze Heinrich's Zorn nicht mehr furchtbar erscheinen ließ, am 28. März 1115 auf einer Synode zu Rheims wiederholt hatte 1), wollte in Deutschland sein Werk vollenden, wo vorher schon mancher Geistliche zu kühnern Schritten aufgereizt und namentlich der Erzbischof Friedrich von Köln, seit der Gefangennehmung Adalbert's von Mainz das Haupt der deutschen Kirche und erklärter Feind Heinrich's, dem er mit weltlichen Waffen eine Niederlage bereiten helfen, von dem Kircheneiferer bewogen war, auch die geistlichen Waffen wider denselben zu gebrauchen 2). Nach Köln wandte sich jetzt Kuno zuerst, berief dorthin

 

1) S. Mansi. Concil. XXI, p. 122 und 130. Albericus ad 1115: Fuit hoc tempore in Francia Legatus Cardinalis Episcopus Praenestinus, qui concilium suum apud Bellvacum tenuit, et postea Rhemis in concilio Imperatorem Henricum excommunicavit. Die Bannung der beiden Anhänger des Kaisers erwähnt Friedrich von Köln in seinem Schreiben an Otto von Bamberg, S. Cod. Udalr. Nr. 277.

2) Wie thätig Friedrich war, des Kardinals Vorstellungen in Deutschland Eingang zu verschaffen, zeigt sein Schreiben an Otto von Bamberg, dem ähnliche gewiß auch an andere Geistliche gerichtet wurden. Gleich im Eingange heißt es, Cod. Udalr, Nr. 277: Quasdam sanctitati vestrae literas jam antea misimus, quas si forte accepistis, de tam longa responsionis vestrae dilatione non parum miramur. Nicht minder thätig war er im Felde gegen Heinrich gewesen, Albericus a. a. O.: Fredericus Coloniensis Archiepiscopus ab eo aversus totis viribus insequitur eum et fautores ejus, oppida et castells contra se posita oppugnat et omnia ad eum pertinentia ferro et igne vastat.

 

 

____

140 Vierter Abschnitt.

 

viele geistliche und weltliche Fürsten und excommunicirte am zweiten Osterfeiertage (den 19. April) in der Kirche des heiligen Gereon vor den anwesenden Reichsfürsten und allem Volke den Kaiser und dessen Anhänger 1). Mit diesem Schritte erhielt der Kampf der Rebellen wider Heinrich eine kirchliche Sanktion und bald sollte in ganz Deutschland der Fanatismus angefacht werden. Doch wäre der Kaiser dadurch wenig zur Nachgiebigkeit oder Furcht getrieben worden, wenn nicht die schon erhobenen weltlichen Waffen seiner Gegner ihm neue Verluste bereitet hätten, die er in Ermangelung einer hinreichenden Heeresmacht nicht abwenden konnte. Vor Allem waren die sächsischen Verbündeten sehr thätig und bedrängten jede Stadt, jede Burg, in der Anhänger oder Besatzungen des Kaisers die Uebergabe verweigerten. Der Bischof Reinhard von Halberstadt, Pfalzgraf Friedrich von Sommerschenburg und Rudolf von Stade eroberten Heimburg und Quedlinburg 2), Herzog Lothar und die westfälischen Fürsten nahmen Dortmund, das eine kaiserliche Besatzung lange tapfer vertheidigte, endlich mit Gewalt und zerstörten die Festungswerke. Der habsüchtige, an irdischen Gewinn mehr als an seine geistlichen Pflichten denkende Friedrich von Köln eroberte des Kaisers Veste Lauferkit und zwei Burgen der Anhänger Jenes, und bezeichnete nur mit Brand, Verwüstung und Mord seinen Weg 3). War es dies gewaltsame Verfahren der Gegner Heinrich's, oder erregte es Misfallen, daß die Kirche über das weltliche Oberhaupt der Christenheit sich ein Verdammungsurtheil anmaßte, oder wollte man den Kaiser zwar in seiner Macht beschränkt, nicht aber unterliegen sehen; genug, es fingen einige der bedeutendsten Fürsten an, sich für Heinrich thätiger als vordem zu zeigen, und das nicht blos weltliche, wie seine Schwestersöhne Friedrich und Konrad von Hohenstaufen,

 

1) Mansi, Concil. XXI, p. 122. Ueber den Tag vergleiche Mascov, Comment. Henr. V. p. 175. Anmerk. 3.

2) Die also wol durch den Brand nicht ganz zerstört oder von den Kaiserlichen wiederhergestellt worden war.

3) S. diese Eroberungen der antikaiserlichen Partei bei Ann. Saxo ad 1115.

 

 

____

141 Kirchliche und politische Parteien in Deutschland.

 

Herzog Welf von Baiern, Pfalzgraf Gottfried zu Rhein, sondern auch geistliche, wie Erlung von Würzburg, Hartwig von Regensburg, Burchard von Münster und andere mehr. Damit nicht eine völlige Spaltung im Reiche entstehe, und namentlich Norddeutschland von dem südlichen, dem es durch Sitten, Sprache und während der beiden letzten Regierungen öfters durch feindliches Zusammentreffen noch mehr entfremdet war, sich ganz trenne, so riethen dem Kaiser viele von jenen Fürsten und aus seiner nächsten Umgebung 1) zu einer friedlichen Unterhandlung, zu einer allgemeinen Reichsversammlung, auf der er nichts eigenmächtig entscheiden, wie er bisher gethan hatte, sondern im Beisein aller Fürsten die Beschwerden eines Jeden anhören und, wo möglich, heben solle. Heinrich überzeugte sich selber, daß er hierdurch den Bestrebungen der Kirche am besten entgegenwirken könne, und gab dem Herzog Welf und dem Bischof Erlung von Würzburg den Auftrag, mit den feindlichen Fürsten Friedensunterhandlungen anzuknüpfen. Alles kam darauf an, die Sachsen, namentlich den Herzog Lothar zu versöhnen. Dieser hatte damals mit einigen andern Verbündeten die Stadt Münster, deren Bischof auch trotz dem Bannfluche Kuno's und der strengen Kirchenpartei dem Kaiser zugethan blieb, nach harter Belagerung zu dem Versprechen gezwungen, sich mit der antikaiserlichen Partei zu verbünden, wenn Burchard nicht, wie ihm aufgetragen war, den Kaiser vermöge, den Anforderungen der sächsischen Fürsten

 

1) Neuere Schriftsteller, Raumer, Stenzel, Luden u. a. m. stellen den Entschluß des Kaisers, in Deutschland Frieden zu vermitteln, immer nur als Folge der erledigten Mathildischen Erb- und Lehngüter, die er in Besitz zu nehmen eifrig verlangte, dar. Daß dies Heinrich vornehmlich nachgiebig gestimmt, ist keine Frage. Aber auch schon ehe die Nachricht von Mathildens Tode und die Auffoderungen der kaiserlichen Partei in Italien nach Deutschland gelangten, konnte die Lage des Reiches Heinrich und noch mehr die Fürsten, die es mit ihm und dem Reiche wohl meinten, zu friedlicher Aussöhnung mahnen. Das spricht auch Chron. Ursp, sehr deutlich aus. Zwar berichtet er erst von dem Ableben der Großgräfin und ertheilt ihr gerechtes Lob; dann fährt er aber fort: conventus post haec Imperator amicorum consiliis, immo totius regni compulsus quaerimoniis, generalem in Kalend. Novembris curiam Mogontiae fieri instituit. Sollte dieser Rath der Freunde und die Klagen im ganzen Reiche erst nach den Ereignissen in Italien hervorgerufen sein? Foderten dazu nicht längst schon die Verheerungen in Deutschland auf? Gewiß, aber der Kaiser gab erst nach, als ihm in Italien Ersatz für die Verluste in Deutschland winkte. Das im Text Gesagte scheint mir die richtigste Auffassung der Verhältnisse, über die leider die Chronisten uns wenig Aufschluß geben.

 

 

____

142 Vierter Abschnitt.

 

und ihren eigenen nachzugeben. Von Münster rückte Lothar gegen Korvey vor, als ihm die beiden Unterhändler des Kaisers friedliche Gesinnung verkündeten 1). Die sächsischen Verbündeten hatten aber noch vielfache Ursache, an der Aufrichtigkeit Heinrich's zu zweifeln, und argwöhnten, daß dieser nur Zeit gewinnen und erst ihre Scharen zerstreut sehen wolle, um dann mit Hinterlist sie zu überfallen 2). „Noch habe“, so sprachen sie, „der Kaiser nichts gethan, was seine redliche Gesinnung, ja nur Gerechtigkeit gegen sie beweise. Keiner der gefangenen sächsischen Fürsten sei freigegeben, die kaiserlichen Besatzungen im Lande machten verheerende Ausfälle aus ihren Schlupfwinkeln und die vertrautesten Freunde des Kaisers, der Bischof Burchard von Münster, der Graf Hermann von Winzenburg, der Pfalzgraf Friedrich von Putelendorf, bekundeten zu deutlich, welche Weisungen sie vom Kaiser, ihrem Gönner, erhalten hätten. Bevor diese und einige Andere, die den Sachsen Verderben brächten, nicht dem Fürstenbunde im Lande beigetreten, die Besatzungen aus den kaiserlichen Burgen herausgezogen, die gefangenen Fürsten restituirt und alle Unbilden und Ungerechtigkeiten aufgehoben wären, könnten sie auch nicht die Waffen niederlegen, mit Heinrich sich nicht aussöhnen, ja ihn nicht als Kaiser anerkennen. Auch müsse derselbe der Kirche ihre Rechte wiederzugestehen und wegen seiner Gewaltthätigkeiten die Absolution von ihr zu erlangen suchen“. Eine solche Sprache von Andern zu hören, war Heinrich nicht gewohnt; sie mochte ihn erzürnen und doch mußte er abermals Friedensunterhändler absenden, da Lothar durch die That bewies, was er verkündet hatte, und mit einem neuen Heere bis Erfurt vordrang 3). Auf dem Wege dahin zerstörte er Schloß Falkenstein und die Pfalz Walhausen, weil von beiden her Hermann von Winzenburg die Umgegend durch Räubereien plagte. Diesmal waren die Abgesandten

 

1) Ann. Saxo ad 1115: Liuderus Dux adjunctique Principes Monasteriensem civitatem obsident Monasterienses vero juramento facto se eis fidos permansuros spondent, si Episcopus Burchardus consilio eorum adquiescere nollet pro pace apud Imperatorem impetranda, sicque pace facta (Aus diesem Vertrage erhellt, daß beide Theile den Reichsfrieden wünschten.) Corbejam tendunt. Ibi Welfo Dux Suevorum et Episcopus Wirceburgensis ex parte Imperatoris de pace et concordia Regni acturi veniunt.

2) Ann. Saxo a. a. O.: Incertus (Lotharius), si Imperator bellum an pacem vellet.

3) Ann. Saxo a. a. O.: Simul etiam cavere cupiens ne Imperator ex improviso immineret collectis copiis versus Erpesford tendit.

 

 

____

143 Heinrich unterhandelt mit den Sachsen.

 

Männer, deren Charakter und Worte tieferen Eindruck auf die Sachsen machten als der stolze schreierische Herzog Welf und der allzusehr an das Interesse des Kaisers gefesselte Bischof von Würzburg 1). Der Eine, Bischof Hartwig von Regensburg, galt bei Allen für einen ebenso klugen als gemäßigten Mann, der Andere, Dietrich von der Are, stand als tapferer Krieger in hoher Achtung; es war derselbe, der im vorigen Jahre an der Spitze der kölnischen Jugend dem Kaiser die Niederlage bei Andernach bereitet und den Herzog Berthold gefangen genommen hatte 2). War es dieser Gefangene oder der Kaiser selbst, der ihn zur Pflicht gegen das Reichsoberhaupt zurückgebracht; genug, Dietrich war seitdem eifrig bemüht, den Frieden in Deutschland zu vermitteln, und dies ohne allen Eigennutz, ja zu seinem Nachtheile, da die Kölner, weil er ihre Sache verlassen, seine Burg Wischele zerstörten 3). Wirklich überzeugten die beiden redlich und eifrig bemühten Friedensunterhandler den Herzog Lothar und die sächsischen Fürsten, daß der Kaiser ernstlich den Frieden wünsche, in Alles, was mit des Reiches Ehre sich vertrage, willigen, was er widerrechtlich und in jugendlicher Unbesonnenheit gethan habe, wieder gut machen, und um jede gerechte Beschwerde und jeden guten Rath anzuhören, sämmtliche Fürsten auf den ersten November nach Mainz zu einer allgemeinen Frieden stiftenden und Frieden befestigenden Versammlung berufen wolle 4). Die Sachsen

 

1) Den Herzog Welf schildert vortrefflich in wenig Worten Suger, Vita Ludovici grossi regis, bei Bouquet XII, p. 19: Cui gladius ubique praeferebatur, vir corpulentus et tota superficie longi et lati admirabilis et clamosus. Von Erlung ist früher schon bemerkt, wie sehr er durch sein weltliches Herzogthum Franken an Heinrich gekettet war. Als er später diesem ungetreu wurde, war die nächste Folge, daß ihm der Kaiser das weltliche Reichslehn nahm.

2) Chron. S. Pantal. ad 1114: Ibi Theodoricus Comes, miles fortissimus, magna pars victoriae, totus cum suis, hostibus instans, more leonis circumquaque strages immensas operatur, plures ingenui et militares trucidantur et capiuntur, inter quos et Bertolfus Dux — ipsius Comitis Theodorici custodiae mancipatur.

3) Ann. Saxo ad 1115 zählt zu den kaiserlichen Verlusten auch diesen: Colonienses Wischele, praesidium Theodorici, destruunt.

4) Ann. Saxo: Cum interim Episcopus Ratisponensis Hartwigus, vir sapiens et modestus, et Theodoricus äd Ara, vir militaris reipublicae utilis et in hoc negotio per omnia laudabilis, obvii veniunt, qui Ducem ceterosque Principes certificant, Imperatorem omnia, quae ad honorem Regni convenirent, tractare velle Principum consilio. — Und Vorher! liberam omnibus audientiam de sibi objectis satisfactionem, de suis extraordinarie vel juveniliter gestis correctionem ad senatus consultum repromisit.

 

 

____

144 Vierter Abschnitt.

 

gaben nun auch ihrerseits das Versprechen, alle Feindseligkeiten einzustellen und zur festgesetzten Zeit auf der allgemeinen Reichsversammlung zu erscheinen; als ein unerwartetes Ereigniß in Mainz das kaum begonnene Friedenswerk störte.

 

Der Kaiser hatte sich von Speier, wo er lange verweilt, dorthin schon Ende October begeben 1) und sah der zugefügten Zusammenkunft mit den Reichsfürsten entgegen. Noch hatten sich erst wenig ihm ergebene Bischöfe eingefunden; von den weltlichen Herren, sowol seiner Partei als sächsischer Seite, noch keiner, als die Mainzer Bürgerschaft unter ihrem Burggrafen Arnold sich zusammenrottete und die geringe Anzahl des kaiserlichen Gefolges benutzend Heinrich's Palast mit Bewaffneten umringte, in die Vorhalle drang und lärmend und tobend zum Schrecken der Hofleute, deren Uebermuth allgemein verhaßt war, die Freilassung ihres Erzbischofs Adalbert mehr drohend als bittend foderte. Nur der Kaiser behielt die nöthige Besonnenheit in dieser gefahrvollen Lage. Zwar verweigern konnte er die Foderung der Mainzer nicht, ohne sein Leben oder mindestens das seiner Umgebungen den Wüthenden preiszugeben. Er willigte in die Freilassung des Erzbischofs und stellte Bürgschaft für die Erfüllung seiner Zusage, die binnen dreier Tage erfolgen sollte; aber er verlangte auch von den Mainzern Geißeln, die ihm ein Unterpfand ihrer übernommenen Verpflichtung waren; daß Adalbert nichts

 

1) Ann. Hildesh. ad 1115 setzt die Versammlung zu Fritzlar ante festum omnium Sanctorum. Dann fährt der Verfasser fort: sub eodem tempore Imperator Moguntiam venit, also noch im October und vor dem festgesetzten Tage der Reichsversammlung. Die Fürsten waren nicht ausgeblieben, sondern wurden noch erwartet. Ersteres würde man freilich aus Chron. Ursp. und den Worten des ihm nachschreibenden Ann. Saxo schließen: Dum Imperator Mogontiae praesens condictum frustra praestolaretur conventum (nam praeter paucos Episcopos nemo Principum adventabat) Mogontini aptum sibi tempus arridere perpendentes etc. Allein die Zeitangabe der Ann Hildesh. zeigt, daß der Termin noch nicht abgelaufen war. Gewiß würden doch die Anhänger des Kaisers nicht ausgeblieben sein. (Luden's Deutung, Band IX, p. 646, Anmerkung 18, ist gewiß sehr gezwungen.) Daß Heinrich früher nach Mainz gekommen, ist auch nicht unwahrscheinlich. Er verweilte dort oft und gern, hatte daselbst seine Hochzeit gefeiert, alle wichtigen Reichstage daselbst gehalten. Der Zuneigung der Bürger glaubte er gewiß zu sein und ahnte keinen Aufstand. Vielleicht wollte er den Fürsten seinen Eifer für den Frieden und die Friedensversammlung zeigen; vielleicht auch von Mainz aus die Vorgänge in Fritzlar, wo wahrscheinlich auch seine Anhänger sich befanden, aus der Nähe beobachten.

 

 

____

145 Befreiung des Erzbischofs Adalbert v. Mainz.

 

Feindseliges wider ihn unternehme, ja noch mehr, daß derselbe binnen Jahresfrist wegen früherer Verschulden Genugthuung geben oder ohne Weiteres in seine Haft zurückkehren solle. Für den erstern Punkt mußte der Erzbischof Bruno von Trier, der seit Adalbert's Gefangensetzung das Reichskanzleramt versah, sich verpflichten, für den letztern namhaft gemachte vornehme mainzer Bürger sich dem Kaiser zur Haft stellen, sofern Adalbert nicht dem Vertrage nachkomme 1). Heinrich, der sich sogleich von Mainz nach Speier zurückbegeben, ließ den Gefangenen von Trivels abholen, den Vertrag mit den Mainzern beschwören, Geißeln stellen und dann erst in seine Diöcese zurückkehren 2). Welch ein Anblick, als der erste Prälat des Reichs durch die Straßen von Mainz zog, einem Gerippe gleich, schlotternd in seinen Kleidern, mit bleichem, welkem Angesicht 3)! So hatte ihn die Kerkerluft während dreijähriger Gefangenschaft abgezehrt. Doch das eben gewann ihm Aller Herzen und erbitterte heftiger gegen den Kaiser. Darauf hin durfte Adalbert es wagen, seine eigenen und der Mainzer Geißeln preiszugeben und seiner langverhaltenen Rache auf jede Weise Luft zu machen. Was nützten nun dem Kaiser die erhaltenen Eidschwüre, die übergebenen Geißeln? Erstere waren vor der Kirche nichtig, weil sie einem Gebannten geleistet, an Letzteren seinen Zorn auszulassen, erbitterte nur noch mehr die Gemüther, die durch die päpstlichen Legaten schon allzusehr aufgereizt waren.

 

Der im Verfluchen unermüdliche Kuno hatte nach der kölner Bannverkündigung zu Chalons dieselbe noch einmal wiederholt (12. Juli) 4). Und er blieb nicht der Einzige, der wider den Kaiser mit Feuereifer predigte und die schon von der Vienner Synode erhitzten Gemüther der gläubigen Anhänger der Hierarchie vollends entflammte. Aus Ungarn war der Kardinal Dietrich von den sächsischen Fürsten herbeigerufen, um alles gegen Heinrich Unternommene, Weltliches wie Kirchliches, durch seine Anwesenheit zu heiligen 5).

 

1) Die Vorfälle in Mainz berichten Chron. Ursp., Ann. Hildesh., Ann. Saxo, Chron. Sampetr., wo Arnold ipsius civitatis comes als Rädelsführer genannt ist, die Bürgschaft der Mainzer Serarius bei Johannes, script. rer. Mogunt., I, p. 536. Gallia Christ. V, preuv. p. 450, die des Erzbischofs Bruno die gest. Trevir. in Leibn. access., p. 109.

2) S. des Kaisers Schreiben Codex Udalr., 319, p. 333.

3) Chron. Ursp., Ann. Saxo, Otto Fris., Chron. VII, 14 und Adalbert selbst in der Urkunde bei Guden, cod. diplom., I, p. 117.

4) Mansi, Concil. XXI, p. 123 u. 137. 5) Chron. Ursp. u. Ann. Saxo: Saxonum consensus ad resistendum illi (Imperatori) magis ac magis roboratur. Ad haec quemdam Cardinalem Romanum nomine Dietericum, legatione in Pannonias functum per nuntios asciscunt.

 

 

____

146 Vierter Abschnitt.

 

Da die meisten Bischöfe, auch die jetzt Widerspenstigen, ihre Belehnung vom Kaiser erhalten hatten, so traf sie der Vorwurf der Ketzerei, womit die Kirche alle weltliche Investitur verdammt hatte, gleich den Anhängern Heinrich's, worüber sie so lange unbesorgt geblieben waren, als die Vienner Synodalbeschlüsse und die Foderungen des Papstes vor des Kaisers Uebermacht verstummten, und Letzterer sie nicht selbst antastete und ihres Amtes verlustig erklärte. Um nun vom Papste zu erhalten, was ihnen der Kaiser nehmen wollte, und noch kanonischer als vorher ihr Kirchenamt zu verwalten, sollte der Kardinal Dietrich Paschalis' Absolution und die geistliche Weihe von Neuem ihnen ertheilen. Was konnte der römischen Kurie willkommener sein? Hatte der Papst, seinem mit Heinrich geschlossenen Vertrage getreu, den Bann auch nicht genehmigt, sondern nur wie ein Gezwungener geschehen lassen 1), so war die Verleihung geistlicher Würden doch schon im Jahre 1111 als nur der Kirche zustehend von ihm gefodert und das Investiturrecht dem Kaiser abgesprochen worden. Unklug wäre es indeß gewesen, die von Heinrich abgefallenen Bischöfe dafür zu strafen, weil sie von jenem ihre Einsetzung angenommen. Paschalis ertheilte daher dem Kardinal Dietrich den sehr allgemein gefaßten Auftrag: in Sachsen und wo es ihm sonst möglich wäre, die kirchlichen Angelegenheiten mit Gottes Hülfe zu Gunsten des römischen Stuhles zu ordnen 2) und auch in anderen, das hieß, in weltlichen Dingen den Vortheil der Kirche wahrzunehmen 3). Dietrich, wie alle zur strengen Kirchenpartei gehörenden Prälaten, nicht erst des Papstes Vorschrift abwartend, sondern die Aussprüche der Vienner Synode als alleinige Richtschnur erkennend, hatte schon, ehe jener Auftrag an ihn gelangte, Schritte gethan, welche nur der Kirche Gewinn brachten, dem Reiche aber eine unheildrohende Zerrüttung heraufbeschworen. Den weltlichen wie den geistlichen Fürsten Sachsens zeigte er sich gleich gefällig. So weihte

 

1) S. Heinrich's Briefe an Hartwig von Regensburg Cod. Udalr. 318, p. 332.

2) Cod. Udalr. 274, Epistola data Ferentini VI. Idus Octobris: Siquid ibi aut etiam alibi juste et canonice operari potueris, autoritatis nostrae favore, cooperante deo, opereris.

3) Das ist doch wol in den Worten, die den vorhin angeführten vorausgehen, zu suchen: quia in eis (partibus Saxonicis) super ecclesiis aliisque quibusdam negotiis scandala emerserint.

 

 

____

147 Versammlung der Sachsen zu Fritzlar.

 

er in Gemeinschaft mit Bischof Reinhard von Halberstadt die Ueberreste des Heiligen Autor's, einstmaligen Erzbischofs von Trier, welche die Markgräfin Gertrud mit eigener Lebensgefahr aus den Gewölben in Trier nach Braunschweig gebracht hatte, am letztern Orte (den 1. September) 1) und gewann dadurch sich die Zuneigung der mächtigen Fürsten und ihres Schwiegersohnes, des Herzogs Lothar. Den vom Kaiser erhobenen Bischöfen, darunter namentlich dem Erzbischof Adelgot von Magdeburg, vergab er diese Ketzerei im Namen des Papstes, nahm sie wieder in den Schoß der Kirche auf und ließ jedem die einmal erhaltene Würde 2). Willig folgten Fürsten und Geistliche der Ladung zu einer Versammlung in Goslar (8. Sept.), wo Dietrich den Bannstrahl, der längst über den Kaiser verhängt sei, verkünden wollte 3). Vielen mochte dieses Verfahren des Kardinals zu eigenmächtig und ihrem Rechte als Reichsfürsten vorgreifend erscheinen. Wenigstens verschlossen sich, wie wir gesehen, die weltlichen Häupter des Sachsenbundes den Anträgen des Kaisers, als dieser durch Hartwig von Regensburg und den Grafen Dietrich von der Are ernstliche Mahnungen zum Frieden ergehen ließ, nicht ganz, hielten aber für gut, bevor sie der Ladung nach Mainz Folge leisteten, über Das, was zu Ehre und Frommen des Reiches vorzunehmen sei, eine Berathung unter sich oder doch nur mit den übrigen Reichsständen zu halten. Zu dem Zwecke versammelten sie sich zu Ende Oktobers in Fritzlar 4).

 

1) S. Translatio S. Autoris in Leibn. script. rer. Brunswic, p. 701 und 702: Kalendis Septembris invitatis solemniter reverendis Theodorico sedis Apostolicae Legato, Reynardo Episcopo Halberstadensi facta est dedicatio.

2) Chron. Ursp. und Ann. Saxo ad 1115: Tam Adelgotus Magedaburgensis Archiepiscopus quam ceterarum Ecclesiarum Praesules reconciliationem recipiunt.

3) Annal. Hildesh. ad 1115 p. 738: In Nativitate Sanctae Mariae Theodoricus S. Romanae Ecclesiae Cardinalis Presbyter cum frequenti Saxoniae Principum conventu Goslariam venit, et quaedam ecclesiasticis negotiis utilia disserunt. Die Verkündigung des Bannes melden Chron. Ursp. u. Ann. Saxo, ohne der Versammlung zu Goslar zu gedenken, blos: quo (Theodorico) etiam praescripti concilii (Vienensis) actionem et per ipsam Imperatoris excommunicationem praedicante. Es ist wahrscheinlich, daß Dietrich dies zu Goslar und wiederholentlich gethan.

4) Ganz ohne Grund nehmen die meisten neueren Historiker an, daß die Versammlung zu Fritzlar feindlich gegen Heinrich verfahren. Das kann ich in der Angabe der Ann. Hildesh. p. 739, so unbestimmt sie auch lautet, nicht finden: Paucis diebus interjectis (nach der Synode zu Goslar, doch war vom 8. Sept. bis Ende Oktober nicht eine ganz kurze Zeit) id est ante festum omnium Sanctorum Frideslav conveniunt. Der Zusatz: quae ad honorem Regni et utilitatem sunt tractantur drückt doch nichts Feindliches gegen den Kaiser aus, sondern bildet eher einen Gegensatz zu Dem, was von der goslarer Versammlung gesagt ist: quaedam de ecclesiasticis negotiis utilia disserunt. Raumer und Andere nach ihm scheinen diese Versammlung mit der von 1119 zu verwechseln, wo man in Fritzlar um den Legaten Kuno sich versammelte.

 

 

____

148 Vierter Abschnitt.

 

Diese anscheinend günstigere Wendung für Heinrich änderte sich aber nach den Vorfällen in Mainz und nach der Befreiung Adalbert's. Die allgemeine Reichsversammlung unterblieb, dagegen suchte der erbitterte Erzbischof, uneingedenk seiner Gelübde und gegebenen Bürgschaften, Alles gegen den Kaiser aufzubieten 1) und die rebellischen Fürsten nicht nur zu überreden, daß sie im Ungehorsam und Widerstand gegen den Kaiser verharrten, sondern sich selbst an die Spitze der allgemeinen Empörung zu stellen. Mit seinen Klagen über die erlittenen Drangsale, mit seiner stark aufgetragenen Schilderung von des Kaisers grausamer und höchst ungerechter Handlungsweise wußte er Theilnahme, Besorgnisse, Furcht zu erwecken, die wenigstens die früheren Feinde Heinrich's zu einem Anschluß an ihn und den Kardinal Dietrich bewogen. Letzteren hatte der schlaue Adalbert seiner ganzen Ergebenheit versichern, ihn nach Köln entbieten lassen, woselbst er auch die Aufträge des Papstes, die der Legat für ihn mitbringe, entgegennehmen wolle 2). Ob Dietrich solche Aufträge und überhaupt eine Vollmacht zu all seinen Handlungen von Paschalis erhalten, ist sehr fraglich. Indeß, da schon seit Langem die päpstlichen Legaten nach ihrem Gutdünken, nach eigener Willkür verfuhren, so kam es auf authentische Instruktionen gar nicht an, und da, was jene thaten, Paschalis nicht verhindern konnte und, was für ihn selbst dabei Vortheilhaftes herauskam, nicht verhindern wollte, so blieb ihm in der Folge ein weiter Ausweg, die Verantwortlichkeit über das Verfahren seiner Legaten von sich zu weisen. Gewiß nicht

 

1) Heinrich's Schreiben an die Mainzer, Cod. Udalr. 319, p. 333: Statim autem discedens (von Speier) missis ubique literis ac nuntiis nos et honorem nostrum imvugnavit ac per totam Saxoniam et Thuringiam, Bavariam et Allemanniam amicos nostros tanquiam inimicos contra nos ubique sollicitare coepit.

2) Chron. Ursp. a. a. O.: Sedis Apostolicae Legato Dieterico se nuntiis et literis subjiciens ipsum sibi ceterisque non paucis praesulibus occurrere postulavit, ubi et mandata Papae, quae sibi detulerit, communiter percipi et ille suam consecrationem, diu scilicet interclusam tanta autoritate consequi possit.

 

 

____

149 Feindseliges Benehmen Adalbert's

 

unbekannt mit Dem, was Kuno und Dietrich in Deutschland gethan, gab er sich doch später gegen Heinrich die Miene, als ob er an deren Verfahren keinen Antheil gehabt habe 1). Seine Rechtfertigung wurde ihm in Bezug auf Dietrich erleichtert, da dieser auf der Reise nach Köln plötzlich starb 2). Während solcher Umtriebe Adalbert's, der nicht minder auch mit dem Schwerte als mit der Feder seinen Haß ausließ, Speier bedrohte, die kaiserliche Veste Stromburg zerstörte, andere Burgen belagerte und nach ihrer Einnahme sie mit Besatzungen versah 3), verharrte Heinrich scheinbar unthätig in genannter Stadt und enthielt sich jeder Waffengewalt wider seine Gegner. Nicht Unentschlossenheit, Verzagtheit oder Furchtsamkeit waren Ursache seiner Mäßigung. Denn wenn die Zahl der ihm ergebenen Fürsten und Bischöfe sich auch sehr verringert hatte, so waren doch derselben genug, um seine Sache aufrecht zu erhalten und der Anmaßung der Kirche mit mehr Nachdruck zu begegnen, wie deutlich daraus erhellt, daß, während er mit einem Theil seiner Macht Deutschland verließ, seine Anhänger den Gegnern muthig und anfangs mit Überlegenheit die Spitze bieten konnten. Aber Heinrich's Augenmerk war damals nicht mehr auf Deutschland, sondern auf Italien gerichtet und die seit einem halben Jahre bewiesene Nachgiebigkeit gegen seine Feinde hatte nur zum Zwecke, diese einstweilen austoben zu lassen, um dann mit ganzer Thätigkeit nicht nur Vergrößerung seiner Hausmacht auf italischem Boden, sondern zugleich auch einen Stützpunkt gegen Kirche, Fürsten und Städte, die ihm im Grunde alle gleich verhaßt waren, zu gewinnen. Gelang es ihm nur, die Widersacher in Deutschland von offenen Feindseligkeiten zurückzuhalten und ihnen das Versprechen abzugewinnen, bis zu seiner Rückkehr nichts wider ihn zu unternehmen, so hoffte er bald den Verlust an Ansehen und Macht wiederzuersetzen und von Italien aus nicht blos den römischen Stuhl zu beherrschen, sondern auch die hierarchische Partei

 

1) Sogar die Legatenwürde Dietrich's leugnete Paschalis ab. Cod. Udalr. Nr. 318: Damnavit Theodoricum eo quod in Regno nostro (Heinrich ist's, der schreibt) Legatum se ejus Domini Apostolici mentitus fuerit.

2) Ann. Hildesh. ad 1116, Chron. Ursp. und Ann. Saxo: In itinere defunctus.

3) Heinrich's Brief Cod. Udalr. a. a. O.: Spiram armata manu et erectis militaribus signis violenter invadere voluit, sed frustrato, deo gratias, labore rediens, congregatis, quos potuit, castrum nostrum Struomburg funditus destruxit, demuin alia castra nostra contumaciter obsedit.

 

 

____

150 Vierter Abschnitt.

 

in ihrem Einfluß auf jenen wie auf die Reichsfürsten zu beschränken, wenn nicht sogar zu vernichten. Dann war die Haupttriebfeder zu allen Aufständen in Deutschland gegen ihn gelähmt und es schwand der Nimbus, welcher in den Augen des Volkes die Empörer umgab, — die kirchliche Sanktion! —

 

Diese Hoffnung des Kaisers gründete sich auf seine Ansprüche an die erledigten Mathildischen Erbgüter und Reichslehen. Die Großgräfin, ebenso berühmt durch ihre weltliche Macht und Reichthümer wie durch ihre Geistesgaben und eine Pietät gegen die Kirche, die sie, ohne, wie andere Frauen ihres Jahrhunderts, den klösterlichen Schleier zu nehmen, ihr ganzes Leben hindurch bewiesen hatte, war am 24. Juli 1114 gestorben 1). Eine italienische Gesandtschaft benachrichtigte den Kaiser davon und lud ihn ein, von der reichen Hinterlassenschaft als Oberlehnsherr und Verwandter Mathildens Besitz zu nehmen 2). Solche Botschaft vermochte Heinrich's gebeugten Stolz wiederzuheben; sie legte ihm aber auch die Nothwendigkeit auf, vorerst Denen Frieden und Versöhnung zu bieten, die er allzugern mit dem Schwerte zu Gehorsam und Unterwürfigkeit gezwungen hätte. Ohne die Gegenbemühungen Adalbert's wäre es ihm gelungen, Ruhe und Friede in Deutschland herzustellen, da selbst die sächsischen Fürsten sich versöhnlich gezeigt und zu Fritzlar wenigstens nichts Nachtheiliges wider das Reich berathen hatten. Doch auf ihren, vornehmlich auf Lothar's Beistand baute Adalbert das Gelingen seines Planes, da er die mächtigern Landesherren in Schwaben, Baiern, ganz Süddeutschland, in der Rheinpfalz, Burgund, selbst in Oberlothringen, dessen Herzog Simon im Jahre 1115 seinem Vater Dietrich nachfolgend, obschon ein Stiefbruder Lothar's, sich dennoch nicht Heinrich's Gegnern anschloß, dem Kaiser ergeben

 

1) Donizo bei Muratori, XII, 20 und dessen hist. Ital. ad 1115.

2) Chron. Ursp. und Ann. Saxo ad 1115: Interea directi ab Italia nuncii obitum illius inclitae Mathildis nunciant, ejusque praediorum terras amplissimas haereditario jure possidendas Caesarem invitant. Qua nimirum foemina sicut nemo nostris in temporibus ditior et famosior, ita nemo virtutibus et religione sub laica professione reperitur insignior. Ihr Lob verkündet besonders Donizo, Mathildens Zeitgenosse. Ganz anders freilich spricht von ihr der kaiserlich gesinnte Benzo. Beide übertreiben wol, Letzterer aber auf pöbelhafte Weise. Daß es noch andere Beweggründe für den Kaiser gab, die seine Gegenwart in Italien dringend foderten, ersieht man aus den Briefen des Bischofs von Aqui und des Abtes von Farsi. Cod. Udalr. 258 und 259. Später wird im Text davon zu reden sein.

 

 

____

151 Feindseliges Benehmen Adalbert's.

 

oder doch neutral verharren sah. Die Verbindungen, die er im Jahre 1112 im Osten angeknüpft hatte, wußte er nun wieder zu erneuen. Besorgnisse vor des Kaisers Zorn, Mistrauen gegen dessen ernstlich gemeinte Friedensunterhandlungen zu erwecken, ein Zusammenhalten den thüringischen, sächsischen, westfälischen, niederrheinischen und niederlothringischen Fürsten als einzig heilsam für sie Alle anzurathen und besonders die Nothwendigkeit der Ansicht nachzuweisen, daß auch der weltlichen Fürsten Pflicht es sei, für die bedrängte Kirche, die ein gebannter Kaiser zum Verderben der ganzen Christenheit drücke und entweihe, die Waffen zu erheben. Seinen beredten, scheinbar so frommen Worten widerstand selten Einer. Hatte doch Heinrich selbst einst dem Heuchler sein ganzes Vertrauen geschenkt, was bei einem Charakter, wie der des Kaisers war, noch mehr verwundern muß; die Geistlichen vergaßen über der Ergebenheit, über dem Eifer des Erzbischofs für die Kirche, daß derselbe als Kanzler einst das Haupt der Kirche schmachvoller Behandlung preisgestellt hatte. Sogar der biedere, fromme Otto von Bamberg erklärte sich öffentlich für ihn und wurde dem Kaiser, dem er bisher Ergebenheit bewiesen, abtrünnig. Seinem Beispiele folgten bald viele andere Bischöfe in allen Gegenden Deutschlands. Vierzehn von ihnen fanden sich auf Adalbert's Geheiß um Weihnachten 1115 in Köln ein, wo der Kardinal Dietrich diesem die apostolische Weihe zu ertheilen gedachte. Als der päpstliche Legat auf der Reise starb, schreckte dies keineswegs die deutschen Kircheneiferer ab. Dem würdigsten unter ihnen, Otto von Bamberg, seinem Suffragan, übertrug der zu Weihende die wichtige Handlung, die am 26. Deeember stattfand 1). Hier zu Köln stellte sich auch Lothar nebst vielen anderen Fürsten ein 2), die nicht sowol eine eifrige Dienstfertigkeit gegen die Kirche, als die Ueberzeugung, daß ihre eigene Sache von dem Interesse der Geistlichkeit vorerst nicht getrennt werden dürfe,

 

1) Annal. Hildesh. ad 1116: In nativitate S. Stephani Moguntinensis electus ab Ottone venerabili Babenbergensi Episcopo ordinatur. Ebenso Ann. Saxo ad 1116. Daß Adalbert ihn sich ersehen, sagt er selbst in seinem Schreiben an das bamberger Kapitel Cod. Udalr., Nr. 290: Si enim inter XV Moguntini privilegii suffraganeos oleo benedictionis tamquam filos Aaron in sacerdotium suscitandos caeterorum, primogenitis postpositis, solum vestrum in meam benedictionem praelegi Episcopum.

2) Annal. Hildesh., Ann. Saxo a. a. O. bei Dietrich's Leichenbegängniß: Coloniae sepelitur adstantibus Episcopis XIV cum Liutgero Duce, multisque aliis principibus.

 

 

_____

152 Vierter Abschnitt.

 

bestimmte ein Bündniß mit Adalbert, der ihres weltlichen Armes bedurfte und, wie arglistig und ränkevoll auch immer, in seinem Haß und Trachten wider Heinrich wenigstens ohne Verstellung, ohne Rückhalt war, der angebotenen Versöhnung des Kaisers vorzuziehen. Denn was hatte dieser gethan, das an die Aufrichtigkeit seiner Gesinnung glauben ließ? Selbst jene versprochene allgemeine Reichsversammlung, die zwar zu Mainz gestört, aber an einem anderen Orte zu halten gestattet war, unterblieb. Von den Beschwerden, welche die Sachsen den kaiserlichen Gesandten vorgelegt hatten, war noch keine gehoben; den friedlich und freundlich lautenden Worten war nicht zu trauen, weil man hörte, der Kaiser rüste eine Armee und suche eifrig die Hülfe seiner Freunde und Verbündeten. Zwar hieß es, Heinrich wolle nach Italien gehen, um den dringenden Auffoderungen vieler italienischen Geistlichen, Fürsten und Städte nachzukommen, um die reichen Mathildischen Güter in Besitz zu nehmen, um den Papst und die Kircheneiferer mit Waffengewalt zur Aufhebung des Bannes zu zwingen. Konnten aber die neuen Streitkräfte, die Heinrich im Süden und am Rhein zusammenzog, nicht auch gegen Mainz, gegen Köln, gegen Lothringen, Westfalen, Sachsen, Thüringen gerichtet werden? Drohte selbst diesen nicht Gefahr, wenn der Kaiser mit all seinen Anhängern über die Alpen zog und, wie es denn leicht gelingen konnte, ganz Italien unterwarf, den Papst von neuem demüthigte und als Sieger noch stolzer, herrschsüchtiger, mächtiger nach Deutschland zurückkehrte, als er es jetzt zu verlassen durch die Umstände fast genöthigt war? Nur wenn das zu Kreuzburg geschlossene Bündniß, das die östlichen und westlichen Fürsten, das ganz Norddeutschland vereinte, aufrecht erhalten wurde, wenn man Adalbert trotz seiner strafwürdigen Vergehen gegen den Kaiser nicht der Züchtigung dieses preisgab, wenn man Heinrich's Macht theilte, ihm nur mit einem kleinen Heere nach Italien aufzubrechen gestattete, während er seine treuesten Freunde und Helfer zurücklassen mußte, nur dann blieb der Sieg im Welfesholze ein dauernder Gewinn, nur dann war die Freiheit der Fürsten, der Kirche, der abgefallenen Städte am Rhein gesichert und eine Aussöhnung mit dem Kaiser unter Bedingungen, die jedem Theile eine heilsame Macht und dem Reiche dauernden Frieden versprachen, möglich. Wie aufrichtig also auch Heinrich um des italienischen Feldzuges wegen die Beilegung des Kampfes mit den Sachsen wünschte, wie gerecht sein Zorn über Adalbert's Wortbrüchigkeit war, jene konnten jetzt die Waffen nicht niederlegen, durften diesen nicht ohne Schutz lassen noch dem Kaiser einen so bedeutenden Zuwachs

 

 

____

153 Resultat des großen Parteienkampfes.

 

an Macht, wie die Mathildischen Güter ihm boten, gestatten, selbst wenn er ihnen einen Antheil an der Beute versprochen und sie dadurch für seine Plane zu gewinnen sich Hoffnung gemacht hätte 1).

 

Was sich am Ende des großen Parteienkampfes als Resultat desselben herausstellt, war vor dem Aufbruche Heinrich's nach Italien schon das bewußte Streben der sächsischen Fürsten und ihres Hauptes, des Herzogs Lothar, nämlich: solche Rechte der Kirche und soviel Unabhängigkeit den ersten Reichsfürsten auszuwirken, als neben einer hinreichenden Macht des Reichsoberhauptes bestehen durfte, damit alle drei Gewalten einen heilsamen Einfluß auf den Reichskörper übten und gegenseitig der Willkür jeder derselben wehrten. Die Berechtigung zu solchen Ansprüchen war unleugbar vorhanden und wurzelte tief in der Nationalität der Deutschen. Dem Könige die höchste Gewalt im Kriege, der bei einem kriegslustigen Volke fast nie aufhörte, zu geben und sie in den kurzen Zwischenräumen des Friedens nicht zu nehmen, war alter Brauch der Germanen. Ihm als Rather und Helfer zur Seite standen die Fürsten, ohne sie war seine Macht nichtig oder gesetzwidrig. Seit Deutschland wieder 2) ein Wahlreich geworden, besaßen die Fürsten das höchste Recht: den König zu küren und, wenn er Unbilden verübte, ihn zu entsetzen. Demnach stand ihnen Gericht und Urtheil über den Herrscher zu. Wollten sie diese Stellung ihm gegenüber aufrecht erhalten, so mußten sie einig und fest aneinander halten und dem Könige wol zum Vortheil, nie aber zum Schaden des Reiches ihre Macht zugesellen, vielmehr in letzterem Falle jenem sich entgegenstellen. Somit lag in der Verfassung Deutschlands eine Berechtigung der Fürsten, sich selbstständig, unabhängig neben dem Reichsoberherrn zu behaupten. Endlich stand nach dem den Deutschen inwohnenden religiösen und sittlichen Gefühl die Kirche als eine Sittenrichterin und Verkünderin göttlicher Gebote über Niederen und Hohen, also auch über dem Könige da, und diesem, der von Gottes Gnaden sich nannte, gaben erst nach der Wahl durch Krönung und Salbung die rheinischen Erzbischöfe diejenige Weihe, nach der ihm jene Benennung

 

1) Vielleicht nicht abgeneigt wird der Leser sein mit Luden (im angeführten Werke Bd. IX, S. 447) dergleichen Absichten dem Kaiser Heinrich V. bei seinem Vorhaben gegen Italien unterzuschieben. Auf historischen Nachrichten beruhen sie freilich nicht.

2) Die alten Germanen wählten stets ihre Anführer im Kriege, die früh schon auch ihre Lenker im Frieden, ihre Könige wurden.

 

 

____

154 Vierter Abschnitt.

 

zukam. Er blieb verantwortlich und somit abhängig von der hohen Geistlichkeit, die gleich den Fürsten Ansprüche und Rechte sich bewahren durften, zu deren Schutz und Auftechterhaltung ihnen Macht und Waffen zu Gebote standen, die, wenn auch kirchlichen Ursprungs, doch wie diese selbst, von weltlicher, politischer Wichtigkeit waren. Sehr irren alle Diejenigen, welche im deutschen Mittelalter den Ursprung der absoluten Monarchie suchen wollen. Sie war den Elementen desselben gänzlich fremd und zuwiderlaufend; wo sie sich zeigt, nur Misbrauch und gehässige Willkür. Erst die neuere Zeit hat sie aus Schlaffheit und Eigennutz zu einer gesetzlichen Form erhoben, seit der Auflösung des deutschen Reichskörpers in die Vielherrschaft deutscher Fürsten, welche die Macht der Kirche und die des Kaisers vernichteten und die Schwäche der Stände nicht zu fürchten hatten, sie geheiligt, durch Soldateska und Büreaukratie sie mit einer Mauer umgeben, wider die Intelligenz und Freisinnigkeit noch lange vergeblich ankämpfen werden, wenn nicht von außen her moralische oder Physische Macht sie niederreißen hilft.

 

Daß Heinrich V. den Völkern und Fürsten seines Reiches nicht die Fesseln einer absoluten Herrschaft anlegte, hatten die Sachsen durch den herrlichen Sieg am Welfesholze verhindert; daß die Gefahr für sie nicht zurückkehrte, blieben sie wachsam und thätig; vor Allen der Herzog Lothar. Gänzlich verkennen das Streben dieses Mannes Diejenigen, welche ihn ein Werkzeug Adalbert's und der Kirche nennen. Beider sich anzunehmen erheischte das Streben, welches Lothar rastlos verfolgte. Die damalige Lage der Verhältnisse machte, damit Heinrich in die heilsamen Schranken seiner Herrschergewalt zurückgedrängt würde, eine Verbindung der Fürsten und Geistlichen nothwendig. Opferten erstere die Kirche dem Könige oder entzogen sie selbst ihr jede politische Einwirkung, so war, auch wenn sie sich wider Heinrich selbstständig erhielten, kein dauerndes Heil für den Reichsfrieden zu hoffen, weil das Ansehen der Geistlichkeit ebenso sehr ein Lebenselement für den deutschen Reichskörper wie ein vermittelndes Band zwischen König und Fürsten war. Die Städte, so blühend ihr Zustand, so entscheidend ihr Beitritt seit Heinrich's IV. Regierung sich gezeigt, waren in der politischen Verfassung des Reichs noch kein integrirender Stand, der sich als solcher repräsentirte; sie hatten bei der Wahl oder Absetzung des Herrschers, bei Berathung der Reichsangelegenheiten, bei den Heereszügen gegen auswärtige Feinde noch keinen oder wenigen Antheil genommen. Das Landvolk, wenn auch nicht wie in spätern Jahrhunderten, knechtisch und leibeigen, sondern noch seiner Kraft, seines Einflusses sich

 

 

_____

155 Adalbert u. Lothar Vertreter d. Kirche u. Fürsten.

 

bewußt, hatte zu keiner Zeit über die Grenzen seines Wohnsitzes hinaus eine Thätigkeit entwickelt, nie ein Interesse, das auf ganz Deutschland und namentlich auf die Reichsverfassung sich erstreckte, mit lebendigem Aufschwunge verfolgt. Fürsten und Geistliche allein theilten mit dem Könige die Reichsherrschaft. Daß dieser sie nicht um den herkömmlichen Antheil brachte, mußte jene beiden Stände zu einer engen Verbindung veranlassen. Wie Lothar die Fürsten, vertrat Adalbert die Kirche; Keiner diente dem Andern als Werkzeug, sondern beide Männer gestanden sich gegenseitig ihre Bedeutsamkeit zu. Mit Adalbert's Auftreten auf dem Kriegsschauplatze wird der Kampf in Deutschland einer um die Reichsverfassung, während er bisher ein Kampf für Freiheit der Unterdrückten und Bedrängten gewesen war. Wenn auch des herrschsüchtigen Prälaten Streben weiter ging als die freie Stellung der Kirche im Staate zu erringen, wenn er für sich einen Vorrang vor allen Fürsten Deutschlands suchte, ja selbst über dem Kaiser als Richter zu stehen trachtete; mehr als jenes Anrecht der Kirche erlangte er nicht. Von Lothar bleibt aber auch der Schein eines Eigennutzes fern, und daß er außer der Selbstständigkeit der Fürsten auch die dem Reiche nothwendige Aufrechterhaltung der Kirche erkämpfte, macht seinen Namen in Deutschlands Geschichte bedeutungsvoll, noch ehe ihn die Erhebung auf den Kaiserthron mit äußerem Glanz umgab.

 

Sobald Heinrich von der Verbindung Adalbert's und Lothar's vernahm, durfte er zu einer friedlichen Ausgleichung des Kampfes in Deutschland sich wenig Hoffnung machen. Daß Ersterer die erzbischöfliche Weihe erhielt, war natürlich ganz gegen des Kaisers Willen 1). In Mainz hätte dieser dieselbe von Speier aus, wo er mit wenigen Fürsten und Prälaten das Weihnachtsfest feierte, hintertreiben oder doch stören können. Dies fürchtend wählte Adalbert das entferntere, stark befestigte und dem Kaiser längst trotzende Köln. Noch höher stieg Heinrich's Zorn, als er vernahm, daß dort zugleich in Gegenwart der angesehensten weltlichen und geistlichen Fürsten der Bann aufs Neue verkündet werden sollte 2). Die nachtheiligen

 

1) Chron. Ursp. ad 1115: Qui conventus (Coloniae) instante festo Natali Domini factus est non absque indignatione Imperatoris, qui necdum plene voluntarius erat in consensu consecrationis.

2) Ann. Saxo ad 1116: Heinricus Natal. Dom. Spirae cum paucis Episcopis et Principibus celebrans ea, quae interim Coloniae gerebantur, graviter tulit. Audivit enim quam plurimos ibi convenisse non solum Metropolitanos, sed etiam alios Episcopos vel Optimates Regni, causa praecipua verbum excommunicationis in se manifestandi.

 

 

_____

156 Vierter Abschnitt.

 

Wirkungen der früheren Exkommunikationen auf deutschem Boden hatte er bereits erfahren. Schon waren viele ihm früher Ergebene oder vor seinem Zorn Scheue öffentlich zu den Gegnern übergetreten. Von Adalbert und all Denen, die von demselben nach Köln geladen waren, hatte er das Schlimmste zu erwarten. Den Schlag abzuwenden, sandte er den Bischof Erlung von Würzburg, auf dessen Treue und Geschicklichkeit er viel baute, an die Versammlung der Gegner. Diese aber wies nicht nur die Vermittelung desselben von sich, sondern versagte ihm Gehör, und wie einem sammt seinem Herrn Gebannten jede Gemeinschaft, bis Erlung, von Mahnungen und Drohungen geschreckt, reuig zu der Kirchenpartei übertrat 1). Wie erstaunte Heinrich, als sein Gesandter bei der Rückkehr nach Speier, anstatt ihm einen glücklichen Erfolg seiner Bemühungen zu verkündigen, sich weigerte, vor ihm die Messe zu lesen und mit dem Gebannten Gemeinschaft zu haben. Mit Heftigkeit fuhr er ihn an, nannte ihn einen Treulosen, Undankbaren, Meineidigen, drohte ihn für sein ungebührliches Betragen hart zu züchtigen und foderte augenblicklich die verweigerte Messe. Erlung, den Tod oder mindestens das Loos Adalberos fürchtend, fügte sich jetzt zwar der Nothwendigkeit, ersah aber die nächste Gelegenheit zur Flucht, bereute mit Thränen seine Schwache, die er vor dem Kaiser bewiesen, that deshalb wie ein Schuldbeladener Buße vor den Bischöfen der Kirchenpartei und wurde ein erbitterter Gegner Heinrich's, dem er noch manchen neuen Feind erweckte 2).

 

Aber auch der Kaiser zog einen augenblicklichen Gewinn von Erlung's Abfall und nahm ihm das Herzogthum Franken, das seit Langem mit dem Bisthum Würzburg, dessen Bischof sämmtliche Gaugrafschaften seiner Diöcese besaß, vereinigt gewesen war 3), und beschloß, dieses weltliche Reichslehn auch wieder einem weltlichen

 

1) Ann. Saxo a. a. O. Missus autem ab Imperatore illuc Erluwinus Wirceburgensis Episcopus audientiam vel communionem non nisi reconciliatus habere meruit.

2) Chron. Ursp. ad 1116 und nach ihm Ann. Saxo z. d. J.: Reversus post redditam legationem ei, qui se miserat, denuo communicare renuit, sed vitae periculo coactus missam coram Rege celebravit, indeque usque ad mortem contristatus latenter discessit sicque rursum communioni pristinae multis lacrimis reconciliatus ultra Caesaris aspectu simul et gratia caruit.

3) Adam Bremensis, Histor. eccles., cap. 162 (lib. IV, cap. 5): Ipse (Episcopus Wirceburgensis) cum teneat omnes comitatus suae parochiae ducatum etiam provinciae gubernat.

 

 

____

157 Konrad v. Hohenstaufen wird Herz. v. Franken.

 

Fürsten zu übertragen, wie es in älteren Tagen und offenbar geziemender geschehen war. Einem treu ergebenen und von bedeutender Macht unterstützten Manne mußte er das Herzogthum Franken, das durch seine Lage in der Mitte von Deutschland besondere Wichtigkeit hatte, übertragen. Beides vereinte sich in Konrad von Hohenstaufen, seinem Schwestersohne und Zögling 1). Wie dessen älterer Bruder Friedrich in Schwaben und Elsaß, sollte nun im benachbarten Franken Konrad des Kaisers Sache aufrecht erhalten. Unter anderen Verhältnissen wäre dieses Ereigniß für die Machtvergrößerung Heinrich's von der höchsten Bedeutung gewesen, nun aber schürte es nur das Feuer des zerstörenden Bürgerkrieges. Denn nur mit Gewalt konnte Franken dem früheren Besitzer und dessen Lehnsträgern entrissen werden. Wie diesen die antikaiserliche Partei kräftigen Beistand leistete, mußte Konrad mit Unterstützung seines Bruders und anderer kaiserlich Gesinnten die neue Herrschaft sich erwerben. Hier auf der Grenze von Nord- und Süddeutschland mußte ein Kampf am heftigsten werden, der im Allgemeinen schon die beiden Hälften Deutschlands, die Völker des fränkischen und sächsischen Rechts, widereinander entbrannte, der im Besonderen aber noch ein Schisma des Reiches und der Kirche, der weltlichen und geistlichen Rechte, ein Streben kaiserlicher Willkür gegen Festhalten an der bestehenden Ordnung im Reiche war. Wenn Konrad ein der Kirche gehörendes Reichslehn an sich riß, wenn er für den Kaiser seine Hausmacht gegen dessen Gegner aufbot, wenn er seine Süddeutschen herbeiführte, um Norddeutsche zu züchtigen, so zeigten die Vertheidiger der Kirche, des Kirchengutes und nationaler Freiheit, sie, die den Kaiser als einen Unterdrücker haßten und als Gebannten nicht der Krone würdig achteten, gegen dessen Anhänger und sogar nahen Verwandten, gegen den Räuber eines Kirchenlehns, die höchste Erbitterung. Kurz alle Interessen, die der verhängnißvolle Krieg auf beiden Seiten angeregt hatte, traten in dem Kampfe um Franken

 

1) Chron. Ursp. und Ann. Saxo a. a. O.: Qua etiam commotione succensus Imperator Ducatum Orientalis Franciae, qui Wirciburgensi Episcopo antiqua Regum successione (Ann. Saxo hat concessione) competebat, Chunrado sororis suae filio commisit. Seit 1047, wo Herzog Konrad der Jüngere starb, hatte es keinen eigenen Herzog von Franken gegeben. Vergl. Mascov, Comment. sub Henrico III, lib. V, §. 27 not 4; Stenzel I, S. 667, Anm. 38 a. Konrad von Hohenstaufen gelangte wol nie zum vollen Besitz Frankens und trat es 1120 wieder an Erlung von Würzburg ab, wovon später im Text geredet werden muß.

 

 

____

158 Vierter Abschnitt.

 

am lebhaftesten hervor und gaben in der schrecklichen Verheerung und Plünderung des Bisthums Würzburg einen Beweis, mit welcher Erbitterung beide Parteien sich befehdeten 1).

 

Wol den Anlaß zu diesen und anderen bald über ganz Deutschland sich ausbreitenden Verwüstungen hatte Heinrich gegeben; die Schuld der ins Wilde und Unmenschliche gesteigerten Kriegswuth tragen indeß seine Neffen, denen er die Fürsorge für das Reich überließ 2), als er im Anfange des Jahres 1116 den nicht länger aufzuschiebenden Zug nach Italien antrat 3). Vielfach dringend war die Auffoderung dorthin, der er sich nicht entziehen konnte, es sei denn, daß er mit seiner deutschen Herrschaft sich begnügend, Italien für immer aufgeben wollte. Die schwierige Lage der Dinge hatte ihm aber Deutschland verleidet, während die Erwerbung der reichen Mathildischen Güter zu Erhöhung seiner Macht ihm Hoffnung gab. Ohne Mühe, Gefahr und Lösung sehr schwieriger Verwickelungen war indeß auch dieser Gewinn nicht zu erringen, zumal da seine Ansprüche nicht die einzigen, wenn auch die nächsten und rechtmäßigsten als eines Verwandten der Erblasserin und als des Oberlehnsherrn aller im römischen Kaiserthum liegender Reichslehen, die im Falle des Aussterbens eines Fürstenhauses er nach altem Herkommen einziehen durfte. Zwar hatte wiederholentlich 4) Mathilde ihre Güter der römischen Kirche verschenkt, ohne dazu, besonders in Bezug auf die Lehen, ein Recht oder einen anderen Grund zu haben, als ihre

 

1) Chron. Ursp. a. a. O. Scindebantur inter haec et hujusmodi regnum Teutonicum, quod jam decennio vel paulo plus concorditer quieverat.- - Primo ergo pars utraque conventibus assiduis agros alterius vastare colonos despoliare coepit maximeque in Episcopio Wirciburgensi per Conradum fratrem Friderici Iues ista succrevit.

2) Otto Fris., Chron. VII, p. 15 sagt dies ausdrücklich: In Italiam migrante rerumque summam sororiis suis Conrado et Friderico permittente. Mit welcher Einschränkung dies geschehen, werden wir später sehen.

3) Die deutschen Chronisten stellen die Sache mehr so dar, als ob Heinrich wegen der Verwickelung in Deutschland das Reich verlassen. Chron. Ursp. a. a. O.: Ipse scandala Principum declinans in Italiam se una cum Regina totaque domo sua contulit. Ebenso Ann. Saxo, Chron. Leodiense ad 1116: Henricus Imperator propter asperos in se motus Regni ad Italiam secedit, Vergl. auch Helm., Chron. Slav. I, cap. 40. Die Zeit des Aufbruchs ergibt sich aus seiner Ankunft in Venedig im März 1116.

4) S. die Urkunde vom Jahre 1102 bei Scheid, Orig. Guelf., I, p. 448, wo einer früheren Uebergabe erwähnt wird, die Raumer 1, S. 237 ohne Beweis auf 1077 setzt. Vergl. Stenzel II, S. 162.

 

 

____

159 Die Mathildische Erbschaft.

 

ganz ergebene Zuneigung gegen den Papst. Weder mit dem Herzoge Gottfried von Lothringen, noch mit dem jüngeren Welf, ihren beiden Männern, in glücklichem Einverständniß und nach den Gesetzen der Ehe lebend hatte sie keine Nachkommen hinterlassen. Da Ersteren der Tod, Letzteren eine Ehescheidung von ihr trennte, durften auch Beider sonstige Nachkommen keine gesetzlichen Ansprüche an Mathildens Hinterlassenschaft erheben 1). Auch wurde damals nach ihrem Ableben von keinem deutschen Fürsten solche Anfoderung gemacht, wie sie erst in den Tagen Kaiser Friedrich's I. von Seiten der Welfen, doch auf andere Ansprüche gegründet, erfolgte. Selbst der Papst Paschalis II. unterließ, was dereinst seine Nachfolger mit soviel Hartnäckigkeit von den Hohenstaufen zu fodern und wirklich auch zu erlangen wußten, auf Grund des erwähnten Testaments 2) die Länder der Markgräfin als Kirchengut an sich zu ziehen, theils weil er überhaupt nach weltlichem Besitz kein Verlangen trug, und sogar in dem 1111 dem Kaiser vorgeschlagenen Vergleich die Unschicklichkeit solchen Besitzes für Geistliche ausgesprochen hatte, theils aus Furcht vor Heinrich's Zorn, der ihm noch im treuen Gedächtniß stand, und den er bei dem abermaligen Herannahen nicht aufs Neue und zwar, da er selbst von keiner Streitmacht unterstützt wurde, nicht so ganz ohne ersichtlichen Erfolg anreizen wollte. Schien somit es ein Leichtes für den Kaiser, wenn er schnell und mit gehöriger Heeresmacht in Italien einrückte, die Mathildischen Güter allein für sich in Besitz zu nehmen, so lag in der Art dieser Besitzungen selbst eine um so größere Schwierigkeit. Die Macht Mathildens hatte nicht sowol in zusammenhängenden und ausgedehnten Allodien und Lehen bestanden als in einer großen Menge zerstreuter Güter und in Rechten, die sie in vielen Städten Ober-Italiens 3), ja auf Corsika

 

1) Raumer, Hohenstaufen, Bd. I, S. 295, glaubt, daß Welf V. im Ehevertrage mit Mathilden gewisse Rechte auf ihren Nachlaß zugesichert erhalten. Die Orig. Guelf. I, p. 448 und II, p. 304 verbürgen dies nicht. Doch wäre dem so gewesen, so verloren Welf's Ansprüche alle Bedeutung bei der Scheidung und selbst die Morgengabe Mathildens verblieb ihr allein.

2) Uebrigens sind in der Testamentsurkunde unter omnia bona mea jure proprietario dann bona juris mei wol nur ihre Allodien, die sie juris mei nennen konnte, zu verstehen, nicht die Reichslehen oder die vielen Ländereien, die Mathilde von Städten erhalten und deren Besitz sich auf persönliche Rechte, die man ihr dort zugestanden, gründete. Auch der Kaiser, der als Verwandter Erbansprüche machte, durfte von den Städten nur fodern, was ihm als Kaiser gebürte.

3) Als Lucka, Parma, Mantua, Ferrara, Modena, Reggio, Piacenza, Verona, Ankona, Montferrat, Spoleto u. a. Daher sie oft Marchissa Longobardorum heißt, wie ihr Vater Bonifacius Marchio de Longobardia. Gewöhnlicher noch wird sie Comitissa oder Ducstrix Thusciae, und bei den italienischen Schriftstellern Gran-Comtessa genannt. Sie selbst unterschrieb sich gewöhnlich: „Von Gottes Gnaden Das, was ich bin.“ —

 

 

_____

160 Vierter Abschnitt.

 

und Sardinien besaß, und die ihr daselbst einen so überwiegenden Einfluß gaben, daß sie wie eine Herrin über alle gebieten durfte, auch wol manche Eingriffe mit Zustimmung der Städte oder eigenmächtig sich erlaubte. Nach ihrer langjährigen Herrschaft war eine Sonderung der Güter und Rechte, die ihr erblich und solcher, die ihr persönlich zuerkannt oder stillschweigend und gezwungen eingeräumt worden, äußerst schwierig, und mußte der Kaiser, der selbst nur auf entfernte, jetzt kaum zu ermittelnde Weise 1) mit Mathilden in Verwandtschaft gestanden, sehr vorsichtig zu Werke gehen, um nicht die Städte, deren Ansprüche auf schwer zu erweisenden, oft nicht unerheblichen, mitunter aber auch wol ungenügenden Gründen beruhten, gegen sich aufzureizen. Denn ihres Beistandes und ihrer Freundschaft bedurfte er, da er jetzt nicht, wie im Jahre 1110, mit der Gesammtmacht des deutschen Reiches, sondern nur mit einem kleinen, meist aus eigenen Mitteln geworbenen Heere, begleitet von Herzog Heinrich von Kärnthen, Welf's Bruder, den Bischöfen von Münster, Augsburg, Verden, Trident, dem Abte von Fulda und einigen anderen weltlichen und geistlichen Fürsten 2) in Italien erschien. Nur der Schrecken seines Namens, den die Erinnerung an seinen früheren Römerzug hervorrief, bannte die Städte der Lombardei 3). Gleichwol hielt Heinrich für gerathen, die Gemüther

 

1) Nach Bünau's Untersuchungen im Leben Kaiser Friedrich's Barbarossa S. 382, geneal. Tab. III, wäre die Verwandtschaft von der Kaiserin Gisela her, deren Schwester Mathilde eine Großmutter der Markgräfin gewesen sein soll, diese:

Hermann von Schwaben. _________________________^______________________

Mathilde Gisela, die Kaiserin,

Gem. Friedr. von Lothringen. Gem. Konrad II.

___________^___________ _____^_____

Beatrix, Heinrich III.

I. Gem. Bonifacius v. Toskana.

_____^_____

_______^_______

Mathilde, die Großgräfin. Heinrich IV.

_____^______

Heinrich V.

 

2) Für die genannten gibt Stenzel I, S. 669, Anm. 7, die Beweise.

3) Der Abt Azzo von Aqui schreibt an Heinrich (Cod. Udalr. Nr. 258): Vestra est enim adhuc Lombardia, dum terror, quem ei incussistis, in corde ejus vivit.

 

 

____

161 Heinrich's zweiter Zug nach Italien.

 

durch Milde und Freigebigkeit an sich zu fesseln, die Angelegenheit in Norditalien friedlich zu schlichten, sich mit Dem zu begnügen, was Keiner ihm vorenthielt; die Fürsten, die Städte, die Geistlichkeit, selbst den Papst für sich zu gewinnen, um sobald als möglich in Deutschland mit vermehrter Macht aufzutreten und die widerspenstigen Gegner zu züchtigen. Fast schien er diesmal gut machen zu wollen, was er 1110 und 1111 durch Strenge und Gewalt verdorben hatte. Die gute Aufnahme in Venedig 1) (im März 1116) lohnte er durch Freibriefe an die Stadt, durch demüthige Andachtsübungen in St.-Markus und an anderen heiligen Stätten, durch Privilegien und Schenkungen, die er den Klöstern bewilligte; für die Ehrenbezeugungen, die ihm die Bürger und der Doge Ordelafo Faledro erwiesen, versprach er seinen Beistand gegen die Ungarn, welche die dalmatischen Besitzungen der Venetianer wiederholentlich beunruhigt hatten. Auch gewann er die stolzen Bewohner durch seine Schmeicheleien, indem er die schöne Lage der Stadt, die Pracht der Häuser, ihre Verfassung rühmte und ihren Staat ein Königreich nannte. So die Freundschaft und Ergebenheit des mächtigsten Staates von Oberitalien gewinnend, schien ihm das Glück gleich beim Eintritt auf dem Boden, der der Schauplatz seiner Thaten werden sollte, zu lächeln. Dann zog er das Pothal hinauf und wußte auch hier die Städte wie die Geistlichkeit durch Ertheilung von Privilegien, durch Schenkungen, durch gottesfürchtigen Besuch der Kirchen und Klöster für sich einzunehmen, sodaß es Niemandem einfiel, ihm als Gebannten, als Ketzer, als Frevler an der Kirche den Eintritt oder Aufenthalt irgendwo zu verweigern. Endlich brachte er auch in kurzer Zeit und mit gutem Erfolg das schwierigste und für ihn wichtigste Geschäft, die Mathildische Erbschaftsangelegenheit, in Ordnung, indem er ohne auf lange und verwickelte Untersuchungen sich einzulassen, den einzelnen Städten als freie Gabe bewilligte, was sie nur billigerweise

 

1) Das im Text Gesagte stützt sich auf Dandolo's Chron., bei Muratori, XII, p. 263-66 ad 1116. Ich führe nur folgende Worte an: In mense Martio - Venetias accedens in Ducali Palatio hospitatus est, liminaque B. Marci et alia Sanctorum loca cum devotione maxima visitat et urbis situm aedificiorumque decorem et regiminis aequitatem multipliciter commendavit. Curiam etiam suorum Principum tenens pluribus monasteriis immunitatum privilegia de suis possessionibus Italici Regni concessit, in quibus Ducalem provinciam Regnum appellat. Multis igitur a Duce et Venetis sibi impensis honoribus, in suo recessu contra Hungaros denuo Dalmatiam invadentes auxilium spopondit.

I. 11

 

 

____

162 Vierter Abschnitt.

 

fodern durften 1). In die Händel Mailands, veranlaßt durch eine zwiespaltige Erzbischofswahl zwischen einem Anhänger seiner Partei und einer der ihm feindlichen Kirchenfaktion 2), mischte er vorläufig sich gar nicht, wie dringend ihn auch seine Freunde dazu aufgefodert hatten 3). Ebenso überließ er die Zwistigkeiten der Bischöfe von Lucca und Pisa über die Ausdehnung ihrer Kirchensprengel der römischen Kurie zur Entscheidung und saß nur in Städten, deren Bürger ihm freiwillig die Thore geöffnet hatten und ihm Rechte bewilligten oder gegen Ertheilung von Privilegien und Gütern zuerkannten, zu Gericht. Den Zwiespalt zwischen ihm und dem Papste, der von diesem, wenn auch nicht öffentlich, so doch durch mancherlei geheime Machinationen, die dem Kaiser durch seine Anhänger entdeckt und benachrichtigt worden 4), nicht nur in Deutschland, sondern auch in Italien angefacht war, auf friedliche Weise zu lösen, war er aufs eifrigste bemüht und jedes Mittel, das den gegenseitigen Beschwerden abhelfen könnte, in Wirksamkeit zu setzen bedacht.

 

Vieles war aber geschehen, was Heinrich gerechte Besorgnisse erregen mußte, daß man in Rom von Seiten der päpstlichen Kurie wie des leicht zu allen Schritten beweglichen Volkes ihm einen empfindlichen und verderblichen Schlag zu bereiten suche 5). Nicht nur

 

1) Das beweisen die vielen Urkunden, die den Städten, Klöstern und Geistlichen von Heinrich ertheilt wurden.

2) Die beiden Bewerber waren Grossolanus und Jordanus, letzterer ein heftiger Gegner Heinrich's.

3) Cod. Udalr., Nr. 258. Der Bischof von Aqui meldet die zwistige Wahl, er hat aber auch schon ein wirksames Mittel wider die Gegner des Kaisers ergriffen. Er schreibt: Operam deci erigendi magnum parietem populi contra populum sub occasione cujusdam alterius Archiepiscopi - - viri sclicet perfectissime literati et ingenio astutissimi et elouquentissimi curiae vestrae vslöe necesssrii, cujus usrtem vropter Konorem vestrum in tsntum suxi, quod medietas populi contra medietatem populi contendit. Nunc itaque videat pietas vestra, si ad hoc velitis me laborare, ut et pupulus ille maneat divisus etc.

4) Cod. Udalr., Nr. 259. Es schreibt der Abt von Farsi über den Papst: Interim callide agit clandestinis machinationibus, quatenus incautos vos et minus sollicitos reddat. Nam verba, quae vodis literis suis blanda, et placatissima mandavit, quamvis nobis ignota sunt, fraude tamen plena pro certo existimamus.

5) Cod. Udalr., Nr. 259: Denique Apostolici intentio ad hoc viget et molitur, ut irrecuperabile vobis detrimentum operari valeat, et tum demum irrevocabilem contra vos proferet sententiam.

 

 

____

163 Heinrich's zweiter Zug nach Italien.

 

der Vertrag von Ponte Mammolo war als ein erzwungener von Paschalis II. aufgehoben, und dadurch des Kaisers Entscheidung in Kirchensachen wieder für unzulässig, ja für sträflich erklärt, auch die weltliche Herrschaft über Italien hatte die römische Kurie ihm zu entreißen versucht. Der schlaue Alexius, Kaiser von Konstantinopel, benutzte den Haß der Römer und der strengeren Kirchenpartei gegen Heinrich V., um Jahrhunderte lang vergessene, darum aber noch nicht aufgegebene Ansprüche an die römische Kaiserkrone wieder geltend zu machen. Schon waren seine Unterhandlungen mit dem Papst und dem römischen Volke durch geschickte Unterhändler eingeleitet, auf beide wirkten beredte Schreiben, worin er ein schmerzliches Bedauern über Paschalis' frühere Gefangenschaft, über die harte Behandlung und jedes durch den deutschen König dem heiligen Vater zugefügte Unrecht aussprach, die Unbeugsamkeit und Festigkeit der Kircheneiferer rühmte, sowie dem Papste, den Römern, allen willfährigen Geistlichen und Städten große Versprechungen that, wenn man ihm oder seinem Sohne Johannes die römische Kaiserwürde verleihen wolle 1). Schon hatten die Römer eine sehr glänzende Gegengesandtschaft nach Konstantinopel geschickt 2), um Alexius nach Italien herüberzuholen, als sich die Sache aus nicht klar zu erweisenden Ursachen zerschlug, sei es, daß der griechische Kaiser sein Vorhaben aufgab, oder die wankelmüthigen Römer in ihrem Eifer erkalteten, oder die römische Kirche die Reinheit ihres Glaubens durch einen griechisch-katholischen Kaiser gefährdet und entweiht glaubte, oder, was das Wahrscheinlichste, daß die Furcht vor dem deutschen Kaiser und seinen zahlreichen Anhängern in Oberitalien den Papst wie die Römer abhielt, jenem eine Krone zu entziehen, die seit Karl

 

1) Chron. Casinense, IV, p. 46: Strenuissimos de suo imperio viros cum literis Romam direxit, per quos significabat se idem Imperstor primitus de injuria et captivitate summi Pontificis a Romanorum Imperatore sibi allata nimium dolere, deinde gratias agens collaudabat illos, quod viriliter contra eum stetissent, nec illi ad votum cessissent, atque ob id, si animos illorum promptissimos ac paratissimos inveniret, prout sibi ab istis partibus jam dudum mandatum fuerat, vellet ipse vel Johannes filius ejus secundum morem antiquorum fidelium videlicet Imperatorum a summo Pontifice coronam accipere. Der Abt von Monte Cassino zeigte sich besonders thätig für Alexius, ward von diesem reich beschenkt und sollte noch mehr erhalten, wenn er den Kaiser nach Rom begleiten würde.

2) Chron. Casin. a. a. O.: Mense Majio elegerunt de suis ferme sexcentos et direxerunt Imveratori ad conducendum eum; Cod. Udalr. Nr. 259 gibt die nomina praecipuorum euntium ad Constantinopolitanum Regem.

11*

 

 

____

164 Vierter Abschnitt.

 

dem Großen nur dessen Nachkommen und Nachfolgern, und seit Otto dem Großen ununterbrochen den Herrschern Deutschlands als ihnen allein gebührender Schmuck zuerkannt worden war.

 

Gaben die geheimen Intriguen und öffentlichen Schritte der römischen Kurie Heinrich gerechten Anlaß, wider sie mit Strenge zu verfahren und seinen ganzen Zorn auszulassen, so nöthigten ihn doch die Verhältnisse in Deutschland, die Rücksicht auf viele ihm ergebene Geistliche, die verwickelte Angelegenheit der Mathildischen Erbschaft, die ihm leicht Feinde und in diesen dem Papst willkommene Verbündete erwecken konnte, auch gegen den heiligen Vater mit aller Schonung, Mäßigung und scheinbaren Ergebenheit zu verfahren, ohne jedoch im mindesten etwas von seinen Rechten aufzugeben. Gleich bei seiner Ankunft auf italienischem Gebiet hatte er eine Gesandtschaft, an deren Spitze er den thätigen, einsichtsvollen, treu ergebenen Abt Pontius von Clugny stellte, an Paschalis mit Briefen vorausgeschickt, worin er fern von Vorwürfen, vielmehr mit großem Bedauern aussprach, daß der Papst um seinetwillen soviel Beschwerde, Haß und Verfolgung erduldet habe, und sich bereit erklärte, ihn mit Hülfe aller wahrhaft Frommen und dem Wohl der Kirche eifrig Zugethanen von jenen Drangsalen zu befreien und Friede und Eintracht unauflöslich fest zwischen Reich und Kirche zu begründen 1). Den besten Nachdruck gab diesem Schreiben ihr Ueberbringer, der, ein Verwandter des Papstes 2), unparteiisch, von beiden Theilen geachtet und so gewissermaßen über den Streitenden stehend, den friedlichen Absichten des Kaisers bei der Kurie Glauben und Zutrauen erweckte. Wenigstens

 

1) S. sein Schreiben an Paschalis Chron. Udalr. Nr. 273. Es ist kurz und in dem bezeichneten freundschaftlichen Tone abgefaßt. Alles, was zu verhandeln war, hatte er dem Ueberbringer mündlich aufgetragen: Idcirco Abbatem Cluniacensem ad hoc negotium adscivimus, scilicet virum religiosum et in fide Christi spectabilem. Von der Verwandtschaft Pontius' mit dem Papste, auf die der Kaiser doch ein Gewicht legen mußte, finden wir freilich nichts erwähnt. Vergl. die folgende Anmerkung.

2) Chron. Ursp. ad 1116: Circa Padum negotiis insistens regni, legatos ad Apostolicum pro componendis causis — — suppliciter destinavit, cujus legationis primatum Abbas Cluniacensis, consanguineus, ut ajunt, Domini Papae, tenuit. Dies ut ajunt und daß der Kaiser in seinem Schreiben nicht die Verwandtschaft hervorhebt, läßt diese noch bezweifeln. Indessen spricht der letztere Umstand auch nicht dagegen, da es überflüssig war, dem Papste zu sagen, daß Pontius dessen Verwandter sei, und Heinrich vermeiden mußte, daß der Papst in der Wahl des Gesandten eine Absicht vermuthe, die von Seiten des Kaisers allzu berechnet erschiene. Der Gesandtschaft erwähnt auch Helmold I, cap. 40.

 

 

____

165 Heinrich's zweiter Zug nach Italien.

 

erreichte Heinrich durch seinen Unterhändler und den in seinem Briefe angestimmten Ton der Milde und Freundlichkeit, daß der Papst nicht vor ihm erschreckt aus Rom entwich, und daß er selbst Paschalis einen Ausweg zeigte, wenn die Kircheneiferer ihn zu sehr bedrängten oder gar ihre Drohung mit einer neuen Papstwahl ausführten 1). Denn immer noch gab es in der Kirche zwei Parteien, zwischen denen Paschalis wie ein schwankend Rohr in der Mitte stand. Nicht entschlossen, den Bann über den Kaiser auszusprechen, weil dies gegen den beschworenen Vertrag war, und der strengeren Faktion sich eng anzuschließen, andrerseits fest bei dem Investiturrecht verharrend, dessen Aufgeben Heinrich jetzt wie früher von ihm foderte, wollte er nur einer allgemeinen Kirchenversammlung die Entscheidung überlassen. Am 5. März 1116 ward diese im Lateran eröffnet. Sie bestand aus Geistlichen der verschiedensten Nationen, Charaktere, Gesinnungen ünd Interessen. Auch weltliche Fürsten, Herzöge, Gesandte aller Provinzen Italiens waren erschienen 2). In den ersten Sitzungen wurde indeß der Hauptsache, der Spaltung zwischen Reich und Kirche, gar nicht gedacht, nur die zwistige Erzbischofswahl in Mailand besprochen und endlich zur weiteren Untersuchung den Kardinälen überwiesen. Als auch in der dritten Sitzung der Streit zwischen dem Bischof von Lucca und der Stadt Pisa vom Papst als Gegenstand der Berathung vorgelegt wurde, erhoben sich unwillig einige der Kircheneiferer und verlangten stürmisch, daß nicht ferner über solcherlei Nebendinge, sondern über die höchst wichtigen geistlichen und kirchlichen Grundsätze eine ernste Berathung vorgenommen werden und der Papst seine Gesinnung an den Tag

 

1) Daß dieses damals noch die Absicht Vieler gewesen, erfahren wir aus dem angeführten Schreiben des Bischofs von Aqui. Udalr. Nr. 238: Notum igitur vobis facio, quod audivi synodum videlicet Romae fieri, in qua asseritur Dominum Papam vel deponi et alterum debere eligi, qui omne consilium pacis, quod cum Domino vel firmsastis, dissoivat pro eo, quod vel Dominus non audet, vos propter factas inter vos et ipsum securitates excommunicare etc.

2) Chron. Ursp. ad 1116: II. Nonas Martis Romae in sede Lateranensi in ecclesia S. Salvatoris, quae appellatur Constantiniana, celebrata est synodus universalis concilii congregatis ibidem ex diversis regnis et provinciis Episcopis, Abbatibus Catholicis, Ducibus et Comitibus, legatis universarum provinciarum quam plurimis. Unter letzteren sind vielleicht nur Legati Apostolici zu verstehen, die der Papst sämmtlich zurückberief, um ihnen Verhaltungsbefehle, die sie, bis dahin willkürlich verfahrend, gar nicht eingeholt oder nur vorgegeben hatten, in Person zu ertheilen.

 

 

____

166 Vierter Abschnitt.

 

legen solle 1), damit jeder der Anwesenden wisse, was er nach seiner Rückkehr in die Heimat zu verkünden habe. Da erhob sich der heftigste Widerstreit in der für so verschiedenartige Interessen auftretenden, von so entgegengesetzten Ansichten das Wesen der Kirche oder die Macht des Kaisers auffassenden Versammlung. Daher war auch das Endresultat der Berathungen voll Widersprüche und eigentlich gar nichts entschieden, was nicht der mannigfachsten und willkürlichsten Deutung Raum gab, oder bei der geringsten Aenderung der äußeren Verhältnisse eine Umgestaltung oder förmlichen Widerruf nöthig machte. Der Papst erklärte zwar den Vertrag mit dem Kaiser für erzwungen und darum für ungültig, verharrte auf Gregor's VII. Ausspruch, daß die Investitur der Geistlichen durch Laienhand Frevel sei, und verdammte den Verleiher wie den Empfänger derselben 2); über Heinrich aber den Bann auszusprechen, verweigerte er hartnäckig, wie sehr auch der Bischof Kuno von Praeneste, der solches bereits auf fünf Concilien gethan hatte, in ihn drang. Nicht nur den Freunden und Anhängern des Kaisers, sondern auch den friedliebenden Bischöfen gefiel Paschalis' Mäßigung. Doch waren diese in der großen Versammlung die Minderzahl, und die schlauen Worte des Praenestiners wie die mahnenden Briefe Guido's von Vienne wirksamer, sodaß der Bann, welchen beide Geistliche über den Kaiser gesprochen hatten, auch ohne des Papstes Beistimmung genehmigt 3) wurde.

 

Zu diesem Zwiespalt zwischen Haupt und Gliedern der Kirche hatte unfehlbar Heinrich bedeutend mitgewirkt. Nicht nur sein Gesandter Pontius von Clugny, der zur Zeit der Kirchenversammlung

 

1) Chron. Ursp. und Ann. Saxo ad 1116. Danach Raumer I, S. 297ff. und Stenzel I, S. 669 handeln von Dem ausführlich, was hier nur angedeutet werden kann, da nur das Verhältniß zwischen Staat und Kirche, nicht die Begebenheiten, die beide berühren, im Einzelnen für unsern Zweck von Bedeutung sind.

2) Chron. Ursp. a. a. O. gibt die Rede des Papstes, worin er anerkennt, daß auch die weltlichen Fürsten wegen der weltlichen Besitzungen der Geistlichkeit seit Konstantin dem Großen an Kirchendingen Antheil gehabt haben. In Betreff der Investitur aber: Iterans sententiam Gregorii VII. investituram Ecclesiasticarum rerum a laica manu rursus excommunicavit sub anathemate dantis et accipientis.

3) Die Berichterstatter lassen uns über des Papstes eigenen Ausschlag in der Synode ungewiß, doch läßt sich seine Weigerung daraus vermuthen, daß er des Kaisers späteren Gesandten die Versicherung gab, nie den Bann ausgesprochen zu haben.

 

 

____

167 Heinrich's zweiter Zug nach Italien.

 

in Rom eintraf 1), war aufs eifrigste bemüht gewesen, eine friedliche Uebereinkunft zwischen dem Kaiser und Papst zu vermitteln; auch sehr angesehene und einflußreiche Männer am päpstlichen Hofe boten dazu die Hand. Peter, der Sohn des unter Leo IX. getauften und nach diesem benannten Juden, der schon bei der ersten Anwesenheit Heinrich's in Rom den Vermittler gespielt hatte, ein ebenso reicher als schlauer Mann, verband sich zu gleichem Zwecke auch diesmal mit Pontius. Noch mehr Gewicht hatte die Verwendung Johann's von Gaeta, des damaligen Kanzlers der römischen Kurie, der durch Freundschaft dem Papste nahe stand und durch seine große Geschäftskenntniß und ausgezeichnete Beredtsamkeit zu Verhandlungen von so subtiler Art ganz geeignet war. Endlich zeigte sich auch der Stadtpräfekt im Interesse des Kaisers sehr thätig, und durch das Beispiel solcher Männer bestimmt und ermuthigt stand in Rom, das vor Kurzem noch einem Fremden die Kaiserkrone zu übertragen geneigt gewesen, eine mächtige Partei da, die für Heinrich den Papst zu stimmen suchte 2). Mehr als sie alle wirkte wol auf den schwachen, furchtsamen Paschalis die Annäherung des Kaisers selbst. In Rom wagte Niemand über den Mächtigen, dessen Zorn einmal schon die Stadt hart getroffen, ein Verdammungsurtheil zu sprechen. Nur in Mailand verkündete Jordanus, der gegen den Anhänger der kaiserlichen Partei Grossolanus vom Kardinal-Collegium bestätigte Erzbischof, in Gegenwart des päpstlichen Legaten Johann von Crema den von den Kircheneiferern auf der Lateransynode gültig erkannten Bann 3). Heinrich achtete aber darauf nicht, verfolgte unablässig nur die Zwecke, um deretwegen er nach Italien gekommen war und

 

1) Chron. Ursp. ad 1116: Quinta feria Papa in concilio non sedit (secunda feria tertiae hebdomodae quadragesimalis war das Concil eröffnet) multis et maxime Regiis negotiis per Dominum Cluniacensem, Johannem Cajetanum et Petrum Leonis, et urbis Praefectum caeterosque illius partis autores impeditus.

2) Daß bei dm genannten drei Männern und den übrigen, die für den Kaiser sprachen, auch des Letzteren Geld mitgewirkt, ist kaum zu bezweifeln, Paschalis selbst darf aber dieser Verdacht nicht treffen. Seine Nachgiebigkeit entsprang theils aus Charakterschwäche, theils aus Furcht und zwar fürchtete er ebenso sehr die Kircheneiferer als den Kaiser und gab jedesmal Dem, der ihn zunächst bedrängte oder drohend mahnte, nach. Gleichwol hielt er, wie es die Art schwacher Geister ist, an gewissen Punkten hartnäckig fest und war weder zur Bannung Heinrich's noch zum Verzichten auf die Investitur zu bewegen. Um beider willen setzte er sich Kränkungen und Mishandlungen aus.

3) Landulf jun. cap. 31.

 

 

____

168 Vierter Abschnitt.

 

sah sie bald durch kluge Unterhändler, durch seine eigene schlaue Politik und endlich durch glückliche Ereignisse gefördert. Zu letzteren gehörte in Rücksicht seines Verhältnisses zu Rom ein Aufstand in dieser Stadt, der durch den Tod des Präfekten veranlaßt wurde. Das Volk erwählte dessen Sohn zum Nachfolger, während der Papst sich für Peter einen andern Sohn Leo's, also des Kardinals Peter gleichnamigen Bruder, entschied, sei es, weil er den vom Volke Verlangten wirklich, wie er vorgab, für zu jung hielt, oder weil er durch seinen Günstling und dessen einflußreiche Familie sich in Rom gesicherter glaubte, als wenn das höchst wichtige Amt in die Hände eines Unerfahrenen und in die Gewalt der leicht beweglichen Menge käme. Diese glaubte sich aber in ihrem Wahlrechte gekränkt, nannte Peter den Sohn eines durch die Taufe nicht zu Ehren gebrachten Wucherers, verlangte hartnäckig die Bestätigung des jungen Präfekten und gerieth, als der Papst sie standhaft verweigerte, in Wuth. Als am zweiten Osterfeiertage der feierliche Umzug, den der Papst und die Kardinäle nach gewohnter Weise durch die Stadt halten wollten, aus der Peterskirche begann, wurden jene mit Steinwürfen begrüßt, die festen Häuser des Peter Leonis zerstört und ein wilder Tumult in der ganzen Stadt erhoben. Der Papst flüchtete, nachdem er dem zurückbleibenden Präfekten seiner Wahl die Vertheidigung anvertraut, in den Schutz des Grafen Ptolomäus von Thusculum 1).

 

Der Kaiser, welcher damals noch in Oberitalien mit Reichssachen und der Mathildischen Erbschaftsangelegenheit beschäftigt war 2), vernahm mit Freude die Vorfälle in Rom und hoffte von den rebellischen Römern mehr zu erlangen, als Pontius' Verhandlungen mit dem Papste hatten erreichen können. Wahrhaft kaiserliche Geschenke übersandte er dem jungen Präfekten wie den Römern selbst und ließ ihnen seine baldige Ankunft melden 3). Um den Papst noch mehr

 

1) Pandulfus Pisanius, Vita Paschalis, p. 358. Falco Benevent. ad 1116, Chron. Casin. lib. IV, cap. 60. Auch der Kaiser in seinem Schreiben an Hartwig von Regensburg erwähnt seditionem gravissimam, quae inter Romanos et Apostolicum geritur.

2) Am 8. April zu Reggio, wo Pontius von Clugny wieder bei ihm war. Dieser selbst konnte ihm die Nachricht von dem Volksaufstande in Rom noch mitbringen.

3) Chron. Cassin. a. a. O.: His auditis Heinricus Imperator, qui denincta Mathilda tunc apud Liguriam degebat, gratia disponendarum rerum illius, laetus effectus, quia non bene cum Papa conveniebat, xenia Imperialia urbis Praefecto et Romanis transmisit, adventum suum illis praenuncians affuturum. Zu übereilen brauchte er die Reise nun nicht; nur um den Papst selbst und seine Umgebungen zur Nachgiebigkeit und völligen Hingebung zu gewinnen, nutzte er die Vorfälle.

 

 

____

169 Heinrich's zweiter Zug nach Italien.

 

in die Enge zu treiben, mußte auch dessen Beschützer Ptolomäus gewonnen werden. Gewiß schon damals versprach Heinrich dem ehrgeizigen Grafen von Thusculum die Hand seiner natürlichen Tochter Bertha und sparte nicht Geld, noch Worte, um neue Anhänger zu gewinnen. Der treulose Ptolomäus verrieth den Papst, den er gastlich aufgenommen und nach Rom zurückzuführen versprochen hatte. Ueber Peter Leonis, der in Rom trotz der Volksbewegung die Oberhand erhalten, fiel er her, die Hauptstadt und die Seeküste standen abermals gegen den Papst auf, dem es nur erst gelang, nach Rom ohne Gefahr zurückzukehren, als er den Bürgern in Bestätigung des von ihnen gewählten Präfekten nachgegeben hatte 1). Hiermit hatte er sich aber zugleich den Freunden des Kaisers in die Hände gegeben, die der Absicht des Letztern entsprachen, indem sie Paschalis zur Nachgiebigkeit bewogen und die Ausgleichung Beider um Etwas näher brachten. Heinrich selbst unterließ jetzt ebenso wenig, den Papst durch neue Gesandtschaften und Friedensunterhandlungen zu bedrängen, als er vorher dessen Gegner zum Widerstande angereizt hatte. Um der Kirchenversammlung im Lateran ein Gegengewicht zu geben, waren die ihm anhängenden Bischöfe gleichfalls versammelt und über Friede und Eintracht in Reich und Kirche mit ihnen verhandelt worden 2). Drei derselben, dle Bischöfe von Piacenza, Aqui und Asti erboten sich 3), nach Rom zu gehen, vor dem Papste des Kaisers Sache zu führen und die gesammte Kirche zur Entscheidung aufzurufen. Heinrich's Erklärung, die er durch ihren Mund verkünden ließ, schien offen und aufrichtig: „Könne oder wolle Jemand ihn beschuldigen, daß er den nach weltlichem und kirchlichem Recht mit dem Papste abgeschlossenen Vertrag verletzt habe, so sei er zu einer gründlichen

 

1) Pandulf. Pis. und Falco Benev. a. a. O.

2) Der Kaiser schreibt an Hartwig von Regensburg, Cod. Udalr. Nr. 318: Transalpinavimus et ibi religiosos Episcopos et Abbates, qui videbantur esse columnae matris ecclesiae, convocantes de pace et concordia Regni et Sacerdotii subtilissima inquisitione tractavimus, demum communicato consilio tres ex illis omnibus eligentes scilicet Placentinum, Astensem, Aquensem magni nominis Episcopos ad Dominum apostolicum et ad omnem ecclesiam illos misimus.

3) In dem Briefe vorher, Cod. Udalr. Nr. 217, sagt Heinrich von den drei Bischöfen: Non nostra quasi legatione sed eorum propria voluntate ivisse.

 

 

____

170 Vierter Abschnitt.

 

Rechtfertigung oder, falls er eines Unrechts überwiesen werde, zu jeder Genugthuung bereit 1). Zugleich aber foderte er, daß der Papst frei bekenne und darlege, ob Quido von Vienne mit oder wider seinen Willen den Bann über das weltliche Oberhaupt der Christenheit gesprochen habe, ob die Legaten Kuno und Dietrich in seinem Auftrage nach Köln und Sachsen gesendet worden und ob durch seine Boten oder durch seine Schreiben die Bischöfe von Mainz, Köln, Salzburg, Würzburg, Halberstadt und sonstige Feinde des Kaisers aufgefodert seien, jenen Bannstrahl als Schild der Empörung zu benutzen.

 

Paschalis gab eine ausweichende Antwort 2); in Bezug auf den Vertrag mit dem Kaiser äußerte er, daß derselbe zwar von beiden Theilen abgeschlossen sei, aber nicht eine bindende Kraft habe für ihn, der denselben nur gezwungen eingegangen wäre, und zwar gegen die Satzungen Gregor's VII. und Urban's II., wie sowol seine eigene Ueberzeugung, als die Aussprüche mehrer Kirchenversammlungen ihn nicht mehr zweifeln ließen. Was den Bann angehe, so habe er denselben nie über den Kaiser ausgesprochen, doch da die ersten Mitglieder der Kirche ihn verhängt, so könnte selbst das Kirchenhaupt ihn nicht ohne Zustimmung jener aufheben, und müsse die endliche Entscheidung darüber einer allgemeinen Kirchenversammlung überwiesen werden. Zu solcher mahnten auch dringende und täglich einlaufende Schreiben aller Freunde der Kirche, besonders aber der erste Geistliche nächst dem Papste, der Erzbischof von Mainz. Auf dieser wolle er, der Papst, auch des Kaisers Rechtfertigung anhören und danach den Streit zwischen Reich und Kirche entscheiden 3).

 

1) So schreibt wenigstens Heinrich selbst Cod. Udalr. Nr. 218.

2) Nur Das, was Chron. Ursp. ad 1117 angibt, ist als Paschalis' Antwort anzusehen. Des Kaisers eigener Bericht in dem Schreiben an Hartwig von Regensburg enthält offenbar Erweiterungen des päpstlichen Ausspruchs, die darin nicht liegen, und Deutungen der gepflogenen Unterhandlung, die der Papst in solchem Umfange gewiß nicht verstanden hatte. Der König legt Vieles zu seinen Gunsten aus, Anderes übergeht er, was in Deutschland einen ihm nachtheiligen Eindruck gemacht hätte. Sehr unrecht thun Raumer I, S. 300, Stenzel I, S. 672 u. 73, Luden IX, S. 463 u. 64 und die ihnen folgen, wenn sie beide Angaben zusammenziehen.

3) Chron. Ursp. a. a. O.: Heinricus non cessat legationes satisfactorias ad apostolicam sedem — destinare, quas tamen constat minime profecisse. Nam Dominus apostolicus propter securitatem, quam Regi licet coactus fecerat, diffitetur illum se anathematis vinculo colligasse, ab ecclesiae tamen potioribus membris excommunicationem connexam, non nisi ipsorum consilio denegat se posse dissolvere, concesso nimirum utrinque synodalis audientiae jure. Ad hoc etenim ultramontanis affirmat, se quotidie literis impelli et maxime Metropolitani Moguntini.

 

 

____

171 Heinrich's zweiter Zug nach Italien.

 

Das war freilich noch weit von Dem entfernt, was Heinrich wünschte oder einräumen konnte; indessen zog er auf seine Weise auch aus der wenig genügenden Antwort des Papstes Vortheil, indem er dieselbe mit sehr erweiternden und ausschmückenden Deutungen nach Deutschland berichtete. Dem ihm treu ergebenen Bischof Hartwig von Regensburg schrieb er 1): „Reich und Kirche seien völlig ausgesöhnt; der Papst habe den Bischöfen von Piacenza, Aqui und Asti, die sich zu Friedensvermittlern erboten, erklärt, daß er niemals einen Feind des Kaisers, weder den Erzbischof von Köln, noch den von Salzburg, noch den Bischof von Würzburg, noch den von Halberstadt oder sonst Jemanden als seinen Freund begrüßt, daß er und die römische Kirche Adalbert von Mainz nie anders als einen Verräther Gottes und seines Herrn, des Kaisers und der ganzen Christenheit genannt habe. Was Quido von Vienne und Kuno gegen das Reich und dessen Oberhaupt unternommen, sei frevelndliches Beginnen. Deutlich spreche sich des Papstes Unwille

 

1) Cod. Udalr. Nr. 317, wo die Zusagen des Papstes als Bericht der drei an Paschalis gesandten Bischöfe von Heinrich angeführt werden, offenbar ein schlauer Kunstgriff, um nicht selber dafür aufzukommen: Ajunt etiam, Dominum Papam nunquam aliquem adversarium nostrum Coloniensem vel Salzburgensem, vel Wurzburgensem vel Halberstadensem, vel aliquem inimicum nostrum viva voce vel literis salutasse, Moguntinum nec ipse nec tota Romana ecclesia aliter quam traditorem Dei et Domini sui et totius Christianitatis appellant. Quidquid itaque Viennensis Wido et Chuono contra Imperium et nos aliquo modo moliti sunt, detestatur, ita quod fraternitatem et gratiam suam idem Chuono etiam apparet amisisse. Hoc totum promittit non per nuncium sed per se ipsum verum esse probaturum. His aliisque verbis auditis ac pertractatis cognovimus, te, ut mandavimus, congruo tempore venire ad nos non posse, quod cum maxima festinatione ad praesens ire oportet. Daß die Römer des Kaisers Ankunft nicht mit Furcht, sondern mit freudiger Erwartung entgegensahen, geht aus dem späteren glänzenden Empfange hervor. Heinrich's Geschenke hatten auf die Menge und auf die Vornehmen, besonders Ptolomäus von Thusculum und den Stadtpräfekten, gewirkt. Daß des Kaisers Bericht sein Verhältniß zum Papst entstellt, geht nicht nur aus Chron. Ursp., sondern auch aus des Papstes Flucht bei der Annäherung des kaiserlichen Heeres hervor. Jedenfalls verschweigt Heinrich — und berührte vielleicht auch in den Verhandlungen mit Paschalis nicht — den Hauptpunkt des Streites, die Investitur. Erst in dem folgenden Schreiben Udalr. Nr. 318, das im Uebrigen das Meiste von Nr. 317 wiederholt, gesteht er, daß jener Punkt die Aussöhnung noch immer unmöglich mache.

 

 

____

172 Vierter Abschnitt.

 

über die Intriguen der Kircheneiferer darin aus, daß Kuno des heiligen Vaters Zuneigung und Gunst gänzlich verloren habe, und Dietrich nicht einmal als gewesener apostolischer Legat von ihm anerkannt werde 1). Auch verspreche Paschalis, - was durch den Mund der Unterhändler nur geschwächt werde, - die Aufrichtigkeit seiner Gesinnung ihm Angesicht gegen Angesicht zu beweisen, sobald eine Zusammenkunft beider Häupter der Christenheit statthaben werde. Solches zu beschleunigen wolle er, der Kaiser, so schnell als möglich die Angelegenheiten in Oberitalien in Ordnung bringen und dann ungesäumt nach Rom ziehen, wo man seiner schon mit Freuden harre.“ Schließlich empfiehlt Heinrich noch dem Bischofe von Regensburg, für die Ehre des Reichsoberhauptes in Deutschland zu wirken und zu wachen, die Feinde im Zaume zu halten und die Freunde, vornehmlich den Herzog Friedrich und alle Getreuen mit Rath und That zu unterstützen, damit sich bewähre, daß Hartwig der Feind der Feinde, der Freund der Freunde des Reichs sei.

 

Den wahren Stand der Dinge in Italien verkannte Heinrich selbst keineswegs, wie sehr er auch die Mißlichkeit desselben in Deutschland zu verbergen suchte. Die Schwäche seines Heeres verhinderte ihn, mit Gewalt eine Entscheidung sowol in der Mathildischen Erbschaftssache als in dem Streit mit der Kirche herbeizuführen. Um aber auch diese Schwäche zu verbergen, sprach er zu seinen Freunden von Verstärkungen, die nächstens aus Deutschland eintreffen müßten, schien wegen des letztgenannten Landes ebenso wenig besorgt, als wegen des Schisma zwischen Reich und Kirche, fuhr fort die Angelegenheiten der Italiener und seine eigenen mit Umsicht und Erfolg zu ordnen, ja schickte selbst den Venetianern die zugesagte Unterstützung zum Kriege gegen die Ungarn 2) und hatte bereits mit seinem früheren Rivalen, dem Kaiser von Konstantinopel, sich ausgeglichen, sodaß dieser nicht anstand, Heinrich's treuesten Verbündeten, den Venetianern, seine frühere Freundschaft zu erhalten und sie in jenem Kriege in Dalmatien gleichfalls zu unterstützen. In der That zeigte sich jetzt recht deutlich, daß Heinrich's geistige

 

1) Was Dietrich betrifft, holt der Kaiser erst in seinem späteren Schreiben Nr. 318 nach: Damnavit Theodoricum eo quod in regno nostro legatum se ejus domini Apostolici mentitus fuerit.

2) Diesen Feldzug zum Besten der Venetianer und in Verbindung mit Alexius im Jahre 1116 müßten wir bezweifeln, wenn nicht der Venetianer Dandolo, Chron. p. 266, davon Nachricht gäbe. Sollte der Chronist nicht aber vielleicht die versprochene Hülfe für die geleistete in seinen Quellen angesehen haben?

 

 

____

173 Heinrich's zweiter Zug nach Italien.

 

Ueberlegenheit, die auch über die schlauen, verschlagenen, ränkesüchtigen Italiener den Sieg davontrug, in schwierigen Lagen die rechten Mittel zu finden und zu gebrauchen verstand, deren er sich im Glücke oft durch Stolz, Herrschsucht und Habgier selber beraubte. Jenen Stolz hatte er nun mit freundlicher Herablassung und schmeichelnder Zuvorkommenheit, jene Herrschsucht mit Mäßigung seiner Foderungen, mit Verzichtleistung auf viele Güter und Rechte, jene Habgier mit Freigebigkeit und selbst, wo es ihm Freunde gewann, Gegner entwaffnete, mit Verschwendung seiner in Deutschland gesammelten Schatze 1) vertauscht. Er schien jedes Gerücht, das über ihn von diesseit der Alpen nach Italien gedrungen sein mochte, Lügen zu strafen und die Furcht, die sein erster Römerzug verbreitet hatte, in Vertrauen zu verwandeln, ohne sein kaiserliches Ansehen dadurch herabzusetzen 2). Die Einen priesen seine Freigebigkeit, die Andern seine Nachsicht wegen früherer Beleidigungen 3). Für Italien war Heinrich ganz der rechte Herrscher, der durch Gewalt schreckte, durch Kühnheit Aufmerksamkeit und Beifall hervorrief, durch Schmeichelei die Herzen gewann, durch List und Ränke den gleichen Waffen der Nation und ihrer Fürsten begegnete und, wenn er sie auch wiederholentlich hintergangen oder erzürnt hatte, sie durch Gaben und Versprechen immer wieder versöhnte, kurz, der jedes Mittel für erlaubt hielt und jedes mit Erfolg gebrauchte, der Keinem traute und doch Vertrauen heuchelte, der mit Heeresmacht ohne Geld und mit Geld ohne Heeresmacht gleich Großes auszuführen vermochte.

 

Die Unterhandlungen mit der römischen Kurie, die nöthigen Anordnungen und friedlichen Ausgleichungen in Betreff des Mathildischen Nachlasses, die kriegerischen Unternehmungen gegen eigene Feinde und die seiner Bundesgenossen beschäftigten Heinrich das Jahr 1116 hindurch. Den Ausgang desselben und den Anfang des folgenden bezeichneten große Unglücksfälle in allen Theilen seines Reichs. In Verona, Parma, Venedig, Cremona stürzten durch heftige Erdbeben Kirchen, Thürme und Mauern ein und Tausende fanden

 

1) Chron. Ursp. ad 1125, wo er von Heinrich V. noch eine kurze Rekapitulation macht, sagt unter Anderm: Pecunias, ut ajunt, infinitas congesserat. Dazu hatte er vor diesem italienischen Feldzuge mehr Gelegenheit gehabt, wie wir gesehen, als in seinen späteren bedrängteren und beschränkteren Regierungszeiten. Gütereinziehungen, Pfründenverleihungen hatten viel eingebracht.

2) In Respekt hielten die Italiener schon die deutschen Besatzungen in den Städten und festen Burgen. Vergl. Stenzel I, S. 671.

3) z. B. Bologna. S. Raumer I, S. 301, Anm. 1.

 

 

____

174 Vierter Abschnitt.

 

unter den Trümmern ihr Grab; das alte Flußbett der Unstrut verschwand an einem Orte und es entstand ein neues an einem andern, bis nach einigen Stunden das Wasser im gewohnten Laufe wiederkehrte; mitten im Winter zogen über Italien starke Gewitter, be-, gleitet von Sturmwind und Schloßen, Wolkenbrüche stürzten im Bisthum Lüttich herab und ergossen sich von einem benachbarten Berge gleich einem mächtigen Strome über niedriggelegene Theile der Stadt und der Umgegend; das gleiche Schicksal traf Utrecht. Ein doppelter Mond und andere Himmelserscheinungen erfüllten die Schauenden, die den Grund der Phänomene nicht begriffen, mit Furcht; als zwei Priester und ein Ritter beim Meßopfer vom Blitzstrahl erschlagen wurden, glaubte die Menge, das Ende der Welt stehe bevor. Hausig zogen Wetterwolken und Blutregen, in steter Richtung von Nord nach Süd, herauf, Misgeburten und Wunder erzählte man aller Orten, und doch bedurfte es nicht des erdichteten Elends mehr, um das wahre zu vergrößern 1). Wie gewöhnlich brachten Geistesschwache und Aberglauben diese Ereignisse mit den politischen in Verbindung und der Parteihaß warf die Schuld hier auf den Kaiser, dort auf den Papst. Wie jenen die Nachricht von den Bewegungen der deutschen Fürsten beunruhigte, war dieser in der eigenen Hauptstadt vor den Ränken und öffentlichen Gewaltstreichen der kaiserlich gesinnten Partei nicht sicher, wie sehr auch Heinrich die Sprache der Versöhnlichkeit beibehielt und dem Papste seinen Beistand gegen alle Widersacher der Kirche anbot. Unter dem Vorwande, die Römer zum Gehorsam gegen ihren geistlichen Hirten zurückzubringen, brach der Kaiser unerwartet gegen Rom

 

1) Am vollständigsten Albericus ad 1116, auch Ann. Hildesh. ad 1116 u. 1117, Dodechin ad 1117, Landulf jun. cap. 31, Chron. Casin., IV, p. 62 und andere italienische Schriftsteller jener Zeit. Auch Chron. Ursp. und Ann. Saxo ad 1117. Letztere lassen in Folge der Unglücksfälle Heinrich nachgiebiger werden: His et hujusmodi cladibus Rex Henricus corde tenus sauciatus non cessat legationes satisfactorias ad Apostolicam sedem, licet ipse multis infestationibus Italicis insudans, destinare, quas tamen constat minime profecisse. Nun lassen beide Chronisten (denn verbotenus schreibt Ann. Saxo das Chron. Ursp. aus) erst die ausweichende Antwort des Papstes folgen. Daß früher schon Unterhandlungen stattgefunden, beweisen die wiederholten Gesandtschaften Heinrich's im Jahre 1116. Die Worte non cessat legationes destinare bezeichnen deutlich, daß Heinrich fortsetzte, was er früher gethan, ohne vom Papste befriedigende Bedingungen erhalten zu haben. Endlich entschloß er sich zu einem Gewaltstreiche, den ihm 1116 die Mathildischen Erbschaftsangelegenheiten noch nicht gestattet hatten.

 

 

____

175 Heinrich's zweiter Zug nach Italien.

 

auf 1), eroberte einige Vesten und Ortschaften, die sich ihm widersetzten und zog, ohne Widerstand zu finden, in Rom selbst ein, dessen Präfekt und Bürgerschaft, durch seine Geschenke gewonnen, ihn freudig empfingen. Und der Papst? — Er wollte trotz aller erhaltenen Versprechen und Freundschaftsversicherungen Dem nicht seine Sache und noch weniger seine Person anvertrauen, der einmal schon ihn durch rohe Deutsche abgeführt, in schmachvoller Haft gehalten und zu den demüthigenden Bedingungen gezwungen hatte. Kurz vor Heinrich's Ankunft entfloh er nach dem Kloster Monte Cassino, dann nach Benevent, um den Schutz der Normannen zu suchen. Nur wenige von den Kardinälen und der hohen Geistlichkeit begleiteten ihn, die meisten blieben in Rom zurück, um Unterhandlungen, wie es scheint im Auftrage Paschalis', mit dem Kaiser aufs Neue anzuknüpfen. Unter solchen Umständen konnte aber nicht mehr von Vergehen oder einer Schuld des Letztern, nicht von dem Recht oder Unrecht seiner Bannung die Rede sein. Wie im Triumphe waren Heinrich und Mathilde in die Stadt eingezogen 2), umgeben von einem zahlreichen Heere und ergebenen Anhängern, die aus Oberitalien oder auch aus Deutschland zu ihm gestoßen. Der Graf Ptolomäus von Thusculum, der sich vornehmlich im Dienste des Kaisers eifrig bewiesen hatte, wurde dafür zu Heinrich's Schwiegersohn erhoben und in allen seinen väterlichen Besitzungen bestätigt 3). Am Tage nach Heinrich's Einzuge versammelten sich alle Stände

 

1) S. Heinrich's eigene Aussage darüber in seinem Schreiben an Hartwig von Regensburg, Cod. Udalr. Nr. 318.

2) Pandulfus, Vita Paschalis p. 358: Ob cujus victoriae gloriam plebs populusque Romanus triumphum ipsi instituit. Coronata urbe Rex et Regina transivit per medium. Freilich fügt er hinzu: Fit processio empta potius quam indicta. Ganz anders Heinrich in seinem Schreiben an Hartwig von Regensburg, Cod. Udalr. Nr. 218: Deo gratias non est inventus, qui clam vel palam nobis notam criminis imponeret, sed vox laudis et laetitiae audita est, quae nos et imperium nostrum Deo et beatis Apostolis Petro et Paulo committeret.

3) Chron. Casin. IV, p. 61: Imperator interea ingrediens et Pontificem exinde discessisse praenoscens Consules, Senatores ac Proceres partim donis partim promissis ad se adtrahens Ptolomaeo Illustrissimo Bertam filiam suam (die deutschen Schriftsteller kennen sie nicht, nur eine natürliche Tochter des Kaisers kann es gewesen, sein, da er vor Mathilde von England keine Gemahlin gehabt) in conjugio conferens, quidquid avus ejus Gregorius aliique parentes habuerant vel retinuerant, praedicto Ptolomaeo et heredibus ejus Imperiali autoritate in perpetuum confirmavit.

 

 

____

176 Vierter Abschnitt.

 

auf dem Kapitolium und überließen dem Kaiser nach seiner Machtvollkommenheit über Weltliches und Geistliches zu verfügen. Drei Kardinäle als Repräsentanten ihres Kollegiums boten ihm vollen Frieden und zeigten in Nichts sich schwierig als in Bewilligung der Investitur, weil diese dem Kaiser einzuräumen allzu schimpflich für die Kirche wäre. Doch gerade dieses kaiserliche Vorrecht wollte und durfte Heinrich nicht aufgeben, am wenigsten jetzt, wo er der Uebermacht gegen den Papst sich versichert hielt 1). Er antwortete also den Kardinälen: „Alle Regalien, sei es an Laien oder Geistliche, durch Fahne und Schwert, oder Ring und Stab, zu vergeben ist unbestrittenes Recht des Reichsoberhauptes, und die Kirche darf daran auch nicht einen scheinbar gültigen Anspruch erheben.“ So gestellt konnte wider die kaiserliche Belehnung von Seiten der Kirche kein gegründeter Einwand gemacht werden und wiederum die Geistlichen zur Verzichtleistung aller weltlichen Lehen und Besitzthümer zu bewegen hätte die Kirchenfürsten selbst gegen den Papst in Zorn gebracht. Man müßte es ganz unbegreiflich finden, daß der Papst und die Kardinale auf einer so ungerechten Foderung bestanden, erkennte man nicht, wie es hier sich nicht um einen äußeren Akt der Belehnung, sondern darum handelte, ob die Einsetzung der Bischöfe und Aebte, die bisher durch jenen äußeren Akt manifestirt gewesen, dem kirchlichen oder weltlichen Oberhaupte zustände. So lange die Kirche nicht einen nur ihr allein gebührenden Akt feststellte, der ganz unzweifelhaft machte, daß jeder Geistliche sein Amt als ein rein kirchliches verwaltete, so lange blieb des Papstes Streben unerreicht und die kirchliche Investitur eine ungerechte, der Ausübung weltlicher Hoheit entgegenstehende Foderung. Sie nicht als den wesentlichen Punkt der Erhebung eines Geistlichen anzusehen, vielmehr die kirchliche Weihe desselben als den letzten und entscheidenden Akt festzuhalten, stritt ebenso sehr gegen das Herkommen als gegen die verborgenen Absichten Gregor's und der von ihm hervorgerufenen

 

1) Postero die, schreibt Heinrich an Hartwig, capitolium cum universis ordinibus conscendimus et magnificantibus nos magna impendimus. Denique tres Cardinales caeterorum legationem agentes nos adierunt et pacem plenariam eo tenore nobis exhibuerunt, si investituram per virgam et annulum deinceps dare desineremus, quod in eo ecclesiae scandalum dixerunt. E contrario nos respondentes regalia nostra cuivis per baculum et annulum concedere juris nostri esse probavimus. Haec est summa dissensionis, qua concutitur et periclitatur ecclesia, et, investitura cessante, affirmant statum ecclesiae redintegrari posse per omnia.

 

 

____

177 Heinrich in Rom.

 

Hierarchie, die darauf abzielten, nicht blos die geistlichen Fürsten dem Lehensverbande des Reiches zu entziehen, sondern ebenso auch die weltlichen Fürsten vom päpstlichen Stuhle abhängig zu machen. Zu dem Zweck hatte Gregor den Akt, der geistliche und weltliche Fürsten auf gleiche Weise zu ihrer Würde erhob, in Bezug auf die Ersteren seiner Entscheidung unterwerfen wollen, um dann in konsequenter Schlußfolge auch eine Machtvollkommenheit über Letztere in Anspruch zu nehmen. Nur einem Riesengeist, wie dem seinen, konnte Beides gelingen. Seine Nachfolger, am wenigsten Paschalis, begriffen sein letztes Ziel nicht, oder waren doch unfähig, einem mächtigen Kaiser gegenüber es zu erreichen. So verloren sie es nicht nur aus dem Auge, sondern schadeten sich selbst durch eine Foderung, die wider Herkommen und Recht ohne Macht und Beweiskraft aufgestellt wurde. Als späterhin die Weihe als Einsetzungsakt der Geistlichkeit von den Päpsten gefodert und durch glückliche Zeitverhältnisse erlangt wurde, war zwar die Abhängigkeit jener von ihnen nach kirchlichem Recht sanktionirt, aber zugleich auch jede Ausdehnung dieses Rechtes auf die weltlichen Fürsten für immer unmöglich geworden.

 

Bei dem Mangel an wahrer Macht und Ansehen, der während seines Zerwürfnisses mit den beleidigten, allzutief gekränkten und fast unversöhnlich trotzenden deutschen Fürsten fortdauerte, konnte Heinrich wie in Oberitalien so auch in Rom kaum mehr als den Schein seiner kaiserlichen Würde und auch den nur durch kluge Mäßigung, zeitgemäße Freigebigkeit, Künste der Unterhandlung und Ueberredung behaupten. Wie ergrimmt er aber auch darüber sein mochte, daß Paschalis die Stadt verlassen und dadurch seiner Gewalt sich entzogen hatte, an Bestrafung der Kardinäle, die jenen nicht in Rom zurückgehalten und doch selbst so zuversichtlich in der Stadt zurückgeblieben, oder an die Erhebung eines neuen Papstes durch die geringe Zahl des anwesenden Wahlkollegiums durfte er nicht denken. Wider Paschalis konnte er nichts Feindseliges unternehmen, die Verzichtleistung auf die Investitur von der Kirche nicht erlangen, ja nicht einmal durch alle Beweise seiner friedlichen Gesinnung, die er in Worten und Handlungen an den Tag legte, die Kardinäle bewegen, ihm und seiner Gemahlin am Osterfeiertage, wie es alte Sitte war, im Vatikan die Krone aufs Haupt zu setzen. An der Stelle der Nachgiebigkeit und eines gefälligen Entgegenkommens zeigte die auf die unverkennbare Schwäche des Kaisers und den, wenn auch verborgenen, doch nicht fehlenden Anhang vieler Römer vertrauende Kurie Zurückhaltung und Trotz. Man machte Heinrich unverholen

I. 12

 

 

____

178 Vierter Abschnitt.

 

Vorwürfe über seine Verheerungen des päpstlichen Gebietes und über seine Gewaltthätigkeiten gegen den römischen Stuhl und versagte ihm sogar den Titel Kaiser. Die Würde eines solchen zu behaupten und zugleich dem Volke zu imponiren, ließ ihn darauf sinnen, wie er jene herkömmliche Osterceremonie in irgend einer Weise ausführen könne. Kein Kardinal, kein römischer, kein italienischer Geistlicher ersten Ranges fand sich bereit, ihm dienstbar zu sein, und ein Deutscher, dem es schicklich zugestanden hätte, das Kaiserpaar zu krönen, war nicht in Heinrich's Gefolge. So mußte denn ein Fremder, ein zufällig in Rom Anwesender, der Erzbischof Mauritius Burdinus 1) von Braga in Portugal, gewonnen werden, dem römisch-deutschen Kaiser die Krone aufzusetzen, worauf dieser so prächtig, als es die Umstände erlaubten, seinen Umzug hielt und von Hohen und Niedern, von Senat und Volk, die in seinem Dienste, wo nicht in seinem Solde standen, mit lautem Jubel sich begrüßen ließ 2). Bis gegen Pfingsten (13. Mai) verweilte Heinrich in Rom; dann begab er sich, unter dem Vorwande, der herannahenden heißen Jahreszeit zu entgehen und vor deren nachtheiligen Folgen sein Heer zu bewahren, nach Oberitalien, nachdem er den Schutz der Stadt seinem Schwiegersohne Ptolomäus von Thusculum und einer deutschen Besatzung übertragen hatte, auch versprochen, sobald es die Witterung gestatte, wieder zurückkehren zu wollen 3). Doch schon auf halbem

 

1) Beide Namen führte der nachmalige Gegenpapst Gregor VIII., der übrigens ein ebenso kluger als rechtschaffener Mann war, und nicht von hierarchischer Anmaßung befangen, die Foderungen des Kaisers, den er nur von der bessern Seite kennen gelernt hatte, für rechtmäßig, die Hartnäckigkeit des Papstes und der Kardinäle für unbillig erkannte. Als Unterhändler zwischen Paschalis und Heinrich hatte er Gelegenheit gehabt, die Streitfrage kennen zu lernen. Eine treffliche Schrift über diesen Mann ist Vita Mauritii Burdini Archiepiscopi Bracarensis scriptore Baluzio Tutelensi in dessen Miscell. edit. Mansi tom. I.

2) Pand. Pisan., Vita Paschalis: Diffisus hinc Rex accito Mauritio Bracarensi Archiepiscopo, qui ob superbiam levitatemque curialis effectus per biennium extra Parochiam propriam opulentissime cultu regio hac et illuc molliter dissoluteque vagaverat (man hört den Biographen Paschalis') ante corpus Beati (Georgii coronari se fecit, sicque comitiatus abscessit. Chron. Casin. a. a. O.: Henricus in Roma urbe persistens Paschalis diei solemnitatem cum ingenti gaudio Senatus Populique Romani celebrare studuit.

3) Chron. Casin. a. a. O.: Coactus fervore aestatis secessit in hyperboreis regionibus spondens se temperato aere agiliter Romam redire. Mag dies immerhin ein Vorwand gewesen sein, er gab ihm durch seine Rückkehr, um die Normannen zu vertreiben, den Schein der Wahrheit und rettete seine Ehre; die Spötter verstummten.

 

 

____

179 Heinrich's Aufbruch nach Oberitalien.

 

Wege von Rom nach Sutri erhielt er die Nachricht, daß eine normannische Schar von nicht mehr als 300 Reitern auf Befehl des Fürsten von Capua, den des Papstes inständige Bitten zu einem Beistande bewogen 1), verheerend in die römische Campagna eingefallen, die Stadt Pagliano geplündert und Alles auf ihrem Zuge zerstört und niedergebrannt hätte. Besorgt, daß die päpstliche Partei in Rom, die ihm nicht unbekannt geblieben, sich mit dem Feinde verbinden, oder doch seine zurückgelassene Besatzung in der Abwehr der Letztern behindern möchte, und in richtiger Erwägung, daß vor seinem persönlichen Erscheinen die Normannen weichen, jeder Gegner in Rom geschreckt werde, führte er sogleich die Seinen wieder gegen die Stadt. Jene Absicht erreichte er völlig. Die Normannen zogen sich so eilig und regellos zurück, daß die deutschen Krieger nur zur Verfolgung derselben erschienen, und viele, die in Städten und Dörfern sich vereinzelt hatten, niederhieben oder als Gefangene nach Rom brachten. Nun glaubte Heinrich ohne Gefahr im Rücken nach der Lombardei aufbrechen zu können, um als Herr und Kaiser zu ordnen, zu schlichten, zu gebieten und zu strafen, je nachdem es die Städte und deren Verhältniß zu ihm erheischten 2).

 

Hätte seine Sache in Deutschland so gut gestanden wie in Italien, er wäre trotz seiner nicht bedeutenden Macht siegreich und größer als je aus dem Kampfe zwischen Reich und Kirche, wie wir denselben

 

1) Paschalis hatte im April zu Benevent eine Synode gehalten, aber nichts als die Verdammung Burdin's erlangt, mit allen normannischen Fürsten sich in Unterhandlungen eingelassen und doch nur den Fürsten von Capua zu effektivem Beistande bewegen können, da der päpstliche Statthalter von Benevent, Landulf, bisher den Haß und die Feindschaft der Normannen gegen Rom erregt, die darum sich nicht geneigt zeigten, zu Gunsten des flüchtigen Papstes gegen einen in Rom siegreich thronenden Kaiser ihre Waffen zu kehren. Welchen Gewinn konnten sie erwarten? Und ohne solchen rührten die eroberungssüchtigen Nordländer keine Hand. Dem näher an Rom grenzenden Capua war die reiche Campagna eher zu einem Streifzuge einladend. Als mehr ist die Hülfe Robert's, die er dem Papst zusagte, kaum anzusehen.

2) Im Einzelnen sind wir über die Thätigkeit des Kaisers in Oberitalien während des Zeitraums von Mitte des Jahres 1117 bis Anfang 1118 wenig unterrichtet. Doch gehört sie der Geschichte der Staaten und Städte Italiens mehr an als der Kaiser Heinrich's V. und mit der politischen Geschichte Deutschlands stehen die damaligen Ereignisse vereinzelt in keinem Zusammenhange; nur das Resultat aller hätte von Wichtigkeit werden können, wenn ihre Bedeutsamkeit nicht bald darauf durch die Vorfälle in Rom, durch das neue größere Schisma von Reich und Kirche ganz aufgehoben oder verändert worden wäre.

12*

 

 

____

180 Vierter Abschnitt.

 

nennen müssen, hervorgegangen. Noch war ihm aber nicht gestattet, über die Alpen zurückzukehren, noch hatte er von seinen Gegnern, die er wol zur Flucht genöthigt oder in Schrecken gejagt, aber nicht überwunden und unterworfen, nicht die Anerkennung alleiniger Entscheidung in weltlichen und kirchlichen Angelegenheiten erlangt. Paschalis gelang es sogar, nachdem er die von ihm abgefallenen Städte der Seeküste im Ausgang des Jahres 1117 wiedergenommen, durch Ueberfall die Leosstadt und Peterskirche zu gewinnen; schon bedrängte er die Besatzung des Kaisers und dessen Anhänger, den Grafen von Thusculum und den Stadtpräfecten, als ihn am 21. Januar 1118 der Tod ereilte.

 

Alles hing jetzt von der Wahl des neuen Papstes ab. Wäre Heinrich noch in Rom gewesen, so hätte er einen entscheidenden Einfluß dabei üben können. Nunmehr waren die Kardinäle, ermuthigt durch die letzten Ereignisse, allein geschäftig den Wahlakt zu betreiben und vornehmlich bedacht, jede Mitwirkung des Kaisers und seiner Partei zu verhüten. Sie versammelten sogleich das Conclave, beriefen ins Geheim den Kardinal Johannes von Gaeta, der zu Monte Cassino verweilte, nach Rom und erhoben ihn am 24. Januar in der Klosterkirche der Benediktiner unfern dem Kapitol im Beisein einiger vornehmen Römer als Gelasius II. auf den päpstlichen Stuhl 1). Nicht ungestraft sollte dieser rasche Schritt bleiben. Cencius Frangipani, ein Anhänger des Kaisers, drang mit einer bewaffneten Schar in die Kirche, mishandelte den neuen Papst und viele Kardinäle aufs schmachvollste und setzte sie in seinem Palaste gefangen; kaum retteten einige der Versammelten sich glücklich durch die Flucht, während andere eingeholt, geplündert und in Fesseln gelegt wurden. Ein so brutales Verfahren erzürnte aber nicht allein Anhänger des unglücklichen Gelasius, sondern auch sonst gleichgültige Zuschauer bei dem Kirchenstreite, und selbst Freunde des Kaisers misbilligten das Geschehene 2). Der Präfect Peter versammelte alle Waffenfähigen der ganzen Stadt, erzwang von dem Frangipani die Freilassung des Papstes, führte diesen unter dem Jauchzen der Menge auf das Kapitol und bereitete die Weihe des Gewählten vor, wider den, wie er glaubte, als einen gemäßigten und in Unterhandlungen

 

1) Die Angaben von Paschalis' Todestage und der Wahl des neuen Papstes weichen voneinander ab. S. Pagis Kritik ad 1118, cap. I.

2) Ausführlich nach den Quellen bei Mascov, p. 187., Raumer I. S. 301, Stenzel S. 675 und 676.

 

 

____

181 Gelasius II.

 

zwischen Heinrich und Paschalis Ersterem keineswegs abgeneigten Mann der Kaiser nichts würde einzuwenden haben. In der That konnte Heinrich gegen den Gewählten keinen gegründeten Vorwurf anführen, aber gegen die Wahl desselben 1), weil sie ohne sein Wissen und ohne seine Mitwirkung vorgenommen war. Als er in Turin die Nachricht von dem Tode Paschalis' erhalten, hatte er zu Ostern (14. April) nach Rom zu kommen versprochen, um dann der Wahl des neuen Papstes beizuwohnen. Als diese nun, ohne seine Ankunft abzuwarten, von den Kardinälen allein vollzogen worden, brach er sogleich auf, rückte in Eilmärschen gegen Rom und stand bereits Ende Februar 1118 vor den Thoren der Stadt 2), sodaß der Papst und die Kardinäle, die das Härteste zu erwarten hatten, kaum noch Zeit zur Flucht behielten und nur durch einen glücklichen Zufall den nachfolgenden kaiserlichen Reitern entgingen. In seiner Heimat Gaeta ließ Gelasius in Gegenwart der Kardinäle, vieler Bischöfe, des Herzogs Wilhelm von Apulien, Robert's von Capua und anderer Fürsten (1. März) sich weihen 3). Wie heftig auch Heinrich zürnen mochte, daß man ohne ihn eine Papstwahl gehalten, und daß der Neuerwählte, wie früher Paschalis, sich seiner Gegenwart entzogen hatte, zum Aeußersten wollte

 

1) Chron. Ursp. ad 1118: Primo quidem in electione Domini Johannis, qui et Gelasius II. dictus est, assensum praebens, postea vero eodem a sua se communione subtrahente non sine quorundam Romanorum favore alterum quendam Burdinum ex Hispania supervenientem Apostolicae sedi imposuit. An diesen dachte anfangs wol Heinrich noch nicht, erst die Umstände führten Burdin's Erhebung herbei.

2) Die Eile des Kaisers berichten italienische und deutsche Schriftsteller. Landulf: In tempore cujus (Paschalis) mortis Imperator audita legatione Romanorum a Thaurinensium partibus Romam adire festinavit. Chron. Ursp. ad 1118: Heinricus Imperator dum Padanis, (richtiger als Paduanis, doch s. Stenzel II. S. 328) regionibus immoraretur audito transitu Apostolici Paschalis Romam properavit. Die Nachricht von der Erhebung Johannes' von Gaeta als Gelasius II. erhielt er wol später und beeilte erst darnach seinen Zug nach Rom, wo er anfangs im Ernst erst Ostern eintreffen wollte. Daß Gelasius in epist. ad Gallos Concil. tom. X, p. 817 die Sache anders darstellt, ist begreiflich. Er schreibt: Imperator furtive et inopinata velocitate veniens nos egredi compulit.

3) Ueber die Flucht nach Gaeta und die Weihe daselbst schwanken die Zeitangaben. Fiel letztere nach Pand. Pisan., Vita Gelasii p. 389, auf den 1. März, so muß Heinrich schon Ende Februar vor Rom gestanden haben. Vergl. Stenzel II, S. 328.

 

 

____

182 Vierter Abschnitt.

 

er nicht schreiten, ehe er den Weg der Unterhandlung mit dem Entflohenen versucht. Auch mochte er den Glauben hegen, Johann von Gaeta, der dem Kaiser einst zugethane Kardinal, werde als Papst Gelasius dieselben friedlichen Gesinnungen hegen und nun bereit sein, in die Ausgleichung des langwierigen Streites Angesicht gegen Angesicht sobald als möglich mit ihm einzugehen 1). Am 2. März schickte er eine Gesandtschaft nach Gaeta 2), welche Gelasius und die entflohenen Kardinäle und Bischöfe nach Rom zurückzukehren auffoderte, um dort in Gemeinschaft mit ihm, dem Kaiser, auf gehörige und kanonische Weise in der Kirche des h. Petrus den freilich ohne seine Zustimmung Gewählten aber ihm doch nicht Unwillkommenen mit der apostolischen Würde zu bekleiden und den Frieden in der Christenheit herzustellen. Der neue Papst wußte aber aus frühern Tagen, wie wenig Heinrich's Worten und freundlichen Einladungen zu trauen sei, er fürchtete in des Kaisers Nähe das Schicksal seines Vorgängers zu erfahren, und Rom schien ihm, so lange es in der Gewalt kaiserlicher Truppen und kaiserlicher Anhänger war, kein geeigneter Ort, um über den Frieden zwischen Kirche und Reich zu verhandeln. Nur auf diesen letzten Punkt eingehend, antwortete er den kaiserlichen Gesandten und den sie begleitenden Römern: „Ueber das Verhältniß des Kaisers zur Kirche, über die Lösung Heinrich's vom Banne überlasse er die Entscheidung nach Uebereinkunft oder strengem Recht an schicklichem Ort und zu gehöriger Zeit einer Kirchenversammlung, die er entweder zu Mailand oder Cremona im

 

1) Chron. Casin. IV, p. 64 scheint des Kaisers Unterhandlungen schon vor der Flucht des Papstes anzunehmen; wir setzen sie mit Mascov, Comment. de reb. gest. sub Henr. p. 288 nota 5, nach dieser. Die von Heinrich gestellten Bedingungen zeigen, daß er gegen Gelasius nichts habe: Si fidem, quam Papa Paschalis cum Imperatore fecerat, observaret et conventiones, quae inter Imperium Romanum ac sedem Apostolicam statutae fuerunt, firmaret Imperator confestim fidelitatem eidem Electo et Romanae ecclesiae faceret, sin alias alium Pontificem in Romana ecclesia inthronizaret.

2) Landulf cap. 32: Ex qua urbe simul cum Romanis quarta nonas Martii misit Gajetas legatos legando Johanni Gajetano electo in Papam Cardinalibus quoque et Episcopis, uti Romam redirent etc. Ob von dieser Gesandtschaft, die wir im Text berichteten, diejenigen verschieden sind, welche Gelasius in seinem angeführten Schreiben mit den Worten erwähnt: Pacem minis et terroribus postulavit, dicens se facturum, quae posset, nisi nos ei juramento pacis certitudinem faceremus, und die bei Fulco Benev. ad 1118 und in Chron. Casin. o. a. O., kann in Bezug auf den Erfolg gleichgültig sein. S. Stenzel I, S. 677.

 

 

____

183 Gregor VIII. Kirchenschisma.

 

Herbst des laufenden Jahres einberufen und mit Zuziehung und Rath Derer, die von Gott als Schiedsrichter in geistlichen Dingen eingesetzt seien und ohne die der alte Streit nicht entschieden werden könne, halten wolle“ 1). Sehr deutlich sprach in dieser Erwiderung sich aus, wie wenig Gelasius gesonnen sei, dem Kaiser einen Einfluß in Kirchensachen einzuräumen, wie er nur den Kardinälen und der hohen Geistlichkeit eine Macht neben sich gestatte, und wie er absichtlich Rom, dem bisherigen Sitze der Päpste, seine Huld und Gnade abgewendet habe, da er die zwei ihm ergebenen oder vielmehr dem Kaiser feindlichen Städte zur Abhaltung seiner ersten Kirchenversammlung ohne irgend welchen dazu bestimmenden Grund bezeichnete. Dieser letzte Punkt, wenn auch aus den traurigen Erlebnissen in Rom erklärlich, war doch wenig vorsichtig und band das Interesse der Römer enger an das des Kaisers. Dieser benutzte sehr klug den Umstand, ließ des Papstes Schreiben in der Peterskirche vor dem anwesenden Volke und der Geistlichkeit vorlesen, erzürnt riefen bei der sie betreffenden Stelle die Bürger: „Was, wollen die Kardinäle Mailand und Cremona unsrer Stadt vorziehen und den uns gebührenden Ehrenplatz jenen geben? Solche Schmach sei fern! Wir wollen ihnen zuvorkommen und nach dem uns zustehenden Rechte einen würdigern Papst erwählen“ 2). — Heinrich stimmte gern bei, und unterließ nichts, was diese neue Wahl rechtfertigen und gesetzlich machen konnte.

 

Der berühmte Rechtsgelehrte Irnerius von Bologna, der schon seit dem vorigen Jahre im Gefolge des Kaisers sich befand, und andere Juristen kamen über die Art der einzuleitenden Wahl mit den Römern überein. Ein besonders erwählter Lector mußte in einer öffentlichen Verlesung vom Hauptaltare der Peterskirche herab die päpstlichen Dekretalien in Betreff der Besetzung des erledigten päpstlichen Stuhles interpretiren. Danach wurde vom Volke die Wahl veranstaltet. Sie fiel natürlich auf keinen Andern als den des Kaisers Wunsch dazu bereits bezeichnet hatte, auf jenen Erzbischof Burdinus Mauritius von Braga, der einmal schon willfährig gewesen, den Anmaßungen der Kardinäle entgegenzutreten, und von dem Heinrich wußte, daß er die Grundsätze der Kircheneiferer nicht theile

 

1) Landulf jun. o. a. O.: Gelasii epist. ad Gallos. Die Zeit der Kirchenversammlung bei Ersterem in proximo Septembri, bei Letzterem in proxiuma B. Lucae festivitate.

2) Landulf a. a. O.

 

 

____

184 Vierter Abschnitt.

 

und das Recht der Investitur dem weltlichen Reichsoberhaupte zuerkenne. Der Kaiser selbst führte den von ihm zum Kirchenhaupt Ausersehenen an den Altar; dieser antwortete auf die Frage: wie er heiße: „mein Name ist Burdinus, aber als Papst Urban mich zum Bischofe weihete, nannte er mich Mauritius“. Darauf fragte Einer von den anwesenden hohen Geistlichen dreimal die umherstehende Menge: „Wollt ihr den Herrn Mauritius zum Papste?“ und dreimal rief laut die Versammlung: „Wir wollen ihn“. Dann proklamirte ihn derselbe Geistliche, umgeben von dem ganzen Klerus, der sich in der Stadt befand, und indem er die Bibel über den Erwählten hielt, als Papst Gregor VIII.; der Kaiser führte ihn nun auch hinaus über die Engelsburg nach dem Lateran, holte ihn am folgenden Tage von dort ab, begleitete ihn im feierlichen Zuge nach der Peterskirche und erwies ihm jede Ehre, die ein Papst von dem Oberschirmherrn der Kirche fodern konnte 1). Aber trotz all dieses Pompes der Festlichkeiten, trotz der subtilen Auseinandersetzung der Rechtsgründe zur Wahl und der Beobachtung aller Ceremonien bei derselben, läßt sich nicht verkennen, daß der ganze Vorgang Dem widerstritt, was damals für gültige Norm galt. Aufs heftigste war Gelasius aufgebracht, verhängte selber, was Paschalis sich stets geweigert zu thun, zu Capua 2) den Bann über Heinrich und den Gegenpapst und ließ sich nicht nur verdammend über des Letztern Erhebung aus,

 

1) Ebenderselbe beschreibt ausführlich die Wahl Gregor's. Die Zeit setzt er: Septimo Idus ejusdem Martii. In des Papstes Gelasius angeführtem Briefe: Die videlicet post electionem nostram quadragesimo quarto, was mit jener Angabe auf den 9. März zusammentrifft, wenn die Wahl Gelasius' II. auf den 24. Januar gesetzt wird. Mehres über die Wahlceremonien gibt Baluzi Vita Burdini Mauritii §. 18. Wider die Schlauheit und Gewandtheit der Kardinäle konnte Heinrich keine bessere Waffe finden als den Scharfsinn und die Spitzfindigkeit der italienischen Rechtsgelehrten. Es charakterisirt die Regierung Heinrich's V., daß er sich bei allen Streitigkeiten mit der römischen Kurie dieser Hülfe bediente. Dem Aufblühen und gesteigerten Ansehen der Rechtswissenschaft that dieser Schritt den größten Vorschub. Auf Deutschland übten damals die italienischen Rechtsschulen noch keinen oder nur sehr geringen Einfluß. Hier ihn anzuwenden fand Heinrich wol noch nicht rathsam. Erst unter den Hohenstaufen verpflanzte sich wie so Vieles auch jene Wissenschaft aus Italien auf deutschen Boden. Die Fürsten waren es, die zuerst daraus ihren Vortheil zogen.

2) Chron. Ursp. ad 1118: Gelasius cum his, qui secum abierant, Cardinalibus caeterisque catholicis, quos congregare poterat, apud Capuam juxta quod literae ab ipso circumquaque transmissae testantur, Caesarem una cum idolo suo damnavit.

 

 

____

185 Heinrich wird in Rom gekrönt.

 

sondern sprach auch in schmähenden Ausdrücken, wie sie Burdinus durchaus nicht verdiente, über dessen Charakter und Lebenswandel in Rundschreiben an alle Fürsten und Völker sich aus 1). Thätiger als für Paschalis zeigten sich für Gelasius die normannischen Fürsten Wilhelm und Robert. Nach geleistetem Lehnseide rüsteten sie ein Heer und erboten sich, den Papst zurückzuführen. Alle Unterhandlungen, die der Kaiser auch jetzt noch nicht gänzlich abbrach, wies Gelasius zurück und trieb seine Beschützer zur Eile an. Bereits bis Monte Cassino war Robert von Capua mit seinem Heere vorgerückt, als er vernahm, daß Heinrich die päpstliche Veste Torricella 2) in der Nähe seiner Standquartiere belagere. War es Furcht vor des Kaisers Uebermacht, oder die Ueberredungskraft der kaiserlichen Gesandten, die nach Monte Cassino gekommen, was ihn zur Rückkehr bewog, genug, das Heer zog sich in das feste Capua 3). Unterdeß hatte Heinrich mit den tapfern Vertheidigern von Torricella einen Vergleich abgeschlossen, kehrte nach Rom zurück, hielt, von seinem Papste Gregor gekrönt, am Pfingstfeiertage den solennen Umzug, brach dann, als im Innern und nach Außen Rom und sein Papst gesichert schienen, nach Ligurien auf und begab sich darnach wieder in die Lombardei 4), wo der Erzbischof Jordanus, der ihn schon im vorigen Jahre gebannt hatte, unter den Geistlichen, Fürsten und Städten eine feindliche Partei gegen Heinrich aufzubringen bemüht war. Vergebens hatten die Markgrafen und Grafen Oberitaliens, die treu am Kaiser hingen, dessen Schuldlosigkeit an dem beklagenswerthen Kirchenschisma auf einer Versammlung zu Mailand in Gegenwart Jordanus', vieler geistlichen und weltlichen Großen des

 

1) Chron. Ursp. a. a. O. und Gelasius eigener Brief, wo er die Geistlichen, welche an Gregor's Wahl Theil hatten, Guibertini, d. i. Anhänger oder Nachfolger Wibert's oder Klemens' III., des ehemaligen Gegenpapstes von Gregor VII., nennt. Ueber Burdin's Lob vergl. noch Albericus p. 233, Chron. Morigniacense, bei du Chesne IV, p. 366, Raumer I. S. 305. Anmerk. 1.

2) Noch heute ein sicilisches Städtchen in Abruzzo Citra.

3) Chron. Casin. VI, cap. 64: Robertus princeps exercitum congregans ad hoc monasterium venit, Romam, sicut promiserat Pontifici, cum eo iturus. Audiens autem, quod Imperator oppidum, quod Turricola dicitur, obsideret, Casini substitit, ubi nuntios Imperatoris suscipiens Capuam repedavit.

4) Chron. Casin. a. a. O.: Imperator interea cum oppidanis foedus iniens Romam rediit, ibique die S. Pentecostes ab eodem heresiarcha coronatus Liguriam rediit.

 

 

____

186 Vierter Abschnitt.

 

Landes darzuthun gesucht 1). Wenn auch einige Fürsten und Bischöfe dadurch überzeugt wurden 2) und zum Kaiser übertraten oder von dem Eifer gegen ihn nachließen, Jordanus und seine eifrigen Anhänger, von den Gegnern des Kaisers in Deutschland noch mehr zum Widerstand gereizt, verdammten Gregor und Den, der diesen beschütze 3). Nicht länger durfte Heinrich dem Treiben Jordan's und der Kircheneiferer in Norditalien gleichgültig zusehen, aber auch nicht mit Gewalt entgegentreten, sondern durch ein kluges, gemäßigtes, umsichtiges Verfahren sein Ansehen und den Frieden zu erhalten suchen. Denn da jede Kriegsmacht, die er aufbringen konnte, nur aus den zahlreichen Anhängern in Thuscien, der westlichen Lombardei und Venedig, nicht aus ergebenen und gehorsamen Unterthanen sondern Verbündeten, denen er weder gebieten, noch die gemachte Beute abfodern durfte, so hatte ein offener Kampf nur diesen, nicht ihm Gewinn gebracht. Wo er nicht durch Unterhandlung, durch Geld und Versprechungen, höchstens durch überraschendes Erscheinen mit seinem kleinen Heere von Miethlingen einen Vortheil errang, da blieb sein Bemühen ohne Erfolg, da achtete man sein kaiserliches Gebot gering, da hörte man selbst die Rechtfertigung seines Verfahrens weder in weltlichen noch in kirchlichen Angelegenheiten an und verkündete wider ihn den Bannstrahl, den unter Paschalis nur eine strenge Kirchenpartei, jetzt das Kirchenhaupt selbst auf ihn geschleudert hatte. Seine Macht, die immer nur auf schwachen Füßen gestanden, vermochte länger kaum den frühern Schein zu retten. Anstatt seine Absichten in Italien erreicht zu sehen, stand er nach zwei Jahren rastloser Thätigkeit entfernter von seinem Ziele als je, und das durch ihn herbeigeführte Kirchenschisma hatte die gehoffte Aussöhnung zwischen Reich und Kirche, wie vielmehr sein erstrebtes

 

1) Land. cap. 31: Marchiones et Comites Longobardiae in hac tempestate convenerunt Mediolani, ut ibi coram Episcopis suffraganeis et comprovincialibus explicarent Imperatoris innocentiam et Imperatorem ipsum perducerent in Archiepiscopi et Episcoporum benevolentiam.

2) Land. cap. 31: Propter quorum (der Vertheidiger des Kaisers) verba quam plures arbitrati sunt Imperatorem esse alienum ab excommunicationis culpa.

3) S. das aufreizende Schreiben Friedrich's von Köln an die Mailänder in Martene, Collect. I, p. 640 sqq. Außer Mailand und Cremona waren vornehmlich Pisa und Genua für Gelasius und also gegen Heinrich, wie daraus erhellt, daß Gelasius, als er sich Ende 1118 nach Frankreich begab, von Pisanern und Genuesen gehorsam aufgenommen und weiter gefördert wurde.

 

 

____

187 Heinrich's Rückkehr nach Deutschland.

 

Uebergewicht über letztere gänzlich vereitelt. Fast war in Italien seine Stellung so gefährlich geworden wie sie in Deutschland gewesen, als er es verließ. Zwar in Rom blieb seine Partei die mächtigere und nöthigte noch einmal Gelasius, der versteckt in Pilgertracht zurückgekehrt war, als er öffentlich aufzutreten wagte, sich in eiliger Flucht aus der Stadt zu entfernen 1); aber es war eine Partei, die nicht mehr durch des Kaisers Ansehen, sondern durch ihre eigene Macht gehoben wurde, und die, wenn sie es räthlicher, vortheilhafter fand, auch gegen ihn auftreten, zu seinen Gegnern übergehen konnte, wie sie es später wirklich that. Der von Heinrich eingesetzte Papst gab seiner Sache kein Uebergewicht, vielmehr hatte Gregor's Erhebung dem Kaiser in den Augen Vieler geschadet, die darin weltliche Willkür, ein unkirchliches Verfahren erblickten. Heinrich mußte bald erkennen, daß er zu seinem Nachtheil die geringe Macht, die er noch besaß, zur Erhaltung seines Papstes verwende. Ihn aufzugeben hätte er sich wol kein Gewissen gemacht, wenn damit nur ein Gewinn verbunden gewesen, die Nachgiebigkeit des gereizten Gelasius und die Versöhnlichkeit der Kircheneiferer erkauft worden wäre. Der einzige Vortheil seines länger als zweijährigen Aufenthaltes in Italien war der Erwerb der Mathildischen Güter. Aber wie viel hatte er auch von diesen fahren lassen müssen, um die Städte im Lande und seine Bundesgenossen, die nicht ohne Eigennutz ihm anhingen, zu befriedigen? Gleichwol zeigten sich diese schon lau, gleichgültig, selbst schwierig, seit er nichts mehr zu geben hatte. Lauter erhoben sich die Gegner, und die Bemühungen der ihm aus Privatinteresse ergebenen Fürsten blieben erfolglos. Nur wenn von Deutschland her eine bedeutende Kriegsmacht zu ihm stieß, war ein längeres Verweilen in Italien von Nutzen und konnte sein kaiserliches Ansehen sich zu wirklicher Bedeutung erheben und jedes Bemühen der Kirchenpartei ferner vereitelt werden. Statt dieser nachdrücklicheren Hülfe aus Deutschland erhielt er von dort her die niederschlagende Nachricht, daß seine Gegner mehr die Oberhand gewannen und sein heftigster Gegner, der Erzbischof Adalbert von Mainz, damit umgehe, ihn um den Kaiserthron zu bringen, was nur durch seine schnelle

 

1) Pandulf. Pis., Vita Gelasii p. 394 sqq., wo der Papst selbst seine traurige Lage, die blutigen Auftritte in Rom, die Vielherrschaft der römischen Großen, die ihm noch verhaßter sei als die Tyrannei des einen römischen Kaisers erwähnt: mallem unum Imperatorem quam tot. Verum unus saltem nequam perderet nequiores, donec de illo quoque evidentem justitiam Imperatorum faceret omnium Imperator.

 

 

____

188 Vierter Abschnitt.

 

Rückkehr verhütet werden könne. Diese Notwendigkeit ließ ihn den Entschluß fassen, Italien zu verlassen; doch auch dieses konnte und wollte er nicht ganz aufgeben, schon damit in Deutschland nicht seine früheren Berichte über seine glücklichen Fortschritte jenseit der Alpen Lügen gestraft würden. Deshalb ernannte er seine Gemahlin Mathilde, die früh den männlichen, entschlossenen Sinn an den Tag legte, den sie nachmals in allen mislichen Lagen ihres Lebens bewies, zur Reichsverweserin in Italien, nachdem er früher schon einen tapfern, umsichtigen Mann, Radbod, zum Markgrafen von Toscana gemacht. Um den Italienern, Freunden und Feinden, seine schlimme Lage möglichst zu verbergen, ließ er seine ganze deutsche Mannschaft der Kaiserin zurück und eilte, nur von Wenigen begleitet, im Ausgang des Jahres 1118 nach Deutschland, um, wie schon oftmals, durch sein rasches Erscheinen und entschlossenes Handeln die Gegner zu schrecken und den dadurch gewonnenen Vortheil, wie klein er auch für den Augenblick war, kühn zu verfolgen 1).

 

Ehe wir ihn auf seinem fernern Pfade begleiten, müssen die Ereignisse in Deutschland, welche seine Rückkehr früher und anders, als er beabsichtigt hatte, herbeiführten, nachgeholt werden, da Deutschland durchaus der Hauptgegenstand für unsere Darstellung bleibt, während die italienischen und alle auswärtigen Verhältnisse hier nur in gedrängter Kürze, entweder als Resultate, oder als Ergänzungen, die um des politischen Einflusses wegen, welchen sie auf Deutschland ausgeübt haben, wichtig waren nachzuholen, vor unsern Blicken vorüberziehen. Den Kaiser in seinen verwickelten Händeln mit der Kirche nicht aus den Augen zu verlieren, und darum die drei Jahre seines Aufenthaltes in Italien als einen eigenen Abschnitt in unsere Darstellung einzuschieben, war unerläßlich, weil die Ereignisse, welche nach seiner Rückkehr auf deutschem Boden sich entwickelten, nur als der Ausgang des Kampfes erscheinen, den er jenseit der Alpen zu

 

1) Chron. Ursp. ad 1119: Imperator his auditis (die mislichen und ihn dringend zur Rückkehr auffodernden Zustände in Deutschland) — efferatus animo Italiae suis copiis cum Regina relictis Germanicis se regionibus nimis insperatus exhibuit. Die Zeit seiner Ankunft in Deutschland wird nirgend genauer angegeben. Obschon das angeführte Chronicon sie zu 1119 berichtet, ist sie doch wol schon Ausgang 1118 zu setzen, da die Urkunde der Kaiserin vom 4. November 1118 (s. Ughelli, Italia sacra II, p. 364) in Heinrich's Abwesenheit, die zu Rüdesheim, vom Kaiser am 1. November ausgestellt, (Ried, Cod. diplom. I, p. 176) am richtigsten in das Jahr 1118 zu setzen ist. Vergl. Stenzel II, S. 330.

 

 

____

189 Kämpfe in Deutschl. während Heinrich's Abwesenheit.

 

seinem und des Reiches Nachtheil begonnen, und der nur damit enden konnte, daß eine völlige Umgestaltung der Reichsverfassung jede dem Reichskörper schädliche Uebermacht und Willkür, die während des Kampfes sich geltend gemacht hatten, in die Schranken gesetzlicher Gewalt, und die sich bekämpfenden Parteien in das zum Frieden und zur Eintracht nöthige Gleichgewicht brachte.

 

 

Fünfter Abschnitt.

 

Kämpfe in Deutschland während des Kaisers Abwesenheit. Lothar und Friedrich von Schwaben. Unterhandlungen der Parteien. Adalbert von Mainz und Kuno von Präneste. Heinrich's Rückkehr und letzte Anstrengung wider die Kirchenpartei. Der Tod Gelasius' II., die Erhebung Calixtus' II. Unterhandlungen zu Straßburg. Reichsversammlung am Rhein.

 

Daß es Heinrich V. vor seinem Aufbruche nach Italien Ernst war, in Deutschland die Gemüther zu versöhnen, Friede und Ordnung im Reiche herzustellen und die Standesrechte der weltlichen und geistlichen Fürsten, soweit sie seinem kaiserlichen Ansehen nicht Eintrag thaten, anzuerkennen, ist früher gezeigt worden; daß er während seiner Abwesenheit wenigstens keine Verschlimmerung der Verhältnisse befürchtete, sondern vielmehr von der Zeit und der Fürsorge der ihm ergebenen Fürsten sich das Beste versprach, ist kaum zu bezweifeln, wenn man erwägt, welche schwierigen Angelegenheiten er in Italien zu ordnen und zu entscheiden sich vorgesetzt hatte. Am wenigsten aber laßt sich annehmen, daß er selber von Italien aus das Kriegsfeuer in Deutschland anstatt zu dämpfen noch mehr geschürt und seinen Anhängern statt kräftig zu widerstehen zum Angriff der Gegner vorzuschreiten geboten habe. Wie sehr er der Hülfe aus Deutschland bedurfte, und wie in Ermanglung derselben seine Unternehmungen jenseit der Alpen, trotz der klugen Politik, die er beobachtete, des nöthigen Nachdruckes, die errungenen Vortheile eines dauernden Bestandes entbehrten, haben wir aus dem geringen Erfolg seiner unablässigen Thätigkeit erkannt. Unmöglich konnte er dort

 

 

____

190 Fünfter Abschnitt.

 

den Parteienkampf wünschen, wahrend er hier ihn zu beschwichtigen, so lang es möglich ihm auszuweichen, und nur als sein kaiserliches Ansehen und die Ehre beeinträchtigt schien, oder wenn ein günstiger Erfolg zu erwarten war, mit Gewalt einzugreifen suchte.

 

Zwei Umstände hatte aber Heinrich übersehen, als er in bester Hoffnung Deutschland sich selbst überließ und von der Zeit eine Besänftigung der aufgeregten Gemüther, die er sogleich nicht bewirken konnte, erwartete, und in jenen ist die Ursache zu suchen, warum nach seiner Entfernung heftiger noch als bei seiner Anwesenheit die hellen Flammen des Bürgerkrieges in allen Theilen des Reiches um sich griffen, und Zerstörung, Raub, Mord, Lösung aller Banden im Gefolge hatten. Erstlich: nicht die Furcht vor seiner Person, wie er glaubte, war es, die bisher die Friedensunterhandlungen scheitern ließ, sondern die Besorgnisse vor seinen herrschsüchtigen Plänen bewogen seine Gegner, nicht eher die Waffen aus der Hand zu legen, als bis die Möglichkeit jene auszuführen geschwunden war. Konnten sie sich einen Augenblick darüber täuschen, daß der Kaiser nach Italien aufgebrochen sei, nicht weil er seiner Herrschsucht entsagt hatte, sondern weil ihm dort die Aussicht neue Macht zu erringen geboten war? Sollten sie nun etwa in Unthätigkeit, ohne Gegenbestrebungen abwarten, bis der Bedränger ihrer Freiheit, der Feind ihrer Rechte, ihres Ansehens, ihrer Besitzungen und Reichswürden mit vermehrter Hausmacht, mit siegreichem Heere, nach Vernichtung ihres durch Ankämpfen gegen Heinrich nothwendigen Verbündeten, der Hierarchie, nach Deutschland zurückkehre? Durften sie dann ihm abzuringen hoffen, was er vorhin in bedrängter Lage nicht zugestanden? — Höchstens durften sie darauf rechnen, Heinrich werde in Italien an denselben Hindernissen scheitern, die sie in Deutschland seiner Herrschsucht bereitet hatten. Gerüstet den Ausgang von des Kaisers italienischem Feldzuge abzuwarten, erheischten mindestens die Klugheit und die Sorge für Selbsterhaltung.

 

Schlimmere Folgen hatte das Zweite, was Heinrich auch in minder bedenklicher Lage als die seine beim Fortzuge aus Deutschland war, nicht hätte unbeachtet lassen dürfen. So lange er in eigener Person den feindlichen Fürsten, Geistlichen und Städten gegenüberstand, war die Wahl, mit ihnen allen sich zu vergleichen, in seiner Hand. Er konnte aus den immer noch zahlreichen Anhängern seiner Sache eine Heeresmacht aufbieten und eine imponirende Stellung behaupten, auch ohne daß er gewaltsam verfuhr. Er hätte durch scheinbares Nachgeben, ein Einwilligen in die Foderungen seiner Gegner diese versöhnen, seine frühere Strenge in Milde umstimmen,

 

 

____

191 Kämpfe in Deutschland.

 

durch schlauere Unterhandlung mit Einzelnen, die Verbindung der vielen von verschiedenen Privatinteressen Geleiteten trennen, und nach Umständen bald diesen bald einen andern Weg einschlagen können. Ueberwog aber die Aussicht auf Italien seine Absichten in Deutschland, so vermochte hier nur ein sehr besonnener, von Allen geachteter und besonders ein leidenschaftsloser Mann ihn während seiner Abwesenheit zu vertreten, die zum Kampfe gerüsteten, durch einen erfochtenen Sieg und glückliche Fortschritte ermuthigten sächsischen Fürsten von Gewaltthätigkeiten abzuhalten, die Habsucht, die Erbitterung, den Hochmuth und hierarchischen Geist Friedrich's von Köln, Adalbert's von Mainz und der mit diesen gleich Gesinnten unschädlich für Deutschlands Wohlfahrt zu machen. Nicht fehlte es an wackern und hochherzigen Männern, die des Vaterlandes Zerrissenheit beklagten und keiner Partei zugethan den Geist der Zwietracht zu hemmen wünschten, die dem Kaiser und seinen Gegnern durch wirksame Bemühungen Achtung vor dem Frieden eingeflößt und Beiden das Vertrauen, ihn zu bewerkstellen, abgewonnen hatten. Wir erkannten in Bischof Hartwig von Regensburg, in dem Grafen Dietrich von der Are solche thätige, aufrichtige Friedensvermittler, deren Stimme selbst bei leidenschaftlicher Aufregung von den Sachsen nicht überhört worden war. Aber nur im Auftrage des Kaisers, der auf die Wiederversöhnten in ihrer Nähe wartete und den Tag zur gemeinsamen Reichsversammlung festsetzte, hatten jene beiden Männer Eindruck machen können. Seit der Freilassung Adalbert's von Mainz war ihr Friedenswerk äußerst erschwert; als vollends Heinrich den deutschen Boden verließ, schwand jeder Erfolg ihrer redlichen Bemühungen. Der wackere Dietrich verschwindet ganz vom Schauplatze der von seinem Streben nicht aufgehaltenen blutigen Kämpfe in Deutschland, Hartwig behielt zwar auch ferner Heinrich's Vertrauen, zu seinem Stellvertreter machte Letzterer ihn aber nicht. Und wem übertrug der Kaiser denn die Sorge für das Reich? Wer sollte seine Sache in Deutschland aufrecht erhalten, während er selber zu einem Kampfe auszog, der, wenn er siegreich ihn bestand, seine deutschen Gegner zu größerer Anstrengung aufrief, wenn er ohne Erfolg zurückkehrte, jenen das Uebergewicht in Deutschland gab, wofern nicht unterdessen, wie er gehofft, ihre Widerspenstigkeit aufgehört? Wer sollte diese Widerspenstigen, die zu bekämpfen doch dem Kaiser unmöglich gewesen war, durch kluge, besonnene Mäßigung, wie sie hier erfoderlich, beschwichtigen? — Zwei Jünglinge, denen er allein unter allen Fürsten — schlimm genug für sein bisheriges Verfahren! — trauen durfte. Besser wäre es für des Reiches

 

 

____

192 Fünfter Abschnitt.

 

Wohlfahrt gewesen, wenn auch Jene ihn über die Alpen begleitet hätten und anstatt ihres Oheims herrschsüchtige Pläne und seine jeden Reichsstand erbitternde Strenge lieber die andere Seite von des Kaisers Verfahren, seine schlaue, zeitgemäße Nachgiebigkeit, seine wohlberechnete Herablassung gegen Fürsten, Geistlichkeit und Städte, seine mehr auf Benutzung der Ereignisse als die Stärke der Streitkräfte gegründete Politik, der gemäß er Unterhandeln mit den Gegnern überall der Waffengewalt vorzog oder vorausschickte und dadurch eine Zeit lang das Uebergewicht behauptete und vielleicht, wenn Deutschland beruhigt gewesen, sein Ziel erreicht haben würde, als Richtschnur des eigenen Handelns in reiferen Jahren befolgt hätten. Anstatt die Ordnung, den Frieden in dem erschütterten Reiche herzustellen, führte die jugendliche Unbesonnenheit der beiden hohenstaufischen Brüder vornehmlich jenen Zustand herbei, den wir nach Berichten gleichzeitiger Schriftsteller einem völlig anarchischen gleich erkennen 1). Mag immerhin Friedrich von Schwaben die ritterlichen Tugenden besessen haben, welche der seinem Hause verwandte Otto von Freisingen ihm nachrühmt, sie gewannen ihm wol die Zuneigung seiner Freunde, lockten kriegslustige Leute zu seinem Banner und noch mehr begehrliche Hände zu Annahme seiner freigebig dargebotenen Geschenke, oder Zecher zum fröhlichen Gelage, die seine geistreiche Unterhaltung und seine Beredtsamkeit würzten 2); aber zur Beschwichtigung beleidigter Fürsten, zur Versöhnung eines rachesüchtigen ränkevollen Priesters genügte nicht ein tapferer Arm, nicht die Erwiderung auf zahllose Intriguen und unerschöpfliche Erfindungen der Arglist durch verheerende Einfälle, Ueberraschung der Gegner, wenn diese unterhandelten, oder minder wachsam, minder stark schienen 3). Wenn

 

1) Chron. Ursp. ad 1116 nach Angabe der Kriegsereignisse im Allgemeinen fährt fort: Neque pax Dei ceteraque sacramentis firmata pacta custodiuntur, sed uniuscujusque conditionis et aetatis praeter solos ecclesiasticae professionis homines (worunter nur der niedere Klerus zu verstehen ist, denn von der hohen Geistlichkeit schalteten Viele am ärgsten) quibus jam pene nihil praeter miseram restat animam, caeteri, inquam, hoc tempore belluino furore bacchantur. Dann malt dies der Chronist, der damals mit eigenen Augen das Elend sah, noch weiter aus.

2) Mehr Bedeutung darf man doch nicht in die Lobsprüche Otto's von Freisingen legen, wenn er rühmt De gest. Friderici I., lib. I, cap. 12: Erat autem praedictus Dux in bellis fortis, in negotiis ingeniosus, vultu et animo serenus, in sermone urbanus, donisque tam largus, ut ob hoc multitudo maxima militum ad eum conflueret, seque ad serviendum illi ultro offerret.

3) Chron. Ursp. a. a. O.: Longum est Praesulis Moguntini machinamenta contra regis fideles eorumque adversus illum insidiosas incursiones enarrare. Daß zu Letzteren vornehmlich Friedrich von Schwaben gehörte, werden seine Kriegszüge gegen Mainz beweisen.

 

 

____

193 Kämpfe in Deutschland.

 

Friedrich, wie vorhin sein Oheim, auf eine ihm zu Gebote stehende Kriegsmacht und auf den Beistand der Freunde und Anhänger des Kaisers gestützt die Friedensunterhandlungen mit den sächsischen Fürsten fortsetzte, den Erzbischof Adalbert — was er mehr als Heinrich unbeschadet seiner Ehre thun durfte — schonte, seine Machinationen bewachte und das Frevelhafte derselben vor den versammelten Reichsfürsten darthuend, des gefährlichsten Gegners Waffe zu Schanden machte, wenn er selbst Mäßigung und wahre Friedensliebe und unparteilichen Sinn zeigte, war ihm möglich das Werk Hartwig's und Dietrich's zu vollenden, mindestens die wohlgesinnten Fürsten für Einigung und Frieden im Reiche zu gewinnen und mit ihnen die hartnäckigen Friedensverweigerer und die ränkesüchtigen Verfechter hierarchischer Anmaßungen zu züchtigen. Von alledem das Gegentheil sehen wir Friedrich nach Heinrich's Abzug unternehmen. Mit den Scharen, die er Letzterem zur Deckung Speiers und der von Adalbert bedrohten Vesten herbeigeführt hatte 1), verblieb er nicht in der blos abwehrenden Stellung und zeigte weder die so nöthige Schonung und Milde den Städten am Oberrhein, den Hauptstützen des Reiches 2), noch begnügte er sich, die Bürger von Mainz an ihr dem Kaiser gegebenes Wort, den Erzbischof Adalbert an Erfüllung der gelobten Rechtfertigung durch Unterhändler zu mahnen und allen Feinden Heinrich's das Vertrauen einzuflößen, daß nur Aufrechterhaltung des Friedens, der Ordnung, des kaiserlichen Ansehens der einzige Zweck seines Kommens gewesen sei. Nein diese so nothwendige und allein heilsame Mäßigung verachtete der Herzog im Gefühl seiner augenblicklichen Uebermacht, im Drange nach Kriegsruhm und wies den Rath besonnener Männer, die ihm

 

1) Aus Otto Frising. a. a. O. erhellt, daß Friedrich dem noch in Deutschland verweilenden Kaiser zur Hülfe kam. Otto will die Kriegsthaten seines Vorfahren verherrlichen und faßt sie natürlich anders, als im Text geschehen durfte, auf. Am Rhein hat er deren Gedächtniß vorgefunden, wo man zu seiner (Otto's) Zeit den Hohenstaufen gewogen war und vergessen hatte, daß einst Herzog Friedrich für seinen Ruhm die Fackel eines furchtbaren Bürgerkrieges entzündete: Quot et quanta Fridericus Suevorum Dux nobilissimus, vel Imperatore praesente vel in Italia morante, stylo tunc digna gesserit, quia in multorum adhuc habentur memoria, summatim dicemus. Ipse enim de Allemannia in Galliam transmisso Rheno se recipiens etc.

2) Otto Fris.: Ubi maxima vis regni esse noscitur.

I. 13

 

 

____

194 Fünfter Abschnitt.

 

der Kaiser zur Seite gestellt, zurück 1). Mit Gewalt bemächtigte er sich der Städte am Rhein, von Basel an bis Mainz, zwang sie in des Kaisers Abwesenheit ihm Gehorsam zu schwören und bedrohte ihre Freiheit, indem er auf jedem günstigen Punkte eine Veste erbaute, oder eine schon vorhandene, aber weder ihm noch dem Reiche angehörige in Besitz nahm und von ihnen aus die Umgegend in seine Botmäßigkeit brachte. Freilich rühmten dieses Verfahren Leute, die Gefallen am Kriegshandwerke fanden, und sagten sprichwörtlich: „Der Herzog Friedrich zieht am Schweife seines Rosses jedesmal eine Burg nach sich“ 2).

 

Noch ärger als Friedrich am Rhein hauste Konrad in seinem neuen Herzogthume Franken. Er, an dem nicht einmal Otto von Freisingen, der sonst freigebig den Hohenstaufen Lobsprüche ertheilt, einen rühmenswerthen Charakterzug aufzufinden wußte, der Das, was er im Dienste des Oheims gethan, später durch einen Kreuzzug zur Sühnung seiner Sünden abzubüßen sich gedrungen fühlte, der einerseits rauh und ungestüm, von der anderen Seite arglistig und verschlossen war, vermochte weniger noch als Friedrich bei der Gegenpartei des Kaisers Vertrauen und Neigung zu erwecken. Schon der Anlaß zu seinen Waffenthaten, daß er einem Geistlichen das Herzogthum Franken zu entreißen trachtete, erweckte Haß und Abscheu. Daher mit größerer Erbitterung als in irgend einem anderen Theile Deutschlands hier der Parteienkampf geführt wurde. Im Würzburgischen zuerst nahm er den Charakter eines wahren Religionskrieges an, wo bald der eine bald der andere Theil sich zusammenrottete,

 

1) Des Kaisers Briefe an Hartwig von Regensburg beweisen, daß auch dieser eine besonders wichtige Stellung während jenes Abwesenheit einnahm. So heißt es Cod. Udalr. Nr. 217: Tu ubi fueris pro nobis in persona nostra sis juvando ac sustinendo ac defendendo honorem nostrum et specialiter nostrum nenotem Fridericum aliosque fideles nostros. Des wackeren Dietrich von der Are geschieht nirgend Erwähnung. Das Verfahren Friedrich's am Rhein war nicht geeignet, einen Biedermann wie Dietrich anzulocken, oder in des Herzogs Nähe zu fesseln.

2) Und dieses nennt Otto von Freisingen stylo digna. Seine Worte mögen beweisen, daß nur ihnen das im Texte Gesagte entlehnt ist: Totam provinciam a Basilea usque Moguntiam, ubi maxima vis regni esse noscitur, paulatim ad suam inclinavit voluntatem. Nam semper secundum alveum Rheni descendens nunc castrum in aliquo apto loco aedificans, vicina quaeque coegit, nunc iterum praecedens relicto priore aliud munivit, ut de ipso in proverbio diceretur: Dux Fridericus in cauda equi sui semper trahit castrum.

 

 

____

195 Kämpfe in Deutschland.

 

der Nachbar des Nachbars Aecker verwüstete und nur aus Zerstörungswuth dem Anbauer das Seine raubte oder verderbte 1).

 

Der dritte unter den weltlichen Fürsten, welcher mit dem Schwerte dem Kaiser den treuesten Dienst zu leisten glaubte, der Pfalzgraf Gottfried bei Rhein 2), erscheint meist in Verbindung mit Friedrich von Schwaben und theilte mit den Hohenstaufen, wie die Ergebenheit gegen Heinrich, so auch die verderbliche Kriegslust. — Wenn solche Männer, anstatt der Zwietracht zu steuern, ihr neue Nahrung gaben, so konnte es nicht anders sein, als daß im ganzen Reiche eine völlige Spaltung eintrat und nirgend die Scheu vor dem Recht, überall nur Willkür und Zügellosigkeit herrschten 3). Keine Uebertreibung wird es scheinen, wenn ein Zeitgenosse die allgemeine Auflösung der gesetzlichen Bande, die Greuel in Staat und Kirche also schildert: „In den Städten erhoben sich die Bürger rebellisch gegen ihre Obrigkeit, vertrieben ihre Bischöfe oder wurden derselben durch die Gegner beraubt. Burgen und Festungen erhoben sich, wo bisher keine errichtet werden durften, andere in großer Anzahl, die zum Schutze dagestanden, riß die Parteiwuth nieder, weite Landstrecken sah man von Raub und Brand verwüstet; Kampf und Mord bald hier bald dort durch die Ritter beider Parteien, Bedrückung der Armen und der Schutzbürger, grausame Wegführung der Christen durch Christen, wie kaum Heiden sie verübten, Gewaltthaten jeder Art und aller Orten sah oder hörte man. Weder der

 

1) Chron. Ursp. ad 1116: Primo ergo pars utraque conventibus assiduis agros alterius vastare, colonos despoliare coepit, maximeque in Episcopio Wirciburgensi per Conradum fratrem Friderici lues ista succrevit.

2) Otto Fris. a. a. O. hebt ihn schon zur Zeit der ersten Verschwörung gegen den Kaiser, die zu Mainz während der Vermählungsfeier Heinrich's und Mathildens ausbrach, als treuesten Anhänger neben den beiden Hohenstaufen hervor: Quae scissura illo tempore tam gravis fuit, ut praeter Fridericum Ducem fratremque suum et Gotefridum Palatinum Comitem Rheni vix aliqui ex principibus fuerint, qui principi suo non rebellarent. 1116 finden wir ihn vereint mit Friedrich in Worms. Der Kaiser in seinem Schreiben an die Mainzer, Guden, Cod. dipl. p. 48, ermahnt die Bürger: Cum Friderico Duce et Gothofrido Palatino Comite aliisque fidelibus nostris diligentissime servare studeatis. Als Kuno und Adalbert 1118 den Bann über des Kaisers Anhänger sprechen, werden wieder die drei Fürsten namentlich hervorgehoben. S. Cod. Udalr. Nr. 291.

3) Chron. Ursp. und Ann. Saxo ad 1116: Scindebatur — regnum Teutonicum. Et quia Rex abierat, unusquisque non quod rectum, sed quod sibi placitum videbatur, hoc faciebat. 13*

 

 

____

196 Fünfter Abschnitt.

 

Gottesfriede noch heilig beschworene Verträge und Bündnisse wurden geachtet; Menschen jedes Standes, jedes Alters und Geschlechts schweiften in thierischer Wuth umher, selbst besitzlosen Mönchen, die aus zerstörten Klöstern geflüchtet, ließ man nichts als das elende Leben. Bei der allgemeinen Verwüstung der Aecker, der Dörfer, der Städte, ganzer Landschaften fehlte bald jeder Unterhalt, sonst reiche Kirchen und Klöster standen öde und leer, in vielen hörte der Gottesdienst auf. Das berühmte, durch ganz Deutschland begüterte Fulda sank bis zu solcher Armuth herab, daß seine Geistlichen sogar an Speise und Trank Mangel litten 1).“

 

So grell und die Zustände der Auflösung in dem öffentlichen Leben deutlich bezeichnend diese Schilderung des allgemeinen Elends ist, so dunkel geben die Schriftsteller den Gang der politischen Ereignisse an 2), weil wahrscheinlich sie selber nicht mehr im Stande waren, jenen bei der ganzlichen Zerrüttung Deutschlands im Auge zu behalten oder in späteren Lebenstagen, als sie denselben aufzeichnen wollten, ins Gedächtniß zurückzurufen. Und doch dürfen wir ihn nicht aus dem Auge verlieren und müssen so viel als möglich den schwachen Fäden, welche die Chronisten bieten, behutsam nachgehen, um mit einiger Bestimmtheit, die dadurch gewonnen wird, nicht aus leerer Vermuthung, der eine andere sich entgegenstellen könnte, die Folgen der beklagenswerthen Zustände in Bezug auf die politische Umgestaltung aus dem Verfahren der Urheber jener herzuleiten.

 

Auf zwei Männern beruhte die Entscheidung des Parteienkampfes, so vielfach verzweigt und getheilt dieser auch in allen Provinzen des Reiches, in noch kleineren Distrikten, ja in Städten, Flecken, Ortschaften, kurz überall, wo nur durch die Nähe zweier feindlich sich bedrohender Burgen, durch Zerwürfniß der Bürger mit

 

1) Das ist fast wörtlich die Schilderung des Konrad von Lichtenau, oder wer sonst der Verfasser dieses Theiles der auersberger Chronik sein mag. Ein Zeitgenosse war es gewiß.

2) Der Verfasser der auersberger Chronik ad 1116 verwahrt sich durch ein longum est enarrare. Der sächsische Annalist schreibt ihm dies und die im Text mitgetheilte Schilderung nach, berichtet aber zum Jahre 1116 noch Manches, das er von Anderen entlehnte. Auch Helm., Chron. Slav. I, cap. 50, geht darüber hinweg: Longum est ergo per singula explicare turbulentias temporis illius nec est temporis hujus talium explanatio. Spätere Kloster- und Ortschroniken dienen einigermaßen zur Ergänzung, lassen aber den Zusammenhang der Begebenheiten mehr errathen als bestimmt erkennen.

 

 

____

197 Lothar und Friedrich von Schwaben.

 

ihrem Bischof, Burggrafen oder untereinander, durch Neid, Haß und Verschiedenheit kirchlicher oder politischer Ansichten Parteiung möglich war, sich ausgebreitet hatte. Als das Haupt der kaiserlich Gesinnten stand Herzog Friedrich von Schwaben da; auf Herzog Lothar von Sachsen vertrauten Alle, die wider den Kaiser und dessen Anhänger das Schwert zogen. Von jetzt ab traten beide Männer, die bis auf Muth und Tapferkeit in der Feldschlacht sich fast in Allem ungleich waren, einander feindlich gegenüber und werden in solcher Stellung gegeneinander uns noch oft begegnen, auch nachdem Heinrich V. und mit ihm das fränkische Kaiserhaus zu Grabe gegangen, weil, wie jetzt mit seiner Abwesenheit in Italien, dereinst mit seinem Tode nicht der längst genährte Zwiespalt der Völker, der Fürsten, der kirchlichen und politischen Meinungen aufgehoben wurde, sondern nur andere Häupter an der Spitze der unversöhnlichen Parteien erschienen und die durch Verschiedenheit des Landes und seiner Bewohner von der Natur gemachte Trennung Nord- und Süddeutschlands, anstatt zu heilsamer Wechselwirkung und Durchdringung geistiger und materieller Interessen, Jahrhunderte lang zu unglückseligem Kampf, um persönliche Vortheile zu erringen, benutzten. Wie aber durch ursprüngliche Stammverwandtschaft, durch das Band der Sprache und durch die Vereinigung unter ein Reichshaupt stets eine gänzliche Losreißung beider Hälften verhindert wurde, so zeigte sich auch damals, daß es einzelnen Fürsten, Geistlichen und Städten in beiden Theilen gelang, das der Mehrzahl entgegenstehende Interesse zu verfechten, doch leider nicht, um das Band der Gemeinschaft im Reiche ungelöst zu bewahren, sondern um aus Eigennutz den verheißenen und beanspruchten Lohn, oder aus Privathaß gegen Nachbarn, aus Eifersucht gegen Ansprüche Anderer, aus Neid gegen gleich Mächtige oder Mächtigere die gehoffte Befriedigung aller dieser Leidenschaften zu finden. Dieses feindselige Widerstreben Weniger gegen die Mehrheit im Lande vervielfältigte die Fehden, erhöhte die Erbitterung und Zerstörungswuth, sodaß auch die Häupter der beiden großen Parteien zuvor im eigenen Lande oder dem ihrer Verbündeten zur Unterdrückung der Widerspenstigen ihre Streitkräfte aufbieten mußten, ehe diese gegen den Hauptfeind zu richten ihnen gestattet war, wodurch allein erst der verderbliche Kampf entschieden werden konnte, indem entweder die Waffen den blutigen Ausschlag gaben, oder Anknüpfung von Unterhandlungen ein Zusammentreten der Reichsfürsten zu einem allgemeinen Friedensvertrag vorbereiteten, der das Wohl Aller, die Einheit Deutschlands, die Anerkennung des gemeinsamen Reichsoberhauptes, die Ausgleichung der gegenseitigen

 

 

____

198 Fünfter Abschnitt.

 

Anfoderungen und die Rechte der Reichsfürsten selber vermittelte. Ob der eine oder der andere Weg eingeschlagen würde, hing dann vornehmlich von den genannten Parteihäuptern ab. Ihre Gesinnung, ihr Verfahren fodern den Geschichtschreiber zu einem Urtheil auf, das billigend oder tadelnd über sie selbst ausfallen muß. Ehe aber das Zusammentreffen der gesammten Parteien unsere Aufmerksamkeit fesselt, müssen wir den Ereignissen, die jenes einerseits noch verhinderten, andererseits es nothwendig herbeiführten, uns zuwenden.

 

Als Friedrich von Schwaben sich zum Herrn am Oberrhein bis Mainz hin gemacht hatte, sodaß er im Rücken keinen Fürsten oder Bischof, nicht einen Abfall der Bürger in den Reichsstädten fürchten durfte, verlangten seine kampf- und raublustigen Scharen auch den Sitz des Erzbischofs Adalbert, das reiche Mainz zu erstürmen 1). Daß die Sache der Bürger dieser Stadt von der ihres Bischofs verschieden war, daß jene dem Kaiser eine Bürgschaft für ihre Treue und Gehorsam gegeben und ihres Geistlichen Herrschaft nur gezwungen ertrugen, hielt Friedrich nicht ab, aufs allerfeindseligste gegen Mainz zu verfahren und eine Verheerung des Stadtgebietes seinen Söldnern zu gestatten. Mehr aber vermochte er auch nicht; denn die Stadt war von zu großem Umfange, um mit Erfolg eingeschlossen und von aller Zufuhr und Unterstützung abgeschnitten zu werden; ihre festen Mauern verhinderten einen Angriff der Feinde, die zwar in sehr großer Anzahl davor lagen, aber meist nur aus niederem Volk und Raubgesindel, das der Beute wegen dem bisher siegreichen Herzoge sich angeschlossen, bestand, während die begüterte und volkreiche Stadt eine Mannschaft zur Vertheidigung bereit hatte, die jeden Sturm von irgend welcher Seite zurückzuschlagen gerüstet

 

1) Dies kann Otto von Freisingen bei allem Ruhm, den er Friedrich's Thaten am Rhein beilegt, nicht in Abrede stellen; doch trennt er sehr subtil die Gesinnung des Herzogs von der seiner Leute. Dereb. gest. Frid. I., lib. I, cap. 13: Vulgus, quod cum Duce in obsidione fuit, ex illa parte, qua rara est civitas, praedandi gratia eam assultu capere voluit. Timens autem nobilissimus Dux,si irrationabili plebis furori talis daretur licentia, sanctorum forte loca direptioni et flammae exponi, ne voluntas illorum effectui manciparetur, summopere laboravit. Dies stellt Friedrich's und seiner Soldaten Verfahren am Rhein ins wahre Licht. Sonderbar, daß Otto von Freisingen, der seinen Vorfahren verherrlichen will, uns über diesen hier eine Nachricht gibt, die wir sonst bei keinem anderen Schriftsteller finden. Fügen wir hier sogleich zum Beleg der folgenden Darstellung noch einige Worte hinzu: Vastatisque cunctis in circuitu tandem et ipsam civitatem cum infinita multitudine militum ac plebis obsidione cinxit.

 

 

 

____

199 Friedrich von Schwaben und Adalbert von Mainz.

 

stand 1). Dem Erzbischof freilich konnte die ungünstige Stimmung, welche die Mainzer gegen ihn hegten, nicht verborgen sein; er mußte besorgen, daß bei einer hartnäckigen Belagerung der Widerwille gegen ihn zunehmen und dadurch der Haß, den die Reichsstädter auf Herzog Friedrich wegen seines bisherigen Verfahrens am Rhein und wegen der Verheerung ihres Gebiets geworfen und der sie zu tapferer Vertheidigung gegen einen solchen Reichsverweser bisher angetrieben hatte, abnehmen, ja wol gar ein Uebereinkommen wegen Uebergabe stattfinden möchte, was ihn nicht nur um den Hauptsitz seiner Herrschaft, sondern selbst in Gefahr neuer Gefangenschaft bringen konnte. Zu dem Ende hielt er für gerathen, mit den Belagerern selber zu unterhandeln. Herzog Friedrich foderte, daß Adalbert sich unterwerfe und dann die Gnade des Kaisers in Person nachsuche. Da Heinrich schon in Italien stand, konnte der Hauptpunkt des Vertrages nicht sogleich vollzogen werden. Das war es, was allein Adalbert wünschte, der an Erfüllung seines Versprechens keineswegs dachte. Schmeichelhafte Zugeständnisse, Versicherungen, vielleicht auch Bürgschaften mochte er dem Herzoge geben, und dieser war froh, von den Mauern der Stadt, die so schwer einzunehmen, mit Ehren abziehen zu können. Denn freiwillig öffneten diese ihm und seinen räuberischen Scharen

 

1) Wiederum ist es Otto, der uns gegen seine Absicht den wahren Stand der Dinge verräth. Daß Mainz dem Heere Friedrich's nicht die Thore öffnete, ist begreiflich; daß der Herzog sie nicht erobern konnte, zeigt die Beschreibung der Stadt und der — Erfolg. Jene lautet: Est autem praedicta civitas magna et fortis super Rhenum posita et ex ea parte, qua Rhenum attingit, spissa et populosa et ex alio latere rarum habitatorem habens vacua (war sie aber an einem Theile stark bevölkert, so fehlte es nicht an Streitern, um die minder bevölkerte zu vertheidigen. Vacua soll wol nur die vielen freien Plätze bezeichnen, sehr groß waren diese in alten Reichsstädten nicht) muro tantum forti non paucas turres habenti (in denen gewiß hinreichende Mannschaft lag) circumdata. Porrecta in immensum longitudine, in lato angustior, necessitas locum signavit. Nam ex ea parte, qua Galliae contigua est, monte mediocriter in altum sublato arctatur, ex alio vero latere, quo Germaniam respicit, Rheno. Aus dieser Lage begreift man, (und Otto v. Freisingen will es stillschweigend als Entschuldigung dafür geben) daß Friedrich nicht Herr der Stadt werden konnte. Die Schonung und zarte Rücksicht des Herzogs wird nun sehr verdächtig, vollends wenn wir später erfahren, daß Friedrich das Landesaufgebot entließ, mit seinen Rittern aber stark genug war, den Ausfall der Besatzung zurückzuschlagen, die meisten Feinde zu tödten, zu fangen, die übriggebliebenen in die Stadt zu jagen, ohne letztere doch erobern zu können, obgleich die Mainzer gegen ihren Erzbischof zu rebelliren begannen. Wer das 13. Kapitel bei Otto von Freis. liest, wird manches Dunkele darin finden, aber daß Friedrich die Stadt nicht erobern konnte, deutlich herauslesen.

 

 

____

200 Fünfter Abschnitt.

 

nimmer die Thore, und mit Gewalt sie zu nehmen, mußte er aufgeben. Der schlaue Erzbischof hatte seinen arglistigen Plan vorbereitet, hielt ihn aber noch zurück, bis der günstige Augenblick zur Ausführung erschien. Kaum war Friedrich abgezogen und der größere Theil des Heeres von ihm entlassen, sodaß er nur noch seine Schwaben heimwärts führte, als Adalbert den Mainzern die günstige Gelegenheit zeigte, wie sie für die Verheerung ihres Gebiets an dem Thäter sich rächen könnten. Sie ließen sich um so leichter bereden, als die von Friedrich entlassenen und abgeführten Scharen gewiß nicht ohne neue Gewaltthätigkeiten das mainzer Gebiet verließen. Sogleich brach die Besatzung unter ihrem Bannerherrn Graf Emicho von Leiningen aus der Stadt und überfiel das kleine Heer des Herzogs, das indeß zum Widerstande noch groß genug war und aus geübten Kriegern bestehend in offener Feldschlacht gegen Bürgermiliz im Vortheil blieb, vollends nun über die Treulosigkeit des Erzbischofs erbittert mit erhöhtem Muthe stritt. Als Emicho tödtlich verwundet siel, ergriffen die Bischöflichen die Flucht und suchten hinter den Mauern Schutz. Der Herzog verfolgte sie mit blutigem Schwerte, hieb Viele nieder, nahm Andere gefangen, aber in die Stadt selbst den Fliehenden nachzudringen wurde ihm von den Zurückgebliebenen verwehrt und zu einer neuen Belagerung zu schwach, zog er sich nach Worms, das noch immer fest auf kaiserlicher Seite verharrte 1).

 

1) Die Arglist Adalberts und Herz. Friedrich's Sieg berichtet Otto Fris. a. a. O. Es ist dem Chronisten um die Heldenthat des Letzteren allein zu thun. Daher erfahren wir nicht, was Adalbert zu unterhandeln bewog. Das einzige Motiv erscheint hier Arglist. Wenn Otto aber zum Schlusse von dem Aufstande der Mainzer gegen ihren Erzbischof spricht (Cives, qui parentes et amicos in illa caede amiserant, tanta cordis amaritudine affecti erant, ut pene in proprium episcopum velut hujus concessionis auctorem irruerent), so dürfen wir den Grund des Unwillens der mainzer Bürgerschaft, der, wie wir anderweitig erfahren, mit Vertreibung Adalbert's endete, nicht erst in der erlittenen Niederlage suchen, sondern dieselbe schon früher setzen und als Motiv zu Adalbert's Erbieten, sich dem Kaiser zu stellen, ansehen. Otto verschweigt und mildert hier aus gutem Grunde. Wenn die Mainzer auf Adalbert ungehalten waren, warum öffneten sie nicht Friedrich ihre Thore? Warum schlossen sie sich nach des Erzbischofs Vertreibung nicht an die Hohenstaufen, die um letzterer willen gern den Ausfall verziehen haben würden? Offenbar, weil sie einen schlimmen Herrn nicht mit einem noch schlimmeren vertauschen wollten. Der Rückzug Friedrich's nach Worms erhellt daraus, daß er bald danach dort mit Gottfried von Rhein auftritt. Was die Zeit betrifft, scheinen Luden's Gründe (Bd. IX, S. 654, Anm. 14) für 1116 unabweislich, die Angaben von Graf Emicho's Tod zu 1117 bei Chron. Ursp. und Ann. Saxo kommen dagegen nicht in Anschlag, da jenes denselben wie ein vergessenes Faktum kurz nachzuholen scheint, der Ann. Saxo aber das Chron. Ursp. ausschreibt: Emicho Comes a militibus Friderici Ducis occiditur. Die Empörung der Mainzer gegen Adalbert setzen auch beide Chronisten ins Jahr 1116 und ist dies gewiß dieselbe, welche Otto v. Freisingen sehr mildert und nur als Folge der Niederlage durch Herzog Friedrich darstellt.

 

 

 

____

201 Empörung der Mainzer wider Erzbischof Adalbert.

 

In den Mainzern indeß war der Haß gegen den Erzbischof Adalbert durch diesen auf seinen Rath unternommenen, so nachtheilig endenden Ausfall keineswegs verringert. Sie hatten dem Herzog Friedrich, um nicht in gleiche Botmäßigkeit wie die Städte oberhalb des Rheins zu gerathen, in Gemeinschaft mit den bischöflichen Dienstmannen Widerstand geleistet, aber auch Adalbert's Herrschaft wollten sie nicht länger tragen. Kaum war jener abgezogen, so brach der Unwille der Bürger gegen diesen in völlige Empörung aus. Daß auch frühere Ursachen mitwirkten und Adalbert Mistrauen gegen die Bürger hegte, beweisen schon die Unterhandlungen mit dem Herzoge von Schwaben. Kein unwichtiger Grund, wenn nicht der Hauptanlaß zur Feindschaft, war sicherlich die Treulosigkeit Adalbert's gegen den Kaiser. Zwar hatten die Mainzer selbst Heinrich gezwungen, den Erzbischof freizugeben, aber sie hatten sich auch verpflichtet, für die Genugthuung, die dieser wegen seiner Vergehen dem Kaiser geben sollte, einzustehen und ihre Geißeln blieben bis dahin in des Letztern Gewalt. Anstatt dem Vertrage nachzukommen, hatte Adalbert nur seiner Rache Gehör gegeben, das Feuer der Empörung in ganz Deutschland angefacht, den Kaiser für einen Gebannten erklärt und sich darum nicht bekümmert, daß seinetwegen der Mainzer Geißeln dem Zorn und der Züchtigung des Kaisers preisgestellt blieben. Das Mitleid über seine erduldeten Drangsale während zweijähriger Gefangenschaft überwog anfangs den Unwillen der Bürger und dieselbe Partei — denn eine solche war es nur — die ihn dem Kerker entzogen, behielt einige Zeit die Oberhand. Gleichwol erkannte Adalbert, daß er auf die Mainzer durchweg sich nicht verlassen dürfe. Deshalb wählte er das sichere Köln, um dort sich weihen zu lassen, dort mit seinen sächsischen Verbündeten zu berathen, dort den Kaiser zu bannen. Als er nach Mainz zurückkehrte, war die kaiserlich gesinnte Partei wieder hervorgetreten. Ihn umgab aber noch eine große Anzahl von Vasallen und Freunden, die, wenn sie mächtig genug waren, mehre kaiserliche Burgen und selbst Speier zu bedrohen, auch die mainzer Bürger schreckten und die Unzufriedenen in Gehorsam erhielten. Wäre damals Friedrich vor Mainz

 

 

____

202 Fünfter Abschnitt.

 

gezogen und hätte er nicht erst durch sein gewaltsames Verfahren am Rhein Haß und Mistrauen erweckt, vielleicht würden die Misvergnügten Adalbert und dessen Vasallen aus der Stadt genöthigt haben. Dies erfolgte nun erst nach des Herzogs Abzug. Durch die erlittene Niederlage hatte einestheils der Erzbischof seine Kriegsmacht und seinen Bannerherrn Emicho, der das Schrecken Aller gewesen war 1), eingebüßt, andererseits beklagten auch die Mainzer manchen nahen Verwandten und Freund. Die Schwache der Erzbischöflichen, die erhöhte Erbitterung der Mainzer, weil sie wackere Manner als Opfer einer schändlichen Arglist verloren, führte Adalbert's Vertreibung und somit dessen gerechte Bestrafung herbei. Und nicht blos gegen Adalbert, sondern, wie es scheint, gegen alle Geistliche seines Anhangs geriethen die Mainzer in Zorn. So plünderten sie um jene Zeit den Abt von Korvey, nahmen ihm all das Seine und ließen ihn und seine Begleiter kaum mit dem Leben aus ihren Händen entfliehen 2). — Nicht lange sollten sie sich aber der Freiheit und Ungebundenheit erfreuen. Bald kehrte der Erzbischof an der Spitze seiner Anhänger zurück, überwand nach leichtem Widerstande die unvorbereiteten und unbedachtsamen Rebellen und ließ die Schwere seines Zornes die Schuldigsten fühlen. Viele büßten mit dem Tode, Andere mit Gefängniß ihre Kühnheit 3).

 

Während dieser Ereignisse am Rhein erhob sich in Sachsen der Parteikampf mit großer Erbitterung von beiden Theilen. Die Verbündeten von Kreutzburg hatten eigentlich das Schwert noch gar nicht aus den Händen gelegt; denn trotz dem Versprechen, das sie

 

1) Daher er noch 1122 unter den geisterhaften Rittern erschien, die mit Entsetzen bei Worms gesehen wurden, wovon zu seiner Zeit Näheres.

2) Ann. Saxo ad 1116 berichtet ohne Angabe der Veranlassung: Mogontini Abbati Corbejensi omnia sua vi aufferunt, ipse vero cum suis vix abiit. Ob dies in Mainz selbst oder wo sonst geschah, erfahren wir nicht; doch, da er zu des Erzbischofs Anhängern gehörte, büßte er darum wol so hart.

3) Ann. Saxo gleich nach den angeführten Worten: Mogontini Archiepiscopum Adalbertum expellunt, sed non diu hoc facto gaudentes poenas dant. Amici enim Archiepiscopi non longe post inconsultos aggrediuntur, meliores quoque trucidant, ceteros capiunt, quo facto iterum Archiepiscopus dominatur. Ob diese amici Herzog Lothar und die sächsischen Fürsten gewesen, wie Luden IX, S. 480 ohne Bedenken annimmt, wage ich nicht zu entscheiden, obwol der Heereszug jener Fürsten in Verbindung mit Adalbert nach Worms und die Rückkehr des Letztern nicht weit voneinander liegen und jene zu des Erzbischofs glücklichem Erfolg gegen die Mainzer mitwirken konnten.

 

 

____

203 Parteienkampf in Sachsen.

 

Hartwig und Dietrich, Heinrich's Unterhändlern, dazu gegeben, blieben sie immer gerüstet und mit Kriegsscharen umgeben, wozu freilich die kaiserlichen Besatzungen in vielen Vesten des Landes und die feindselige Gesinnung der alten Anhänger Heinrich's sie nöthigten. Doch begnügten sich, so lange der Kaiser noch auf deutschem Boden verweilte, also das Friedensgelöbniß nicht ganz vernachlässigt werden durfte, die Parteien in Sachsen, sich wachsam zu beobachten. Als aber des Kaisers Aufbruch nach Italien, Konrad's Verheerungen in Franken, Friedrich's gewaltsames Verfahren am Rhein bekannt wurden, erhoben in Sachsen und Thüringen Feinde und Freunde des Kaisers drohender widereinander die Waffen. Fehden, Städtebelagerungen, Burgenberennen, Zerstörung und Raub nahmen überhand. Des Kaisers ergebenste und thätigste Anhänger waren der Pfalzgraf Friedrich von Putelendorf und der Burggraf Heinrich von Meißen „mit dem Haupte“ zubenannt, Beide kriegslustige Männer, verwegen und raubsüchtig, Beide auf Kosten anderer Fürsten zu ihren Würden und Besitzungen gelangt und ohne Scheu nach neuen Gütern, sei es von Klöstern und Abteien, sei es von freien Städten und Edeln, begehrlich.

 

Wie schwer es den einst vom Kaiser Geächteten oder in Habe und Lehen Verkürzten selbst nach dem Siege im Welfesholze wurde, wieder zum Besitz des Ihrigen zu gelangen, beweist genugsam das Beispiel des Helden jener Schlacht, Wiprecht's des Jüngern. Obschon der Erzbischof Adelgot durch Blutsverwandtschaft ihm nahe verbunden, die anderen Fürsten der antikaiserlichen Partei durch die Ueberwindung des gefürchteten Hoyer von Mansfeld ihm zu Dank und Beistand verpflichtet waren, erlangte er kaum durch Bitten von seinem Schwager Dedo von Wettin 1) eine Freistatt für sich und seine wenigen Begleiter innerhalb des Klostergehöfs von Crozig 2),

 

1) Chron. Mont. Ser. annexum apud Mencken II, p. 309: Dedo filius Thiemonis, (also ein Bruder des nachmals berühmten Markgrafen Konrad von Meißen und der Lausitz) duxit uxorem Bertham filiam Wiperti de Groizsch. Näheres über seine Lebensverhältnisse, über seine Ehe, die er einmal zu scheiden gesonnen war, geben die Annales Vetero-Cellens. apud Mencken II, p. 382.

2) Vita Vip., cap. XI, §. 16: Wigbertus Dedonem de Crossig obnixe rogavit, ut miseriae suae condolens in aliquod municipium suum eum cum suis reciperet, sed illo dicente se militum ejus insolentiam cavere saltem atrium sibi Ecclesiae concedi flagitabat. Quo annuente etc. Vergl. für diese und die folgenden Anmerkungen auch Liber de fundat. Coenob. Bigaug. apud Hoffmann IV, p. 123.

 

 

____

204 Fünfter Abschnitt.

 

von wo aus er mühsam die Wiedereroberung seiner väterlichen Burgen und Städte begann. Durch eigene Tapferkeit und die Hülfe einiger benachbarter Ritter, die mehr aus Beutelust sich ihm anschlossen, gelangte er zum Ziele. Binnen vierzehn Tagen war sein Asyl in eine kleine Festung verwandelt, von der aus er mit seinen Genossen ringsum das Land verheerte, unbekümmert, ob Freund oder Feind solches gehörte, nur bedacht, durch Beute seine Schar zu ermuthigen und neue Abenteurer, die vom Kriegshandwerk lebten, an sich zu locken. Bald war seine Macht stark genug, gerechtere Eroberungen zu machen. Er zog vor seine Stadt Dewin, belagerte sie neun Wochen und nahm sie endlich mit List 1). Er fand in dem Orte so große Reichthümer aufgehäuft, daß er und die Seinen, nach jahrelangem Mangel, nun im Ueberflusse schwelgen konnten. In kurzer Zeit fielen vier und zwanzig Ortschaften in seine Hand, und als Adelgot und die Markgräfin Gertrud sein Heer bis auf 2000 Mann brachten, eroberte er seinen väterlichen Stammsitz Groitsch 2). Aus diesem Eroberungskriege Wiprecht's wird das eigenmächtige und gewaltsame Verfahren der antikaiserlichen Partei anschaulich, zugleich ersieht man aber auch, wie viel noch den von Heinrich an die Stelle geächteter Fürsten Eingesetzten abzuringen war. Um Friedrich von Putelendorf und Heinrich mit dem Haupte zu bekämpfen, mußten erst Adelgot von Magdeburg, Reinhard von Halberstadt, Friedrich von Sommerschenburg, Wiprecht und Ludwig, die Söhne der gleichnamigen Fürsten, die noch immer in kaiserlicher Haft schmachteten, sich verbinden. Um das sehr feste Naumburg erhob sich ein hartnäckiger Kampf, in welchem fast ganz Thüringen verheert wurde 3). Wem jene Stadt, die im Jahre 1111 der jüngere

 

1) Vita Vip. a. a. O.: (Cunctis in vicinia positis lignorum et lapidum abundantiam ei convehentibus, infra XIV dies tutum sibi suisque aedificavit asylum, et circumquaque posita violenter iuvasa suis dimisit militibus in beneficium. Novem fere dehinc transactis hebdomadibus, urbem Dewin per insidias occupavit, tantumque auri et argenti, vestium, equorum ac caeterarum rerum ibi abundantiam diripuit, ut singuli ex ejus militibus suam relevarent inopiam.

2) Hac igitur urbe (Dewin) potitus XXIV in brevi circumposita subegit municipia, deinäe auxilium ferente Adelgoto Magdeburgensi Archiepiscocpo et Gertrude Marchissa matre scilicet reginae Richnisae opitulante, duobus millibus militum Groiscam obsedit et obtinuit.

3) Vita Vip. cap. XI, §. 18: Archiepiscopus Adelgotus cum Halberstadiensi Episcopo et Palatino Comite Friderico, Wigberto etiam et Ludovico Numburg obsidione vallavit et adjacentem Thuringiae provinciam grandi ex parte vastavit.

 

 

____

205 Parteienkampf in Sachsen.

 

Wiprecht vom Kaiser zu Lehn zu erhalten gehofft, deshalb wider den eigenen Vater die Waffen erhoben und erst, als er sich getäuscht sah, mit Erbitterung die kaiserliche Partei verlassen hatte, zu Theil geworden, wird nirgend mit Bestimmtheit angegeben 1). Bald danach erscheint der ältere Ludwig von Thüringen in ihrem Besitz und behauptete sich darin, bis er entweder bei seiner Gefangennehmung in Mainz vom Kaiser zur Abtretung derselben gezwungen, oder, was noch wahrscheinlicher, durch eine Verrätherei des Abtes Konrad von Gosek von seinem Stiefsohne Friedrich von Putelendorf darum gebracht wurde 2). Dieser nun oder wiederum ein anderer Besitzer der Veste, jedenfalls ein Anhänger des Kaisers, leistete hartnäckigen Widerstand, als die vorhin genannten Bischöfe und Fürsten 1116 die Stadt einschlossen. Ihnen erschwerte aber auch von Außen her ein gefährlicher Gegner die Belagerung, zumal da sie nicht aus eigenen Vorräthen den Unterhalt ihres Heeres nahmen, sondern plündernd und raubend aus den benachbarten Gegenden, die im Besitz der Kaiserlichen waren, ihn herbeischafften. So oft nun eine ihrer Scharen sich in die Ortschaften und Felder umher wagte, brach der kühne Heinrich mit dem Haupte aus einem Hinterhalte hervor, tödtete Viele und zog mit Gefangenen und der abgenommenen Beute in seine Burgen zurück. Die Belagerer von Naumburg sahen sich deshalb genöthigt, ihre Macht zu theilen und ein zweites Lager auf einem Punkte aufzuschlagen, von dem aus sie die zur Einholung der Lebensmittel Ausgesandten auf ein Zeichen, das diese von nahender Gefahr gaben, decken und unterstützen konnten. Wiprecht, Ludwig und noch einige Andere übernahmen diese Deckung und be- schlossen, da der Gegner nun in größerer Masse erschien, Hinterhalt

 

1) Vita Vip. cap. XI, §. 1 u. 2 und Pegauer Mönch S. 122 geben fälschlich zu 1113 statt 1111, da es vor Ausbruch des orlamündischen Erbfolgekrieges fällt: Wigbertus quoque junior Nuenburg urbe se sperans inbeneficiari regi contra patrem fuit auxilio. — Rex Nuenburg urbe quendam sibi familiarem inbeneficiavit. Sicque Wigbertus ab eo deficiens ad patrem rediit.

2) Eine freilich dunkele Stelle bei dem Goseker Mönch scheint Letzteres zu enthalten. Hoffmann IV, p. 114: Non multo post Comiti Ludowico Abbas Conradus exosus redditur, quippe qui temporis loco isto utpote Castro suo (d. h. Ludwig's) Nuenburg adjacente potestative abutebatur. Causa fuisse perhibetur, quod Palatini (Friedrich's von Putelendorf) partem plus sua (Ludwig's) tueretur. Es muß dies gleich nach Friedrich's Befreiung, kurz vor Ludwig's Gefangennehmung geschehen sein. Dies bezeugen auch die nachfolgenden Worte: Haec dum aguntur, Comes Ludovicus necessitate ductus Imperatori Henrico traditur, captivatur, incarceratur.

 

 

 

____

206 Fünfter Abschnitt.

 

mit Hinterhalt zu vergelten. Ihr Plan glückte vollkommen. Sie schlugen nicht nur Heinrich, als er von Arnsberg einen Ueberfall that, in die Flucht, sondern hoben ihn, ehe er in seinen Schlupfwinkel zurückkehren konnte, auf, nahmen die Veste Arnsberg weg und führten den Gefangenen vor die beiden Bischöfe ins Lager vor Naumburg 1).

 

Wir sind veranlaßt, dieses Ereigniß für äußerst wichtig zu halten, sowie in jenem Heinrich mit dem Haupte, so dürftig die Nachrichten über ihn sind 2), einen bei Freunden und Feinden geachteten oder gefürchteten, beim Kaiser in höchstem Ansehen stehenden Günstling anzuerkennen. Wir erfahren, daß auf die Nachricht von seiner Gefangennehmung die Vertheidiger von Naumburg die Thore sogleich den Belagerern öffneten, sei es, weil sie in ihm die Hoffnung auf Ersatz verloren, oder weil die Furcht vor seinem Zorn sie bis dahin abgehalten, sich ihrem rechtmäßigen Herrn, ihren geistlichen und weltlichen Oberen zu ergeben 3). Dem Kaiser muß das Schicksal seines tapferen und ihm unerschütterlich treu ergebenen Feldherrn, dem er, wie einst Hoyer'n von Mansfeld, in Sachsen und Thüringen große Gewalt und die Aufrechthaltung seines kaiserlichen Ansehens und seiner Sache anvertraut hatte 4), sehr nahe gegangen sein. Denn

 

1) Außer Vita Vip. und Pegauer Mönch hat auch Ann. Saxo, ohne die Vorfälle vor Naumburg anzugeben, ad 1116: Heinricus cum Capite de Misna filiis Comitum Ludovici et Wicberti, qui capti ab Imperatore detinebantur, capitur.

2) Ein Zug ist indeß von ihm aufbewahrt, der ihn genug charakterisirt. Bei Gelegenheit von Paschalis' II. Gefangennehmung erzählt Otto v. Freising., Chron. VII, cap. 14, daß Erzbischof Konrad von Salzburg dem Kaiser deshalb Vorwürfe gemacht: Cui (Conrado) dum quidam ex ministris regis Henricus cognomento Caput evaginato gladio mortem interminaretur, tanquam pro justitia mori optans, jugulum praebuit, malens si minas ille ad effectum perducere voluisset, temporalem vitam finire etc. Beide Männer blieben sich getreu. Wie Heinrich cum Capite für den Kaiser handelte und duldete, werden wir von Konrad von Salzburg hören, wie er seinen Eifer für die Kirche mit Leiden büßte.

3) Vita Vip. und Pegauer Mönch: Quo audito Numburg tradiderunt.

4) In dem Kampfe um Naumburg erscheint er mächtig in Thüringen und außer Arnsberg gehörten ihm wol noch andere Burgen. Ann. Saxo a. a. O. nennt ihn de Misna und da Burchard von Meißen einer der drei für ihn ausgelieferten Fürsten war, so ist Heinrich wahrscheinlich vom Kaiser auch mit dem Burggrafenamte von Meißen belehnt gewesen. Der Goseker Mönch führt ihn p. 115 als Hinricus quidam regiae tyrannidis capitaneus an. Späterhin erscheint er in den östlichen Gegenden der meißner Mark nahe der böhmischen Grenze ansässig, als Herr der Veste Libus, in der 1123 ihn Lothar noch einmal zur Unterwerfung zwang, als Letzterer des Kaisers Verbündete, den Grafen Wiprecht, den Böhmenherzog Wladislav und, was seltsam klingen wird, den Erzbischof Adalbert bekämpfte. Auch Heinrich focht für des Kaisers Sache, für die er 1116 mit Muth und Ausdauer, aber nicht mit Glück gestritten.

 

 

____

207 Beruhigung Sachsens.

 

drei Fürsten, die er weder nach der Niederlage im Welfesholze, noch in der bedrängten Lage zu Ende des Jahres 1115 auf die Foderung der sächsischen Fürsten, die solche als Hauptbedingung eines Vertrags mit ihm, dem Kaiser, aufgestellt hatten, frei zu geben Willens gewesen, bot er für die Auslösung des einen ihm so werthen Mannes 1). Wie sehr mit ihm die Hoffnung der kaiserlichen Partei in Sachsen niedergebeugt und die Macht der Gegner des Kaisers gehoben wurde, darf uns gleichfalls nicht entgehen. Während bis dahin die Letzteren nur mit der angestrengtesten Thätigkeit und in starker Verbindung die inneren Feinde niederzuhalten vermochten, sehen wir nun die sächsischen Fürsten zum Theil unbesorgt außerhalb ihrer Landesgrenzen, ja fern am Rhein den Schwabenherzog angreifen, einen anderen Theil vereinzelt zu Hause bleiben und nur mit Vorsicht, nicht mit Furcht die kaiserlichen Burgen beobachten. Denn erstorben war freilich die Kraft der Gegner noch nicht, aber auf eine Zeit lang gebrochen. Selbst der tollkühne Friedrich von Putelendorf hatte den Muth zu ferneren Raubzügen und Feindseligkeiten, die er in Sachsen und Thüringen verübte, verloren. Er trat sogar in friedliche Verbindung mit den Gegnern des Kaisers, als er sich mit Agnes, der Tochter des ehemaligen Herzogs von Lothringen, Heinrich's von Limburg, vermählte. Dieser, wie wir gesehen, stand mit den sächsischen Fürsten in Verbindung und konnte demnach am besten den Vermittler zwischen Friedrich und dessen Feinden in Sachsen machen. Jener söhnte sich bald sogar mit seinem erbittertsten Gegner, dem aus der Gefangenschaft zurückkehrenden Ludwig von Thüringen, durch Vermittelung der beiderseitigen Dienstmannen aus, obschon sein Stiefvater nach wie vor in Feindschaft gegen den Kaiser verharrte. Für eine ansehnliche Summe, die Ludwig zahlte, verzichtete Friedrich nicht nur auf Güter, die er mit Gewalt jenem entrissen, sondern auch auf manche Besitzungen und Rechte, die seinem

 

1) Vita Vip. a. a. O.: Imperator etiam his compertis (die Vorfälle bei Naumburg) Wigbertum seniorem et Ludovicum, Burcardum quoque de Misna a captivitate relaxare tunc demum compulsus est pro relaxatione Henrici.

 

 

 

____

208 Fünfter Abschnitt.

 

Hause erblich angehört hatten 1). Erst nach einigen Jahren, als in Sachsen die nun ruhenden inneren Zwistigkeiten wieder heftiger ausbrachen, erhob sich auch der kriegslustige, wilde Friedrich von Putelendorf in alter Weise. Die eingetretene Ruhe, so unmittelbar den Vorfällen vor Naumburg nachfolgend, beweiset, wie bedeutsam diese gewesen und wie tief sie in den Gang der politischen Ereignisse eingegriffen 2).

 

Unterdessen war Herzog Lothar nicht unthätig gewesen. Auch ihn beschäftigte im Anfange des Jahres 1116 eine Belagerung. Bentheim, jetzt ein hannöverscher Marktflecken, damals eine sehr bedeutende Stadt und Veste Westfalens, in einer weiten Ebene umher sich hoch auf einem freistehenden Felsen erhebend, hatte, wir erfahren nicht wodurch und ob vielleicht die Verhältnisse im Reiche auch hier mitwirkten, seinen Haß sich zugezogen. Er schloß sie mit großer Heeresmacht ein und ließ nicht eher ab, als bis er sie erobert und mit Feuer und Schwert verwüstet hatte 3).

 

Die sächsischen Fürsten erkannten sehr richtig, daß in der Einigkeit ihres Bundes die Stärke lag, welche sie dem Kaiser gegenüber unüberwindlich gemacht hatte, und die sie dadurch zu befestigen wußten, daß sie innerhalb der Grenzen ihres Landes Jeden, der des

 

1) Goseker Mönch p. 115: Palatinus quoque Fridericus Agnem Hinrici Ducis de Linthurg filiam uxorem duxit. — Sub eodem tempore (aber, wie wir später sehen werden, erst Ende 1116) Palatinum Fridericum Comitemque Ludovicum fidelium suorum interventu reconciliavit, ingentique a vitrico accepta pecunia nonnullis praediis hujusque ecclesiae advocatia se Palatinus abdicavit.

2) Und dies beachtet, hätte Luden IX, S. 653, Anm. 9 nicht von den Vorfällen bei Naumburg sagen sollen: „es klärt nichts auf, es greift nicht ein.“ Stenzel I, S. 682 erzählt die Sache zu abrupt.

3) Dieses berichtet Ann. Saxo ad 1116 in seiner Weise, die verschiedensten Begebenheiten ohne Zusammenhang anführend: Dux Luiderus Binitheim urbem egregiam et firmam obsidet, captamque concremat. Vorher hat er die allgemeine Schilderung des Bürgerkrieges aus Chron. Ursp. abgeschrieben. Die Eroberung Bentheims beginnt die Reihe der einzelnen Vorfälle des Jahres 1116. Gleich danach folgt: Heinricus cum Capite de Misna — — capitur, Worte, die schwerlich den Krieg, der um Naumburg sich erhob, errathen lassen. Auch die Eroberung Bentheims ist gewiß ein so herausgerissenes Faktum aus einer Reihe von Ereignissen, die, wenn wir sie genauer kennten, gewiß in einen Zusammenhang mit dem großen Parteienkampfe in Deutschland zu setzen wären. Beide Belagerungen fallen wol in den Anfang des Jahres 1116, da im Juni Lothar und die Fürsten, welche Naumburg einnahmen, am Rhein auftraten.

 

 

____

209 Unterhandlungen der Parteien.

 

Kaisers Sache wider sie vertheidigen wollte, entweder zum Beitritte zwangen oder doch von feindlichen Angriffen wider sie abhielten. Hiebei verfuhren sie, wie das Beispiel des Pfalzgrafen Friedrich lehrt, mit möglicher Schonung und ließen nur die wiederholentlich Widerspenstigen ihre Strenge fühlen. Auch der Graf Hermann von Winzenburg, früher des Kaisers eifriger Anhänger und deshalb von Kuno von Präneste und Friedrich von Köln in den Bann gethan, erscheint, seit Lothar seinen Räubereien in Thüringen gewehrt, nicht mehr als Feind der sächsischen Verbündeten und bald sogar als Kampfgenosse Lothar's am Rhein. Zwei andere dem Kaiser ergebene Männer, der gebannte Burchard von Münster und der Bischof von Verden, waren mit jenem nach Italien gezogen. Wollten die norddeutschen Fürsten, die Teilnehmer des kreuzburger Bündnisses, ihren Grundsatz: „Freiheit der Kirchen- und Fürstenrechte“, zur Basis der Reichsverfassung ausdehnen, sollte der Kaiser, wenn er aus Italien zurückkehrte, keine Willkür mehr üben dürfen, so mußten die Hohenstaufischen Brüder, die in einem ganz anderen Geiste unbedingte Unterwerfung unter den Willen des Reichsoberhauptes und zunächst unter den ihrigen, als Vertreter jenes, foderten, mit Nachdruck zurückgewiesen und entweder bekämpft, oder auf dem Wege friedlicher Unterhandlung zu anderer Ansicht gebracht werden. Eine Reichsversammlung, welche die Fürsten in ihrem, nicht in des Kaisers Namen beriefen, konnte die von den Sachsen gefoderte Reichsconstitution am leichtesten bewerkstellen. Auf jener bestanden wol schon vor dem Zusammentreffen beider Parteien am Rhein die norddeutschen Verbündeten; dem widersetzten sich aber Friedrich von Schwaben und Alle, die mit ihm hielten, und verlangten, daß des Kaisers, auch des abwesenden, Ansehen in alter Weise geehrt und seine Entscheidung allein in Reichssachen anerkannt werde 1).

 

1) So viel geht auch aus den dürftigen Nachrichten hervor, die Ann. Saxo ad 1116 über die Unterhandlungen beider Parteien angibt. Als man zu Worms eine friedliche Ausgleichung versucht (Cum mutuae partis principes ea, quae pacis sunt, tractaturi convenissent), weigern sich Friedrich und die kaiserlich gesinnten Fürsten auf die Vorschläge der sächsischen Verbündeten einzugehen, nach dem verunglückten Ausfall der Wormser müssen sie sich dazu bequemen (Postera die amici Imperatoris tristiores effecti pacem, quae pridie eis offerebatur renuentibus, ultro expetunt). Was die Sachsen zur ersten Bedingung eines Friedensvertrages gemacht, erfahren wir später (Colloquium in Franconevord unanimiter in festo S. Michaelis collaudant). Es war Das, worauf die Sachsen ohne Zweifel Tags zuvor bestanden und was die Kaiserlichen verweigert hatten. Es mußte aber zugleich auch eine alte Foderung sein, mit der sie sich begnügten. Denn was vor Worms ihrer überlegenen Macht die kleinmüthig gewordenen (tristiores effecti) Kaiserlichen zugestanden, konnte nichts Anderes oder minder Wünschenswerthes sein, als was sie längst begehrt hatten. Schon Heinrich's angesagte Versammlung zu Mainz war auf dringende Vorstellungen, Bitten und Klagen im ganzen Reiche erfolgt, nachdem er lange sich gesträubt (Chron. Ursp. ad 1115: Totius regni compulsus quaerimoniis generalem curiam Moguntiae fieri instituit). Letzteres thaten am ersten Tage der Unterredung auch Heinrich's Anhänger. Und warum dies? Waren doch Reichstage nach dem Willen der Kaiser ganz gewöhnlich. Der von den Fürsten gefoderte mußte wol außergewöhnlich sein und nicht dem Willen des Kaisers entsprechen. Was die sächsischen Fürsten mit ihrer Reichs- oder vielmehr Fürstenversammlung bezweckten, enthüllen am deutlichsten die Gegenbemühungen Friedrich's von Schwaben, um den zugestandenen Tag zu Frankfurt zu hintertreiben: ne aliquid Imperatori contrarium in hoc colloquio statueretur. Unfehlbar kannte er die Absicht, die längst von den Sachsen ausgesprochene Absicht, die keine andere war als die im Text angegebene. Die würzburger Versammlung 1121, obschon durch das Gegengewicht des Kaisers beschränkt, läßt noch deutlich erkennen, was im ganzen Umfange die Foderung der sächsischen Verbündeten gewesen war, nämlich: den weltlichen und geistlichen Fürsten eine den Kaiser beschränkende Gewalt zu gewähren.

 

 

____

210 Fünfter Abschnitt.

 

Um ihren Grundsätzen eine zwingende Gültigkeit zu geben, zogen die sächsischen Fürsten um die Mitte des Jahres 1116 ihren Widersachern entgegen, doch waren sie gleich bereit zu friedlichem Verständniß wie zu Kampf und Schlacht. Ende Juni erschienen sie in den Ebenen vor Worms, während Friedrich, gleichfalls umgeben von den Anhängern der kaiserlichen Sache, in der Stadt lag. Wohl wußten beide Theile, wie viel auf dem Spiele stand, wenn sie dem Schwerte die Entscheidung des politischen Kampfes anvertrauten. Besonnen versuchten sie noch einmal den Weg der Unterhandlung und traten, die angesehensten Fürsten beider Heere, außerhalb der Stadt zu gemeinschaftlicher Berathung zusammen. Noch unterredete man, noch bestand jeder hartnäckig auf seiner Ansicht von des Reiches Wohlfahrt, und fast unwillig wiesen die kaiserlich Gesinnten die Vorstellungen der Widersacher zurück, als plötzlich die Bürger von Worms in lichten Kriegsmassen aus ihren Mauern hervorbrachen und nicht wie Frieden Berathende, sondern wie Feinde die Sachsen zu überfallen gedachten. Diese waren zwar friedfertig aber nicht unbedacht zu Werke gegangen. Tapfer wurden von ihnen die Wormser empfangen und zurückgeschlagen, viele getödtet, verwundet, gefangen und nach so harter Züchtigung kaum der Rest in der Stadt sicher geborgen. Friedrich von Schwaben und die Fürsten, die mit ihm waren, thaten Tags darauf über den arglistigen, unbesonnenen Streich der Bürger

 

 

____

211 Unterhandlungen der Parteien.

 

verwundert und erzürnt, versicherten keinen Antheil an dem Ausfall genommen zu haben und zeigten sich den Ansichten der sächsischen Fürsten willfähriger als bei der Unterredung am Tage zuvor. Um das angefangene Friedenswerk, mit dem es den Sachsen ernstlicher war als den Schwaben und rheinischen Fürsten, nicht durch ein Mistrauen ihrerseits rückgängig zu machen, wurde von jenen das Wort dieser geglaubt 1), aber die alte Foderung gestellt, der die Freunde des Kaisers, geschwächt und kleinlauter gemacht durch die Niederlage der Wormser, sich jetzt fügen mußten. Es ward ein allgemeiner Fürstentag auf Michaelis zu Frankfurt bestimmt, zu dem auch die in Worms nicht gegenwärtigen Reichsstände eingeladen werden sollten. So schieden, wenn auch keineswegs ausgesöhnt und einverstanden, doch ohne ihre Streitkräfte noch anders als zur Abwehr und Hut gebrauchend, beide Theile voneinander. Nur über die Freilassung der Grafen Wiprecht, Ludwig und Burchard gegen Auslieferung Heinrich's mit dem Haupte scheint man zu Worms schon einverstanden gewesen, wozu der Wunsch des Kaisers, seinen tapferen Dienstmann zu befreien und der der Sachsen, ihre Landsleute, Verwandte und Kampfgenossen schmachvoller Haft zu entziehen, sowie den Söhnen der beiden ersten als Lohn ihrer Heldenthaten die Väter wiederzugeben, auf beiden Seiten mitwirkte. Am 29. Sept., dem Tage der festgesetzten Fürstenversammlung, ward Ludwig aus seinem Gefängnisse, in dem er zwei Jahre und neun Monate gesessen, entlassen 2), wahrscheinlich um dieselbe Zeit auch seine beiden Leidensgefährten,

 

1) Sehr unparteiisch ist der Bericht Ann. Saxo's: Urbani inconsultis Ducibus temere erumpunt. Denn es ist doch zu verwundern, daß die Fürsten, die in Worms mit ansehnlichem Gefolge standen, (In urbe vero Fridericus Dux Suevorum consobrinus Imperatoris Godefridus Comes Palatinus, pluresque ex amicis Imperatoris proceres cum turba non parva consistunt nichts von dem Vorhaben der Bürger wissen sollten, und wußten sie darum, so ist ihre Arglist um nichts geringer als die Erzbischof Adalbert's gegen Friedrich, die doch Otto von Freisingen so grell darstellt, während er weislich von den Vorfällen bei Worms schweigt. Es darf durchaus nicht übersehen werden, daß jederzeit die norddeutschen Fürsten zur Beilegung des verderblichen Streites sich bereitwillig zeigen, ohne daß sie etwa den Kampf zu scheuen brauchten.

2) Chron. Samp. ad 1116: Ludewigus Comes III. Kal. Octobris absolutus est a vinculis Regis, quibus jam duos annos et novem menses innexus erat. Auch Ann. Saxo hat: Wigbertus et Ludovicus Comites dimissi sunt. Burchard's erwähnen Vita Vip. und der Pegauer Mönch, ohne Auskunft über seine Schuld. Ihn gegen Heinrich mit dem Haupte einzulösen, war natürlich, da dieser an jenes Stelle Comes de Misna geworden, außerdem aber gewiß noch bedeutendere Würden besaß und darum gegen drei Fürsten ausgewechselt wurde.

14*

 

 

____

212 Fünfter Abschnitt.

 

von denen Wiprecht noch länger als jener gefangen gewesen; von Burchard ist die Veranlassung wie die Dauer seiner Verhaftung unbekannt.

 

Außer der Loslassung Ludwig's von Thüringen hielten die Fürsten von kaiserlicher Seite in Nichts den wormser Vertrag 1). Während die sächsischen Fürsten und viele Geistliche sich zur festgesetzten Zeit in Frankfurt einfanden, wenn auch aus gegründeter Vorsicht, wie sie zu Worms belehrt worden, mit zahlreicher Heeresmacht, blieben alle Süddeutschen aus. Jetzt zeigte sich, daß nur die Verlegenheit, in welche der unbedachte Ausfall der Wormser den Herzog Friedrich gebracht, ihm eine Zusage abgenöthigt hatte, die seiner Denkungsweise ganz entgegen war. Man darf daher nicht annehmen, daß die Sachsen oder Adalbert von Mainz, der natürlich in Frankfurt nicht fehlte, ihre frühere Anfoderung gesteigert und dadurch den Freunden des Kaisers eine gegründete Ursache zum Ausbleiben gegeben haben. Für die Mäßigung jener spricht ihr ferneres Verfahren. Obgleich die angesehensten Fürsten von Norddeutschland, von Geistlichen die Erzbischöfe von Mainz, Köln, Magdeburg, die Bischöfe von Utrecht, Halberstadt, Paderborn, der Abt von Korvey, von Weltlichen Herzog Lothar, Pfalzgraf Friedrich von Sommerschenburg, Markgraf Rudolf, Graf Hermann von Winzenburg 2) beisammen waren, wurde dennoch zu Frankfurt weder ein eigenmächtiger Beschluß gefaßt, noch ein gemeinschaftlicher Heereszug gegen des Kaisers Anhänger unternommen. Nachdem man dieser Ankunft noch einige Tage entgegengesehen, zogen die meisten Anwesenden wieder heim 3). Nur der unversöhnliche Feind Heinrich's, Adalbert, wollte in Kirchensachen nicht länger die Verordnungen der

 

1) Da der Tag von Ludwig's Befreiung mit dem des frankfurter Fürstentages zusammenfällt, möchte man vermuthen, Herzog Friedrich habe Ludwig nach Frankfurt gesendet, sei es, um doch nicht eine ganz feindliche Gesinnung zu zeigen, oder weil daselbst die Auswechselung gegen Heinrich mit dem Haupte erfolgen sollte.

2) Der Comes Hermannus bei Ann. Saxo ist doch wol kein anderer als Hermann von Winzenburg, der auch zum Jahre 1115, wo von seinen Räubereien, von Falkenstein und Walhausen aus, die Rede ist, ebenso nur bezeichnet wird.

3) Ann. Saxo a. a. O.: Cum praedicti Principes ibi aliquot dies manendo consumpsissent, Adelgotus Magedaburgensis Archiepiscopus, Palatinus Comes Fridericus, Marchio Rodolfus revertuntur, Mogontinus vero et Coloniensis, Trajectensis, Halberstadensis et Paderbrunensis Episcopi, Abbas Corbejensis, Dux Luiderus Comes, Herimannus Rhenum transeunt.

 

 

____

213 Synode zu Mainz.

 

Vienner und der Lateran-Synoden unausgeführt lassen und das Investiturrecht des Kaisers anerkennen. Nach Mainz berief er deshalb eine Synode, zu welcher Erzbischof Friedrich von Köln, die Bischöfe von Utrecht, Halberstadt und Paderborn, und der Abt von Korvey sich sogleich von Frankfurt hinbegaben, und wo man durch Ordination eines neuen Bischofs von Verden, während der früher erwählte beim Kaiser in Italien war 1), einen Akt ausübte, der dem bisherigen Verfahren im Reiche ganz zuwiderlief und deshalb des Kaisers höchsten Unwillen erregte. Ueber die nähere Veranlassung sind wir zu wenig unterrichtet, um das Verfahren der in Mainz versammelten Geistlichen ganz verdammen oder rechtfertigen zu können. Sehr schlau scheint Adalbert bei dieser Gelegenheit den Erzbischof Friedrich, der als Metropolitan die Weihung vollzog, in seinen Plan verflochten zu haben, der Kaiser verkannte aber den wahren Urheber nicht und legte das Vergehen dem Erzbischofe von Mainz zur Last 2). Das kaum beschworene Kriegsgewitter zog wieder drohender als vorher am politischen Horizonte Deutschlands herauf, und das Reichsschisma schien nun vollends Nord und Süd trennen zu wollen. Baiern hatte bis dahin keinen lebhaften Antheil an dem Kampfe genommen und erfreute sich unter der Regierung Welf's eines glücklicheren Zustandes als die Gegenden am Rhein, Sachsen, Thüringen und Franken. An Parteiungen für oder gegen den Kaiser fehlte es freilich auch hier nicht, weder unter den weltlichen und geistlichen Fürsten noch in den Städten. Allein der Landesherzog suchte Ordnung und Friede zu erhalten, wußte die Großen nach seinem Beispiele in ihren Handlungen, sei es nach Außen oder im Innern zu bestimmen, und benahm so der Parteiwuth den freien Spielraum 3).

 

1) Desselben erwähnt die Urkunde bei Hontheim, Gest, Trevir. dipl. I, p. 501.

2) Das Vorgefallene erfahren wir nur aus der unzureichenden Nachricht Ann. Saxo's ad 1116: Ordinatur Mogontiae in Monasterio S. Albani Consilio Episcoporum, qui aderant, ab Archiepiscopo Coloniensi Friderico Thietmarus Verdensis Episcopus, quo facto Episcopus Paderbrunensis remeat (der dazu, wie es scheint, nur nach Mainz mit gezogen war). Des Kaisers Tadel über dieses Verfahren in Guden, Cod. diplom. p. 47: Invasorem Virdunensis Ecclesiae contra jus et fas consecrari fecit.

3) Hist. de Guelfis Leibn. I, p. 785: Vir moderatissmus, qui magis liberalitate et facilitate quam crudelitate omnia sibi resistentia subjecit. Domum suam ordinatissime disposuit. Unde et nobilissimi quique et utriusque provinciae filios suos ejus magisterio educandos certatim commendaverunt. Bei den Vorfällen in Rom 1111 zwischen Kaiser und Papst mediatorem se ad compositionem faciendam interposuit. Vergl. Arenpekhii Chron. Boj. apud Petz Tom. III, pars III, p. 193.

 

 

____

214 Fünfter Abschnitt.

 

Welf selbst hatte zwar, wie wir gesehen, des Kaisers in bedrängter Lage sich angenommen, allein was er für ihn gethan, beschränkte sich auf Friedensvermittelung und Versöhnung mit der Kirche wie mit den Reichsgliedern. Thätiger und entschiedener für den Kaiser scheint sich Welf's Bruder, Heinrich, bewiesen zu haben und war damals mit Jenem nach Italien gezogen 1). Ihn fesselte schon ein Familienband an die Hohenstaufischen Brüder, von denen der ältere Heinrich's Schwiegersohn war. Da aber Welf während seines Bruders Entfernung auch dessen Herzogthum Kärnthen neben dem eigenen verwaltete oder doch eine Art Vormundschaft über Heinrich's gleichnamigen Sohn übte, so hätte sein Beitritt zu der einen oder der andern der nach des Kaisers Abzug eigener Willkür sich überlassenden Parteien einen bedeutenden Ausschlag gegeben. Allein darum eben entschied er sich energisch für keine und hielt vom Kampfe sich und seine Baiern ganz entfernt. Denn dem Kaiser und den seine eigene Macht bedrohenden Hohenstaufen ein völliges Uebergewicht zu geben, war seinem Interesse nachtheilig, und gegen Heinrich und dessen Freunde auftreten, hieß Krieg und Fehde, die er sorgsam vermieden und unterdrückt, in seine Landen, von denen namentlich die Stammbesitzungen in Schwaben gefährdet worden wären, rufen. Die beste Politik für ihn war also in der Mitte beider Parteien so zu stehen, daß jede Scheu vor ihm zu tragen und doch kein feindliches Entgegentreten zu fürchten hatte. Als nun aber zu Frankfurt die Fürsten des Reiches sich constituiren und, was Letzteren heilsam wäre, ohne den Kaiser berathen wollten, mußte dies Welf in große Verlegenheit bringen. Entschied er sich für die Ansichten der kaiserlichen Partei, so übernahm er auch die Verpflichtung, sie wider die norddeutschen Fürsten, falls diese ihre Grundsätze nicht aufgaben, mit dem Schwerte zu verfechten, und mit Männern wie Lothar und Adalbert einen heftigen Kampf, einen Kampf um die politischen und kirchlichen Interessen des Reiches, zu bestehen. Trat er den Neuerungen bei, die letztere beiden Männer auszuführen gedachten, so konnten die Verfechter des Kaisers, die bei Worms sichtbar aus Schwäche nachgegeben hatten, kaum die Sache Dessen, den sie vertreten

 

1) Scheid, Orig. Guelf, Tom. II, p. 474, beweist aus einer Urkunde vom 11. März 1116, daß Herzog Heinrich beim Kaiser in Italien war.

 

 

____

215 Herzog Welf von Baiern.

 

sollten, aufrecht erhalten; dann stand zu erwarten, daß der Kaiser aus Italien schnell zurückkehre und seinen Zorn gegen Den auslasse, der den Ausschlag in der Streitfrage der Fürsten gegeben. Zugleich brachte er entweder sich zu seinem eigenen Bruder und dereinstigen Erben aller Welfischen Lehen und Allodien, oder diesen zu dem Kaiserhause und zu dem Schwiegersohne, Friedrich von Schwaben, in eine feindliche Stellung. Als Vermittler hätte er zwar noch zwischen die beiden Parteien treten können und beider Ansichten auszugleichen versuchen; allein was ihm mislungen, als der Kaiser noch in Deutschland war, als es sich nur um Verzeihung auf der einen, um Aufgeben des Trotzes auf der andern Seite handelte, durfte er nicht hoffen bei der jetzt viel schrofferen Scheidung politischer und kirchlicher Grundsatze auszuführen. Seinen stolzen Charakter mußte das einmalige Misglücken seiner Vermittelung für immer von ähnlichen Versuchen zurückhalten. Was war nun in so kritischer Lage zu thun? Herzog Friedrich zeigte ihm einen Ausweg, der beiden unter den damaligen Umständen willkommen sein mußte. Er rieth Welf und allen bairischen Fürsten und Prälaten der Ladung zum frankfurter Fürstentage keine Folge zu leisten, um nicht der Ehre und dem Ansehen des abwesenden Reichsoberhauptes zu nahe zu treten 1).

 

Der Nichtbeitritt Baierns mußte allerdings die norddeutschen Fürsten bedenklich machen, weil dadurch, auch wenn die Welfen den Hohenstaufischen Brüdern keinen Beistand im Kampfe leisteten, diese ein moralisches Uebergewicht in ganz Süddeutschland erhielten und bis zur Rückkehr des Kaisers und ohne diesen jeder Veränderung in der Reichsverfassung ein Riegel vorgeschoben war. So mußte denn das Schwert ihren politischen Grundsätzen Bahn brechen und durch Schritte, welche den Kircheneiferern gestattet wurden, von dieser Seite her dem Kaiser ein Zwang auferlegt werden, der seiner Macht Eintrag that und ihn nöthigte, den weltlichen Fürsten insgesammt für ihren Beistand gegen die Willkür der hohen Geistlichkeit Rechte einzuräumen. Wie die kaiserliche Partei aus dem Verfahren der Baiern

 

1) Ohne dem Berichte Ann. Saxo's eine fremdartige Erklärung unterzuschieben, möchte die im Texte gegebene Darstellung den innern Verhältnissen, die ich dabei vornehmlich berücksichtigt habe, entsprechen. Man wird mir also nicht vorwerfen dürfen, aus einer kurzen Angabe ein selbstgeschaffenes, haltloses Resultat gezogen zu haben. Daß mit diesem jene nicht in Widerspruch stehe, mögen die Worte selbst zeigen: Praedicti quidem Principes (die antikaiserlichen) ad colloquium condictum vadunt, principes vero Bavariae machinatione Friderici Ducis Sueviae detenti non veniunt, quia, ne aliquid Imperatori contrarium in hoc colloquio statueretur, omnimodo satagebant.

 

 

____

216 Fünfter Abschnitt.

 

Vortheile zog, mußte die sächsische, die keineswegs das gleiche Ziel wie die deutschen Erzbischöfe im Auge hatte, letztere soweit in ihren hierarchischen Bestrebungen fortschreiten lassen, als es jener Absichten zur Erreichung größerer Fürstenrechte förderlich sein konnte. In dieser Rücksicht möchte die Theilnahme an der Weihe des Bischofs Dietmar von Verden sich als eine Maßregel der Politik von Seiten der sächsischen Verbündeten erklären lassen, die einen Vortheil in dem Verfahren Adalbert's von Mainz und Friedrich's von Köln suchten, den diese keineswegs bezweckt hatten, und der den Nachtheil aufwiegen sollte, welcher durch die bairischen Fürsten der antikaiserlichen Sache erwachsen war. Auf den Anschluß der meisten deutschen Geistlichen konnte man dabei rechnen, weil hier nur der Ausspruch des Papstes und der Concilien, die seit Gregor VII. gehalten waren, befolgt schien. Gewährte eine weltliche Macht, wie die der sächsischen Fürsten, ihre Zustimmung und kräftige Unterstützung, so mußte der Gegendruck wider Die, welche die Rechte des Kaisers vertheidigten oder doch nicht zu sehr geschmälert wissen wollten, an Kraft gewinnen. Hierauf kam es zunächst Lothar und seinen weltlichen Verbündeten an. Wenn Erzbischof Adalbert sich in seinem ehrgeizigen Streben gefördert glaubte, daß er dem Kaiser die Investitur vorenthielt, so hing es bei der endlichen Ausgleichung des Streites noch immer von der Entscheidung der weltlichen Fürsten ab, ob sie Das zur allgemeinen Norm erheben wollten, was einstweilen ihre Absicht förderte. Nur ihnen blieb auch ferner eine vortheilhafte Ausgleichung mit dem Kaiser, wie mit dessen Anhängern gestattet, während das Verfahren der beiden Erzbischöfe ohne Vermittelung der Fürsten eine Versöhnung jener mit Heinrich unmöglich machte. Wie irren also diejenigen neuern Geschichtschreiber, welche Lothar zu einem blinden Werkzeuge Adalbert's machen, da die beiderseitigen Verhältnisse gerade das Umgekehrte herausstellen, und die endliche Entscheidung des Parteikampfes nicht Adalbert's Streben, sondern dem Lothar's viel mehr entsprach! Damals zogen Letzterer und Graf Hermann von Winzenburg mit den obengenannten Bischöfen nach dem Rhein, nahmen entweder in Person an der Mainzer Synode Theil oder schützten sie mindestens vor gewaltsamer Hintertreibung von Seiten der kaiserlichen Anhänger. Dafür unterstützte Adalbert und wahrscheinlich die Theilnehmer der Synode insgesammt den Sachsenherzog in dem Waffenkampfe, von dem dieser auch durch die vorgerückte Jahreszeit sich nicht abhalten ließ 1).

 

1) Ann. Saxo ad 1116 sagt zwar nur von den Bischöfen, Herzog Lothar und Graf Hermann: Rhenum transeunt und berichtet dann die Erhebung Dietmar's von Verden in Consilio Episcoporum, qui aderant. Aus Otto Fris., De gest. Friderici I. lib. I, cap. 14: Dum praedictus Albertus episcopus cum Lothario Saxonum Duce aliisque principibus — castrum Limpurg — obsidione clausisset, geht der gemeinschaftliche Zug gegen Friedrich von Schwaben hervor. So wird denn wol das im Texte Gesagte kaum zu bezweifeln sein. Zog Lothar mit Adalbert und den Bischöfen nach dem Rhein und dann Adalbert mit Lothar und andern Fürsten gegen Limburg, so wird der dazwischenliegenden Begebenheit, der Synode von Mainz, der Herzog nicht fremd geblieben sein. Unter die alii principes auch die geistlichen Fürsten zu rechnen, welche zu Mainz versammelt waren, liegt gleichfalls sehr nahe. Unserer Behauptung genügt, den Herzog und den Erzbischof Adalbert als gemeinschaftlich Handelnde nachzuweisen. Die Zeit läßt sich nur nach dem angesetzten Hoftage in Frankfurt bestimmen. Vor Mitte October kann der Zug gegen Limburg nicht gesetzt werden.

 

 

____

217 Lothar und Adalbert wider die Reichsstädte.

 

Wie Friedrich von Schwaben erkannte auch Lothar die Hauptstärke der kaiserlichen Macht in Städten und Burgen am Oberrhein. Dem Verfahren Jenes mußte durch ein gleiches begegnet werden. Die Sachsen wußten aus den Tagen Heinrich's IV., daß die gefährlichen, so oft wiederholten Einfälle in ihr Land diesem nur möglich gewesen waren, weil die unermüdliche Hülfeleistung und uneigennützige Hingebung der rheinischen Städte nach jeder Niederlage ihn immer wieder in den Stand setzte, ein neues Heer aufzubringen; und auch Heinrich V. hatte in den frühern Jahren seiner Uebermacht ungehindert bis tief in Sachsen und Thüringen vordringen können. Dem auf immer vorzubeugen, mußte dort die Kraft des Thrones gelähmt werden. Wenn auch die dem Kaiser noch immer ganz ergebenen Städte Worms und Speier nicht gewonnen oder mit Gewalt gezwungen werden konnten, so wollten Lothar und Adalbert durch Eroberung und Besetzung einiger jenen nahe gelegenen Vesten wenigstens verhüten, daß die Reichsstädter nicht mit großer Mannschaft wider Mainz oder nach Sachsen den Fürsten der kaiserlichen Partei Heeresfolge leisteten, und sich stets bewacht und bedroht wissen sollten. Das sächsisch-mainzische Heer nahm einige jener Vesten mit leichter Mühe weg 1) und drang am linken Rheinufer bis in die

 

1) Latomi Catal. Archiep. Mogunt., Menck. III, p. 494 führt nach Aufhebung der Belagerung von Mainz an, was wol besser in das Ende des Jahres 1116 zu setzen ist: Obsidione soluta Adelbertus conjunctus Lothario Saxoniae Duci, a quo Henricus Ducatum auferre et Comiti Mansfeldensi tradere voluit (man sieht, wie die Zeiten verwechselt sind), aliquot arces Imperatoris oppugnat, et quantum occasio permittit, talionem rependit. Otto Fris. läßt beide magna et valida manu vor Lindburg ziehen, während Ann. Saxo von parva manus spricht. Gewiß war das vereinte mainzisch-sächs. Heer bedeutend, aber nicht die Gesammtmacht lag vor Lindburg, sondern Abtheilungen lagen in und vor andern Burgen, und concentrirten sich erst, als Friedrich cum immensa manu heranzog.

 

 

____

218 Fünfter Abschnitt.

 

Nähe von Speier vor, da hemmte das starkbefestigte und tapfer vertheidigte Limburg oder Lindburg in der Grafschaft Leiningen seinen Siegeslauf. Dort nämlich befand sich eine Abtei, die von Kaiser Konrad II., wenn auch nicht gegründet, doch zu dem Ansehen, das sie seitdem genoß, durch reiche Schenkungen erhoben war; auch die späteren fränkischen Herrscher ehrten den Ort 1). Ihn gegen den herannahenden Feind zu vertheidigen, hatte Friedrich eine starke Besatzung hineingelegt, und um selbst eine Annäherung oder doch eine längere Belagerung, zumal in jetziger Jahreszeit, zu verhüten, ringsherum die Gegend verheeren und alle Vorräthe wegbringen lassen 2). Diese gewaltsame Maßregel wurde dadurch gerechtfertigt, daß erstens die Mönche des Klosters gleich andern Geistlichen sich abgeneigt gegen ihn gezeigt und nicht ohne Grund sein Mistrauen erregt hatten, daß ferner die Veste Limburg den Eingang in den Elsaß verwahrte, wodurch sie für des Herzogs eigene Lande eine Wichtigkeit erhielt, und daß endlich Friedrich hier seine Gegner, wenn sie durch Sturmlaufen gegen die Mauern, durch Mangel an Lebensmitteln geschwächt wären, zu vernichten hoffte. Kannte Lothar die Gefahren nicht, oder überwog die Wichtigkeit des Ortes oder die Auffoderung der Mönche jede Bedenklichkeit; genug er wagte die Belagerung, schloß sie enge ein, versorgte sein Heer durch Herbeischaffung der Lebensmittel aus einiger Ferne oder durch mitgebrachte Vorräthe, und hoffte, ehe er durch Sturm seine Macht schwächte, die Einnahme durch

 

1) S. Schaten, Annal. Paderborn. I, p. 498, wo das auf Lindburg Bezügliche gesammelt.

2) Otto Fris. a. a. O.: Fertur praetaxatos oppidanos, dum fame laborarent, quid facto opus esset, consilium iniisse. Dumque alii et alii sic et sic consulerent, Ulricum quendam de Horningen, natione Allemanum, vi mentis corporisque proceritate insignem, dixisse: melius fore, ut pingues monachi ederentur, quam castrum propter ciborum inopiam hostibus traderetur. (Letzteres mußte also wol von Einigen gerathen oder von den Belagerern gefodert worden sein. Es heißt vorher schon: castrum pene ad deditionem coegisset). Quo dicto cognito monachi perculsi cibaria, quae reposita habebant, publicaverunt, cunctosque ibidem manentes milites usque ad liberationen castri in his, quibus poterant, alimentis paverunt. Der Haß der Mönche gegen die Kaiserlichen, und die Furcht vor ihnen wie vor dem Zorne des Herzogs Friedrich, dessen Rüstungen im Elsaß gewiß auch nach Lindburg berichtet wurden, sind nicht zu verkennen, ein Einverständniß der Geistlichkeit in der Veste mit Adalbert und Lothar fast zu vermuthen.

 

 

____

219 Lothar und Adalbert wider die Reichsstädte.

 

Aushungern zu bewirken. Wirklich stieg die Noth der Besatzung von Tag zu Tage, von Woche zu Woche immer höher. Die Mönche drinnen, die Belagerer draußen mahnten zur Uebergabe, vergebens, die treuen Schwaben wußten, welchen Dienst sie ihrem Herrn leisteten. Schon war in der dritten Woche Hungertod oder Uebergabe ihre einzige Wahl, schon riethen einige Ritter zu letzterer, als einer, unter ihnen, Ulrich von Hornungen durch List und Muth die Genossen rettete. Er mochte ausspionirt haben, daß die Noth der Mönche der ihrigen nicht gleiche, daß ihre Klagen und Bitten um Uebergabe eine Verrätherei verbargen. Ulrich drohte die fetten Mönche zu schlachten, wenn sie nicht ihre Kammern, Scheuern und Keller öffneten. Dieses Wort wirkte. Die erschreckten Geistlichen gaben die verborgenen Vorräthe heraus, und nun konnte die Besatzung sich halten, bis der Herzog Friedrich heranrückte. In der vierten Woche der Belagerung erschien dieser mit einem sehr großen Heere, das ein Aufgebot durch den ganzen Elsaß so zahlreich und schnell zusammengebracht hatte 1). Seine Absicht jedoch, die Häupter der Gegenpartei zu vernichten und dadurch der Sache des Kaisers einen völlig entscheidenden Sieg zu verschaffen, gelang ihm keineswegs. Zwar gaben die an Zahl schwächeren 2) Verbündeten die Belagerung auf 3), zogen sich aber in bester Ordnung zurück, stets dem Feinde das Schwert zur Vertheidigung zeigend, doch nicht sich vorwärts wendend, wenn jener scheinbar sich zurückzog, oder die festgeschlossenen Reihen verlassend, wenn er wiederum nahe kam und Unterhandlungen anknüpfen wollte 4); so erreichten sie ohne einigen Verlust Mainz, und die festen

 

1) Otto Fris. gibt nur die Eile an: Militem colligens supervenit. Ausführlicher Ann. Saxo ad 1116: Contra quos Fridericus Dux Sueviae, omnibus Alsatiae populis excitis, immensa manu pugnaturus vadit, cumque hostes plures adfore cernerent, hi, qui Lintburg per tres jam hebdomadas vallabant etc.

2) Der Widerspruch, welchen Stenzel I, S. 683 dem Ann. Saxo vorwirft, schwindet, sobald man nur (s. die vorhergehende Note) hostes numero plures für den Accusativ nimmt.

3) Mehr weiß auch Otto v. Freisingen nicht zum Ruhme seines Helden zu sagen: Praedictos principes obsidionem solvere fecit. Freilich verschweigt er die Uebermacht des elsaßischen Heeres und nennt das feindliche magna et valida manus. Ann. Saxo berichtet uns anders und hier gewiß zuverlässiger.

4) Ann. Saxo: Versis armis discedunt et Rhenum transeunt, quibus haec sola gloria fuit, quod nullo suorum laeso vel amisso revertuntur, maxime cum eis ita hostes imminerent nunc fugiendo nunc subsequendo, ut etam colloquerentur. Daß dies Alles nur um den Feind zu verlocken geschah, liegt am Tage. Bei Eröffnung von Unterhandlungen würden diesmal die Kaiserlichen ihre Ansichten geltend gemacht haben, wie zu Worms die Sachsen.

 

 

____

220 Fünfter Abschnitt.

 

Mauern dieser Stadt nöthigten Friedrich zum zweiten Male in diesem Jahre von Adalbert und dessen Verbündeten abzulassenden 1), den Kampf für dieses Jahr einzustellen und in die Heimat zurückzukehren, was auch die Sachsen thaten.

 

Friedrich hatte geleistet, was sich mit der ihm zu Gebote stehenden Macht, durch Muth, Tapferkeit, alle ritterlichen Tugenden — denen wir immerhin auch etwas Arglist, wie bei Worms, etwas Wortbrüchigkeit, wie bei Nichterscheinen zum Fürstentage in Frankfurt, nachsehen müssen — erringen ließ. In Bezug auf seine letzte Waffenthat wollen wir seinem Lobredner Otto von Freisingen beipflichten, daß sie das sinkende Ansehen des Reichsoberhauptes, so weit Friedrich dies vermochte, in etwas gehoben habe, daß die Herrschaft am Oberrhein dem Kaiser erhalten worden, und daß am Schlusse des Jahres 1116 der Kampf der Parteien noch keineswegs zum Nachtheil der Kaiserlichen ausgefallen sei. Heilsam für das Reich konnten aber diese Resultate nur werden, wenn ihnen der Friede, eine Verständigung der Reichsfürsten unter sich und mit dem Kaiser, eine Ausgleichung der geistlichen und weltlichen Rechte gefolgt wären 2).

 

1) Wie es unwahrscheinlich ist, daß damals die Mainzer ihren Erzbischof vertrieben haben, ohne sich mit Friedrich zu verbinden, sowenig begreift man, daß erst, als Adalbert bereits zurückgekehrt, vom Herzog 1117 die Stadt umlagert worden. Warum hätte auch Otto v. Freisingen, der ein trefflicher Darsteller ist, letztere Begebenheit, wenn sie wirklich die spätere gewesen, den Vorfällen bei Limburg vorausgeschickt? Ein Anderes ist es mit Ann. Saxo, der bald aus diesem, bald aus jenem Chronisten compilirt und oft seltsam Sachen und Sätze, die er bei zweien fand, miteinander verbindet. So hat er ad 1117 des Chron. Ursp. Nachricht von der Ermordung Emicho's, die hier offenbar nachträglich berichtet wird, mit einem Kampf der Mainzer und Herzogs Friedrich, den wir später berichten werden, verbunden. Aus seiner Angabe ad 1116 erhellt nicht im mindesten, daß der Aufstand der Mainzer der Belagerung von Limburg gefolgt, weil er diese früher, jene später berichtet; und die Angabe von Emicho's Tode ad 1117 gestattet nicht, gegen die Reihenfolge bei Otto v. Freisingen, die Belagerung von Mainz durch Herzog Friedrich in dieses Jahr (1117) zu setzen. Mir scheint, ich wiederhole es abermals, die Anordnung und Zeitfolge beider Vorfälle bei Luden der bei Stenzel vorzuziehen. Der von Letzterm citirte Brief des Kaisers paßt für einen spätern Zeitpunkt, wo ihn auch Stenzel, in sonderbarem Widerspruche mit sich selbst, zwar nicht citirt, aber dem Inhalte nach anführt.

2) Viel zu hoch schlägt Otto v. Freisingen das Resultat von Friedrich's Kriegsthaten an. De gest. Frid. I. lib. I, cap. 14: Praetaxatus Dux, ut breviter dicam, per omnia patrem induens tam fidus principi miles, tam utilis avunculo amicus exstitit, ut sua virtute honorem regni labefactatum, viriliter contra hostes, tam diu decertando sustentaret, donec membra a capite dissidentia ad gratiam Principis veniendo ad cor redirent. Anders lief die Entscheidung des Streites ab, und Anderes als Friedrich's Tapferkeit und Verdienste führte die Einigung von Haupt und Gliedern herbei.

 

 

____

221 Wechselwirkung der Ereignisse in Italien u. Deutschl.

 

In einem sonderbaren Widerspruche erscheinen zu Ende des Jahres 1116 die Verhältnisse in Italien und Deutschland. Während dort Heinrich V. mit seiner Politik den Sturm, der seit den Tagen Gregor's VII. von Rom aus sich erhoben hatte, zu beschwören sucht, weil er sich zu schwach fühlt, ihn zu bewältigen, unterhalten seine Stellvertreter in Deutschland einen Kampf, der seinem Vortheil keineswegs entspricht. Sobald die hier sich bekämpfenden Fürsten mit dem Kaiser vereint, und besser in Deutschland als in Italien gegen die Kirche ihre Waffen kehrten, mußte die Hierarchie ihre Anmaßung schwinden lassen, und nur eine weltliche Gewalt beherrschte das römisch-deutsche Kaiserreich, ja die Reiche in der ganzen Welt. So aber behalten die Kircheneiferer freies Spiel; sie lassen in Italien den Kaiser nicht zum Ziele gelangen und schüren das Feuer der Parteiwuth in Deutschland. Gleichwol gelangen auch sie nicht zum Ziele. Dort weigert sich ein schwankender unentschlossener Papst ihren letzten Anfoderungen zu entsprechen, hier verfolgen die norddeutschen Fürsten, ihre dermaligen Verbündeten, eine politische Idee, die ihrer Herrschsucht ebenso fremd bleibt als der Willkür des Kaisers. — Weder Schwäche noch Leidenschaft vermochten die seltsam verschlungenen Verhältnisse zu lösen, nur Festigkeit und Besonnenheit sie zu einem friedlichen und heilbringenden Ende zu führen. Von solchem war Deutschland wie Italien damals weit entfernt, und erst, nachdem die Leidenschaften ausgetobt und alle Theile ihre einseitige Foderung für unerreichbar erkannt, sollten auf deutschem Boden Besonnenheit und allseitiges Verlangen nach Frieden eine Ausgleichung der streitenden Interessen herbeiführen, die wenigstens den Zeitbedürfnissen entsprach. Die Wechselwirkung der Ereignisse in Italien auf die in Deutschland und des deutschen Kampfes der Fürsten auf das Schisma zwischen Kaiser und Papst, das jenseit der Alpen die Gemüther bewegte und Parteiungen hervorrief, konnte nicht ausbleiben. Nöthigte der Zwiespalt in Deutschland den Kaiser nicht blos gegen Rom äußerst gelinde aufzutreten, sondern auch den Fürsten und Städten

 

 

____

222 Fünfter Abschnitt.

 

seiner thuscischen Erbschaft mehr einzuräumen, als sein Wunsch, ja seine kaiserliche Ehre es verlangten, so erkannten wir schon vorhin in der Erhebung des Bischofs Dietmar von Verden, ohne Heinrichs Genehmigung, ohne kaiserliche Investitur, die Wirkung der Lateransynode, wo der Papst und alle Geistliche darin einverstanden waren, daß keine Belehnung mit Ring und Stab durch Laienhand geschehen dürfe. Verderblicher als jene abnorme Thatsache, welche die eine Partei unterstützte, die andere nicht wehren konnte, wurde der auf jener Lateransynode, wenn auch wider den Willen Paschalis', über den Kaiser ausgesprochene Bann. Das wirkte auf die öffentliche Stimmung wie auf die Meinungen Einzelner und brachte Zwiespalt in Provinzen, Städte, Familien. Selbst die Geistlichkeit billigte nicht durchweg das Verfahren der Kircheneiferer, wenngleich die ersten Prälaten des Reiches, Bruno von Trier ausgenommen, wider den Kaiser waren 1). In ganz Sachsen herrschte allein die strengere Kirchenpartei, da der einzige bedeutende Anhänger des Kaisers, Burchard von Münster, seiner Diöcese den Rücken gewandt hatte und bald in weiter Entfernung am Hofe zu Konstantinopel Heinrich's politische Zwecke ausführen sollte. Unter den niederen Geistlichen mochte es freilich manchen geben, der das Verfahren Adalbert's von Mainz, Friedrich's von Köln und ihrer Genossen misbilligte, nur laut durfte keiner ungestraft solches aussprechen 2). Schlimmer als in Sachsen war die Stellung der Geistlichen in den Provinzen kaiserlich gesinnter Landesfürsten. Wie dort weltliche Große wegen Abweichung ihrer politischen Ansichten, litten hier geistliche um abweichender kirchlicher Ueberzeugung mancherlei Verfolgung. Bürger und Klerus übten an vielen Orten, wie z. B. in Augsburg 3), Arglist und Gewalt

 

1) Auch Erzbischof Friedrich von Bremen scheint eben nicht thätig gegen den Kaiser, aber auch überhaupt ein beschränkter, wenig energischer Mann gewesen zu sein.

2) Der Abt Burchard von Erfurt hatte sich Adalbert's Zorn zugezogen, weil er einmal (im Jahr 1113) den Kaiser in seinem Kloster beherberget und bewirthet hatte. S. Falkenstein's Thüring. Chron. S. 1029, Chron. Sampetr. ad 1116: Burchardus Erphesfordensis Abbas privatus est abbatia ab Adelberto Episcopo Mogontino, cui Rupertus subrogatur. Wie Adalbert in Erfurt verfuhr, davon nur ein Beispiel des Erphurd. Variloquus ad 1112: Spoliavit monasterum S. Petri (in) Erfurt et omnibus temporibus privavit dicens: Inconveniens fore Abbatem superabundare Archiepiscopo.

3) Gassari Annal. Augstburg., Menck I, p. 1414: Augstburgi ob perfidia ea perjuria diu multumque cives inter et clerum non secus atque in omni ferme Germania, Alberto Mogontino Archiepiscopo et Lothario Duce Saxoniae Caesari nostro reconciliato Duce pontificas partes contra Imperatorem asserentibus tumultuatum est.

 

 

____

223 Wechselwirkung der Ereignisse in Italien u. Deutschl.

 

gegeneinander, und in den dem Kaiser ergebenen Reichsstädten mußte die Geistlichkeit oft Unbilden und Kränkungen ertragen, selbst wenn sie nichts Feindliches gegen den Kaiser unternahm. So klagte das Kapitel von Speier in einem Schreiben an den Kaiser, das in den Tagen der Kriegsscenen am Rhein an ihn gesendet zu sein scheint, bitter über erlittene Beleidigungen und Verfolgungen, und bat Heinrich, ihm dadurch einige Erleichterung zu verschaffen, daß er seinen Stellvertretern die Stadt und das Kapitel, die beide bisher seiner besondern Gnade sich erfreut hätten, anempfehlen möchte, wol ein leiser Vorwurf gegen Herzog Friedrich oder Pfalzgraf Gottfried, die wenig Schutz und Beistand ihm gewährten 1). Wenn es aber schon in Gegenden und Orten, die des Reiches Stärke ausmachten, um Ordnung im Innern und Kraft nach Außen schlecht bestellt war, so war Sicherheit des Eigenthums, Abwehr der Willkür in anderen durch die Reichsverweser noch weniger verbürgt, und doch war ohne diese Bürgschaft keine Einheit und Festigkeit für die Sache des Kaisers zu erwarten. Wie schnöde man oft mit den Gütern von Geistlichen umging, die auf des Kaisers Seite standen, beweist das Schicksal des Klosters Fulda. Weil sein Abt Erlolf sich nicht durch die Aufreizungen Adalbert's von Mainz abwendig machen ließ und dem Kaiser nach Italien folgte, ward von jenes Dienstmannen die reichste und berühmteste Abtei Deutschlands, die fast einem Bisthum an Macht und Rechten gleichstand, hart mitgenommen, und es half den Mönchen nicht einmal, daß sie selber wider Heinrich und ihren Abt waren 2). Aehnlich ging es der gleichfalls

 

1) Cod. Udalr. Nr. 234. Nachdem sie den Kaiser Glück gewünscht de rerum eventu prospero, de confirmanda seu jam confirmata regni et sacerdotii concordia, folgen die Klagen dieser Anderen: Diripiuntur res privatae, res communes distrahuntur. Omnibus praeda facti sumus etc. Ihr Propst ist gestorben, keine Hülfe haben sie zu hoffen, wenn der Kaiser nicht helfe. Zum Schlusse bitten sie: Praeterea Ducem Fridericum, cujus fidei nos commisistis, Palatinum caeterosque amicos vestros et ministros intime rogare dignemini, quotinus honorem cleri nostri defendant et muniant, res nostras sobis attinentes violenter et injuste nobis distractas, quoquomado possint, restituant, sicut eis confiditis, quoslibet nobis nocentes procul amoveant.

2) In der großen Sammlung Klosterchroniken, Dresdner Mscpt. J. Nr. 46. unter dem Titel: Diplomatische Klostergeschichten im Sachsenlande. Erlolf oder Arnulf ward 1114 von Heinrich gegen den Willen der Conventualen erhoben, die dies contra jura Monasterii ansahen. Das Schicksal Fulda's in Chron. Ursp. und Ann. Saxo ad 1116 zum Schlusse der Schilderung des allgemeinen Elendes besonders hervorgehoben: Locupletissimum illud et per totam Germaniam famosissimum ac principale coenobium Fuldense usque ad ultimam redactum est inopiam victus etiam necessarii.

 

 

____

224 Fünfter Abschnitt.

 

angesehenen Abtei Lorsch. Hier stand, was zu den seltensten Fällen in jener Zeit gehörte, der weltliche Schutzherr des Klosters, ein Graf Berthold, auf Seiten der Kirche, während der Abt Benno mit Eifer dem Kaiser zugethan war. Die Klosterdienstmannen scheinen getheilt in ihrem Interesse oder in ihren Glaubensansichten gewesen zu sein. Das Schwert mußte also entscheiden. Berthold behielt die Oberhand, zerstörte die dem Kloster angehörende Burg Weinheim und nöthigte den Abt, der standhaft in der Treue gegen Heinrich verharrte, bei diesem in Italien Schutz zu suchen 1). Aehnliche Schicksale wie Lorsch und Fulda trafen viele Klöster. Daß aber auch Konrad von Salzburg später vor den Baiern aus seinem Erzbisthum flüchtig wurde, beweist, wie sehr die Geistlichen aller Orten und jedes Ranges von den weltlichen Fürsten abhängig waren. Wenn dennoch jene, zumal ein Adalbert von Mainz, obschon auch er der Gewalt der Waffen mehrmals weichen mußte, als die Haupturheber und Leiter des großen Parteikampfes erscheinen, so muß das Unterordnen der physischen Gewalt unter die moralische Kraft auch in diesem Kampfe trotz aller rohen Auswüchse rühmlichst anerkannt und derselbe als ein von geistigen Prinzipien hervorgerufener und in seinem Fortgange getragener betrachtet werden. Die Leidenschaftlichkeit mußte aber erst der ruhigen Besonnenheit weichen; und diese erwachte bei den weltlichen Fürsten — zu ihrer Ehre muß es gesagt sein — früher als bei den Eiferern für hierarchische Grundsätze. Der Aberglaube, oder wol richtiger der gläubige Sinn jener Zeit, die in den sichtbaren Erscheinungen, in Naturereignissen unmittelbar

 

1) S. Chron. Laurisham. apud Freher, Germ. rer. script. Tom. 1, p. 88, wo es freilich von Benno heißt: Mediante simonia, ut fertur, imperiali favore eidem loco subintraductus. Doch ut fertur zeigt, daß Feinde dem Abt solches nachsagten. Benno wurde später restituirt vom Pfalzgrafen Gottfried, aber: praemissa eidem omnium beneficiorum, quae suis diebus ecclesiae vacarent, concessione. — Septem principalia beneficia morte septem nobilissimorum Ecclesiae fidelium in unam personam Godefridi in brevi devoluta sunt. Ein neuer Beweis, wie die Vertreter des Kaisers ihren Schutz und Beistand sich theuer abkaufen ließen, und nicht des Reiches sondern ihren Vortheil wahrnahmen. Ueber Gottfried's Verfahren hatte der Kaiser noch zu klagen, als er das Herannahen seines Todes fühlte. Die Hohenstaufischen Brüder wurden von eigenen Gewissensbissen zur Sinnesänderung bewogen.

 

 

____

225 Unglücksfalle in Deutschland und Italien.

 

den Willen des unsichtbar waltenden höchsten Wesens als ein Weltgericht, das lohne oder strafe, verbiete oder gebiete, zu erkennen meinte, hatte an der Umwandlung der Gesinnungen, die sich bei den Völkern wie bei den Fürsten kundgaben, keinen geringen Antheil. In den Ausgang des Jahres 1116 und Anfang von 1117 fallen, wie wir im vorigen Abschnitte erfahren, jene Unglücksfälle mannigfacher Art 1), Erdbeben, Überschwemmungen, verderbliche Gewitter und Orkane, begleitet von verheerenden Regengüssen und Wolkenbrüchen, die Italien und Deutschland, vornehmlich das nördliche, heimsuchten und auf die Gemüther nicht blos die Sorge der Gegenwart, sondern auch die Schrecken vor einer noch größeres Unheil bringenden Zukunft wälzten. Die Armen und minder Begüterten traf der Schaden, den jene Ereignisse verursachten, um so härter, als ihnen die Hoffnung, durch thätigen Anbau der verwüsteten Felder, durch gesegnete Ernten, durch Wiederherstellung der zerstörten Dörfer, Flecken und Städte das im Kriege Eingebüßte zu ersetzen, nun von einer Macht, der sich nicht gebieten, nicht Einhalt thun ließ, abermals vernichtet war. Diese Leiden konnten nur gemildert werden, wenn die Fürsten und Großen des Landes von ihren verderblichen

 

1) Von den vielen Berichten darüber hier nur den eines Zeitgenossen, der auch ganz im Geiste seiner Zeit sie auffaßt. Chron. Ursp. ad 1117: Inter ipsa Dominicae nativitatis festa tertia Non. Januarii hora vespertina super tantis divini judicii contemptibus commota est terra, ab ira nimirum furoris Domini, adeo ut nemo inventus sit super terram, qui tantum se unquam sensisse fateatur terrae motum. Nam multa inde subversa sunt aedificia, civitates etiam quasdam subrutas dicunt in Italia. Quin etiam tonitrua valde terribilia III, Kal. Februarii cum grandi turbine sunt audita, fulgura etiam eodem tempore crebra visa. Es folgt das Ereigniß in Lüttich: Subito serenissimus aer in turbinem versus tanta simul tonitrua terribiliter et fulgura cum sulphureis igneis excussit, ut jam extremam, jam ultimi judicii horam instare nemo, qui aderat, dubitaverit — XV. dehinc die ex vicino quodam ejusdem episcopii monte, quo nunquam aqua praeter pluvium visa est, fluvius ingens erupit, non modicam civitatis partem diluens, cum maximo Leodiensium damno, Trsajectensium se finibus infudit. XIV. Kal. Martis hora vespertina vidimus nubes vel sanguineas ab Aquilone surgere et per medium firmamentum sese extendendo ipsi mundo terrorem non modicum incutere. Im Geiste der Zeit und darum also auf historischer Basis läßt er Heinrich V., durch diese Ereignisse erschüttert, dem Papste neue Friedensanträge machen, die dieser, sich hinter kirchliche Skrupel und Klauseln flüchtend, nur halb annimmt. Der Kaiser, schlau jeden Umstand benutzend, hoffte, wenn er den Aberglauben ins Bereich der Unterhandlungen zöge, Papst und Nation zu täuschen. Jener aber oder vielmehr die römische Kurie ließ sich nicht wie diese täuschen.

I. 15

 

 

____

226 Fünfter Abschnitt.

 

Fehden abstanden und durch Fürsorge im Innern den gedrückten, hülfebedürfenden Unterthanen Erleichterung, Beistand und Vertrauen auf eine bessere Zukunft gewährten. Hatten doch auch sie durch den Krieg gelitten, ihre Reichthümer, Vorräthe und Hülfsquellen mehr oder weniger erschöpft und fühlten Alle, daß der Krieg Opfer gekostet, ohne Gewinn zu bringen. Die letzten Ereignisse des verflossenen Jahres hatten das Gleichgewicht beider Parteien, nachdem vorher die Schaalen geschwankt, wiederhergestellt und keine konnte voraus berechnen, welche Entscheidung ein Zusammentreffen der ganzen Streitmassen bringen würde. Letzteres zu vermeiden gebot die Vorsicht, innerhalb der eigenen Grenzen die Kräfte zu stärken die Klugheit, der Noth der Unterthanen abzuhelfen die Pflicht und endlich die Religion, dem Blutvergießen Einhalt zu thun und jene Grundsätze und Ideen, für die man Alles aufgeboten, nicht auf dem Wege roher Gewalt, sondern durch überzeugende Vorstellungen, durch gegenseitiges Nachgeben in manchen zu heftig behaupteten, zu leidenschaftlich gefoderten Punkten der Verwirklichung näher zu führen. Daß diese besonnenere Richtung von den Fürsten eingeschlagen worden, lehrt die Folgezeit; wie man aber dem Ziele sich genähert, davon schweigen die Chronikenschreiber.

 

Mit der Sinnesänderung der Fürsten kehrte indeß noch keineswegs zugleich Ordnung und Ruhe in Deutschland zurück. Ein Zeitgenosse schildert die Kriegsfurie, die in Deutschland fortwüthete, während ringsum die Völker der Erde die bluttriefenden Schwerter und Mordwerkzeuge bargen, in christlicher Eintracht die Schranken des Gesetzes herstellten, im ruhigen Besitze des eigenen Gutes fremdes Eigenthum unangetastet ließen. Ungebeugten Nackens, ohne Scheu vor Gott und Menschen, von Trug, Meineid, Mord und tausend Schrecknissen begleitet, schweifte jene im deutschen Vaterlande umher und ließ keine Gegend unberührt 1). Daß auch die Mächtigen des

 

1) Chron. Ursp., dem Ann. Saxo nachschreibt, ad 1117: Dum cuncta per circuitum regna nationum suis limitibus rebusque contenta, diu sanguine madentes gladios caeteraque vasa mortis jam in vagina concordiae reconderent, universalis etiam mater ecclesia post numerosa persecutionum haeresium ac scKismatum bella jam sub vera vite Jesu lassa oppido membra per multas gratiarum actiones mandatis divinis inservitura locaret (das dürfen wir dem guten Abt nicht nacherzählen und nur der christlichen Eintracht beilegen, was er hier Verdienst der Kirche nennt) heu Teutonicus furor cervicositatem suam deponere nescius et quam multa sit pax legem Dei diligentibus (das waren mit nichten die höheren Geistlichen) - - solus nostrae gentis populus, (dum prae omni terrarum orbe) in perversitatis inclitae pertinacia incorrigibiliter perstitit, indeque jam perjurium et mendacium caeteraque, quae vox lamentatur prophetica inundaverunt, et sanguis sanguinem tetigit, nec minus quam quondam Sodomorum et Gommoreorum clamor hujusmodi in aures Domini Sabaoth introit.

 

 

____

227 Fortdauernde Unruhen in Deutschland.

 

Reiches sie nicht zu bändigen vermochten, war die Folge von der Auflösung aller Banden im Staats- und bürgerlichen Leben, die kein Volk, kein Stand, kein Herrscher ungestraft geschehen lassen darf, der kein Machtgebot Einhalt zu thun vermag. Dieses wirkt nur auf die Guten mit seiner moralischen Kraft, um die Bösen zu unterwerfen, bedarf es der physischen Gewalt. Drum, wo ein Bürgerkrieg in sich auch beendet oder unterbrochen wird, hören noch seine Nachwehen nicht auf, weil die Klasse der bürgerlichen Gesellschaft, welche deren ewiger Feind ist, nicht durch Friede und Vertrag in die Schranken des Gesetzes gebannt wird. Nicht besser als mit den Worten des erwähnten Zeitgenossen können wir die Landplage, welche alle Gegenden Deutschlands traf, angeben. „Nachdem der Zwiespalt im Reiche die günstige Gelegenheit dargeboten, erstanden überall Räuberbanden, die ohne eine Rücksicht auf Personen und Zeitumstände zu kennen, ergreifen und verderben, was sie antreffen, anfallen und niederstoßen, wer ihnen begegnet, und ihre Begierde nicht eher gestillt wissen, bis sie das Letzte den Opfern ihrer Wuth entrissen haben 1).“ Dieses Gesindel, dessen Handwerk dadurch nicht geadelt wurde, daß Edle und Fürsten desselben sich nicht schämten, hauste im Jahre 1117 um so wilder, als es nicht mehr lange sein Gewerbe fortzusetzen sich Hoffnung machen durfte, und je furchtsamer und kleinmüthiger nach den letzten Erlebnissen, die den Weltuntergang vorauszuverkünden schienen, die Leute jedes neue Unglück erwarteten und widerstandslos ertrugen.

 

Nur ein Mächtiger des Reiches ließ auch in dieser von so viel Leiden heimgesuchten Zeit von seinen Rachegedanken gegen den Kaiser nicht ab und gebrauchte kirchliche und weltliche Waffen, um seinen unversöhnlichen Haß an den Tag zu legen. Adalbert von Mainz, der im vorigen Jahre seinem Ziele, die kirchliche Verwaltung dem Reichsoberhaupte zu entreißen, sich so nahe gesehen, empfand es mit bitterem Unmuth, daß Friedrich von Schwaben noch immer die Oberhand am Oberrhein behauptete, daß in ganz Süddeutschland die

 

1) Chron. Ursp. ad 1116, was natürlich auf die ganze Dauer des Bürger- krieges zu beziehen ist, vornehmlich aber den trotz der Waffenruhe unter den Fürsten unglücklichen Zustand im Jahre 1117 erklärt.

15*

 

 

____

228 Fünfter Abschnitt.

 

Fürsten und meist auch die Bischöfe 1) dem Kaiser gehorsam blieben und daß nun auch Sachsen im Felde unthätig gegen die Anhänger Heinrich's verharren wollte. Darum beschloß er aus eigenen Mitteln und mit Beistand seiner von ihm in Eifer erhaltenen geistlichen Genossen Alles in Italien gegen Heinrich, in Deutschland gegen dessen Vertreter aufzubieten. Es entging ihm nicht, daß des Kaisers Schreiben über die Verhältnisse, in denen derselbe zum Papst, zu den italienischen Geistlichen, Fürsten und Städten stand, oder zu stehen vorgab 2), einen tiefen Eindruck gemacht hatten; er fürchtete auch wol, daß Paschalis wirklich zu einer Ausgleichung mit dem Kaiser sich verstehen werde. Dies zu hintertreiben, war er bemüht, den Papst selbst und den von den Kircheneiferern auf den mailändischen Erzbischofsstuhl erhobenen Jordanus durch eigene Schreiben und Anderer Mahnungen gegen den Kaiser aufzureizen. In seinem und der deutschen Bischöfe Namen ließ er Bittschriften an Paschalis ergehen, daß die Entscheidung des Streites, der Reich und Kirche entzweit halte, einer allgemeinen Kirchenversammlung überwiesen werden solle. Den Erzbischof von Mailand aber trieb bald er, bald Friedrich von Köln an, den Bannstrahl in Italien zu verkünden — was bis dahin noch nicht geschehen — um dadurch den Eifer, welchen die Mehrzahl der oberitalienischen Geistlichen für Heinrich bewiesen, zu lähmen und zu strafen 3). Mit den Waffen setzte er in

 

1) Die von Trident, Augsburg, Brixen waren mit dem Kaiser nach Italien gezogen und zwar nicht, wie die von Verden und Münster, als Vertriebene und Gebannte; Hartwig von Regensburg besaß des Kaisers ganzes Vertrauen; auch Otto von Bamberg hatte dieses keineswegs verloren, weil er Adalbert die Weihe ertheilt. Noch in Deutschland richtete Heinrich an Otto ein Einladungsschreiben zu einer Fürstenberathung in Speier, welches kein feindliches Verhältnis, zwischen Beiden verräth. S. Cod. Udalr. Nr. 255. — Die beiden Einzigen, welche gegen Heinrich sich auflehnten, Konrad von Salzburg und Erlung von Würzburg, mußten es hart entgelten. Ihr Beispiel schreckte die Anderen, so lange die süddeutschen Fürsten für den Kaiser standen. Daß Bischof Heinrich von Freisingen auf des Kaisers Seite stand, zeigen die Monumenta historiae Monast. Tegernseensis, Petz III, pars III, p. 519.

2) Die Briefe Heinrich's an Hartwig von Regensburg waren gewiß nicht die einzigen Berichte, die jener nach Deutschland gelangen ließ. Aus dem Schreiben des Domkapitels von Speier (Cod. Udalr. Nr. 284) geht hervor, daß Heinrich's Darstellung der Verhältnisse zu Rom auch am Rhein verbreitet war.

3) Wie sehr der Papst von Adalbert und den deutschen Bischöfen gedrängt wurde, sagt Chron. Ursp. ad 1117: Ad hoc (nämlich zu einer allgemeinen Kirchenversammlung) Ultramontanis affirmat se quotidie literis impelli et maxime Metropolitani Mogontini. Daß der Erzbischof Jordanus von Deutschland her zu Verkündigung des Bannes und zu anderen feindlichen Schritten gegen Heinrich angereizt wurde, ist schon im vorigen Abschnitte bemerkt worden. Jordanus spielte in Italien die Rolle, welche für Deutschland Adalbert von Mainz übernommen hatte.

 

 

 

____

229 Adalbert v. Mainz erregt neue Kämpfe.

 

Deutschland den Kampf gegen Friedrich von Schwaben fort, und dieser ließ sich leider bereiter dazu finden als durch geschickte und versöhnende Unterhandlungen den Kampf zu beschwichtigen. Mit den sächsischen Verbündeten mochte er vielleicht auf solchem Wege eine Annäherung versucht haben. Aber durften diese schon den Erzbischof Adalbert dabei ausschließen? durften sie ihn sinken lassen? Und siegte er, so waren alle Friedensversuche vergeblich, wenn nicht die weltlichen Fürsten insgesammt sein leidenschaftliches Streben hemmten.

 

So dauerten denn am Rhein die blutigen Kämpfe fort, die nicht blos mit großen Heeresmassen in offenen Feldschlachten, sondern fast in jeder Stadt durch gegenseitiges Befehden der geschiedenen Parteien, durch Widersetzlichkeit gegen die kaiserlichen Voigte oder gegen die bischöfliche Herrschaft das verheerende Kriegsfeuer unterhielten. In und um Mainz war sein Hauptherd 1), der rheinauf- und abwärts seine Lohe verbreitete. Friedrich von Schwaben hoffte, nachdem er die sächsischen Fürsten über den Strom zurückgedrängt und ihren Beistand für Adalbert unkräftig gemacht, mit seinem zahlreichen Heere Letzteren aus seinem Erzbisthume zu vertreiben und mit Hülfe der kaiserlich gesinnten Partei in der Stadt Mainz auch dieser Herr zu werden. Seinen Plan vereitelte indeß Adalbert's rastlose Thätigkeit, mit der er eine zahlreiche Macht aus seinen Vasallen und benachbarten Grafen, Baronen und der von ihm abhängigen Diöcesanbischöfe zusammenbrachte und seine zur rechten Zeit den Bürgern erwiesene Milde, wodurch er auch die weniger geneigten gewann. Zweimal in diesem Jahre folgten ihm die Mainzer willig zum Kampfe gegen Friedrich, den sie beide Mal, wie es scheint, in

 

1) Chron. Ursp. ad 1117: Qua de re non desinunt undique seditiones coeptae per partes utrasque baccari, praecipue tamen transrhenanis in finibus, immo in ipsa Mogontia urbe multis cadentibus regiones nobilissimae hinc inde vastari. Daran knüpft er unmittelbar an, was in das vorige Jahr zu setzen ist: Emicho comes a militibus Friderici Ducis occiditur. Offenbar faßt der Chronist, was über Mainz zu sagen war, zusammen. Alles bezieht sich auf die Kämpfe in und außerhalb der Stadt. Daß er die Bemerkung zu 1117 gibt, beweist, daß jene noch in diesem Jahre fortgedauert, was die nächste Note aus Ann. Saxo noch deutlicher machen wird.

 

 

 

____

230 Fünfter Abschnitt.

 

glücklichen Gefechten zurückschlugen. Doch sind wir zu wenig über diese und andere Vorfälle am Rhein von den Chronisten unterrichtet 1).

 

Die sächsischen Verbündeten, wie wir schon bemerkt, hielten von dem allgemeinen Parteienkampfe im Jahre 1117 sich entfernt und zogen nicht — wenigstens keiner der bedeutenden Fürsten — dem Erzbischofe Adalbert zu Hülfe. Während sie im vorigen Jahre zweimal am Rhein wider den Herzog Friedrich gestritten, ließen sie demselben 1117 freie Hand. Zum Theil wird dies freilich aus dem weit verbreiteten Elende, das auch Sachsen getroffen, erklärlich, aber ein Kampf zwischen Adalbert und Friedrich ohne Theilnahme der sächsischen Fürsten, die doch zuerst gegen den Kaiser und dessen Anhänger die Waffen erhoben hatten, bleibt auffallend und erweckt die Vermuthung, daß ein anderes Interesse oder besondere Hindernisse den Bund, den wir keineswegs in Sachsen gelöst oder zerfallen sehen, vom Kriegsschauplatze am Rhein zurückgehalten habe. An Abhaltungen und Ereignissen, die mehre der Fürsten im eigenen Lande in Anspruch nahmen, fehlte es keineswegs. Vornehmlich hatte Lothar sehr verwickelte Erbschaftsangelegenheiten seines Hauses zu ordnen. 1116 war seine Großmutter Gertrud, die Witwe des vorletzten Billungen, Ordruf's, gestorben 2). Sie hatte auf ihrem Witthume in Sachsen ihre hohen Lebenstage beendet. Enkel aus der doppelten Ehe ihrer Tochter Hedwig, Herzog Lothar von Sachsen und Herzog Simon von Ober-Lothringen, sowie des Letztern Schwestern, Oda, Witwe des 1103 ermordeten bairischen Grafen Sighard, und Gertrud, Gemahlin des Grafen Florentius von Holland, machten Ansprüche an die Hinterlassenschaft der Herzogin. Sie friedlich zu

 

1) Ann. Saxo ad 1117 hat hier eine Nachricht, die er aus einer anderen Quelle als Chron. Ursp. gezogen, die er aber mit jenem in Verbindung zu bringen sucht: Dux Alsatiae Fridericus cum Mogontinis acriter dimicat, ibique occiditur Comes Emico (das fand er in Chron. Ursp. S. die vorige Note). Folcold de Malesburch capitur (man weiß bei diesem kaum, von welcher Partei er war; in der Urkunde von 1124, Guden, Cod. diplom. p. 64 heißt er ein alter Widersacher Adalbert's; er mochte also auf Friedrich's Seite stehen). Rursus ante Natale Domini concurrunt, et ex parte Ducis multitudo vulgi plurima perimitur. Dieser zweite Kampf spricht dafür, daß Herzog Friedrich durch den ersten wenig gewann, wenn nicht verlor, weshalb er ein Landesaufgebot (das liegt doch in multitudo vulgi) gegen Mainz ergehen ließ; doch abermals zog er den Kürzeren.

2) Ann. Saxo ad 1116; Chronogr. Saxo ad 1117 (der immer um ein Jahr zurückzusetzen: Gertrudis Ductrix avia Luideri Ducis obiit.

 

 

 

____

231 Lothar durch Erbtheilungen in Sachsen beschäftigt.

 

theilen, war in so anarchischen Zeitläufen gewiß kein leichtes Geschäft. Gleichwol scheint es von den Betheiligten ohne Hader und Haß ausgeführt zu sein 1). Kaum mochte diese Erbschaft vollzogen sein, als durch den Tod der Markgräfin Gertrud von Meißen (1117) Lothar zu einer neuen, viel schwierigern Theilung ausgedehnter und vielfach mit fremdem Besitzthum verschlungener Güter, an die mehre Erbtöchter und deren Nachkommen Ansprüche hatten, gerufen wurde. Wie wir früher gesehen, war Gertrud, wenn auch nicht in den alleinigen, so doch in den Hauptbesitz der nordheimischen und braunschweigischen Allodial- und gewiß auch vieler Lehngüter gekommen, weshalb die Schriftsteller sie die mächtigste Fürstin in Sachsen nennen 2). Vergeblich hatte Heinrich V. im Jahre 1112 ihre Macht zu beschränken und manches Gut als dem Reiche gehörig zu beanspruchen versucht; im Bunde mit den in gleicher Weise bedrohten Fürsten war ihr nichts zu entreißen möglich gewesen. Ihre beiden Töchter, Richenza, Lothar's Gemahlin, und Gertrud, die Witwe des bei Warnstedt gefallenen Pfalzgrafen Siegfried, sollten jetzt die große Hinterlassenschaft von Nordheim und Braunschweig theilen und der kaum 14jährige Heinrich von Eilenburg, den Gertrud von ihrem dritten Manne, Heinrich dem Aelteren, nach dessen Tode zur Welt gebracht, im Besitz der Marken Meißen und Lausitz bleiben. Lothar hatte hier eine schwere Aufgabe zu lösen, da er einerseits als oberster Landesherr in Sachsen bei allen Erbtheilungen Richter, andererseits als Gemahl Richenza's Partei war. Ohne kaiserliche Entscheidung wäre zu anderer Zeit eine so wichtige Erbtheilung nicht zu Ende gebracht worden. In Sachsen konnte man damals aber Kaiser Heinrich V. keine Einmischung in Landesangelegenheiten zugestehen und es war seine weite Entfernung Allen willkommen; dem Herzog erwuchs daraus

 

1) Simon, Herzog von Oberlothringen seit seines Vaters Dietrich Tode 1115 (Vergl. über die Reihenfolge der Herzoge von Ober- und Niederlothringen Stenzel's Geschichte der fränkischen Kaiser, Bd. II, S. 113—22) stand außerhalb des Parteikampfes; dieser trat also hier wenigstens nicht hemmend und störend dazwischen. Daß Lothar in naher Verbindung mit seinen Stiefgeschwistern gestanden und namentlich Gertrud oder Petronella von Holland gegen Kaiser Heinrich's Eingriffe geschirmt habe, werden wir später sehen.

2) Chron. Ursp. und Ann. Saxo ad 1112: Gertrudis illa praepotens per Saxoniam vidua. Letzterer bei ihrem Tode ad 1117: Gertrud Marchionissa Saxonica nobilissima et potentissima obiit. Den Tod berichten auch Chronogr. Saxo, Chron. Samp., jener ad 1118 (für 1117), dieses 1117. Eine nähere Zeitangabe fehlt.

 

 

____

232 Fünfter Abschnitt.

 

ein neues Uebergewicht. Doch um in dem vorliegenden Falle Ansprüche der Mitbetheiligten neben denen seiner Gemahlin so wahrzunehmen, daß kein Anlaß zur Beschwerde jenen gegeben wurde, bedurfte es seinerseits großer Klugheit und Uneigennützigkeit und von Seiten der sächsischen Fürsten eines völligen Vertrauens in des Herzogs rechtliche Gesinnung 1). Wie sehr Beides stattgefunden haben muß, erkennen wir daraus, wie Lothar den schwierigsten Punkt der Erbtheilung, der den Stiefbruder Richenza's, Heinrich den Jüngeren von Eilenburg anging, erledigte. Hier galt es nicht blos eines Unmündigen Antheil zu wahren, sondern auch den Verdacht, den Makel, die auf dessen Geburt hafteten und die von den nächsten Verwandten Heinrich's des Aelteren zu Erhebung eigener Erbansprüche an die Marken Meißen und Lausitz benutzt wurden, zu entkräften. Lothar und Richenza hätten zu eigenem Gewinn den Verleumdungen, welche gegen den jetzt schutzlosen Knaben verbreitet waren, Gehör schenken und auf Grund des Gerüchts, daß Heinrich nicht der echte Sohn Gertrudens, sondern untergeschoben, das Kind eines Kochs oder einer Slavin sei, ihm jeden Antheil an Gertrudens Hinterlassenschaft entziehen können. Sie thaten es nicht, Richenza erkannte Heinrich für ihren Bruder an und überließ ihm seinen Antheil am mütterlichen Erbe 2); Lothar sicherte ihm gegen Konrad

 

1) Ueber die Art der Theilung von Gertrudens Hinterlassenschaft berichten die Chronisten fast gar nichts, und erst aus viel späteren Dokumenten läßt sich mit einiger Wahrscheinlichkeit errathen, was Richenza aus der Erbschaft erhalten und ihrer Tochter Gertrud und deren Gemahl Heinrich dem Stolzen von Baiern zurückließ. S. dies noch immer am besten zusammengestellt bei Böttiger, Heinrich der Löwe, Anhang I. Doch die Theilungsurkunde Kaiser Otto's IV., worauf vornehmlich Böttiger's Untersuchung gestützt ist, kann nur sehr mit Vorsicht benutzt werden. Im Allgemeinen fielen an Richenza die braunschweigischen Allodien, an die Pfalzgräfin Gertrud mehr die nordheimischen, die aber, wie wir im ersten Abschnitt gesehen, nur zum Theil in der Markgräfin Gertrud Besitz gewesen sein konnten, da noch mehrere Erbtöchter Otto's von Nordheim und seiner Söhne am Leben waren. Chron. veter. Ducum Brunsw., Leibn. II, 16: Cessit etiam eidem Ludero ex uxore sua Rikiza Brunswig haeraditas dignitatis (was wol nichts anderes als allodium heißen soll). Daß die Theilung friedlich ablief, läßt sich freilich nur aus dem Schweigen vom Gegentheil, aber daraus wol ziemlich sicher schließen.

2) Die Anerkennung Heinrich's des Jüngeren von Seiten Richenza's berichtet Alb. Stad. auf eine freilich viel weniger uneigennützige Weise: Marchio Udo ex Ermegarde genuit filiam, quam duxit Marchio Henricus putativus frater Rikezem Imperatricis, quem de Sclava natum ideo suum fratrem dicebat, ut hereditatem non perderet, quae in questione multorum posita litigiosa fuit. Tandem Domino Rikenze fratre impotionato sola possedit haereditatem. Der angeführte Grund ut hereditatem non perderet hat keinen Sinn, denn gerade durch die Anerkennung ihres Stiefbruders entging ihr dessen Antheil. Daß unter haereditas nur das Muttertheil Heinrich's zu verstehen, erhellt aus dem letzten Satze der angeführten Stelle, diese war aber nicht in questione multorim, und Alb. Stad. verwechselt das Erbtheil der Mutter mit den vom Vater überkommenen Marken, die Gertrud freilich für den Sohn bisher verwaltet hatte.

 

 

 

____

233 Lothar durch Erbtheilungen in Sachsen beschäftigt.

 

von Wettin, der sich den Titel eines Markgrafen beilegte und seinem Vetter Kränkungen mancherlei Art öffentlich und geheim bereitete, den Besitz von Meißen und Lausitz bis an sein Lebensende, ohne, wie wir später sehen werden, des Schützlings schuldigen Dank zum Lohne zu erhalten. Ob der Zweifel über Heinrich's fürstliche Abkunft auf wahrem oder falschem Zeugniß beruhte, vermögen wir nicht zu entscheiden, da die gleichzeitigen Schriftsteller, wie die späterlebenden, nur das Gerücht, nicht die Beweise desselben kennen. Daß aber damals auf die Entscheidung sehr viel angekommen, ist gewiß. Denn Kaiser Heinrich's Herrschsucht hatte längst aus dem Gerüchte Vortheil zu ziehen gesucht, um wo möglich die meißner und lausitzer Mark als erledigte Reichslehen an sich zu bringen oder doch mit Männern zu besetzen, die ihm ganz ergeben waren. Nie gab er diesen Plan, den er schon gegen Gertrud in früheren Jahren auszuführen gehofft 1), auf und er hätte ihn später noch durchgesetzt, wenn nicht jederzeit Lothar solchen Eingriffen entgegengetreten wäre. So lange Gertrud lebte, konnte es scheinen, er habe nur der Schwiegermutter, nicht dem Rechte seinen Arm geliehen; daß er 1117 mit Verzichtung auf Ländereien, die sonst seiner Gemahlin zufallen mußten, Heinrich den Jüngeren nicht aufgab, rechtfertigt ihn von solchem Verdachte, und daß er nach dessen Tode 1123 für denselben Konrad,

 

1) Schon Schwarz, Appendix ad Petri Albini geneal. Comit. Leisnic., Mencken II, p. 282 deutet auf Einziehung der Marken, welche Gertrud für den Sohn verwaltete, die Worte des Chron. Ursp. ad 1112: Dertrudis violentiam se pati ab Imperatoris praejudiciis, invasione praediorum suorum clamitabat. Da Heinrich mit dem Haupte, des Kaisers Feldherr in Sachsen, der bis 1116 dessen Sache aufrecht erhalten, bei Ann. Saxo z. g. J. de Misnas heißt, derselbe auch später wieder (1123) in dem Kampfe um Meißen für den Kaiser die Waffen ergriff, so ist nicht unwahrscheinlich, daß Heinrich V. ihm die Verwaltung Meißens übertragen habe; doch mehr als die Stadt Meißen gewann er der Markgräfin Gertrud wol nicht ab. Von dem späteren Kampf über Meißen zwischen dem Kaiser und Herzog Lothar wird künftig zu reden sein. Hier genügt des Letzteren Stellung in Betreff der östlichen Marken angedeutet zu haben. Viel bleibt über diesen wichtigen Punkt noch aufzuklären, was nur durch Specialuntersuchungen geschehen kann.

 

 

 

____

234 Fünfter Abschnitt.

 

dem er sechs Jahre früher entgegentrat, wider des Kaisers ungerechte Verfügung über die Marken in die Schranken trat und jenes Erbansprüche ebenso wahrte, wie vorhin die Heinrich's, beweist, daß er jederzeit nur das Recht vertheidigen wollte. Dem entspricht sein Handeln in allen Fällen, die schon erwähnt sind oder noch erwähnt werden müssen.

 

Ganz anders wie Lothar dachte der ältere Wiprecht von Groitsch. Bei diesem hatte die vierjährige Gefangenschaft, oder, was noch wahrscheinlicher, des Kaisers Versprechungen bei seiner Freilassung eine Sinnesänderung hervorgebracht, die ihn seitdem zu dessen ergebensten Anhänger machten, um, wie er einst durch Heinrich IV. zu vermehrtem Besitz gelangt, durch Heinrich V. in den Rang der ersten Reichsfürsten erhoben zu werden. Auch darf man nicht vergessen, daß Wiprecht nur durch die böhmischen Händel im Jahre 1111 des Kaisers frühere Gunst verloren, indem er, und zwar anfangs mit Zustimmung Heinrich's, den Herzog Borivoy unterstützte und auch dann noch unterstützen wollte, als bereits Wladislav's Geldbestechungen den Kaiser gegen den älteren Bruder Borivoy und für den jüngeren, Wladislav, gewonnen hatten. Als Wiprecht die Freiheit und Zurückgabe seiner Besitzungen erlangte, waren die böhmischen Brüderfehden dem Interesse des Kaisers längst entfremdet und Wladislav bedurfte, um sich in seiner Würde zu behaupten, keines auswärtigen Beistandes mehr. Er saß so fest in seiner Herrschaft, daß er sogar zu Ausgang des Jahres 1117 ungescheut seinen Nebenbuhler und älteren Bruder aus der Verbannung zurückrufen ließ und drei Jahre ihm sein ganzes Vertrauen in allen öffentlichen Angelegenheiten schenkte 1). Das hätte er nicht wagen dürfen, wenn er nicht mit Wiprecht ausgesöhnt und von dessen gutem Vernehmen und Einverständniß

 

1) Cosmas Prag. ad 1117: Revocat mense Decembri fratrem suum Borivoy de exilio et satisfaciens sibi ac semetipsum submittens ejus dominio iterum collocat eum in principali solio. - - Borivoy autem — — fratri suo licet juniori in omnibus obediens et semper eum praeveniens nihil sine consilio gessit. Aber im August 1120: Est Borivoy rursus regni de culmine pulsus. Zu der Aussöhnung der Brüder hat Wiprecht wahrscheinlich mitgewirkt, sei es nun unmittelbar, oder durch Verwendung zu Gunsten seines Waffengefährten und Jugendfreundes Borivoy. Dieser scheint gleichfalls erst 1117 aus der Haft des Kaisers, der ihn 1111 mit dem jüngeren Wiprecht nach Hammerstein schickte, entlassen zu sein. Comas Prag. sad 1124 erwähnt bei seinem Tode auch seine Leiden: Exsul ter quinis, quos degens pertulit annis, e quibus est passus sex annos carcere clausus, und außer der Gefangenschaft in Deutschland ist keine bekannt.

 

 

____

235 Wiprecht v. Groitsch söhnt sich m. d. Kaiser aus.

 

mit dem Kaiser überzeugt gewesen wäre. War es bei Wiprecht Ehrsucht, sich an Heinrich anzuschließen, so erscheint des Letzteren erneute Gunst gegen einen Mann, den er länger als vier Jahre 1) in strengster Haft gehalten und diese Strafe nur als Milderung des bereits gefällten Todesurtheils verhängt hatte, nur als wohlberechnete Klugheit. Heinrich durfte einem Manne wie Wiprecht gegenüber, der als der größte Kriegsheld, als schlau und umsichtig, als Muster in allen ritterlichen Tugenden, aber auch als ehrgeizig und habsüchtig bekannt war, nur auf zweierlei Weise verfahren, entweder durch Gewalt ihn unschädlich oder durch Befriedigung der letztgenannten Eigenschaften sich geneigt erhalten. So begreift man leicht den Uebergang von einem Extrem zum andern. Mehr verwundern muß es, daß Wiprecht in seiner eigenen Stadt Groitsch Widerstand fand und erst auf Befehl eines kaiserlichen Abgesandten dort aufgenommen und als Gebieter anerkannt wurde 2), da doch schon im vergangenen Jahre sein Sohn, der jüngere Wiprecht, die Stammveste eingenommen hatte. Daß dieses Helden seit den Vorfällen bei Naumburg nirgend mehr Erwähnung geschieht, daß sein frühzeitiger Tod keinem Zweifel unterliegt 3), berechtigt fast zu der Vermuthung, daß er vor des Vaters Rückkehr gestorben und abermals von einer kaiserlichen Besatzung Groitsch eingenommen gewesen, die nur auf des Kaisers ausdrückliches Gebot die Stadt ihrem rechtmäßigen Herrn übergab. Wenn er vor Leisnik einen hartnäckigen Widerstand fand und erst nach längerer Belagerung es einnehmen konnte, so müssen wir annehmen, daß jene Veste, einst vom Kaiser dem Grafen Hoyer von Mansfeld zuerkannt 4), von dessen Söhnen, Hoyer und Ulrich 5), dem früheren Besitzer, trotz dem, daß ihn der

 

1) Am 21. Februar 1113 war Wiprecht bei Warnstedt gefangen. Die Vita Vip. setzt seine Freilassung erst 1117, demnach wäre sie später als die Ludwig's von Thüringen erfolgt, doch jedenfalls früher als die Rückkehr Borivoy's nach Böhmen.

2) Vita Vip. cap. 11, §. 19: Wigpertus ergo dimissus Groiscam revertitur, sed dum ab urbanis ab ea arcetur, misso Imperator legato ut ei restitueretur mandavit. Unter urbani sind weniger die Bürger (cives) als eine Besatzung in der Stadt zu verstehen.

3) Vita Vip. cap. 12, §. 7 läßt Wiprecht den Aelteren im Kloster Pegau begraben werden inter uxorem ac filiam.

4) Wie daraus erhellt, daß Hoyer den gefangenen Wiprecht nach Leisnik bringen läßt.

5) Diese Namen gibt Leuber, Catal. Princip. Mencken III, p. 1896. Die Einnahme Leisniks Vita Vip. a. a. O.: Exinde Leisnic Wigbertus cum exercitu petiit, sed castellanis ei resistentibus multo tandem labore multoque tempore confecto urbanis expulsis (die Besatzung) eam obtinuit.

 

 

 

____

236 Fünfter Abschnitt.

 

Kaiser in alle seine Güter wiederhergestellt wissen und Jeden, der Theile derselben inne hatte, zur Rückgabe nöthigen wollte, vorenthalten sei. Doch dem in Belagerungen vielgeübten und glücklichen Wiprecht widerstand nicht lange eine Stadt oder Burg. Bald sah er sich im Besitz aller Allodien und Lehen früherer Zeit und wie ehemals brachten Verdienst und Glück ihm neuen Erwerb. So gab es seiner Macht und seinem Ansehen im Lande keinen unbedeutenden Zuwachs, daß Erzbischof Adelgot ihn an Stelle des verstorbenen Hermann von Plotzke 1) zum Burggrafen von Magdeburg ernannte (1113), mit welcher Würde nicht blos ein bedeutendes Einkommen, sondern auch ein Landesaufgebot von tausend Bewaffneten verbunden war. Der Kaiser aber, dem Alles daran gelegen, in Sachsen von Neuem einen tapferen Mann, wie früher Hoyer, dann Heinrich mit dem Haupte gewesen, sich treu ergeben zu wissen, unterließ Nichts, was Wiprecht's Ehrgeiz und Herrschsucht befriedigen konnte, zumal wenn er selbst dabei kein Opfer zu bringen nöthig hatte, sondern für Belehnung mit Reichsgütern von dem Belehnten bedeutende Geldsummen erhielt. Daß diese kaiserlichen Gunstbezeugungen bald auf Kosten Heinrich's von Meißen ertheilt wurden, machte Wiprecht dem Herzoge Lothar und allen den Fürsten, die altes Herkommen und alte Rechte aufrecht zu erhalten bemüht waren, erst verdächtig, dann zum offenen Gegner. Zwar fallen die Belehnungen Wiprecht's mit der lausitzer Mark und der feindliche Angriff auf dieselbe erst in spätere Jahre 2),

 

1) Wenn die Angabe Botho's in Chron. pictur. ad 1117: Ok so starff greve Heljifrid unde Greve Hermen von Plozike Burggreve to Meideborch un de Domvoget eine Ergänzung nicht eine Umstellung der Angabe des Chronogr., Saxo ad 1119 (1118) ist: Helpericus Comes de Plozeke et Hermannus Comes advocatus Magadeburgensis Ecclesiae obierunt. Ann. Saxo ad 1118: Eodem anno obiit Hermannus Magdeburgensis Comes, pro quo Wicbertus electus est. Vita Vip. a. a. O.: Eodem tempore (als er Leisnik eingenommen) ab Adelgoto Archiepiscopo praefecturam mille clypeis et quingentis talentis praeditam in beneficium accepit. Ebenso der Pegauer Mönch S. 124. Auch die Advokatie des von Adelgot gestifteten Klosters ad novum Opus zu Halle besaß Wiprecht. S. Vita Vip. cap. XII, §. 2.

2) Die Zeit wie die Sache sind schwer genau zu bestimmen. Unmöglich ist in das Jahr 1117 zu setzen, was Vita Vip. cap. XI, §. 21 und 22 von einem Reichstage zu Worms berichtet, wo Kaiser Heinrich Wiprecht mit der Mark Lausitz gegen 2000 Talente belehnt und mit einer cappa dalmatica beschenkt habe. Frühestens kann dies 1118 geschehen sein. Ob aber diese Marchia Lusizensis nur die Theile der Lausitz umfaßte, welche Heinrich IV. zuerst an den Herzog von Böhmen, danach dieser mit des Kaisers Genehmigung an Wiprecht verliehen und Wiprecht später (1113) an Wladislav von Böhmen verloren, oder ob durch jene kaiserliche Belehnung Heinrich von Eilenburg seiner von Vater und Großvater auf ihn gekommenen lausitzer Mark verlustig erklärt wurde, ob endlich ein solcher Akt nicht erst nach Heinrich's Tode stattgefunden, läßt uns bei der dunkeln Nachricht darüber in Zweifel.

 

 

 

____

237 Die sächs. Fürsten wünschen Ausgleichung m. d. Kaiser.

 

indeß entgehen konnte es dem Herzoge und seinen Verbündeten nicht, daß das Groitscher Haus dem Kaiser ergeben und dem Bündnisse der Sachsenfürsten sich abgeneigt zeigte. So lange Adelgot von Magdeburg lebte, mochte dieser jedes feindliche Zusammentreffen der beiden mächtigen, gleich staatsklugen und kampferprobten Fürsten verhüten 1); aber nur mittelbar war dieser Einfluß Adelgot's, denn auch er gehörte nicht zu dem Sachsenbunde, sondern stand als Haupt der Geistlichen des Landes nur soweit mit ihm im Verbande, als das kirchliche und politische Interesse bisher vereint gegen den Kaiser vertheidigt worden war. Diese beiden verschiedenartigen Interessen konnten nicht mehr länger gemeinschaftlich verfolgt werden. Die ehrgeizigen, rachsüchtigen Pläne Adalbert's von Mainz fanden nur in der sächsischen Geistlichkeit folgsame Helfer und Vertheidiger; den weltlichen Fürsten, auch wenn sie wider den Kaiser standen, erschienen des Erzbischofs Absichten gefährlich für das Reich und nachtheilig für ihre Standesrechte. Viele erkannten mehr und mehr die Notwendigkeit einer Ausgleichung mit dem Reichsoberhaupte unter der Bedingung, daß diesem die schädliche Macht der Willkür genommen und jedem Stande in der Nation Recht und Herkommen bewahrt werde. Dieses zu erreichen und zugleich ein Uebergreifen der Hierarchie zu verhüten, war nur möglich, wenn die Fürsten Deutschlands sich enge verbanden

 

1) Anlaß zu Streit oder doch Reibung zwischen Lothar und Wiprecht konnten des Letzteren Ehepakten mit Kunigunde, der Witwe Konrad's von Beichlingen, geben. Vita Vip. cap. IX, §. 2: Ea demum vicissitudine conjugii pactum et fide a praedicta matrona firmatum est, quod si primo eadem Comitissa naturae concederet, Dominus Wigbertus et haeredes ejus patrimonium obtinerent. Trat dieser Fall ein, so entging dadurch der Herzogin Richenza ein Erbtheil, da Kunigunde von Heinrich von Nordheim eine Schwester, also jener Vaterschwester war. Kunigunde scheint während Wiprecht's Gefangenschaft auf ihrem Witthum gelebt zu haben (S. Schwarz, Appendix, p. 966). Der ländergierige Gemahl hatte des Paktums gewiß nicht vergessen, doch sollte Kunigunde ihn überleben. Noch 1126 wird sie in mehren Urkunden (s. Diplomata Oldenlebensia, Mencken II, p. 614 u. 15) genannt.

 

 

____

238 Fünfter Abschnitt.

 

einerseits der Trennung zwischen Haupt und Gliedern ein Ende machten, andererseits den Zwiespalt zwischen Kirche und Reich aufhoben.

 

Diese divergirenden Wege der weltlichen und geistlichen Optimaten werden deutlich, wenn man das Verfahren der Letzteren auf den Synoden zu Köln und Fritzlar, ihre Drohung, den Kaiser auf einem Tage zu Würzburg zu entsetzen, auf der einen Seite verfolgt, auf der anderen die Bereitwilligkeit der sächsischen Fürsten, sich mit dem Kaiser zu versöhnen, was die sächsische Geistlichkeit starr verweigerte, das Resultat des würzburger Vertrages, die zwingende Gewalt desselben für Papst und Kirche, die beide zum Concordat von Worms nöthigt, ins Auge faßt. Was in den Jahren von 1118 bis 1122 unleugbar sich kundgab, mußte früher schon vorbereitet sein und erklärt nicht weniger als die inneren Vorfälle, warum Lothar und die sächsischen Fürsten 1117 dem Herzoge Friedrich von Schwaben nicht entgegen, dem Erzbischof Adalbert nicht zum Beistande an den Rhein zogen. Wenn die erschütternden Eindrücke, die Erdbeben, Wasserfluten, Orkane auf Viele machten, den Abt von Korvey und mehre sächsische Prälaten und Weltliche zu einer Pilgerfahrt nach Jerusalem anmahnten 1), wenn um des Landes Wohl oder des eigenen Gewinnes halber Andere in der Heimat für Herstellung der zerstörten und verwüsteten Städte, Burgen und Ortschaften, für Wohlfahrt der Unterthanen, Vergrößerung und Befestigung ihrer Macht Sorge trugen, richteten die Aufgeklärten und die mit höherer Rücksicht dem Reiche ihre Sorge zuwandten, ihre Blicke auf die Verhältnisse von Staat und Kirche und trachteten zwischen beiden selber eine entscheidende Stellung zu gewinnen. Der neue Kampf zwischen Adalbert und Friedrich, so verderblich er auch den Rheingegenden war, entsprach doch den Absichten Lothar's und der ihm gleichgesinnten Fürsten, insofern die Vorkämpfer der deutschen Hierarchie nicht weniger als die kaiserliche Partei sich gegenseitig schwächten. Diesem Kampfe aus der Ferne ohne Einmischung zuzusehen und unterdessen in Sachsen die eigene Kraft zu stählen,

 

1) Die Annal. Corbejenses, (deren hohes Alter aus vielfachen Gründen zu bezweifeln ist, die aber keineswegs für spätere Erfindung gehalten werden dürfen) setzen die Pilgerfahrt ihres Abtes um zehn Jahre zu spät, ins Jahr 1127: (Erkhinbertus) abit Hierosolymam propter motus in Saxonia publicos. Dieser Beweggrund paßt besser zu 1117, zu welchem Jahr Ann. Saxo die Kreuzfahrt anmerkt: Corbejensis Erkenbertus pluresque de Saxonia Iherosolimam vadunt.

 

 

____

239 Fortdauer des Kampfes zwischen Adalbert u. Friedrich.

 

gestattete dann im rechten Zeitpunkt zwischen Reich und Kirche gebieterisch in die Mitte zu treten. Ob sie mit der stets neutralen Partei der deutschen Fürsten, die vornehmlich Herzog Welf repräsentirte, mit den Gemäßigten der kaiserlichen Partei, einem Hartwig von Regensburg, noch mehr Otto von Bamberg oder selbst mit Friedrich von Schwaben Unterhandlungen gepflogen, um die gefährlicheren Anmaßungen der Kirchenfürsten am Rhein und in Sachsen als ihrem Streben fremd zu bezeichnen, läßt sich nicht nachweisen, eine Annäherung zu jenen zeigten sie in ihrer Zurückhaltung gegen diese. Durfte mit Adalbert zwar nicht gebrochen werden, so boten doch nur wenige sächsische Fürsten ihm in diesem Jahre ihren Arm. Noch bis in das folgende dauerte am Rhein der Waffenkampf fort und Adalbert, obwol nur von seinen Vasallen und jener sächsischen Hülfe unterstützt, vermochte gegen Friedrich von Schwaben sich zu behaupten. Mit welcher Erbitterung der Krieg geführt wurde, ersehen wir aus dem Schicksal Oppenheim's. Der Erzbischof eroberte mit Beistand Graf Hermann's 1) jene Stadt, die sich für Friedrich erklärt hatte, steckte sie in Brand und opferte durch Schwert und Feuer 1200 Unglückliche dem Tode 2).

 

Um jene Zeit, im Anfange des Jahres 1118, gelangte die Nachricht von dem Tode Paschalis' II. und die Erhebung Gelasius' II. nach Deutschland. Mit diesem neuen Papste, der des Kaisers Sache wiederholentlich in der römischen Kurie vertheidigt hatte, hofften Viele, fürchteten Andere, werde Heinrich sich leichter einigen; schon glaubten die Friedliebenden den verderblichen Zwiespalt von Kirche und Reich ersterben zu sehen. Da verkündete die Wahl des Gegenpapstes Burdinus die Wiederbelebung eines viel heftigeren Schismas 3). Daß der Kaiser durch diesen Schritt in Italien zum Ziele zu gelangen hoffte, durch sein energisches Verfahren sein Ansehen zu heben,

 

1) Doch wol wieder Hermann von Winzenburg, der als Comes provincialis von Thüringen wegen der in diesem Lande von Mainz ausgeübten Diöcesanverwaltung dem Erzbischofe mehr zum Beistande verpflichtet war als die sächsischen Großen.

2) So Ann. Saxo ad 1118. Noch höher gibt die Zahl Vita Vip., cap. IX, §. 24 an: Saxones (also mußten doch diese am Rhein nicht ganz fehlen) cum civibus Moguntinensis civitatis oppidum Oppenheim violenter impugnantes destruunt et ex omni parte flammis conflagrantibus fere ad 2000 hominum utriusque sexus perierunt.

3) Chron. Ursp. und Ann. Saxo ad 1118: Sicque schisma quod sperabatur emortuum (Ersteres, dem Letzterer nur nachschreibt, gibt ohne Zweifel, was man in Deutschland erwartete, an) crudeliter revixit.

 

 

____

240 Fünfter Abschnitt.

 

durch die veranstalteten Festlichkeiten bei und nach dem Wahlakte, durch die Zustimmung, ja das stürmische Verlangen des römischen Volkes seine kaiserliche Oberhoheit über den römischen Stuhl im günstigsten Zeitpunkt zu erneuern wähnte, erklärt sein geändertes Verfahren, das aus großer Milde und Nachgiebigkeit gegen die Kirche in solche durchgreifende Wiedererneuerung von Ansprüchen und Rechten, die seit seines Großvaters Tagen die Welt nicht mehr erkannt hatte, überging. Auch bewies der gescheiterte Versuch Gelasius'II. in Rom sich zu behaupten, seine Flucht nach Frankreich, daß des Kaisers Ansehen und Macht über Rom und Italien überwiegenden Einfluß übe und daß sein Papst dort fester stehe als Der, den die Kirche aus ihrem Schoße erhoben hatte. Die alte Gewalt, der alte Glanz der römisch-deutschen Herrscher schien zurückgekehrt. Daß dies aber nur ein vorübergehender Schimmer war und daß ein Kaiser, ohne in Deutschland unbeschränkter, allgefürchteter Gebieter zu sein, in Italien Schrecken und Kleinmuth, nicht aber eine dauernde Herrschaft, vor der jede Gewalt weiche, hervorrufen könne, zeigte sich noch im Laufe desselben Jahres, welches Heinrich vom Gipfel der Macht, mit der er den päpstlichen Stuhl erschüttert, so tief hinabschleuderte, daß er in Furcht sein Reich durch die Drohungen eines eigenmächtig handelnden Kardinals und eines gegen ihn erbitterten deutschen Geistlichen zu verlieren, Rom, Italien, seinen Papst und alle errungenen Vortheile auf immer aufgab und mit aller Mühe und rastloser Thätigkeit seine deutsche Krone sich zu erhalten suchte. Und nach diesem Resultate zu urtheilen, welches Heinrich hätte voraussehen können, erscheint sein Verfahren unbesonnen und mehr die Eingebung augenblicklicher Leidenschaft als der Klugheit, die er bis dahin jenseit der Alpen gezeigt.

 

Auf Deutschland machte die Erhebung des kaiserlichen Gegenpapstes Gregor's VIII. einen durchaus ungünstigen Eindruck. Viele, besonders Geistliche, die bisher durch die Aussicht und die von Heinrich selbst ausgesprochene Versicherung, daß er mit der Kirche ausgesöhnt zurückkehren werde, im Vertrauen und in der Anhänglichkeit gegen ihn erhalten worden 1), empfanden innige Betrübniß, ihre

 

1) Aus den Briefen Heinrich's an Hartwig von Regensburg ersieht man, daß auch dieser und andere Freunde des Kaisers an dem Schisma großen Anstoß nahmen und wie sehr der Kaiser bemüht war, ihnen ihre Sorge zu benehmen. Cod. Udalr., Nr. 318: Ut autem piae sollicitudinis scrupulum, quo saepissime turbantur corda amicorum absentium, tibi pleniter auferamus, negotium, quod pro communi utilitate totius imperii suscepimus, ad quid perduxerimus, paucis tibi scribere curavimus etc.

 

 

____

241 Zwiespalt unter der Geistlichkeit in Deutschland.

 

Hoffnung getäuscht zu sehen. Seine erbitterten Gegner aber, die nicht den Schatten seiner Macht in Italien fürchteten, triumphirten, weil sie nun bisher mit Scheu oder erfolglos angewendete Waffen freier und wirksamer gebrauchen konnten. Mit Eifer und Heftigkeit sprachen sie über Heinrich's Handlungen in Deutschland und Italien, zeigten, wie nichtig dessen Rechtfertigung in Betreff des Bannes, wie gegründet dagegen ihre Vorwürfe, die der Kaiser Verleumdungen genannt habe, gewesen seien 1). Doch nicht bei Worten blieben sie stehen. Die Erzbischöfe von Mainz, Köln, Magdeburg und Salzburg, welcher letztere nach seiner Vertreibung aus Baiern sich in Sachsen aufhielt, beschlossen die gesammte deutsche Geistlichkeit und alle Anhänger der Kirche zu einer Synode zu berufen, die im Juli in Mainz gehalten werden sollte 2), angeblich um den Vorwurf abzuwenden, daß geistliche Fürsten zum Verderben des Reiches mit dem Schwerte ihr Recht und Ansehen geltend gemacht und anstatt dem Blutvergießen Einhalt zu thun, es gemehrt hätten 3), in der That nur, weil sie jetzt besser mit kirchlichen als weltlichen Waffen dem Kaiser beizukommen und dessen Anhängern, wider die sie fast allein im Felde gestanden, im eigenen Lande unter Vasallen und Unterthanen durch jener Excommunikation Feinde zu erwecken hofften. Hatten aber die Gegner und die Gemäßigten die angewandte Waffengewalt der Erzbischöfe ungeziemend und frevelhaft genannt, so schien es ihnen nun sehr willkürlich und anmaßend, daß wenige Geistliche

 

1) In demselben Schreiben Heinrich's: Imvrimis memorem te esse volumus, qualiter inimicorum nostrorum acephalica praesumptio fideles nostros inquietaverit, quod communicantes nobis quasi excommunicatis ex sententia et legatione Domini apostolici judicavernut, et maledictiones impudenter super innocentes agravaverint etc. Die Rechtfertigung der Kirchenpartei s. in der folgenden Note.

2) Cod. Udalr. Nr. 285: Konrad von Salzburg schreibt an Hartwig von Regensburg: Communicato consilio placuit Dominis et contratribus nostris, Archiepiscopis Moguntino scilicet, Magdeburgensi et Coloniensi caeterisque provinciarum illarum episcopis, Moguntiae II. Non. Julii conventum celebrare et comprovinciales Episcopos atque Abbates nec non ex omni ordine Catholicos ibidem communione, admonitione atque petitione convocare.

3) Cod. Udalr. Nr. 285: Volumus enim falsis suspicationibus obviare, quibus a sinistrae partis astipulatoribus infamamur omnem videlicet spem, postposito dei praesidio, in armis materialibus posuisse. Speramus autem Spiritu Sancto interveniente communi consilio omnium obtinere, ut secundum canonicas sanctiones ecclesiastica disponantur negotia, cessent arma, praedae sedentur et incendia.

I. 16

 

 

____

242 Fünfter Abschnitt.

 

ohne kanonische Berechtigung, die allein dem apostolischen Stuhle zustehe, eine allgemeine Kirchenversammlung ansagten und gar Denen, die ihrem Befehl nicht nachkommen würden, mit Strafe und Entziehung der päpstlichen Gnade, drohten, als ob sie die höchste Autorität der Kirche besäßen; diese könne nur von Dem, welcher in der ewigen Weltstadt Rom als das einzig anzuerkennende Kirchenhaupt throne, ausgehen 1) und noch sei der Stuhl Petri selber der Zankapfel, der die Kirche in einem Zwiespalte erhalte, welcher zuerst gehoben werden müsse; dann könne man erst von Rom aus zum Friedenswerke zwischen Kaiser und Papst gemessene und unverweigerliche Befehle erlassen.

 

Es geht aus der Sprache, welche beide Theile führten, sehr klar hervor, daß die Einen aus eigener Machtvollkommenheit, die sie sich anmaßten, als Schiedsrichter in Kirchenangelegenheiten auftreten wollten, die Anderen den jetzigen Zeitpunkt für ganz ungeeignet zu einer Entscheidung hielten, da noch nicht ausgemacht wäre, welcher von beiden Päpsten rechtmäßiger dastehe und offenbar dieses Schisma erst aufhören müsse, ehe die kirchlichen Verhältnisse im Reiche auf heilsame Weise geordnet werden könnten. Zwar setzten jene ihrer Einladung zur allgemeinen Kirchenversammlung bei, daß nächstens ein päpstlicher Legat a latere nach Deutschland kommen werde, der die nöthige Vollmacht zu jener mitbringe 2). Allein wenn das auch geschah, hatte seine Sendung eine volle Gültigkeit, seine Anordnung eine bindende Kraft, so lange der Papst, der ihn beauftragt, noch selber nicht allgemein anerkannt, noch von Rom ausgeschlossen, zur

 

1) Man muß das Schreiben Konrad's von Salzburg und Hartwig's Antwort darauf gegeneinander halten, um die kontrastirenden Ansichten beider Parteien zu erkennen. Zum Theil sucht Ersterer den Einwänden, die gegen die von ihnen angesagte Kirchenversammlung erhoben werden könnten, durch eine hohe Sprache zu begegnen, doch läßt Hartwig sich dadurch nicht abschrecken und lehnt bescheiden aber bestimmt die Folgeleistung ab. Hier nur aus jedem Briefe ein paar Stellen. Konrad schreibt: Monemus vos per autoritatem apostolicam et debitam Ecclesiae obedientiam et nostrae servitutis devotionem ut conventui nostro interesse dignemini. — De his vero, qui se subtraxerint, — facere justitiam non protelabimus et Apostolicae eos auctoritati canonice judicandos esse assignabimus. — Darauf erwidert Hartwig, Cod. Udalr. Nr. 286: Videtur nobis durum et intolerabile, quod absque praesenti et manifesta autoritate sedis Apostolicae, cui soli concessum est a Sanctis Patribus generalia Concilia congregare.

2) Epist. Conradi Salisb. a. a. O.: Promissione Domini Papae de legato ex ipsius latere quantocius ad nos venturo verificati gaudemus.

 

 

 

____

243 Kirchenversammlung zu Köln.

 

Flucht in die Fremde gezwungen war 1)? Und wer erschien als der verheißene Abgesandte und Stellvertreter des Kirchenhauptes? Jener Kuno von Präneste, der einmal schon auf deutschem Boden eine verderbliche Zwietracht erregt durch einen Bannspruch, der in Rom nicht anerkannt, nur von einer unbedeutenden Anzahl Bischöfe, die in des Papstes Rechte eingegriffen, ausgesprochen war, der jetzt von demselben Heerde kirchlicher Anmaßung, von Vienne, wo der geflüchtete Gelasius ganz ein Werkzeug der erbitterten Gegner des Kaisers geworden, den Bannstrahl herbrachte und ihn wiederum nach Köln trug, von wo aus er am schnellsten das Feuer verbreiten konnte 2). Alsobald versammelten sich um ihn die vier genannten Erzbischöfe nebst anderen dem Kaiser feindlich gesinnten Geistlichen, während von den gemäßigteren wenige, von den Anhängern des Kaisers keiner der Ladung der ersteren Folge geleistet hatten. Gleichwol betrachteten die in Köln sich als eine vollständig autorisirte Kirchenversammlung und handelten in dem Geiste, der sie bisher geleitet. Nicht nur der Kaiser wurde für einen von der Kirche Gebannten erklärt, auch seine Vertreter in Deutschland, die hohenstaufischen Brüder Friedrich und Konrad, der Pfalzgraf Gottfried und endlich alle Genossen derselben verfielen dem Urteilsspruche des Concils (19. Mai 1118) 3). Groß mag immer die Zahl der in Köln Anwesenden gewesen sein, da die Geistlichen aus Lothringen, Westfalen, Sachsen, vom Niederrhein und einzelne aus anderen Provinzen

 

1) Mit Recht antwortet Hartwig auf das Vorhaben der vier Erzbischöfe in Beziehung auf den erwarteten Legaten, per quem ponatur finis discordiae, pax restituatur Ecclesiae, mit dem gewichtigen Ausspruch: Estis in spe, nondum in re.

2) Chron. Ursp. und Ann. Saxo ad 1119: His temporibus (es bedarf keines Nachweises, daß Chron. Ursp. in dem Jahre irrt und Ann. Saxo ihm blindlings nachschreibt. Alle Schritte Kuno's und der Erzbischöfe fallen vor Heinrich's Rückkehr, also 1118) Cuno Praenestinus adhuc legatione Gelasii functus synodum Coloniae cum Teutonicis habuit. Chron. Pantal. ad 1118: Kono Praenestinus Episcopus a Domino Paschali missus et eo mortuo a successore suo Gelasio ad officium sanctum per Episcopum Viennensem ordinatus, literis adprime autoritate patrum roboratus veniens Coloniam etc.

3) Den Bann des Kaisers geben Chron. Ursp., Ann. Saxo 1119, den der Anderen das Schreiben Adalbert's an Otto von Bamberg, Cod. Udalr. Kr. 291: Praeterea Ducem Fridericum et confratrem ejus et reliquos complices eorum in praedicto concilio (Coloniae) excommunicatos noveritis. Ueber die Zeit s. Stenzel II, S. 329. Vita Vip. nennt sie wirklich gehalten: Concilium magnum Coloniae sub Cardinali Praenestino Episcopo Cunone congregatum est.

16*

 

 

____

244 Fünfter Abschnitt.

 

gewiß nicht fehlten, eine allgemeine deutsche Kirchenversammlung konnte sie nicht genannt werden. Das scheinen ihre Teilnehmer selbst gefühlt zu haben und kündigten einen neuen Tag (26. Juli) zu Fritzlar an, zu dem unter Androhung von Kirchenstrafen die bisher ausgebliebenen Prälaten Deutschlands gerufen wurden. Die Drohung wirkte abermals nicht; weder die Anhänger des Kaisers leisteten dem Gebote Folge, noch fanden sich alle bisher neutralen und die den Frieden, nicht eine unheilbare Trennung im Reiche wünschten, in Fritzlar ein; jene schützten die Unsicherheit der Straßen vor, die von Heerhaufen der einen oder der anderen Partei belagert wären, diesen, die zwar den geheiligten Pflichten gegen die Kirche, keineswegs aber priesterlicher Anmaßung huldigten, erregte das Verfahren Kuno's und Adalbert's gerechten Unwillen. Otto von Bamberg, der durch die Vollziehung der Weihe dem Erzbischofe Adalbert, selbst gegen des Kaisers Gebot, seine Ergebenheit bewiesen hatte, blieb gegen die Einladungen desselben nach Köln und Fritzlar taub 1), scheute sich nicht, mit den gebannten Fürsten Umgang zu pflegen und dem Kaiser die ihm als Reichsoberhaupte gebührende Achtung zu zeigen 2). Dafür traf ihn und sein Domkapitel die Kirchenstrafe,

 

1) Ueber Viele scheint schon in Köln Strafe verhängt worden zu sein. Cod. Udalr. Nr. 291: Adalbert rühmt sich gegen Otto von Bamberg: Eadem quidem, quae et caeteris eisdem neglectoribus Concilii, nobis quoque injuncta esset sententia, scilicet vel divini officii suspensio vel a communione corporis et sanguinis Dominici formidanda interdictio, nisi nostrae petitionis diligentia hoc praevenisset. — Hartwig in der öfter angeführten Antwort auf Konrad's Einladung entschuldigt sein Ausbleiben außer anderen Gründen durch die Gefahren, die eine Reise nach dem Westen des Reichs bedrohten: per medios hostes iter nos habituros vel ab illis vel ab istis periculum vitae et honoris nostri subituros.

2) Adalbert's Schreiben nach der kölner Synode Cod. Udalr. Nr. 291: Quis hoc nescio qua praetermissum fuerit negligentia. Dann nach der fritzlarer Synode in viel erbitterterem Tone und nicht mehr an Otto, sondern an das bamberger Domkapitel: Episcopi quoque vestri exemplo obedientia postposita aliqui vestrum excommunicatis personis indifferenter communicatis et promiscue, quae Dei sunt, reddatis obsequio Caesaris. Daß die Gebannten die Fürsten der kaiserlichen Partei waren, beweist die vorhergehende Mahnung: melius est confidere in Domino quam confidere in principibus filiis hominum, in quibus non est salus. Aehnliche Vorwürfe und Drohungen als dem Domkapitel von Bamberg macht Adalbert dem würzburger. S. Cod. Udalr. Nr. 289. Die Widersetzlichkeit dieses ist um so auffallender, als der Bischof Erlung zu des Kaisers Feinden gehörte und so in der bezeichneten Diöcese zwischen Haupt und Gliedern des Kapitels eine Spaltung eingetreten sein mußte. Die Waffen Herzog Konrad's schreckten wol die Domherren mehr als die Drohungen Kuno's und Adalbert's oder die Mahnungen Erlung's. Auch nach des Letzteren Tode zeigte das würzburger Kapitel große Anhänglichkeit für den Kaiser und ließ sich dadurch sogar zu einer großen Uebereilung verleiten.

 

 

 

____

245 Heinrich's Rückkehr nach Deutschland.

 

welche Adalbert nun nicht mehr von ihm abwenden konnte oder wollte; doch Otto fand in dem Bewußtsein recht zu handeln Trost und in den Armen der Herzoge von Schwaben und Franken Schutz, wie Alle, die des päpstlichen Legaten und der Erzbischöfe Verfahren misbilligten, doch deren verhängte Kirchenstrafen fürchteten. Ob aus anderen Ursachen als aus Furcht vor Friedrich von Schwaben die Kirchenversammlung von Mainz nach Fritzlar verlegt worden war, mag unentschieden bleiben; daß aber in jener Zeit die hohenstaufischen Brüder weder unthätig noch ungerüstet waren, unterliegt keinem Zweifel, da auf ihre Heeresmacht gestützt, auf den von ihnen gesicherten Wegen Heinrich im Herbste 1118 aus Italien zurückkehrte, bis nach Worms ungehindert hinaufzog und anfangs 1119 selbst bis in die nördlichen Rheingegenden vordrang. Gleichwol hören wir seit der Zerstörung Oppenheims durch die Mainzer und Sachsen von keinem Kriegsereigniß in jenen Gegenden. Auch Friedrich von Schwaben scheint eingesehen zu haben, daß mit weltlichen Waffen der Kampf nicht zu entscheiden, das Ansehen, die Macht und die Anerkennung des Kaisers nicht zu erzwingen seien; denn wider die Waffen, welche Kuno und Adalbert jetzt ihm entgegenhielten, schützte Mäßigung, Nachgiebigkeit, Verständigung mit den Fürsten der Gegenpartei besser, und auf diesem Wege kamen letztere ihm bereitwilliger entgegen. Einige annähernde Schritte müssen von beiden Theilen damals gemacht sein, da einerseits zwischen ihnen keine Feindseligkeiten mehr vorfielen, andererseits das Verfahren der Kircheneiferer beweist, daß sie in keiner Gemeinschaft mit den sächsischen Fürsten handelten, daß sie nicht mehr von dem Beistande Lothar's, sondern von der Wirkung ihrer Bannflüche den Sieg der Kirche erwarteten. Nur freilich noch nicht entbehrlich war jener ihnen geworden und sobald es die Noth erfoderte, mußten sie auf ihn zählen können. Desgleichen blieb Lothar wachsam bei allen Schritten der Kaiserlichen und sah bei drohender Uebermacht derselben in Adalbert den wirksamsten Verbündeten. Diese gegenseitige Rücksicht hielt zu allen Zeiten beide Manner in Verbindung, die bald loser bald enger erscheint, wie es die Zeitumstände erheischten.

 

Den Sachsenbund belebte damals schon das vereinte Streben, den im Reiche gestörten Landfrieden wenigstens innerhalb ihrer

 

 

 

____

246 Fünfter Abschnitt.

 

Grenzen herzustellen und jedes Vergehen wider denselben durch gemeinsames Aufgebot zu ahnden. In diesem Bemühen nach einer festen Norm für künftige Fehden konnten auch politisch oder kirchlich Getrennte sich vereinen und dadurch ein Vorbild für ganz Deutschland geben. Mochte man außerhalb der Provinz sich anschließen, welcher Partei man wollte, nur innerhalb jener sollten nicht Raub, Verheerung und Unbilden gegen Schwache und Hülflose geduldet werden. So wurde allein dem überhand nehmenden Raubwesen in Sachsen und Thüringen gesteuert, weil Ritter und selbst Fürsten hier es ungescheuter zu treiben sich erlaubt hatten, da nicht das Reichsverbot sie schreckte. Ja der Fürst, der des Kaisers Person noch immer dem Namen nach vertrat und die Reichsgerichtsbarkeit pflegen sollte, gab selbst dem Raubgesindel ein böses Beispiel und ihrem Gewerbe Schutz. Pfalzgraf Friedrich von Putelendorf, der, wie früher erzählt ist, mit seinem Stiefvater Ludwig von Thüringen sich ausgesöhnt hatte und dem Bunde der Fürsten, wenn auch nicht beigetreten, doch seit seiner Vermählung mit Agnes von Limburg nicht mehr feindlich entgegengetreten war, fühlte nicht lange bei Waffenruhe und im Kreise des ehelichen Glückes, das anfangs eine edle Gattin ihm darbot, sich befriedigt. Die große Geldsumme, die Ludwig ihm für die abgetretenen Güter ausgezahlt, glaubte er zu Werbungen von Kriegsvolk, Befestigung oder Anlegung von Burgen besser verwenden zu können, als nach dem Beispiel Anderer Stiftern und Klöstern, denen er früher viel Böses zugefügt, eine Vergütigung zu schenken. Ja er begann seine neuen Gewaltthätigkeiten mit Beraubung des Klosters Gosek, das einst seine Vorfahren aus einem stolzen Schloß in ein Gotteshaus verwandelt hatten. Kaum vermochte Agnes seinen Unbilden gegen die Mönche und gegen Ludwig, den Schirmvoigt derselben, zu steuern 1). Denn das für Geld Abgetretene wieder an sich zu reißen, glaubte Friedrich, sei nur Betrug mit Betrug vergolten. Auch hätte dies noch nicht den Herzog Lothar und den ganzen Sachsenbund wider ihn aufgebracht. Als er 2) aber in dem reichsten Landstriche Thüringens, in der sogenannten

 

1) Goseker Mönch S. 115. Der Pfalzgraf zwackte den Mönchen eine Summe Geld ab, wofür er Schonung ihres Gutes versprach: Quod uxor ejus, ut comperit, dissuasit, unde allatam pecuniam suscipere recusavit.

2) Nicht Fridericus junior de Sommerseburg, wie Ann. Saxo ad 1117 hat. Jener hielt wie sein Vater zum Sachsenbunde. Der Goseker Mönch ist über Personen, die sein Kloster angehen, eine zuverlässigere Quelle. Zwar hat er nur Fridericus Palatinus, aber dieser ist ihm nur Friedrich von Putelendorf. Ueber den ganzen Vorfall s. meine Geschichte der Pfalzgrafen von Sachsen, §. 6, S. 127. Wenn ich dort durch die Worte regio fretus auxilio (Goseker Mönch a. a. O.) veranlaßt die Zerstörung des Kyfhäuser erst nach Rückkehr des Kaisers gesetzt, so könnte freilich nur in den Ausgang 1118, in welches Jahr die Chronisten die Begebenheit setzen, die Belagerung fallen. Unter dem königlichen Beistand den der kaiserlichen Partei zu verstehen, ist gewagt. Ich stelle deshalb hier die Sache außer Verbindung mit den Parteien in Deutschland, bin aber immer noch geneigt, sie als eine Scene des großen Dramas zu betrachten.

 

 

____

247 Zerstörung von Kyfhausen.

 

güldenen Aue, die Burg Kyfhausen so stark befestigte, daß kaum Menschengewalt sie zu zerstören vermochte und zwar jenes nicht, wie der Punkt emporragend in einer weiten Ebene wol geeignet gewesen wäre, zum Schutz und Frommen der Umwohner, sondern um sie zu placken und zu berauben, da erregte dies Unwesen den Unwillen der Fürsten. Aufgefodert von Lothar, dem Bundeshaupt und Beschützer des Landfriedens, legte sich ein starkes Heer um den Kyfhäuser. Dennoch war es nicht leicht ihn zu nehmen, und erst als die Belagerer unter Mühseligkeiten ausgeharrt, bedeutende Verluste durch die Ausfalle der sehr tapfern Besatzung 1) erfahren, den Sturm nicht ohne viele Todte und Verwundete ausgeführt hatten, ward die Veste erobert, verbrannt und dem Erdboden gleich gemacht 2). Daß man Friedrich selbst nicht wie einen Räuber fing und bestrafte, davor schützte ihn sein Amt, das man in Sachsen noch respektirte, und die Verwandtschaft mit den Fürsten, die seinem Unwesen entgegengetreten waren. Ihn unschädlich zu machen genügte; zum Besten des Landes hätte gedient, wenn man auch noch andere Burgen, in denen kaiserliche Anhänger oder Besatzungen, die in des Kaisers Diensten zu stehen vorgaben, auf ähnliche Weise hausten, zerstört und die Vertheidiger härter gezüchtigt. Aber die Aufmerksamkeit des Sachsenbundes ward vorerst wieder nach Außen hingezogen.

 

1) Goseker Mönch p. 115: Impositoque praesidio viris fortissimis locavit (castrum).

2) Ann. Saxo ad 1118. Goseker Mönch a. a. O. Erfurd. Variloquus, Mencken II, p. 476, wo Erphese statt Kuphese, Chron. Samp. ad 1118, wo Tophestede mehr eine Erklärung des Wortes Kyf- (Topf) husen (Stätte) ist. Ursini Chron. Thur., Menck. III, p. 1262, Joh. Rothe, Menck. II, p. 1680 u. a. m. Vielleicht nahmen außer dem Kyfhäuser die Fürsten dem Pfalzgrafen noch andere Burgen und Ortschaften, die zu seinen Hausgütern oder zu den Reichsdomainen, die er verwaltete, gehörten. Zu letzteren müßte die Pfalz Allstedt, gleichfalls in der güldenen Aue, gezählt werden, deren Eroberung durch Ludwig den Jüngeren von Thüringen zum Jahre 1118 Leukfeld, Antiquitates Altstetens. ad 1118, und Pfefferkorn, Thüringer Chron. S.426, anmerken.

 

 

____

248 Fünfter Abschnitt.

 

Der ganzen Lage der politischen Verhältnisse schien eine Aenderung bevorzustehen, als Heinrich unerwartet im Jahre 1118 nach Deutschland zurückkehrte. Wenn ihn dazu die Drohungen der in Fritzlar versammelten Geistlichkeit bewogen, wie die Chronisten berichten, so mußte der Kaiser diese mehr gefürchtet haben, als die Waffengewalt der Fürsten; denn von diesen hatte keiner an den Synodalbeschlüssen Theil genommen. Vermessen genug klangen letztere: „Der Kaiser sollte in Würzburg vor einer allgemeinen Versammlung sich rechtfertigen oder, falls er nicht erscheine, seiner Absetzung gewärtig sein“. Es ist bei der Theilnahmlosigkeit der weltlichen Reichsfürsten kaum zu glauben, daß ein solcher Beschluß von den Geistlichen wirklich abgefaßt worden, sondern daß er nur als Gerücht zu des Kaisers Ohren gekommen 1). Allein Heinrich wußte wohl, welche Gewalt ein Ausspruch von Geistlichen, auch wenn er anfangs ohne Gewicht und Bedeutung gefällt worden, mit der Zeit erhalte. Der Bannstrahl der Vienner Synode, anfangs kaum beachtet, in Deutschland von Keinem zu verkünden gewagt, war gleichwol dem Kaiser verderblich geworden, weil er nicht gleich das schleichende Gift entfernt und seiner Wirkung sich entzogen hatte. Die ihm hinterbrachte Drohung der Fritzlarer Synode konnte noch viel gefährlicher werden, indem sie keinen Akt der geistlichen, sondern einen Beschluß sämmtlicher Fürsten Deutschlands aussprach. Da durch den Kirchenbann der Eid der Treue seine bindende Kraft verloren, so wäre eine Absetzung, eine neue Wahl leichter als je in Deutschland auszuführen gewesen. Daß indeß die weltlichen Fürsten, auch die sächsischen, an all Dies noch gar nicht gedacht, daß nur ein Gerücht, von den Kirchenfürsten ausgesprengt, es verkündete, oder daß höchstens von Fritzlar aus eine Auffoderung an die Reichsfürsten ergangen, sich in Würzburg zu einem Schiedsspruche über den Kaiser zu versammeln, ist aus der damaligen Stellung der Parteien allzuklar,

 

1) Die Worte in Chron. Ursp. sind nicht als Faktum, sondern nur als eine Nachricht, die zu des Kaisers Ohren gelangte, aufzufassen. Erst berichtet der Chronist, was wirklich geschehen: Alteram quoque synodum in Friteslar eadem pro causa indixit (Cuno), qua et habita eandem quam prius excommunicationem confirmavit. Dann folgt das Gerücht, das der Kaiser vernahm: His auditis (darüber konnte er ruhig sein, weil es oft geschehen; dann aber folgt, was ihn in Zorn versetzen mußte) insuper etiam, quod principum consensus generale vel curiale colloquium non multo post apud Wirziburg instituere proposuisset, ubi ipse aut praesens ad audientiam exhiberi aut absens regno deponi debuerit, efferatus animo, Italiae suis copiis cum regina relictis Germanicis se regionibus nimis insperatus exhibuit.

 

 

____

249 Einverständniß der weltlichen Fürsten d. Reiches.

 

wird auch von keinem Geschichtschreiber als ein Faktum berichtet. Ein gemeinsamer Beschluß der Fürsten, den Kaiser vorzuladen und, wenn er nicht erscheine, abzusetzen, bedingte, daß auch die Häupter der kaiserlichen Partei, Friedrich, Konrad, Gottfried, Heinrich's Sache aufgegeben, ja verrathen hätten; denn daß sie ihren Gegnern unterlegen waren, ist um so unwahrscheinlicher, als keine anderen Waffen damals wider sie gebraucht wurden, als jene kirchlichen, die Kuno und Adalbert durch Bannstrahl und Interdikt bekundeten. Wie wenig sie aber wirkten, beweist schon die Widersetzlichkeit, die Abneigung, der Unwille so vieler Geistlichen, die der Kirche sonst Treue und Gehorsam gezeigt hatten, mehr noch die Theilnahmlosigkeit der sächsischen Fürsten an dem Vorhaben der Kircheneiferer und endlich die Furcht Vieler vor des Kaisers Anhängern, der Umgang der würzburger, bamberger und anderer Geistlichen, des frommen Bischofs Otto mit den gebannten Hohenstaufen und Freunden des Kaifers. Daß aber dem Gerüchte einiges Wahre zum Grunde gelegen habe, ist ebenfalls nicht zu bezweifeln. Dürfen wir es deuten, so gibt es eine Bestätigung der früher ausgesprochenen Vermuthung, daß eine Annäherung der Fürsten beider Parteien stattgefunden, die durch ein gemeinsames Interesse, einerseits die Willkür des Kaisers zu verhindern, andererseits der Anmaßung der hohen Geistlichkeit Schranken zu setzen, herbeigeführt worden. Die Unterhandlungen, welche 1116 vor Worms angeknüpft waren, zu Frankfurt leider aber nicht eine gemeinsame Berathung über Das, was zu des Reiches Wohlfahrt diene, zur Folge hatten, noch einmal aufzunehmen, wurde von den sächsischen Fürsten gewiß nicht verweigert, sobald die kaiserlichen dazu sich bereit zeigten. Ein Hartwig von Regensburg, ein Otto von Bamberg waren Vermittler, die durch die eigene Stellung zu der rigoristischen Kirchenpartei ein Interesse für solche Einigung der Fürsten fanden; jeder Friedliebende, Rechtlichgesinnte bot gern ihnen zum gleichen Zwecke die Hand, daß Friedrich von Schwaben und sein Bruder Konrad nicht mehr von der Entscheidung durch das Schwert einen Sieg ihrer Sache, eine Vergrößerung ihrer Hausmacht erwarten durften, hatte ihnen der Jahre lang erfolglos geführte Kampf bewiesen. Weder konnte der Eine dem Erzbischof von Mainz Etwas abgewinnen, noch der Andere dem Bischof Erlung das Herzogthum Franken ganz entreißen; in die Ferne zu wirken, der antikaiserlichen Partei unter den Fürsten beizukommen, war vollends unmöglich. Es ist darum nicht unwahrscheinlich, daß ein Einverständniß der weltlichen Optimaten des Reiches insoweit zu Stande kam, daß man auf einer allgemeinen Versammlung zu

 

 

____

250 Fünfter Abschnitt.

 

Würzburg über die Hauptgegenstände, welche hemmend oder fördernd auf die Beilegung des verheerenden Bürgerkrieges, der Allen ein Anstoß geworden und unabweisliche Klagen der Unterthanen hervorrief, sich berathen wollte 1). Wie geneigt aber auch die kaiserliche Partei zu einer friedlichen Ausgleichung sein mochte, verhehlen konnte sie sich nicht, daß diesmal des Kaisers Sache zu vertheidigen, ihn gegen die Kircheneiferer zu rechtfertigen, sein Ansehen gegen die Foderungen der sächsischen Fürsten aufrecht zu erhalten, noch schwieriger sein werde als vor zwei Jahren in Frankfurt. Den fanatischen Sinn Kuno's, die Ränke Adalbert's hatten sie mit Recht zu fürchten. Daß Beide auf eine Absetzung Heinrich's hinarbeiteten und die sächsischen Großen, vornehmlich Lothar, für diesen Plan zu gewinnen suchten, konnte ihnen nicht verborgen bleiben. Wenn die Gemäßigteren der Gegenpartei auch eine Rechtfertigung des Kaisers, die er in Person ablege — denn nur so hatte sie Gültigkeit — anhören wollten, die erbitterten Prälaten waren nur durch Gewährung ihres Verlangens, durch Entthronung Heinrich's, die in dessen Abwesenheit rasch vollzogen werden sollte, zu befriedigen. So stand bei der anberaumten Reichsversammlung statt der Hoffnung, dem Reiche den Frieden zu geben, die Furcht näher, es werde der Zwiespalt von Neuem und heftiger als je von ihr ausgehen. Besorgte Freunde des Kaisers mochten diesen von dem Vorhaben der Fürsten benachrichtigen und es in jenes Dilemma fassen: „Er werde entweder anwesend sich rechtfertigen müssen oder abwesend der Krone verlustig gehen“.

 

In so mislicher Lage schlug Heinrich den Weg ein, der ihm oft schon einen günstigen Ausgang gezeigt hatte. Er überraschte seine Gegner, die ihn damals mehr als früher in Italien gefesselt glaubten. Und sein Heer durfte er allerdings ohne Nachtheil, ja ohne Schmach nicht aus der apenninischen Halbinsel herausziehen; konnte er indeß auf seine Freunde in Deutschland sicher zählen, so genügte seine Person, um der Gegner Pläne zu zerstören. Kein geringer

 

1) So erhalten die Worte: Principum consensus generale vel curiale colloquium apud Wirziburg instituere proposuisset eine der Sachlage entsprechende Bedeutung. Würzburg erscheint dabei als ein sehr passend gewählter Ort. Der Bischof Erlung war zwar des Kaisers Gegner, das Kapitel aber den Anhängern Heinrich's zugethan. So theilten sich wahrscheinlich auch die Bevölkerung des Bisthums und die Vasallen des Herzogthums Franken. Ueberdies lag Würzburg in der Mitte der streitenden Parteien. Später wurde es wirklich Ort des Friedenskongresses.

 

 

____

251 Heinrich's Rüstungen am Rhein.

 

Schrecken erfüllte diese, als Heinrich im November 1118 am Rhein erschien, als er seinen zornigen Sinn durch Kriegsrüstung und Aufruf zu den Waffen bekundete und mit dem Schwerte die Netze, welche ihm gestellt waren, zu zerreißen drohte. Ernst konnte es ihm sein, noch einmal mit Aufbietung aller ihm zu Gebote stehenden Kräfte einen Schlag zu versuchen und lieber kämpfend zu fallen, als kleinmüthig sich zu ergeben. Hatte er doch mit viel geringerer Macht, als ihm in Deutschland die Hand bot, zwei Päpste aus Rom verjagt und zur Flucht in die Fremde genöthigt; sollte er nicht die rheinischen Erzbischöfe, die päpstlichen Legaten und eine Schar kriegsunkundiger Prälaten aus dem Reiche zu treiben und sich zum Herrn des Rheinstromes zu machen hoffen dürfen? Und hatte er hier die Oberhand gewonnen, so schien Sachsen dem kaiserlichen Aufgebot im Süden und Westen nicht länger Widerstand leisten zu können. Man darf aber wol weniger Heinrich als den deutschen Zuständen die Schuld beimessen, einen schon ersterbenden Kampf von Neuem ins Leben gerufen zu haben. Hätte denn die würzburger Fürstenversammlung zu etwas Anderem als Bürgerkrieg und förmlicher Spaltung des Reiches führen können? Und durfte der Kaiser ihrem Ausspruche sich unterwerfen? Die Verhältnisse, die Stellung der Parteien riefen das Unvermeidliche hervor, und Heinrich mußte, wenn er nicht Alles verlieren wollte, das Aeußerste wagen 1). Den würzburger Fürstentag zu hintertreiben, um nicht, wie einst sein Vater in ähnlicher Lage 2), eine unwürdige Rolle zu spielen, zeigte er die Miene des beleidigten, erzürnten Kaisers und hoffte so den Kampf schneller und glücklicher zu beenden, als wenn er erst die Gemüther nach nutzlosem Bemühen zur Versöhnung heftiger erbitterte. Nur wenn ohne

 

1) Chron. Ursp. ad 1119 gibt zwar mehr die Folgen seines Verfahrens, aber auch die Notwendigkeit, welche Heinrich dazu trieb: Cumque ab aemulorum suorum injuriis manum abstinere nimietas illum iracundiae nullatenus permitteret, mox invasionum, depraedationum atque incendiorum furor, qui jam sopiri posse sperabatur, hoc exemplo rectoris scilicet universalis excitabatur.

2) Auf dem Reichstage zu Tribur im Oktober 1076, wo Heinrich IV. von seiner weltlichen Macht keinen Gebrauch gegen die deutschen Gegner machte. Indeß ihm stand ein zwar demüthigender aber wirksamer Ausweg offen, der jetzt für Heinrich V. nicht vorhanden war. Er wäre, wenn die deutschen Fürsten ihn zur Abdankung nöthigten, auf immer verloren gewesen.

 

 

____

252 Fünfter Abschnitt.

 

außern Zwang von ihm die Friedensunterhandlungen ausgingen, konnte er in Punkten der Streitfrage mit Ehren nachgeben und dem Unvermeidlichen den Schein freier Bewilligung geben.

 

Die Rüstungen von seiner Seite riefen gleiche bei den Gegnern hervor, und weder Adalbert von Mainz noch dem Herzoge Lothar war etwas abzugewinnen. Die Beiden drohende Gefahr zog ihre Verbindung wieder enger. Der Erzbischof konnte dem Schwerte des Kaisers nicht mehr wie vorhin wirksam den Kirchenbann entgegenhalten, er bedurfte des schützenden Armes; und dieser fand sich nun gern bereit, weil die Anmaßung des deutschen Kirchenhauptes nicht mehr beleidigend und geringschätzend der frühern Bundesgenossen zu entrathen vermochte.

 

Kaum aber waren beide Parteien kampfgerüstet aufgetreten, als die Nachricht nach Deutschland kam, der Papst Gelasius sei am 29. Januar 1119 zu Klugny gestorben, und am 1. Februar 1) Quido von Vienne an demselben Orte von den Kardinalen als Kalixtus II. erwählt. Das änderte Vieles in Deutschland und Italien. Der gelehrte, in der Geschäftssprache und im Geschäftsleben wohlerfahrene Gelasius II. hatte nicht die Eigenschaften besessen, die erfoderlich waren, um den unter seinem Vorgänger wankenden Stuhl Petri aufrecht zu erhalten oder nur die Fähigkeit, diesen Stuhl, den ihm Gregor VIII. entrissen, wiederzugewinnen. Schon die übereilte Wahl ohne Beobachtung der gehörigen Formen, ohne Zustimmung des Volkes gab seiner Person in den Augen Vieler keinen Vorzug vor Gregor VIII., und im Kirchendogma Unbefangene neigten sich zu diesem, der, wenn auch etwas stürmisch, doch nach Prüfung des kanonischen Rechtes, öffentlich und an geweiheter Stätte erhoben war und in der ewigen Weltstadt wirklich auf Petri Stuhl thronte. Wir haben gesehen, daß Gelasius zuerst den Schutz der Normannen suchte, die auch ihre Heeresmacht aufboten, ihn nach Rom zurückzuführen. Aber eine bloße Gesandtschaft des Kaisers reichte hin, um von diesem Vorhaben den Fürsten von Kapua abzuhalten. Als der Papst von seinen übermächtigen Lehensträgern Wilhelm und Robert unbesonnen die Herausgabe einer Veste verlangte, verließen

 

1) Beide Zeitangaben nach Pagi Crit. ad 1119, Mertene, Coll vet scrpt. I. p. 644 und die folgenden Seiten enthalten vielfache Meldung beider Begebenheiten, aber nicht das Datum. Das Schreiben der Bischöfe Crescentius und Vitalis gibt nur die Beistimmung der römischen Geistlichkeit zu der Wahl Calixtus' Kalend. Martii.

 

 

____

253 Der Tod Gelasius' II.

 

ihn beide sammt ihren Baronen 1). Nach dem mislungenen Versuche, sich Roms zu bemächtigen, der ihn einer zweiten Mishandlung der Frangipani preisgegeben hätte, wenn nicht seine Freunde, während des entstandenen wilden Tumultes ihn aus der Stadt zu entfernen gewußt, hoffte er in Frankreich sein Heil zu finden. Ueber Pisa und Genua langte er (Ende Oktober 1118) in Marseille an, wo ihm von französischen Fürsten und Geistlichen, wie schon manchem seiner Vorgänger, ein ehrenvoller Empfang zu Theil wurde. Eine Hauptstütze für ihn war der Erzbischof Quido von Vienne, der alte Widersacher Heinrich's V.; auch auf die rheinischen Erzbischöfe durfte er rechnen; deshalb ward Kuno von Präneste als Legat nach Köln gesandt. Obwol dieser, wie wir gesehen, kaum mehr als die früher schon dem Kaiser trotzigen Prälaten für Gelasius gewann, so hoffte Letzterer doch durch eine Synode deutscher und französischer Bischöfe sein Ansehen in den Augen der Völker zu heben und den Kampf zwischen Reich und Kirche, die ihm so verderblich geworden, zu seinem Vortheil zu schlichten 2). Da rief ihn der Tod ab.

 

Die wenige Tage darauf erfolgende Wahl Quido's durch sechs anwesende Kardinäle, hundert Geistliche und Laien aus Rom, die Gelasius begleitet hatten 3), beweist sowol in der Form als in der

 

1) Pandulfi Vita Gelasii, p. 394: Tunc Papa vellet multum quam reddi nimis inconsulte praeceperat Circaeam arcem habere. Igitur Dux et Princeps cum baronibus rediere.

2) Falco Benevent ad 1118: Apostolicus ipse stabilivit, ut in sequenti mense Martio synodum cum Patribus Franciae Teutonicisque celebraret ibique de Sacerdotii et Regni discidio longe lateque habito Spiritu Sancto mediante loquerentur. Chron. Ursp. ad 1119 gibt auch eine solche als gehalten an: Gelasius apud Viennam synodum congregavit, eaque transacta post paucos dies in Monasterio Cluniacensi vitam praesentem in Domino finivit. Unter jener Synode sind wol nur die um Gelasius versammelten Bischöfe Frankreichs und Burgunds zu verstehen, die ihn seit seiner Ankunft begleiteten oder die schon zur Kirchenversammlung, welche er mit der Geistlichkeit von Frankreich und Deutschland zu halten gedachte, sich eingefunden hatten. Daß diese noch nicht gehalten, erhellt daraus, daß die deutschen Bischöfe noch ihre Heimat nicht verlassen hatten. Vergl. Pagi Crit. ad 1119, num. 1.

3) Vita Vip. cap. XI, §. 23: Viennensis Episcopus a septem Cardinslibus et reliquo clero ac Romanis, qui cum Papa Gelasio expulsi apud Gallos exulabant et ab universis Galliae Episcopis Papa constituitur. Daß Letztere nicht zugegen waren und erst später beistimmten, ist klar. Der Brief Guido's an Adalbert, Chron Ursp. 1119, erwähnt aber auch Episcopi außer den Cardinales et centum clericos et laicos Romanorum und Wilhelm Malmsbur lib. V.: Simulque omnis ecclesia Cisalpina. Doch siehe dies in der vorigen Note erklärt.

 

 

 

____

254 Fünfter Abschnitt.

 

Person des Gewählten, daß der Haß der Kirchenpartei gegen den Kaiser noch durch Nichts gebeugt, daß in dem Streit zwischen Kirche und Reich friedlich nachzugeben noch keineswegs ihre Absicht sei. Man würde aber irren, wenn man glaubte, daß ohne andere Rücksicht, ohne einen äußern Drang der Umstände die Wähler Quido, den längst bewährten Widersacher des Kaisers, zum Papst erkoren. Wie ehrenvoll auch immer Gelasius und seinen Begleitern in Frankreich begegnet worden, daß sie seit Betretung des französischen Gebietes von dessen König und dessen Klerus abhängig waren, diesen die Entscheidung über den römischen Stuhl übergeben, von ihnen also auch ihr eigenes Heil zu erwarten hatten, wußten sie sehr wohl. Auch suchte Ludwig VI. von seinen Schützlingen so viel Vortheil für sich und sein Reich zu ziehen als er konnte. Bei der neuen Papstwahl war sein Einfluß, sein Wille, sein Wunsch entscheidend. Er und die Königin Adelaide mußten es gern sehen, daß Letzterer Bruderssohn Quido, der aus dem alt-burgundischen Königshause entsprossen und ein Bruder des damaligen Grafen von Burgund war 1), zur päpstlichen Würde gelangte. Noch nähere Rücksichten walteten gegen den Erzbischof selbst ob. Die geflüchteten Kardinäle und Römer hatten gar nichts oder nur wenig von ihrem Eigenthume gerettet und lebten von der Gnade ihrer Beschützer. Quido hatte sie in seine Diöcese aufgenommen und von seinem großen Vermögen ihnen freigebig gespendet. Schutz und Unterhalt verdankten dieselben zunächst ihm. Wenn er Beides ihnen entzog, waren die Hülfebedürftigen im fremden Lande in zwiefacher Roth. Es ist wol kaum zu bezweifeln, daß diese Rücksicht die Wähler bei der Erhebung ihres Wohlthäters bestimmte 2). Quido gab sich freilich nach gewöhnlicher Weise der Päpste den Schein, als habe er nur gezwungen die schwere Last über sich genommen. Er benachrichtete den Erzbischof Adalbert von Mainz, vielleicht besorgt, daß dieser und die deutsche Geistlichkeit seiner Erhebung nicht beipflichten möchten,

 

1) Muratori, Rer. Ital. scpt. III, p. 419 ex Cardinali Arragonio: Calixtus II. natione Burgundio ex patre Guilhelmo Burgundiae Comite. Hic de magno sanguine Regum ac Principum est ortus. — p. 418: Ex Manuscripto Pandulfi Pisani: Quido natione Francus consanguinitatis lineam a Regibus Allemaniae Franciae atque Angliae ducens. Wenigstens war Quido mit allen verwandt.

2) S. das Citat bei Mascov, p. 192, Anmerk. 4: Guidonem — loci autoritate et opibus fultum, quo tutiores in aliena provincia essent, loco defuncti Papae substituunt.

 

 

 

____

255 Erhebung Kalixtus' II.

 

von dem Hergange der Sache also 1): „Unser Herr Gelasius seeligen Andenkens befahl mir, als er Vienne verließ, ihm baldigst nach Klugny zu folgen. Nach wenigen Tagen machte ich mich auf, doch schon unterwegs ereilte mich die Nachricht seines Todes. Tief von Schmerz erfüllt setzte ich die Reise nach Klugny fort und suchte, wie es die Pflicht gebot, die Brüder, die mit dem heiligen Vater die Verbannung theilten, zu trösten. Während ich nachdachte, wie ich solche Tröstung ihnen heilsam bereiten könnte, traten sie zu mir und übertrugen mir die schwerste Last, der meine schwache Kraft nicht gewachsen scheint; und schon Tages nach meiner Ankunft, trotz meiner dringendsten Bitten und meines Ablehnens, riefen mich die versammelten Kardinäle, Bischöfe und hundert römische Geistliche und Laien einstimmig als Papst Kalixtus aus“. Ebenso schlau als mit den deutschen Bischöfen verfuhren der Gewählte und seine Wähler mit der römischen Geistlichkeit. In mehrfachen Schreiben über Land und über Meer, wie es die Unsicherheit der Verbindung mit Rom nöthig machte 2), benachrichtete man die Kardinäle, die nicht aus Zuneigung für Gregor VIII., sondern theils der Notwendigkeit nachgebend, theils um dort ihren entfernten Brüdern und dem verbannten Papst zu nützen, in Rom zurückgeblieben, von der neuen Papstwahl und sie wie viele andere italienische Geistliche gaben bereitwillig ihre Zustimmung 3). Was sollten sie auch thun? Durfte doch keiner

 

1) Chron. Ursp. ad 1119. Auch Pandulf. Pisan. a. a. O.: Qui se indig, num iterato reclamans idcirco modis omnibus resistebat; doch hier schon ein triftiger Grund: quia incertum habebatur a multis, utrum Romae ratum factum hujuscemodi teneretur.

2) So erklären sich die vielen dasselbe sagenden Schreiben und Antworten der auswärtigen und einheimischen Kardinäle und Geistlichen in Codex Udalr. Nr. 294-99 und Martene, Coll. p. 644 sqq. Der Grund wird uns aus Nr. 298. sehr klar! Allis vobis jam literis significavimus - - et quod terreni itineris securitatem non habemus nuntios cum literis et subscriptionibus nostris per mare ad vos Domino auxiliante mittemus.

3) S. die angeführten Schreiben in Cod. Udalr. und Martene. Coll — Pand. Pisanus in Murat. III. p. 418: Vix cappam rubeam amiciri sustinuit (Quido) donec nuntii redeuntes a Roma per Dominum Petrum tunc Episcopum Vicarium per Cardinales omnes et per Dominum Petrum Leonis etc. — electionem ipsam canonice jureque confirmarent. In Betreff des Ortes, wo Kalixtus gewählt worden, sind sie gar nicht schwierig. Ueber die nothwendigen Bedingungen einer rechtmäßigen Papstwahl nach Ansicht der Kardinäle gibt das Schreiben Cod. Udalr. Nr. 295 Aufschluß: „Quod a Romanae ecclesiae filiis Presbyteris vel Diaconibus et infra urbem si possibile fuerit, vel extra in locis finitimis (die allerdings sehr weit ausgedehnt scheinen) persona ad Papale officium idonea, decretis Sanctorum Pontificum testibus ad culmen Apostolicum debeat exaltari.“ Die Weihe Kalixtus' erfolgte den 9. Febr. S. Pagi ad 1119.

 

 

 

____

256 Fünfter Abschnitt.

 

von ihnen hoffen, für sich die Würde zu erlangen, die nur unter dem Schutze eines kräftigen Herrschers, wie Ludwig's von Frankreich, von einem reichbegüterten, sehr angesehenen und vor Allem von einem so gewandten und klugen Mann behauptet werden konnte. Allen diesen Bedingungen entsprach Quido von Vienne. Ueberdies war er einerseits ein Verwandter des Kaisers durch dessen Großmutter Agnes, Gemahlin Heinrich's III., andererseits hatte er zuerst es gewagt, den Bannfluch gegen Heinrich V., als selbst der Papst Paschalis dazu nicht den Muth gehabt, auszusprechen; somit standen ihm beide Wege offen, entweder mit dem Verwandten sich friedlich auszusöhnen oder dem Gebannten heftiger noch als zuvor in der neuerlangten Würde entgegenzutreten.

 

Für Deutschland, für des Kaisers Lage, waren die Ereignisse von Klugny von wichtigster Folge. Heinrich konnte sich nicht verhehlen, daß er in Kalixtus einen viel gefährlicheren Gegner bekommen, als in dem schwachen, mehr eigensinnigen als standhaften Gelasius. Hatte dieser kaum mehr als den Namen eines Papstes behauptet, nur durch Ludwig's von Frankreich Gnade Unterhalt und Anerkennung gefunden, so erschien mit Quido Alles anders. Zwar fehlte es nicht an Solchen, die an den Wahlformen Anstoß nahmen, oder die mit Neid Quido, der nicht Kardinal, nicht einmal einer der vornehmsten Erzbischöfe gewesen, so vielen höhergestellten, mehr oder doch gleich berechtigten Mannern vorgezogen sahen 1). Allein vor Quido's persönlichen Eigenschaften oder noch mehr vor der imponirenden Stellung, die er einnahm, mußten Zweifler und Neider verstummen. Quido war kein Flüchtling in Frankreich, er hatte hier längst wie ein Papst an der Spitze der gallikanischen Kirche gestanden, die hierarchischen Grundsätze des immer noch als Leitstern leuchtenden Gregor's VII. aufrecht erhalten; und nicht nur die französische Geistlichkeit war ihm ergeben, auch an dem Könige hatte er einen starken weltlichen Arm zu seiner Unterstützung, der als Verwandter ihm geneigt war, für gefällige Gegendienste ihm gern gegen Widersacher zur Seite stand und sich weder durch Drohungen noch Versprechungen

 

1) Mascov in der angeführten Note: Quibusdam tamen ob rei novitatem aliis, ut ferebatur, ob invidiam murmurantibus et aliter sentientibus.

 

 

 

____

257 Calixtus II.

 

des Kaisers abwendig machen ließ 1). Wäre es Letzterem selbst geglückt, den neuen Papst von Italien, von Rom abzuhalten, immer wäre noch Calirtus II. ein mächtiger Feind in Frankreich geblieben. Um ihm die kräftigste Stütze zu nehmen, hätte Heinrich den König Ludwig bekämpfen müssen. Doch wie konnte er daran denken, so lange die eigenen Reichsvasallen ungebändigt ihm trotzten? Die neue Gefahr von den Gegnern im Westen, die, wenn sie seinen Gegnern in Deutschland die Hand boten, ihn verderben konnten, mahnte den Kaiser ernstlich daran, der Zwietracht im Reiche, soweit es an ihm lag, keine neue Nahrung zu geben, den unzeitigen Zorn, seine Unversöhnlichkeit schwinden und an die Stelle der kriegerischen Rüstungen Friedensunterhandlungen treten zu lassen. Mit den geistlichen Fürsten war aber keine Anknüpfung möglich und selbst die gemäßigteren wollten erst die Beschlüsse des Concils zu Rheims, das Calixtus gleich nach seiner Erhebung sämmtlichen Rechtgläubigen auf den Oktober 1119 angekündigt hatte, abwarten. Darum mußte der Kaiser durch eine Aussöhnung mit den weltlichen Gegnern im Reiche ein Gegengewicht, das die Macht der Kirche auswog, zu erhalten suchen. Auch er sagte eine allgemeine Reichsversammlung auf Johannis 1119 zu Tribur an 2) und schien bereit, alle Beschwerden,

 

1) Dies Alles macht Ludwig's VI. Brief, Mansi, Conc. X, p. 855, sehr deutlich: Novit experientia vestra regnum Francorum in obsequiis, promptum, in necessitatibus amicum vobis exstitisse nec a fidelitate Romanae ecclesiae precibus aut promissionibus Imperatoris nos avelli unquam potuisse. Dafür fodert er, daß Kalixtus die Episcopi Provinciae Senonensis von der Metropolis Lugdunensis, die zu Deutschland gehörte, trenne: ne civitas Lugdunensis, quae de alieno est regno, de nostro floreat detrimento. Davon hatte der König einen großen Gewinn, weil er seinen Geistlichen unverwehrt die Belehnung mit den Regalien ertheilte. Die spätere gallikanische Kirchenfreiheit hat in der klugen Politik der französischen Könige früherer Jahrhunderte ihren Grund. Weil sie die Päpste gegen die Kaiser unterstützten, erhielten sie Vortheile für sich und ihre Geistlichen. Von den deutschen Kaisern erkannte außer Lothar keiner dauernd das Vortheilhafte einer Verständigung mit Rom und dem Papste.

2) Diesen Ort und die Zeit gibt Chron. Ursp. ad 1119: Apud Triburium in festo Sancti Johannis Baptistae. Ann. Saxo schreibt dies nach, gibt dann als die Zeit, in der die Versammlung gehalten: Circa Novembris initium. Beide den Ort dieser gehaltenen Reichsversammlung in Rhenanis partibus. Dodechin hat den 29. Juni und Mainz. Vita Vip. cap. XI, §. 25: Conventus Regis ad totius Regni Principum fit apud villam Eckstein super ripam fluminis Mogen. Chron. Samp. ad 1119 dieselben Worte, aber Erstein. Ueber Ort und Zeit vergl. man noch Stenzel II, S. 331 und 332, Luden IX, S. 657, Anm. 1 und unsere spätere Darstellung.

I. 17

 

 

____

258 Fünfter Abschnitt.

 

die gegen ihn erhoben waren, abzustellen 1). Wie sehr aber auch die Wünsche und Bitten der weltlichen und zum Theil der geistlichen Fürsten vorhin darauf gedrungen hatten 2), jetzt waren die Gemüther zu aufgeregt, zu mistrauisch und die Ansichten, Foderungen und Bestrebungen des Kaisers, der Geistlichen und Weltlichen zu wenig auf die Wohlfahrt des Reiches, vielmehr auf mögliche Förderung und Wahrnehmung der eigenen, der Standesinteressen gerichtet, sodaß man keine gemeinsame Nothwendigkeit, worauf als einer festen Basis die Berathungen zur Beilegung des Streites gegründet werden konnten, anzuerkennen bereit war. Der Kaiser wollte, ohne seine früheren Ansprüche aufzugeben, die Fürsten allein durch die Aussicht auf seine Gerechtigkeit und Milde gewinnen, und diese waren durch frühere Erfahrung schlecht verbürgt. Auf großen Besitz in allen Theilen des Reiches kam ihm am meisten an, darum mit den Sachsen über die erledigten Allodialgüter, über die dem Einen abgesprochenen, dem Anderen übertragenen Lehen keine Einigung möglich schien. Denn zur ersten Bedingung des Friedens machten die verbündeten Sachsenfürsten: Wiedererstattung und Wiedereinsetzung der Beeinträchtigten und Geächteten. Die Geistlichkeit endlich verlangte nicht nur dasselbe für ihre Kirchengüter und Kirchenlehen, sondern wollte auch Anerkennung des Papstes Calixtus und seiner . Anfoderungen in den Reichsfrieden mitbegriffen wissen. Demnach hätte Heinrich seinen Papst Gregor VIII. und — was viel härter — die Investitur aufgeben müssen. Dagegen sträubte sein Stolz sich zu sehr. Wenn alle jene Foderungen auf dem Reichstage zu Tribur geltend gemacht wurden, war seine Macht, sein Ansehen auf immer vernichtet, oder größere Zwietracht statt der Einigung die Folge. Er schob ihn also über die festgesetzte Zeit hinaus und versuchte vor der neuen Einberufung mit den Ständen einzeln zu unterhandeln. In Bezug auf den Kirchenstreit verkannte Heinrich nicht, daß unter dem jetzigen Haupte der Gegner seine früher gegen Gelasius ergriffenen Maßregeln alle Kraft verloren hatten und daß er seinem Papste Gregor in Deutschland nicht wie in Italien eine Anerkennung erzwingen könne. Diesen seinem eigenen Geschick, den wenigen Anhängern

 

1) Chron. Ursp. und Ann. Saxo a. a. O.: Ubi de omnibus, quae sibimet imponerentur, juxta senatus consultum se satisfacturum spopondit.

2) Chron. Ursp. und Ann. Saxo a. a. O.: Imperator totius Regni sacerdotum atque Procerum nuntiis compulsus generalem fieri apud Triburium Conventum consensit.

 

 

 

____

259 Unterhandlungen zu Straßburg.

 

in Italien, in Rom zu überlassen 1), mußte — wenigstens stillschweiged — der Kaiser einräumen, sobald Calixtus dafür sich dankbar und nachgiebig gegen ihn bewies. Dazu schien derselbe nicht abgeneigt und den früheren rigoristischen Kircheneifer abgelegt zu haben. Nicht gedachte er des Bannes, den Gelasius über Heinrich ausgesprochen, und schickte (etwa im August) 2) zwei französische Geistliche, den Bischof von Chalons und den Abt von Klugny, zum kaiserlichen Hoflager nach Straßburg, um vor Eröffnung der allgemeinen Kirchenversammlung den Weg friedlicher Ausgleichung zu versuchen. Heinrich empfing sie ehrerbietig, lieh ihren Vorstellungen ein geneigtes Ohr und zeigte sich zu einer Versöhnung mit der Kirche durchaus bereit. Auch die Gesandten waren Männer, deren Benehmen und Worte ein Einverständniß erleichterten. Pontius, der Abt von Klugny, hatte im Jahre 1116 dem Kaiser wesentliche Dienste bei den Unterhandlungen mit Paschalis geleistet und damals wie jetzt den Frieden zwischen Reich und Kirche gesucht. Der Bischof von Chalons, der eigentliche Wortführer, wußte den schwierigsten Punkt der Differenz, den Zankapfel zwischen Papst und Kaiser, Letzterem so darzustellen, daß die Verständigung darüber leicht und für beide Gewalthaber befriedigend erschien. Denn als Heinrich, jenen Punkt nicht geradezu berührend, ihm mit der Frage näherrückte: wie der Friede mit der Kirche unbeschadet seiner Rechte möglich wäre, antwortete jener mit Hinweisung auf seine eigene Stellung im französischen Reiche: „Wenn Ihr, Herr Kaiser 3), aufrichtig Frieden

 

1) Viele italienische Bischöfe, die früher für Gregor VIII. und gegen Gelasius II. gewesen, hatten nach Erhebung Calixtus' II. für diesen sich erklärt, wie aus den angeführten Schreiben in Cod. Udalr. und Martene zu ersehen ist.

2) Die Zeit muß zwischen den angesagten Reichstag zu Tribur und den in partibus Rhenanis wirklich gehaltenen gesetzt werden. Denn einer auf letzterem erschienenen Gesandtschaft Calixtus' an den Kaiser gibt dieser einen Bescheid, in Bezug auf welchen Chron. Ursp. und Ann. Saxo bemerken: Id enim Catalaunensis Episcopus et Cluniacensis Abbas apud Argentinam ipsum Convenientes multis ratiociationibus obtinuerant (so muß auch für obtinuerunt in Chron. Ursp. gelesen werden).

3) Es scheint mir Stenzel's Vorwurf gegen den Bischof von Chalons, als habe er, wie die Kircheneiferer insgesammt, dem Kaiser nur den königlichen Titel zuerkannt, aus dem von Hesso gegebenen Bericht über die Unterredung zu Straßburg und die ihr nachfolgenden Unterhandlungen nicht entlehnt werden zu dürfen. Hesso ist es, der in seinem ganzen Bericht (mit Ausnahme der Urkunden) Heinrich nur Rex nennt; darum läßt er auch die päpstlichen Gesandten Domine Rex sagen. Ich darf dafür wol unbeschadet das uns geläufigere: Kaiser setzen.

17*

 

____

260 Fünfter Abschnitt.

 

wünscht, so müßt Ihr die Investitur der Aebte und Bischöfe in jeder Weise aufgeben. Damit Ihr aber nicht glaubt, daß daraus für Euer Reich ein Nachtheil erwachse, so wisset, daß ich in Frankreich nach meiner Erhebung zum Bischof und nach empfangener Weihe nichts aus der Hand des Königs erhalten habe und ihm dennoch in Abgaben, Kriegsdienst, Zöllen und in Allem, was jemals dem Staate zugehörte und durch Schenkung christlicher Könige an die Kirche Gottes kam, ebenso treu diene, wie nur in Eurem Reiche Bischöfe thun, durch deren Investitur Ihr diesen Zwiespalt und den Bannspruch veranlaßt habt.“ Freudig entgegnete hierauf der Kaiser: „Wenn das ist, mag's geschehen, ich fodere ja nichts Anderes!“ Nun schien das Schwierigste gehoben, der Bischof versicherte mit großer Lebhaftigkeit: „Wenn Ihr also von der Investitur abstehen und die Besitzungen der Kirche und Derer, die für die Kirche sorgen, herausgeben und ihnen wahren Frieden gewähren wollet, so hoffen wir mit Gottes Hülfe diesem unseligen Zwist ein Ende zu machen.“ Heinrich versprach sogleich seinen anwesenden Fürsten und Begleitern die Sache vorzustellen und seine Zusage zu erfüllen, wenn er Treue und Gerechtigkeit bei dem Papste fände, wenn er selbst und die Seinen wahren Frieden erhielten und die Kirche auch ihrerseits dazu mitwirke, daß die dem Reiche entzogenen oder während des Krieges eingebüßten Besitzungen herausgegeben würden. Nach dieser Unterredung bat der Bischof um eine schriftliche Erklärung über die besprochenen Punkte, einerseits damit sie einen Beleg hätten, der den schönen Erfolg ihrer Bemühungen darthue, andererseits um den heiligen Vater nun auch leichter zum Friedensabschlusse zu bewegen. Dies ward nicht verweigert, und Heinrich bekräftigte noch mit Handschlag und einem Eide, daß er die gelobten Bedingungen erfüllen werde; das Gleiche thaten der Bischof von Lausanne, der Pfalzgraf Gottfried von Rhein und alle Geistliche und Laien, die mit dem Kaiser waren 1). Fast schien, nach dieser Unterredung zu urtheilen,

 

1) Die Verhandlung s. Udalr. Nr. 303 und besser Mansi Concil. XXI, 244. Chron. Ursp. ad 1119 verweist auf diesen Bericht des Scholastikers Hesso: Ejusdem tamen actionem concilii si quis plenarie cognoscere quaerit, in literis cujusdam Scholastici nomine Hessonis eleganter enucleatum reperire poterit. Daß Hesso ein Zeitgenosse der Begebenheiten gewesen, sagt er am Schlusse seines Berichtes: Quod vidi et audivi, fideliter et quanto brevius potui, descripsi. Wir dürfen dies glauben und auch mit Chron. Ursp. das eleganter enucleatum einräumen. Die Unterhandlung hat ganz den Charakter der Zeit und der Personen. Das schlaue Spielen und sich Verbergen hinter Worten, die vielfache Deutungen gestatten, kann Niemandem entgehen. Die wahre Absicht der Unterhandelnden erkennen wir nur aus der Lage der Dinge, die damals Kaiser und Papst zur Annäherung zwangen. Ihre Gesinnung bleibt so zweideutig wie ihre Worte es sind.

 

 

____

261 Unterhandlungen zu Straßburg.

 

der ganze bisherige Streit ein nichtiger um leere Formen geführter zu sein und, da man dies erkannt, das Ende nahe zu sein und der ersehnte Friede gewiß, — wenn nicht Worte, noch so heilig versichert, eine weite Deutung gestatteten, wenn nicht die Gesinnung, der wahre Wunsch nach Frieden allein entschieden!

 

Der Bischof und der Abt überbrachten die erhaltenen Friedensbedingungen des Kaisers dem Papste, der sich damals in Paris aufhielt. Auch Calixtus schien hoch erfreut und rief aus: „O daß Alles schon vollendet wäre, wenn es ohne Arglist des Kaisers sich zu Ende bringen läßt!“ So hatte auch Heinrich gesprochen und Beide sind von dem Vorwurfe, den sie einander machten, nicht freizusprechen; denn jeder suchte seinen Gewinn mehr als den Frieden.

 

Heinrich hatte von der Unterhandlung zu Straßburg einen wesentlichen Vortheil für seine Annäherungsversuche an die weltlichen Fürsten und die gemäßigteren Geistlichen zu erwarten. Letztere durften sich jetzt nicht mehr scheuen, mit ihm in Gemeinschaft zu treten, seit der Papst selbst keinen Anstand genommen, sich mit ihm zu verständigen. Von Bann oder gar Entsetzung war gar nicht mehr die Rede in Deutschland, die Kircheneiferer mußten verstummen und alle kirchlichen Verhältnisse dem Papst und der Kirchenversammlung überlassen. Dadurch wurden die Berathungen auf einer Reichsversammlung, die der Kaiser nur aufgeschoben, nicht aufgegeben, und der sich die deutsche Geistlichkeit weder entziehen, noch dort in Kirchensachen Bestimmungen festsetzen durfte, sehr erleichtert, nur auf Reichsangelegenheiten beschränkt und jedes diesen fremde Interesse zurückgedrängt. Und welchen Grund hätten die weltlichen Fürsten gehabt, einer Ladung Heinrich's keine Folge zu leisten? Dieser aber konnte nun unbeschadet seines kaiserlichen Ansehens einer Zusammenkunft mit den Reichsständen, einer Verständigung mit ihnen entgegensehen. Glücklich war durch seine überraschende Rückkehr aus Italien, durch die angenommene Miene von Gekränktheit, Zorn und Kampflust, sowie durch Bereitwilligkeit mit Calixtus sich zu versöhnen, durch scheinbare Offenheit und Treuherzigkeit bei der Unterredung mit den päpstlichen Gesandten das Gewitter, welches im vorigen Jahre drohend in der von den Fürsten beschlossenen Versammlung zu

 

 

____

262 Fünfter Abschnitt.

 

Würzburg über seinem Haupte sich zusammengezogen hatte, verscheucht und nicht mehr ein Schiedsrichterspruch, dem er sich unterwerfen sollte, zu fürchten, sondern billige Nachgiebigkeit, Beschränkung und Zurückhaltung seiner Ansprüche, ein Eingehen auf Anderer Rathschläge, ein Anerkennen der Privatansprüche und Familienrechte genügten, um dann auch seine Rechte, Ansprüche, Ehre und Ansehen von Allen erkannt und geachtet zu sehen. Anfangs September 1) fanden sich bei Mainz, da wo Rhein und Main ihre Wasser verbinden, Haupt und Glieder des Reiches zusammen und gelobten Die, welche als Feinde gegeneinander oder gegen den Kaiser die Waffen erhoben hatten, mit Handschlag und Eidschwur jede Fehde einzustellen und in allen Provinzen des Reiches Ordnung und Ruhe herzustellen, und wie sie wechselsweise sich, so Alle dem Kaiser und dieser ihnen jedes rechtmäßig beanspruchte Eigenthum zurückzugeben 2). Auf einer allgemeinen Reichsversammlung, zumal der ersten nach einem verwirrenden Kriege, konnte natürlich Nichts im Einzelnen bestimmt, sondern nur ein Grundsatz festgestellt werden, wonach man bei der Auseinandersetzung der im Kriege verlorenen und eroberten Ländereien bei Bestimmung der Reichseinkünfte in jeder Provinz zu Werke

 

1) So muß das circa Novembris initium des Ann. Saxo in circa Septembris initium nothwendig verändert werden, weil Heinrich's Versprechen: selber auf der Kirchenversammlung von Rheims erscheinen zu wollen, nicht nach Beendigung dieser gegeben werden konnte. Vergl. Stenzel's chronologischen Anhang II, S. 332. Sehr mit Recht setzt er hier (weniger klar bei der Erzählung der Begebenheit selbst I, S. 690) die Unterredung von Straßburg vor den Reichstag in partibus Rhenanis, gestützt auf die früher besprochenen Worte des Saxo Annal.: Id enim apud Argentinam obtinuerant, nämlich die päpstlichen Legaten). Darum durfte im Text der Einfluß dieser Unterredung auf die gute Verständigung des Kaisers mit den Reichsfürsten nicht unerwähnt bleiben. Weil aber jene nicht zum gehofften Resultate führte, konnte auch diese nicht lange bestehen.

2) Chron. Ursp. a. a. O.: Tam adversariorum quam amicorum Imperator concorditer usus consilio, unicuique per totum regnum suis rebus spolisto propria concedi praecepit, cunctaque Regum antiquorum fiscalia suam in ditionem interim recepit, paxque per universas provincias ab omnibus haberi collaudatur. Ein schöner Grundsatz, der von der besten Vertragung zwischen Haupt und Gliedern zeugte, bei der Ausführung aber auf unendliche Hindernisse stieß. Gewiß fühlten das Alle, aber Bedenklichkeiten zu erheben, hätte das Einverständniß gestört. Ohne allen Nachtheil konnte Heinrich dem Rath der Freunde wie der Gegner folgen, und beide ihm solchen Rath ertheilen. Es kam bei dem Zerwürfniß über die Ausführung nur darauf an, geschickt die Schuld auf einen Theil zu werfen.

 

 

____

263 Reichsversammlung am Rhein.

 

gehen wollte. Des Kaisers Entscheidung, daß Jedem das ihm Entrissene wiedererstattet werden, ihm selber alle Reichsgüter, wie früher den deutschen Königen, untergeben sein sollten, ward von Freunden und früheren Gegnern einstimmig gebilligt. Ebenso einträchtig wie die weltlichen Angelegenheiten wurden die kirchlichen berathen. Es hatten sich auf der Versammlung Abgesandte der beiden geschiedenen Kirchen, der beiden Päpste von Rom und Vienne eingefunden 1). Man hätte erwarten können, daß dies den heftigsten Streit erregen werde. Des Kaisers Benehmen und seine Entscheidung bauten dem aber sehr geschickt vor. Da er seit den Unterhandlungen mit Calixtus stillschweigend Gregor VIII. aufgegeben, durfte er vor den deutschen Bischöfen, die sämmtlich jenem sich hinneigten, um weder seine Parteiansicht vorwalten zu lassen, noch seine Abneigung gegen das bisherige Kirchenschisma verdächtig zu machen, zumal letzteres auch seine Anhänger nicht billigten, die Anerkennung seines Papstes nicht fodern. Durch seine rasche Erklärung von vorn herein wahrte er in dieser Angelegenheit, die den ganzen Friedenskongreß zu vernichten drohte, die Eintracht der Anwesenden und zugleich sein kaiserliches Ansehen, ohne daß der Vorwurf der Römer oder der Tadel der Deutschen und Franzosen ihn traf. Mit den Anhängern Calixtus' billigte er die Einberufung der allgemeinen Kirchenversammlung, die schon am 20. Oktober zu Rheims ihre Sitzungen beginnen sollte; er erklärte aber auch zugleich, daß er selbst dort erscheinen werde, um für die Wiedervereinigung der gesammten Kirche mitzuwirken 2). Hiedurch benahm er Gregor nicht die Hoffnung — und im Geheimen mochte er dessen Gesandte darin bestärken — seines Beistandes auf jenem Concilium gewärtig zu sein, vornehmlich aber gewann

 

1) Chron. Ursp. a. a. O.: Aderant etiam legati tam Romanorum quam Vienensium, immo diversarum ecclesiarum missi, confirmantes electionem Domini Calixti; diese letzteren Worte könnten zweifelhaft machen, ob die Gesandtschaft von Rom die Gregor's VIII. gewesen, wenn nicht der obige Zusatz diversarum ecclesiarum missi durchaus die beiden getrennten Kirchenparteien bezeichnete; confirmantes ist deshalb in zweifacher Bedeutung zu verstehen: die Einen benachrichtigend über die Wahl Calixtus', die Anderen dieselbe bestätigend. Daß Gregor sie dem Kaiser kund that, um dessen Entschließung, dessen Verhalten, vor Allem dessen ferneren Schutz zu erfahren, ist wol natürlich.

2) Dum universi nostrates Episcopi obedientiam protessi, synodum, quae sibi juxta festum S. Lucae indicebatur, collaudassent fieri, ipse rex semet ipsum ibidem pollicebatur ob reconciliationem universalis ecclesiae praesentandum iri

 

 

____

264 Fünfter Abschnitt.

 

er seine Deutschen durch diesen Eifer für Aufhebung des Kirchenschismas 1).

 

Wenn die Verhandlungen auf der Reichsversammlung bei Mainz, oder nach welchem Orte man immer sie benennen mag, auch noch wenig geeignet waren, Deutschland einen dauernden Frieden, eine feste Ordnung zu geben 2), so hatte sich doch der Wunsch nach Beidem von Seiten der Reichsstände durch die Anerkennung der kaiserlichen Rechte in weltlichen, wie in kirchlichen Dingen deutlich kundgegeben und von Heinrich hing noch einmal das Geschick des Reiches ab. Verstand er die Gelegenheit zu benutzen, oder hatte er die Macht in Händen, das Vertrauen und den Gehorsam der Reichsfürsten zu erringen, so hing dann auch die Entscheidung des Kirchenschismas von ihm ab. Denn in der Fürstenversammlung am Rhein erscheint sein Wille sowol gebietend über den Reichsständen, als über den zwei Päpsten. Gelang es ihm über den politischen und kirchlichen Parteien sich zu erhalten, alle die Punkte auszuführen, für welche in jener Versammlung eine Norm von ihm selbst aufgestellt und von allen Anwesenden gebilligt war, so ging Heinrich größer als je, größer als sein Großvater, dem Konrad II. ein gut vorbereitetes Werk zurückgelassen hatte, aus dem großen Parteienkampfe hervor. Seine geistige Kraft stand der Aufgabe, die ihm nun gestellt war, nicht zurück. Wenn er sie dennoch nicht zu seinem Vortheil löste, wenn er von der eingenommenen Stelle verdrängt wurde, trugen die Vergangenheit und — auch in dieser — seine sittliche Schwäche die Schuld.

 

1) Die sehr wichtige Frage, ob Heinrich Calixtus als Papst anerkenne, scheint ebenso wenig in Straßburg als bei Mainz (oder Tribur, oder Eckstein) aufgeworfen und von Heinrich wol absichtlich vermieden zu sein. Als alleiniger Kaiser hatte er zweien Päpsten gegenüber den Vortheil der Entscheidung; nur so lange zwischen Gelasius uud Gregor ihm die Wahl gewesen, hatte er für Letzteren entschieden; zwischen Calixtus und Gregor brauchte er nicht mehr für diesen zu kämpfen. Heinrich stellte als Kaiser sich über Beide und wollte als oberster Schiedsrichter in Rheims auftreten. Das suchte Calixtus schlau zu verhindern, nachdem er die Gesammtheit der deutschen Geistlichen und auch der Fürsten für sich erkannt hatte.

2) Sehr richtig fügt Chron. Ursp. den Verhandlungen des Reichstages hinzu: Sed parum profecisse res ipsa comprobatur.

 

 

____

265 Neue Hindernisse des Friedens.

 

Sechster Abschnitt.

Neue Hindernisse des Friedens. Synode zu Rheims. Heinrich's Unterhandlungen mit den Sachsen. Adalbert's Intriguen. Entscheidung des Kampfes durch die vereinigten Fürsten. Vertrag zu Würzburg. Ende des Investiturstreites. Concordat zu Worms.

 

Nach der Unterredung Heinrich's mit den päpstlichen Legaten zu Straßburg, nach der offenen Erklärung und Verständigung beider Theile hätte man kaum vermuthen sollen, daß der Zwiespalt zwischen Kirche und Reich noch einmal bis zum höchsten Grade der Erbitterung sich steigern würde. Welcher Theil die meiste Schuld tragt, ist eine schwer zu entscheidende Frage. Die Worte des Vertrages gaben den Anlaß, und doch ist weniger zu glauben, daß ein Misverstehen derselben der Grund war als vielmehr, daß Heinrich wie Calixtus absichtlich den Vertrag zu ganz entgegengesetzter Nutzanwendung zweideutig ließen, um im günstigen Zeitpunkte den gewünschten Sinn ihm unterzulegen. Er sollte nur den Gegenstand des Streites in eine Fassung bringen, die scheinbar eine Einigung darüber aussprach, ohne einen der beiden Abfasser zu binden. Papst und Kaiser blieben jeder auf seinem Standpunkte und rückten in Bezug auf die Sache nicht näher. Wol aber lag eine Annäherung ihrer Gesinnungen darin, daß man vorläufig den Hauptgrund des Schismas bei Seite setzte und sich ohne Haß betrachten wollte. Wie einst in den Tagen Paschalis' II. nach der Unterhandlung mit den in Rom zurückgebliebenen Kardinälen 1), konnte auch jetzt Heinrich sagen: „Stände die Investitur nicht hindernd entgegen, so könnte in Allem das beste Einverständniß zwischen uns hergestellt werden.“

 

Der Kaiser hatte gegen Calixtus' Wahl keinen Einspruch gethan und in der Fürstenversammlung am Rhein der Zustimmung aller Geistlichen und auch wol der Fürsten keinen Widerspruch entgegengestellt. Und der Papst, als er zu ihm zwei Männer, die dem

 

1) S. Heinrich's Brief an Hartwig von Regensburg Cod. Udalr. Nr. 318.

 

 

____

266 Sechster Abschnitt.

 

Kaiser angenehm waren, als Unterhändler schickte, vergaß, daß Heinrich als sein Feind, sein persönlicher Feind, als ein Gebannter, wider den er zuerst den Bann ausgesprochen, dastand. Bedenkt man, daß Beide Verwandte waren, daß sie geistig einander glichen, sodaß Jeder an des Anderen Stelle wol ahnlich wie dieser Andere gehandelt hatte, dann findet man erklärlich, daß sie, bevor sie zum Kampfe schritten, eine friedliche Annäherung versuchten. Wol Beide, namentlich aber Heinrich, hofften von einer persönlichen Zusammenkunft das Beste, deshalb ließ zwei Mal der Letztere seine Gegenwart in Rheims ankünden und anfangs scheint Calixtus dagegen nichts einzuwenden gehabt, ja noch später unternahm er selber eine angreifende Reise, um sich mit dem Kaiser persönlich zu besprechen. Doch als dieses geschah, war bereits die gute Stimmung Beider durch die Erörterung des Investiturstreites gestört und ein leiser Verdacht stark genug, die Zusammenkunft ganz zu hintertreiben. Anders stand Alles noch um die Zeit der straßburger Unterhandlung, und außer dem eigenen Wunsche nach einer friedlichen Ausgleichung foderten dazu auch beide Männer die äußeren Verhältnisse, in denen sie sich befanden, auf. Der Kaiser war des guten Eindruckes im Voraus gewiß, den eine Annäherung an Calixtus auf die Reichsfürsten machen mußte, und Calixtus erkannte die Schwierigkeit, ja die Unmöglichkeit den Stuhl Petri einzunehmen, so lange Heinrich seinen Papst Gregor nicht aufgeben wollte oder durfte.

 

Nachdem nun die Häupter der Christenheit sich genähert, wie sie es gewünscht und für nöthig erachtet hatten, konnte freilich der Streitpunkt zwischen Kirche und Staat seit Gregor's VII. Zeiten nicht unerörtert oder in jenen unbestimmten Ausdrücken, wodurch er in Straßburg scheinbar beseitigt war, abgefaßt bleiben. An diese aber wurde zunächst die weitere Verhandlung geknüpft. Die Art und Weise, in welcher der Bischof von Chalons dem Kaiser den Begriff der kirchlichen Investitur entwickelt hatte, näherte sich in etwas der, in welcher Paschalis II. im Jahre 1111 Ring und Stab an die Geistlichen verleihen wollte. Wie damals sollte auch jetzt dem Kaiser über die Kirchengüter in Betreff der zu tragenden Staatslasten und erfoderlichen Dienstleistungen gleichwie über die Lehen weltlicher Fürsten eine freie Verfügung verbleiben. Damit war damals wie jetzt Heinrich zufrieden und wollte unter solcher Bedingung gern dem Papste eine Investitur abtreten, die dann nichts als Uebertragung der geistlichen Würde in sich begriff. Denn ganz deutlich hatte der Bischof von Chalons ausgesprochen, daß dem Kaiser kein Nachtheil erwachsen werde, was nur, wenn die Kirchengüter

 

 

____

267 Investitur.

 

ganz zu dessen Dienste verblieben, der Fall war 1). Die Verwaltung der Kirchengüter in den Händen der Geistlichen zu lassen, weigerte Heinrich sich niemals, da ihm solche nothwendig wechselnde, zu keinem Erbrecht je gelangende Lehnsherrschaft der Bischöfe und Aebte weniger gefährlich war, als die den alten Begriff der Feudalverfassung mehr und mehr untergrabende Foderung trotziger, kriegerischer Fürsten, die nur der Form nach vom Kaiser zu Lehen nehmen wollten, was nach angestammtem Rechte ihnen schon zukäme und die die Erblichkeit der kleineren Herren und Vasallen, welche zu ihrer Beschränkung von den fränkischen Kaisern festgestellt war, seit Längerem schon auf sich auszudehnen trachteten. War hier durch Herkommen und Gewohnheit der Macht des Kaisers ein Nachtheil erwachsen, dem ohne Härte und Willkür sich kaum steuern ließ, so stützte sich des Kaisers Recht bei der Verleihung kirchlicher Lehen gleichfalls auf alten Brauch und war die Willkür und Anmaßung des Papstes,jenes an sich zu reißen, um soviel größer, als dieser zu keiner Zeit dasselbe geübt hatte, während des Kaisers Oberhoheit über das Reich historisch und logisch seine Verleihung der Reichslehen begründete. Wenn in logischer Schlußfolge auch die Kirche die Investitur in Anspruch nahm, so konnte dieser immer nur auf die kirchliche Würde, nicht auf die kirchlichen Lehen ausgedehnt werden. Als darum Heinrich jene dem Papste abzutreten bereit war, meinte er diese um so sicherer für sich zu behalten. Die Insignien, womit die Kirchenlehen bisher ertheilt waren, dem Papste als Insignien der Kirchenwürden zu überlassen, war wahrlich keines Streites werth und für Heinrich reicher Ersatz, daß Calixtus den Bann aufzuheben und dem Kaiser und der ganzen kaiserlichen Partei

 

1) Hesso in Cod. Udalr. Nr. 303 läßt den Bischof von Chalons sprechen: ut autem in hoc regni tui nullam diminutionem pro certo teneas, scito me in regno Francorum Episcopum electum nec ante nec post consecrationem aliquid suscepisse de manu Regis, cui tamen de tributo, de militia, de telonio, de omnibus, quae ad rempublicam pertinebant - - fideliter deservio, sicut in regno tuo tibi Episcopi deserviunt. Hierin sind die Dienstleistungen, die der französische König von geistlichen Gütern fodern durfte, ganz deutlich ausgesprochen. Wenn auf dieselbe Weise Heinrich in Deutschland verfahren sollte, überließ der Papst Das, worauf es dem Kaiser vornehmlich ankam, dem Reiche. Wenn ohne Verringerung des Reichsgutes die Investitur dem Papste überlassen werden sollte, was konnte Anderes unter jener verstanden werden, als Ertheilung der geistlichen Würde? Und doch war es der weltliche Besitz, auf den es Calixtus ankam.

 

 

____

268 Sechster Abschnitt.

 

bei Wiedererlangung der eingebüßten Besitzungen behülflich zu sein versprach 1).

 

Aber durch so große Opfer nichts als die Belehnung der Bischöfe und Aebte durch Ring und Stab zu erringen, war, konnte das die Meinung der Kircheneiferer sein? auch jetzt die Calixtus' II.? Sie hatten sich ja die Aufgabe gestellt, Gregor's VII. hierarchische Pläne auszuführen, und diese, wie wir früher gesehen, gingen dahin, vornehmlich durch die Investitur die Herrschaft der Kirche nicht etwa über die gesammte Geistlichkeit, nein über die weltlichen Fürsten, über den Kaiser zu erringen. Diesen Absichten der Hierarchie stand noch immer schroff entgegen, was Heinrich's III. Riesenkraft erstrebt, nämlich: alle Geistlichen des Reiches, den römischen Papst nicht ausgenommen, nach dem Willen des Reichsoberhauptes ein- und abzusetzen und über Kirchenämter wie über Reichswürden zu verfügen. Heinrich IV. durch Erhebung Clemens' III., Heinrich V. durch Leitung der Wahl Gregor's VIII. bewiesen, daß sie solcher kaiserlichen Machtvollkommenheit nicht entsagt hatten. Daß bei so einander aufhebenden Principien der Kampf zwischen Kaisern und Päpsten seit Hildebrand für beide Theile erfolglos geblieben, daß in dem Punkte, worauf der ganze Streit sich concentrirt hatte, in der Investitur keiner einen Vortheil erlangt, hatte die Vorkämpfer weder ermüdet noch zum Aufgeben ihres Strebens bewogen. Aber die Welt fing an zu ermüden und wünschte eine Einigung über den Streitpunkt zu vermitteln, indem sie den Begriff der Investitur anders faßte als Gregor VII. ihn von seinen Nachfolgern stets gefaßt wissen wollte. Wie nutzlos der Streit sei, sobald nicht das Supremat der Kirche über die weltliche Macht behauptet werde, hatten nicht nur besonnene Männer, wie Wenrich, Sigebert von Gemblour, Ivo von Chartres, Hugo von Fleurus, sondern auch ein Abt Gottfried von Vendome, der früher die Investitur durch Laienhand für Ketzerei erklärte, den Päpsten gezeigt 2). Ihre gemäßigten Ansichten fanden vielen Anklang, ihre Partei wuchs und machte auf Concilien gegen die übertriebene Foderung der Kircheneiferer sich geltend. Längst schon sahen diese und die Nachfolger Gregor's sich genöthigt, für die Praxis eine mehrfache Unterscheidung gelten zu lassen und von den weltlichen

 

1) Hesso: Si fidem et justitiam apud Dominum Papam inveniret, et si veram pacem ipse et sui et possessiones istas, quas pro werra ista amiserant, reciperent.

2) S. Stenzel I, S. 689 und 90 und die daselbst angeführten Belege.

 

 

____

269 Investitur.

 

Machthabern nicht insgesammt Verzichtleistung auf die Investitur zu fodern, oder wenigstens dieser eine andere Bedeutung als Hildebrand und sie selbst beabsichtigten, unterzulegen und z. B. dem Könige von Frankreich nichts von seinen Rechten über die Bischöfe des Landes zu nehmen, während sie gegen den Kaiser hartnäckig auf der alten Foderung bestanden 1). Das Ziel derselben war ihnen aber längst entrückt, und da die Stimme der gemäßigsten Geistlichen auf jedem neuen Concile lauter sich vernehmen ließ, drohte den Eiferern Gefahr, von ihr übertönt zu werden. Calixtus wußte, daß auch zu Rheines die Zahl Derer, die Beilegung und Nachgeben in der Investiturfrage wünschten, groß sein werde. Die Klugheit rieth ihm lieber vorher freiwillig Nachgiebigkeit, wenn auch nur eine scheinbare, zu zeigen, als später gezwungen von seinem wahren Grundsatze abzuweichen. Gerade wie Heinrich aus der Unterhandlung mit dem Papste Vortheile für seine Stellung im Reiche suchte, hoffte Calixtus daraus einen Gewinn zu ziehen, um auf der Kirchenversammlung die Gegner seines Strebens zu entwaffnen. Dieses Streben selbst gab er darum noch nicht auf; ebenso wenig Heinrich, wie Beider Handlungsweise beweiset. Calixtus hatte im Anfang Juli 1119 eine Synode der Erzbischöfe, Bischöfe und Aebte des südwestlichen Frankreichs und der angrenzenden christlichen Provinzen von Spanien zu Toulouse abgehalten 2), wo neben mancherlei anderen Kirchensatzungen ein neues strenges Verbot gegen Simonie und eine bestimmte Reihenfolge, in der kirchliche Aemter nachgesucht werden dürften 3), angeordnet und den Laien jede Gewaltthat gegen Kirchen und Kirchengut, sowie Einziehung des Eigenthumes eines Bischofs oder Geistlichen während Abwesenheit oder nach dem Tode derselben unter Androhung der

 

1) Wie Ivo von Chartres in einem Briefe an Paschalis sehr richtig warnt: Ne hac occasione scisma, quod est in Germanico regno adversus sedem apostolicam in Galliarum regno suscitetis. Ivonis Carnotensis epist. Nr. 238.

2) Cod. Udalr. Nr. 302: Anno Domini Incarnationis MCXIX VII. Idus Julii Indictione XII Dominus Papa Calixtus Tolosae cum Archiepiscopis, Episcopis et Abbatibus Provinciae Gotiae (von dem ehemaligen Reiche der Gothen benannt), Guasconiae et citerioris Hispaniae (Muratori III, p. 421 gibt: Hispaniae et citerioris Britanniae) Concilium celebravit.

3) Cod. Udalr. Nr. 302: Nullus etiam in Praepositum, nullus in Archipresbyterum, nullus in Decanum, nisi Presbyter, nullus in Archidiaconum nisi Diaconus ordinetur.

 

 

____

270 Sechster Abschnitt.

 

Exkommunikation untersagt wurde 1). Alle diese und andere Verordnungen 2) legten ein Zeugniß ab, daß Calixtus ein würdiger Nachfolger Hildebrand's war und in dessen Geist Ordnung in der Kirche, Heiligachtung der Satzungen, Ehrfurcht vor der Geistlichkeit aufrecht zu erhalten sich bemühte. Nach Gregor's Grundsätzen wollte er auch der Würde des Papstes gegen die weltlichen Machthaber Nichts vergeben; aber noch entfernt von Rom, von einem König gegen den anderen beschützt, der ihn wegen eines kirchlichen Princips als Gegner betrachtete, mußte er versuchen, mit diesem Anderen, dem Kaiser, um jenes Princip in einer Weise zu rechten, die ihm den weltlichen Schutz des Königs von Frankreich entbehrlicher machte, und ihn durch seine kirchliche Macht erhob. Zu diesem Zwecke berief er ein allgemeines Concil nach Rheims und machte durch Unterhandlung den Versuch, dem Gegner sich zu nähern, über den Hauptstreitpunkt sich mit ihm auszugleichen, ohne jedoch dadurch in seiner Entscheidung auf dem Concil sich bestimmen zu lassen. Der glückliche Anfang der Unterhandlung, Heinrich's Versicherung, unter gewissen Bedingungen der Investitur entsagen zu wollen, ließ den Papst Hoffnung schöpfen, daß der Streit auf diesem Wege vortheilhaft für ihn geschlichtet werden könne und wol noch vor Eröffnung der Kirchenversammlung ein günstiges Resultat herbeizuführen sei. Doch Vorsicht war dem schlauen Kaiser gegenüber nöthig, um nicht in eine gelegte Schlinge zu gerathen. Sogleich berieth er die Sache mit mehren Kardinälen und Bischöfen. Daß diese des Kaisers gegebene Zusicherungen zu unbestimmt, zu allgemein und in dem ganzen Hergang der Unterredung zu Straßburg, wie der Bischof von Chalons und der Abt von Klugny zu ihrer Verwunderung ihn mittheilten, Skrupel fanden, war natürlich. Man beschloß abermals die beiden früheren Unterhändler und außerdem den Bischof Lambert von Ostia und den Kardinal Gregor 3) an den Kaiser zu schicken mit dem Auftrage,

 

1) Primitias, decimas, oblationes et cimiteria, domos etiam et bona caetera deficientis Episcopi et clericorum a principibus et quibuslibet Laicis diripi et teneri penitus interdicimus. Qui vero pertinaciter ista praesumpserit, ab ecclesiae liminibus arceatur.

2) Besonders merkenswerth ist noch die gegen Leugner der Sakramente: Hos, qui religionis speciem simulantes Dominici corporis et sanguinis sacramentum, baptisma puerorum, sacerdotium et caeteros ecclesiasticos ordines et legitimarum damnant foedera nuptiarum tanquam haereticos ab ecclesia Dei pellimus et damnamus et per potestates exteras coerceri praecipimus. Der Geist der späteren Katharer muß sich damals dort schon gezeigt haben.

3) Beide nachmals Päpste, jener Honorius II., dieser Innocenz II.

 

 

____

271 Vertrag zwischen Kaiser und Papst.

 

die besprochenen Punkte genauer zu erörtern, beiderseits im Falle der Einigung einen schriftlichen Vertrag aufzusetzen und einen Tag der mündlichen Unterredung zwischen Papst und Kaiser zu bestimmen, wo der Letztere, was er versprochen, erfülle; jedoch müsse diese Unterredung zwar nicht in Rheims selbst, doch während der Kirchenversammlung stattfinden. Die päpstlichen Bevollmächtigten trafen den Kaiser, der wahrscheinlich vorher schon unterrichtet worden und sich der französischen Grenze mit vielen Fürsten, Geistlichen und einem ansehnlichen Heere 1) genähert hatte, zwischen Verdun und Metz und wurden auch diesmal von ihm freundlich empfangen. Sie entledigten sich ihres Auftrages und sagten im Namen des Papstes Heinrich Wiederaufnahme in den Schoß der Kirche zu, wenn der Kaiser sich bestimmt über die Verzichtleistung der Investitur aussprechen und alle Bedingungen des abzuschließenden Vertrags beschwören wolle. Unfehlbar gaben beide Theile diesmal eine bestimmtere Erklärung Dessen, was unter der an den Papst abgetretenen Belehnung der Geistlichen zu verstehen sei, und wußte jeder von ihnen, was in den wechselseitig ausgeschriebenen Urkunden gelobt war. Die des Kaisers lautete: „Ich Kaiser Heinrich verzichte aus Liebe zu Gott, dem Heiligen Petrus und dem Herrn Papste Calixtus auf jede Investitur der Kirchen und gebe wahren Frieden Allen, welche seit Beginn des unseligen Streites je für die Kirche kämpften oder noch kämpfen. Die Besitzungen der Kirchen und Aller, die für die Kirche wirkten, stelle ich zurück, soviel ihrer in meiner Gewalt sind, und will getreulich dafür sorgen, daß auch die übrigen, die ich nicht habe, zurückgegeben werden. Sollte darüber sich Streit erheben, so wird Kirchliches nach dem Kirchenrecht, Weltliches vor dem weltlichen Richterstuhl geprüft und festgestellt werden.“ In ähnlicher Weise lautete die Zusicherung, welche die Bevollmächtigten des Papstes in dessen Namen gaben: „Ich der Papst Calixtus schenke wahren Frieden dem römischen Kaiser 2) Heinrich und Allen, die mit ihm gegen die Kirche waren oder sind; ihre Besitzungen, die sie im

 

1) Rodericus Vital. in Mansi, Concil. XXI, p. 241 gibt ferme XXX millia armatorum.

2) Hier gibt der Papst durch seine Gesandten ihm die volle Würde. Romanorum Imperatori Augusto. Hesso, der ihn immer nur Rex nennt, fand so die Worte in der ausgestellten Urkunde. Später, wo er außer der Verbindung der Urkunde den Eingang derselben wiederholt, setzt er wider sein Rex für Imperator. Gab aber der Papst schriftlich Heinrich den Kaisertitel, so werden ihn auch in der mündlichen Unterredung die Legaten gebraucht haben.

 

 

____

272 Sechster Abschnitt.

 

Kriege eingebüßt, stelle ich zurück, wenn ich sie habe, und will, wenn ich sie nicht habe, für deren Zurückgabe getreulich Beistand leisten. Wenn darüber sich Streit erheben sollte, entscheide die Kirche über Kirchliches, das weltliche Gericht über Weltliches.“ Wie zu Straßburg gelobte auch jetzt der Kaiser durch seinen Handschlag die Erfüllung des Vertrages seinerseits zu halten und versprach, daß er zu Mousson am nächsten Freitag in Gegenwart des Papstes ohne alle Arglist die einzelnen Punkte, wie sie in der Urkunde niedergeschrieben seien, ausrichten wolle 1). Nach ihm beschwuren den Vertrag die vornehmsten in seinem Heere, der Herzog Welf von Baiern, Graf Berengar von Sulzbach, Pfalzgraf Gottfried bei Rhein, Graf Wilhelm, der Bruder des verstorbenen Pfalzgrafen Siegfried und mehre Fürsten und Bischöfe, viele Geistliche und Laien. Darauf foderte der Kaiser auch von den päpstlichen Gesandten, sie sollten in gleicher Weise wie er und die Seinen geloben, daß der Papst, was sie in seinem Namen versprochen hätten, erfüllen werde. Nachdem die Bevollmächtigten ohne Weigern solches gethan, begaben sie sich ungesäumt nach Rheims, wo bereits eine ungeheure Menge versammelt war. Fünfzehn Erzbischöfe, mehr als zweihundert Bischöfe, viele Aebte, Geistliche und Mönche, auch eine Menge Laienfürsten aus Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien, England und noch entfernteren Ländern hatten sich eingefunden 2). Und welches Gefolge! Rheims glich mehr dem Sammelplatze eines Kriegsheeres, als einem Ort zu Frieden stiftender, heiliger Berathung bestimmt. Denn nicht blos der König Ludwig von Frankreich und die anwesenden Fürsten führten Ritter und Mannen nach Rheims, auch die Geistlichen brachten bewaffnete Scharen mit, so der Erzbischof Adalbert und seine sieben Suffraganbischöfe 500 Krieger, über deren Ankunft Calixtus höchst erfreut war, eine auserlesene Reiterschar ihnen entgegensandte und sie aufs freundschaftlichste empfing 3).

 

1) Hesso a. a. O.: Quod capitula, quae sequenti scripto continentur, apud Mosonium in praesentia Domini Papae fideliter sine omni fraude exequeretur.

2) Chron. Ursp. gibt im Ganzen 426 Geistliche und nennt innumera multitudo cleri et populi. Auch Hesso läßt obige Zahl errathen, da er zum Schluß der Synode 427 Fackeln angibt, die bei der Bannung des Kaisers vom Papst und den anwesenden Geistlichen in Händen gehalten wurden.

3) Roder. Vit. a. a. O.: Moguntinus Archiepiscopus cum VII Praesulibus Remis ad Synodum properavit, quos quingentorum militum cohors secuta vallavit. Quorum adventu comperto exultavit eisque Hugonem Trecassinum Comitem cum turmis militum amicabiliter obviam misit. Es sind unter den sieben Bischöfen wol nur die mainzer Suffraganen zu verstehen; denn daß aus ganz Deutschland nicht mehr gekommen, ist kaum zu glauben. Annal. Hildesh. und Ann. Saxo sagen: Eidem concilio Adalbertus Mogontinus pluresque Germanici Episcopi interfuerunt.

 

 

 

____

273 Synode zu Rheims.

 

Zeigte eine solche Aufmerksamkeit und besondere Auszeichnung, die der Papst dem heftigsten Gegner des Kaisers erwies, schon für keine dem abgeschlossenen Vertrage entsprechende Gesinnung, so enthielt die Rede, womit Calixtus die Kirchenversammlung (d. 19. Okt.) eröffnete 1), mehr Anklagen gegen Heinrich, als daß sie das Vorhaben einer friedlichen Aussöhnung und einer Beilegung des alten Zwistes kund gab.

 

Würdige Väter und Brüder (sprach er), die Ursache, um deretwillen wir Euch aus weiten Ländern und fernen Gegenden hieher beriefen, ist folgende: Ihr wißt, wie seit langem die römische Kirche allen Ketzereien, die ihr ein Aergerniß sind, unermüdlich entgegenwirkte, nach dem Vorbilde des heiligen Petrus, zu welchem der Herr gesprochen hatte: „„Ich bete für dich, Petrus,““ und: „„Du aber verkünde es Deinen Brüdern.““ Simon der Magier, den der Apostel kraft des heiligen Geistes von der Kirche Gottes ausschloß, verdarb, und also ließ Petrus nicht ab bis auf diesen Tag, durch uns, seine Nachfolger und Stellvertreter, die Simonisten zu bekämpfen und aus der Kirche Gottes auszustoßen. Auch ich, obwol sein unwürdiger Stellvertreter, will diese simonistische Ketzerei vertilgen, vornehmlich aber die, welche durch die Investitur von Laienhand wiederum in der Kirche Gottes um sich gegriffen hat 2), mit Gottes Hülfe, Eurem Rath und Beistand ausrotten. Vernehmet nun, wenn es Euch gefällt, von unseren Brüdern, die zwischen mir und ihm, der einen König der Deutschen sich nennt, Worte des Friedens hin und hertrugen, genauer den Vorgang der Unterhandlung.“ Darauf gebot Calixtus dem Bischof von Ostia, in lateinischer, und dem Bischof von Chalons, in französischer Sprache auseinanderzusetzen, was der Kaiser versprochen und was er verlangt habe. Mit aller Klugheit und Gewandtheit und wol auch der Wahrheit gemäß

 

1) Chron. Ursp. nach Hesso XIV. Kal. Novembris, vorher die Zeit im Allgemeinen angegeben: juxta festum S. Lucae, wie auch Annal. Hildesh. ad 1119

2) Hesso (von dem Ann. Saxo ad 1119 sagt: prout interfuisse se testatur): quae maxime per investituras contra ecclesiam Dei innovata est. Calixtus stellt dadurch die Investitur als Hauptgrund der Simonie, als die größte Ketzerei dar.

I. 18

 

 

____

274 Sechster Abschnitt.

 

statteten beide Geistliche der Versammlung Bericht ab 1). Aber kein Widerspruch, kein Zweifel, keine misbilligende Aeußerung gegen den Vertrag wurde unter den Anwesenden lautbar. Darum änderte am dritten Sitzungstage Calixtus den früher angenommenen Ton und ließ sich sehr friedfertig vernehmen: „Weil es Gott dem Allmächtigen gefallen hat, in unseren Tagen seiner Kirche den Frieden zu zeigen, und die Zeit nahet, welche zur mündlichen Unterredung darüber festgesetzt ist, so wollen wir morgen an den bestimmten Ort uns begeben und bitten Euch inständigst, bis zu unserer Rückkehr geduldig auszuharren, dann aber, wenn Gott uns Frieden gewähret, der ganzen Welt die gemeinsame Freude zu verkündigen. Sollte aber, was Gott verhüte, der Gegner mit uns ein falsches Spiel vorhaben 2), so kehren wir aufs schleunigste hieher zurück und dann, so sehnlichst wir den Frieden wünschen, müßten wir gegen den Betrüger kraft des heiligen Geistes, der uns zu Richtern erkoren, das Schwert Petri kehren.“ Daß sie mit ihm dies thun wollten, ließ Calixtus von den Erzbischöfen, Bischöfen und Aebten sich zusichern; laut aber gebot er Allen, daß sie während seiner Abwesenheit, vornehmlich aber am Tage der Unterredung mit dem Kaiser, Psalmen, Gebete und Opfer gen Himmel schicken und alle Kirchen von Rheims barfuß, in heiliger Procession durchziehen sollten 3).

 

Diese Anordnungen des Papstes zeugen weniger für seine eigene Gesinnung als für die Stimmung, welche in der Versammlung sich kundgegeben hatte. Gewiß war den Meisten der Zwist des Papstes

 

1) Hesso, der ganz im Geiste der Kirchenpartei Bericht erstattet, läßt uns hier in Zweifel, ob Das, was die Bischöfe von Ostia und Chalons der Versammlung eröffneten, nur Das enthielt, was er selbst uns als Inhalt der Unterredung zu Straßburg und der zwischen Verdun und Metz angibt: Dominus Papa injunxit Ostiensi Episcopo, ut universo concilio latine ordinem causae exponeret. Quod cum prudenter Episcopus Ostiensis perorasset, iterum Catalaunensis Episcopus ex praecepto Domini Papae hoc idem Clericis et Laicis materna lingua exposnit. Des Papstes Rede, seine verächtliche Bezeichnung Regem dictum, Teutonicum, läßt nicht verkennen, daß er die Versammlung wenigstens nicht für den Kaiser einzunehmen suchte. Man könnte noch fragen, ob prudenter nicht mehr der Absicht des Papstes, als der Wahrheit gemäß bezeichne.

2) Si autem, quod Deus avertat, adversarius nobiscum agere tentaverit.

3) Quod cum sub obtentu obedientiae Archiepiscopis, Episcovis et Abbatibus injunxisset, praecepit etiam, ut interim et maxime die colloquii Psalmos, orationes et sacrificia spiritualia Deo offerrent, et a majori Remensi Ecclesia usque ad ecclesiam beati Remigii cum processione nudis pedibus exirent.

 

 

____

275 Synode zu Rheims.

 

und Kaisers verhaßt, und sie freuten sich über des Letzteren Nachgiebigkeit in Betreff der Investitur, wodurch die Ehre des Ersteren, — denn eine Ehrensache schien ihnen nur der Päpste Beharren auf einen mehr ceremoniellen als bedeutungsvollen Akt — völlig gerettet wäre. Darum wünschten sie bald den gänzlichen Abschluß des Friedens und überhoben keineswegs den Papst der Verpflichtung, die er eingegangen war. So sah sich denn auch Calixtus genöthigt, in den Ton der Friedenseiferer einzustimmen, und seine Rede in der dritten Sitzung hatte nichts von dem aufreizenden Charakter, den er bei Eröffnung der Kirchenversammlung in Aussicht auf einen anderen Erfolg seinen Worten gab. Mit Hülfe der versammelten Geistlichen und Laien sich der Verpflichtung gegen Heinrich zu entziehen, die Investitur so, wie sie Gregor VII. der Kirche zuwenden wollte, dem Kaiser abzubringen, sich nicht mit Ueberreichung von Ring und Stab als Symbole der priesterlichen Würde zu begnügen, sondern auch die Besitzungen und Reichslehen der Bischöfe und Aebte als der Kirche allein gehörig nach seinem Willen zu vergeben und die darauf haftenden Abgaben, Zölle und Dienstleistungen, welche bis dahin der Kaiser erhalten, an sich zu bringen 1), Das ungefähr mochten Calixtus' Absichten sein, wie sie der Ausgang der Unterhandlungen mit Heinrich und der Beschluß der rheimser Kirchenversammlung noch deutlich genug errathen lassen. Bedenkt man, wie der jetzige Papst vormals mit allem Eifer Heinrich wegen des dem Papste Paschalis abgezwungenen

 

1) Zwar versprach der Kaiser im Vertrage: possessiones ecclesiarum reddo. Doch außerdem, daß die Zölle, Abgaben und Dienste nach wie vor ihm verblieben, hieß es auch in beiden Urkunden: Si quaestio emerserit — quae secularia sunt, seculari terminentur judicio. Zu diesen secularia gehörten aber die Kirchenlehen selbst, und das seculare judicium, das Reichsgericht war nichts Anderes als des Kaisers eigene Entscheidung. Die gemachte Trennung zwischen Weltlichem und Kirchlichem, anstatt des Kaisers Einfluß zu verringern, gestattete ihm willkürlicher mit den Bisthümern und Abteien zu verfahren. Denn als Weltliches und Kirchliches in diesen einander durchdrangen, ward bei Beeinträchtigung des Einen Verletzung des Anderen wahrgenommen. Dies fiel jetzt fort, denn nichts verlor ein Bischof an kirchlichem Ansehen, dem der Kaiser seine Reichslehen entzog, und ein vom Papste gebannter, entsetzter Geistlicher blieb mächtiger Fürst, wenn der Kaiser ihn im Besitz des Bisthums schützte. In der That, die Sekularisirung der geistlichen Stifter war durch jene Scheidung der secularia und ecclesiastica vorbereitet. Der päpstlichen Kurie konnte der Nachtheil des Vertrages nicht lange verborgen bleiben. Zusammenbleiben mußte, was man scheiden gewollt, das Gesammte aber dem weltlichen Machthaber entzogen, dem Oberhirten der Kirche zugewendet werden.

18*

 

 

____

276 Sechster Abschnitt.

 

Vertrags, der der Kircheneiferer Streben keineswegs entsprochen, als einen Feind der Kirche gehaßt und ohne Zustimmung Paschalis' in den Bann gethan, betrachtet man sein übrigens im Geiste Hildebrand's sich kundgebendes Verfahren; so begreift man, daß er mit dem Kaiser keinen Vergleich einzugehen Willens sein konnte, der dem Principe Gregor's nur einen Schatten seiner Gültigkeit, dem Kaiser aber unverkümmert die Macht über die Kirchenlehen und Kirchengüter ließ, und den Papst in Zukunft der Waffe, die er so wirksam zu seinem und der übrigen Geistlichen Schutz gebraucht hatte, beraubte. Denn der Bann, das war Heinrich's Gegenfoderung, um deretwillen allein er auf die Investitur mit Ring und Stab verzichtete, sollte in Zukunft keine Kraft, ja keine Anwendung gegen ihn mehr finden 1). Diese Nachtheile des Vertrages für den Papst waren so klar, daß es wol nicht erst einer Nachweisung von Seiten Calixtus' und seiner Partei bedurfte, um die Kirchenversammlung davon zu überzeugen. Gleichwol erhob letztere sich nicht dagegen, vernichtete den Vertrag nicht, wie Calixtus erwartet hatte. Hierauf dringen konnte der Papst selber nicht, ohne sich entweder den Vorwurf, daß er einen solchen Vertrag geschlossen, oder den Tadel, daß er aus Eigennutz der allgemein ersehnten Beendigung des Zwiespaltes neue Hindernisse in den Weg lege, zuzuziehen. Fragt man, warum er des Kaisers Bedingungen nicht sogleich durch seine Gesandten zurückgewiesen habe, so könnten dafür zweierlei Gründe aufgestellt werden, erstens, daß er nothgedrungen die ganze Unterhandlung angeknüpft, zweitens, daß er Heinrich vorerst sicher zu machen gesucht, um ihm dann um so leichter den gehofften Vortheil zu entreißen. Schon vorhin bemerkten wir, daß des Papstes Ansehen vornehmlich durch den Schutz des Königs von Frankreich und durch die Privatgüter und die großen Besitzungen, welche das Erzbisthum Vienne umfaßte und die Calixtus noch nicht anderwärts vergeben ließ, aufrecht erhalten wurde. War eine solche Grundlage seiner Macht des Kirchenhauptes unwürdig, so war sie obendrein damals noch gefährdet. Ein Krieg zwischen England und Frankreich drohte den Schutz Ludwig's zu verkümmern 2); und während die französischen Waffen

 

1) Do veram pacem hatten Papst und Kaiser einander gelobt. Sobald der Papst den Bann erneute, war der Friede gebrochen, der Vertrag aufgehoben, die Investitur wieder Gegenstand des Streites.

2) Mascov, Commentarii de rebus Imperii sub Henrico V. p. 199, führt Das, was zu Rheims über den Zwist Frankreichs und Englands verhandelt wurde, an: Mox in consessum Patrum prodit Ludovicus Franciae Rex, multa quaerens de Henrici Regis Angliae injuriis atque imprimis armis illum invasisse Normanniam, Robertum Ducem Vasallum suum captivum detinere. Ludwig nahm sich auch thätig Wilhelm's, des Sohnes von dem gefangen gehaltenen Robert, an. Nach der für Ludwig unglücklichen Schlacht bei Noyon suchte der König durch die Vermittelung Calixtus', zu der dieser sich erboten, den Frieden mit England. Die neuen Unbilden Heinrich's I, ließen um die Zeit der rheimser Kirchenversammlung einen abermaligen Ausbruch des Krieges befürchten, dem der Kaiser Heinrich, der Schwiegersohn Heinrich's von England, nicht gleichgültig zusah, zumal wenn er Gelegenheit bot, den Papst und dessen Beschützer zu bedrängen. Die äußere Stellung Calixtus' konnte nur gesichert werden, wenn er entweder mit dem Kaiser sich in ein friedliches Verhältniß setzte, oder wenn er diesen durch kirchliche Waffen von jedem Angriff auf Frankreich, von der Vertheidigung Italiens und Gregor's VIII. abschreckte und ihm in Deutschland nicht blos die Geistlichen, sondern auch die Fürsten abwendig machte. Den erstern Weg konnte er ohne Opfer nicht lange verfolgen; der zweite konnte ihm leicht durch das allgemeine Verlangen nach Beilegung des Schismas verwehrt werden; dies Hinderniß wegzuräumen, mußte Calixtus die Kirchenversammlung auf der letzteren Bahn mit sich fortreißen, und dies glückte ihm zum Theil.

 

 

 

____

277 Synode zu Rheims.

 

sich gegen die Normandie wendeten, konnte der Kaiser von Osten her Frankreich angreifen, wozu ihm ein doppelter Anlaß die Verwandtschaft mit Heinrich von England und der Haß gegen Ludwig, den steten Beschützer der Kirche, gegen ihn, den Kaiser, geboten war. Das Erzbisthum Vienne hatte dann zuerst des Gegners Zorn zu fürchten, und Calixtus sah sich Dessen beraubt, wovon er bisher sich, sein Gefolge, die flüchtigen Kardinale, die römischen Geistlichen und Laien unterhalten. Wo aber sollten diese alle Schutz suchen, wenn das getreue Frankreich ihn nicht mehr gewähren konnte? Italien, Rom war dann ihnen gänzlich abgeschnitten, und der Gegenpapst Gregor VIII. stand noch einmal unter Heinrich's Aegide sicher und für das einzig rechtmäßige Kirchenhaupt anerkannt. Die Nothwendigkeit, welche hierin für Calixtus lag, sowol mit Heinrich ein friedlicheres Verhältniß anzuknüpfen, als auch dessen gestellte Bedingungen nicht zurückzuweisen, schließt indessen das Zweite, was oben geltend gemacht wurde, nicht aus: die Absicht des Papstes, seinen Gegner um den gehofften Vortheil des Vertrages zu bringen, doch die Schuld des neuen Zerwürfnisses, welches darüber entstehen mußte, von sich ab und auf den Kaiser zu wälzen. Nur Wenigen mochte er den Plan mittheilen. Daß Adalbert's Rath in Rheims ihm nicht fehlte, dafür spricht beider Männer freundschaftlicher Umgang während der Kirchenversammlung und des Mainzers Haß gegen den Kaiser. Sehen wir, wie der Papst heuchlerisch Friedensgebete anordnen läßt,

 

 

 

____

278 Sechster Abschnitt.

 

während er zu Mousson dem Frieden entgegenarbeitet, wie er das von der Kirchenversammlung laut ausgesprochene Verlangen nach Aufhebung des Zwiespaltes zwischen Kirche und Kaiser vor seiner Abreise zum Friedenskongreß mit dem Verdachte gegen Heinrich's lautere Gesinnung vergiftet, um nach seiner Rückkehr zur Kirchenversammlung die Wirkung des Giftes durch laute Anklagen, scheinbare Beweise, vorgeführte Zeugen bis zur fanatischen Wuth gegen den angeblich eidbrüchigen Kaiser zu erhöhen, um mit einem Bannstrahl so gewaltig, so von der ganzen Christenheit auf das Haupt des Angeschuldigten geschleudert, wie kein früherer gewesen, den Gegner zu vernichten, um sich die Völker, um sich Italien, um sich Rom mit einem entscheidenden Schlage zu unterwerfen, dann glauben wir in diesem Verfahren des Papstes die Rathschläge, die Mitwirkung, den ganzen Geist des Mannes zu verkennen, der bisher in derselben Weise des Kaisers Sturz und Verderben durch zahllose, stets sich erneuende Machinationen herbeizuführen bemüht gewesen war, und den wir auch künftig noch rastlos bei diesem Vorhaben verharren sehen.

 

Nach Mousson, einem Schlosse an der Maaß gelegen und dem Erzbischofe von Rheims gehörend 1), begleitete den Papst ein ansehnliches Gefolge von Erzbischöfen, Bischöfen und Aebten, Männern, die in seine Pläne eingeweiht waren und mit Scharfsinn, Gewandtheit und jeder erfoderlichen Kunst bald in geheimer Berathung, bald in der Stellung öffentlicher Unterhändler, oder als Redner vor der Versammlung die Absichten Calixtus' förderten 2). Dieser legte ihnen noch einmal die beiden Schreiben vor 3), welche Tags darauf er und der Kaiser auswechseln sollten. Und sonderbar! jetzt erst schien man den zweideutigen Sinn in beiden zu erkennen und fand ihn nachteilig für die Kirche. Die Worte in des Kaisers Urkunde: „Ich überlasse jede Investitur aller Kirchen“ schlösse nicht die Verzichtleistung

 

1) Roder. Vital. in Mansi Concil. X, p. 869 nennt Mousson in seinem Bericht über des Papstes Reise dahin: Castrum, quod in Remensis Archiepiscopi dominio est.

2) Hesso a. a. O.: Vocatis in cameram Archiepiscopis, Episcopis, Abbatibus et caeteris sapientibus viris, quos multos secum duxerat. Ihr Rath beweist, daß ihre Weisheit nur den Zwecken des Papstes und den eigenen entsprach.

3) Coram omnibus fecit legi utrumque scriptum concordiae. Cumque lectum fuisset scriptum Regis, diligentius coeperunt Episcopi retractare, maxime illud capitulum etc.

 

 

 

____

279 Neue Unterhandlungen zwischen Kaiser und Papst.

 

auf die Kirchengüter ein. Zwar, wenn der König, so sagte man, redlich und schlicht denke, so drückten jene Worte dieses mit aus. Wenn er aber dahinter seine wahre Absicht verberge, könnte er etwa die Kirchengüter für sich behalten, oder nur selber die Geistlichen damit belehnen wollen 1). Und wiederum in der Schrift des Papstes nahm man Anstoß, weil die Worte: „Ich gebe dem Kaiser wahren Frieden und Allen, die in jenem Kriege mit ihm waren und noch sind“, leicht weiter ausgedehnt werden könnten, als der Papst es wollte, der darunter nur Wiederaufnahme in die Kirche verstanden, nicht etwa die Wiedereinsetzung solcher Geistlichen, die nach kanonischem Rechte ihr Amt verloren, oder gar Anerkennung jener Priester, die Gregor VIII. und der Kaiser an die Stelle der getreuen Anhänger von Paschalis, Gelasius und Calixtus eingesetzt hätten 2).

 

Um jede andere Deutung als die, welche den weisen Männern, die des Papstes geheimen Rath bildeten, gefiel, vorweg zu verhüten, wurden die beiden früheren Unterhändler, der Bischof von Chalons und der Abt von Klugny, aber zugleich mit ihnen mehre andere Geistliche mit den bestimmtesten Erklärungen und Erläuterungen zum Kaiser geschickt. Dieser stand mit seinem Heere nur wenig Stunden von Mousson bei Ivoi, einem Flecken auf der französischen und deutschen Grenze 3), und meinte, Jene kämen, um ihn zur Zusammenkunft mit dem Papste feierlich einzuholen. Sehr befremdete ihn, als die Gesandten die Urkunden, welche er und der Papst nur noch auswechseln sollten, vor ihm entfalteten und jeden Punkt derselben so erklärten, wie er nach der Berathung zu Mousson bestimmt worden war 4). Wie gerieth Heinrich in Verwunderung, als er von dem Anspruch des Papstes an die Reichslehen der Kirchen hörte! Er leugnete je darein gewilligt zu haben, wollte durchaus nicht auf die

 

1) Ne forte aut possessiones antiquas ecclesiarum sibi conetur vindicare aut tantum de eisdem Episcopos investire.

2) Ne sub hoc verbo Ecclesia cogeretur suscipere, quos aut superpositos legitimis pastoribus aut canonice depositos sine gravi offensione non posset sustinere.

3) Lamb. Schaffn. sagt: Villa Ivois in confinio sita regni Francorum et Teutonorum. Der Ort gehörte zum Erzbisthum Trier. Gest. Trevir. in Leibnitz Access. p. 110: Ivodium, quod Trevericae Dioecesis appendicium est.

4) Hesso a. a. O.: Ostenderunt scripta, determinaverunt capitula, prout omnium consilio definitum erat. Letzteres war also auch zugleich die Vollmacht, die die Abgesandten zur Determination hatten.

 

 

____

280 Sechster Abschnitt.

 

Investitur in dem von Calirtus und seinen Rathen angegebenen Sinne Verzicht leisten und that wider jede Deutung, die nicht klar und ungezwungen in den Worten des Vertrages liege, Einspruch. Da aber antwortete in einem ganz andern Tone als zu Straßburg der Bischof von Chalons, den der Eifer Gottes jetzt auf einmal zu einem kühnen Streiter für die Kirche machte 1), während, er früher als ein gefälliger Vermittler dem Kaiser seine Dienste geboten. Laut rief er aus: „Wollt Ihr, Herr Kaiser, die Schrift, die ich in Händen halte, leugnen und den Sinn derselben, wie ich ihn Euch angegeben, verkehren? Ich bin bereit im Beisein der frommen Männer, die damals zugegen waren, einen heiligen Eid zu schwören 2), daß Ihr all jene Punkte in der eben angegebenen Weise gebilligt und durch Handschlag bekräftiget habt!“ Schwerlich konnte Jemand das erhärten, wie der Kaiser des Bischofs Anträge in Straßburg verstanden habe, und die Urkunden selbst entsprachen der Deutung nicht, welche die pästlichen Abgeordneten der Investiturabtretung unterlegten. Heinrich fügte sich ihrem Ansinnen keineswegs 3). Er berief sich auf des Bischofs Zusicherung, daß die Investitur vom Papste ganz unbeschadet der kaiserlichen Rechte gefodert worden, er erklärte, daß er nur unter dieser Bedingung in dem Streitpunkte zwischen Reich und Kirche um des ersehnten Friedens wegen nachgegeben. Wie könnten aber der Papst und seine Räthe sich einbilden, daß er so wesentliche Rechte der Krone, für die er bisher wider zwei Päpste mit dem Schwerte gekämpft, aufopfern werde? Die Belehnung der Kirchen überlasse er dem Papste, weil sie als ein kirchlicher Akt der weltlichen Hoheit ferner stände, doch dieser allein gezieme die Belehnung der Bischöfe und Aebte mit den Kirchenlehen. Der Bischof suchte sich von dem Vorwurfe falscher Vorspiegelungen

 

1) Tunc Episcopus Catalaunensis zelo dei inflammatus et gladio verbi dei accinctus respondit pro omnibus.

2) Noch stärker läßt Hesso ihn ausrufen: Paratus sum sub testimonio religiosorum virorum, qui inter me et te fuerunt, jurare super reliquias sanctorum et super evangelium Christi etc.

3) Der päpstlichgesinnte Berichterstatter sagt freilich: Cumque omnium testimonio vinceretur, tandem compulsus est confiteri, quod prius negaverat. Dem widerspricht aber, wenn Hesso danach von Heinrich berichtet: Conquerebatur de eis graviter, quod licet eorum consilio promiserit absque diminutione regni exequi non valeret. Der wahre Vorgang läßt sich auch aus dem ganz im Sinne der Kirche und zu Gunsten des Papstes gestellten Bericht erkennen.

 

 

____

281 Neue Unterhandlungen zwischen Kaiser und Papst.

 

zu rechtfertigen, räumte auch jetzt Zölle, Abgaben, Kriegsdienste und andere Leistungen von den Kirchenlehen ein und eiferte, nur Verläumder könnten glauben, daß der Papst Rechte des Reiches und der Krone beeinträchtigen wolle 1). — Wenn dies aber nicht des Papstes Absicht war, wenn er die Investitur ganz unbeschadet der früheren kaiserlichen Oberhoheit über alle und jede Reichsgüter blos als einen kirchlichen Akt vollziehen wollte, so bedurften die Worte der früheren Urkunde keiner Veränderung oder Erläuterung. Dagegen war es ein Widerspruch, daß der Papst einerseits die Investitur der kirchlichen Reichslehen unabweislich in Anspruch nehme, andererseits versichere, daß des Reiches und des Kaisers Rechte und Befugnisse dadurch keineswegs beeinträchtigt werden sollten. Der Grund, welchen der Bischof dafür anführte, weshalb der Papst auf Verleihung der kirchlichen Feudalgüter bestehen müsse, damit nämlich die Bisthümer fortan nicht durch Simonie oder um gottlosen Gewinnes wegen an Unwürdige vergeben würden, war geradezu beleidigend und setzte die Ehre und das Ansehen des Reichsoberhauptes ungebürlich herab 2), entsprach aber der Vorstellung, die Calixtus bei Eröffnung der Kirchenversammlung von der Sache gemacht hatte.

 

Der Kaiser durchschaute die Absicht des Papstes, ihn durch die neuen Modificationen des Vertrages zur Lösung oder Zurücknahme desselben zu verleiten und dann als den Schuldigen, der den Frieden in der Christenheit verweigere, darzustellen. Darum mußte er mit großer Vorsicht des Gegners Plan zu vereiteln suchen; und in der That Heinrich's Mittel war gut gewählt, um die Ränke der Kircheneiferer, die dabei ihre Theilnahme verriethen, unkräftig zu machen. Da ihm die mindestens getheilte Ansicht der in Rheims versammelten Prälaten und Fürsten in Betreff der Investitur nicht unbekannt geblieben war 3), so glaubte er nicht befürchten zu dürfen, daß sein Beharren auf dem strengen Wortsinne des Vertrages allgemeinen Haß gegen ihn erregen werde. Doch kannte er auch die Einflüsterungen

 

1) Hesso a. a. O.: Non statum Imperii aut coronam Regni, sicut quidam seminatores discordiae obloquantur, in quolibet imminuere attentent.

2) Hesso a. a. O.: Si autem Imperii statum per hoc imminui existimas, quod alterius tibi Episcopatus vendere non liceat, hoc potius Regni tui augmentum ac profectum sperare debueras, si quae Deo contraria sunt, pro ejus amore abjicias.

3) Dafür spricht der Unwille, der in der Versammlung lautbar wurde, als später der Papst die investituras episcopatuum et abbatiarum in Anspruch nahm.

 

 

____

282 Sechster Abschnitt.

 

oder aus der Ferne zu Calixtus gelangenden Auffoderungen, wodurch Adalbert von Mainz, Friedrich von Köln, Konrad von Salzburg und andere feindlich gesinnte Bischöfe Deutschlands darauf hinarbeiteten, die Erneuerung des Bannes in Rheims zu bewirken 1). Sobald der Vertrag aufgehoben war, stand nichts entgegen, was Calixtus dem Verlangen Jener und dem eigenen Wunsche zu entsprechen hinderte. Heinrich mußte, wie vorhin Calixtus, die Entscheidung über die neuentstandenen Streitpunkte, über die Anfoderungen des Papstes Anderen zuweisen, jedoch Solchen, von deren Entscheidung zu seinen Gunsten er überzeugt sein konnte. In der rheimser Kirchenversammlung würde immer das kirchliche Interesse, der überwiegende Einfluß der Gegner, und vor Allem das Streben Calixtus', die Pläne Hildebrand's zu verwirklichen, ihm das Recht vorenthalten, den Sieg entrissen haben. Eher durfte er von den deutschen Fürsten einen guten Erfolg erwarten, wenn er die Streitfrage zwischen ihm und dem Papste als Ehrensache des Reiches ihrem Schiedsurtheile überwies. Darum führte er die Unterredung mit den päpstlichen Abgesandten in Gegenwart der mit ihm gekommenen Reichslehnträger und deren Vasallen, ja einer großen Zahl seiner Ritter und Krieger, die solche Auszeichnung zu schätzen wußten, und als ihnen die Foderungen des Papstes, die anmaßlichen Worte des Bischofs von Chalons verdolmetscht wurden 2), in lauten Unwillen

 

1) Otto v. Freis. schreibt dem Rath der drei Genannten die Erneuerung des Bannes zu. Chron. lib. VII, cap. 15: Sententia excommunicationis a Calixto — suadente Alberto Mogontino, Friderico Coloniensi, Conrado Juvaviensi in eum datur.

2) Wir haben nur von päpstlich Gesinnten Berichte über die Vorgänge im Lager zu Ivoi. Ihre Worte verrathen zu deutlich die Parteiansicht, in der sie befangen. Aus Prüfung der Verhältnisse, und Dessen, was der Papst fodern, der Kaiser genehmigen durfte, kann der wahrscheinliche Zusammenhang nur errathen werden. Indessen lassen Manches auch die dem Kaiser feindlichen Berichterstatter anders erkennen, als sie es selbst beabsichtigen, und mit etwas veränderter, der Sachlage entsprechender Deutung, den wahren Vorgang heraussehen. Aus den nachfolgenden Worten des Kardinal Johann von Crema, der bei Rodericus Vitalis (s. Mansi, Conc. X, p. 869) die Unterhandlung zu Ivoi der Versammlung zu Rheims vorträgt, läßt sich das im Text Gesagte, obschon der Redner Alles in ein anderes Licht zu stellen bemüht ist, neben dieser Absicht sehr deutlich erkennen: Secretius fari cum Imperatore multoties quaesivimus (das suchte also der Kaiser zu vermeiden), sed mox, ut a turba segregati cum illo seorsum migraremus, innumeri satellites voluntatis ejus et fraudis conscii (und nur satellites sollten des Kaisers Vertraute, nur diese zugegen gewesen sein und die Fürsten sich in die Zelte zurückgezogen haben? Gewiß bildeten sie das Gefolge des Kaisers und nicht gemeine Krieger. Aber Heinrich führte die Gesandten wol absichtlich durch das Lager, um ihnen die Stimmung des Heeres zu zeigen) et lanceas gladiosque suos vibrantes ingentem nobis metum incutiebant. Wie viel mag hier der Kardinal vergrößern! Daß Heinrich feindselig den Abgesandten begegnet sei, widerlegt sein eigenes Benehmen.

 

 

 

____

283 Neue Unterhandlungen zwischen Kaiser und Papst.

 

ausbrachen, mit wilden Blicken und Drohungen die Gesandten erschreckten, und als diese vom Kaiser im Lager umhergeführt wurden, mit kriegerischem Lärm, erhobenen Lanzen und Schwertern sie umringten. Heinrich aber zeigte sich freundlich und herablassend den ganzen Tag über 1), nur verweigerte er jede Privataudienz, weil die Sache, wie er sagte, mehr die Fürsten, alle Deutschen, als ihn selbst angehe. Auch die andern Punkte, welche zu Mousson in Erwägung gezogen, kamen zur Sprache. Der Wiederherstellung der von ihm entsetzten Bischöfe widersetzte sich der Kaiser nicht, überließ dem Papste das Recht, Geistliche, die ihres Amtes unwürdig seien, davon zu entfernen 2), verwies in Betreff der Lösung vom Banne und der dabei seinerseits zu beachtenden Förmlichkeiten die Abgesandten an seine Reichswürdenträger, die sich im Lager befanden, und entzog sich endlich am Abend schlau ihrer Gegenwart, nachdem er versprochen, noch in der Nacht über die Punkte, in denen er mit dem heiligen Vater nicht einverstanden sei, den Rath der Fürsten einzuholen, wobei er Alles aufbieten wolle, sie zu jeder Nachgiebigkeit, die mit des Reiches Ehre sich vertrage, zu bewegen 3). — Doch auch nur bis zum nächsten Morgen im kaiserlichen Lager zu verweilen, fanden die päpstlichen Abgeordneten nicht für gerathen, da es ihnen bei den

 

1) Hesso a. a. O.: Nachdem der Bischof von Chalons die Anschuldigung der Simonie ausgesprochen: Ad haec omnia cum respondere non posset (Imperator), mitiora verba coepit proferre. Und Rod. Vit. a. a. O.: Imperator dolosus per diversas ambages cavillabatur, fraudulenter nobiscum loquebatur. Sic totum diem inutiliter exegimus. Denique nox tetra nos diremit et unusquisque sua mapalia repetiit. Man sieht, gegen des Kaisers vorsichtiges Benehmen, seine milden, schlauen Worte richteten die Gesandten nichts aus. Alles missiel ihnen, auch die Dunkelheit der Nacht, und daß man sich schlafen legte, und — sie allein ließ. Und doch hält Heinrich mit den Fürsten Rath, aber ohne die Gesandten dazuzuziehen.

2) Der andern Punkte, außer der Investitur, geschieht bei Hesso keine Erwähnung. Hätte Heinrich auch sie anders verstanden als der Papst, er würde nicht unterlassen haben, es anzugeben. Also willigte Heinrich in das Uebrige und hatte es wie der Papst gleich anfangs verstanden.

3) Hesso a. a. O.: Dicens se nocte illa cum principibus velle de causa conferre, et ad exequendum promissum, si posset, eorum corda inflectere et ad alterutrum summo mane renunciare.

 

 

 

____

284 Sechster Abschnitt.

 

Fürsten, an welche sie der Kaiser gewiesen hatte, noch weniger als bei diesem selbst gelingen wollte, für ihre spitzfindigen Erklärungen und anmaßlichen Foderungen geneigtes Ohr zu finden. Jene wiesen es mit Unwillen zurück, daß der erste Herrscher der Christenheit und ihr Gebieter wie der Geringsten Einer mit entblößten Füßen und im Büßergewande vor dem Papste erscheinen solle, um etwa das Schauspiel von Canossa vor der Welt zu wiederholen. Solche Zumuthung sei höchst anmaßend, ja ganz unerträglich und die Ehre eines deutschen Kaisers herabwürdigend 1). Vergebens stimmten nun die Gesandten ihren Ton herab, der Eifer Gottes verließ sie, und sie boten wieder, wie in Straßburg und bei Metz, sich zu Vermittlern zwischen Papst und Kaiser an; ja sie versprachen, auf alle Weise sich beim Heiligen Vater zu verwenden, daß dieser dem Kaiser so zurückgezogen als möglich die Absolution ertheile und mit dem Friedenskusse den demüthig Bittenden wieder vor Aller Augen erhebe. Doch dieser ganze Punkt einer in irgend welcher Weise erniedrigenden Handlung bei der Freisprechung, vom Banne wurde von den Fürsten verworfen; und es sollte, wie es die Worte in dem Vertrage besagten, ohne alle Formalität der Papst dem Kaiser und Allen, die für ihn gewesen und es noch seien, wahren Frieden gewähren 2).

 

Damit endete die Unterhandlung, und die Gesandten, die nicht nur nichts dem Kaiser abgewonnen, sondern von ihm in die Enge getrieben waren und durch seine Schlauheit und Gewandtheit ihr sehr zweideutiges Spiel verloren hatten, kehrten unverrichteter Sache nach Mousson zurück. Bitter empfand Calixtus, daß Heinrich, den er zu überlisten gehofft, nicht in die Falle gegangen. Nachzugeben, den Vertrag zu erfüllen, wie er vorhin ausgeschrieben worden, den Kaiser vom Banne zu lösen und damit für immer ihn freizusprechen, unter dieser Bedingung nur die Investitur der Bischöfe zu erlangen und um nichts dem Ziele näher gerückt zu sein, das war für ihn zu demüthigend. Die ihm ergebenen und gleichgesinnten Freunde

 

1) Post haec sui (das können doch nur die Fürsten, die den Kaiser begleitet hatten, sein) de modo absolutionis et susceptionis cum nostris coeperunt conferre, durum sibi immo importabile videri, si more alliorum nudis pedibus Dominus suus ad absolutionem accederet.

2) Hesso geht über die Sache schnell hinweg, doch seine Worte verrathen genug: Condescentes nostri responderunt, quod modis omnibus laborarent, ut Dominus Papa eum calceatum, quanto privatius posset, reciperet.

 

 

 

____

285 Neue Unterhandlungen zwischen Kaiser und Papst.

 

auf der Kirchenversammlung zu Rheims blieben noch seine Stütze und sollten Werkzeuge seines Vorhabens werden. Die Schuld der nicht erreichten Aussöhnung zwischen Kirche und Staat auf Heinrich zu wälzen, ihm die falsche Deutung des Vertrages aufzubürden, waren des Papstes Gefährten, die Abgesandten und er selbst entschlossen. Schon an diesem Tage wäre er von Mousson nach Rheims zurückgekehrt 1), wenn der Graf von Troyes und einige andere ihm nicht gerathen, noch bis zum Sonnabend zu verweilen, um die Entscheidung der Fürsten, mit denen der Kaiser sich zu berathen versprochen, abzuwarten. Diesem Rath Gehör zu geben schien die Klugheit zu fodern, ja, um den Schein zu gewinnen, daß er Alles aufgeboten, um den Frieden zu bewerkstelligen, wurden der Bischof von Chalons und der Abt von Klugny noch einmal in das kaiserliche Lager geschickt. Durch eine heilige Ceremonie meinten die Gesandten ihrer Sache das Ansehen der bessern zu geben. Der Bischof von Chalons, nachdem er noch einmal den wahren nicht zu bestreitenden Inhalt der kaiserlichen Urkunde nachzuweisen und unter einem Eide zu erhärten gesucht 2), wandte sich dann mit folgenden Worten an den Kaiser: „Gestern schon, Herr Kaiser, hatten wir mit Fug und Recht uns von Euch abwenden können, da wir zur festgesetzten Zeit erschienen waren, um die Erfüllung Eurer Zusagen gegen die der unsern einzutauschen. Ihr batet indeß um Ausschub bis heute, und wir wollen nicht um des Verlaufes von einer Nacht wegen, ein so hohes Gut als den Frieden aufgeben, und wenn Ihr heute Euer Versprechen zu halten gedenkt, ist auch jetzt noch der Heilige Vater bereit, was er durch uns verkünden läßt, zu erfüllen“. Der Kaiser erkannte, daß sein Ausweichen am vorigen Tage von Erfolg gewesen. Er verlangte noch einmal Aufschub, um erst die Fürsten des ganzen Reiches wegen der Investitur, wie weit er diese dem Papste zugestehen dürfe, zu einer Berathung einzuberufen 3). Als die Geistlichen hinlänglich ersehen, daß dem Gegner nicht beizukommen, ihm nichts

 

1) Hesso a. a. O.: Quasi de pace desperans.

2) Hesso a. a. O.: Sicut pridie fecerat, repraesentavit scripti veritatem cum attestatione sacramenti.

3) Hesso a. a. O.: Tunc Rex iratus (das war Heinrich gewiß nicht, aber mit Nachdruck mag er dem Bischöfe, dessen Rede einem Kaiser gegenüber ungeziemend war, geantwortet haben) iterum inducias coepit quaerere donec generale colloquium cum Principibus regni posset habere, sine quorum consiIio investituras non audebat dimittere. Das war vielleicht der Beschluß der Fürsten in der nächtlichen Berathung.

 

 

____

286 Sechster Abschnitt.

 

abzugewinnen war, erklärten sie alle Unterhandlungen für abgebrochen, kehrten im Zorn und ohne von dem Kaiser Abschied genommen zu haben nach Mousson zurück 1), wo nun der Papst nicht länger zu halten war, sondern mit seinen Begleitern sich von dort nach einem Schlosse des Grafen von Troyes begab. Heinrich indeß schien es mehr Ernst mit dem Frieden zu sein. Denn kaum hatte er erfahren, daß Calixtus Mousson verlassen, als er einen Boten an den Grafen von Troyes schickte, mit dem Auftrage, den Papst zu bewegen, nur ein paar Tage zu warten. Denn am künftigen Montage wolle er, der Kaiser, gern erfüllen, was er bisher abgeschlagen habe. Ob er hiermit nur Zeit gewinnen, ob den Anschein des Friedenseifers sich geben, ob irgend einen versteckten Zweck erreichen wollte, wer vermag es aus den einseitig parteiischen Berichten, die uns erhalten sind, zu erkennen? Daß der Papst nicht mehr auf des Kaisers Bitte eingehen wollte, ist nicht zu bezweifeln. Kurz gab er auf das Gesuch desselben, in Gegenwart der ihn begleitenden Geistlichkeit die Erklärung: „Ich that aus Liebe zum Frieden, was von unsern Vorfahren ich nimmer gehört. Eine allgemeine Kirchenversammlung verließ ich und kam zu diesem Manne mit großer Beschwerlichkeit. Umsonst! er verwarf den Frieden. Nun will auch ich ihn nicht abwarten, sondern zu unsern Brüdern zurückkehren. Wenn Gott uns während oder nach der Synode wahren Frieden schenken will, so werde ich gern ihn annehmen“. Somit brach er Sonntags früh auf und eilte mit solcher Schnelligkeit nach Rheims, daß er die 20 Stunden Weges in viel geringerer Zeit zurücklegte. Noch an demselben Tage weihete er einen Bischof von Lüttich, den, wie wir später sehen werden, der Kaiser verworfen hatte, sodaß diese Handlung schon ein Vorzeichen feindseliger Gesinnung gegen Heinrich war. Bald sollte sie in viel stärkerem Maße sich kund geben. Von der Reise angegriffen, vor Aerger und Mismuth erkrankt, ließ er durch den Bischof Johann von Crema den versammelten Vätern vom Erfolg seiner Reise und seiner Verhandlungen Bericht erstatten 2). Schwarz malte dieser das Verfahren des Kaisers, erklärte

 

1) Ad haec (des Kaisers Gesuch) Episcopus: Quia saepe inducias quaerendo, quae promisisti, implere dissimulas, nihil nobis et tibi amplius. Sicque insalutatus rediit.

2) S. Hesso a. a. O. und Roder. Vit., Concil. X, p. 869. Aus der Rede des Kardinalbischofs, wie sie bei Letzterem sich findet, benutzten wir Vieles schon für die Darstellung der Vorfälle in Ivoi. Diesen, soweit es möglich, aus der Lage der Sachen selbst zu schließen, nicht parteiischen Berichten zu folgen, ist die Aufgabe des gewissenhaften Geschichtschreibers. Jedes unparteiische Zeugniß über die Verhandlungen fehlt uns.

 

 

____

287 Abbruch der Unterhandlungen.

 

dessen Handlungen und Worte, alle seine Absichten für Arglist, Trug, Verrath und Heinrich's Umgebungen für mitschuldig, brutal und gottlos, wogegen er das Benehmen des Papstes, die Unterhandlungen der Gesandten, zu denen er selbst gehört hatte, durchaus tadellos, gottgefällig und nichts als den Frieden, Aufhebung des langen Zwiespaltes zwischen Kirche und Reich bezweckend darstellte 1). Wer vermag die Gesinnungen Heinrich's und Calixtus' zu erkennen und zu prüfen? Daß Johann von Crema aber kein unparteiischer Berichterstatter war, geht aus seiner Rede an die versammelten Väter allzudeutlich hervor. Während er von den veränderten Punkten des aufgesetzten Vertrages zwischen Calixtus und Heinrich gänzlich schweigt, bald den Friedenseifer der päpstlichen Abgeordneten, bald den kriegerischen Waffenlärm der kaiserlichen Soldaten schilderte, läßt er den Verdacht durchblicken, daß Heinrich den Papst in Mousson habe überfallen und wie einst Paschalis in sein Lager gefangen abführen wollen 2). Daß jener wirklich solche Absicht gehegt, ist um so unwahrscheinlicher, als daraus kein Vortheil in Heinrich's Lage

 

1) Rodericus Vital. a. a. O.: Non enim ad bellum instructi veneramus, sed inermes pacem universali ecclesiae procurabamus, während er vorher von Heinrich gesagt: Imperator enim cum ingenti exercitu ad praedictum locum (Ivoi) advenit, et quasi pugnaturus armatorum ferme XXX millia secum habuit. Auch diese Angabe des kaiserlichen Heeres möchte übertrieben sein; denn seit zu Tribur der Reichsfriede beschlossen, durfte Heinrich ohne Misbilligung der Fürsten wol nicht mehr ein so starkes Heer um sich versammeln und noch weniger zu einen friedlichen Gespräch mit dem Papste mit sich führen.

2) Johann von Crema stützt seinen Verdacht auf den kriegerischen Anzug des Kaisers: Hoc itaque ut animadvertimus, Dominum Papam in praefato castro (Mousson) inclusimus et nos inde ad constitutum colloquium egredientes ipsum exire omnibus prohibuimus. Dann nach der Unterredung mit dem Kaiser: patrem patrum ab oculis ejus solerter occuitavimus memores, quam fraudulenter idem ipse Romam latraverit et ante aram in basilica Sancti Petri Apostoli Paschalem Papam ceperit. — Hesso gibt nur von der beschleunigten Rückkehr des Papstes, ohne den Grund anzuführen, Nachricht: Die Dominica eodem de loco ante diem exivit et cum tanta festinatione Remis usque cucurrit, ut viginti leugis consummatis eadem die Remis missam celebraret. Diese beeilte Reise, gleich einer Flucht vor drohender Gefahr, war sehr geeignet, den Verdacht des Kardinalbischofs von Crema zu verstärken, wenn nicht selbst daraufhin veranstaltet. Das Beispiel von Paschalis' Gefangennehmung wirkte auf die Zuhörer noch stärker. Kein Wunder, daß der Redner sich gegründeter Beweise für seine Anklage überhob!

 

 

____

288 Sechster Abschnitt.

 

sich absehen läßt, ja ein so unkluger, gewaltsamer Schritt die kaum besänftigten Gemüther der Gegenpartei von Neuem aufgereizt haben würde. Der gleiche Anlaß zu solcher Gewaltthätigkeit bot allein dem Kardinal einen geschickten Vergleichungspunkt, denn jetzt wie damals handelte es sich um die Investitur. Und in der That der Kaiser würde diese, wenn er es vermocht hätte, in keiner Weise freiwillig abgetreten haben. Ganz anders war aber Heinrich's äußere Lage, als er dem Papste Paschalis gegenüberstand. Damals folgte ihm die vereinte Kraft des Reiches, um ihn, das Haupt der Christenheit, durch den Glanz der Kaiserkrone zu erhöhen, vertrauend, daß er statt der Willkür seines Vaters die Ordnung und das Recht allein anerkennen und ehren werde. Paschalis dagegen hatte die mächtigsten Prälaten, denen er die weltliche Macht entziehen wollte, erzürnt und stand verlassen, ehe Heinrich in Rom einzog; daß dieser ihn zu hartem Gefängniß abführte, wandte zuerst dem Kaiser die Gemüther ab, und als die Kräfte der Kirche nicht mehr zum Schutze des Papstes, sondern zu einem Bollwerke der Hierarchie sich vereinten, stand dem Kaiser eine Gewalt gegenüber, der die seine kaum gewachsen blieb, auch wenn nicht seine herrschsüchtigen, eigennützigen Bestrebungen in Deutschland sie geschwächt und gelähmt hätten. Die gesammte Geistlichkeit wog die getheilte Herrschermacht des deutschen Kaisers auf. Und jene war nun in größerer Anzahl als je in den Tagen Heinrich's V. in Rheims versammelt. Sie, nicht den Papst hatte der Kaiser zu fürchten. Den Foderungen dieses gab er nicht nach, weil er die Stimmung der Kirchenversammlung sich nicht abgeneigt, und besonders zum Frieden nach so langem Kampfe geneigt glaubte. Wäre ihm die Aussöhnung mit Calixtus gelungen, und er mit diesem, wie es früher bestimmt worden, nach Rheims gekommen, so hätte Heinrich wieder hoch, wie in den ersten Tagen seiner Regierung gestanden, gleichgeehrt von den Fürsten und Geistlichen des Reiches, ein mächtiger Schirmvoigt und weltliches Haupt der Kirche. Das aber war es, was dem geistlichen Oberhaupte dieser misfiel. Darum verhinderte Calixtus zuerst, daß Heinrich nach Rheims käme 1), und bestimmte, daß an einem einsamen

 

1) Daß Heinrich zu Straßburg und in der Fürstenversammlung am Rhein versprochen hatte, in Rheims persönlich zu erscheinen, ist aus Chron. Ursp. und Ann. Saxo ad 1119 bewiesen. Warum die erste Zusammenkunft des Papstes und des Kaisers von Rheims nach Mousson verlegt worden, geben die Berichterstatter nicht an. In den Worten des Chron. Ursp.: Insuper eidem concilio non adeo se praesentem, vicinum tamen exhibuerit, ist wol die Absicht des Papstes, ihn nicht nach Rheims selbst zu lassen, enthalten, und aus der Sachlage ganz erklärlich.

 

 

 

____

289 Synode zu Rheims.

 

Orte die Zusammenkunft Beider stattfände. Dem Kaiser wurde dies als schicklicher zur Aufhebung des Bannes dargestellt, damit der Akt nicht vor vielen Zeugen oder gar vor einer ganzen Kirchenversammlung seine Würde herabsetze. Gewiß gab aber Heinrich den Vorsatz nicht auf, nach solcher Privataussöhnung öffentlich als Kaiser und weltliches Haupt der Christenheit in Rheims zu erscheinen, um an den Berathungen und Beschlüssen des Concils Theil zu nehmen. Der König von Frankreich konnte das nicht ungern sehen, da der Kaiser vereint mit dem Papste den Frieden zwischen ihm und Heinrich I. von England am besten zu vermitteln im Stande war, während jener, vereint mit seinem Schwiegervater, als ein gefährlicher Nachbar im Rücken ihn bedrohte, wenn in der Normandie der Krieg von neuem begann. Verlieren aber an Ansehen und Einfluß mußte Calixtus, wenn neben ihm der Kaiser als friedestiftender Vermittler zwischen der getheilten Kirche, zwischen Reich und Kirche und auch noch zwischen Ludwig und Heinrich von England erscheine und ihn verdunkele 1). Die abgebrochenen Unterhandlungen, die größere Entzweiung als Annäherung der beiden Häupter der Christenheit verhinderten, daß der Kaiser zu Rheims erschien, daß er dort einen unmittelbaren Einfluß übte. Um die dem Kaiser bisher geneigte Friedenspartei in der rheimser Kirchenversammlung demselben abwendig zu machen, war nichts geeigneter als die von Johann von Crema unverholen ausgesprochene Anschuldigung, zumal da sie von keinem der Anwesenden widerlegt, von keinem Abgesandten und Vertreter Heinrich's — weil er in eigener Person dort zu wirken gehofft — als beleidigend und entehrend zurückgewiesen wurde. Noch aber wagte man nicht mit dem eigentlich beabsichtigten Vorhaben offen hervorzutreten, es unumwunden auszusprechen, oder zur Berathung der Versammlung vorzulegen. Besser schien es, diese am letzten Tage zu überrumpeln und als Synodalbeschluß hinzustellen, wovon kein Wort früher verlautet. Der Papst, angeblich am Sprechen verhindert durch Unwohlsein,

 

1) Die Absicht, um welcher halber der Kaiser vornehmlich in Rheims erscheinen wollte, spricht er selbst aus. Chron. Ursp. a. a. O.: Pollicebatur, se ipsum ibi ob reconciliationem universalis Ecclesiae praesentandum iri, d. h. um den Schiedsrichter zwischen Calixtus II. und Gregor VIII. zu machen. Denn auch den Gesandten des Letzteren gab er den gleichen Bescheid.

I. 19

 

 

____

290 Sechster Abschnitt.

 

das er durch die übergroße Anstrengung in den letzten Tagen sich zugezogen, saß den 27. Oktober als stummer Zuhörer da 1), erschien am 28. erst spät in der Versammlung 2), ließ am 29., als ob Eile nöthig sei, um endlich zum Schlusse zu kommen, eine Menge Gegenstande kurz und oberflächlich verhandeln, dann spät Abends noch die Synodaldekrete verlesen 3) Nachdem viele Verordnungen gegen die Simonie, die einstimmig angenommen wurden, vorausgeschickt waren, kam — wol den Meisten sehr unerwartet, wenigstens in der gemachten Abfassung — die Bestimmung hinsichtlich der Investitur an die Reihe. Sie lautete: „Die Investitur aller Kirchen und Kirchenbesitzungen durch Laienhand verbieten wir in aller Weise.“ — Wie schlau man es aber auch angestellt hatte, eine solche Ausdehnung der Investitur auf die Kirchenlehen von der Synode sanktioniren zu lassen, kaum waren jene Worte vorgelesen, als der heftigste Widerspruch von Seiten vieler Geistlichen und noch mehr der Laien sich erhob. Die alten Rechte dieser waren durch die kirchliche Investitur überhaupt beeinträchtigt, der Hohen, weil sie Nichts mehr an Geistliche verleihen, oder wol einen großen Theil ihres Landesgebietes dem Papste und dessen Legaten zur Verfügung, wenn nicht sogar zur Benutzung und Besteuerung überlassen sollten, der Niedern, welche Afterlehensträger der Bischöfe und Aebte waren, weil sie von diesen oder von der Kirche nun ganz allein abhängig wurden, während sie bisher in weltlichen Dienstleistungen zwar dem Reiche verpflichtet gewesen waren, aber auch vom Reichsgerichte und vom Reichsoberhaupte Schutz gegen Druck und Willkür

 

1) Hesso a. a. O.: Postea vero pro nimio labore inkrmatus vix ad concilium accessit — et sic illa die siluit.

2) Infirmitate detentus in concilio sedere non potuit. Circa horam terliam ad concilium accessit.

3) Alia die usque ad horam nonam multorum proclamationes recepit et de multis capitulis tractavit. Ab hora vero nona volens illa die concilium terminare synodalia decreta fecit in medium proferri et legi. Faßt man die Rede Johann's von Crema, des Papstes Schweigen und Zurückgezogenheit, die Eile, mit welcher die Verhandlungen am letzten Tage betrieben werden, dann die plötzliche Kundmachung der Synodalbeschlüsse, endlich die Art der Fassung in der Investiturbestimmung, nicht wie diese der Kaiser genehmigt, sondern Calixtus gefodert, zusammen, so kann man schwer den Verdacht unterdrücken, daß Alles darauf berechnet gewesen, mit dem Beschluß über die Investitur die Versammlung zu überraschen, nachdem zuvor ein Unwille gegen den Kaiser erregt worden, der dem Plane den Eingang erleichtern sollte; dennoch gelingt das Vorhaben nur halb.

 

 

____

291 Synode zu Rheims.

 

ihres geistlichen Lehensherrn erwarten durften 1). Im Allgemeinen hielten es Fürsten und Adel für ungeziemend, daß die Kirche einen Staat im Staate bilde, losgetrennt und unabhängig von dem Reichskörper und seinem Oberhaupte. Aber auch die Geistlichkeit erkannte in jener Errungenschaft des Papstes keinen Gewinn für sich, ja in vielfacher Hinsicht einen Nachtheil. Wer z. B. schützte sie gegen gewaltsame Fürsten und Ritter, und vornehmlich gegen den Kaiser, wenn dieser bei einem Zerwürfniß mit dem Papste, wenn Jene über Bann und Kirchenstrafe sich hinwegsetzend, Kirchengut als Feindesgut betrachteten und an sich rissen? Und wurde ihre eigene alleinige Abhängigkeit von der Kurie des Papstes nicht drückender als die zweiherrige Oberhoheit, die sie bisher über sich anerkannt? Hatte nicht mancher Bischof und Abt von der Gunst und Freigebigkeit der Kaiser, Könige und Fürsten Güter erlangt, die der Papst nicht zu geben und sie selber sich nicht zu verschaffen vermochten? Selbst in Frankreich, wo bisher noch Alles in alter Weise verblieben, durften König und Fürsten nicht sicher sein, daß nie die Kirche ihre bisherigen Rechte, Besitzungen, Zölle, gefoderte Dienstleistungen beschränken oder entziehen wolle.

 

Kurz jener Beschluß, die Investitur betreffend, fand so großen Widerspruch auf der Kirchenversammlung, daß der Papst genöthigt war, die stürmische Sitzung aufzuheben 2), um nicht alle Bemühungen fruchtlos zu sehen, oder gar dem Kaiser eine mächtige Partei zuzuwenden, die sich dann auch leicht dem beabsichtigten Verfahren

 

1) Hesso faßt die Sache etwas anders: Videbatur igitur eis, quod sub hoc capitulo Dominus decimas et caetera ecclesiastica beneficia, quae antiquitus laici tenuerant, conaretur minuere vel aufferre. Dazu erhielt allerdings die Kirche jetzt ein Recht, während die Erblichkeit der Lehen, die in Deutschland von den salischen Kaisern eingeführt und gesichert war, die Entziehung oder Verringerung der Erblehen, die besonders in den Bisthümern und Abteien häufig waren, verhinderte. Allein diese Furcht hätte der Papst, dem an der Zuneigung der Kirchendienstmannen sehr gelegen war, durch Zusicherung der Lehenserblichkeit für die Kirchenvasallen, gleich den weltlichen Lehnsträgern, gewiß gern beseitigt. Der Unwille der Laien hatte tieferen Grund.

2) Hesso mildert vergeblich: Murmur quorundam clericorum et multorum laicorum per concilium intonuit, und später: Unde Dominus Papa omnibus satisfaciens illa die concilium terminare distulit et sequenti die communi consilio decretum temperaret. Dies Letztere und der Nachsatz zu dem vorhin Angeführten: ut diem usque ad vesperam sub gravi contentione pertraherent, beweist, daß sehr gewichtige Stimmen sich dem Beschlusse widersetzt haben müssen.

19*

 

 

____

292 Sechster Abschnitt.

 

gegen diesen widersetzen möchte. Calixtus konnte seinen Verdruß über den mislungenen Streich, den er gegen den Kaiser zu führen gedacht, noch am folgenden Tage (30. Oktober) in der Schlußrede an die Versammlung wenig verbergen. Nachdem er mit wahrem Feuereifer von dem bösen Geiste gesprochen, der feindlich dem heiligen Geiste und seinem Vorhaben entgegenwirke und die Eintracht der Versammlung auf alle Weise zu stören suche, knüpfte er daran den heftigsten Vorwurf gegen Diejenigen, welche ihm gestern widersprochen hätten 1). Treulose nannte er sie, denen er kraft seines apostolischen Amtes zurufe: „Wer treulos, der hebe sich hinweg und mache den Treuen Platz, daß diese über der Kirche Wohlfahrt und Freiheit zu Rathe sitzen.“

 

Wie sehr aber auch die Rede, die des Papstes hierarchische Strenge und Konsequenz deutlich bekundet, die Anwesenden erfreute oder schreckte, die am vorigen Tage zurückgewiesene Formel war dahin abgeändert: „Die Investitur der Bisthümer und Abteien durch Laienhand verbieten wir gänzlich“. Hiermit war zwar die Ehre der Kirche, um welche diese so lange gestritten, gerettet, aber von Dem, was Calixtus im Geiste Hildebrand's erstrebt hatte, war nichts erlangt. Nur günstigere Verhältnisse konnten bei der Anwendung jener Formel und dem später gemachten Zusatze: „Wer von Laienhand investirt ist, soll die Würde, mit der er investirt worden, für alle Zeiten verlieren 2), der Kirche eine größere Gewalt verleihen. Calixtus II. sollte aber nicht einmal die Investitur der geistlichen Würden behaupten. Da er des Kaisers Einwilligung durch allzuweitgehende Foderungen, die selbst die Kirchenversammlung von Rheims zurückgewiesen, verscherzt hatte, war der mächtigste Gegner weder versöhnt noch gedemüthigt.

 

Um ihn unschädlich zu machen, bot Calixtus am Schlusse der Kirchenversammlung sein ganzes Ansehen und seinen heftigsten Zorn auf. Nachdem die Verlesung der Synodalbeschlüsse durch deren Annahme beendet, wurden 427 brennende Kerzen unter die Bischöfe, Aebte und alle Geistliche vertheilt 3); auf des Papstes Gebot erhoben

 

1) Hesso a. a. O.: Sic et nos, cum heri proposuissemus quaedam pro libertate ecclesiae, scandalizati sunt quidam infideles, unde et nos eis auctoritate Apostolica dicimus etc.

2) Im zweiten Kanon: Qui investitus fuerit, honore, quo investitus est, absque recuperationis spe omnimodis careat.

3) Hesso a. a. O.: Allatae sunt denique candelae quadringentae XXVII et accensae datae singulae singulis, tenentibus baculos Episcopis et Abbatibus, injunctumque est eis, ut omnes candelas tenentes assurgerent. Cumque astarent, recitata multorum nomina etc.

 

 

____

293 Calixtus erneuert den Bann gegen den Kaiser.

 

sich Alle; Jener rief die Namen Vieler aus, die er aus der Gemeinschaft der Kirche gestoßen erklärte; unter diesen zuerst König Heinrich, den Frevler an der Kirche, und seinen Schattenpast Burdinus. Auch wurden Alle, die dem Kaiser Treue gelobt, ihres Eides entbunden, so lange, bis Heinrich sich bekehrt und der Kirche Genugthuung gegeben haben würde. Nach diesem Akte löste er die Kirchenversammlung auf im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes.

 

Da Calixtus, nachdem er durch Erneuerung des Bannes den Kaiser selbst zu seinem Gegner gemacht, wieder hauptsachlich auf den weltlichen Schutz Ludwig's VI. von Frankreich gewiesen war, mußte er für diesen in den Händeln mit England etwas Entscheidendes thun. Von Paris, wohin er gleich nach der rheimser Kirchenversammlung sich begeben, betrieb er die Friedensvermittlung, die, als sie zur Zufriedenheit beider Reiche ihm geglückt, Frankreichs und Englands Anerkennung ihm erwarb. Bei einer Zusammenkunft zu Gisort in der Normandie überredete er den König Heinrich I. sowol zu einer friedlichen Ausgleichung mit Ludwig als auch zur Genehmigung der Synodalbeschlüsse von Rheims.

 

Unter solchen politischen und kirchlichen Angelegenheiten brachte er den Winter hin 1). Mit dem Frühjahr 1120 aber brach er nach Italien auf, welches bereits von den kaiserlichen Truppen bis auf wenige Besatzungen in den thuscischen Städten ganz verlassen war. Des Papstes Reise von Paris bis Rom glich einem Triumfzuge. Bis Melun begleitete ihn König Ludwig und dessen Gemahlin Adelaide. Hohe und Niedere, Geistliche und Laien von nahe und fern suchten ihn an verschiedenen Orten, die er auf seiner Fahrt berührte, auf, um seinen Segen oder seine Verzeihung zu erbitten 2). Allen war er freundlich und mild. Die Fürsten und Städte der Lombardei, seit dem Abzuge Heinrich's und der Deutschen sich selbst überlassen, fühlten sich nicht gedrungen, Calixtus auf seinem Wege zu

 

1) S. Mascov, Commentarii, p. 202.

2) Cardin. Aragonius, bei Muratori III, p. 419: Undique ad eundem Pontificem confluente innumera multitudine Populorum, eum tanquam Christi vicarium omnes nimio venerabantur affectu et ad ejus vestigia certatim se devotissime prosternebant. Daß auch hohe Geistliche ihn aufsuchten, werden wir aus Bruno's von Trier Beispiel ersehen.

 

 

____

294 Sechster Abschnitt.

 

hemmen, ja viele empfingen ihn ehrerbietig 1), und Niemand schien mehr des kaiserlichen Papstes zu gedenken. Burdinus wich daher, als Calixtus sich Rom näherte, aus der Stadt und suchte in dem festen Sutri Schutz, vergeblich der Ankunft Heinrich's zu seiner Befreiung und Wiedererhöhung harrend 2). Das veränderliche römische Volk, sowie viele seiner Edlen, nicht mehr durch den Kaiser geschreckt und durch dessen Geschenke belohnt, hatten den Kardinälen, welche in der Stadt zurückgeblieben und im Geheimen längst für Calixtus thätig gewesen waren, geneigtes Ohr und gewiß auch offene Hände gezeigt, für den verlassenen Gregor VIII. nichts gethan, als ihn ohne Schimpf und Schaden abziehen lassen. Calixtus empfingen sie mit lautem Jubel und glänzenden Festlichkeiten (am 3. Juni 1120) in ihren Mauern 3). Nur die Frangipani blieben ihm abgeneigt aber nicht ungestraft 4).

 

So hatte denn Calixtus von dem Stuhle Petri und Lateran mit leichter Mühe Besitz genommen, Italien, Frankreich, England hatten ihm gehuldigt, die deutsche Geistlichkeit war meist mit Eifer ihm zugethan, die Fürsten nicht abgeneigt; er brauchte kaum um den verlassenen Gegenpast sich zu kümmern. Doch um in diesem den Kaiser zu kränken und zu demüthigen 5), ruhete er nicht, bis er

 

1) Cardin. Arag, a. a. O.: Descendentes ad populosas Lombardiae civitates, in quibus non minore honorificentia recipiebatur quam devotissima devotione tractabatur, per Montem Bardonis transivit in Thusciam. In Lucca, Pisa und ganz Thuscien wetteiferte man, ihn glänzend zu empfangen.

2) Cardin, Arag. a. a. O.: Burdinus Haeresiarcha in desperationis lubrico positus, sperans ab ipso Imperatore tueri apud Sutrium confugium fecit. Fälschlich läßt der Verfasser jetzt schon Sutri, convocatis ad se Romanis et aliis Nobilibus circumpositis, einnehmen.

3) Am ausführlichsten wird der Einzug beschrieben in Epistola Eginonis bei Canisius Tom. II, p. 240, von Pandulfus Pisanus bei Murat. III, p. 418 kürzer: Ubi a Petro Portuensi Vicario, Cardinalibus, clero toto ac populo tanta gloria est ac honore susceptus, quanta diebus nostris nullus unquam fuerit praesul de Roma tractatus. Und Pandulfus lebte damals. Auch Card. Aragonius, Murat. III, p. 420, erwähnt des glänzenden Empfanges.

4) Pand. Pis. a. a. O.: Hic pro pace servanda turres Centii (Frangipani) Dominae bonae et iniquitatis (domus) dirui et reparari non ibidem praecepit.

5) In einem Schreiben nach der Gefangennehmung Burdin's nennt diesen Calixtus: Teutonicorum Regis idolum. Dies erklärt am besten, warum er den Unglücklichen so schnöde behandelte. Chron. Ursp. ad 1119 sagt: Quem Burdinum aliqui idolum cognominare solent, wenn nicht auch hier Imperatoris zu ergänzen ist. S. die Erklärung von Idolum nach Baluzius in Mansi Concil. XXI, p. 280. Vergl. dazu Luden IX, S. 659, Anmerk. 2. Schön sagt Chron. Ursp. von dem Schimpf, der Burdin angethan wurde: Quae nostris indignum duximus tradere scriptis.

 

 

 

____

295 Gregor VIII. bekämpft und gedemüthigt.

 

den Nebenbuhler, der noch stets den Namen Papst sich beilegte und weder durch Versprechungen noch Drohungen zur Entsagung zu bewegen war, vernichtet. Im Frühjahr 1121 gelang es seinem rastlosen Bemühen, ein zahlreiches Heer aus Normannen und Römern gegen Sutri aufzubringen. Solcher Macht wagte Sutri nicht zu trotzen und den Geldsendungen von Rom aus nicht zu widerstehen. Man lieferte Gregor an die rohen Normannen aus, die unter Beschimpfungen und Verwünschungen ihn nach Rom brachten, wo des Unglücklichen ein noch härteres Schicksal wartete. Calixtus war grausam genug, an ihm den bittersten Hohn auszulassen. Auf einem Kamele sitzend, mit zottigem Thierfell bekleidet, das Gesicht nach hinten gekehrt, wurde Burdinus durch die Stadt geführt, dann wartete seiner Kerker auf Kerker, bald an diesem, bald an jenem Orte. Ergeben ertrug der Gedemüthigte sein Loos, bis nach mehren Jahren der Tod im Kloster Cava bei Salerno ihn aus dieser Welt rief, deren höchste Ehre und tiefste Erniedrigung ihm zu Theil geworden waren 1).

 

Calixtus hatte durch Bekämpfung und Demüthigung seines Nebenbuhlers nicht einmal, was er bezweckte, erreicht. Auf den Gang der Ereignisse in Deutschland, die allein den Streit zwischen Papst und Kaiser entscheiden konnten, übten die Vorfälle in Italien nicht mehr einen hemmenden oder fördernden Einfluß. Jene deutschen Ereignisse fodern aber um so mehr unsere ganze Aufmerksamkeit, als sie die lange vorbereitete Veränderung der Reichsverfassung nach mancherlei Hemmungen und Störungen endlich herbeiführten.

 

Als Heinrich im Lager zu Ivoi, um nicht gedemüthigt vor dem Papste zu erscheinen und einen dem Reiche höchst nachtheiligen Vergleich mit der Kirche abzuschließen, die Investitur den Reichsfürsten überwies, zeigte er diesen einen Weg, der, wenn sie ihn mit Selbstbewußtsein einschlugen und im festen Verein untereinander fortsetzten, in eine Stellung zwischen Reich und Kirche brachte, in der sie der Willkür des Kaisers wie der Anmaßung des Papstes und der

 

1) Card. Arag. a. a. O.: Postmodum vero Burdinum fecit in arce Fumonis retendi et inde ad monasterium Cavense transferri, ubi perseverans in sua rebellione vitam finivit. Ueber die Zeit seines Todes schweigen die Angaben.

 

 

 

____

296 Sechster Abschnitt.

 

Geistlichkeit in Deutschland Schranken setzen konnten. Nur wider Letztere wollte Heinrich sie zum Beistande rufen; damit sie nicht auch ihm gefährlich würden, hütete er sich sie so zu concentriren, daß sie gemeinschaftlich wirkend einen verbundenen Reichskörper bildeten. In der allgemeinen Versammlung, die er im September 1119 bei Mainz gehalten, hatte er noch die Berathung über den Reichs-, wie über den Kirchenfrieden leiten können, indem er durch die mit Calixtus angeknüpften Unterhandlungen die Fürsten abhielt, in Kirchensachen eine Entscheidung abzugeben, und durch sein scheinbar gutes Vernehmen mit dem Papste die Zuneigung Derer gewann, die mit der Kirche ein gemeinschaftliches Interesse zu vertheidigen vorgaben. Jetzt gebannt und mit Calixtus gänzlich zerfallen, mußte er letztere Partei, die der sächsischen Fürsten, jenem kirchlichen Interesse zu entfremden suchen; ohne sie sogleich mit der ihm früher ergebenen, der süddeutschen Fürsten, zu verbinden. Bisher an der Spitze dieser wider jene, war er nur Parteihaupt gewesen und hatte Letztere sich mit der Kirche zu vereinen gezwungen. Alle diese Factionen getrennt zu halten, mit jeder vereinzelt in ein gutes Vernehmen zu treten, auch die Städte zu gewinnen, ohne sie als Reichsstand den Fürsten und Geistlichen an die Seite zu stellen, war Heinrich's nächstes Ziel. Gelang es ihm auf diese Weise, Allen seine Friedensliebe, seine Huld und doch auch den Vereinzelten seine Macht zu beweisen, so blieb er, mehr noch wie in seinen ersten Regierungsjahren, ungebunden, unbehindert in seinen Handlungen, hatte den Bann der Kirche nicht zu fürchten und konnte die Geistlichkeit, welche den Synodalbeschlüssen von Rheims in Deutschland Eingang zu verschaffen suchte, an jedem glücklichen Erfolge hindern. Fanden aber die Fürsten, daß auf ihrer engen Verbindung ihr wahrer Vortheil beruhe, dann freilich zwangen sie ihn ebenso sehr als die Kirchenfürsten und den Papst den von ihnen entworfenen Beschlüssen sich zu unterwerfen. Eine Absetzung, wie sie einst sein Vater zu Tribur erfahren, war zwar nicht mehr zu befürchten, jedoch eine für ihn beschränkende Reichsverfassung nicht mehr zu verhindern.

 

Daß es hierzu trotz aller Gegenbemühungen Heinrich's eher, als sonst geschehen wäre, kam, bewirkten vornehmlich die gegen ihn angesponnenen Intriguen Adalbert's von Mainz, der so wider seine Absicht dem Reiche einen bessern Frieden, eine festere Norm bereiten half, als Kaiser und Kirche zu erzwingen vermochten oder anzuerkennen bereit waren.

 

Diese wechselseitigen Bestrebungen, bis Vielen unerwartet, aber nach den sich entwickelnden Verhältnissen unvermeidlich eine zwingende

 

 

____

297 Streitigkeiten im Bisthume Lüttich.

 

Gewalt für Reich und Kirche sich geltend macht, sind in den Ereignissen, die wir zunächst aufzufassen haben, unverkennbar. Heinrich, der noch im Lager von Ivoi von dem Ausgange der rheimser Kirchenversammlung Kunde erhalten, beschloß dem ersten feindseligen Akt Calirtus' II., der Weihe des von der kaiserlichen Partei zurückgewiesenen Bischofs Friedrich von Lüttich, einen gleichen Akt entgegenzustellen. Zu dem Zwecke begab er sich nach Lothringen und suchte die Wahl Alexanders zum Bischofe von Lüttich durchzusetzen. Der Streit über dieses Bisthum hatte schon ein ganzes Jahr gewährt und kann als ein Beispiel von vielen ähnlichen dienen, die der Zwiespalt zwischen Kaiser und Papst nothwendigerweise veranlassen mußte. Als der Bischof Albrecht im Ausgange des Jahres 1118 gestorben, überbrachte, wie es üblich war, der Archidiakonus des lütticher Stiftes dem Kaiser Ring und Stab, die noch als Insignien des weltlichen Regimentes nicht weniger als der kirchlichen Würde betrachtet wurden. Heinrich ernannte sofort den Ueberbringer, Alexander, zum Bischof, ohne eine Wahl des Kapitels abzuwarten. Dieses fuhlte sich in seinem Rechte beeinträchtigt, fand an seinem Metropoliten Friedrich von Köln einen Vertheidiger und erwählte wahrscheinlich auf dessen Empfehlung den Propst Friedrich. Hierüber erhob sich im Bisthume Lüttich, ja in ganz Lothringen, ein heftiger Kampf 1). Alexandriner und Fridricianer wurden Parteinamen, unter denen Fürsten, Geistliche, ja Bürger einer Stadt sich befehdeten. Für des Kaisers Bischof ergriffen das Schwert, welches für Land und Volk, Mönche und Geistliche, arme Bauern und begüterte Handelsleute gleich verderblich wurde, der Herzog Gottfried von Löwen, Graf Giselbert von Dueren, der Schirmvoigt von Lüttich, noch andere Fürsten der Provinz und der größere Theil des Bisthums Lüttich 2), sodaß im Lande selbst die Mehrheit für das kaiserliche Recht der Belehnung mit Ring und Stab als entscheidend bei der Bischofswahl sich erklärte. Unter den Anhängern Friedrich's erkennen wir die

 

1) Chron. Rudolfi Abbatis St. Trudonis bei d'Achery II, lib. XI, p. 698: facta est magna perturbatio et in Monachos et in clericos, crudelis persecutio in toto Leodensi Episcopio, qualis a tempore Arianorum non fuit audita. Und später: In tota Brabantia, in tota Hasbania non erat Princeps aut Dominus, qui Alexandro non faveret et eum tueretur. Solus Loensis Comes Arnulfus inter utrosque medium se agebat.

2) Ebendaselbst: Giselbert heißt Leodiensis militiae signifer, dann nach Reynerus de Monte acuto, Comes Lambertus et pene tota familia ecclesiae cum suis viribus, S. die vorhergehende Anmerkung.

 

 

____

298 Sechster Abschnitt.

 

die Kirchenpartei, obwol Manchen persönliches Interesse bestimmte, wie den Bruder des Schützlings, den Grafen Gottsried von Namur, dessen Vasallen wiederum sich zwiefach theilten und den Krieg in kleineren Fehden wiederholten. Die gleiche Spaltung zeigte sich unter der lütticher Bürgerschaft 1), dagegen stand die höhere Geistlichkeit des Landes und auch der größere Theil der niederen und der Mönche auf der Seite Dessen, den der Erzbischof Friedrich von Köln und dann der Papst selber als den rechtmäßigen Bischof von Lüttich anerkannt wissen wollten. Der tapfere, als Kriegsheld in Liedern gefeierte Walram von Limburg, ein Sohn des entsetzten Herzogs Heinrich, benutzte die Gelegenheit, sich an dem Feinde seines Hauses, an Gottfried von Löwen zu rächen und hoffte schon damals, daß er das Herzogthum Lothringen ihm entreißen werde. Von allen Landesfürsten hielt sich der einzige Graf Arnulf von Lo neutral im Kampfe 2), wiewol der damals überall Wurzel fassende Religionseifer kaum Einen und so auch nicht jenen besonnenen, friedliebenden Mann in seiner Gesinnung parteilos bleiben ließ. Die Wuth, mit der der Krieg geführt wurde, schildert in grellen, aber wol kaum übertriebenen Farben Rudolf, der Abt von St. Tron, dem als solcher keine Wahl blieb, sich der Verfügung seines Oberen zu entziehen, und der, da er vom Kaiser die Pfründe erhalten und dadurch verdächtig war, vom Erzbischof Friedrich von Köln wol absichtlich zu mancher Sendung, manchem Auftrage, wobei seine Treue geprüft werden konnte, ausersehen wurde 3). Räuber und Landstreicher, Flüchtlinge und Verwundete, Halbnackte und Krüppel, Bettler und ausgeplünderte Geistliche waren das Gefolge des Krieges 4). Der

 

1) Friderici partes tuebantur frater ejus Namurcensis Comes Godefridus cum suis sed non omnibus, de Limburg Comes Gualeramus, qui postea exstitit, Dux, de Monte Falco Gorguinus, civitas tota exceptis aliquibus Abbates omnes, Episcopi, de Archidiaconis et Praepositis meliores et plurimi, clerus quam plurimus.

2) Ebendaselbst: Friderico tamen magis obtemperans, ob Domini Papae obedientiam, quam Alexandro ex Imperatoris violentia.

3) Der Abt nahm sich hier so klug als früher bei der von Kuno berufenen Synode zu Fritzlar. Sehr bezeichnend schildert er seine misliche Lage p. 698: Non ausus fuit deesse Abbas (Rodolfus), ne ab officio et communione ecclesiae suspenderetur. Als ihn in der lütticher Angelegenheit der Erzbischof Friedrich nach Köln berief: Ne ibi quoque ausus est defuisse Dominus Abbas Rodolfus, cavens sibi semper sollicitissime, ne inobedientia feriretur, sicut ne excommunicatorum communione macularetur.

4) Rud. Abbas de St. Trud. a. a. O.: Vagi et profugi, laceri et seminudi, muiti tam Monachi quam clerici hac illacque mendicare etc.

 

 

 

____

299 Heinrich im Nordwesten des Reiches.

 

Kaiser vermochte weder die Fürsten zum Frieden, noch das Kapitel von Lüttich zu einer einträchtigen Wahl zu bewegen. Alexander wie Friedrich nannten sich Bischöfe und wurden von ihren Parteien als solche anerkannt. Die Fehden ließen aber auch nicht nach, als Alexander resignirte und von Friedrich die Absolution erhielt. Denn als nach Friedrich's baldigem Tode jener abermals als Bischof auftrat, verweigerte Friedrich von Köln noch immer seine Zustimmung, und erst, als nach dem wormser Concordat einstimmig Albero gewählt, vom Kaiser investirt, vom Erzbischof von Köln geweiht wurde, hörte die verderbliche Zwietracht in Lothringen, um diese lütticher Angelegenheit, wenigstens auf 1).

 

Heinrich scheint von Lüttich sich nach Utrecht und in die nordwestlichen Theile des Reiches begeben zu haben 2). Ueberall suchte er die Städte für sich zu gewinnen. Wie sehr ihm dies gelungen, beweist, daß selbst das bisher trotzige Köln ihm die Thore öffnete und ihn mit großen Ehrenbezeugungen aufnahm. Darüber wurde freilich Erzbischof Friedrich, der damals abwesend war, im höchsten Grade aufgebracht und belegte nach seiner Rückkehr die Stadt mit dem Interdikt 3). Rheinaufwärts zog der Kaiser bis Worms und feierte hier das Weihnachtsfest. Wol gering mag die Zahl seiner Umgebung gewesen sein, da die weltlichen Fürsten, die so lange mit ihrer Gegenwart und auch mit zahlreichem Heergeleite ihn geehrt hatten, in die Heimat zurückgekehrt waren und von den Geistlichen nur sehr wenige dem Gebannten zu nahen oder gar in Gemeinschaft mit ihm die Geburt des Herrn zu feiern wagten 4). Doch nicht ungestraft ließ er die Widerspenstigkeit Derer, die in der Nähe zu erreichen waren. Der Bischof Konrad von Straßburg, der bald nach der Kirchenversammlung zu Rheims dem Papste sich gehorsam

 

1) Rud. Chron. p. 701: Fit tandem de Alberone Leodii assensus, Imperatori praesentatur, dono Episcopali a manu ejus investitur, Coloniam consecrandus ducitur. Alexander ward nach Albero's Tode zum dritten Mal Bischof 1128, gewann den habsüchtigen Friedrich von Köln durch Bestechung, konnte aber erst, nachdem. er vor Papst Honorius wegen seiner Simonie sich gereinigt hatte, in den ruhigen Besitz des Bisthums kommen.

2) Den Aufenthalt Heinrich's in Utrecht beweist die Urkunde bei Miraeus, Append. diplom. I, p. 83.

3) Chron. Regis S. Pantal. ad 1119 nach der Erwähnung der rheimser Synode: Imperator a Coloniensibus honorifice excipitur, absente Episcopo, unde Episcopus divinum officium eis interdicit.

4) Chron. Ursp. und Ann. Saxo ad 1120: Imperator Natale Domini Wormatiae non imperialiter celebravit.

 

 

____

300 Sechster Abschnitt.

 

unterworfen, empfand Heinrich's Zorn und mußte vor demselben aus dem Bisthume entweichen 1). Ein Gleiches hätte er gern Adalbert von Mainz zugefügt, doch mußte er fürchten, dadurch dessen ganze Partei und die sächsischen Fürsten wider sich aufzureizen; und letztere wenigstens zu gewinnen, hatte er damals die beste Hoffnung. Nicht blos der mächtige und angesehene Graf Wiprecht von Groitsch fand sich in Worms ein und bot für die erhaltene Belehnung mit der lausitzer Mark und für die Erhebung zum Range eines ersten Reichsfürsten Geld und Beistand 2). Auch ein Mann, der den sächsischen Verbündeten näher stand als jener und der früher einer der erbittertsten und thätigsten Gegner Heinrich's gewesen war, der Graf Friedrich von Arnsberg, söhnte sich mit diesem aus und versprach den Vermittler zwischen ihm und den sächsischen Verbündeten machen zu wollen 3).

 

Was diesen wilden Krieger so versöhnlich und friedfertig stimmte, ist unbekannt; da sein Vorhaben keinem empfindlicher sein konnte, als dem Erzbischof Adalbert, so ist fast zu vermuthen, daß Graf Friedrich sowol als die Häupter des Sachsenbundes über den herrschsüchtigen, ränkevollen Prälaten entrüstet, oder von Anderen gegen ihn aufgereizt waren. Diese letztere Vermuthung wird dadurch sehr bestärkt, daß gleichzeitig mit jenen weltlichen Fürsten auch der Erzbischof Friedrich von Köln mit dem gebannten Kaiser Gemeinschaft zu pflegen keinen Anstand nahm, was uns bei diesem Kircheneiferer und dem Papste Calixtus ganz ergebenen Mann 4) sehr befremden

 

1) S. das Schreiben Adalbert's von Mainz an den Papst in Martene, Coll. ampliss. I, p. 676.

2) In diese Zeit kann nur fallen, was Vit. Vip. cap. XI, §. 21 berichtet: Ad curiam Wormaciae indictsm perrexit et Imperatori pro suorum recuperatione grates persolvit, et ut Marchia Luzensis ab eo insigniretur, promissis 2000 talentorum exoravit. Imperator utile sibi fore ratus, ut tantae virtutis, virum cum tali beneficio, suae familiaritati ascisceret, dignitate, quam affectaret, insignivit, ac deinceps inter reliquos Principes tam honore quam familiaritate parem habuit.

3) Da schon im Januar 1126 der Kaiser in Goslar und nach Chron. Ursp. 1120: Ductu Friderici de Arnesberg in Saxoniam venit, so muß die Aussöhnung mit diesem schon Ende 1119 fallen.

4) Außer Otto von Freis., der ihn nebst Adalbert von Mainz und Konrad von Salzburg Hauptveranlasser des Bannstrahls gegen Heinrich nennt, bestätigt des Kölners Ergebenheit folgende Nachricht des Roder. Vital. Concil. X, p. 870: Coloniensis Archiepiscopus legatos et epistolas Domino Papae direxit et professa subjectione pacem et amicitiam cum illo (Henrico) pepigit. Filium quoque Petri Leonis, quem obsidem habebat, ob amoris specimen gratis reddidit. Wofür diese Bürgschaft der kölner Erzbischof vom Papste erhalten, erfährt man nicht.

 

 

 

____

301 Adalbert's Anmaßungen.

 

muß. Der innere Zusammenhang dieser und anderer Ereignisse wird durch die Stellung und durch das Verfahren des mainzer Erzbischofs, den Calixtus mit der Würde eines apostolischen Legaten für ganz Deutschland bekleidet hatte, am besten aufgeklärt. Die neue Würde, die er unfehlbar seinen wichtigen Dienstleistungen auf der rheimser Kirchenversammlung und bei den Unterhandlungen zwischen dem Kaiser und dem Papste zu verdanken hatte, misbrauchte Adalbert, um sich als vor allen deutschen Geistlichen Bevorzugter das längst erstrebte Supremat über die andern anzumaßen, und hierum scheint es ihm anfangs mehr zu thun gewesen, als daß er den rheimser Synodalbeschlüssen durch ein enges Verband der deutschen Geistlichkeit Nachdruck zu geben sich bemühte. Entweder wagte er dieses nicht oder hatte andere Absichten, um deretwillen er es vorerst unterließ.

 

Adalbert's Anmaßungen empfand bald mit großem Unwillen der sonst so friedliche Erzbischof Bruno von Trier. Vielleicht gab dieser Adalbert dadurch einen Vorwand zu kränkenden Beeinträchtigungen und einem feindseligen Betragen, daß er niemals die Exkommunikationen des Kaisers durch die Kircheneiferer gebilligt hatte und Heinrich den schuldigen Gehorsam aufzukünden, wie es die Bannformel foderte, auch jetzt sich nicht geneigt zeigte 1). Bruno, der sich keines Vergehens schuldig glaubte, eine Beeinträchtigung seiner Rechte um so weniger dulden wollte, weil das Erzstift Trier seit alten Zeiten ein Privilegium von den Päpsten besaß, wonach es nur diesen oder deren Legaten a latere, sonst Niemandem weder Rechenschaft noch Gehorsam zu leisten brauchte, war aufgebracht über Adalbert's Hoffart und eigenmächtige Willkür 2). Wie der Arglistige immer

 

1) Gesta Trevir. in Leibn. Access. p. 110 schildern Bruno's gemäßigtes und doch kirchlich gerechtfertigtes Verfahren: Cum tanta solertia ac sapientia ab ipso res acta est, ut cum in diebus illis de venalitate sanctae Ecclesiae — — inter Regnum et Sacerdotium - - ageretur invidiosa dissensio, ita catholicorum amplexus est consortium, ut Imperatori debitum non negaret obsequium, neque ita se Caesarianorum communioue contaminavit, ut Catholicorum offensas incurreret.

2) Ebendaselbst: Indignatus super protervia Adalberti Mogontiensis Episcopi de legatione sedis Romanae sibi concessa, superbe se efferentis, maxime cum ex concessione priorum apostolicorum Episcopus Treverorum nulli nis soli Apostolico vel a latere ejus ad praesens (wol Principes) misso debeat obedire.

 

 

____

302 Sechster Abschnitt.

 

gern geheime Ränke, versteckte Mittel handhabte, so suchte er auch diesmal gegen Bruno durch eine zweite Person zu machiniren. Der damalige Bischof von Metz, Stephanus, ein Neffe des Papstes Calixtus und von diesem mit der erhöhten Ehrenbekleidung des Palliums beschenkt 1), glaubte im Stolz auf diese Bevorrechtung, die indeß schon seine drei Vorgänger im Bisthume gleichfalls genossen, der Unterwürfigkeit gegen seinen Vorgesetzten, den Metropolitanen von Metz, überhoben zu sein, und baute auf seines Oheims Gunst, mehr aber wol noch auf Adalbert's Beistand, wenn etwa Bruno von ihm nachdrücklicher den schuldigen Gehorsam foderte. Daß dieser vor dem Richterstuhle des Papstes Beschwerde führen und sein Recht behaupten werde, erwartete weder Adalbert noch Stephan. Doch Bruno, der im Bewußtsein seiner Rechtschaffenheit nicht weniger als der Wichtigkeit, die er für Kaiser und Papst habe, keinen von diesen zu fürchten brauchte, suchte nicht, wie seine Gegner erwartet und gewünscht hatten, Heinrich's Hof, sondern Calixtus' Gegenwart, vertrauend, daß jener ihn darum nicht anfeinden, dieser aber ihn wie einen vom Kaiser Abgefallenen gern aufnehmen und zu seinem Recht verhelfen werde. Er irrte sich nicht. Zu Autun empfing ihn der Papst aufs freundlichste, vollzog sogar in Gemeinschaft mit ihm die gottesdienstlichen Handlungen am Weihnachtsfeste und lud ihn darauf ein, nach Klugny zu gehen. Bruno willigte darein, eröffnete sehr schlau ihm erst dort den Zweck seines Kommens und erreichte denselben vollkommen, indem Calixtus auf Vorzeigen der trierschen Privilegien dem Erzbischof eine Bestätigung derselben mit eigener Hand ausstellte 2).

 

1) Gesta Trevir. in Leibn. Access. p. 110: Sed et in tempore illo praefuit Ecclesiae Metensi quidam Stephanus Calixti Papae ex sorore nepos, cui jam diotus avunculus ejus concesserat in celebrationibus Missarum pallio indutum procedere, integra Trevericae Metropolis potestate. — Später: quippe Metensium Episcoporum quinque numero pallio usi referuntur, quibus iste sextus ascribitur, servata tamen in omnibus Metropolitano subjectione. Dies verachtet Stephan und behauptet: suos quoque antecessores quinque fuisse Archiepiscopos. Adalbert hätte es gern gesehen, wenn der sehr umfangreiche und concentrirte Sprengel von Trier getheilt worden wäre.

2) S. Gesta Trevir. p. 117 und 18, wie auch die Urkunde des Papstes, data Cluniaci III. Non. Januarii. Besser die Urkunde bei Martene I, p. 660. Mir scheint durchaus Luden (IX, S. 511) gegen Stenzel (I, S. 695) recht zu haben, wenn er Bruno's Reise nach Autun für keinen Abfall von Heinrich ansieht, nur nennt er ihn hier fälschlich Udo.

 

 

____

303 Heinrich's Unterhandlungen mit den Sachsen.

 

Wie Bruno mochte auch Friedrich von Köln Adalbert's offen gezeigten Stolz oder geheime Intriguen übel empfinden und über dessen erhöhten Rang neidisch sein. Er aber suchte in einer Annäherung an den Kaiser Gewinn, da er nicht wie Bruno alte Privilegien dem Papste vorlegen konnte, wol aber neue Begünstigungen dem Kaiser abzunöthigen hoffte. War es nun aber, daß dieser seinen Erwartungen zu wenig entsprach, oder weil er dem Papste Misfallen zu erwecken sich scheute, genug Friedrich wandte sich bald wieder von Heinrich ab und fuhr fort in feindlicher Weise gegen den Kaiser und dessen Anhänger und Freunde zu wirken. Offener und dauernder schien die Versöhnung Heinrich's mit Herzog Lothar, Markgraf Rudolf von Stade, Pfalzgraf Friedrich von Sommerschenburg und mehren anderen sächsischen und westfälischen Fürsten werden zu wollen. Geführt von dem Grafen Friedrich von Arnsberg, begleitet von seiner Gemahlin begab sich Heinrich vom Rhein nach Sachsen, berief nach Goslar, der von seinen Vorfahren so sehr begünstigten und geliebten Stadt, in der zweiten Hälfte Januars eine Versammlung der sächsischen Fürsten und Bischöfe. Von Ersteren blieb keiner der bedeutenden aus 1), dagegen fanden sich außer Friedrich von Köln sehr wenige Bischöfe und nur solche, die zu seiner Partei gehörten, ein 2), während die übrigen jede Gemeinschaft mit dem Gebannten verweigerten 3). Darum blieb die Unterhandlung und die Friedensberathung mangelhaft, so versöhnlich und nachgiebig sich auch der Kaiser zeigte, und so bereitwillig zu allem Billigen und

 

1) Ann. Saxo: Postea (bald nach Weihnachten) ductu Friderici de Arnesberg Saxoniam venit. (Das allein hat Chron. Ursp.) Dux Luiderus, Fridericus Palatinus Comes et Rodolfus et plures alii Imperatori reconciliantur Goslariae. Aehnlich die Annal. Hildesh. ad 1120, die Urkunde Mencken II, p. 1011, gewiß trotz des falschen Jahres 1119 statt 1120 echt, gibt noch als dort gegenwärtige Fürsten an: Wiprecht von Groitsch, Markgraf Heinrich (entweder von Eilenburg oder von Stade), Graf Hermann (von Winzenburg oder von Cavelage. Vergl. Schwarz, Appendix ebendaselbst p. 974). Die Gegenwart der Kaiserin bezeugen die Worte: Hoc etiam Mathildis Regina sua corroboravit praesentia, der Tag XII. Kal. Febr.

2) Die angeführte Urkunde nennt Konrad von Osnabrück, Gerhard von Merseburg und in der Unterschrift Bruno Cancellarius recognovit, der jedoch nicht gegenwärtig gedacht werden darf, ja der damals kaum von Autun zurückgekehrt sein konnte. Friedrich von Köln stellte aber dem Abt Erkenbald von Korvey eine Urkunde aus in celebri curia et conventu Goslariae confirmatum anno MCXX. S. Martene I, p. 662.

3) Chron. Ursp. ad 1120.

 

 

____

304 Sechster Abschnitt.

 

Rechten die Fürsten waren. Die Hartnackigkeit der sächsischen Geistlichkeit war ebenso sehr Wirkung des Bannes, als des unermüdlichen Hasses, den Adalbert von Mainz gegen Heinrich hegte. Wäre noch Adelgot von Magdeburg, der nahe Verwandte Wiprecht's und ein mehr dem Frieden und der Einigkeit in Sachsen geneigter Mann am Leben gewesen, vielleicht hätte der Kaiser weniger Widerstand und Hartnäckigkeit gefunden, zumal da Wiprecht viel über den Erzbischof vermochte. Doch dieser war bereits im Juni des vergangenen Jahres eines frühzeitigen Todes gestorben 1). Zwar erwählte das Domkapitel abermals einen Verwandten seines Schirmvoigtes Wiprecht, einen Vaterbruderssohn Adelgot's, Rutger, aus dem Geschlechte der Grafen von Veltheim 2), aber ehe Adalbert von Mainz diesem, wie er kraft seiner Würde dazu berechtigt war, die Weihe ertheilte, ließ er denselben folgenden Eid ablegen: „Ich verdamme jede Ketzerei, vornehmlich die Burdinus', Heinrich's und ihrer Genossen, gelobe, so lange ich mein Amt verwalte, allein Gehorsam der heiligen römischen Kirche und dem allgemein anerkannten Papste Calixtus, wie dessen rechtgläubigen Nachfolgern, glaube, was diese glauben, verdamme, was sie verdammen, und verspreche und will nie unterlassen, jeden Legaten des römischen Stuhles ehrenvoll zu empfangen und mit gebührender Hochachtung und Dienstleistung zu entlassen. Auch werde ich nach besten Kräften und bestem Wissen ohne List und Trug darauf bedacht sein, daß in Allem der Kirche Gottes Genüge geschehe, so wahr mir Gott helfe und sein Evangelium 3).“ Wie sehr auch Wiprecht seinem Verwandten zürnen mochte, daß er dem Mainzer

 

1) Chron. Ursp. ad 1119: Adelgoz Magdeb. Arch. homo juvenis et tam deo quam omnibus bonis acceptabilis immaturo praeventus occasu vitam praesentem in Domino finivit. Der Todestag Kalendarium Bigaug. Menck. II, p. 134. II. Idus Junii. S. Ann. Saxo, Alb. Stad., Vita Vip. und Chron. Saxo ad 1119 (Letzterer 1120).

2) Vita Vip. cap. XII, §. 4 nennt ihn filium sororis Viperti. Nach cap. I, §. 9 war Rutger's Mutter nur mütterlicherseits eine Schwester Wiprecht's, Adelgot dagegen ein Sohn der rechten Schwester Gisela vom Graf Werner von Veltheim. Beide Erzbischöfe Veltheimischen Geschlechts. Meibom, Scptr. rer. Germ. I, Chron. Magdeburgense von Rutger's Erhebung: Illo (Adelgoto) defuncto favore Viperti consanguinitatis causa exaltatus. Chron. Ursp.: Ruggerus Canonicus canonica electione successit.

3) Der Schwur bei Martene I, p. 659, Chron. Magdeb., bei Meibom a. a. O.: Qui (Rutgerus) neglecto Imperatore institutionem a legato Apostolico adeptus est. Dieser Legat war aber kein anderer als Adalbert von Mainz.

 

 

____

305 Pfalzgraf Friedrich von Sommerschenburg.

 

sich so ganz in die Hände gegeben, einem Manne, der nicht mit großer Kraft Widerstand zu leisten vermochte, war es nicht zu verübeln, daß er dem Ausspruch der rheimser Kirchenversammlung und deren Vollstrecker in Deutschland sich unterwarf. Von dem erbitterten Gegner des Kaisers, Reinhard von Halberstadt, verstand sich solches von selbst. Da sein Wort im Kampfe wider Heinrich und in Kirchensachen durch ganz Sachsen viel galt, so ward es Adalbert leicht, in Verbindung mit den beiden vornehmsten Prälaten der Provinz, die meisten anderen von jeder Versöhnung mit Heinrich abzuhalten und selbst von dem Bunde der sächsischen Fürsten in Kirchensachen sich zu trennen. Viele von den Letzteren verargten der Geistlichkeit ein so hartnäckiges Widerstreben und Mancher ließ seinen Unwillen auch wol in Thaten aus, wodurch er dann freilich von jener aus der Gemeinschaft der Kirche gestoßen und als Ketzer, wenn nicht der irdischen, doch der ewigen Glückseligkeit untheilhaftig erklärt wurde.

 

Ein solcher Verleugner des früheren Eifers für die Kirche und dem Kaiser ein ergebener und dienstfertiger Freund wurde der Pfalzgraf Friedrich von Sommerschenburg. Der wechselseitige Vortheil Heinrich's und Friedrich's schloß jetzt Beide aneinander, wenn immerhin auch noch andere Beweggründe vorhanden gewesen sein mögen, die den Letzteren in seinen hohen Lebenstagen zu völliger Aussöhnung und unbestechlicher Treue gegen den Kaiser bestimmten 1). Da seit der Niederlage am Welfesholze Heinrich in Sachsen nicht blos sein kaiserliches Ansehen, sondern, woran ihm ebenso sehr gelegen, seine Reichsbesitzungen eingebüßt, so ging bei einer Aussöhnung mit den sachsischen Fürsten sein Streben vornehmlich dahin, Beides in der Provinz wieder zu erlangen. Wer war aber geeigneter, ihm hierin hülfreiche Hand zu bieten, als der Landespfalzgraf, der die Fiskalgüter verwaltete und die Reichsgerichtsbarkeit als Vertreter des Reichsoberhauptes üben sollte? Zwar hatte Heinrich im Jahre 1113 zu Goslar den sommerschenburger Friedrich gleich den anderen Rebellen geächtet und seit 1114 dessen Neffen, den putelendorfer Friedrich, zum Pfalzgrafen gemacht. Doch in der Fürstenversammlung am Rhein war Zurückgabe der früheren Güter und Würden als erste Bedingung des Friedens festgesetzt. Somit hatte der Kaiser die goslarer Achtserklärung aufgehoben und bei seiner jüngsten Aussöhnung mit den sächsischen Fürsten im Januar 1120 bestätigte er,

 

1) S. meine Geschichte der Pfalzgr. von Sachsen §. 6, S. 140 ff.

I. 20

 

 

____

306 Sechster Abschnitt.

 

was früher vertagt worden, und wie Lothar Herzog, Rudolf von Stade Markgraf 1), heißt Friedrich von Sommerschenburg Pfalzgraf in einer Urkunde, die auf eben jener Versammlung vom Kaiser ausgestellt wurde 2). Friedrich von Putelendorf gab der Kaiser somit auf, wenn er ihm auch den Titel lassen mochte. Schon die Rücksicht gegen die zu versöhnenden Fürsten erheischte Ersterem das Amt zu lassen, dem er einst selbst vor dem Neffen den Vorzug gegeben hatte. Ueberdies war zum Vertreter seiner kaiserlichen Hoheit und zum Verweser der Reichspfalzen der erfahrene, von den Fürsten geachtete Sommerschenburger viel geeigneter, als der wilde, kriegslustige Putelendorfer, dessen Räubereien und Verheerungen vom Kyfhäuser aus noch in frischem Gedächtnisse standen, der ihm selber jetzt entbehrlich und nur im Kriege ein willkommener Parteigänger war. So paarte sich, was der Kaiser zu bewilligen gezwungen war, mit seinem eigenen Vortheil. Sollte dieser aber ganz erreicht werden, so durfte Friedrich von Sommerschenburg nicht mehr in Gemeinschaft mit den Fürsten wider den Kaiser, sondern mit Heinrich verbunden und durchaus einverstanden die erlangte Würde den Landesfürsten gegenüber geltend machen und nach dem von allen Fürsten zugestandenen Artikel: „alle Reichsgüter der alten Könige in des Kaisers Gewalt zurückzubringen“, verfahren. Hiebei konnte im Frieden, der im ganzen Reiche herrschen sollte, der Pfalzgraf für seine eigene Person

 

1) Von Rudolf ist es am auffallendsten, daß er den Titel Markgraf führt, da die Nordmark seinem Neffen Heinrich zuerkannt war und demselben auch verblieb. Der Kaiser wollte aber auch selbst Würdenamen, welche die Fürsten sich beilegten, ihnen lassen. Der Beispiele gibt es viele und sind deren früher angeführt, daß Fürsten Titel behielten, selbst wenn sie nicht mehr im Besitze der entsprechenden Reichslehen waren.

2) Die oben angeführte aus Mantissa diplomat. apud Menck. III, 1011 und Heineccius, Antiq. Goslar. p. 116: Datum Monasterio in Monte S. Georgii. Der Kaiser sagt: Divinae inspirationis provocati admonitu et Principum nostrorum consilio. Huic concessioni idoneos adhibemus testes, quorum nomina haec sunt: Conradus Osnaburgensis Episcopus, Gerhardus Merseburgensis Episcopus, alii quoque Principes. Luderus Dux, Rudolfus Marchio, Fridericus Palatinus, Wipertus Comes, Henricus Marchio etc. Wenn Wiprecht sich hier nur Comes nennt und doch vor Markgraf Heinrich (wahrscheinlich von Meißen und Lausitz) gestellt ist, so zeigt dies wol von ebensoviel Diskretion Wiprecht's als des Kaisers, der ihn zum Markgrafen der Lausitz ernannt; dem Markgrafen Heinrich von Eilenburg nicht zu nahe zu treten, mußte Wiprecht zu Goslar, wo jener selbst oder doch mehre nahe Verwandte Heinrich's gegenwärtig waren, den Titel Markgraf ablegen.

 

 

____

307 Heinrich in Franken.

 

gleichfalls den Vortheil ziehen. Denn lieferte er auch die Zölle, Abgaben und Reichssporteln, sowie den Ertrag der Staatsländereien an den Kaiser, so fiel doch für ihn dabei noch genug ab; sein Wirkungskreis, der während des Krieges aufgehört, erhielt Bedeutung, seine Person Ansehen und Macht, seine Privat- und Lehngüter gewannen mehr Umfang und Sicherheit, weil Alles, was der Kaiser jenem Artikel gemäß dem Fiskus zuwendete, unter seiner Verwaltung stand, die Reichsgerichtsbarkeit aber auch die höchsten Fürsten in Reichssachen seinem Urtheilsspruche unterwarf. Friedrich erkannte dies, diente dem Kaiser getreulichst und hinderte Jeden und Alles, was demselben zum Schaden gereichte. Daß er aber dadurch den sächsischen Fürsten und noch mehr den Geistlichen ein Aergerniß wurde, ist erklärlich. Was insbesondere die letzteren so ergrimmt haben mag, erfahren wir nicht, die Wirkung aber sprach sich nach seinem leider schon 1120 erfolgten Tode in einem von Mönchen und Klerikern verbreiteten Gerüchte aus 1).

 

Heinrich war unterdessen von Sachsen nach Franken gegangen. Hier gelang es ihm dem noch immer wüthenden Bürgerkriege Einhalt zu thun und den ebenso wankelmüthigen als herrschsüchtigen Bischof Erlung durch Zurückgabe der Gerichtsbarkeit in Franken an das Bisthum Würzburg zu gewinnen 2). Hiezu verpflichtete den Kaiser derselbe Friedensartikel, nach welchem er in Sachsen die Fürsten in Reichslehen und Würden wieder eingesetzt hatte. Sein Neffe

 

1) Chron. Ursp. und Ann. Saxo ad 1120: Fridericus Palatinus Comes qui nuper se a ceteris dissocians Saxoniae Principibus Imperatoris fidelitati devinxerat, obiit jam praevectus aetate, et ut cuidam servo Dei evidenter revelatum affirmant, ad loca poenalia fertur descendisse, Oder verdeutscht nach Chron. Luneb. apud Eccard I, p. 1370: Dat ward suhleke uppenbaret eneme Goddes knechte, dat he vor an de pine. Sein Todesjahr 1120 auch nach Chron. Samp., Pegauer Mönch, Chron. S. Pantal. Weder dem neuen Bündniß der Fürsten, das auf Heinrich keine Rücksicht nehmen wollte, noch den Intriguen Adalbert's, die Fürsten wider den Kaiser aufzureizen, konnte er gleichgültig zusehen, sondern theilte mindestens dem Kaiser Alles mit, was in Sachsen zu dessen Nachtheil geschah. Das natürlich war Adalbert und den Geistlichen nicht recht, die weder Gehorsam noch Treue dem Gebannten beweisen wollten. Der servus dei war aber sicherlich ein Instrument der Kirchenpartei

2) Dies erhellt aus der Urkunde in Lünig, Spicileg. Pars I, p. 325. Chron. Ursp. hat nur: Franciam convertitur; dem fügt Ann. Saxo bei: ubi nonnullis acceptus, compluribus etiam invisus habebatur. Der Parteikampf hatte also von seiner Erbitterung noch nichts verloren. Die Restitution Erlung's wirkte aber gewiß wohlthätig und für Heinrich günstig.

20*

 

 

____

308 Sechster Abschnitt.

 

Konrad war schon auf eine andere Weise entschädigt, indem er bereits seit 1119 die Verwaltung der Mathildischen Güter in der Lombardei und Thuscien erhalten hatte 1).

 

Trotz all dieser Bemühungen des Kaisers, den Frieden im Reiche zu bewerkstellen, gelang ihm dieses bei dem Widerstreben der Geistlichkeit dennoch nicht, und das einzige wirksame Mittel, sein Ziel zu erreichen, wenn er die weltlichen Fürsten enge unter sich verband, dünkte ihm um seiner Herrschsucht willen allzugefährlich. Jene scheinen damals aber schon selbst erkannt zu haben, daß in ihre Hand die letzte Entscheidung gelegt werden müsse. Sie drangen deshalb auf eine allgemeine Fürstenversammlung, und solche wurde von ihnen zu Fulda festgestellt, vielleicht ohne die Zustimmung des Kaisers, mindestens gegen seinen Wunsch. Denn kaum hatten sich mehre, besonders sächsische Fürsten dort eingefunden, als Heinrich mit Aufbietung aller Künste und mit Hülfe seiner Anhänger durch Bitten und Versprechungen in sie drang, die Berathung aufzugeben und lieber zu ihm nach Worms zu kommen, um unter seiner Leitung das Friedenswerk zu vollenden. Zwar siegte sein Wort der Ueberredung, aber von den Sachsen begaben sich nur wenige zu ihm an den Rhein, die Mehrzahl kehrte unwillig, ihr Vorhaben vereitelt zu sehen, von Fulda nach Hause zurück 2). Für Adalbert war die günstige Gelegenheit gekommen, die üble Stimmung, den Geist der Zwietracht zu nähren und besonders in Sachsen wieder eine Vereinigung aller Fürsten gegen den Kaiser zu

 

1) Die Urkunde von 1120 und 1121 bei Muratori, Antiq. Ital. dissert. 17, p. 159 sqq beginnen: Conradus divina gratia Ravennatum Dux et Thusciae praeses et Marchio. Da von demselben Konrad auch 1129 eine Urkunde, so zweifelt Mascov, Comm. de reb. Imperii sub Lothario p. 17, ob dieser Konrad der Neffe Heinrich's V. sei. Raumer und Stenzel nach Comici serie dei Duch. et March. di Toscana ad 1119 und Anderen nehmen keinen Anstand. Die deutschen Chronisten wissen freilich nichts davon. Die Zahl der Italiener ist groß. S. die Verfasser der Comment. de Comit. Mathildi und der Notitiae Libertatis Florentin. Tom. I, p. 369. S. Raumer I, S. 341.

2) Die Nachricht von der fuldaer Fürstenversammlung haben Chron. Samp., Vita Vip. ad 1120; wie es sich aber damit verhalten und wenn sie gehalten, wird nicht ganz klar: Colloquium ab universis Regni Teutonici Principibus super dissensione Regni habendum Fuldae condicitur, quo missis Rex nunciis cum suis assentatoribus rei negotium omni, qua poterat, arte obsecrando et pollicendo Wormatiam differens paucis Saxonum ad Regem, reliquis ad propria redeuntibus conventionis eorum propositum diremit. Daß Kaiser und Fürsten beide ein Anderes wollten, sieht man.

 

 

____

309 Adalbert's Intriguen.

 

veranlassen. Jeder Umstand, jedes Mittel mußte seinem Zwecke dienen. Als ein entsetzlicher Hagelschlag Sachsen, vornehmlich die halberstädter Diöcese, heimsuchte und nicht nur die Felder in neun Dörfern verwüstete, sondern auch eine Menge Zugvieh und Gevögel tödtete, wurde solches für eine Züchtigung des Himmels erklärt 1), für die Zwietracht, die im Lande herrsche, für die unerlaubte Gemeinschaft, die mit dem gebannten Kaiser unterhalten werde, für die Zerrissenheit in der Kirche, für die Vernachlässigung der Religion, für die Fahrlässigkeit, womit man in vielen Diöcesen nach dem Hinscheiden der geistlichen Hirten sich um die Gemeinde wenig kümmere und keine neuen Wahlen anstelle. Dieser letzte Punkt lag Adalbert vornehmlich am Herzen. Nicht nur kraft seiner apostolischen Legatenwürde hielt er sich für ermächtigt, die weltlichen und geistlichen Großen des Landes häufig zusammen zu berufen und ihnen Schreiben des Papstes vorzulegen, worin dieser dringend zur Besetzung erledigter Kanzeln und Altäre auffoderte; er wußte sogar dem erzürnten Kaiser zu diesem Zwecke sich zu nähern und ihm die Bewilligung abzugewinnen, daß in Sachsen alle erledigten Kirchenstellen wiederbesetzt würden. So erschien der unaufhörliche Zwietrachtsäer eine Zeit lang in der Maske eines Versöhners mit Gott unter dem von ihm zur Zwietracht aufgereizten Volke 2). Die Mahnung von Außen her, hervorgerufen von den vielfachen Leiden, die das Land getroffen, war zu dringend, als daß Kaiser, Fürsten, Geistliche und die Menge dem scheinbar löblichen Vorhaben sich widersetzen konnten. Jedermann billigte und betrieb eifrig die Besetzung der Bisthümer, Abteien und Pfarrstellen; völlig freie Wahl und die Weihe nach kanonischer Vorschrift war gestattet.

 

1) Chron. Ursp., Ann. Saxo ad 1120. Auch im Erzbisthum Trier gab es im Juni Eis, überall war Theuerung und Hungersnoth: Fames valida fuit, nam modius saligenis duobus solidis venit. Bon all diesem Elende heißt es: Scissionem inconsutilis tunicae suae Dominus detestatus inter multa, quibus pro ipso orbis terrarum flagello pugnavit, glaciem effudit, etc. - - Saxoniam dira grandine flagellavit etc.

2) Zwei Stellen in Chron. Ursp., obwol getrennt zu 1120 und 1121 gegeben, müssen zusammengefaßt werden. In letzterer heißt es von Adalbert: Quia legationem apostolicam ab ipso Papa ducum acceperat, hac auctoritate pontifices et principes ipsius provinciae pro utilitatibus matris ecclesiae frequenter convocat. Und von den Sachsen in der ersten Stelle: Literis ac legationibus napae roborati vacantibus cathedris canonice pastores elegerunt, quos mediante Mogontino, qui tunc illo regis declinaverat iram, probabiliter et ecclesiastica libertate consecrari fecerant.

 

 

____

310 Sechster Abschnitt.

 

Wie durfte nun aber nach eben der Wiederkehr kirchlicher Ordnung Spaltung und Zerrüttung in weltlichen Dingen fortbestehen? Mit ganzem Ernst dachte man an Herstellung des Friedens. Häufige Zusammenkünfte der Fürsten fanden statt, die entzweiten gaben die verderblichen Fehden auf, reichten sich die Rechte zur Versöhnung und beschlossen, was der Kaiser nicht thun konnte oder nicht wollte, aus eigener Machtvollkommenheit: Jeden, der sich ihrem Gebote nicht füge, der raubend und brennend das Land verheere, mit vereinten Waffen zu bekämpfen und ohne Ansehen der Person für die verübten Frevel zu bestrafen 1), — Ihre eigenen Vasallen und Ritter im Zaume zu halten, genügte nicht, wenn noch immer kriegslustige Fürsten und Banden, die entweder wirklich im Solde des Kaisers standen, oder dessen Namen zum Vorwande ihrer Gewaltthätigkeiten brauchten, umherzogen oder von festen Burgen die Umgegend heimsuchten und keinem Gebote Folge leisten wollten, das ihnen nicht vom Kaiser oder vom Pfalzgrafen zukäme. Jener aber war am Rhein und hatte, wie man in Sachsen glaubte, andere Absichten, als den Reichsfrieden zu fördern, dieser, Friedrich von Sommerschenburg, war dem Bunde der Fürsten nicht beigetreten, ja erkannte, weil auch Adalbert zu demselben gehörte, darin ein eigenmächtiges, ungesetzliches, dem Reichsoberhaupte feindliches Verfahren und verlangte, daß nur ihm die Entscheidung überlassen, doch vor Allem von den Fürsten die Güter und Burgen, die dem Reiche gehörten, herausgegeben werden sollten 2). Wie schwer die beiden Foderungen der rheinischen Fürstenversammlung: „allgemeiner Friede“ und „Herausgabe der Fiskalgüter“ in Sachsen sich vereinen ließen; wie sie den Zwiespalt mehr nährten als versiegten, zeigte sich hier nur zu deutlich. Der Schein des Rechts, oder doch Ansichten vom Rechte, die so lange einander feindlich gegenüber standen, bis mit Opfern, die jeder Theil bringen mußte, der aufrichtige Wunsch nach Frieden jedes Privat- und Parteiinteresse überwog, konnten die Zerrüttung des Reiches nicht aufheben.

 

1) Chron. Ursp. und Ann. Saxo a. a. O.: Qua correptione Saxones admoniti crebros conventus ob concordiam facere, dissidentes inter se pacare, dextras invicem dare, praedones exterminare, suppressaque Imperatoris persona contra omnem hominem terras suas invadere molientem se unanimiter armare coeperunt.

2) Auf Trennung von seinen früheren Verbündeten, auf Anschluß an den Kaiser deuten die Worte in Chron. Ursp.: Qui nuper se a ceteris dissocians (Ann. Saxo gibt mit etwas anderem Sinn dissociatis) Saxoniae principibus Imperatoris fidelitati devinxerat.

 

 

____

311 Landfriede in Sachsen.

 

In Sachsen aber griff man wenigstens von einer Seite durch und gewährte dem Lande, was dem Reiche nicht zu Theil wurde. Die Macht der vereinigten Fürsten war zu überwiegend, als daß ihr lange Widerstand geleistet werden konnte. Einen Landfrieden wollten sie zuerst erzwingen. Im eigentlichen Sachsen erreichten sie ihren Zweck bald; aber auch Thüringen, die Wiege alles Raubgesindels während der Bürgerkriege, sollte davon gereinigt werden. Wie vordem der Kyfhauser war jetzt die Wasserburg 1), eine der drei Burgen unweit Erfurt und Gotha, die Gleichen genannt, von kaiserlichen Söldnern zum Mittelpunkte räuberischer Streifzüge und zur Schutzwehr gegen Angriffe der beraubten und geplagten Umwohner gewählt. Ohne Scheu, daß jene in des Kaisers Diensten ständen, zogen die Verbündeten vor die Veste, schlossen sie enge ein und zwangen die vom Hunger gequälte Besatzung sich zu ergeben, worauf sie das Land verlassen mußte. Dieses Beispiel schreckte alle Anhänger des Kaisers oder sonstige Gegner der Fürsten. Bald erfreute sich Sachsen eines besseren Friedens als die übrigen Provinzen Deutschlands 2). Der Kaiser konnte die eigenmächtige Handhabung des Rechts in Sachsen weder verwehren noch strafen, zumal da seine Hauptstütze, der Pfalzgraf Friedrich, bald danach starb und dessen Sohn gleiches Namens zwar ihm mit Ergebenheit diente, doch den Landesfürsten sich fügsamer, der Geistlichkeit gefälliger zeigte 3).

 

Noch immer gab indeß Heinrich die Hoffnung nicht auf, daß er die Verhältnisse in Reich und Kirche nach seinem Wunsche feststellen, den Reichsfrieden von seinem Willen abhängig machen und daß Papst und Kirche ihm die Investitur der Bisthümer und Abteien in

 

1) Chron. Ursp. und Ann. Saxo a. a. O.: Inter haec etiam quosdam milites Caesarianos Thuringiam infestantes in Castello Wassenburg singulis praesidiis circumcludentes tandem penuria afflictos expulerunt. Der Goseker Mönch, p. 113, nennt Friedrich, einen der früheren Aebte seines Klosters, als Befestiger jenes kaiserlichen Castells: Per eundem Abbatem non ad inanem gloriam, sed ad tutelam Heroveldensem (die Aebte von Hersfeld hatten damals noch die Diöcesanverwaltung in einem großen Theile von Thüringen und Friedrich war zugleich Abt von Hersfeld) etsi regis imperio castrum restauratur, quod ex antiquo Wassenburg nominatur. Hujus plurimorum et frequentum militum potentia tota Thuringiae contremuit provincia.

2) Chron. Ursp., Ann. Saxo a. a. O.: Sic in brevi pacem jucundissimam licet alibi werra solita grassante suis in partibus instituerant.

3) S. dies nachgewiesen in meiner Geschichte der Pfalzgrafen von Sachsen, §. 7, S. 154 ff.

 

 

____

312 Sechster Abschnitt.

 

alter Weise überlassen werde. Seine Herrschsucht ließ ihm den Gedanken unerträglich erscheinen, daß er der Gewalt nachgeben solle, die von den sächsischen Fürsten ihm unverholen gezeigt, von den meisten Geistlichen feindselig ausgeübt wurde. Seine eigene Macht war fast wieder auf die Anhänger reducirt, die während seiner Abwesenheit in Italien seine Sache vertheidigt hatten. Aber auch diese erkannten, daß eine Verbindung mit den Häuptern der Gegenpartei ihnen mehr Gewinn und dem Reiche eher den ersehnten Frieden brächte, als wenn sie um des Kaisers Ansehen aufrecht zu erhalten, ihre Kräfte opferten. Die Städte verfolgten längst schon ein Interesse, mit dem sich unbeschränkte Gewalt des Kaisers wenig vertrug. Auf Gewerbthätigkeit, ungestörte Betriebsamkeit nach Außen, auf intellektuelle Entwickelung im Innern war ihr Augenmerk gerichtet, und die Aufhebung der schon gelockerten Banden des Lehnswesens war ihnen willkommener, als Herstellung der alten Feudalverfassung. Die Verhältnisse im Reiche waren ihnen gleichgültig bis auf den allgemein ersehnten Zustand der Ordnung, Ruhe und Sicherheit. Die Eifersucht der ersten Geistlichen Deutschlands untereinander gab Heinrich in seinem Kampfe wider Calixtus wider die Hierarchie keinen Vortheil, weil darin alle einverstanden waren, von den einmal errungenen Rechten der Kirche keines aufzugeben; und wollte auch Einer es wagen, des Kaisers Ansprüche zu vertheidigen, oder nur im Geheimen ihn zu unterstützen, Scheu vor der römischen Kurie und deren häufigen Gesandtschaften in Deutschland mußte ihn davon abhalten, denn Aller Schritte waren bewacht und von Jedem wurden der Papst und die Kardinäle benachrichtigt. So war Friedrich von Köln wegen seiner Annäherung an den Kaiser weder dem Verdacht noch einer Rüge, die Kuno von Präneste zwar leise, aber doch deutlich genug in einem Schreiben aussprach, entgangen 1), und er mußte,

 

1) Der Brief Kuno's bei Martene I, p. 664 gibt über Friedrich's Verhalten gegen den Kaiser einige Aufschlüsse. Er hatte sich geweigert, den Bann zu verkünden, angebend: quia nec rex nobis commissus, nec de parrochia nostra esse videtur. Darauf antwortet ihm Kuno im Namen des Papstes: (ex ore Domini Papae efficaciter respondemus) etsi nobis parrochiali jure commissus non fuerit, auctoritate tamen Spiritus - - sancti et sanctorum patrum pro tanto scelere merito excommunicare debuimus. Er führt ihm das Beispiel des heiligen Ambrosius an, der den Kaiser Theodosius für Frevel, die derselbe in Thessalonich verübt, erkommunicirte. Dann plötzlich spricht er den Verdacht gegen Friedrich aus, zwar scheinbar zurückweisend, doch so, daß man deutlich erkennt, er sehe die Ursache, warum Friedrich den Kaiser nicht bannen wollte, in etwas ganz Anderem als in dem vorgeschützten Grunde: Quidam falsi fratres mandaverunt nobis, quod pax esset inter vos et regem, sed dominus Papa nec nos credere voluimus quousque vos videremus. Feiner und schärfer konnte Kuno seine Rüge nicht fassen.

 

 

____

313 Verhältnisse in Süddeutschland.

 

um sich zu rechtfertigen, mit verdoppeltem Eifer Heinrich und dessen Anhängern entgegenwirken, was er auch in dem Streite um das Bisthum Lüttich durch sein beharrliches Zurückweisen Alexander's an den Tag legte 1). Erlung von Würzburg hatte stets einen schwankenden Charakter gezeigt; Heinrich konnte froh sein, daß derselbe aus Besorgniß um Franken jetzt gegen ihn wenigstens nichts unternahm; zu bauen war indeß auf ihn nicht. Die gemäßigten, die wahrhaft friedliebenden Bischöfe, wie Otto von Bamberg, Hartwig von Regensburg, hatten wenig Lust, die ehrgeizigen Wünsche Heinrich's zu fördern, und klagten über die Verzögerungen, über die Hindernisse, die von beiden Theilen, Kaiserlichen und Antikaiserlichen, dem Friedenswerke, das sie eifrig betrieben, in den Weg gelegt würden. Der einst dem Kaiser so treue und ganz ergebene Burchard von Münster war längst nicht mehr am Leben und an seiner Stelle durch Einfluß der sächsischen Fürsten und Adalbert's von Mainz ein zu ihrer Partei gehörender Mann, Dietrich, der Bruder Hermann's von Winzenburg, den Münsterern, die Heinrich unerschütterlich zugethan blieben aufgedrungen worden 2).

 

Besser freilich standen für Heinrich die Verhältnisse in Süddeutschland, wo fast alle Fürsten seine Partei nahmen und dadurch die Geistlichen zwangen oder ihnen gestatteten, in Kirchensachen dem Kaiser nicht solche Rechte streitig zu machen, die er bis dahin ausgeübt habe. Der einzige Erzbischof Konrad von Salzburg verharrte in seiner Widersetzlichkeit, mußte aber die Bannverkündigung der rheimser Synode hart büßen. Heinrich der Schwarze, der seinem Bruder Welf (1120) im Herzogthume Baiern gefolgt war, und dem der Kaiser, weil er der Schwiegervater Friedrich's von Schwaben

 

1) Martene, Coll I, p. 674, wo er dem Stift unter Anderem vorwirft: in conventun, vestrum multitudinem eorum, qui vestra petitione a Domino Papa a nobis, a vestro etiam episcopo (nämlich Friedrich) excommunicati habebantur, admisistis ibique nostrae auctoritati praejudicantes communicato cum excommunicatis consilio.

2) Chron. Ursp. und Ann. Saxo ad 1121: Theodoricus Monasteriensis Episcopus - - qui Burchardo Rufo in Legatione Imperatoris Heinrici Constantinopoli mortuo (1118) per electionem ecclesisaticam successerat (1120, und das durch eine der Wahlen, die mediante Mogontino Praesule veranstaltet worden).

 

 

____

314 Sechster Abschnitt.

 

und ihm zugethan war, die Verbindung Kärnthens und Baierns nebst den Billungischen Allodialgütern in Sachsen, die seine Gemahlin Wulfhild ihm zugebracht, gern zugestanden hatte, zeigte mehr Eifer als sein Bruder für Heinrich, nicht blos um Rath zu geben, sondern auch für ihn das Schwert zu gebrauchen. In Verbindung mit anderen bairischen Fürsten schloß er den für die Kirche unermüdlichen Konrad von seinem Erzbisthume aus, nöthigte ihn längere Zeit ein von Gefahren bedrohtes, oft abenteuerliches Leben zu führen 1), und schreckte durch dieses Beispiel Jeden, den der Kircheneifer zu Schritten, die dem Reiche oder den unter seine Macht begriffenen Provinzen nachtheilig waren, verleitete. So lange aber Nord- und Süddeutschland getrennten politischen und kirchlichen Ansichten huldigten und nur in diesem, nicht zugleich auch in jenem des Kaisers Ansehen und Macht sich geltend machen konnten, war Heinrich von seinem Ziele weit entfernt. Auf dem Wege der Unterhandlung hoffte er ihm näher zu rücken. Mit dem Papst und dessen Legaten hatte dieselbe wol nie aufgehört und war dazu auch Calixtus bereit 2), falls nur im Punkte der Investitur er nichts nachgeben durfte. Seine Gesandten, die seit der rheimser Synode wiederholentlich in Deutschland erschienen 3), boten sogar in den Unterhandlungen zwischen dem Kaiser und den Fürsten ihre Vermittelung an und noch im Oktober 1120 wohnten sie einer Versammlung bei, die der Kaiser nach Quedlinburg beschieden hatte, um dort sowol die Streitpunkte zwischen ihm und der Kirche, als zwischen ihm und den Fürsten zu berathen. Viel wurde über den Zustand des Reiches, über die Investitur, über die Zurückgabe der Fiskalgüter an den Kaiser, vornehmlich der weimar-orlamündischen Erbschaft, die nach des Pfalzgrafen Siegfried Tode Heinrich nicht mehr vorzuenthalten waren, und über manchen Gegenstand von Wichtigkeit hin und her

 

1) So mußte er ein ganzes Jahr und darüber in einer Höhle zubringen. S. Vita S. Gebhardi Salisburg. bei Canisius, Lection. antiq. Tom. VI, p. 1240.

2) Solche Bereitwilligkeit zeigte Calixtus dem Kaiser auch als er dessen Vertrag zurückgewiesen. So auf dem Schlosse des Grafen von Troyes: Si vero (läßt Hesso ihn sprechen) in Concilio vel post Concilium veram pacem nobis Deus obtulerit, paratus ero suscipere et amplecti. Und als er des Kaisers Getreue des Schwures, den sie geleistet, entbindet: nisi forte resipisceret et Ecclesiae dei satisfaceret.

3) Martene I, p. 676: Konrad von Straßburg statim post Remense concilium — a Cardinali S. Romanae Ecclesiae absolutionem recepit. Chron. Ursp. ad 1120 von den Sachsen: corroborati literis etiam legationibus Papae.

 

 

____

315 Heinrich's Rüstungen gegen Mainz.

 

gesprochen; Manches gab man dem Kaiser nach, und in Betreff des Hauptstreites zwischen Reich und Kirche wurde eine neue Zusammenkunft zwischen Papst und Kaiser vorgeschlagen, bis zu welcher die Sache ruhen und um deretwillen kein Zwist entstehen sollte. Wie man aber auch in Worten über eine Vertragung einig geworden war, ihrer Ausführung standen immer noch Hindernisse im Wege 1). Beide Theile trugen wol die Schuld, doch am meisten der Kaiser, der ungenügsam mit Dem, was ihm zugestanden, volle Gewährung aller seiner Foderungen verlangte.

 

Die öffentlichen Berathungen der Parteien, wie die geheimen Künste, Freunde zu gewinnen oder Feinde zu erwecken, hörten nicht mehr auf. Wol mit Recht erkannte Heinrich in Adalbert von Mainz seinen gefährlichsten Widersacher, durch dessen arglistige Intriguen die vor kurzem so geneigten und bereitwilligen Fürsten in Sachsen fast alle wieder zu feindseligen oder doch eigenmächtigen Handlungen verleitet waren. Heinrich konnte dem Erzbischof es nicht vergessen, daß derselbe ihm unter Vorspiegelung einer Aussöhnung mit der Kirche die Erlaubniß abgelockt hatte, alle erledigten Kirchenämter in Sachsen mit Zuziehung der Fürsten zu besetzen. Adalbert benutzte diese Erlaubniß nur, um öftere Zusammenberufungen der Fürsten und Geistlichen im Lande zu veranstalten, wo er keineswegs blos die Zustimmung der Ersteren zu neuen Wahlen von Letzteren einholte, sondern beredt die Nothwendigkeit, des Kaisers Anfoderungen sich zu widersetzen, entwickelte 2).

 

Um dem Erzbischof seine Hinterlist zu vergelten, gedachte Heinrich jenes Abwesenheit von Mainz zu benutzen und diese Stadt an sich zu bringen und dadurch sich zum Herrn des ganzen Rheinstromes zu machen, der nur durch Mainz, den wichtigsten Punkt, beherrscht

 

1) Albericus ad 1120 nach Anselmus Gemblac.: Mense Octobris Henricus Imperator Quintileburg venit et huc Optimates Regni, legati etiam Apostolicae sedis tractaturi de controversia, quae erat inter Imperatorem et Regnum seu etiam contra Dominum Papam. Cum autem disceptetur de statu Regni et de Investituris Ecclesiarum et haereditate Sigfridi Comitis Palatini et de aliis negotiis partim favendo Regi, partim differendo causam usque ad praesentiam Apostolici dissimulato foedere incertiores redeunt quam venerant. Nur 1120 (wie Albericus) nicht 1121 (wie Anselmus hat) kann das richtige Jahr sein.

2) Eine dieser Zusammenkünfte mochte die bei Harzheim (Concil. III, p. 279) angegebene sein. Daß Adalbert von Mainz dort die Fürsten zu ganz anderen Zwecken berief, als die er vorgab, erhellt aus den früher angeführten Stellen des Chron. Ursp. und Ann. Saxo ad 1120 u. 1121.

 

 

____

316 Sechster Abschnitt.

 

werden konnte 1). Jedes Mittel bot der Kaiser auf, die Stadt zu gewinnen. Während er im Elsaß ein Heer zusammenzog, das, im Falle Unterhandlung, Versprechungen und Drohungen fruchtlos blieben, mit Gewalt die Mainzer bedrangen sollten, mußte der Bischof Bruno von Speier, ein gewandter, schlauer Mann, den er durch Beweise von Gunst, Geschenke und Ehren an sich gefesselt zu haben glaubte 2), die Bürgerschaft und selbst das Domkapitel gegen den Erzbischof aufreizen 3). In einem offenen Schreiben aber ermahnte der Kaiser die Mainzer an seine früheren Wohlthaten, erinnerte sie an die noch in seiner Gewalt stehenden Geißeln, die sie ihm einst übergeben hätten als Bürgschaft für ihr eidliches Versprechen, Adalbert zum Gehorsam gegen den Kaiser zu zwingen; er stellte ihnen vor, wie freventlich der Erzbischof gleich nach seiner Entlassung aus dem Gefängnisse gehandelt und das Reich bisher in Verwirrung gesetzt habe. Was sie verschuldet, wolle er gern ihnen vergeben, wenn sie nur der gelobten Treue sich erinnern, dem Erzbischofe, der sich eigenmächtig seiner Würde angemaßt, die Thore verschließen, den Getreuen des Kaisers, vornehmlich dem Herzoge Friedrich und Pfalzgrafen Gottfried sich anschließen möchten 4). Die Mainzer hielten

 

1) Köln hatte sich dem Kaiser freundlich gezeigt; das triersche Gebiet am Rhein war durch Bruno ihm befreundetes Land; von Worms bis Straßburg rühmt sich Bruno von Speier in seinem Schreiben an den Kaiser, Cod. Udalr. Nr. 280: In villis, civitatibus et oppidis fautores vobis acquiro ita, ut nuper meo labore et consilio conjuraverint omnes a Wormatia usque Argentinam vobis terram illam et omnes homines retinere atque tueri.

2) Cod. Udalr. Nr. 280: Bruno's Rechtfertigung gegen des Kaisers Argwohn basirt auf die Dankbarkeit für empfangene Wohlthaten.

3) Cod. Udalr. Nr. 280. Bruno erzählt, was er in Mainz gethan: In qua (urbe) multos beneficiis meis vobis conciliavi. Vorher: egi cum clericis suis (scil. Adalberti) in capitulo eorum. Daß er Aufträge des Kaisers ausrichtete, zeigt der Schluß: crebros nuntios ad nos dirigatis, qui et vestra nobis referre et vicissim nostra vobis valeant intimare.

4) In diese Zeit möchte das Schreiben bei Guden, Cod. dipl. p. 46 seqq. am besten zu setzen sein, wie Wenk, Hessische Landesgeschichte III, S. 79, annimmt. Stenzel läßt den Inhalt desselben gleichfalls für diese Zeit gelten (S. 697 u. 698), behauptet aber (S. 684), daß es der Zeit nach zu 1118 gehöre. Freilich setzt er den Aufstand der Mainzer gegen Adalbert 1117, den wir, wie früher nachgewiesen, richtiger 1116 zu setzen glauben. Da die Urkunde den Invasorem Virdunensis ecclesiae erwähnt, der im Oktober 1116 geweiht wurde, kann sie frühestens erst 1117 ausgestellt sein. Die schicklichste Zeit für den Kaiser, die Mainzer zum Abfall von Adalbert aufzufodern, war 1120 und damals Adalbert abwesend. Ende September 1120 war der Erzbischof in Erfurt (Guden p. 51) und bis Mitte des Jahres 1121 in Sachsen. In diese Zeit fallen des Kaisers Rüstungen gegen ihn. Daher konnte er jetzt den Mainzern schreiben: Eundem perjurum vestrum ac nostrum Adelbertum scilicet dictum Episcopum, civitatem nullatenus intrare permittatis, sed quasi scopis ab eo mundatam cum Friderico Duce et Gothofrido Palatino Comite aliisque fidelibus nostris diligentissime servare studeatis.

 

 

 

____

317 Gegenrüstungen der Mainzer.

 

aber fest an Adalbert, dessen erhöhte apostolische Würde, seine enge Verbindung mit den Sachsen ihnen Hochachtung und Scheu einflößte. Der Erzbischof ließ seinerseits es nicht an Gnadenversprechungen und Drohungen fehlen, deren Erfüllung die Mainzer mit mehr Wahrscheinlichkeit voraussahen, als daß Heinrich ihnen etwas anhaben könnte. Wie einst Friedrich von Schwaben wollten sie auch den Kaiser kampfgerüstet empfangen; anstatt seinem Worte zu gehorsamen, schickten sie sich zu tapferer Gegenwehr an.

 

Der herannahende Winter hielt noch das Kriegsgewitter fern, das abermals im ganzen Reiche sich zusammenzog. Nur einige verdächtige Geistliche, denen Heinrich lieber zu entschiedenen Feinden außerhalb ihrer Diöcesen zu entfliehen, als innerhalb der ihm getreuen Städte geheime Ränke zu schmieden Zeit lassen wollte, zwang er ihre Sitze zu räumen. So jenen Bischof Bruno von Speier, dessen Dienstleistungen am Rhein, vornehmlich in Mainz, ihn sehr verdächtig machten 1). Auch der Bischof Burchard von Worms war ihm von den ergebenen Bürgern dieser Stadt in zweideutigem Lichte geschildert worden und mußte entweichen. Dienstbarer dem Kaiser zeigten sich noch die Münsterer, die selber den ihnen aufgedrungenen Bischof Dietrich verjagten.

 

Diese Genannten und Alle, welche ein gleiches Loos traf, suchten bei Adalbert, der in Sachsen verweilte, Zuflucht; und er fand in ihrer Vertreibung einen neuen Anlaß, die sächsischen Fürsten zur Vertheidigung der Kirchen, zur Wiedereinsetzung der von des Kaisers Acht oder von den eigenen Untergebenen Verjagten und somit endlich auch zur Vertheidigung seiner Sache gegen Heinrich aufzureizen. Zum Theil seinen Zweck zu erreichen, gelang ihm um so eher, als der Bund der sächsischen Fürsten sich die Aufrechterhaltung der Ordnung

 

1) Bruno's Rechtfertigung muß nicht genügt haben, die Anschuldigungen seiner Gegner evidenter gewesen sein. Chron. Udalr. a. a. O. schreibt er: Vehementer admiror, quis mendacii stimulus aures vestras permoverit et mihi apud vos aliquam infidelitatis maculam concitaverit. Vielleicht schadete ihm der schlechte Erfolg in Mainz: Re infecta ab urbe exivi. Er rühmt sich dafür manches anderen Gelingens, aber vergebens!

 

 

 

____

318 Sechster Abschnitt.

 

und Bestrafung Derer, die sie störten, zur Aufgabe gemacht hatten. Nur dieses Statut befolgten Herzog Lothar und Graf Hermann von Winzenburg, als sie den vertriebenen Bischof Dietrich nach Münster zurückführen wollten. Daß dem Landesherzog und dem Bruder des Flüchtlings die Ausführung übertragen wurde, erscheint sehr natürlich; daß sie den Frevel der Münsterer, die ihren ehrwürdigen Bischof, einen Mann ebenso sehr wegen Adel der Gesinnung als der Geburt geachtet, auf eine unwürdige Weise behandelt hatten, hart züchtigten, erheischte der Zweck des Bundes, der nur durch strenge Maßregeln sich erreichen ließ. So führte denn Lothar, als er die Stadt eingenommen, die Häupter der dem Bischofe feindlichen Partei, Vornehme und Dienstmannen, als Gefangene fort 1). Ein unglücklicher Zufall aber war es, daß bei Vertheidigung der Stadt Feuer einen großen Theil derselben und die herrliche Pfarrkirche zu St.-Paul niederbrannte. Diesen Verlust erboten sich die Sieger, die daran durchaus keine Schuld hatten, ihm aber die Einnahme verdankt zu haben scheinen, in Zukunft zu ersetzen 2). Wie bei anderer Gelegenheit unterließen auch hier nicht die Anhänger der Kirchenpartei, den verstorbenen Bischof Burchard der Schuld jenes Unglücks zu zeihen, weil er große Reichthümer dem Dome zugewendet, an denen Gott als von eines Ketzers Hand geweiht kein Wohlgefallen gefunden 3).

 

Wenn die Wiedereinsetzung Dietrich's (im Anfange 1121) auch keineswegs dem Kaiser gefiel 4), war sie doch keine Handlung, die

 

1) Ann. Hildesh. und Ann. Saxo ad 1121: Omnes fere urbis defensores tam nobiles quam ministeriales captos abducit, was wol auf das im Text Gesagte zu beschränken ist. Chron. Ursp. nennt nur Lothar, nicht auch Hermann von Winzenburg; wenn daselbst der Bischof Heinrich statt Dietrich heißt, ist das wol Irrthum oder Druckfehler. Von den Gefangenen, die Lothar abführt, steht gleichfalls nichts.

2) Chron. Ursp.: Contigit autem occulto dei judicio, dum inimicos acies videndo cives terrerentur, ac pro imminenti periculo singuli sua molirentur, casas aliquas incaute succendi paulatimque dominante flamma etiam basilicam majorem (Annal. Hildesh. sagen templum sancti Pauli funditus comburi. Sic quoque miserabili potiti victoria pontificem pulsum restituunt, multam autem pecuniam ad restaurationem ecciesiae conferunt.

3) Chron. Ursp.: Interpretantes nonnulli causam tanti excidii non esse nisi quod defuncti Praesulis Burchardi, qui multa illic ex iniquitate comportasset, oblatio manifestaretur deo non placuisse.

4) Ann. Saxo fügt den Worten des Chron. Ursp. bei: Eumque (Theodoricum) contra Imperatoris voluntatem restituunt.

 

 

 

____

319 Heinrich's Kriegsplan wider Mainz.

 

gegen ihn unmittelbar unternommen worden. Wie wenig Lothar damals einen neuen Krieg im Reiche suchte, geht schon daraus hervor, daß er nach dem Zuge gegen Münster den Krieg gegen die Slaven wieder aufnahm, deren Fürst Swentopold seinen Arm schwer fühlen mußte, jedoch solches durch Feindseligkeiten gegen den Herzog und dessen Lehnsträger wol verschuldet hatte 1). Wenn Lothar sein Schwert nur für Ordnung und Aufrechterhaltung des Landfriedens, gegen willkürliche Eingriffe in Sachsen wie im Reiche erhob, dann aber freilich Niemanden, auch den Kaiser nicht, scheute, so fand Adalbert dagegen seinen Ehrgeiz und seine Rache befriedigt, wenn Heinrich sich vor ihm, dem ersten Geistlichen des Reichs, demüthigte und durch ihn um die Gnade der Kirche und Lossprechung vom Banne nachsuchte, dafür dann ihm die Leitung aller Kirchenangelegenheiten und endlich auch die Entscheidung in weltlichen zugestehe. Heinrich war indeß nicht der Mann dazu, sich vor Dem zu erniedrigen, der ihn arglistig hintergangen, Verträge und Eide gebrochen, überall Feinde gegen ihn aufgereizt und, wo sich ihm diese zu versöhnen, eine Gelegenheit bot, hindernd in den Weg trat. Dies Alles und daß er unlängst durch einen Schein von Versöhnlichkeit und falsche Vorspiegelungen, womit er den Friedensvermittler zwischen ihm und der Kirche zu machen verheißen, an dem Ränkevollen zu vergelten, beschloß er noch einmal Gewalt wider ihn zu brauchen. In Sachsen ihn aufzusuchen, vermied er, um nicht den Sachsen einen Anlaß zu geben, der sie nöthige, das Schwert gegen ihn, den Kaiser zu ziehen. Auf den Rath der Anhänger und gestützt auf ihre Macht, beschränkte er den Angriff allein auf Mainz 2). Da die Stadt seine Anträge abgewiesen, erklärte er ihre Bewohner für Rebellen. Sein ganzer Kriegsplan wider die auf ihre Mauern trotzigen Mainzer bewies, daß er nicht durch raschen Sturm sie zu

 

1) Annal. Hildesh. und Ann. Saxo ad 1121: His notis Dulmene urbem munitam in deditionem accepit. Post haec collecto exercitu valido Slaviam invadit terramque cujusdam Zwentuboldi usque ad mare praedabundus perambulat. Wahrscheinlich war dieser Zwentepold ein Sohn König Heinrich's von Slavenland. S. Mascov, Comment. de reb. Imp. sub Lothario p. 38.

2) Chron. Ursp. ad 1121: Igitur Heinricus Imperator inito fidelium suorum consilio rebelles sibi Mogontinos affligere curavit. Einer richtigen Politik Heinrich's ist es beizumessen, daß er Adalbert nicht in Sachsen aufsuchte. Ohne den Beistand des sächsischen Bundes war Adalbert wol zu überwinden; zogen die Teilnehmer der Verbindung Mainz zu Hülfe, so überschritten sie ihre Satzung, und der Kaiser konnte den gegründeten Vorwurf des ersten feindlichen Schrittes auf sie werfen.

 

 

____

320 Sechster Abschnitt.

 

bezwingen, sondern durch Vernichtung ihres Handels zu demüthigen trachte. Erst wenn er die Stadt aufs Aeußerste getrieben, den Verfall ihrer innern Betriebsamkeit, die Zerstörung ihres Handels und freien Verkehrs vorbereitet, beschloß er mit einem allgemeinen Reichsaufgebot einen Sturm gegen die Mauern zu machen 1), und so die von Lebensmitteln und Entsatz abgeschnittene Stadt der härtesten Züchtigung preiszugeben und zu einer Unterwerfung unmittelbar unter das Reich mit Ausschließung der erzbischöflichen Oberhoheit zu zwingen. Schon waren den Mainzern die Wege zu Lande und zu Wasser abgeschnitten, ihr Handelsverkehr nach Außen, die Einfuhr der Lebensmittel nach Innen durch Besetzung und Befestigung umliegender Höhen und durch Streifscharen, die den Kaufleuten und Landbewohnern umher Wege und Aufenthalt unsicher machten, gelähmt, und bald sollte vom Elsaß her eine ansehnliche Kriegsmacht zum letzten Schlage herbeiziehen, als Adalbert durch seine Künste der Unterhandlung und Ueberredung die sächsischen Fürsten noch einmal für die Kirche die Waffen zu erheben aufreizte 2). „Mainz, das Haupt des deutschen Reiches und der deutschen Kirche — so sprach er zu den Anwesenden oder schrieb an die Entfernten 3) — ist von dem Reichsbedrücker und Kirchenfrevler bedroht, ja aufs Aeußerste

 

1) Die Worte von Chron. Ursp. (die Ann. Saxo und Corner wiederholen), sprechen für unsere Darstellung: Primo navium commeatum omnibus modis interclusit, deinde praesidiis circumquaque munitis hujusmodi insidiis nundinas sive mercatus fieri, sive quidquam victualium in civitatem deferri inhibuit, ad extremum vero in obsidionem ejusdem urbis publicam expeditionem undique indici constituit.

2) Chron. Ursp. ad 1121: His auditis praesul Adelbertus totam Saxoniam, ubi tunc manebat, commovet.

3) Wir stellen diese Mahnungen zusammen aus folgenden Angaben in Chron. Ursp. ad 1121: Vir eloquens et primatum in cisalpinis partibus multiformiter tenens ad defensionem totius Germaniae metropolis animos omnium catholicam obedientiam profitentium accendit. Huc etiam accessit, quod episcopi Spirensis et Wormaciensis et si qui alii resistere non valentes (die beiden genannten Städte hatten ihre Bischöfe gewiß schon, ehe der Kaiser Mainz angriff, was zu Anfang des Jahres 1121 geschah, vertrieben. Genaue Zeitangaben fehlen), tamen Apostolicam obedientiam professi pulsi suis sedibus vagabantur extorres, quos proprio quemque loco restituere disponebant iidem principes, pro Domino Deo exercituum zelo zelantes. — — Nec erat ulla filia Zion, quae se faceret expertem sancti periculi matris suae, nachdem vorher der Chronist bemerkt: Fiebant interim per omnes ecclesias jejunia, supplicationes vel litaniae.

 

 

____

321 Adalbert's Aufruf an die sächsischen Fürsten.

 

bedrängt, aus den rheinischen Städten die Geistlichen, welche treu an des Papstes und der Kirche Vorschriften hängen, vertrieben; sie irren heimatlos in der Fremde umher und sind des Lebens nicht sicher vor Dem, der sich römischer Kaiser und König der Deutschen nennt, aber in Rom nur Schandthaten beging, in Deutschland Willkür, Gewalt und Hochmuth zeigte. Eilet der Kirche, der ihr wie einer Mutter euer Seelenheil vertrauet und der ihr Gehorsam gelobt habt, zu Hülfe, befreit sie von dem Joche der Knechtschaft, entreißt die edle Mainz dem Verderben, zwingt Worms und Speier, die vertriebenen Seelsorger wieder aufzunehmen.“ Den Gemeinden seines Sprengels schrieb er: „Ihr Töchter Zions, suchet durch Gebete, Gelübde und Thränen des Himmels Beistand herabzuflehen, daß der Herr eure Mutter, eure Schützerin vor Schmach und Untergang bewahren möge; denn ist sie hin, dann seid auch ihr, verwaiste Gemeinden, verloren!“ Und den Sachsenbund ermahnte er: „Ihr Fürsten aber, wenn ihr des rechten Glaubens voll, so umgürtet euch mit dem Schwerte, ziehet mit mir vor die hart bedrängte Mainz und zeiget, daß wenn die abtrünnigen Söhne gegen sie kämpfen, ihr, die wahren Söhne, zur Rettung bereit, den Kampf nicht scheuet.“ Nicht tauben Ohren hatte er solches zugerufen und verkündet. Die Fürsten zogen mit zahlreichen Scharen herbei, er und die bei ihm verweilenden rheinischen Bischöfe ordneten in allen Kirchen Fasten an und ließen um Sieg für die Gotteskämpfer flehen.

 

Als um die Mitte des Sommers 1121 ein starkes Heer, das auf des Kaisers Aufgebot im Elsaß sich versammelt hatte, am linken Rheinufer gegen die Mauern von Mainz rückte, sahen am rechten Ufer die Mainzer ihren Erzbischof mit den sächsischen Verbündeten und anderen, die sich ihnen angeschlossen, heranziehen 1). Jetzt war dem ehrgeizigen Adalbert gelungen, was er seit seinem ersten geheimen Abfall von Heinrich erstrebt; er stand als Haupt deutscher Fürsten dem Kaiser gegenüber, an weltlicher Macht diesem gleich und durch jene zweite Gewalt, die er als apostolischer Gesandter, als Vertreter der allgemeinen Kirche übte, noch überlegen. Noch fehlte ein Sieg, dann lag in seinen Händen des überwundenen Kaisers Geschick für diese und jene Welt, Entthronung und Ausschließung aus der Kirchengemeinschaft, die ewiger Verdammniß gleich

 

1) Chron. Ursp. a. a. O: Denique circa solstitium aestivale - geminus o nobilis Mogontia conflatur exercitus alter scilicet in Alsatia, alter in Saxonia — alter destructionem tuam, alter defensionem intentantes.

I. 21

 

 

____

322 Sechster Abschnitt.

 

erkannt wurde. Dahin aber sollte es nicht kommen und Adalbert wie Jeder, den Ehrgeiz über die Schranken des Maßes hinausträgt, erfahren, daß Hochmuth der Demüthigung nicht entgeht.

 

Die sächsischen Fürsten mochten das Ungesetzmäßige fühlen, das in ihrem feindlichen Auftreten gegen den Kaiser lag, mehr noch aber das Unwürdige und Erniedrigende ihrer Stellung zu dem Erzbischof von Mainz. Wenn Lothar, damals schon von dem Slavenkriege zurückgekehrt 1), in den Reihen der Verbündeten vor Mainz mitgezogen war, so möchte der Gedanke einer friedlichen Ausgleichung mit dem Kaiser und der Entscheidung des langjährigen Zwiespaltes durch ein Fürstengericht von ihm ausgegangen sein. Jedoch auch andere Fürsten im sächsischen Heere hatten bisher mit ihm das gleiche Bestreben getheilt und sahen jetzt die Gelegenheit, es zu erreichen, günstig. Auch von Seiten der kaiserlichen Partei hegten die Gemäßigteren die gleiche Ansicht. Dem vereinten Bemühen beider Heere, dem allgemeinen Wunsche aller Gutgesinnten nach Frieden konnte weder Adalbert noch der Kaiser sich widersetzen, obschon ersterer dadurch auf einmal seine ganze Bedeutsamkeit verlor. Denn als zwölf Fürsten jeder Partei erwählt wurden, um die Spaltungen im Reiche und die zwischen Kaiser und Papst durch gemeinsame Berathung zu schlichten, als man dazu auf Michaelis einen Reichstag in Würzburg festsetzte, als man bis dahin zu einem Waffenstillstande durch Handschlag sich gegenseitig verpflichtete und friedlich die soeben noch von Streitlust Erfüllten voneinander schieden, waren zwar auch des Kaisers bisherige Bemühungen: sich einzeln mit den Reichsständen, mit dem Papste und der Kirche auszusöhnen und aus solcher Trennung der Gegner Gewinn zu ziehen, vereitelt, aber so ganz der Macht und der höheren Stellung den Fürsten gegenüber war er nicht beraubt, vielmehr erkannten Die, welche vor kurzem noch ihm trotzig das Schwert gezeigt, ihn als ihren Herrn und Oberen, suchten

 

1) Ann. Saxo ad 1121 gibt von dem Slavenkn'ege eine detaillirtere Nachricht als das Chron. Ursp., dem er die früher angeführten Worte nachschreibt, dann nach: ad mare praedabundus perambulat hinzufügt: urbibusque in deditionem acceptis, quarum una Kizun dicebatur, famosior et opulentior ceteris, obsidibusque acceptis cum pecunia non parva regreditur. Da dieser Heereszug erst nach dem Münsterschen Kriege, nach der Einnahme der festen Stadt Dülmen fällt, so ist kaum glaublich, daß der Herzog in so kurzer Zeit mit Bezwingung der slavischen Städte, der Ueberwindung Zwentopold's fertig geworden, um schon im Juni 1121 mit den anderen sächsischen Fürsten vor Mainz erscheinen zu können.

 

 

____

323 Entscheidung des Kampfes durch die Fürsten.

 

ehrerbietig und bittend ihn zur Nachgiebigkeit zu bewegen 1), während Adalbert mit seinem Haß, mit seinen hochfliegenden Plänen verlassen dastehen blieb und aus seiner Hand die Entscheidung über Staat und Kirche in die der weltlichen Fürsten übergehen sah. Selbst bei diesen einen bedeutenden Einfluß zu behaupten, war schwierig, da des Kaisers Anhänger ihn haßten, seine früheren Verbündeten gewissermaßen sich von ihm losgesagt und nur mit jenen, nicht mit ihm gemeinschaftliche Sache gemacht hatten; überdies die Streitfrage selbst vom Standpunkte weltlicher Schiedsrichter, deutscher Reichsfürsten eine ganz andere Gestalt gewann, als von dem, den Adalbert als alleingültigen eingenommen hatte.

 

Allen Wohldenkenden mußte es in der That ein erhebender Anblick sein, nach langem verderblichen Bürgerkriege, aus den eben noch zur Schlacht gerüsteten Heeren die Fürsten vorschreiten, statt der Waffe zum Kampf die Rechte zur Versöhnung bieten, sie einträchtig wie seit langem nicht beieinanderstehen, den Lenker aller Dinge in einmüthigem Gebete preisen zu sehen. Kaum ein zweites Beispiel der Art hat Deutschlands Geschichte aufzuweisen. Ehre sei ewig den Männern gezollt, die ein solches Schauspiel in den Ebenen von Mainz darboten; wir bedauern nur ihre Namen in den Annalen der gleichzeitigen Schriftsteller nicht angeführt zu finden, um jeden derselben der Nachwelt ins Gedächtniß zu rufen. Oftmals wol noch

 

1) Chron. Ursp. und ihm nachschreibend Ann. Saxo legen die friedliche Ausgleichung der Kraft der angestellten Gebete besonders bei, aber auch der Friedensliebe der Fürsten lassen sie daran ihren Theil des Ruhmes: Dum jam longe ab invicem uterque consedisset exercitus pro eo quod in alterutrum acies dirigere disposuerant, missis utrimque quibusdam sapientissimis atque religiosis proceribus de concordia sua scilicet fraterna honorabiliter tractare coeperunt, - - ut mentibus universorum tam in uno divinae voluntatis assensu, connexis ipsorum consilio, suasione, et obsecratione Regis indignatio in tantum mitigaretur, ut ipse praesens negotium non suo sed optimatum utriusque partis arbitrio terminandum decreverit. Gab der Kaiser dazu den Auftrag, so war gewiß seine äußere Würde unangetastet geblieben. Die suasio und obsecratio drücken die zwingende Gewalt der Fürsten auf das allergelindeste aus, beweisen aber dieser Ehrerbietung gegen den Kaiser. Inde rerum omnium gubernatori cunctis gratias agentibus denominati sunt ex utraque parte XII Primates, quorum corda timor dei possidens inveteratam discordiam inter regnum et sacerdotium sedare nemine resistente sufficeret. Ad haec determinanda collaudatur conventus totius regni principum Curia Wirciburg, tempus festum S. Michaelis. Et unoquoque propria manu in alterius manum hujusmodi pactum quasi sub sacramento firmante cum pace et gaudio discessum est.

21*

 

 

____

324 Sechster Abschnitt.

 

sollte unser Vaterland einem Zustande, welcher der damaligen Zerrüttung und Verödung 1) ähnlich sah, durch eigene Schuld, durch Entzweiung und blutigen Bürgerkrieg sich bereiten, aber nie mehr so ganz allein durch seine Fürsten ihn gehoben sehen, ohne alle Einmischung fremder Gewalten, auswärtiger Vermittler oder fernher einwirkender Ereignisse. Letzteres könnte vielleicht auch schon damals als zwingendes Motiv der Ausgleichung durch die Fürsten untergelegt und namentlich in der Gefangennehmung Burdin's gesucht werden, wovon etwa um jene Zeit die Kunde nach Deutschland kam. Allein höchstens bestimmte dieses Ereigniß die deutschen Fürsten, sich des Kaisers, der in der Demüthigung seines Papstes allerdings eine Kränkung erfuhr, kräftiger wider den triumphirenden Calixtus II. anzunehmen. Anstatt also eine zwingende Gewalt auf sie zu üben, rief der Sturz Gregor's VIII. eine Opposition gegen die siegreiche Kirche hervor und Alles, was zu Würzburg vertagt wurde, beweist, daß man mehr abwehrend als nachgebend der Hierarchie begegnen wollte 2). Vollends aber widerlegt jeden Einfluß der Kirche auf dieses höchst merkwürdige Ereigniß, daß die weltlichen Fürsten entweder nur allein das ganze Friedenswerk leiteten, oder, wenn auch geistliche an der Berathung Theil hatten, sie doch blos als Mitglieder des deutschen Reichskörpers, nicht als Vertreter der Kirche Ansprüche geltend machen durften und jeder hierarchischen Anfoderung sich enthalten mußten 3).

 

1) Wie hoch diese in der nächsten Umgebung von Mainz gestiegen sein mußte, beweiset der Ausruf bei den beiden angeführten Chronisten: Cum caram jam ubique propter vastatas nimirum regiones annonam timet, geminus o nobilis Mogontia, conflatur exercitus. Die Heere konnten in dem ausgesogenen Lande nicht länger verweilen. Eine Schlacht oder eine rasche Versöhnung war nöthig. Als letztere vorgezogen wurde, mußte man die eigentliche Friedensversammlung noch drei Monate, bis nach der Ernte aussetzen und in eine Gegend verlegen, die in letzteren Jahren sich wenigstens etwas erholt hatte.

2) S. Luden IX, S. 510. In Bezug auf des Kaisers Nachgiebigkeit mag, was Stenzel I, S. 698 sagt, wahr sein.

3) Hätten wenigstens uns die Chronisten darüber in Gewißheit gesetzt, ob auch Geistliche unter den vierundzwanzig Friedensfürsten ernannt worden. Chron. Ursp., die Hauptquelle, nennt diese stets nur Proceres, Optimates, Primates, Principes und erwähnt nirgend der Bischöfe. Auch Adalbert in seinem Bericht an Calixtus, Martene, Coll. ampl. I, p. 671 nur: nostri Principes und: tam Imperium quam Imperator. Wenn er ferner sagt, daß ihn die universa laicorum multitudo für den destructor imperii halte, möchte man fast unter den erwähnten Friedensrichtern nur weltliche Fürsten verstehen, jedenfalls ihnen das Uebergewicht in der würzburger Berathung einräumen.

 

 

 

____

325 Friedensberathung zu Würzburg.

 

Drei Monate lagen aber noch zwischen der Aussöhnung zu Mainz und der festgesetzten Friedensberathung zu Würzburg. Gespannt sah Deutschland, sahen alle früheren Parteien im Reiche derselben entgegen. An Versuchen, sie zu hintertreiben oder sie zum Vortheil des einen oder des andern der prädominirenden Machthaber vorzubereiten, mochte es nicht fehlen, aber die einmal ernannten vierundzwanzig Friedensfürsten machten jedes ehrenrührige Unterfangen, jedes Bemühen, um das begonnene Werk zu stören, fruchtlos. Auch der Kaiser wagte nicht sein Wort zu brechen. Adalbert, so schwer er seinen Unmuth verbarg 1), mußte, da außer seinen Mainzern wenige den Arm für ihn erheben wollten, äußerlich wenigstens die Miene sich geben, als ob er den Frieden sehr wünsche. Von Mainz begab er sich abermals nach Sachsen und Thüringen, wo er, wenn auch nicht öffentlich, doch ins Geheim gewiß in alter Weise fortwirkte, kraft seiner apostolischen Würde Geistliche und Laien zu Versammlungen und Berathungen berief und auch eine Streitmacht aus seinen Vasallen erhob, die ihm, wenn es sein mußte, zu Würzburg den nöthigen Nachdruck und ein überwiegendes Ansehen gebe. Ueberall waren in seinem Gefolge die vertriebenen Bischöfe Bruno von Speier und Burchard von Worms 2), deren versprochene aber unerfüllt gelassene Wiedereinsetzung Adalbert und jene selber den sächsischen Fürsten zum Vorwurfe machen konnten. Ohne Wanken hielten diese aber an ihrem zu Mainz gegebenen Wort. So blieb denn Adalbert nichts übrig als mit ihnen nach Würzburg zu ziehen.

 

1) Wahrscheinlich stellte er gleich nach Aufhebung der Belagerung von Mainz dieser Stadt ein Privilegium aus, das er 1135 erneute. S. Guden, Cod. diplom. p. 117 sqq Für die Zeit der ersten Ausstellung sprechen folgende Worte, wo von Zurückgabe der Geißeln, die vor Aufhebung der Belagerung nicht erfolgte, die Rede ist: sed quam caute, quam honeste, quam juste obsides haberentur (natürlich ist dies Ironie) sine merore nemo loqui poterit. Nam alii membris truncati redierunt, alii fame alii exilio deputati, alii nuditate et corporis aegritudine praeoccupati perierunt. Adalbert's Ingrimm, seine Absicht aufzureizen, liegen klar am Tage. Haec et his similia fideles Mogontinae civitatis Cives pro justitia passi sunt. Quae vero in defensionem Civitatis suique honoris pertulerint, satis omni regno patet. Daß auch in keine spätere Zeit als 1121 die Privilegienertheilung (die Guden mit Recht etwas unklar nennt und für die Grundlage der späteren von Erzbischof Siegfried II. 1244 hält. S. daselbst p. 580) zu setzen, beweist die Zeugenunterschrift Erlung's, der 1121 im December starb.

2) Das in der vorigen Note angeführte Privilegium zeigt beide Bischöfe bei Adalbert in Mainz; am 24. Sept. zu Erfurt, Guden p. 48, andere noch öfter den Bischof Burchard in Adalbert's Begleitung, S. ebendaselbst.

 

 

 

____

326 Sechster Abschnitt.

 

Dort war schon vor ihnen der Kaiser mit seinen Anhängern und deren zahlreichem Gefolge angelangt; deshalb schlugen jene einige Tagereisen von der Stadt entfernt am Wernitzflüßchen ein Lager auf. Alle Fürsten des Reichs waren erschienen, mit Ausnahme einiger bairischen, die eine gegründete Abhaltung, nicht böser Wille zu erscheinen verhindert hatte 1). — Wol mit Vorsicht, aber nicht mit Argwohn begegneten sich beide Theile. Nach gegenseitig gegebener und erhaltener Bürgschaft fanden sich sämmtliche Fürsten am dritten Tage (den 1. Oktober) vor der Stadt ein, weil diese selbst die große Zahl derselben nicht aufnehmen konnte. Der Kaiser begrüßte sie freundlich und mahnte sie, das Friedenswerk zu beginnen, versprach sich nicht in ihre Berathungen zu mischen, sondern Alles ihrem Gutachten zu überlassen, in der festen Ueberzeugung, daß sie seine und des Reiches Ehre stets im Auge behalten würden 2). Gemeinsam, an einem Orte sollten die Friedensfürsten zusammenkommen und Rath pflegen über Nichts, als was zur Sache gehöre. Sieben Tage währten dennoch diese Sitzungen, da viele Schwierigkeiten zu beseitigen und die widersprechenden Foderungen, die vor zwei Jahren in der Reichsversammlung am Rhein schon gemacht worden, sich schwer ausgleichen ließen, ohne den Saamen neuer Zwietracht zu streuen. Auch fehlte es jetzt nicht weder innerhalb des Fürstenraths noch außerhalb desselben unter den geistlichen und weltlichen Herren an solchen, die lieber die Übereinkunft verhindern, als ihr sich unterwerfen wollten. Wie konnte es auch anders sein, da ein Adalbert und seines Gleichen keinen anderen Vertrag zwischen Reich und Kirche, als den sie vorschrieben, gut hießen? Im Punkte der Investitur wollten sie von der Foderung des Papstes nicht abstehen. Aber hochherzige Männer entbrannten in Unwillen über diese hierarchische Anmaßung. Freimüthig vertheidigten sie des Reiches Ehre, die durch die kirchliche Belehnung beeinträchtigt werde. Nicht einmal, was der Kaiser zu Straßburg und in der Unterredung mit den päpstlichen Gesandten zwischen Metz und Verdun nachgegeben,

 

1) Chron. Ursp. ad 1121: Qui tunc aliis occupati Reipublicae causis praedicto conventui deerant. Vielleicht durfte die Grenze gegen Böhmen, Ungarn, auch die gegen Italien nicht von den Fürsten verlassen werden und war dies der Grund der Abhaltung.

2) Chron. Ursp., Ann. Saxo a. a. O.: Imperator sponsionis suae non immemor universas quaestiones, quae ventilabantur, non suimet arbitrio nec suorum quorumlibet contentione sed juxta senatus consultum concludi per omnia in omnibus concessit.

 

 

 

____

327 Vertrag zu Würzburg.

 

wollten sie einräumen. Ring und Stab, so sprachen sie, seien erbliche Insignien des Reiches und dürften allein vom Reichsoberhaupte den kirchlichen Lehnsträgern überwiesen werden. Ja so heftig wurde die Rede Vieler, daß sie Adalbert und die wie er dachten, Verderber, Vernichter kaiserlicher Hoheit, die doch über aller Gewalt stehe, nannten. Und diesen Worten gaben sämmtliche Laienfürsten lauten Beifall 1). Doch nur soweit der Streit zwischen Kaiser und Papst die Reichsehre anging, wollten letztere eine entscheidende Bestimmung festsetzen, in dem rein Kirchlichen sollte des Papstes Recht nicht beeinträchtigt werden. Selbst in Betreff des Bannes wies man nur jede den Kaiser entehrende Form der Lossprechung zurück, beschloß aber einstimmig die ganze Sache, um deretwillen der Zwiespalt und fast alle Fehden im Reiche entstanden waren, vor den Richterstuhl des Papstes zu bringen 2) und vorläufig Gesandte zu ernennen, die nach Rom gehen, die Beschlüsse der Versammlung Calixtus vorlegen und den heiligen Vater darum ersuchen sollten, auf einem allgemeinen Concil Das, was Menschenkraft nicht zu entscheiden vermöge, nach göttlichem Rathschlusse zu bestimmen 3). Bis dahin sollte kein Bischof, kein Rechtgläubiger die Gemeinschaft mit dem Kaiser vermeiden oder scheuen; denn der Papst, so hoffe man, werde Keinem deshalb zürnen, und der Kaiser, wenn böser Rath und Einflüsterungen ihn zu einer Härte wegen früherer Beleidigungen verleiten sollten, durch ihre, der Fürsten einstimmige Bitten bewogen werden, einer solchen ungerechten, dem Frieden nachtheiligen Handlung sich zu

 

1) Adalbert selbst in seinem Berichte an Calixtus, Martene II, p. 672: Sed quia tam imperium quam Imperator tanquam haereditario quodam jure baculum et annulum possidere volebant, pro quibus universa laicorum multitudo imperii nos destructores inclamabat nullo modo potuimus his Imperatorem exuere. In der formula Pacis inter Papam et Imperatorem, ibid. p. 673 heißt es: Quod ecclesia adversus Imperatorem et regnum de investituris causatur, principes sine dolo et sine dissimulatione elaborare intendunt, ut in hoc regnum honorem suum retineat.

2) Chron. Ursp. a. a. O: Ve verbo autem excommunicationis, unde scandala pene cuncta pullulaverunt, nihil est definitum, tamen ad apostolicam audientiam concorditer in divino timore dilatum denominatis in praesenti Legatis, qui Romam haec omnia deferrent.

3) Chron. Ursp.: Quatenus indicto per auctoritatem Apostolicam generali Concilio quaecunque humano non possent spiritus dei judicio terminarentur.

 

 

____

328 Sechster Abschnitt.

 

enthalten 1). Um die Häupter der Christenheit aus der langen Zwietracht und einander feindlichen Stellung zu wahrem Frieden und gegenseitiger Anerkennung zu bewegen, empfahl man dem Kaiser die von Jedermann dem apostolischen Stuhle erwiesene Ehre, den schuldigen Gehorsam ferner nicht aus den Augen zu setzen, die schmählichen Verleumdungen und Anklagen aber, welche Geistliche wider ihn vor dem Papste hätten laut werden lassen, wollten sie selber mit bestem Rath und Beistand niederschlagen 2), Papst und Kaiser zu versöhnen, einen festen dauerhaften Frieden, in welchem dieser, was ihm und dem Reiche zukomme, behalten, die Kirche das Ihre und ein Jeder das Seine in Ruhe und Verträglichkeit besitzen solle, zu vermitteln suchen. Um jeden Grund zu Klagen wegzuräumen, wurde bestimmt, daß die rechtmäßig gewählten und geweihten Bischöfe im ungestörten Besitze ihrer Bisthümer bleiben, die vertriebenen Prälaten von Speier und Worms in ihre Sprengel zurückkehren sollten, doch letzterer mit Verzichtleistung auf die freie Reichsstadt Worms, über die der Kaiser allein zu verfügen habe 3). Alles Weitere würde am besten sich schlichten lassen, wenn der Papst selbst nach Deutschland käme.

 

Unter den weltlichen Gegenständen war vornehmlich die weimar- orlamündische Erbschaft des Pfalzgrafen Siegfried, die einst zum Aufstand der sächsischen Fürsten den Hauptanlaß gegeben, ein kitzlicher Punkt, indem, wenn letztere dem Kaiser das Recht zur Einziehung genannter Allodialgüter zugestanden, sie damit ihre Schuld ungeziemender Widersetzlichkeit gegen das Reichsgericht und das Reichsoberhaupt bekannten; und wiederum wenn sie Heinrich jene

 

1) Form. Pac. a. a. O.: Interim donec id fiat, episcopi et omnes catholici sine ulla injuris et periculo communionem suam custodiant, et si in posterum Dominus Imperator consilio sive suggestione alicujus ullam in quemque vindictam pro hac inimicitia exsuscitaverit, consensu et licentia ipsius — ne aliquid horum facere velit, eum commoneant etc.

2) Form. Pacis a. a. O.: De calumnia, quam adversus eum habet ecclesia, ex auxilio et consilio principum inter ipsum et Dominum Papam componatur et fit firma et stabilis pax etc.

3) Form. Pac. a. a. O.: Spirensis Episcopus ecclesiam suam libere habeat, Wormaciensis similiter praeter ipsam civitatem usque ad praesentiam Domini Papae. Vielleicht sollte dieser nach Worms geladen werden, und damit in einer ganz freien Stadt die Zusammenkunft zwischen Papst und Kaiser stattfände, dieselbe in keiner Weise von Jemandem abhängig werden. Daß Worms von dieser Freiheit gegen Heinrich keinen Misbrauch treiben werde, war man von der Gesinnung der Bürger überzeugt.

 

 

____

329 Vertrag zu Würzburg.

 

vorenthielten, seinen Stolz zu empfindlich kränkten und seiner Herrschsucht fernerhin Nahrung gaben und Gelegenheit in Sachsen über jenes Erbe unter den Fürsten Zwietracht zu stiften boten, um so mehr, als die orlamündischen Besitzungen jetzt in Händen Solcher waren, die noch ungegründetere Ansprüche daran hatten als vormals Siegfried vom Rhein. Um auf eine gewisse ältere Norm diese Erbschaftsangelegenheit zurückzuführen, ward dahin entschieden, daß dem Kaiser verbleiben sollte, was einstmals Siegfried, ehe er zum Besitz der orlamündischen Allodien gekommen war, in einem förmlichen Vertrage oder in einem mündlichen Uebereinkommen jenem zugestanden habe 1).

 

Vieles Andere und Einzelne mochte noch in Würzburg berathen worden sein, was bisher hemmend der Erfüllung des früheren Vertrages im Wege gestanden hatte. Von Interesse bleibt allein die Grundidee der neuen Vertragung, da sie beweist, daß man in der That mit würdigem, großherzigem Bestreben das Friedenswerk zu begründen suchte 2). Das Erste, was man feststellte, war ein allgemeiner Reichsfriede, der bei Todesstrafe von Niemandem gebrochen werden sollte. Für Reich und Kirche galt sodann als Norm: „Regalien und kaiserliche Rechte verbleiben dem Reiche; kirchliche Rechte, Güter und Einkünfte der Kirche.“ Nach gleichem Grundsatze sollten den Ständen und Individuen ihre Gerechtsame erhalten oder zurückgegeben werden, Beraubten das Geraubte, Enterbten ihr Erbe und jedem Einzelnen wie jeder Klasse wird nach Recht und Gerechtigkeit

 

1) Form. Pac. a. a. O.: De hereditate Palatini Comitis Sifridi sicuti Metis inter ipsum et Dominum Imperatorem definitum fuit, ita permaneat.

2) Ausführlichkeit, Eingehen in das Einzelne wäre uns freilich lieber als das Resume des Chron. Ursp. a. a. O.: Unde, quia multa, quae ibi tunc magnanimiter disposita sunt, enarrare longissimum est, ea tantum, quae etiam maxima causa ejusdem conventus fuerat, hic annotare sufficiat. Mehr bestimmte Punkte der Verhandlungen gibt die mehrmals angeführte Formula, Pacis in Martene Coll. I, p. 673, die nicht blos ein Entwurf, sondern eine kurze Anzeige der vertragenen Punkte zu sein scheint, welche man wahrscheinlich in vielen Abschriften im In- und Auslande versandte. Dem widerstreiten keineswegs die Einigungsworte: Hoc est consilium, in quod convenerunt Principes de controversia inter Dominum Imperatorem et Regnum. Der bescheidene Ausdruck consilium entspricht ganz dem gemäßigten aber doch sehr bestimmten Tone der ganzen Abfassung. Ueber den Geist der Versammlung, über die dem Kaiser geneigte Stimmung der Fürsten gibt Adalbert's Brief an Calixtus, der der Friedensformel vorausgeht, den besten Aufschluß und eine Bestätigung der Worte in Chron. Ursp. und Ann. Saxo a. a. O.

 

 

____

330 Sechster Abschnitt.

 

im Lande das Seine und Ihre zuerkannt. — Vornehmlich wurde gegen Räuber und Diebe nach des Kaisers Verordnungen oder nach altherkömmlichen Gesetzen zu verfahren einstimmig festgestellt und beschlossen, jedes öffentliche Verbrechen, jede Störung der Ordnung in allen Provinzen Deutschlands mit ganzer Strenge zu bestrafen. Wahrhaft vom Geiste des Friedens beseelt muß die Versammlung zu Würzburg genannt werden, da sie den Zweck der Berathung so fest im Auge behielt, daß nicht der Dämon der Zwietracht, der sie lauernd umschlich, nicht des Kaisers herrschsüchtiger Sinn, nicht der Kirche Anmaßung sie abzuziehen oder abzuschrecken vermochten. Sie gibt aber auch ein Zeugniß für den Geist der Zeit, für den hohen Sinn des durchaus selbständigen, mündigen, thatkräftigen Mittelalters, das heutiges Tages so oft nur nach den äußeren Erscheinungen beurtheilt, als roh, voll düsteren Aberglaubens, zügellos und unwissend verschrien wird. Wie klar und sicher man wenigstens seine Gegenwart begriff, wie man das Recht jedes Einzelnen und jedes in sich abgeschlossenen Standes ehrte, wie man die Achtung vor dem Kaiser auch dann nicht aus den Augen setzte, wenn man ihm sehr bestimmt seine Fehltritte nachwies, die Maßregeln seines Thuns und Lassens im Regimente vorschrieb; wie der Gehorsam gegen die Kirche weit davon entfernt war, knechtische Folgeleistung auch deren willkürlichen Foderungen zu beweisen, wie man Freiheit des Einzelnen mit Ordnung und Sicherstellung des Ganzen, Ehrfurcht vor dem Heiligen als der bürgerlichen Gesellschaft Unentbehrlichem mit Einsicht in das Weltliche als das eigentliche Lebenselement, wie man religiöses Gefühl mit dem klaren Bewußtsein über die irdischen Verhältnisse zu vereinen wußte, all Dieses könnte die neuere Zeit zu vielfacher Selbstbelehrung und Selbstbeschämung aus dem Vertrage zu Würzburg entlehnen.

 

Das wichtigste historische Resultat der würzburger Friedensberathung bleibt aber, daß hier die deutschen Fürsten als eine Mittelsmacht zwischen den beiden bisher sich allein geltend machenden Gewalten, Kaiser und Papst, auftraten und durch ihre, von beiden unabhängige Stellung eine wohlthätige Einigung, wie sie bisher unmöglich gewesen, herbeiführten. Unter zweien nach dem Supremat ringenden Häuptern konnte nur Kampf bestehen und doch, da die Streitkräfte auf beiden Seiten stets sich erneuernde und darum unbezwingliche waren, zu keiner dauernden Entscheidung führen. Die nun sich erhebende Mittelsmacht, welche das Ansehen des Kaisers wie den Einfluß des Papstes zwar nicht aufheben, aber nur heilsam einwirken lassen wollte, mahnte beide auf Erhaltung Dessen, was

 

 

____

331 Vertrag zu Würzburg.

 

ihnen Verblieb, zu wachen, um nicht von jener gefährlich bedroht und beschränkt zu werden. Denn schien jetzt auch der Kaiser der von den Reichsfürsten begünstigte und gehobene Theil, so zeigte doch der Vertrag sehr deutlich, daß dies nur geschehen, weil er der gegen den Papst und die Kirche allzusehr im Nachtheil stehende war. Wie weit der Beistand aber ausgedehnt sein sollte, war gleichfalls zu bestimmt ausgedrückt, als daß Heinrich sich Hoffnung machen durfte nach Herstellung des Friedens, nach Einigung im Reiche wieder die unbeschränkte Macht, welche ihm beim Antritt seiner Regierung zu Gebote stand, ausüben zu dürfen. Die Reichsverfassung war geregelt, aber nach einem ganz anderen Grundsatze als unter seinen Vorgängern, namentlich unter seinem Großvater, dessen Maximen von ihm bisher geltend gemacht waren. Auch Calixtus sah sich in Verfolgung seiner Gregorianischen Grundsätze, wo er es am wenigsten erwartet und wo er doch zu trotzen nicht wagen durfte, gehemmt. Unter Heinrich IV. hatten die Fürsten bald einzeln, bald gemeinsam, bald für den Kaiser, bald für den Papst das Schwert gezogen und dadurch der Sache des Einen oder des Anderen den Ausschlag gegeben. Daß sie Kaiser und Papste sich zugleich entgegenstellten und durch festes Zusammentreten Beiden die Waffen entwanden, war der Welt ein neues Schauspiel. — Ruhm verdient die Mäßigung der Friedensstifter, mit der sie für sich selbst weder von Heinrich noch von Calixtus einen anderen Vortheil, als der in ihrer Verbindung lag, foderten. Doch was bedurften sie auch dessen, da Alles in ihrer Hand war? Um wider sie ein Gegengewicht in Deutschland zu erhalten, mußten Papst und Kaiser eine aufrichtige Versöhnung wünschen, indem durch diese der Zweck oder doch der Vorwand jener Fürstenvereinigung wegfiel. Papst und Kaiser kamen bald zu solcher Ueberzeugung. Eine Folge davon war die völlige Umkehrung aller früheren Verhältnisse, die bis auf die Zeiten Friedrich Barbarossa's sich erhielten, der abermals den Kampf wider die Hierarchie aufnahm und seinem ganzen Geschlechte als ein unglückseliges Vermächtniß hinterließ. Wir haben im Verlauf der letzten Regierungsjahre Heinrich's und unter Lothar III. die Umkehrung der früheren politischen Verhältnisse, nicht mehr die Rückkehr des Kampfes zwischen Reich und Kirche zu betrachten.

 

Nachdem die Fürsten zu Würzburg sich noch einmal das Gelöbniß festen Zusammenhaltens gegen alle Uebergriffe des Kaisers wie des Papstes gegeben 1), trennte sich die Versammlung und

 

1) In Bezug auf den Kaiser — denn einen Widerspruch des Papstes scheint man kaum erwartet zu haben — drücken die Schlußworte der Formula pacis das im Text Gesagte deutlich, wenn auch in jenem ehrerbietigen Tone, wovon die ganze Versammlung Zeugniß ablegt, aus: Si autem Dominus Imperator hoc consilium (mit diesem Worte wird im Eingange der Vertrag bezeichnet) praeterierit, principes sicut ad invicem fidem dederunt, ita eam observent.

 

 

____

332 Sechster Abschnitt.

 

brachte Jeder Freude und Friede mit der Verkündigung der gefaßten Beschlüsse in die Heimat. Der Bischof Bruno von Speier und der Abt Erlolf von Fulda, also Männer, die eben nur verschiedenen Parteien angehört hatten, gingen sogleich nach Rom ab, um des Papstes Beistimmung einzuholen. Bischof Otto von Bamberg, Herzog Heinrich von Baiern und Graf Berengar von Sulzbach übernahmen es, die abwesenden bairischen Fürsten von dem würzburger Vertrage in Kenntniß zu setzen. Auf einer Versammlung zu Regensburg (am 1. November) gaben alle freudig ihre Zustimmung 1). Nur ein Mann war voll bitteren Grimmes, daß die Hintertreibung der Aussöhnung zwischen Kaiser und Fürsten ihm fehlgeschlagen war, nicht etwa, weil er des Papstes Vortheil in Betreff der Investitur beeinträchtigt sah — daran war ihm wenig gelegen 2) — sondern weil er sein eigenes Ansehen in Deutschland vernichtet fühlte. Dieser Mann war Adalbert von Mainz. Noch hoffte er — ganz entgegengesetzt wie die Fürsten — daß der Papst die Punkte des Vertrages, welche der Kirche nachtheilig waren, nicht genehmigen und davon ein neuer Zwiespalt die Folge sein werde. Doch bald vernahm er die günstige Aufnahme, welche die deutschen Abgesandten in Rom erfahren, und daß Calixtus nicht ihm, sondern drei Kardinälen die Beilegung des Reichs- und Kirchenschismas übertragen wolle. So beschloß er denn zwischen Kaiser und Fürsten den Saamen der Zwietracht zu säen; und nur zu bald fand sich eine sehr günstige Gelegenheit, Heinrich zu einer Unbesonnenheit zu verleiten, die diesem die Abneigung selbst derjenigen Fürsten, die früher Alles für ihn gethan, zuzog. Ausgangs December starb Erlung von

 

1) Chron. Ursp. und Ann. Saxo a. a. O.: Quos et ad haec omnia voluntarios invenerunt.

2) Adalbert verfocht nur die kirchliche Investitur, weil selten der Papst selber diese zu ertheilen Gelegenheit erhalten würde; er aber als päpstlicher Legat und Primas der deutschen Kirche bei der Weihe der gewählten Geistlichen zugleich die Belehnung mit Ring und Stab auszuüben hoffen durfte. Solius enim consecratoris est dare annulum et baculum, sagt er in einem Schreiben an das halberstädter Kapitel, Martene I, p. 680.

 

 

____

333 Würzburger Handel.

 

Würzburg. Sogleich begab sich Heinrich dorthin 1), um die höchst wichtige Prälatur einem Manne nach seinem Sinne zuzuwenden. Das Wahlkapitel mit Ausnahme des Propstes Otto und des Diakonus Rutger entsprach seinem Wunsche und auch Adalbert schien mit den Freunden des Kaisers einverstanden und verwendete sich für Den, welchen letztere Heinrich empfohlen hatten. Dahinter verbarg aber der Erzbischof einen arglistigen Plan. Die Wahl traf nämlich einen zwar vornehmen, aber noch durch keine Weihe zu einem höheren Kirchenamte berechtigten Jüngling, Grafen Gebhard von Henneberg 2). Lange weigerte sich dieser, der damals noch den Schulstudien oblag, die Würde anzunehmen, bis seine Verwandten, Freunde und Lehrer ihn dazu mit Eifer beredeten. Er begab sich nach Würzburg, wartete aber, ehe er dem Kaiser sich vorstellte, zuverlässige Nachrichten über Adalbert's Gesinnung gegen ihn ab. Schon machten ihm die Seinen, denen vornehmlich an der Erhebung Gebhard's gelegen war, Vorwürfe über seine Zaghaftigkeit; dennoch that er keinen Schritt, als bis am zweiten Tage ihm sichere Nachricht von des Erzbischofs Zustimmung in seine Wahl überbracht wurde 3). Nun erst stellte er sich dem Kaiser vor, wo der eigene Bruder Adalbert's und der Burggraf Arnold von Mainz als Abgesandte aufs Neue jenes volle Genehmigung bekräftigten. Im Beisein des Klerus und des Volkes empfing Gebhard vom Kaiser die Investitur, wurde dann von diesem selber und den anwesenden Fürsten und Geistlichen nach Breidingen begleitet und dem Erzbischofe vorgestellt,

 

1) Chron. Ursp. und Ann. Saxo ad 1122: Erlungus Episcopus Wirciburgensis per quatuor annos elephantino morbo vexatus III. Kalend. Januarii obiit. Ann. Saxo: In natali Innocentum Imperator vacanti cathedrae consulturus illo devenit.

2) Chron. Ursp. a. a. O.: (Imperator) consilio suorum usus quendam adolescentem nomine Gebhardum bene quidem natum, sed adhuc praestudiis scolaribus nulla ecclesisatica promotione mancipatum pontificali investitura sublimavit. Gebhard in einem Briefe, Cod. Udalr. Nr. 333, sagt: (Brunonem Spirensem) et Archiepiscopum Mogontinum cum cognatis et amicis meis et cum quibusdam de familia ejusdem ecclesiae apud Imperatorem obtinuisse, ut in locum defuncti Episcopi me vellet substituere.

3) Cod. Udalr. Nr. 335: Sed antequam ejus (Imperatoris) praesentarer, Archiepiscopi nuntios audire et videre volui. Cum sic per biduum expectassem et interim multa a principibus et cognatis meis convicia propter pusillanimitatem meam audivissem, venit Comes Bertholdus et Cuonradus Sporo, juramentis comprobare volentes Archiepiscopum consensum suum per eos mihi mandasse. Tandem per hos victus praesentiam Imperatoris veni.

 

 

 

____

334 Sechster Abschnitt.

 

der dadurch zwar überrascht sein mochte, jedoch die Weihe bereitwillig zusagte. Kaum aber hatte der Kaiser sich entfernt und Gebhard nach Würzburg begeben, als Adalbert eine neue Wahl veranlaßte, die im Kloster Schwarzach von wenigen Geistlichen des Domkapitels und sonst noch stimmberechtigten Klerikern und Laien, aber unter Mitwirkung des Erzbischofs und mehrer Fürsten veranstaltet wurde und auf Rutger fiel, der schon zu Lebzeiten Erlung's sich zu dem Bisthum Hoffnung gemacht und gewiß den Mainzer Erzbischof gewonnen hatte; denn dieser ertheilte dem Gewählten sogleich die Weihe, ohne die Investirung des Kaisers zuvor nachzusuchen 1).

 

Verstöße und Uebereilungen scheinen bei beiden Wahlen, deren wahrer Vorgang und Zusammenhang schwer zu erkennen sind, vorgefallen und wie der Erzbischof, auch der Kaiser nicht frei von Schuld gewesen zu sein. Unfehlbar hatte aber Adalbert ein unredliches Spiel bei der scheinbaren Billigung, ja bei der Mitwirkung zur Erhebung Gebhardt's gespielt, um Heinrich vor dem Papste und vor den Fürsten eines gesetzwidrigen, eigenmächtigen Verfahrens schuldig erscheinen zu lassen und so neue Fehden und Zerwürfnisse in Deutschland zu veranlassen. In und um Würzburg erhoben sich diese sogleich, da der alte Parteihaß in der zwiespältigen Wahl neue Nahrung erhielt. Nicht gleichgültig konnte dem der Kaiser zusehen; und natürlich vertheidigte er seinen Gewählten und Investirten 2). Adalbert hatte aber bereits viele Fürsten für Rutger gewonnen und die eigenen Neffen Heinrich's, Friedrich und Konrad, verließen den Oheim, als er gewaltsam in die würzburger Verhältnisse eingreifen und seinen Willen zum Gesetze machen wollte; ja sie nahmen sogar an einer Versammlung Theil, welche bald danach Adalbert, die päpstlichen Gesandten, die nach Deutschland gekommen, und mehre sächsische Fürsten an der Werra hielten, und genehmigten, daß die Legaten Calixtus' die Wahl Rutger's durch Belehnung mit Ring und Stab

 

1) Chron. Ursp. a. a. O. sagt zwar: Non modica quidem et saniori parte cleri ac populi id ipsum renuente, alterum autem nomine Rokkerum ejusdem ecclesiae Diaconum ibi nutritum atque Canonicum canonice eligente. Hören wir aber auch Gebhard: Redii de ordinatione securus et cum nihil mali suspicarer grave praejudicium Archiepiscopus mihi fecit, quoniam alterum mihi superordinarit. Auch Ussermann Episcop Wirceb. Num. 25, p. 60 hat das Dunkel, welches über dem Ereigniß ruht, nicht heben können.

2) Chron. Ursp. a. a. O.: Hinc dissensiones non parvae oriuntur in tantum, ut eidem parti (Rokkeri) faventes, relictis, quae possidebant in civitate, cogerentur offensam Imperatoris declinare.

 

 

 

____

335 Friedliche Stimmung des Papstes.

 

als die alleingültige bestätigten 1). Ihren Schützling brachte dies freilich noch nicht in Besitz des Bisthums Würzburg, welches Gebhard mit Hülfe seiner Verwandten und Anhänger zum größten Theile inne behielt.

 

Wichtigere Ereignisse, die den Kaiser, das Reich und die Kirche in Anspruch nahmen, ließen indeß die würzburger Handel in den Hintergrund treten, wirkten aber mittelbar auch auf diese ein. Es waren bereits die Abgesandten der würzburger Friedensversammlung an den Papst im Ablaufe des Jahres 1121 nach Deutschland zurückgekehrt und mit ihnen drei Kardinäle, die Calixtus mit Beilegung des Reichs- und Kirchenschismas beauftragt hatte. Auch brachten sie Schreiben an Heinrich mit, deren Abfassung hinlänglich beweist, daß der Papst wol einsah, daß eine Ausgleichung mit dem Kaiser jetzt auch für ihn vortheilhaft sei, um nicht seinen Einfluß auf Deutschland ganz zu verlieren. Denn wenn er noch lange den Wünschen der Reichsfürsten Gehör zu geben und den Investiturstreit nach ihrer Entscheidung beizulegen sich geweigert hatte, so konnte leicht Heinrich die ihm günstige Stimmung der weltlichen Fürsten benutzen, um die geistlichen, besonders den ihm neuerdings verhaßt gewordenen Adalbert von Mainz in ihre frühere Unbedeutendheit zurückzudrängen und von jedem Einfluß auf Staatsangelegenheiten fern zu halten. Diese durften jetzt nicht mehr ohne den Kaiser hinter seinem Rücken oder in offener Widersetzlichkeit von den Fürsten insgesammt oder denen einer Partei berathen werden. Die Geistlichen waren hiedurch gezwungen, wenn sie nicht ausgeschlossen bleiben sollten, die Gemeinschaft mit dem noch im Banne liegenden Kaiser mehr zu suchen als zu vermeiden. Was nützte nun also noch der Bann? Welche Gewalt hatte die Kirche noch, wenn nicht eine Sanktion, eine feste Bestimmung für die ihr zustehenden Rechte eintrat? Dies zu beschleunigen und zugleich soviel als möglich der Kirche zu erhalten, war eine Aufgabe, der nur die gewandtesten und angesehensten Manner der römischen Kurie gewachsen schienen

 

1) Chron. Ursp. a. a. O.: Ducem quoque Fridericum fratremque Conradum electioni eidem dum frustra consentiunt, indignatos ab Imperatore avunculo suo discedere, qui tamen non multo post cum Metropolitano Mogontino Adalberto nonnullisque Saxoniae principibus colloquium juxta fluvium Wirraha facientes praedictum Rokkerum contra voluntatem Imperatoris per auctoritatem Archiepiscopi Adalberti caeterorumque Legatorum Papae, qui nuper a Roma venerant praesulatus electione et investitura confirmabant.

 

 

 

____

336 Sechster Abschnitt.

 

und wozu der Papst selber jedes Mittel aufbieten mußte. In eigener Person aber nach Deutschland zu kommen, wie die würzburger Versammlung gewünscht und wozu früher die päpstlichen Legaten Hoffnung gemacht, wäre jetzt bei dem wiedererlangten Ansehen des Kaisers bedenklich und, da Calixtus in jedem Falle seine Foderungen herabstimmen mußte, demüthigend für den Papst gewesen. Durch geschickte Unterhändler die Fürsten zu bearbeiten und durch Schreiben — mit aller Mäßigung abgefaßt, ohne dabei der Würde des apostolischen Stuhles etwas zu vergeben — mit dem Kaiser sich zu verständigen, schien das Beste. Zu Legaten wählte er den Bischof Lambert von Ostia, die Kardinäle Gregor von St. Angelo und Saxo von St.-Stephanus und beantwortete Heinrich's nur mündlich überbrachte Friedensanträge schriftlich mit großer Bereitwilligkeit zu den in Würzburg gemachten Anträgen 1). Da Heinrich Alles weislich vermieden, was irgend Beleidigung oder Argwohn scheinen konnte, weder an Calixtus' einseitiger Wahl, obwol sie nur von einem Theile der Kardinäle und ohne kaiserliche Genehmigung vollzogen war, Anstoß genommen, noch seines eigenen Papstes, Gregor's VIII., wie es dessen trauriges Schicksal wol verdient hätte, Erwähnung gethan und somit stillschweigend die Unabhängigkeit der Papstwahl, die er gegen Gelasius II. noch bekämpfte, eingestanden hatte, so konnte Calixtus im Punkte der Investitur um so eher nachgeben, da er einmal hiedurch viel weniger dem Kaiser einräumte, als dieser ihm, sodann auch sich das Ansehen

 

1) Das später anzuführende Schreiben Calixtus' II. vom 19. Februar 1122 beweist, daß schon vorher Briefe zwischen ihm und dem Kaiser gewechselt waren. Durch den Bischof von Speier und Abt von Fulda hatte Heinrich nur mündliche Anträge machen, aber seine Bereitwilligkeit zum Frieden ausdrücken lassen. Das sagt Lambert von Ostia in seinem späteren Einladungsschreiben an den Kaiser. Cod. Udalr. Nr. 332: Nuntii magnitudinis vestrae Apostolicam sedem nuper adverterunt, dicentes pacis et concordiae inter regnum et sacerdotium jam tandem excellentiae vestrae consilium placuisse, si tamen salva majestate imperii et absque diminutione regni fieri potuisset Daß die Legaten Briefe des Papstes mitbrachten, erwähnt Pand. Pisan., Muratori III, p. 419: Lambertum Ostiensem Episcopum Dominum Saxonem Cardinalem Presbyterum sancti Stephani in Coelio Monte et Gregorium Diaconum sancti Angeli, ut pacem pacis filiis in regno et ecclesia reformaret ad Henricum Imperatorem in Allemanniam delegavit. — Legati missi in scriptis pacem offerunt. Darauf mochte denn auch Heinrich an Calixtus schreiben, und dieser den fast freundschaftlichen Brief vom 19. Februar an ihn richten.

 

 

____

337 Friedliche Stimmung des Papstes.

 

geben konnte, als gehe ihm der Friede im Reiche über jeden äußeren Vortheil, den er sonst gefodert habe 1).

 

Schon im Anfange des Jahres 1122 scheinen beide Männer einander so nahe gerückt zu sein, daß in ihren Briefen fast ein freundschaftlicher Ton herrschte. Von der eigentlichen Streitfrage war kaum mehr die Rede, man gestand sich Gerechtsame der Kirche und des Reiches zu, die man wechselsweise ehren wolle, damit Die, welche Allen gerecht sein sollen, einander nicht beeinträchtigen. So wenig eigennützig zeigte sich der Papst, daß er die Kirche eine Mutter nannte, die Allen unentgeltlich diene und nichts als Friede, Eintracht und Liebe begehre. Er legte Heinrich die Titel König und Kaiser bei, ja er erinnerte ihn, wie sie nicht nur als die Häupter der Christenheit, sondern auch als nahe Blutsverwandte sich zu ehren und zu lieben Ursache hätten 2). Selbst der fatale Vorfall bei der würzburger Bischofswahl störte das gute Vernehmen beider Männer nicht, wie Adalbert von Mainz sich Hoffnung gemacht und deshalb dem Papste die Sache in sehr gehässigem Lichte darzustellen versucht hatte. Vielmehr scheint die Rechtfertigung Gebhard's von Calixtus besser aufgenommen zu sein als des Erzbischofs Bericht. Während er diesem sein übereiltes Verfahren zwar in höflichen, doch ganz bestimmten Ausdrücken vorwarf 3), versprach er jenem, den Kardinal Kuno von Präneste nach Deutschland senden zu wollen, um die Angelegenheit

 

1) Dies muß er auch an Adalbert von Mainz geschrieben haben, denn dieser sagt in einer späteren Antwort, Martene I, p. 671: Per litteras et nuntios vestros cognovimus circa haec maxime semper versari vestrae pietatis desiderium, ut apostolica dispensatione vestris potissimum diebus pax et concordia descenderent in universum mundum.

2) S. Neugart, Cod. diplom. Alem. Tom II, p. 150. Aus dem Datum erhellt, daß dieses Schreiben nicht das von den Legaten mitgebrachte war. Wenn die Ankunft der Legaten zu setzen, ergibt sich aus Chron. Ursp.: Ipso etenim tempore (der zwistigen Wahl in Würzburg) Episcopus Spirensis et Abbas Fuldensis legatione totius regni apud sedem Apostolicam peracta redierunt, ducentes secum Ostiensem Episcopum vicem Domini Apostolici per omnia tenentem cum duobus Cardinalibus. Diese müssen aber schon vor Erlung's Tode in Deutschland angekommen sein, da Gebhard in seinem Berichte in Betreff Bruno's von Speier sagt: se jussu Spirensis Episcopi Brunonis venisse, ex cujus legatione mihi referebant, Herbipolensem Episcopum universae carnis viam adiisse.

3) Cod. Udalr. Nro. 330: Scimus quidem, zelum Dei vos habere, quem tamen salva caritate condire debetis, ut nihil indiscrete, sed omnia rationabiliter et secundum Deum agere valeatis. Dann führt er die begangenen Fehler bei seinem Verfahren gegen Gebhard ihm vor, namentlich, daß er diesen vor der gesetzlichen Frist, in der er sich vertheidigen dürfe, verworfen und die Untersuchung gegen ihn mangelhaft geführt.

I. 22

 

 

 

____

338 Sechster Abschnitt.

 

des Würzburger Kapitels genau zu untersuchen und nach den Kirchensatzungen zu entscheiden 1). Auch Heinrich zeigte seinerseits in derselben Angelegenheit viel Mäßigung. Anstatt für Gebhard, dessen Wahl er veranlassen helfen und dem er seinen Beistand schuldig war, entscheidende Schritte zu thun, schien er es mit ihm wie mit Gregor VIII. machen zu wollen. Gebhard sollte mit eigenen Kräften wider Rutger und dessen Anhänger sich vertheidigen oder seine Sache durch Zeugen und Beweisgründe vor Kuno von Praneste, Adalbert und andern Geistlichen führen; selbst auf Reichstagen, wo Jener ihn und die Fürsten anging, überwies er diesen, die Sache zu berathen und zu entscheiden; endlich opferte er, wie es scheint, seinen Schützling dessen Nebenbuhler Rutger auf, der allerdings der Würdigere und der Geeignetere für ein so wichtiges Amt sein mochte. Wie der Papst selber zeigten auch seine Legaten gegen den Kaiser Nachgiebigkeit und wahren Eifer für den Frieden; die würzburger Angelegenheit ließen sie nach einigen Versuchen zu Gunsten Rutger's, die sie mehr von Adalbert überredet oder von Gebhard's Partei gereizt 2), als aus eigenem Antriebe gemacht zu haben scheinen, gleichwie der Kaiser auf sich beruhen. Dagegen versprachen sie Alles, was der gemeinsame Vortheil für Kirche und Reich erheischte, nicht weiter hinauszuschieben 3). Immer aber blieb die Investitur, worauf Kaiser und Fürsten bestanden, ein Punkt, über den die Legaten, aus Furcht, sich den Tadel des Papstes und der ganzen Kirche zuzuziehen, mit jenen sich nicht einigen konnten. Da half die Schlauheit Adalbert's, der sich scheinbar mit großem Eifer der Friedensvermittlung angenommen hatte, den päpstlichen Gesandten heraus. Er machte den Vorschlag, anstatt der Investitur dem Kaiser

 

1) Cod. Udalr. Nro. 330: Wirzeburgensis designatus Episcopus se a vobis contra justitiam gravari et praejudicium sustinere querelas nobis deposuit. Und Gebhard selbst Cod. Udalr. Nro. 335: Quaerimonias nostras Apostolicae sedis venerando pontifici Calixto et Romanae ecclesiae transmisimus, de cujus latere cum ad hanc causam discutiendam missus fuisset Praenestinus Episcopus.

2) Erstens in der Versammlung an der Werra, Letzteres bei einem Ausfall der Gebhard'schen Partei, wovon später.

3) Adalbert an Calixtus, Martene I, p. 672: Accepta dominis et patribus nostris Cardinalibus, qui in id ipsum de latere vestro ad nos missi sunt, totius consilii et ingenii nostri vires in hoc contraximus, ut tam generale bonum ad communem ecclesiae et regni utilitatem non differetur ulterius.

 

 

 

____

339 Verhandlungen in Betreff der Investitur.

 

zu bewilligen, „daß in seiner Gegenwart die Wahl der Bischöfe und Aebte geschehen solle“. Der Kaiser mochte zur Annahme des also modificirten Artikels geneigt gewesen sein, in der Erwartung, wenn die Wahl der Geistlichen in seinen Händen sei, auf die Besetzung aller Bisthümer und Abteien im Reiche durch jenen ersten Akt den größten, ja den alleinigen Einfluß sich vorzubehalten; und da es bei der Investitur sich jetzt nur darum handelte, ob er oder der Papst die Insignien Ring und Stab überreiche — denn die päpstliche Belehnung mit dem Kirchenlehen wollten die deutschen Fürsten ganz und gar nicht zugestehen — so war der Kaiser wie vormals darin nicht schwierig, und die Fürsten konnten, wenn er darein willigte, daß der Papst solche Investitur übe, nicht Einspruch thun. Aber Adalbert's Vorschlag ging keineswegs dahin, dem Kaiser bei der Wahl großen Einfluß zu gestatten. Jener Satz: „die Wahl geschehe in des Kaisers Gegenwart“ sollte ganz unerörtert bleiben, damit nachher demselben jede Deutung gegeben werden könne, die dem Papste und der römischen Kurie genehm schiene 1). Diese Verhandlungen wurden wahrscheinlich nur durch Mittelspersonen mit dem Kaiser und durch Privatzusammenkünfte mit einigen Fürsten geführt, um erst wechselsweise Gesinnungen und Foderungen zu erforschen und zu prüfen. Adalbert mochte anfangs wol die Gesandten mit der Aussicht hingehalten haben, daß die Fürsten sich von Heinrich trennen und der Kirche Manches einräumen würden, was sie zu Würzburg als Recht des Reiches erklärt. Darum wollten die Legaten eine geraume Zeit keine entscheidenden, fördernden, annähernden Schritte thun und ließen Adalbert gewähren. Die Zusammenkunft an der Werra mit einigen sächsischen Fürsten und den Hohenstaufischen Brüdern, der auch die päpstlichen Bevollmächtigten

 

1) Adalbert im angeführten Schreiben an Calixtus fährt fort: Quia tam imperium quam imperator tamquam hereditario quodam jure baculum et annulum (man sieht, es ist nur von einer Formalität die Rede. Die Fürsten waren also noch hartnäckiger als der Kaiser zu Straßburg, sie wollten nicht einmal die Ueberreichung von Ring und Stab der Kirche bewilligen; an die Kirchenlehen durfte der Papst gar nicht mehr denken.) possidere volebant- - nullo modo potuimus his Imperatorem exuere donec communi quoque consilio cum his, qui aderant, fratribus et dominis Cardinalibus — omnes pariter sustinuimus, quod in ipsius (Imperatoris) praesentia ecclesiae debent electionem facere, ninil in hoc statuentes, nec per hoc in aliquo, quod absit, apostolicis institutis et canonicis traditionibus praejudicantes, sed totum vestrae praesentiae et vestrae deliberationi reservantes.

22*

 

 

____

340 Sechster Abschnitt.

 

beiwohnten, die Anerkennung Rutger's, als des einzig rechtmäßigen Bischofs von Würzburg 1), verrathen sehr deutlich, daß der mainzer Erzbischof die alte Zwietracht im Reiche hervorzurufen bemüht war, und da es ihm gelungen, die früher ergebensten Anhänger und nächsten Verwandten des Kaisers zu gewinnen, so hoffte er andere Fürsten noch leichter zum Abfall bewegen zu können. Doch er betrog dabei sich und die Kardinäle. Die Fürsten vergaßen des gegebenen Eidschwures nicht und noch weniger des Vortheils, den sie durch ihre Verbindung erlangt hatten. Mochten viele auch des Kaisers Verfahren bei Besetzung des würzburger Bischofsstuhles tadeln; mochte bei den Neffen einiger Unmuth, daß ihr Oheim das Herzogthum Franken ihrem Hause entzogen, noch besondere Veranlassung zu ihrem Benehmen gegen Heinrich geben und zu einem engern Anschluß an dessen unermüdlichen Widersacher verleiten; Feindseliges gegen den Kaiser oder wider die Reichsehre Streitendes, zu dessen Vermeidung sie sich eng aneinander geschlossen, unternahm Keiner. Da durfte auch Lambert von Ostia, den der Papst ganz als seinen eigenen Stellvertreter nach Deutschland gesandt, nicht seumig sein und nicht vergessen, daß er und seine Mitbevollmächtigten, um Eintracht zwischen Kirche und Reich zu vermitteln, nicht den Samen der Zwietracht in Deutschland zu säen gekommen seien 2). Auch sah er deutlich, daß, wenn die Fürsten fest auf Erfüllung des würzburger Friedensvertrages von Seiten des Papstes wie des Kaisers bestanden, jede Verzögerung eines abzuschließenden Concordats nur der Kirche Nachtheil, dem Kaiser mehr Gewinn brächte. Wie Vieles diesem jetzt zu thun erlaubt sei, was bisher eine entgegenstehende

 

1) Chron. Ursp. sagt ausdrücklich: Contra voluntatem Imperatoris per auctoritatem Archiepiscopi Adalberti ceterorumque Legatorum Papae. Daß diese, die mit ganzer Vollmacht versehen waren, bei aller Bereitwilligkeit und erhaltenen Erlaubniß, mit dem Kaiser sich zu vergleichen, dennoch nicht mehr thun wollten, als durchaus nothwendig war, daß sie die neuen Mishelligkeiten zwischen Kaiser und Fürsten benutzten, um Vortheile für die Kirche zu ziehen, daß sie also den ränkevollen Plänen Adalbert's anfangs sich geneigt zeigten, ist sehr begreiflich. Erst als diese scheiterten, übernahmen sie geschickt die Rolle der Vermittler und Friedensstifter.

2) Chron. Ursp. bestätigt, was vorher aus Pandulfus Pisan. über den Zweck der päpstlichen Gesandtschaft angeführt worden. Obgleich sie einen gegen den Kaiser veranstalteten Akt in der Versammlung an der Werra begünstigt hatten, heißt es dennoch von ihnen: qui nihilominus a sede S. Petri ob reconciliationem regni et sacerdotii missi fuerant.

 

 

 

____

341 Schisma der Würzburger Diocese.

 

Partei verwehrt hatte, wie wenig er den Bann und jeden Widerspruch der Kirche zu scheuen habe, so lange die vereinten Reichsstände ihn dagegen in Schutz nahmen, entging den päpstlichen Legaten länger nicht. War doch nur an dem Hasse und den Ränken Adalbert's gescheitert, daß Heinrich in einem der ersten Bisthümer Deutschlands einen Mann einsetzte, dem jede kanonische Berechtigung zu solchem Amte fehlte. Welche neue Eingriffe und Verletzungen mußte die Kirche von einem Kaiser befürchten, der nichts unangetastet ließ, als was die Notwendigkeit ihm zum Gesetze machte, der das ehrerbietige Benehmen der Fürsten, die versöhnliche Sprache der päpstlichen Bevollmächtigten gegen ihn nur schlau benutzte, um augenblicklich sein kaiserliches Ansehen, seinen Stolz, seine Herrschsucht frei walten zu lassen! Bald sollten Jene erkennen, daß ohne ihn in Reichs- und Kirchensachen nichts vorgenommen, nichts ausgemacht werden könne. Auf den 29. Juni war eine allgemeine Reichsversammlung nach Würzburg ausgeschrieben 1). Von allen Seiten begannen die Fürsten mit starkem Gefolge von Rittern und Reisigen heranzuziehen; da ließ der Kaiser ihnen vermelden, daß er nicht erscheinen könne, angeblich, weil ihn nöthige Geschäfte am Rhein fesselten. Ob wahr oder falsch dieser Vorwand, ob es ein dringenderes, wichtigeres Geschäft als das, welches man in Würzburg auszumachen hatte, gebe, durfte man nicht untersuchen; Alle mußten erkennen, daß ohne den Kaiser keine Berathung, keine Reichsversammlung mehr stattfinden könne. Schon waren die bereits vor Würzburg Angekommenen Willens, heimwärts zu kehren 2), da rief das Schisma in der

 

1) Chron. Ursp. und Ann. Saxo fügen zu den in voriger Note angeführten Worten: Hac de causa iterum colloquium generale per provincias indictum est Wirceburg in festo Sancti Petri. Würzburg war sehr passend gewählt, um da, wo im vorigen Jahre die Friedensversammlung stattgefunden, auch den Streit zwischen Kaiser und Papst vollends zu beenden; man möchte fast vermuthen, daß schon damals (1121) diese neue Zusammenkunft (1122) angeordnet sei. Ihr blos als Zweck die streitige Bischofswahl beizulegen, wie Stenzel I, S. 703 und Luden IX. S. 522 thun (indem hac de causa zwar auch diese Deutung zulassen, da vorher von den würzburger Händeln gleichfalls, doch zunächst von der reconciliatio regni et sacerdotii die Rede ist), scheint mir weder aus dem Zusammenhange der Stelle nothwendig, noch dazu ein generale colloquium per provincias indictum erforderlich. Die blutigen Auftritte, welche in dem Schisma zu Würzburg ihre genügende Aufklärung erhalten, beweisen nicht, daß um jenes Schisma willen die Reichsversammlung berufen worden.

2) Chron. Ursp. a. a. O.: Ubi nuntiis veracibus Dominum Imperatorem illo minime venturum, utpote circa Rhenum aliis irretitum negotiis didicerant, unusquisque in sua redire disponebant. Viele waren gewiß noch gar nicht erschienen; bei der Nähe von Mainz konnte Adalbert einer der ersten und nahe vor Würzburg lagernden sein.

 

 

 

____

342 Sechster Abschnitt.

 

würzburger Diöcese die zum Frieden Berufenen zum Waffenkampfe. Gebhard mochte in dem Absagegebot des Kaisers eine feindselige Spannung zwischen dem Reichsoberhaupte und den Reichsgliedern, die bis dahin vor der Stadt sich eingefunden, vermuthen. Da seine eigenen Widersacher unter Letzteren sich befanden, so hielt er die Gelegenheit für günstig, sich an diesen zu rächen, und fand auch einen Vorwand dazu, weil entweder Jene selbst bei ihrem Einrücken in Franken nicht die beste Mannszucht gehalten hatten, oder doch ihre Annäherung von seinem Nebenbuhler Rutger und dessen Anhängern zu feindseligen Verheerungen in der würzburger Diöcese benutzt worden war 1). Mit den Dienstmannen seines Stiftes und unterstützt von seinem Anhange unter den Bürgern, brach er an einem Nachmittage aus der Stadt hervor, um die Scharen seiner Gegner, die nur eine Stunde davon ihr Lager aufgeschlagen, zu überfallen 2). Aber Jene, von dem Lärm der Heranstürmenden nicht, wie es deren Absicht war, in panischen Schrecken und Verwirrung gebracht, sondern zu mannhafter Vertheidigung gemahnt, leisten hartnäckigen Widerstand; ein blutiger Kampf beginnt und wird bis zum Abend mit großer Erbitterung von beiden Theilen unterhalten, worauf die Einen in die Mauern der Stadt, die Andern in ihr Lager sich zurückziehen, kein Heer ohne Verlust an vielen Todten und Gefangenen. Adalbert von Mainz — denn auf diesen hatte Gebhard es vornehmlich abgesehn 3) — schnaubte Rache und suchte am andern

 

1) Nur Ersteres sagt Chron. Ursp. und zwar vom Heranzuge einiger Fürsten non sine damno orientalis Franciae. Daß Rutger und seine Anhänger solches benutzten, ist klar; sie erscheinen auch im Ausgange des Kampfes und behaupten sich am Neckar.

2) Chron. Ursp. a. a. O.: Interim Gebhardus foederatis sibi jam firmiter urbanis intra muros coviosa cum turba dum residet, quadam die post meridiem assumpta de his, qui secum erant, manu valida quosdam, qui jam uno pene milliario ab urbe castra posuerant, nil mali suspicantes invadere tentavit, et quia hostes regni reputans sive turpiter pellere sive incautos sternere proposuit.

3) Dies wird aus Chron. Ursp., auch, ohne daß der Verfasser es ausdrücklich sagt, klar. Man höre nur den Ausgang des Vorfalles: Hinc efferati Principes ad civitatem unanimiter convertuntur, Rokkerum, intronizare contendentes, verum id non sine sanguine fieri posse perpendentes ad monasterium Svarzaha divertunt ibique illum coram omni concilio tam metropolitanus Adalbertus quam ceteri legati Romani praesulem urbis Wirceburg consecrantes ad propria se quisque convertunt.

 

 

 

____

343 Adalbert vermehrt seine Macht.

 

Tage die Fürsten, welche noch vor Würzburg lagen, zu einem gemeinsamen Sturme gegen die Stadt zu bewegen, um Rutger auf den bischöflichen Stuhl zu setzen. Aber da dies bei der Festigkeit der Mauern schwer und jedenfalls nicht ohne großes Blutvergießen auszuführen war, so mahnten die Besonneneren von dem Unternehmen ab. Adalbert wollte, daß wenigstens Etwas geschehe. Man begab sich nach dem Kloster Schwarzach, wo Rutger noch immer seinen Sitz hatte; Adalbert nebst den päpstlichen Legaten vollzog die Weihe an seinem Schützling, ohne ihm jedoch mehr als den unbedeutenden Theil des Bisthums, der an den Neckarufern herumlag, zuwenden zu können. Würzburg und dessen Territorium mußten sie Gebhard lassen und so ohne großen Erfolg heimwärts ziehen. Mit Recht mußte Adalbert fürchten, daß der Kaiser ihm wegen dieser Vorfälle heftig zürnen, ja ihn zur Rechenschaft ziehen werde, weil der Erzbischof, der den würzburger Vertrag mit beschworen, den Hauptartikel desselben verletzt habe, wonach unter Androhung der Todesstrafe jeder Friedensbruch untersagt sei. — Adalbert war aber nicht gesonnen, vor Kaiser und Reich sich schuldig zu bekennen, Genugthuung oder gar seinen Kopf herzugeben. Er baute auf den Beistand der päpstlichen Legaten und seine weltliche Macht. Diese zu vermehren und zugleich gegen Würzburg und Franken, woher er zunächst einen Angriff fürchtete, sich zu sichern, stellte er die sehr alte, mehre Generationen in Ruinen dastehende Veste Aschaffenburg wieder her 1). Dieses dreiste Unterfangen sah nun aber vollends Heinrich als eine Beleidigung wider ihn und den Staat an und hätte eine allgemeine Heerfahrt gegen den Erzbischof angesagt, wenn nicht die päpstlichen Legaten dazwischen getreten wären. Auch diese hatten wegen ihrer Theilnahme an den Vorfällen bei Würzburg, an der Weihung Rutger's zu Schwarzach dem Kaiser eine Genugthuung zu geben, falls sie nicht ganz wider den Zweck ihrer Sendung den auflodernden Kriegsbrand in Deutschland schüren helfen wollten. Dies wäre aber um so unkluger gewesen, als ohne

 

1) Interea Adalbertus Archipraesul ab indignatione Imperatoris undique sibimet prospiciens castrum antiquum et jam per multas generationes funditus dirutum, quod vel a rivo alluente Ascafa sive ut quidam volunt, ab Ascanio conditore Ascenburg dicitur, miro conatu coepit munire. Dies schreibt aus Chron. Ursp. der Ann. Saxo nach.

 

 

 

____

344 Sechster Abschnitt.

 

Zweifel Adalbert's Verfahren durchaus nicht zu rechtfertigen war, außer den wenigen Fürsten, die mit ihm vor Würzburg eines gleichen Vergehens sich schuldig gemacht, keiner ihm beitrat, viele aber für den Kaiser standen, der in einem solchen Falle den ewigen Widersacher noch schwärzer, als er war, zu malen nicht verabsäumte. Indem nun die Gesandten mit allem Ernst und Eifer das Wort des Friedens redeten, gaben sie dem Kaiser die ihrerseits schuldige Genugthuung 1). — Scheinbar mochte sich Heinrich noch weigern, in der That konnte er keinen günstigeren Zeitpunkt finden, mit der Kirche den Frieden, den er selbst wünschen mußte, abzuschließen. Vieles war für ihn günstig. Der ihm gehässige Adalbert eines offenbaren Vergehens schuldig, die Fürsten, die daran keinen Theil genommen, ihm dem Kaiser, der sie vorher durch die willkürliche Erhebung Gebhard's misvergnügt von sich abgewendet, wieder geneigt, die päpstlichen Legaten aufrichtig und aus eigenem Interesse den Frieden wünschend, der Papst und die Kirche der Aussöhnung mit dem Kaiser bedürftig; Heinrich selbst konnte noch den Großmüthigen und Nachgiebigen spielen.

 

Lambert von Ostia, der die Stelle des Papstes ganz vertreten sollte, schrieb nach Mainz, wo er mit den beiden Kardinälen Gregor und Saxo verweilte, eine große Kirchenversammlung auf den 8. September 2) aus, zu der er den Kaiser in den ehrerbietigsten Ausdrücken einlud und ihm versicherte, daß daselbst nichts gegen ihn, sondern nur Alles für ihn, jedoch mit Beachtung der Gerechtigkeit, verhandelt, und daß der Ehre des Reiches kein Abbruch, vielmehr ein Zuwachs zu Theil werden solle 3). Nicht blos an die deutschen Geistlichen und Laienfürsten, auch an die französischen erging eine dringende Auffoderung, diese Kirchenversammlung nicht zu verabsäumen, um mit ihrem Beistande endlich den langen Zwiespalt zwischen Kirche

 

1) Chron. Ursp. a. a. O.: At benignus et amator Jesus per industriam servorum suorum sedis Apostolicae Legatorum, qui tunc Mogontiae morabantur, immo per habitantem in eis spiritum suum spiritum principum paci contrarium (d. h. doch wol wider den Kaiser, sonst würde es den Legaten als kein Verdienst anzurechnen sein, daß sie die Fürsten friedlich gestimmt) auferre caritatemque in eorum cordibus diffundere coepit.

2) Cod. Udalr. Nro. 304, 331 und 332: Ad sanctum et universale concilium in natalem S. Mariae Moguntiae celebrandum.

3) Cod Udalr. Nro. 332: Illud autem scitote, nihil ibi contra vos sed pro vobis omnia, salva tamen justitia nos agere velle, neque id intendere, ut honor imperii vestri aliquod detrimentum patiatur, sed per omnia augeatur.

 

 

 

____

345 Kirchenversammlung zu Worms.

 

und Reich zu heben und den Zustand der Kirche, wie weit er festzuhalten, wie weit zu verändern nothwendig sei, zu berathen 1). Durch eine besonders freundliche Einladung ehrten Lambert und seine Kollegen den würdigen Otto von Bamberg, der bei aller scheinbaren Zurückgezogenheit von den öffentlichen Angelegenheiten und neben seinem höhern Berufe, der Heidenbekehrung im Lande der Slaven, für das Wohl des Vaterlandes ein warmes, aufrichtiges, ganz uneigennütziges Interesse hegte und in allen Kriegsnöthen, Parteiungen und Spaltungen sich eine freie, ehrenvolle Stellung erhielt. „Weil wir Euch für den Schutz der Kirchenfreiheit“, so schrieben die Legaten, „besonders thätig und eifrig kennen, ja wenn in Hinsicht auf Frieden und Rückkehr der Ordnung Gottes Gnade sich uns zuwenden will, so begehren wir Euch, gleichsam den vornehmlichen Sohn der Kirche und geliebten Bruder in Christo, zum Theilnehmer bei dem Werke des Friedens und der Tröstung zu haben 2).“

 

Dem Kaiser mochte der gewählte Ort nicht anstehen, weil er der Sitz Adalbert's, ihm aber durch Abfall und Ungehorsam verhaßt war, und es sich mehr geziemte, daß der Erzbischof nebst den päpstlichen Bevollmächtigten zu ihm, als daß er zu ihnen käme. Auch wollte er, da die Streitfrage nur Deutschland angehe, die Entscheidung solle nur von deutschen Fürsten und Geistlichen ausgehen. Darum hielt er für schicklicher, das ganz freie, unabhängige Worms, das noch seinem Bischofe nicht wiedergegeben war, zum Versammlungsorte zu wählen und die westlichen Nachbarn von dem Concil auszuschließen 3). Lambert mußte in beiden Punkten, so viele Vortheile für Papst und Kirche dadurch auch eingebüßt wurden, dem Kaiser willfahren, und bis Mitte September die Kirchenversammlung

 

1) Cod. Udalr. Nro. 331. Im Eingange werden die geistlichen und weltlichen Herren nach ihrem Range aufgezählt. Dann später noch einmal: Vobis igitur omnibus Galliarum Archiepiscopis, Abbatibus, Monachis, Clericis praecipue in sacris scripturis eruditis, et omnibus Principibus in verbo Domini ex auctoritate sancti Petri et ejus vicarii significamus et praecipimus, ut quicunque adesse possitis etc., - - quatenus ibi de pace et concordia inter regnum et sacerdotium et de statu ecclesiae, quae Deo placita sunt, communi consilio tractare valeamus.

2) S. Cod. Udalr. Nro. 304.

3) Es geht wol aus dem Nichterwähnen einer Kirchenversammlung zu Mainz und der nur von deutschen Fürsten und Geistlichen besuchten Reichsversammlung zu Worms hervor, daß die im Texte angeführte Veränderung vorgenommen und zwar auf des Kaisers Wunsch und Begehren geschehen sei.

 

 

 

____

346 Sechster Abschnitt.

 

aussetzen, wo dann aber die Stände des Reiches, welche zur Theilnahme berechtigt waren, in so zahlreicher Menge vor den Thoren von Worms eintrafen, daß die Stadt aus Mangel an Raum sie nicht beherbergen konnte, sondern die Scharen des Gefolges und die minder Berechtigten in den Ebenen längs dem Rheine sich lagerten, und wol nur die Reichsprälaten und vornehmsten Reichsfürsten sich zur Berathung mit dem Kaiser und den pästlichen Legaten innerhalb der Ringmauern einfanden.

 

Länger als eine Woche wurde berathen, und mit allem Eifer, mit Aufbietung alles Scharfsinnes, aber auch mit Besonnenheit und würdiger Ruhe, ohne auf Nebendinge sich einzulassen, ohne neue Foderungen zu erheben und eigensinnig oder anmaßlich darauf zu bestehen, brachte man folgende drei Hauptfragen zur Entscheidung: 1) wie die Wahl, 2) von wem die Belehnung und 3) wann die Weihe der Bischöfe und Aebte zu vollziehen sei. Also wurden die drei Punkte erledigt: Die Wahl der Bischöfe und Aebte sollte im ganzen Reiche nach kanonischem Rechte, in Deutschland auch in Gegenwart des Kaisers, jedoch ohne Simonie und Zwang, abgehalten werden. Entstände hier unter den Wählern ein Zwiespalt, so stehe dem Kaiser zu, der Partei, die nach Rath und Gutachten des Erzbischofs und der Bischöfe im ganzen Sprengel für die bessere und verständigere gehalten werde, seine Genehmigung und seinen Beistand zu gewähren 2). Wie dieser Punkt ganz gegen die Absicht und Erwartung der eifrigen Kirchenfreunde festgestellt wurde, so fand auch der, über welchen bis dahin keine Einigung zwischen Papst und Kaiser möglich gedacht war, eine solche Erledigung, daß beide Theile ihre Ehre ungekränkt und die Rechte der Kirche wie des Reiches verwahrt sahen. Die Belehnung mit Ring und Stab überließ der

 

1) Chron. Ursp.: Sicut longum ita et incredibile memoratu est, quam prudenti quam instanti quamque per omnia sollicito cunctorum procerum consilio pro pace et concordia per unam vel amplius hebdomadam certatum sit.

2) Ann. Saxo ad 1122 in der Urkunde des Papstes: Concedo electiones Episcoporum et Abbatum Teutonici regni, qui ad regnum pertinent, in tua praesentia fieri absque simonia et aliqua violentia aut si qua inter partes discordia emerserit, Metropolitani et Comprovincialium consilio vel judicio saniori parti assensum et auxilium praebeas. Daß das deutsche Reich vom Kaiserthume hier wie in den andern beiden Punkten unterschieden wurde, darf nicht übersehen werden. Des Kaisers Versprechen lautete deshalb in Betreff der Wahl: Concedo in omnibus Imperii mei partibus canonicam fieri electionem.

 

 

 

____

347 Concordat zu Worms.

 

Kaiser, wie er zu Straßburg schon dazu bereit gewesen, dem Papste, insofern er damit nur die geistliche Würde und die eigentlichen Kirchengüter dem Erwählten verleihe; dagegen verzichtete Heinrich auch jetzt nicht auf die Regalien und alle Rechte, die mit diesen verbunden waren, und hiefür ward ein neues Symbolum, die Ueberreichung eines Scepters, angeordnet 1). In Betreff der beiden Länder des Reiches Italien und Deutschland, erhielt die kaiserliche Belehnung gleichfalls eine Modifikation, die von dem dritten Punkte, der Weihe, abhängig gemacht wurde. Diese, als der Hauptakt der Einsetzung eines Geistlichen, sollte in den außerdeutschen Theilen des Reiches unmittelbar der Wahl folgen, jedoch binnen sechs Monaten die Regalien beim Kaiser nachgesucht werden, in Deutschland aber die kaiserliche Belehnung mit dem Scepter der päpstlichen durch Ring und Stab sowie der Weihe vorausgehen 2), sodaß hier der Kaiser, dort der Papst in allen drei Punkten den überwiegenden Einfluß behalte.

 

Die zwei Urkunden, in welchen der Kaiser und die päpstlichen Legaten am 23. September 1122 die gegenseitigen Zugeständnisse und Gelöbnisse thaten und gleich wie in dem Vertrage vor der rheimser Kirchenversammlung sich wechselsweise wahren Frieden, Schutz und Beistand, den beiderseitigen Anhängern Verzeihung und Wiedererstattung der während des Krieges eingebüßten Güter zusicherten 3), wurden der zahlreich an den Ufern des Rheins von nahe und fernher sich versammelnden Menge vorgelesen, und nach Austausch derselben ein feierlicher Gottesdienst unter freiem Himmel gehalten 4). Ein erhebender Anblick war es, als die unübersehbare

 

1) Der Kaiser tritt ab: omnem investituram per annulum et baculum, cedirt possessiones et regalia beati Petri. Der Papst bewilligt: Electus regalia per sceptrum a te recipiat exceptis omnibus, quae ad Romanam ecclesiam pertinere noscuntur et quae ex his jure tibi debet, faciat.

2) Festgesetzt wurde nur Ersteres, was Letzteres aber hinlänglich bestimmte: Ex aliis vero partibus imperii Consecratus (der dem Electus entgegengesetzt ist, s. vorige Note) infra sex menses regalia per sceptrum a te recipiat.

3) Der Kaiser: Do veram pacem Calixto sanctaeque Romanae ecclesiae et omnibus, qui in parte ipsius sunt et fuerunt, et in quibus sancta Romana Ecclesia auxilium postulaverit, fideliter juvabo. Und der Papst: Do tibi veram pacem et omnibus, qui in parte tua sunt aut fuerunt tempore hujus discordiae. Und vorher: De quibus vero quaerimoniam mihi feceris, secundum officii mei debitum auxilium reum praestabo. Die päpstliche Urkunde gibt die Zeit: Data Anno Dominicae Incarn. MCXXII. IX. Kal. Octobris.

4) Chron. Ursp. ad 1122: Hujusmodi scripta atque rescripta propter infinitae multitudinis conventum loco campestri juxta Rhenum lecta sunt data et accepta, postquam multimodas laudes rerum gubernatori redditas celebratis a domino Ostiensi divinis sacramentis, inter quae dominum Imperatorem cum pacis osculo sanctaque communione plenissime reconciliavit. Dieses plenissime erhält seinen Aufschluß in den früheren Worten: in communionem receptus tam ipse Imperator quam universus sibi subjectus exercitus, immo generali absolutione cunctis hoc scismate pollutis per auctoritatem apostolicam facta. Das konnte wol nur im freien Felde geschehen, wo es auf die versammelte Menge auch einen größern Eindruck machte.

 

 

 

____

348 Sechster Abschnitt.

 

Menschenwoge von Fürsten, Prälaten, Rittern, niederem Klerus und geringem Volke niederkniete und dem Allmächtigen, dem Lenker der Welt, der nun die Herzen der irdischen Herrscher aus Haß und Feindschaft zu Eintracht und Liebe versöhnt hatte, ein Dankgebet zum Himmel entsandte; als Lambert von Ostia nach dem Genusse des Abendmahls dem Kaiser den Versöhnungskuß gab und ihn, sein ganzes Heer und alle Anhänger, vom Banne lösend, sie in den Schos der Kirche wieder aufnahm; als der Kaiser in die Hand der päpstlichen Legaten das eidliche Versprechen ablegte, daß er unverweigerlich erfüllen und unveränderlich halten werde, was zwischen ihm und dem Papste Calixtus, seinem lieben Verwandten, vertragen sei.

 

Als Kirche und Reich sich aufrichtig versöhnt hatten, durften auch des Kaisers Gegner unter den Fürsten einem Eide der Treue und Gelöbniß beständiger Ergebenheit sich nicht entziehen. Auf seine Foderung schwuren sie: von Stunde ab ihm treu zu dienen nach bestem Willen und Vermögen; nie an einer Verbindung, die ihm oder dem Reiche Verderben drohe, Theil zu nehmen; seine Macht in Deutschland oder Italien aufrecht zu erhalten und innerhalb der Grenzen seines Kaiserthums ihm Beistand zu leisten wider jeden Feind, der seine oder des Reiches Güter anzutasten wage 1). — Dagegen gelobte auch Heinrich ihnen: so lange sie ihrem Schwure nachkamen, Leib und Leben unangetastet zu lassen und weder durch seine Bevollmächtigte und deren Diener sie zu kränken, noch sie dafür, daß sie bisher seine Widersacher gewesen, mit Gefängniß zu strafen und solches in der Folge auch dann nur zu thun, wenn der einer feindlichen Handlung oder Gesinnung Angeschuldigte solchen

 

1) Gewiß mit Recht zieht Stenzel I. S. 706 die Eidesformel Cod. Udalr. Nr. 309 hierher. Sie wurde von jedem Einzelnen beschworen: Ab hac hora in antea (wol für postea verschrieben oder verdruckt) fidelis ero N. N. Imperatori etc. Wichtig sind besonders die Worte: Non ero in consilio, ut vitam aut membra perdat, Italicum regnum et suam rectam potestatem, die zum Schutz und Trutz auch in Italien sie verbinden.

 

 

 

____

349 Concordat zu Worms.

 

Verbrechens überwiesen werden könne. Auch Habe und Gut, die Jemand erblich besitze oder gesetzlich zu Lehen habe, sollen ohne vorausgegangenes Urtheil von allein berechtigten Richtern nicht abgenommen werden, und wer weder ein Vasall des Reiches noch der Kirche sei, solle zwar seiner allgemeinen Pflicht und Schuldigkeit gegen Reich und Kirche nachkommen, doch durch den kaiserlichen Bevollmächtigten nicht gezwungen werden, vor seinem Hofe zu erscheinen 1). Die Versammlung zu Worms löste sich zu allgemeiner Zufriedenheit der Hohen und unbeschreiblicher Freude des lang vom Bürgerkriege gedrückten und verarmten Volkes. Denn Jeder hoffte, daß mit dem Vertrage aller Zwist und Streit aufhören werde. Was aber konnte diese zuversichtliche Meinung begründen? Die Worte der kaiserlichen und päpstlichen Urkunden? Gewiß nicht. Denn sie ließen unendlich Vieles noch unerörtert, unbestimmt, ja wol absichtlich ohne genaue Scheidung des päpstlichen und kaiserlichen Rechts, um nicht dadurch neue Scrupel zu erregen oder der Würde des Andern zu nahe zu treten 2). — War der Investiturstreit durch das wormser Concordat noch keineswegs beendet, war dieses nur als ein Waffenstillstand zwischen Calixtus und Heinrich zu betrachten, ja nur als ein persönliches Uebereinkommen, ohne daß den Nachfolgern Beider dadurch eine Verbindlichkeit auferlegt worden 3); so muß es fast wie eine Selbsttäuschung erscheinen, welcher der Kaiser, der Papst, das Reich und das Volk sich damals hingegeben. Hätte aber wochenlange, ernste, umsichtige Berathung von Männern, wie sie damals zu Worms sich zusammenfanden, kein anderes Resultat herbeiführen, und Niemand den Irrthum, in welchem man stand, bemerken sollen? Der Eifer, womit die Beendigung des Schismas seit dem würzburger Reichstage von Seiten der Fürsten betrieben, die Bereitwilligkeit, womit der Papst dem Kaiser mehr als

 

1) Cod. Udalr. a. a. O.: Si beneficium de regno aut de ecclesiis non habueris, et legem et justitiam ante missum mei senioris feceris, non te distringet ad curtem venire senior meus, nisi tu sponte volueris. Der Sinn ist etwas dunkel, der im Text angegebene scheint mir der natürlichste.

2) Wer eine Menge von Bedenklichkeiten gegen das wormser Concordat lesen will, findet solche Luden IX, S. 527 ff.

3) Dieses behauptete man wenigstens später in Rom. Otto Fris., Chron. lib. VII, cap. 16: Hoc pro bono pacis sibi soli (Henrico) et non successoribus datum dicunt Romani.

 

 

 

____

350 Sechster Abschnitt.

 

auf halbem Wege entgegengekommen 1), und endlich die Nachgiebigkeit Heinrich's, die von gleichzeitigen Schriftstellern als ganz außerordentliche, Gottes Gnade beigemessene Sinnesänderung bewundert wird 2), zeugen gewiß am besten für den guten Willen der drei Gewalten, die den Ausschlag der wormser Verhandlungen gaben. Die Schwierigkeiten, einen Streit zu lösen, in welchem die widersprechendsten Anfoderungen schroff entgegengestellt wurden, von denen keine beim Friedensschlusse ganz aufgegeben werden sollten, erklärt hinlänglich, warum der Vertrag so zweideutig, schwankend, unbestimmt Das, was doch als künftige Norm gelten mußte, ließ. Nicht diese Erscheinung, sondern die Ueberzeugung von der Aufrichtigkeit aller Betheiligten haben wir aufmerksam zu betrachten, wenn wir die wahre Bedeutsamkeit des wormser Concordats begreifen wollen.

 

Nach fast fünfzigjährigem Kampfe, hervorgerufen von Begeisterung, ja leidenschaftlichem Entflammen für Ideen, die zwei große Männer, Heinrich III. und Gregor VII. als äußerstes Ziel weltlicher oder kirchlicher Herrschaft ihren Nachfolgern Übermacht, entschlossen sich Heinrich V. und Calixtus II., wahrlich nicht aus der Art geschlagene Erben der Grundsätze jener ihrer Vorgänger, einen Vergleich einzugehen, den sie aufrichtig zu halten gedachten und — wirklich bis an ihren Tod hielten. Zwar hatten Dem, was die Kirche oder das Reich für unerläßliche Bedingung ihres zu erstrebenden oder zu bekämpfenden Supremats ersahen, viele denkende, besonnene und für die Eintracht beider Gewalten thätige Männer eine ganz andere Bedeutung gegeben, als die Urheber des Streites darin gesucht, und hatten die jetzigen Kämpfer jenes äußerste Ziel aus den Augen verloren oder vielmehr es aufgeben müssen, sodaß, was früher mehr Mittel zum Zweck gewesen, nun selbst zum mehr eigensinnig gefoderten als wahrhaft bedeutungsvollen Gegenstand des Streites geworden war; indessen blieb das Erringen auf der einen, das Vorenthalten von der andern Seite darum nicht minder wichtig, weil die Entscheidung zwar nicht mehr dem Papst oder Kaiser eine

 

1) Was aus des Papstes Schreiben schon hervorgeht, bestätigen noch folgende Worte in dem Einladungsschreiben Lambert's von Ostia an den Kaiser: Quibus auditis (nämlich die Beschlüsse der würzburger Friedensversammlung) Dominus Apostolicus gaudio repletus est et gratias egit Deo, qui vobis tale consilium inspiravit.

2) Chon. Ursp. und Ann. Saxo ad 1122: In cujus manu cor Regis est, omnem animositatem Imperatoris sub Apostolicam obedientiam causa matris ecclesiae, etiam ultra spem plurimorum inflexit.

 

 

 

____

351 Concordat zu Worms.

 

unbeschränkte Macht verlieh, wol aber die Bedeutung von Kirche und Staat veränderte. Daß diese Begriffe nicht mehr identisch mit Papst und Kaiser waren, oder, um es anders auszudrücken, daß Papst und Kaiser nicht mehr allein die Kirche und den Staat repräsentirten, war die Folge des Kampfes, den die Prinzipien Heinrich's III. und Gregor's VII. herbeigeführt. Gleichwie unter dem unmündigen Heinrich IV. die deutschen Fürsten die Herrscherwillkür des Kaisers aufgehoben, so hatten unter dem geistig unmündigen Paschalis II. die von Hildebrand sklavisch behandelten Geistlichen das Joch abgeschüttelt und sich zu freien Gliedern der Kirche erhoben, die nur im Papste einen nothwendigen Mittelpunkt für ihre geistliche Macht oder, wie sie gewöhnlich heißt, für die Hierarchie anerkannten. Darin handelten die Glieder der Kirche besonnener, als die des Reiches unter Heinrich IV, daß sie ein Haupt ihrer Verbindung nicht verschmähten, daß sie mit aller scheinbaren Untertänigkeit demselben sich unterwarfen, während Deutschlands Fürsten den Kaiser verließen, ihm trotzten, ihn seiner Würde entsetzten und, um dieses mit einigem Erfolge zu thun, dem Kirchenhaupte sich in die Arme warfen. Zwar die Kircheneiferer beachteten den Papst und seine Befehle wenig und verfolgten eigenmächtig ihr Ziel, aber sie verfolgten es im Kampfe wider den weltlichen Gebieter; was sie thaten, gaben sie vor, im Namen des Kirchenhauptes zu vollführen, und niemals versagten sie diesem ihren Beistand, wenn die weltliche Uebermacht ihn bedrohete oder von Petri Stuhl zu stoßen sich erkühnte. Paschalis II. in seiner bedrängtesten Lage, der flüchtige Gelasius II. fanden an ihnen die alleinige Stütze, die wenigstens die Würde des Papstes, wenn auch nicht seine Person aufrecht erhielt. — Erst spät gelangten die weltlichen Fürsten zu der Ueberzeugung, daß auch ihnen ein Mittelpunkt notwendig sei, wenn sie der um sich greifenden Hierarchie Schranken setzen wollten, damit dieselbe nicht ihre Macht noch mehr verkümmere, als es bisher der Kaiser gethan. Der Investiturstreit war es, der ihnen die Augen öffnete. Scheinbar gegen das Reichsoberhaupt gerichtet, waren die Foderungen der Kirche doch mehr der Reichsverfassung nachtheilig und hätten, wenn die kirchliche Investitur im Sinne der Kircheneiferer durchgesetzt worden wäre, die geistlichen Fürsten über die weltlichen weit erhoben, und nicht nur den Kaiser, nein mehr noch diese Letzteren beschränkt. Ein Ausweg nur konnte sie davor schützen, wenn sie dem Kaiser, der mit soviel Entschlossenheit sich der Hierarchie entgegengestellt, ihren Arm liehen, in Gemeinschaft mit ihm die Foderungen der Kirche zurückwiesen und im Reiche mindestens keine Theilung, keine Entziehung der Lehen gestatteten.

 

 

 

____

352 Sechster Abschnitt.

 

Das war der Grund, warum sie unter sich einig und eine furchtbare Macht nicht mehr trotzig wider das Reichsoberhaupt, sondern ehrerbietig für dasselbe dastanden. Im würzburger Vertrage erhoben sie seine Foderung zu der ihrigen. Hätte nicht Heinrich bei der Besetzung des bischöflichen Stuhles von Würzburg neue Besorgnisse vor seiner Willkür und Herrschsucht erweckt, sie würden vielleicht das ungeschmälerte Investiturrecht auch in Worms für ihn gefodert haben. Nur damit auch in der Folge eine Gewalt außer der ihrigen ihn zügele, opferten sie Dasjenige dem Papste, was nicht dem Reiche, wol aber dem Reichsoberhaupte eine Beschränkung, ja eine Demüthigung auferlegte 1). Heinrich hatte die gefährliche Hülfe, welche ihm in der vereinten Macht der Fürsten geworden, längst erkannt. Wie er vor dem würzburger Fürstentage sie zu trennen versucht, hoffte er gleich nach demselben durch eigene Kraft und schleunige Benutzung des ihm verliehenen Ansehens sich emporzuringen. Das war zu vorschnell! Denn noch hatte er immer zwei Gegner zu bekämpfen, die leicht sich wieder gegen ihn verbinden konnten. Nach solchem Fehlschlagen blieb ihm nichts übrig, als durch einige Opfer mit dem einen sich ganz zu versöhnen und dann mit dessen Hülfe die Macht der Fürsten zu brechen, oder mindestens doch den Rücken sich freizuhalten, wenn er mit diesen einen neuen Kampf begönne.

 

1) Daß die Fürsten, um den eigenen Nachtheil abzuwenden, gegen den Papst und die Hierarchie sich vereinten, bemerkt auch Stenzel I. S. 701 und 707. Aber auch der letzte Zweck der weltlichen Fürsten, durch das wormser Concordat die Integrität des Reiches zu bewahren, und zugleich dem Kaiser eine Fessel durch die Kirche zu ihrer eigenen Sicherheit aufzulegen, darf nicht übersehen werden. Hieraus nur erklärt sich Heinrich's Bestreben seit der Fürstenversammlung am Rhein, die weltlichen Großen durch Unterhandlungen einzeln zu gewinnen, einer Vereinigung aller entgegenzuarbeiten. Der würzburger Reichstag hatte trotz der ehrerbietigen Ausdrücke, in welchen die Fürsten ihm ihre Foderungen als bloße Rathschläge vorlegten, ihm doch deren gefährliche Gewalt gezeigt, die er seitdem zu bekämpfen sich bemühete. Hätte er sie zuvor zu benutzen verstanden, um durch sie einen vollständigen Sieg in dem Investiturstreite zu erringen, so wäre das wormser Concordat vortheilhafter für ihn abzuschließen möglich gewesen. Adalbert von Mainz entriß ihm abermals die Palme, als er ihn zu dem unbesonnenen Verfahren bei der würzburger Bischofswahl verleitete. Aber auch Adalbert erreichte sein Ziel nicht. Das wormser Concordat brachte mehr Gewinn dem Papste als den Geistlichen des Reichs. Diese blieben Vasallen des Kaisers. Adalbert, der gehofft hatte vom Papst und Kaiser gleich unabhängig zu werden, und in weltlichen wie in kirchlichen Dingen im Reiche entscheiden zu können, intriguirte fort und fort bald gegen den Kaiser bald gegen den Papst.

 

 

 

____

353 Concordat zu Worms.

 

Aufrichtig war demnach das Verlangen der Fürsten und des Kaisers, den Investiturstreit zu beenden, wie verschieden auch beider Absichten dabei sein mochten. Wie sehr endlich den Papst die Nothwendigkeit drängte, mit dem Reiche sich zu versöhnen, um durch die Verbindung der Fürsten mit dem Kaiser nicht jeden Vortheil zu verlieren, erkannten wir schon früher. Er bedurfte aber auch in weltlicher Absicht des Beistandes Heinrich's; denn er hatte mit den Normannen im südlichen Italien sich in Händel verwickelt 1). Im Grunde konnte Calixtus genügen, die Belehnung mit der Kirchenwürde zu behaupten, da von Ertheilung der Kirchenlehen unter den seit Gregor VII. so sehr veränderten Verhältnissen innerhalb der Kirche selbst ihm ein minderer Gewinn als den Geistlichen im Reiche erwuchs, die wol, wenn Letzteres durchgesetzt worden wäre, dem entfernten Oberherrn in Rom nicht lenksamer sich gezeigt hätten, als sie bisher dem weltlichen Oberherrn, der in ihrer Nähe weilte, es gewesen waren.

 

Wenn auch nicht alle von Worms Heimkehrenden die geheimen Motive kannten, die den Friedensschluß gefördert, hatten sie doch von dem ernsten Bestreben aller Theile — etwa Adalbert von Mainz ausgenommen — sich überzeugt, und erweckte der unklare Inhalt, die zweideutige Fassung des Vertrages in ihnen keinen Zweifel, da sie den wahren Grund beider in der schwierigen Lage der Verhältnisse, worin die bisher streitenden Parteien zu einander gestanden, erkannten.

 

Daß der Kaiser aufrichtig den Frieden mit Calixtus suchte, bewies er durch Gunstbezeugungen, die er dem Bischofe Stefanus von Metz und dessen Brüdern, des Papstes Neffen, ertheilte; ferner, als er am 11. November die in Worms nicht anwesenden bairischen, sächsischen und andere Fürsten nach Bamberg berief und ihre Zustimmung zu dem abgeschlossenen Concordate verlangte, die freudig

 

1) Die Versprechungen wechselsweiser Hülfeleistungen waren keine leeren Phrasen in dem Vertrage zwischen Heinrich und Calixtus. Nur setzten jenen seine Kämpfe wider die Fürsten außer Stand, dem Papste Beistand in Italien zu leisten. Dafür entschädigte sich der Papst dadurch, daß er die italienischen Bischöfe und Aebte der Abhängigkeit vom Kaiser ganz entzog. Kein Beispiel ist bekannt, daß italienische Geistliche bei Heinrich die Belehnung per sceptrum nachgesucht hätten. Heinrich mußte das übersehen, damit nur Calixtus ihm nicht in Deutschland neue Hindernisse bereite.

I. 23

 

 

____

354 Sechster Abschnitt.

 

von Allen gewahrt wurde 1). Hier gab Heinrich auch das erste Beispiel des Verfahrens, welches nach den neuen Statuten bei Erhebung von Geistlichen beachtet werden sollte. Der Abt Ulrich von Fulda wurde, nach abgehaltener freier Wahl in des Kaisers Gegenwart, mit den Regalien durch ein Scepter von ebendemselben belehnt, wonach Calixtus im nächstfolgenden Jahre zu Rom ihm sehr huldreich die Weihe ertheilte 2). Zur völligen Beseitigung des Investiturstreites fehlte nichts mehr als die Bestätigung durch Papst Calixtus selber. Schon von Worms brach der Kardinal Gregor nach Italien auf, um dort den Frieden zwischen Reich und Kirche, sowie die neuen Statuten der zwiefachen Belehnung durch Papst und Kaiser zu verkünden. Lambert und Saxo begleiteten Heinrich noch zum Reichstage nach Bamberg. Ihrem Bemühen verdankte der Kaiser wol die leichte Aussöhnung mit allen seinen früheren Widersachern unter den deutschen Fürsten und Bischöfen. Von Bamberg begaben auch sie sich auf die Heimreise nach Rom, begleitet von mehren kaiserlichen Gesandten, die nicht nur sehr freundschaftliche Briefe „des Kaisers liebem Verwandten“, sondern auch kostbare Geschenke für die ganze römische Kurie überbringen sollten 3). Calixtus empfing sie mit vielen Ehrenbezeugungen

 

1) Chron. Ursp. und Ann. Saxo ad 1122: Alterum quoque in festo S. Martini colloquium Imperator cum Principibus, qui priori non aderant, Babenberg habuit, uni et cunctis in sua vota concordantibus inter multa, quae tam ad Regni quam ad Sacerdotii congruebant honorem more majorum compositis etc. Auch hier ward wol die Formel (Cod. Udalr. Nr. 309) benutzt, um die bisher feindlichen Fürsten zur Treue gegen den Kaiser, und diesen zur Enthaltung von willkürlichen Eingriffen wider Gut und Freiheit der Fürsten zu verpflichten. Da in der kaiserlichen Urkunde (weder bei Baronius ad 1122 nach einer Handschrift des Vatikans noch bei Muratori III, p. 420, wo noch mehr Zeugen, z.B. Dux S., wol Simon von Lothringen, Dux P., etwa Perthold oder Berthold von Zäringen) kein sächsischer Fürst sich findet, mögen außer den bairischen, östreichischen und anderen östlichen Großen des Reichs sich auch die sächsischen erst in Bamberg eingestellt haben.

2) Ersteres nach Ann. Saxo a. a. O., Letzteres in dem Fragment der Chron. Fuldensis bei Brower I, Antiquit. Fuld. lib. IV, p. 287 und Schannat, Hist. Fuld. p. 162.

3) Chron. Ursp. und Ann. Saxo ad 1122: Legatos proprios cum Romanis destinavit et utrosque nuntia simul et munera ferentes honorifica Domini Apostolico Calixto, consanguineo scilicet jam sibimet mitissimo, direxit.

 

 

 

____

355 Ende des Investiturstreits.

 

und erwiderte des Kaisers Schreiben in derselben freundschaftlichen Weise. Unter Anderem schrieb er: „Wir nehmen Dich wie einen Sohn in die Arme unserer väterlichen Liebe und wünschen Deine Person wie Dein Reich in Zukunft um so inniger, bereitwilliger und ganz nach Gottes an Dir bewiesener Gnade zu achten und zu ehren, als Du demüthiger denn Deine letzten Vorfahren der römischen Kirche folgsam zu sein angelobt hast, und als Du uns durch enge Banden der Blutsverwandtschaft nahe stehest. Für Deine Wohlwollenheit gegen unsere Neffen, den Bischof von Metz und dessen Brüder, danken wir Dir herzlich und erkennen darin die Früchte Deiner jetzigen Liebe für uns selber.“ Ueber diese Höflichkeiten vergißt aber Calixtus auch nicht, den Kaiser an Erfüllung seiner Versprechen zu mahnen. „Schicke uns aber auch (fährt er in dem Briefe fort) mit Vollmacht versehene Gesandten, um Deinem Gelöbniß gemäß die Regalien der römischen Kirche uns zurückzustellen“ 1).

 

Als Heinrich jedem billigen Verlangen nachgekommen, bestätigte Calixtus in einer Lateransynode am 17. März 1123 das wormser Concordat und die Lösung vom Banne. Von mehr als dreihundert dort anwesenden Bischöfen that keiner gegen Das, was der Papst mit dem Kaiser vertragen, Einspruch; ja der Erzbischof Ulrich von Mailand, der dem feindseligen Jordanus nachgefolgt war, schloß am Palmsonntage den Kaiser in das öffentliche Gebet ein und übersandte demselben nach altem Brauche durch seinen Geheimschreiber Palmzweige nach Deutschland 2). — Da mit Calixtus das frühere Haupt der Kircheneiferer auf den päpstlichen Stuhl gelangt war, durften auch die strengsten Vertheidiger der kirchlichen Freiheit keinen Anstoß an Dem, was der Papst gethan, nehmen, obwol dieser gegen

 

1) Mansi, Concil. X, p. 894. Der letzte Punkt hatte für den Kaiser etwas Demüthigendes, weil Manches von Dem, was dem römischen Stuhl zurückgegeben werden sollte, sich in Händen Solcher befand, die einst Heinrich für ihre Dienste, für ihren Beistand gegen Paschalis und Gelasius mit Kirchengütern belohnt hatte.

2) Landulf de S. Paulo cap. 37: Pro Henrico Rege oravit et ei ramos palmarum per Landriacensem Thealdum Mediolanensis ecclesiae egregium notarium in Germaniam misit. Ueber diesen alten Gebrauch und dessen damalige Erneuerung s. Mascov, Comment. p. 213, nota 6; über die päpstliche Bestätigung des wormser Concordats ebendaselbst p. 212, nota 4.

23*

 

 

 

____

356 Siebenter Abschnitt.

 

sie die Artikel des Vertrages in manchem Punkte anders deuten mochte, als der Kaiser sie verstanden wissen wollte 1).

 

 

 

Siebenter Abschnitt.

 

Zustand des Reiches nach dem Bürgerkriege. Zerwürfnisse in Sachsen. Holländische Fehde. Heinrich's Bestreben, die Macht der Fürsten zu trennen. Lothar Schirmer der Fürstenrechte. Adalbert's Stellung zu Kirche, Reich und Fürsten. Krieg mit Frankreich. Heinrich's Tod.

 

Das Beispiel, welches im Jahre 1121 die sächsischen Fürsten durch Aufrechterhaltung eines Landfriedens gegeben hatten, fand in anderen Provinzen — nimmt man etwa Baiern aus, wo unter Welf's Regierung schon eine musterhafte Ordnung und Eintracht geherrscht hatte — wenig Nachahmung. Nur aus politischem Interesse war den angeseheneren Fürsten, wie früher der Krieg, so jetzt der Friede unter den beiden Hauptparteien in Deutschland erwünscht. Von den Drangsalen des ersteren noch niedergedrückt, hofften das gemeine Volk und die Schutzlosen endlich der Segnungen, welche die Beilegung des Kampfes verhieß, sich zu erfreuen. Diese Wohlthat sollte ihnen aber noch nicht zu Theil werden. Nur der Zwiespalt zwischen Papst und Kaiser, zwischen der hohen Geistlichkeit und den Fürsten

 

1) Das beweist die Epistola Godefridi Abbatis Vindocinensis, eines sehr strengen Kircheneiferers, an Calixtus bei Sirmondi Opp. III, col. 890. Gottfried will die Investitur überall nach der Weihe: Possunt itaque sine offensione reges post electionem canonicam et consecrationem per investituram regalem in ecclesiasticis possessionibus concessionem, auxilium et defensionem episcopo dare. Man erinnere sich, daß diese Reihenfolge nur für die Bischöfe außerhalb Deutschland festgestellt war, für die Deutschen aber die investitura regalis der consecratio vorangehen sollte. Ebenso irrt Otto Fris., Chron. VII, cap. 16, wenn er behauptet: Scripto confirmatur, ut electi tam Cisalpini quam Transalpini non prius ordinentur Episcopi, quam regalia de manu ejus per sceptrum suscipiant. Das galt wiederum nur von den deutschen, nicht von den transalpinischen. Wo aber die Grenzen zwischen deutschen und nichtdeutschen Bisthümern und Abteien stattgefunden, ist schwer zu sagen. Der damalige usus mochte allein die Scheidewand kennen.

 

 

 

____

357 Zustand des Reichs nach dem Bürgerkriege.

 

hatte aufgehört. Doch der Bürgerkrieg hatte auch in niederen Kreisen seine Theilnehmer und Mitkämpfer, und diese waren durch den Frieden der Großen nicht zugleich in die Schranken der Ordnung gebannt, noch zur Anerkennung der geschlossenen Verträge und Concordate gezwungen. Die Kriegslust des niederen Adels, der Dienstmannen oder geringeren Freien von langer Gewohnheit abzubringen, bedurfte es anderer Mittel und einer durchgreifenden Gewalt von oben her; von ihnen selbst war kein Aufgeben langgenährter Beutesucht, unverwehrter Brandstiftungen und des ganzen Räuberhandwerks, das sie ungescheut getrieben, zu erwarten. Wol machten auch sie jetzt untereinander Bündnisse, aber nicht zum Frieden, nicht zum Schutz der Kirche, zum Wohl der Bewohner im offenen Lande, sondern zu einem Kriege, den sie auf eigene Hand zum Schrecken der Wehrlosen und Schwachen grausamer und verheerender, als es der frühere Parteienkampf gewesen war, fortsetzten. Unter dem Namen der Ritter durchzogen große Räuberscharen fast ganz Deutschland, von Sachsen, wo sie nach Herstellung des Landfriedens nicht geduldet wurden, vornehmlich nach den Rheingegenden sich wendend, verheerten die Aecker, plünderten die Insassen, brannten die Gebäude nieder und, weil noch die Güter der Geistlichen, der Abteien und Klöster bisher am meisten verschont gewesen und daher reiche Beute versprachen, wurde nun von den Verächtern jedes Heiligen und Ehrwürdigen das Eigenthum der Kirche vornehmlich angetastet, die Besitzer gemishandelt, ihre Untergebenen des Nothdürftigsten beraubt oder schamlos zur Befriedigung niederer Lüste gezwungen 1). Allgemeines Elend und Hungersnoth waren im Gefolge dieser Raubritter, denen nicht Kaiser, nicht Fürsten, selbst wenn sie es gewollt, weder göttliches noch menschliches Gebot Einhalt zu thun

 

1) Chron. Ursp. ad 1123: Praedones, quippe qui sub nomine equitum undique superabundabant, villas et agros ecclesiarum invadebant, colonos domi forisque spoliabant, et, ah scelus! ab his, qui pane solo et aqua victitare solebant, delicias sibimet ministrari tormentis exigebant, sicque praediis et incendiis unoquoque suas injurias vindicante, coepit undique caritas immo raritas annonae succrescere. Letztere Worte beziehen sich zwar weiter als auf jene praedones, finden aber auf diese ihre unabweisliche Anwendung. Stenzel I, S. 711 übersetzt equites mit Reiter und findet in ihnen das früheste Erscheinen jener Brabanzonen, Engländer u. a. d. des späteren Mittelalters. Dem Gewerbe nach sind diese und jene gewiß verwandt, nur die Bedeutung Beider scheint mir sehr verschieden, und bei den praedones, wovon hier die Rede ist, eine viel tiefere zu sein, als bloßes Rauben aus äußerlichen Veranlassungen der Zeit.

 

 

 

____

358 Siebenter Abschnitt.

 

vermochten. So rächte sich ein Stand für die Beeinträchtigung seiner Rechte, die ihnen früher eine unabhängige, reichsunmittelbare Stellung gegeben und an Allem, was jetzt nur Kaiser, Fürsten und hohe Geistlichkeit entschieden, Theil zu nehmen gestattet hatten. Wer nicht zu jenen Scharen gehörte, die sich im Gefühl ihrer Macht und Ungebundenheit ein schnödes Selbstrecht verschafften, war Vasall, Untergebener, Dienstmann Derer, die keine freieren Ahnen als er, der jetzt jener Nachkommen Gehorsam schuldete, aufzuweisen hatten, oder mußte den Hochmuth von Prälaten dulden, die, oft niedriggeborener, armer Eltern Kinder, nun mit Hofpracht und Reichthum sich umgaben. Daß vollends die Klerisei und die Mönchsorden, deren mehre damals entstanden oder doch in Deutschland Eingang und Anhang fanden, höheres Ansehen als sie genossen, auf Concilien und Reichsversammlungen, wo sie in großer Zahl erschienen, Einfluß übten, durch ihre zur Schau getragene Dürftigkeit, oft nur angenommene Frömmigkeit bei Hohen und Niederen so sehr in Hochachtung standen, daß jene oft in ihren späteren Lebenstagen zum Mönchsstande sich bekannten oder doch im Mönchskleide bestattet sein wollten, die Armen aber auch noch den schmalen Bissen mit den frommen Bettlern theilten; dies Alles erbitterte die herabgekommene Ritterschaft, und um ihrem Stande, ihrem Namen, wenn auch nicht die alte Ehre, doch einen Kriegsruhm, eine Bedeutung und schreckenerregende Berühmtheit zu geben, verbargen sie Namen und Stand keineswegs, als sie der Geistlichkeit und Allen, die diese ehrten oder nährten, schirmten oder scheuten, den Krieg ankündigten. Genährt und angefacht wurde diese Erbitterung des Ritterstandes auch wol von weltlichen Machthabern, die bisher in dem Kampfe das Schwert gegen die Kirche gezogen hatten und nun nach dem wormser Concordate es in die Scheide stecken und darin ruhen lassen sollten. Bedenkt man, wie seit dem Vertrage der weltlichen Fürsten vor Mainz eine größere Scheidung als je zwischen Weltlichen und Geistlichen in Deutschland entstanden, wie der Anmaßung der Kirche nicht mehr allein vom Kaiser, sondern auch von Anderen, von den Laien insgesammt ein Damm entgegengesetzt wurde, wie man für den Ausspruch der Concilien, daß alle Investitur durch Laienhand Frevel sei, dadurch sich rächte, daß man eben dieses Recht der Investitur als ein angestammtes Recht weltlicher Herrschaft festzuhalten, der Kirche nicht einzuräumen sich entschlossen zeigte, so begreift man wohl, daß der Haß der Fürsten gegen die hohe Geistlichkeit sich auch auf die Ritter forterstreckte und hier in Erbitterung gegen die niedere Geistlichkeit, in Gewaltthaten wider deren Gut und Leute sich

 

 

 

____

359 Zustand des Reichs nach dem Bürgerkriege.

 

kundgab. An einer Wiedervergeltung mit Waffen der Kirche und Religion fehlte es nicht. Sie war ganz im Geiste jener Zeit. Wenn Interdikt, Bann und Excommunikation die Strafen waren, womit die hohe Geistlichkeit Fürsten schreckte und im geregelten Gange kirchlicher und weltlicher Ordnung ihren Zweck selten verfehlte, so benutzten die niedere Klerisei und die Mönche den Aberglauben des großen Haufens, um ihren Gegnern zu schaden, sie zu züchtigen oder den Haß und die Verachtung Anderer wider sie aufzureizen. Die Widersacher, die mit weltlicher Gewalt nicht zu beugen waren, zu einer Strafe in der anderen Welt zu verdammen, war Priestern und Mönchen sehr geläufig, und der Aberglaube des Volkes wurde benutzt, um mit solcher Drohung oder Verkündigung Eingang zu finden. Wie geläufig dieses Spiel mit Hölle und Fegefeuer damals schon dem niederen Klerus war, ersehen wir aus dem Gerüchte, welches derselbe beim Tode des Pfalzgrafen Friedrich von Sommerschenburg ausgesprengt hatte, welchem Beispiele sich noch viele ähnliche anreihen ließen. — Wider die Raubritter blieb ihnen keine andere Waffe, als sie den höllischen Flammen entstiegen und zu diesen rückkehrend in den Augen der Menge darzustellen. Ein damals lebender Geistlicher 1) hat uns in seiner Chronik ein Beispiel jenes wider ihre Gegner von den Mönchen benutzten Aberglaubens aufbewahrt, das fast alle späteren Chronisten zum Jahre 1123 ihm nacherzählen. In der Umgegend von Worms mochte eine jener Raubritterscharen ihr Wesen treiben 2) und, wie es auch andere thaten,

 

1) Der Verfasser des Theils der auersberger Chronik, der bis zum Jahre 1126 reicht und zuverlässig von einem Zeitgenossen herrührt, ad 1123. Unter den Vielen, die ihm nachschreiben, was er von der Vision bei Worms erzählt, nenne ich nur Ann. Saxo, das Chron. Halberstad., Corner.

2) Chron. Ursp. ad 1123. Unfehlbar ist in der concio prodigiosa eine Schar jener Ritter geschildert, und es liegt die Vermuthung nahe, daß die Gegend, wo die phantasmata hinversetzt werden, auch von den leibhaftigen Schreckensscharen heimgesucht worden. In pago Wormaciensi videbatur per aliquot dies non modica et armata multitudo equitum euntium et redeuntium, et quasi ad placitum colloquium nunc hic nunc illic turbas facere, circa nonam vero horam cuidam monti, a quo et exiisse videbantur, se reddere. — Von ihrem Aeußeren sagt der angeredete Scheinritter selbst: arma vero et habitus atque equi, quia nobis prius fuerant instrumenta peecandi, nunc nobis sunt materia tormenti et vere totum ignitum est, quod in nobis cernitis, quamvis id vos corporalibus oculis discernere non possitis. Diese letzten Worte verrathen zu deutlich, daß man wirkliche Ritter gesehen, die ein frommer Betrüger für animae militum interfectorum ausgab. Jene mochten aus sehr guten Gründen die Gegend um Worms bald verlassen.

 

 

 

____

360 Siebenter Abschnitt.

 

mit einer gewissen Taktik, die sie mit Vortheil anwandten, die Gegend, welche sie zum Schauplatze ihrer Thaten bestimmt, auskundschaften lassen, dann Kriegsrath halten und demzufolge in geschlossenen Reihen bald nach der einen, bald nach der anderen Seite hin den Angriff richten. In dieser selben Weise und an dem gleichen Orte läßt der angeführte Chronist eine höllische Schar in Gestalt jener Ritter hausen, die in großer Anzahl mehre Tage den Umwohnern sichtbar gewesen, von einem Hügel herabgezogen, um die neunte Stunde dorthin zurückgekehrt. Da sie die Gespenster anfangs für wirkliche Menschen von jener gefürchteten Klasse gehalten, wagten sie ihnen nicht zu nahen, und als sie ihr spurloses Walten erkannt, wurde ihre Furcht mehr erhöht, als verringert, weil sie nun an einer übernatürlichen Erscheinung nicht mehr zweifeln durften. Endlich aber habe ein entschlossener Mann, mit dem Zeichen des Kreuzes sich waffnend, dem Orte der Versammlung zu nahen gewagt und bald einen der Ritter, der ihm begegnete, beim Namen des allmächtigen Gottes beschworen, ihm anzugeben, wie es sich mit der Schar, die dort sich zeige, verhalte 1), worauf der Ritter geantwortet: „Wir sind keine Schreckbilder, wie ihr glaubt, noch eine Schar wirklicher Krieger, wie wir euch erscheinen, sondern die Seelen vorlängst getödteter Kämpfer 2). Unsere Waffen, Rüstungen und Pferde, weil sie früher uns Werkzeuge zum Bösen gewesen sind, verursachen jetzt uns Folterqualen; denn fürwahr! Alles an uns ist Feuer, was euren menschlichen Blicken wie Körpergestalten erscheinet“. — Mag nun dieser Bericht auf wirklicher Thatsache oder auf leerem Aberglauben beruhen, genug man sieht, wie die Geistlichen diesen zu benutzen verstanden, um das gewaltthätige Verfahren der herumstreifenden Ritter wie ein Treiben der Hölle darzustellen und zu Höllenstrafe es zu verdammen 3). Es war zwar ein schwacher Trost

 

1) Chron. Ursp. ad 1123: Manifestare causam populi, qui sic appareret, adjurat.

2) Non sumus, ut putatis, phantasmata nec militum, ut a vobis cernimur (s. den Schluß der vorigen Note) turba, sed animae militum non longe antehac interfectorum etc.

3) Chron. Ursp. a. a. O. läßt auf das im Text Uebersetzte folgen: In hujusmodi comitatu dicitur etiam Emicho comes ante paucos annos occisus apparuisse et ab hac poena orationibus et eleemosynis se posse redimi docuisse. Wol eine Erfindung, um die Söhne jenes Emicho (doch wahrscheinlich Emicho von Leiningen, der beim Ausfall der Mainzer gegen Herzog Friedrich von Schwaben blieb) zu reichen Spenden an die Kirche zu vermögen. Chron. Halberstad. apud Leibnitz II, p. 133 sagt sogar: Quosdam autem, quos in eodem comitatu cognovit (der fromme Berichterstatter) ab hac poena orationibus redimi et eleemosynis est edoctus.

 

 

 

____

361 Zustand des Reichs nach dem Bürgerkriege.

 

für sie selbst und die geplagten Landbewohner, die von den wilden Scharen heimgesucht wurden, doch welch anderer Trost war ihnen geblieben? Der Kaiser, die Fürsten und die hohe Geistlichkeit kümmerten sich um jene Räuberscharen wenig, stellten ihnen keinen Widerstand, kein nachdrückliches Gebot entgegen, es sei denn, daß sie selber von ihnen geplackt wurden, wie dies Erzbischof Bruno von Trier schon 1120 erfahren, doch trotz seines hohen Alters und seiner körperlichen Hinfälligkeit noch mit Kirchenstrafen dem Raubwesen in seiner Diöcese ein Ende zu machen verstanden hatte 1). Andere Fürsten, geistliche wie weltliche, nahmen die Ritter, die früher in ihrem Dienste das wilde Kriegshandwerk erlernt hatten, bald wieder in Sold, weil neue Fehden in allen Provinzen des Reiches unter den Hohen und Höchsten ausbrachen, und Selbsthülfe von keinem durchgreifenden, friedegebietenden Herrscher unterdrückt oder gestraft, vielmehr von diesem selbst auf strafwürdige Weise veranlaßt und nöthig gemacht wurde.

 

Ehe wir dieser neuen Wirrnisse im Reiche gedenken, wollen wir ihre gemeinsame Quelle, den Zustand des Reiches, wie er nach Beendigung des großen Parteikampfes sich darstellte, ins Auge fassen. Die während des Krieges in Bewegung gesetzten Kräfte waren nur erschöpft, nicht von einer stärkeren Macht gebändigt; der Friede nicht aus der Ueberzeugung von seinen segensreichen Folgen entsprungen, sondern aus dem Misfallen der Kämpfer an der Sache, für die sie bisher das Schwert gebraucht. Die Einigkeit der Fürsten, so herrlich und erhebend für Deutschlands damalige Selbständigkeit jeder fremden Gewalt gegenüber, konnte eben aus demselben Grunde, dem

 

1) S. Gesta Trevir., cap. 71 in Leibnitz, Access. p. 118: Viribus corporis ejus senio simul et infirmitate ad occasum vergente in omnifere circa regione ceperunt viri nequam consurgere et res Ecclesiae — — barbarico more depopulari quodam comite Wilhelm filio Cunradi — de Castello, quod vulgo Lutzelinburg vocatur, ducatum illis praebente, quos — tandem, cum non haberet, qui illorum vesaniam armata manu posset reprimere, ipsi enim si barbari provinciam hanc impeterent, illis debuissent resistere, utebatur in illos anathematis ultione VIII. Id. Decembr. Anno MCXX. Darauf folgt das anathema, das so strenge ist, daß quicunque (violatori) communicaverit, si Laicus fuerit, eodem anathemate feriatur, si clericus ab ordine deponatur. Spolia quoque emens vel accipiens ei, cui et spoliator, damnationi subjaceat.

 

 

 

____

362 Siebenter Abschnitt.

 

Streben nach allseitiger Freiheit, nicht länger fortbestehen, als die ihr bisher drohende Macht wenigstens nicht mehr gefährlich schien, als dagegen eine Ausgleichung der wechselseitigen Ansprüche, sei es mit dem Kaiser, sei es mit den Nachbaren und früheren Verbündeten stattfinden sollte. So lange ein Gegner nach außen hin zu bekämpfen war, verband das gleiche Interesse erst die Theilnehmer einer Parteisache, dann die Gesammtheit der Fürsten als Verfechter der bedrohten Reichsverfassung und des ihnen unentbehrlichen Reichsoberhauptes. Nun sollten nach dem wormser Vertrage 1) der Kirche, dem Kaiser und Jedem Dasjenige herausgegeben werden, woran er genügende Ansprüche hatte. Nach so langer Verwirrung, nach so mannichfachem Wechsel des Besitzes, bei oft so gleichem Grad von Berechtigung, bei oft so schwer nachweislicher Scheidung der Allodien und Lehen, bei so vielen anderen Schwierigkeiten, die selbst bei völlig friedlich Gesinnten eine Entscheidung nach dem Rechte erschwert hätten, wie wäre es möglich gewesen, daß Kaiser und Fürsten in Dingen sich einten, die schon vor Einmischung der kirchlichen Interessen der Anlaß zum Zerwürfnisse Beider gewesen waren. In Sachsen mußte diese Angelegenheit die meisten Hindernisse haben. In Betreff des weimar-orlamündischen Erbes scheint der Pfalzgraf Friedrich II. von Sommerschenburg sein Möglichstes gethan und den Kaiser wenigstens zufriedengestellt zu haben, ohne die sächsischen Fürsten zu erzürnen; denn er blieb mit diesen wie mit jenem in gutem Vernehmen, was seinem Vater gleichzeitig nie gelungen war 2).

 

Dagegen erscheinen die sächsischen Fürsten, die viele Jahre einträchtig in der Vertheidigung gegen Kaiser Heinrich's Eingriffe und alle Versuche, die von diesem selbst oder seinen Anhängern zur Bezwingung

 

1) Und dieser wurde von den Fürsten gewiß dem Kaiser in gleicher Weise erwidert. Was Letzterer versprochen, besagt seine dem Papste ausgestellte Urkunde deutlich genug: Possessiones etiam omnium aliarum ecclesiarum (außer der römischen) et principum et aliorum tam clericorum quam laicorum consilio principum et justitia, quae habeo, ut reddantur, fideliter juvabo.

2) Was der Kaiser dem Übereinkommen gemäß, das zu Metz zwischen ihm und Siegfried einst stattgefunden, jetzt zurückerhielt, ist nicht zu erweisen; doch kam ein bedeutender Theil der orlamündischen Allodien an Siegfried II., den zweiten Sohn Otto's von Wallenstedt, der, obschon ein Bruder Siegfried's I., weder selbst, noch sein ältester Sohn Albrecht der Bär das Erbe erhielt, sondern Beide für eine Secundogenitur verzichten mußten. Mit Siegfried II. beginnt die jüngere weimar-orlamündische Linie.

 

 

 

____

363 Zerwürfnisse in Sachsen.

 

des Landes gemacht waren, sich gezeigt und noch 1121 durch Aufrechterhaltung eines Landfriedens den schönsten Beweis ihrer Ordnungsliebe und Sorge für Sicherheit gegeben hatten, bald nach der allgemeinen Aussöhnung mit dem Kaiser unter sich zerfallen, und zwar gerade die, welche früher am engsten verbunden gewesen, drohten um eines unbedeutenden Anlasses wegen einen heftigen Kampf zu beginnen, der also berichtet wird. Herzog Lothar hatte seinen Sitz von Suplingenburg nach der Blankenburg am Harz verlegt und wollte es nicht dulden, als Vasallen des Bischofs Reinhard von Halberstadt die nahe gelegene Heimenburg, die im Jahre 1113 vom Kaiser zerstört und später niedergebrannt worden, herzustellen unternahmen. Eilig zog er mit einem großen Heere davor und schwur nicht eher von seinem Vorhaben abzustehen, als bis die Heimenburg wieder niedergerissen werde. Bald zog ihm der Bischof Reinhard in Verbindung mit Markgraf Heinrich von Stade, Heinrich von Eilenburg, Graf Ludwig von Thüringen und einem Grafen Rudolf, wahrscheinlich einem Sohne des alten Markgrafen Rudolf von Stade, entgegen 1). Diese Helfer des Bischofs waren alles Fürsten, die durch Blutsverwandtschaft oder Ehebanden aneinander geknüpft waren 2). Ihre Feindschaft gegen Lothar findet den nöthigen Aufschluß in einem anderen Ereignisse in der Grafschaft Stade, welches wir hier am schicklichsten einschalten, wenn sein erstes Entstehen schon einer früheren Zeit angehört und an Vorfälle sich knüpft, die in den ersten Abschnitten berichtet worden sind.

 

Man erinnere sich, daß Graf Friedrich, der Angle zubenannt, durch des Kaisers Verwendung die Verwaltung der ihm von dem Markgrafen Rudolf entzogenen Grafschaft Stade wieder erlangte.

 

1) Ann. Saxo ad 1123: Proxima feria post Natale Domini quidam ex parte Episcopi Halberstadensis Heimenburg reaedificant ad injuriam Ducis Liuderi, qui castrum non longe positum Blankenburch tunc insedit. Cum subito praedictus Dux rapta acie praedictum castrum obsidione vallat. Nec mora Episcopus Halberstadensis, Marchio Henricus de Stade, Marchio Henricus de Ilburch - - Comes Ludowicus de Thuringia, Comes Rothulfus ad congrediendum Duci Liudero unanimes conveniunt.

2) Heinrich von Eilenburg hatte die Tochter Udo's und Schwester Heinrich's von der Nordmark geheirathet. Alb. Stad. p. 192 (edit. Helmstadii 1587): Marchio Udo ex Ermegarda genuit filiam, quam duxit Marchio Hinricus putativus frater Rikenzen Imperatricis. Ludwig war desselben Udo's Schwager, also Heinrich's von Stade Onkel; endlich Comes Rothulfus ist wol Rudolf von Freckleben oder von Frankenleve, der zweite Sohn des älteren Rudolf's. S. über diesen Rudolf von Freckleben Wersebe's Gauen S. 250.

 

 

 

____

364 Siebenter Abschnitt.

 

Bald wußte Friedrich durch seine geistige Ueberlegenheit und mittels der großen Reichthümer, die er — angeblich auf sehr schnöde Weise — erworben, sowol den alten Rudolf als auch den jungen Heinrich um alles Ansehen in der Grafschaft zu bringen und sich der Lehnsverpflichtung gegen Beide fast gänzlich zu entziehen 1). Endlich wurden Rudolf und Heinrich über den Uebermuth ihres Vasallen entrüstet, weil dieser nicht nur Stade, sondern auch manches andere Gut ihnen entriß und überall nicht als der Untergebene, sondern als der Höhere zu schalten und walten sich erkühnte. Doch so gefährlich war ihnen der einst kaum für einen Freien Geachtete geworden, daß sie nicht öffentlich ihn Feind und Verräther zu nennen, zur Rechenschaft zu ziehen, zu strafen wagten. Onkel und Neffe, sonst Gegner untereinander, verbanden sich gegen Friedrich insgeheim und überfielen mit Heeresmacht Stade. Schon drangen sie zu einem Thore der Stadt herein, als Friedrich durch das andere ihnen entwischte und durch Nacht und Wald geschützt seine Flucht trotz allen Nachstellungen glücklich bewerkstellte 2). In solcher Hülflosigkeit beschloß der Flüchtige, um Alles Gebrachte sich an den Mann zu wenden, den er vormals freilich trotz Beistand des Kaisers als einen Schiedsrichter gegen sich gehabt, den er aber als ebenso rechtlich wie mächtig kannte und den er dadurch für sich zu gewinnen hoffte, daß er ihn als Oberlehnsherrn anerkennen und ihm Versprechungen anderer Art machen wollte. Doch dieser Mann, Herzog Lothar, durfte nicht erst bestochen werden 3). Er erkannte das Unrecht, welches dem arglistig Überfallenen Friedrich geschehen war, und das genügte ihm, um hier Beistand zu leisten und den Verjagten zu restituiren. Doch in Stade hatte sich Rudolf als Gebieter Gehorsam verschafft, die Veste in besten Vertheidigungszustand gesetzt, sodaß weder Friedrich noch der Herzog selbst ihm mehr als Vörde im Bremerlande abzugewinnen vermochten. Hier legte Lothar eine Veste an, von wo aus er den Kampf gegen Rudolf mit Nachdruck fortzusetzen hoffte 4);

 

1) Alb. Stad. ad 1112 p. 154 a: (Fridericus) restitutus in integrum dominos suos humiliare studiosissime semper laboravit et efficaciter suppeditavit, utpote affluentia rerum abundanti et ingenii vigore proeminenti.

2) Alb. Stad. a. a. O., Krantz, Metrop. lib. VI, cap. 2, p. 144.

3) Zwar Krantz a. a. O.: (Ducem) auri fulgure victum in suas partes traduxit, während Alb. Stad. nur sagt: (Fridericus) ipsi et quae potuit, et quae non potuit, dedit.

4) Ebendaselbst heißt es von Lothar's Bemühungen: Castrum Vorde aedificavit et totius Saxoniae vires ad Fridericum restituendum informavit. Otho in Catalogus Archiepiscop. Brem. apud Menck. III, p. 788 setzt die Erbauung der Veste Vörde mit Recht ins Jahr 1122.

 

 

 

____

365 Zerwürfnisse in Sachsen.

 

da brachen die Händel mit Reinhard von Halberstadt wegen der Heimenburg aus. Den stadischen Markgrafen, die in Friedrich's Besitzungen sich getheilt hatten, konnte nichts willkommener sein, als daß Lothar durch einen Kampf in entfernten Gegenden von den Grenzen Stades abgezogen würde. Sie mochten an dem Zerwürfniß Lothar's und Reinhard's, das wol einen tieferen und älteren Grund als den genannten und allein berichteten hatte 1), längst mitgewirkt haben. Gern boten sie dem Bischof ihre Streitkräfte an, wenn dieser den Herzog durch einen wirksamen Anlaß aus dem Norden zu entfernen verstände. So erklärt sich, daß mit der Errichtung der Heimenburg, die man während des Kampfes gegen den Kaiser nicht ins Werk gesetzt, ein mit dem Herzoge abgeschlossener Vertrag verletzt, ein feindseliges Unternehmen wider ihn begonnen war. Wohl vorbereitet muß Alles gewesen sein. Dafür zeugt nicht blos die Schnelligkeit, mit der die halberstädter Veste aufgebaut wurde, sondern auch die schnell zusammengezogene Macht des Bischofs Reinhard, der stadischen Fürsten und ihrer Verwandten aus Thüringen und Meißen, die den Herzog vor Heimenburg überraschten. Dieser aber stellte an der Spitze seiner sieggewohnten Scharen sich ihnen kühn entgegen. Da nahte ein Friedensvermittler, der sonst nur unermüdlich zu Krieg und Zwietracht im Reiche aufreizte, der Erzbischof Adalbert von Mainz, damals wieder in Sachsen verweilend, wo er immer nur erschienen war, wenn er wider Kaiser Heinrich die Großen des Landes in Waffen rufen wollte. Ob dieses auch jetzt wieder

 

1) Der Aufbau der Heimenburg geschah gewiß, als Lothar im Bremerlande stand. Des Ann. Saxo Worte: Subito Dux rapta acie castrum obsidione vallat sind demnach so zu verstehen, daß Lothar mit einem Theile seines Heeres vom Norden nach dem Süden aufbrach, die Heimenburg schon hergestellt fand und sie nur mit Gewalt niederreißen konnte. Wegen der Nähe von Blankenburg war die hergestellte Veste dem Herzog gefährlich und fand darüber gewiß ein Vertrag mit Reinhard statt, weshalb Ann. Saxo den Aufbau ob injuriam Liuderi Ducis nennt. Daß Reinhard eine vertragswidrige Handlung gegen seine früheren Verbündeten begann, ist entweder aus Aufreizung Anderer, oder aus eigenem Grund zum Haß gegen Lothar geschehen. Für Ersteres sprechen des Bischofs Verbündete, für Letzteres, daß Reinhard als ein geborener Graf von Blankenburg diese Stammburg seines Hauses ungern im Besitze Lothar's sah und derenthalb sogar sich noch zum Nichtwiederaufbau der Heimenburg verpflichten mußte. Doch können auch andere Mishelligkeiten zu beider Männer Entzweiung mitgewirkt haben.

 

 

 

____

366 Siebenter Abschnitt.

 

seine Absicht war? Ob er die gegeneinander gerüsteten sächsischen Großen nur aussöhnen wollte, um Herzog Lothar und den ganzen Bund von früher gegen den Kaiser aufzureizen? „Schon begann der Saame neuer Zwietracht zu keimen, der im folgenden Sommer einen verderblichen Krieg zwischen dem Kaiser und dem Herzog Lothar in der Provinz Holland hervorrief.“ Mit diesen Worten leitet der sächsische Annalist die Vorfälle in Sachsen und Holland ein und gibt dadurch nicht undeutlich zu verstehen, daß jene der Anfang neuer Zerwürfnisse im Reiche waren. Erscheint nun dabei Adalbert von Mainz wieder thätig, so drängt die Vermuthung uns sich auf, daß er feindliche Absichten gegen den Kaiser im Schilde geführt. Doch muß er — was freilich ihm keineswegs unähnlich sieht — diesmal sehr versteckt den Agitator gemacht haben und lange im Hinterhalte verborgen gewesen sein. Daß er aber in der That von dem Verdacht eines sehr zweideutigen Benehmens gegen Heinrich wie gegen Lothar nicht freigesprochen werden darf, wird bei einem späteren Ereignisse sich ergeben. Vor Heimenburg bewog er die Gegner des Herzogs, jene Veste abermals niederzubrennen und, um ihren Aufbau zu verhüten, die Ruinen Lothar zu überlassen, der somit völlig als Sieger aus diesem Streite heimkehrte 1).

 

Wenden wir uns nun zu den Ereignissen im Nordwesten des Reichs, die der Zeit nach kurz vorausgehend 2) unfehlbar auf die schnelle Beilegung der Händel in Sachsen einwirkten, zugleich aber einen neuen Krieg in Deutschland herbeiführten, durch den die frühere Opposition der Fürsten gegen den Kaiser wieder ins Leben gerufen wurde.

 

Nachdem Heinrich zu Bamberg in weltlichen und geistlichen Dingen Anordnungen getroffen, die für den Frieden, für die Beruhigung Deutschlands eine Bürgschaft zu geben schienen, begab er sich nach dem Rhein, zog den Fluß entlang und feierte Weihnachten

 

1) Ann. Saxo a. a. O.: Quibus Dux obviam nihil veritus procedit. Tandem consulente Archiepiscopo Mogontino, qui Duci in auxilium venerat, in potestatem Ducis castrum redigitur et comburitur. Dux victor remeat.

2) Ann. Saxo setzt auf den zweiten Weihnachtsfeiertag, proxima feria post natale Domini, die Aufrichtung der Veste Heimenburg. Die Belagerung derselben durch Lothar, der Anzug seiner Gegner und die Dazwischenkunft Adalbert's, und endlich die Schlichtung des Streites müssen rasch aufeinander gefolgt sein, da am 27. Februar bereits Reinhard von Halberstadt mit Tode abging. Vielleicht ist unter dem Datum des Chronisten der Anzug Lothar's zu verstehen, dann stände die Begebenheit den Vorfällen in Utrecht noch näher.

 

 

 

____

367 Holländische Fehde.

 

1122 zu Utrecht. Aus einem Streite zwischen dem kaiserlichen Gefolge und den Dienstleuten des Bischofs erhob sich ein Aufstand, der die ganze Bürgerschaft in Waffen rief 1). Zu des Kaisers Ohren kam das Gerücht, daß in der Stadt eine Verschwörung gegen ihn und zwar schon vor seiner Ankunft angezettelt sei, und daß der Bischof Gundobald es übernommen habe, durch Händel, die seine Vasallen mit den Hofleuten anfangen sollten, zur allgemeinen Schilderhebung der Bürger einen Anlaß zu geben 2). Da unter solchen Umständen das Leben des Kaisers in Utrecht gefährdet schien, suchte man seine Person durch schleunige Entfernung aus der Stadt in Sicherheit zu bringen. Eilig muß Heinrich's Flucht gewesen sein, da wir ihn schon am 28. December in seinem geliebten, ihm am treuesten anhängenden Speier antreffen 3). Unterdessen setzten in Utrecht die Seinen, wenn auch nicht an Zahl, doch an Tapferkeit und Erfahrung den rohen Bürgern überlegen, den Kampf entschlossen und mit glücklichem Erfolge fort, nöthigten jene, sich in die Burg zurückzuziehen, nahmen viele von ihnen gefangen und bemächtigten sich auch der Person des Bischofs, der von der Anschuldigung des Majestätsverbrechens sich nicht reinigen konnte. Ein strenges Gericht gegen ihn, eine nachdrückliche Züchtigung der Unterthanen desselben wurde von Heinrich gefodert. Dies regte im ganzen Reiche die kaum besänftigten Prälaten und Fürsten auf. Für den gefangenen Gundobald erhoben sich die ganze Provinz Holland und die benachbarten Gegenden, indem sie theils bittende Vorstellungen dem Kaiser machen ließen, denen besonders der Erzbischof Friedrich von Köln seine Unterstützung lieh 4),

 

1) Chron. Ursp. ad 1123: Oritur in ipsis festis diebus quaedam simultatio inter aulicos et Episcopi ministeriales, quae etiam co processit, ut universa curia simulatque civitate commota utriusque partis armatae concurrerent cohortes.

2) Dies folgt wenigstens, wenn jener clamor confusus, quasi a Trajectensibus in Imperatorem conjuratio sit facta, auch den Bischof quasi pravi consilii participem et ob hoc Majestatis reum nannte, da die simultatio inter aulicos et Episcopi ministeriales erst die Bürgerschaft in Waffen rief. Alles mußte dann schon vorbereitet gewesen sein.

3) S. die Urkunde bei Herrgot Geneal. Habsb. II, p. 136, die Stenzel sehr richtig auf 1122 unserer Zeitrechnung zurückführt, wenn dort auch 1123 (da sie nach Weihnachten, dem damaligen Jahresanfang, ausgestellt) steht.

4) Ann. Saxo a. a. O.: Multis etiam principibus illarum partium intervenientibus et maxime Friderico Coloniensi Archiepiscopo vix redimitur. Die Verwendung für den Bischof erfolgte gewiß gleich nach seiner Verhaftung.

 

 

 

____

368 Siebenter Abschnitt.

 

theils durch Kriegsrüstungen sich entschlossen zeigten, die Städte, Vesten und jeden haltbaren Ort im Bisthume im Falle des Angriffs gegen Heinrich zu vertheidigen. Dieser aber achtete weder der Bitten, noch der Fürsprecher, ja fand die Gelegenheit günstig, nicht nur an der Diöcese Utrecht Rache zu nehmen, sondern auch noch den Kölnern und ihrem Erzbischof es zu vergelten, daß sie eine seiner Burgen im vorigen Jahre zerstört hatten 1). Der Rath der Gemäßigten, den dem Reiche so wohlthätigen und nothwendigen Frieden nicht wieder zu stören, fand vor Heinrich's beleidigtem Stolze kein Gehör. Mit großem Eifer betrieb er die Kriegsrüstungen am Oberrhein, wo er bald zu Speier, bald zu Straßburg mit seinen Anhängern und Ergebenen Hof und Berathungen hielt 2), in letztgenannter Stadt den früher schon einmal verjagten Bischof Konrad nun vollends entsetzen ließ 3), weil derselbe beschuldigt wurde, zu dem Tode des dem Kaiser unveränderlich treu gewesenen Berthold's von Zähringen Veranlassung gegeben zu haben.

 

Um Pfingsten des Jahres 1123 zog Heinrich mit einem großen Heere gegen Holland, um die Widerspenstigen zu züchtigen. Sehr thätig für die Sache ihres Vaterlandes hatte sich eine Frau gezeigt, Gertrud, die Witwe des Grafen Florentius von Holland, die für ihren unmündigen Sohn Dietrich die Regierung führte. Sie verzagte nicht und zeigte keinen Gehorsam, als der Kaiser heranzog und die Fürsten entbot, gegen die rebellischen Unterthanen Gundobald's ihm Heeresfolge zu leisten, oder wenigstens diesen nicht Vorschub zu

 

1) Chron. Regia St. Pantal. ad 1122: Fridericus Coloniensis Archiepiscopus cum Coloniensibus Kerpene castellum Imperatoris obsidens cepit et diruit. Die nähere Veranlassung ist schwer zu finden, vielleicht waren es diese Händel, welche den Kaiser nöthigten, den angesagten würzburger Reichstag wieder abzusagen.

2) S. die verschiedenen Urkunden, die er in beiden Städten ausstellte, bei Raumer II, S. 521 und berichtiget Stenzel II, S. 335 und 36.

3) Daß der Kaiser dazu mitgewirkt, geht aus dem Grund, der zu Konrad's Entsetzung von dem Kapitel angegeben wurde, hervor. Ann. Saxo ad 1123: Cono Strassburgensis Episcopus solo nomine, quare in nece Bartholdi Ducis consensit, ab Episcopatu deponitur et Bruno Babenbergensis Ecclesiae Canonicus ibidem Episcopus constituitur. Daß das Kapitel in Straßburg dem Kaiser ergeben war, zeigt Adalbert's von Mainz Schreiben an den Papst, Martene I, p. 677. In welcher Weise Konrad an Berthold's Tode Theil gehabt, ist nicht bekannt. Diesen meldet Chron. S. Pant. ad 1122: Bertolfus Dux de Zaringen, assultum ad villam Mollenheim incaute faciens, occiditur, vir vere egregius, Imperatori fidissimus.

 

 

 

____

369 Holländische Fehde.

 

thun. Was Gertrud so kühn machte, den Befehlen Heinrich's zu trotzen, war das Vertrauen auf den Beistand ihres Stiefbruders, des Herzogs Lothar 1). Ohne daß der Kaiser diesem eine persönliche Beleidigung angethan, sehen wir den Herzog in die Angelegenheiten des utrechter Bisthums sich mischen. War es das Gefühl der Uebermacht, was denselben mit dem Reichsoberhaupte sich zu messen auffoderte, wie er vor kurzem Sieger über viele verbundene Fürsten gewesen? Er verdankte diesen Sieg nicht den Waffen, höchstens seiner Unerschrockenheit vor der großen Zahl der Gegner, vornehmlich aber der Vermittelung Adalbert's von Mainz. Er hatte vordem mit Aufbietung aller seiner Streitkräfte nicht den vertriebenen Grafen Friedrich von Stade einsetzen können, und dieses scheint nur durch Vermittelung des neuen Erzbischofs Albero, eines kräftigeren Mannes als dessen Vorgänger Friedrich, zum Theil erreicht worden und durch Rudolf von Stade, so lange er lebte, der gehaßte Lehnsmann nicht in den Besitz der entrissenen Güter gekommen zu sein 2). Lothar's Stolz auf Vortheile, die er mehr Anderen als sich zu verdanken hatte, wäre sehr eitel gewesen und hätte schwerlich den sonst so besonnenen Mann zu einem Kampfe mit dem Kaiser bewogen. Zeigte sich aber der Herzog, als er Friedrich, der ihm doch manchen Schaden, manche böse Händel in früheren Jahren zugezogen, die rechtmäßig demselben gebührende Verwaltung der Grafschaft Stade wieder zuwenden wollte, als er den Bischof Reinhard und dessen Verbündete zum Niederbrechen einer Veste zwang, die wider Recht und Vertrag aufgebaut war, in seiner sonst auch erkennbaren Weise als Eiferer gegen Ungerechtigkeit und Willkür, so darf man auch wol voraussetzen, daß er gegen Heinrich aus derselben Ursache das Schwert zog und durch dessen gehobene Macht, durch den Schrecken des kaiserlichen Namens sich nicht abhalten ließ, das Gut des gewaltsam gefangen gesetzten Bischofs von Utrecht zu vertheidigen.

 

1) Chron. Ursp. und Ann. Saxo sagen übereinstimmend, nur daß dieser noch den Namen der Gräfin nachholt: Ubi matrona quaedam soror nimirum Lotharii Ducis (Gertrudis sive Petronella) cujus et patrocinio confisa Imperatori rebellare praesumebat.

2) Wenn Alb. Stad. einmal berichtet p. 154 a: Tandem mortuo Rodolfo Fridericus restitutus est priori possessioni; und dann p. 155 b ad 1123: Comitatum Stadensem, quem prius Fridericus habuit in administratione, obtinuit (scilicet idem) per pecuniam ab Archiepiscopo Alberone in beneficio, so ist an eine theilweise Restitution zu denken, die erst, als im folgenden Jahre Markgraf Rudolf starb, dem Grafen Friedrich völlig zu Theil wurde.

I. 24

 

 

 

____

370 Siebenter Abschnitt.

 

Offenbar hatte Heinrich wider sein in Würzburg gegebenes Versprechen 1) gehandelt, als er Gundobald, ohne ihn des Majestätsverbrechens zu überführen, trotz der Fürsprache und Bürgschaft der angesehensten Fürsten in enger Haft behielt und unterdessen des Bischofs Unterthanen bekriegte. Der Auflauf in Utrecht, an dem jedenfalls seine eigenen Hofbeamten mitschuldig gewesen, verdiente wol nicht den verpönten Namen Rebellion und war mehr dem Zufall, augenblicklicher Aufregung und Streitlust, als einer vorbereiteten Verschwörung beizumessen. Das Verfahren Heinrich's gegen Gundobald war eine Wiederholung Dessen, was er einst an Siegfried vom Rhein und, wie man damals in Deutschland sagte, an Adalbert von Mainz gethan, und doch muß die Nachwelt diese beiden Männer, da sie hinterher den Geist der Widersetzlichkeit, der Empörung unbezweifelbar kundgaben, für schuldiger erklären als Gundobald, den weder vor noch nach seiner Gefangenschaft gerechter Vorwurf trifft. Wenn die Zahl der Fürsten, die laut und öffentlich des Kaisers Heeresrüstung gegen Holland tadelten und derselben sich kräftig widersetzten, verglichen mit dem in ganz Sachsen und anderen Provinzen über die genannten früheren Fälle übereilter Strenge ausgebrochenen Unwillen klein war, so liegt die Ursache wol in dem geringeren Ansehen, dessen ein Bischof von Utrecht in Deutschland genoß, im Verhältniß zu einem Siegfried, der, selbst ein mächtiger Fürst, mit noch mächtigern in Verwandtschaft stand, oder zu einem Adalbert, der den ersten geistlichen Stuhl in Deutschland, ja den ersten nach dem päpstlichen in der Welt besaß. Sodann war Deutschland jetzt des Bürgerkrieges müder und scheute mehr dessen neuen Ausbruch. Von dem alten Bunde, der einst gegen des Kaisers Willkür und Herrschsucht geschlossen, waren einige Fürsten durch Gunstbezeugungen und Gaben an ihn gefesselt, noch mehre aus der Welt geschieden. Gerade im Jahre 1123 raffte der Tod viele sächsische Große hinweg. Reinhard von Halberstadt starb Ausgang Februar 2), bald danach die Grafen Ludwig von Thüringen und

 

1) Jene Eidesformel Cod. Udalr. Nr. 309: Non te capiet (Imperator) - - nisi in antea sis contra eum et convictus fueris. Freilich war es bei Empörungen unthunlich, erst Rebellen ihre Schuld nachzuweisen. Doch um Gundobald's Vergehen zu prüfen, war von Weihnachten bis Pfingsten Zeit genug gewesen, und die Fürsprache der Fürsten und Friedrich's von Köln durfte Heinrich nicht verachten, höchstens eine Bürgschaft fodern. Die Art der späteren Aussöhnung mit Gundobald stellt den Kaiser in noch nachtheiligerem Lichte dar.

2) Chronogr. Saxo ad 1123, Ann. Saxo haben Kalend. Martii, doch enthielt die Lücke davor wol eine Ziffer, die Fragm. Chron. Lüneb. durch III. Kal. Martii ergänzt. Andere Abweichungen über den Todestag Reinhard's s. Stenzel II, S. 336.

 

 

 

____

371 Holländische Fehde.

 

Otto von Ballenstadt, nachdem ersterer kurz zuvor nach Gewohnheit jener Zeit sein vielbewegtes, kriegerisches Leben mit einer mönchischen Ascetik vertauscht hatte. Auch Heinrich von Eilenburg erlag in noch jugendlichem Alter einem Gifte, das von unbekannter Hand ihm beigebracht worden 1). So fand denn Herzog Lothar keinen Kampfgenossen als den Bischof Dietrich von Münster 2), wenn unfehlbar auch Adalbert von Mainz, Friedrich von Köln und mancher Andere seinen Eifer für die Sache Gundobald's insgeheim begünstigten und in Sachsen Keiner seine Abwesenheit an der Westgrenze Deutschlands benutzte, um in seinem Rücken ihm Händel zu erregen, auch Rudolf von Stade und Wiprecht von Groitsch nicht, von denen solches leicht zu erwarten stand. Daß Lothar als Herzog von Sachsen, als mächtigster Fürst von Norddeutschland eine Befugniß zu haben glaubte und sie wirklich hatte, jedem Bedrängten seinen Beistand oder Schutz angedeihen zu lassen, braucht kaum noch als ein Gewicht in die Wagschale gelegt zu werden, die ohnedies zur Rechtfertigung seines jetzigen Unternehmens schwer sich niedersenkt, während Heinrich's Schale leer an gerechten Ursachen zur Erneuerung des Bürgerkrieges leicht in der Luft schwebt. Und nicht einmal ein glänzender Erfolg rechtfertigte des Kaisers Feldzug. Er hatte denselben mit Belagerung der Veste Schulenberg 3) begonnen. Tapfer vertheidigten diese Gundobald's Dienstmannen, da sie auf Ersatz von Sachsen her und auf Gertrud's Unterstützung rechnen durften. Schnell hatten Lothar und Dietrich von Münster ihre Kriegerscharen versammelt und bezogen ein festes Lager, das von dem kaiserlichen nur durch einen Sumpf getrennt

 

1) Ann. und Chronogr. Saxo a. a. O.: Obierunt Lodowicus Comes de Thuringia, Monachus factus, et Otto Comes de Ballenstad. Henricus quoque Marchio de Ilburg veneficio interiit. Vergl. Chron. Sampetr. ad 1123, Lib. de fundat. Monast. Gozec. p. 116, Pegauer Mönch p. 124, Chron. Halberst. z. g. J. und andere Chronisten. Alb. Stad. verwechselt Heinrich von Stade mit Heinrich von Eilenburg. Dieser hatte noch nicht sein zwanzigstes Jahr zurückgelegt. Sein kinderloser Tod rief Fehden hervor, die abermals den Reichsfrieden störten.

2) Ann. Saxo: Dux Liuderus et Theodoricus Monasterii Episcopus — contra Imperatorem rapta avie vadunt et non longe invicem fixis castris considunt.

3) Ann. Saxo a. a. O.: Imperator circa Pentecosten ad fines occidentis venit, Sculenberg ad injuriam Episcopi Trajectensis Godebaldi obsedit.

24*

 

 

____

372 Siebenter Abschnitt.

 

wurde, der ein augenblickliches Zusammentreffen verhinderte, so kampfbegierig auch die Heere und deren Führer waren. Da Lothar Alles darauf ankam, die Besatzung der bischöflichen Veste durch Einfuhr von Lebensmitteln und durch neue Mannschaft zu standhaftem Ausharren zu ermuthigen, da einerseits, ohne Schulenberg einzunehmen, der Kaiser nicht tiefer in das Land vordringen konnte, andererseits die Zeit der Heeresfolge der mit ihm gezogenen Fürsten und Völker immer nur kurz war, so suchte er durch einen scheinbaren Angriff gegen die kaiserliche Burg Deventer Heinrich zum Abzuge zu veranlassen und zugleich ein Treffen herbeizuführen. Erstere Absicht glückte vollkommen. Kaum war er gegen Deventer aufgebrochen, als der Kaiser auf einem anderen Wege dahin nachfolgte. Nun nahte sich eiligst der Herzog der Veste und brachte Lebensmittel und Soldaten hinein. Uebereilt hatten aber die von Münster einen Sturm gegen Deventer gewagt, zwar anfangs mit gutem Erfolg mehre Befestigungswerke zerstört, dann aber von Seiten der Besatzung so tapferen Widerstand gefunden, daß sie mit Verlust sich zurückziehen und dem herannahenden kaiserlichen Heere ausweichen mußten. Jetzt schien indeß Lothar eine Schlacht auch zwecklos, da er seine Absicht in Schulenberg erreicht hatte. Andere Vorfälle im Osten mahnten ihn zur Rückkehr nach Sachsen 1). Auch der Kaiser, sei es, daß er an dem guten Erfolg in einem Lande, das durch so viele Schwierigkeiten jeden raschen Fortschritt hemmte, verzweifelte, sei es, daß die Zeit der Heeresfolge bald abgelaufen, gab seinen früheren Zorneifer auf und hörte nun williger auf die Vorstellungen der Fürsten, die um Gundobald's Freilassung baten, sowie um Einstellung der Feindseligkeiten gegen die schuldlosen Bewohner des Bisthums, die doch ganz mit Unrecht entgelten mußten, daß ein Vorfall, der den Kaiser beleidigt hatte, ihnen Krieg und Verheerung brachte. Um seinem Ansehen bei der Versöhnung mit einem Manne,

 

1) Die im Text erzählten Kriegsereignisse finden sich bei Ann. Saxo a. a. O.: His actis (die Verproviantirung und Einlagerung in Schulenberg) voti sui compos remeat. Ob auch Lothar friedliche Vorstellungen dem Kaiser gemacht, wie Luden IX, S. 387 meint, lasse ich dahin gestellt. Wahrscheinlicher ist, daß der Kaiser sich zur Nachgiebigkeit geneigter gezeigt und versprochen, wenn Lothar sich des Kampfes enthalte und man ihm die Entscheidung anheimstelle, gegen Holland nichts zu unternehmen und den Bischof von Utrecht auf freien Fuß zu setzen. Für seine Schwester scheint wenigstens Lothar unbesorgt gewesen zu sein, sonst hätte er sie wol nicht dem Kaiser preisgegeben. Sie mußte also unter Denen, welchen Heinrich Verzeihung versprach, mitbegriffen sein.

 

 

 

____

373 Otto, Bischof von Halberstadt.

 

der eines Majestätsverbrechens schuldig geschienen, nicht zu viel zu vergeben, mußte die Kaiserin Mathilde die Vermittlerin spielen und ihre Fürbitte mit dem Dringen der Fürsten verbinden, Gundobald aber eine ansehnliche Summe Geldes für seine Freilassung entrichten und die im Kriege unbezwungen gebliebene Veste Schulenberg nun im Frieden niederbrennen lassen 1). Die erwähnten Todesfälle in Sachsen waren für dieses Land von nachhaltiger Bedeutung und führten in kirchlichen und weltlichen Angelegenheiten mancherlei Veränderungen und leider neue Verwirrungen herbei. An die Stelle Reinhard's, der ein geborener Graf von Blankenburg gewesen 2), war durch den Einfluß und die Mitwirkung des Herzogs Lothar, Wiprecht's von Groitsch und des Erzbischofs Rutger von Magdeburg der Propst Otto von St.-Sebastian aus Magdeburg zum Bischofe erwählt 3); doch zeigte sich Adalbert von Mainz nicht mit ihnen einverstanden, misbilligte das Verfahren bei der Wahl, weil sie zu rasch und eigenmächtig vorgenommen worden, war auch mit dem Erwählten unzufrieden, weil Otto aus einer fremden Diöcese berufen sei, und zögerte lange mit der Weihe, die nur von ihm als dem Metropolitanen, unter welchem Halberstadt stand, vollzogen werden durfte. Später scheint er sich nachgiebiger gezeigt zu haben, vielleicht, weil der Kaiser, die beiden sächsischen Fürsten und der Erzbischof Rutger ihm in Betreff der kirchlichen Belehnung mit Ring und Stab, die er als päpstlicher Stellvertreter in Deutschland foderte, willfahren mochten 4). Denn

 

1) Kurz berichtet Ann. Saxo a. a. O.: Godebaldus Trajectensis Episcopus gratiam Imperatoris per interventum Imperatricis adnitentibus Principibus obtinet. Sculenberg concrematur. Der Geldsumme, welche Gundobald zahlen mußte, erwähnt er gleich bei der Gefangennehmung: custodiae traditur, a qua postea magna pecuniae summa mulctatus multis etiam principibus intervenientibus etc. redimitur.

2) Er hatte noch zwei Brüder, Konrad und Siegfried, sein Vater war Poppo von Blankenburg, und später erscheint wieder ein Poppo von Blankenburg, der ein Enkel jenes, ein Sohn Konrad's oder Siegftied's sein mochte. S. Martene I, p. 679, nota b. Wie Herzog Lothar in den Besitz vom Schloß Blankenburg kam, ist unbekannt, daß dieses vielleicht den Anlaß zum Zerwürfniß mit Reinhard gegeben, ist früher schon in Erwägung gebracht.

3) Daß die drei Genannten für Otto sich besonders thätig gezeigt, erhellt aus Rutger's von Magdeburg Schreiben an Otto von Bamberg, Martene, Coll. I, p. 681.

4) Martene I, p. 680: Adalbert wirft der halberstädter Geistlichkeit vor: extra morem ecclesiasticae consuetudinis in onmi causa vestra processistis, quia et de alia ecclesia personam elegistis et eandem quadam nova usurpatione annulo et baculo tanquam investire non abhorruistis. Daß er später nachgiebiger gewesen, zeigt der darauf folgende Brief Rutger's an Otto von Bamberg: Moguntinus nostram pro eo legationem et praesentiam, ipsius etiam personam clementer suscepit et ductis secum ad Domnum Imperatorem legatis nostris, consilium suum et favorem benignum nobis promisit. Doch zog sich die Ordination Otto's bis Ende Mai hin: Nos sibi Schlikenvelde pro intelligendo nostrae petitionis fine V. Kal. Junii obviam venire praecepit.

 

 

 

____

374 Siebenter Abschnitt.

 

Adalbert, der bei dem Investiturstreite weniger einen Sieg des Papstes als den eigenen Triumph über des Kaisers Machtausübung bei Besetzung der Bisthümer gewünscht hatte, war durch das wormser Concordat, das dem Papst die kirchliche Investitur zugesprochen, wenig zufriedengestellt. Weil er indeß als päpstlicher Legat die Weihe der Geistlichen vollziehen durfte, wachte er eifersüchtig, daß ihm Niemand dies Vorrecht verkümmere. „Nur dem Weihenden stehe es zu“, schrieb er an die halberstädter Geistlichen, „Ring und Stab zu verleihen. Sie aber hatten den Erwählten auf eine vom kanonischen Rechte ganz abweichende, anmaßliche Weise investiren lassen“. — Ob dieser Vorwurf mehr gegen den Kaiser, der die weltliche Investitur zu vergeben hatte und an den sich deshalb das halberstädter Kapitel wandte, oder gegen Rutger, der die Wahl Otto's abgehalten 1), oder gegen Lothar und Wiprecht, unter deren Beistand dieselbe vollzogen worden, ist nicht erweislich. Gewiß suchte Rutger ihn zu beschwichtigen, übertrug ihm, was noch zu thun übrig war, und Adalbert versprach seinen Rath und Beistand, und für Otto auch beim Kaiser die Bestätigung auszuwirken. Wirklich begab er sich an Heinrich's Hof, mehr aber um für sich Vortheile zu erlangen, als Otto's Sache zu beschleunigen 2). Sehr erwünscht kam ihm die neue Feindschaft zwischen Heinrich und Lothar, bei der er es diesmal für gerathener achtete, von dem alten Kampfgenossen sich zu trennen und dem Kaiser seine Dienste im Felde anzubieten, wofür

 

1) Martene I, p. 681. Rutger schreibt: Electionem nostram in Domino Oddone. Vergl. Anmerk. 6 daselbst.

2) Deshalb wendet Rutger sich an Otto von Bamberg: Ut ad confirmandam electionis in Domno Oddone — tam apud Imperatorem quam apud Domnum Moguntinum Archiepiscopum vestra nobiscum in Domino stutere dignetur sapientia. Zum Schlusse bittet er Otto bei der Zusammenkunft, die ihm (Rutger'n) Adalbert zu Schlikenfelde am 27. Mai zugesagt habe, legationem cum literis et idoneis nuntiis in auxilium dirigi. Also war Rutger's Verhältniß mit Adalbert noch immer gespannt; der rechtliche und kluge Otto von Bamberg wird gegen den arglistigen Mainzer als Vermittler zu Hülfe gerufen.

 

 

 

____

375 Meißner Erbfolgekrieg.

 

Heinrich ihm denn in der halberstädter Bisthumsangelegenheit mehr gestattete, als er sonst eingeräumt haben würde 1).

 

Was des Kaisers heftigen Haß gegen Lothar erregte und ihn Alles wider diesen aufbieten ließ, war nicht allein dessen Einmischung und feindseliges Entgegentreten in Holland, sondern mehr noch des Herzogs Anordnungen in den von Heinrich dem Jüngeren von Eilenburg hinterlassenen Reichslehen. Diese hatten in der Mark Meißen, der Niederlausitz und Theilen der ehemaligen thüringer Mark bestanden. Da Heinrich keine Kinder hinterlassen, glaubte der Kaiser dessen Reichslehen nach freiem Willen vergeben zu können. Unter den sächsischen Fürsten kannte er nun keinen ergebeneren als Wiprecht von Groitsch, den er deshalb gern zu großer Macht beförderte, um Lothar's Uebermacht zu beschränken. Für diesen wäre Wiprecht ein um so gefährlicherer Nebenbuhler geworden, als derselbe an dem Böhmenherzoge, der des Kaisers steter Bundesgenosse geblieben, einen mächtigen Rückhalt hatte. Schon dies konnte Lothar bewegen, gegen Wiprecht's Belehnung mit der meißner Mark Einspruch zu thun. — Wie aber stände es um die ihm nachgerühmte Uneigennützigkeit, um die Schwerterhebung allein für Recht und altes geheiligtes Herkommen? — Wenn je, so steht Lothar in dem meißnischen Erbfolgekrieg gerechtfertigt da. Als Gemahl von Heinrich's des Jüngeren Schwester wäre es Lothar, dem in Sachsen Keiner Widerstand zu leisten vermochte, dem als erklärtem Gegner des Kaisers, dessen Zorn er zu fürchten hatte, es wenig zu verdenken gewesen wäre, wenn er, nach dem Beispiel vieler Fürsten vor ihm wie nach ihm, der Hinterlassenschaft seines Schwagers sich bemächtigt hätte, zumal Letzterer ihm für Vormundschaft und Schutz mit kleinem Lohne, ja in der halberstädter Fehde mit Undank vergolten hatte. Doch nur die Allodien, die Heinrich von seiner Mutter Gertrud erhalten, nahm Lothar für Richenza in Anspruch 2); an den Marken wollte er selbst

 

1) Dunkel ist freilich Alles, doch Lothar's Antheil bei Otto's Wahl, über die Adalbert so ungehalten ist, Adalbert's Aufenthalt bei Hofe, um Otto's Bestätigung zu bewirken, sein Bündniß mit dem Kaiser und Wiprecht von Groitsch gegen Lothar im meißner Erbfolgestreit lassen einen Zusammenhang, wie er im Texte dargestellt ist, erkennen.

2) Dieses läßt sich wenigstens aus den Worten des Alb. Stad. p. 164 b schließen: Tandem Domina Rikenze fratre impotionato sola possedit haereditatem, nachdem vorher gesagt: Henricus Marchio putativus frater Rikecen Imperatricis, quem de sclava natum ideo suum fratrem dicebat, ut hereditatem non perderet, quae in quaestione multorum posita litigiosa fuit. Wenn dagegen Chron. Mont. Ser. von Konrad sagt: Totius proprietatis Henrici Marchionis haeres efffectus est, und zwar interventu Richinzae, cujus erat cognatus, so ist hier an das Erbe Heinrich's von Vaters Seite zu denken, das Lothar und Richenza ihm gewissenhaft zuwiesen.

 

 

 

____

376 Siebenter Abschnitt.

 

keinen Antheil haben, sie aber, und wäre es gegen Kaiser und Reich, dem nächsten Erbberechtigten aus dem Hause Wettin zuwenden. Dieser war unfehlbar Konrad, der Vaterbruderssohn Heinrich's des Aelteren, derselbe, gegen den früher Lothar den jungen Heinrich schützte und in Land und Würden erhielt, obschon Konrad sich bereits seit dem Tode der Markgräfin Gertrud Markgraf zu Meißen nannte und mit Spott es seinen Vetter fühlen ließ, daß nicht das Fürstenschwert, sondern der Bratspieß sein Vatertheil sei 1). Als Heinrich selbst das Schwert führen lernte, rächte er die Beleidigungen, nahm Konrad in einer Fehde gefangen und hielt ihn in der Veste Kirchberg in enger Haft unter Foltern und Leiden 2). Dafür sollte Konrad in späteren Tagen reichen Ersatz finden, zu einem der angesehensten Fürsten in Sachsen sich erheben und durch Glück und eigenes Verdienst sogar den Namen des Großen erringen. Sobald der Tod Heinrich's ihm die Freiheit gab, suchte er seine Ansprüche an Meißen geltend zu machen, doch der Kaiser, der ihn vormals wol gegen Heinrich den Jüngeren aufgereizt, wollte nun von ihm nichts wissen, ihn und seinen Stamm als ausgestorben betrachten, einem anderen Hause die großen Lehen der Wettiner zuwenden. Schon mochte dieser neue Herr, Wiprecht von Groitsch, auf des Kaisers Belehnung hin sich der Länder versichern. Flucht zu Lothar, dem Schirmer bedrängter und beeinträchtigter Fürsten, blieb Konrad's einzige Hoffnung. Sie täuschte ihn nicht. Lothar empfing ihn freundlich, erkannte sein gegründetes Anrecht an Meißen und versprach, ihn wider Jeden, der es ihm vorenthalte, zu vertheidigen. Vom Kaiser, der noch in Holland, dann am Oberrhein verweilte, war wenig zu befürchten;

 

1) Daß Konrad vornehmlich das Gerücht über Heinrich's Geburt aussprengte, berichten Chron. Mont. Ser. a. a. O. und Annal. Vet. Cell., Menck. II, p. 383. Die Urkunde von 1119, worin Konrad sich Marchio nennt, bei Schannat, Vind, p. 114, Hahn, Collect. monum. I, p. 77, Schultes, Urkunden von Obersachsen I, S. 252.

2) Chron. Mont. Ser. ad 1126 (fälschlich statt 1122): In castro Kirchberg custodiae traditum lecto ferreo et multis malis usque ad mortem suam oppressum detinuit. Seine Befreiung ad 1127 (1123), sodaß Gefangenschaft und Befreiung nicht in das gleiche Jahr zu setzen sind, wieviel Zeit aber dazwischen liegt, ist nicht anzugeben.

 

 

 

____

377 Meißner Erbfolgekrieg.

 

darum mußte Wiprecht angegriffen und zur Verzichtleistung auf Meißen gezwungen werden, ehe jener ihm Beistand leisten konnte. Doch schon rückten auf des Kaisers Mahnung zwei andere Helfer Wiprecht's heran, von Osten der Herzog Wladislav von Böhmen 1), von Westen der Erzbischof Adalbert von Mainz. Die sächsischen Fürsten waren getheilt, doch die Mehrzahl für Lothar 2), und unter diesen besonders thätig Albrecht — gewöhnlich der Bär zubenannt — ein Sohn Otto's von Ballenstädt, schon damals ein tapferer Degen und später gleich Konrad der Begründer großer Macht. Dagegen hatte sich Hermann von Winzenburg, der lange des Herzogs Waffengefährte gewesen, auf des Kaisers Seite begeben, gelockt durch dessen Versprechen, daß er einen Theil der Reichslehen, die Heinrich von Eilenburg besessen, erhalten solle. Demnach scheint es, daß eine der Marken an Hermann, die andere an Wiprecht verliehen worden sei, und daß ebenso Lothar zweien Fürsten Erbansprüche an Heinrich's von Eilenburg Hinterlassenschaft zuerkannt habe, indem er Konrad dem Wiprecht von Groitsch, Albrecht dem Hermann von Winzenburg entgegenstellte. Ob diese letzteren Beiden um die Niederlausitz oder um Heinrich's Besitzungen in Thüringen den Kampf begonnen, dessen Ausgang uns den einen mächtig in Thüringen, den anderen im Besitz der Markgrafschaft Lausitz zeigt, ist eine noch immer nicht zu entscheidende Frage 3).

 

1) Ann. Saxo 1123: Wladislaus Dux Boemiae et Otto jussu Imperatoris tam Boemiae quam Moraviae coadunato exercitu transeuntes etc.

2) Daß mit Lothar auch andere Fürsten für Konrad's Recht sich entschieden, sagt Ann. Saxo a. a. O.: Dux Liuderus cum aliis principibus super hoc indignantibus suscepit bellum; wer diese gewesen, darüber läßt uns der Annalist im Dunkeln, der Antheil Albrecht's, so groß er war, erscheint dennoch mit mehr Eigennutz und Privatinteresse gepaart, als es bei Herzog Lothar der Fall war.

3) Albrecht's und Hermann's Antheil am Kriege berichten Vita Vip. und Chron. Sampetr. ad 1123. Ihr ziemlich gleicher Bericht lautet: Henricus Marchiio junior obiit, pro quo Imperator binos Marchiones constituit, Wigbertum quendam praedivitem et Comitem Hermannum de Winzinburg. Sed Adalbertus et Conradus Comites de Saxonia Ducis Lotharii caeterorumque Saxonum (s. die vorige Note) freti auxilio devulsis illis loco eorum pariter atque dignitates invadunt. Nirgend erscheint Hermann von Winzenburg als Markgraf, wol aber als Comes Provincialis Thuringiae, welche Würde nach seiner Entsetzung 1130 Ludwig, der gleichnamige Sohn des 1123 gestorbenen Ludwig's des Saliers erhielt. Wahrscheinlich wurde Hermann vom Kaiser durch die Landgrafenwürde in Thüringen für die lausitzer Mark entschädigt, die Albrecht der Bär erhielt, bis Lothar als Kaiser sie 1131 an Heinrich, den Sohn Wiprecht's, zurückgab. Hiervon im zweiten Theile mehr.

 

 

 

____

378 Siebenter Abschnitt.

 

Ehe Wladislav von Böhmen und mit ihm sein Vetter Otto von Mähren heranzogen, ehe Erzbischof Adalbert seine Scharen mit denen Wiprecht's vereinte, brachen Lothar und die mit ihm verbündeten Fürsten in Meißen ein, trieben den Groitscher heraus und übergaben Konrad das Land. Dann wandte Lothar in Verbindung mit Albrecht dem Bären sich nach Thüringen, drang bis Eilenburg, dem Hauptsitze der beiden letzten wettinischen Markgrafen, vor und setzte mit Zustimmung der Großen in den beiden Marken, die Heinrich der Aeltere und der Jüngere besessen hatten, fest, daß in der Folge diese Länder nicht mehr verbunden von einem, sondern getrennt von zweien Fürsten verwaltet werden sollten, und zwar die meißner Mark von Konrad, die andere von Albrecht 1).

 

Um diese Zeit (etwa Mitte November) brach das böhmischmährische Heer aus den Schluchten des Erzgebirges hervor. Lothar eilte ihm entgegen und hemmte ihr verheerendes Vorwärtsdringen, als sie kaum am Fuße des Gebirges ein Lager oberhalb einer Stadt, die Gozdeck oder Wozdeck genannt wird, aufgeschlagen hatten. Wiprecht's Heeresmacht war gleichfalls durch den zu seinem Beistande herbeigekommenen Erzbischof Adalbert von Mainz an Zahl bedeutend vermehrt und rückte bis zur Mulde vor, sodaß Lothar und seine Verbündeten vor sich und hinter sich Gegner zu bekämpfen hatten. Doch anstatt dadurch in Schrecken und Besorgniß zu gerathen, fand der Herzog darin eine Gelegenheit, seine Kriegserfahrenheit aufs glänzendste zu entwickeln, indem er nicht nur die Vereinigung seiner Feinde zu verhüten wußte, sondern sogar dem einen derselben jede Kunde von dem andern abschnitt 2). Die Herzoge

 

1) Ann. Saxo a. a. O.: Dux Liuderus — in eandem Marchiam (Meißen) Conradum de Witin ducit et collocat. Quo facto cum Adalberto filio Ottonis de Ballenstede usque Ilburg procedit eorumque consensu, qui in utrisque Marchiis primates erant, ambo Marchias singulas regendas suscipiunt. Ob Meißen und Thüringen oder Meißen und Lausitz gemeint, ersieht man immer noch nicht. Fast scheint ersteres, da Albrecht den Herzog nach Eilenburg also nach Thüringen begleitet und er hier wol Lehen und Würden zugewiesen erhält. Später konnte die Theilung anders gemacht worden sein, und drei Fürsten statt zwei die Hinterlassenschaft Heinrich's des Jüngeren theilen.

2) Cosmas lib. III, bei Mencken I, p. 2119: (Boemi) transeuntes sylvam metati sunt Castra ultra oppidum Guozdec ex adverso praedicti Ducis (Luderi), Praesul autem Mogontinus et Comes Wibertus circa fluvium Multam (Ann. Saxo Mildam) stabant gravi multitudine armata. Saxones autem positi Castra in medio dirimebant eos nec sinebant insimul coire adversarios suos. So weit schreibt dies auch Ann. Saxo nach. Das im Text zuletzt Gesagte folgt aus den Anträgen der Böhmen an Lothar, wie sie bei Cosmas stehen.

 

 

 

____

379 Meißner Erbfolgekrieg.

 

Wladislav und Otto, ungehalten über ihre deutschen Verbündeten, um deretwillen sie den Feldzug unternommen, ließen sich mit den Sachsen in Unterhandlungen ein und gestanden insgeheim, daß sie wider dieselben durchaus keine feindselige Gesinnung hegten, sondern nur auf des Kaisers Geheiß zum Beistande Adalbert's von Mainz und Wiprecht's von Groitsch hergekommen waren. Da diese nicht erschienen, wollten sie wieder den Rückweg antreten, wenn nur auch die Sachsen ein wenig zurückwichen, damit sie mit Ehren abziehen und ihren Verbündeten sagen könnten, daß sie dieselben vergeblich auf dem Sammelplatze erwartet hätten. War nun dahinter eine Arglist der Böhmen versteckt, um mehr Raum zu gewinnen und verheerend ins Land zu dringen, oder versprachen sie sich wenig Vortheil von einem Feldzuge, bei welchem die Sachsen ihnen an der Grenze schon begegneten und die Gelegenheit zu Raub und Plünderung erst durch einen Sieg zu erringen nöthigten, genug Lothar antwortete schlau in demselben Tone, den die Gegner angestimmt hatten: „Er wundere sich, daß so verständige Manner nicht die offenbare Hinterlist Wiprecht's und Adalbert's, ja des Kaisers durchschauten, die nichts Anderes beabsichtigten, als die Macht der Böhmen durch einen Kampf mit den Sachsen zu schwächen, der selbst, wenn er zu ihrem Vortheile ausfiele, doch nicht ohne Blutvergießen und Verlust sein werde, und wenn er ihnen eine Niederlage bereite, Böhmen den Einfällen der Deutschen preisgebe. In beiden Fällen würden allein der Kaiser und dessen Verbündete, Adalbert und Wiprecht, den erwünschten Gewinn haben. Glaube denn Wladislav oder Otto, daß Heinrich ihren gefährlichsten Gegner, den von ihnen vertriebenen Herzog Sobislav, im Ernst abgewiesen, daß Wiprecht ihn ohne Trug gegen sie nach Polen geschickt 1)? Er warne ihn vor

 

1) Zur Erklärung dieser böhmischen Familienzwiste diene folgende Stelle bei Cosmas, p. 2116: Dux Wladislaus immani motus ira contra fratrem suum Sobislaum mense Martio movit arma et cum suis omnibus expulit de Moravia et reddidit Conrado filio Lutoldi hereditatem suam. Partem autem quartam illius regni — — addidit Ottoni Zvotopluc Ducis fratri Sobislaus — adiit Imperatorem in Moguntia, sed parum sua profecerunt negotia. - Apud Caesarem infecta causa tendit Wigbertum et apud eum per septem menses conversatus est. Deinde mense Novembri transit in Poloniam. Dies mußte damals aber geschehen sein; denn Lothar sagt: quem nuper Vigbertus ob voluntatem suam dolo abegit in Poloniam. Demnach fielen die im Text erzählten Kriegsereignisse höchstens Mitte November.

 

 

 

____

380 Siebenter Abschnitt.

 

der Arglist des Kaisers und des Grafen, die, sobald sie ihre Absicht erreicht haben würden, den scheinbar hülflos gelassenen Sobislav zurückrufen und mit Heeresmacht nach Böhmen führen und an Wladislav's und Otto's Stelle zur Herrschaft in Böhmen und Mähren verhelfen möchten. Wollten die Böhmen seinem Rathe folgen, so thäten sie wohl, nach Hause zu kehren; er aber könne seine vortheilhafte Stellung nicht aufgeben und seine Krieger seien mehr zum Kampfe als zum Rückzuge bereit.“

 

Während Lothar in dieser Weise mit den Böhmen unterhandelte und sie über die Nähe ihrer Verbündeten in Unwissenheit ließ, gegen deren Absichten ihnen Verdacht, Argwohn, Furcht einflößte, machte er nach der anderen Seite gegen Wiprecht eine geschickte Wendung, sodaß dieser, ehe es zum ernstlichen Treffen kam, sich eilig heimwärts auf den Rückzug begab 1). Die Böhmen, die zu spät nur die Kriegslist Lothar's erkannten, wagten keine Schlacht, zogen gleichfalls zurück, bezeichneten aber, wie gewöhnlich, ihren Weg durch Rauben und Brennen und verheerten, weil mehr ihnen nicht gestattet war, wenigstens dies meißner Grenzgebiet; doch nicht ungestraft, denn Lothar folgte ihnen bis in ihr eigenes Land und nahm ihnen Beute, Gefangene und Todte ab 2). — Obwol es schon spät im November war, wollte der Herzog doch nur als Sieger über alle seine Gegner zurückkehren, deshalb umlagerte er noch die Veste Libus, wo jener Heinrich mit dem Haupte, der, wie einstmals, so auch jetzt der kaiserlichen Partei eifrig zugethan war, den Oberbefehl hatte und Lothar's Anordnungen in Betreff der östlichen Marken sich widersetzte. Aber auch er unterlag der Uebermacht und mußte seinen Sohn als Geißel in des Herzogs Hände übergeben 3). Wie sehr auch die früheren Thaten Lothar berühmt gemacht, so glänzend als im Jahre 1123 hatte er noch nie dagestanden; drei

 

1) Ann. Saxo a. a. O.: Wicbertus quasi fugiens rediit. Was ihn dazu bewog, erfahren wir nicht näher. Da von keiner Schlacht die Rede ist, mußte Lothar in der angegebenen Weise seinen Sieg über alle Gegner erlangt haben. Ueber Adalbert's Kriegsthaten schweigen die Chronisten ganz.

2) Ann. Saxo a. a. O.: Dux Boemiae multis amissis in terram suam abiit. Cosmas verschweigt dies natürlich und berichtet nur: Depopulata regione, quae est circa urbem Missen, reversi sunt ad propria, sole morante in XV sagittarii parte, d. h. am 25. November.

3) Ann. Saxo a. a. O.: Dux autem Liuderus Libuze obsidione vallat, acceptoque obside filio Heinrici cum Capite, qui Castello praeerat, victor, sicut semper consuevit, rediit.

 

 

 

____

381 Adalbert treibt in Thüringen den Zehenten ein.

 

Feinde, einer im Innern seines Herzogthums, der andere an der äußersten Westgrenze des Reiches, der dritte auf ganz entgegengesetzter Seite im Osten, alle an Zahl, Macht oder Ansehen ihm überlegen, hatten seiner Macht, seiner Kriegserfahrenheit, seiner Schlauheit weichen müssen und sahen in ihren eigenmächtigen, ehrgeizigen und herrschsüchtigen Plänen durch ihn sich behindert und gestraft.

 

Dies letztere Loos sollte auch noch in dem gleichen Jahre den arglistigen, zweideutigen Adalbert von Mainz treffen. Dem Herzog Lothar nachdrücklich entgegenzutreten, wie er dem Kaiser, dem Grafen Wiprecht und den beiden Böhmenfürsten es versprochen, hatte er weder Muth noch Neigung. Wider ihn, den er im Anfange des Jahres gegen erbitterte Feinde unterstützt, den er gegen den Kaiser aufgereizt, den er bisher als Verbündeten in seinen weltlichen und kirchlichen Bestrebungen eifrigst gesucht hatte, als Widersacher das Schwert zu ziehen, konnte nur Folge einer augenblicklich aufgeregten Empfindlichkeit, oder gar nur eine Maske sein, durch die er den Kaiser täuschte, sich Vortheile zu erringen suchte. Was er im Kriege nicht gefunden, hoffte er im Frieden zu gewinnen. Lothar scheint während des letzten Feldzuges ihn unbeachtet gelassen und, weil er wenig Ernst bei Adalbert wahrnahm oder voraussetzte, geschont zu haben 1). Der Erzbischof hatte sich, ohne von jenem oder sonst einem sächsischen Fürsten beunruhigt oder verfolgt zu werden, nach seinem Lieblingsaufenthalt Erfurt begeben 2) und begann hier ein Vorhaben, das seit Siegfried I. kein mainzer Erzbischof zu erneuern gewagt,

 

1) Nur nicht in seiner Antwort an die Böhmenfürsten. Cosmas a. a. O.: An ulla putatis carere dolis consilia Mogontini Archiepiscopi Adalberti? An nondum ejus Atticam prudentiam fatis experti estis? Wenn auch mit auf Wiprecht, so doch den Mainzer vornehmlich bezeichnend sind bald darauf die Worte: Sed totius est a longe expectare quam manu committere bellum et alterius incommodo suum comparare commodum.

2) Chron. Sampetr. ad 1123. Nachdem der Mönch der Einsetzung Konrad's und Albrecht's des Bären gedacht, fährt er fort: Per idem fere tempus cum Episcopus Moguntinus Adelbertus a provincialibus, qui Lutersteten (Duderstädt) Marcham incolunt, decimas frugum exigeret, illique fortiter resisterent, contigit quosdam ex eis a militibus Episcopi occidi, alios obtruncari, nonnullos vero captivos abduci. Daß Adalbert im eigentlichen Thüringen die Zehnteneintreibung noch nicht gewagt, zeigt das Folgende: Populi Thuringorum permoti ac simile sibi metuentes in collem Treteburg (dasselbe mit jenem Treteburg, wo 1073 die Sachsen und Thüringer ein Bündniß gegen Heinrich IV. schlossen; es kommt öfters als Versammlungsplatz und Nationalgerichtsort vor) de cunctis finibus suis conveniunt, etc.

 

 

 

____

382 Siebenter Abschnitt.

 

weil es Fürsten und Volk gleich erbitterte, nämlich die Beitreibung des Zehenten. Ohnfehlbar war dies eine Hauptbedingung, unter welcher der Kaiser seinen Beistand wider Lothar erhalten, vielleicht weil Heinrich es gleich gern sah, ob Adalbert die Thüringer bedrücke, oder ob diese gegen den Erzbischof ihren Haß und Zorn ausließen, denn in beiden Fällen sah der Kaiser einen alten Gegner gestraft und bisher gegen ihn Verbundene im Kampfe widereinander. — Adalbert ging so vorsichtig als möglich zu Werke. Er begann die Zehenteneintreibung erst in einem Theile der Provinz, in der duderstädter Grenzmark. Doch schon hier rief der Widerstand der Bewohner Gewalt der erzbischöflichen Beamten hervor, und dieses sogleich einen Aufstand aller Stände und Klassen in ganz Thüringen. Zu Triteburg, dem alten Gerichts- und Berathungsplatze der Nation, versammelten sich zahllose Massen, und 20000 derselben unter Anführung des Grafen Heinrich Raspe, des zweiten Sohnes von Ludwig dem Salier, rückten gegen Erfurt und droheten die Stadt und Burg des Erzbischofes zu zerstören 1). Gegen solche Uebermacht waren Adalbert's Dienstmannen und Söldlinge zu schwach. Nur seine Gewandtheit und seltene Ueberredungsgabe befreieten ihn aus der Gewalt der drohenden Thüringer, die, als er seine Foderung eingestellt, ruhig heimkehrten und auch ihm den Weg nach Mainz nicht verwehrten.

 

Während dieser Vorfälle in Meißen und Thüringen hatte Kaiser Heinrich den Rhein nicht verlassen, sei es nun, weil er hoffte, der Herzog Lothar werde, ohne daß er selber mit einem Reichsaufgebot nach Sachsen ziehe, den Fürsten, die denselben von Osten und Westen her bedrängten, unterliegen, oder sei es, daß er aus den westlichen Gegenden des Reiches sich nicht glaubte entfernen zu dürfen, weil in Holland es noch immer gährte, mehren rheinischen Prälaten und selbst den Städten nicht zu trauen war. Unthätig war er gewiß ebensowenig als er gleichgültig den Ereignissen im Reiche zusah. Den mit der Kirche geschlossenen Frieden wagte er auf keine Weise zu stören. Selbst mit seinem alten Gegner Adalbert söhnte er sich aus, und Beide traten, öffentlich wenigstens, nicht mehr feindselig widereinander

 

1) Chron. Samp. a. a. O., Addit. ad Lamb. Schaffn ad 1123, Erph. Varil. fast wörtlich übereinstimmend: Jam civitatem Erphesford, qua tunc Episcopus forte manebat, Heinrico Comite duce cum XX millibus irrumpere parant, coeptumque (nämlich die Zerstörung) perpetrassent opere, si non idem Episcopus, ut erat vir praeditus ingenio prudenti, eos avertisset consilio. Natürlich mußte er den Zehenten aufgeben.

 

 

 

____

383 Adalbert's Aussöhnung mit dem Kaiser.

 

auf. Daß Heinrich den Erzbischof sogar bewog, gegen Herzog Lothar die Waffen zu ergreifen, könnte man als eine völlige Umgestaltung aller früheren Parteiverhältnisse ansehen, zeigte sich nicht zu deutlich, daß weder Adalbert gegen Lothar ernstlich kämpfte, noch der Kaiser etwas Anderes als mit dem verschmitzten Prälaten in äußerem Frieden und auf einem höflichen Fuße zu leben, suchte. Er gestattete ihm völlige Freiheit bei Weihung der Bischöfe und Aebte, ja er ließ es geschehen, daß er in Thüringen den Zehnten erhebe, und erwies auf mancherlei Bitten und Vorstellungen Adalbert's sich gefällig 1). Auch gegen andere angesehene Prälaten erschien Heinrich herablassend und zuvorkommend. Als Adalbero von Bremen vom Papste Calixtus mit besonderer Auszeichnung empfangen worden, als Jener in Rom um das erzbischöfliche Pallium nachsuchte, glaubte der Kaiser nicht minder huldreich sich zeigen zu dürfen, obgleich Adalbero gegen das wormser Concordat erst die geistliche Weihe, dann die weltliche Investitur nachgesucht hatte. Heinrich nahm den aus Italien Zurückkehrenden ehrerbietig auf, rühmte seine Verdienste, bestätigte die Ausdehnung seiner geistlichen Funktionen über Dänemark und alle Länder am nordischen Meere, wie Calixtus sie ihm zuerkannt hatte 2), und entließ ihn huldvoll in sein Erzbisthum Bremen.

 

1) So nennt der Kaiser ihn auch noch in einer Urkunde des folgenden Jahres 1124 seinen Getreuen. Guden, Cod. diplom. p. 66 bei einer Schenkung de dimidid parte castri Eppenstein: Interventu conjugis nostrae Mathildis (hinter diese scheinen oft sich die Geistlichen gesteckt zu haben. Vergl. Heinrich's Urkunde für die Abtei S. Maximin., Martene I, p. 686. Wie sie Heinrich im Zorn zu versöhnlicher Gesinnung zu stimmen wußte, beweist das Beispiel mit Gundobald von Utrecht) et petitione fidelis nostri Moguntini Archiepiscopi et Apostolicae sedis Legati Adalberti. Data III. Kal. Junii.

2) Ann. Saxo gibt einen umständlichen Bericht: Adalbero Bremensis Archiepiscopus post Fridericum, qui III. Kal. Februarii ebierat, canonice electus pro reposcenda pallii dignitate Romam vadit. Ibi a Domno Apostolico Calixto honorifice excipitur, in Archiepiscopum ab eo consecratur. - - Pallium obtinuit negligentia duorum antecessorum suorum amissum et in Danos translatum. Addidit quoque Domnus Apostolicus hanc auctoritatem, ut praedictae Ecclesiae Pontifex liberam praedicandi licentiam habeat, quousque terra ad Oceanum versus partes illas extenditur. - - Post ad patriam remeat addito sibi Cardinali viro religioso, qui ex decreto Domni Apostolici omnibus Daciae Episcopis, ut ei sicut Metropolitano obedirent, ediceret. Dann erst kommt Adalbero zum Kaiser, doch wol in keiner andern Absicht, als von ihm die weltlichen Lehen und Würdezeichen zu erhalten: Ab Imperatore gloriose exceptus Bremam venit etc.

 

 

 

____

384 Siebenter Abschnitt.

 

Zeigte Heinrich seit dem wormser Concordat durchaus ein Bestreben, den Frieden mit Papst und Kirche aufrecht zu erhalten und die Geistlichen mehr zu bewachen als zu schrecken, und nur dann seine Strenge, seinen Zorn unverholen auszulassen, wenn einer unter ihnen seinem kaiserlichen Ansehen zu nahe trat oder wol den Verdacht eines Majestätsverbrechens auf sich lud; so war dagegen sein unablässiges Bemühen, die weltlichen Fürsten, die durch ihren engern Anschluß aneinander ihm und der Kirche gleich drohend dagestanden, zu veruneinigen und jeden von sich abhangig zu machen. Um dies aber mit Erfolg durchzusetzen, mußte er selbst eine Uebermacht behaupten, die ihn in den Stand setzte, für Jeden seine Hand zum Bunde oder seinen Arm zur Züchtigung bereit zu haben und seinem jedesmaligen Willen Nachdruck zu geben. Daß die Stärke des Reiches auf den Städten am Rheine und in den angrenzenden Ländern beruhe, wußte er aus seines Vaters Tagen, und er selber hatte wahrend seiner ganzen Regierung bald in dem Beistande bald in dem Trotze dieser Gegenden das Gleiche erfahren. Die größere Zahl der Reichsstädte ersetzten den fränkischen Kaisern den Mangel eines ihnen gehörigen Erbherzogthums einigermaßen, doch ein Uebergewicht lag immer nur in ihrer eigenen Persönlichkeit. In Baiern war das Ansehen des Kaisers nie groß gewesen und hing lediglich von dem guten Vernehmen dieses mit dem Landesherzoge und den Landesfürsten ab. Alle Beschlüsse, welche für das ganze Reich ausgesprochen wurden, mußten in Baiern noch eine besondere Zustimmung erhalten, um auch hier in Wirksamkeit zu treten. Sachsen, das seit den Ottonen nur Heinrich III. durch klug und kräftig gehandhabte Strenge, durch stete Wachsamkeit und häufigen Aufenthalt daselbst, besonders in dem von ihm fast neugegründeten und bevorzugten Goslar in Gehorsam und Abhängigkeit zu erhalten wußte, hatte unter Heinrich IV. sich fast vom Reichsverbande losgerissen und gewährte nur durch seine innere Zerrissenheit einer fremden Gewalt Einfluß zu üben. So oft Kaiser und Kirche in Zwiespalt waren, hatte dort mehr die Letztere eine Stütze als der Erstere Unterstützung gefunden, wozu die nationale Abneigung des Volkes nicht weniger als die unbesonnene Willkur der zwei letzten fränkischen Kaiser mitgewirkt. Der Aussöhnung Heinrich's V. mit dem Papste und der deutschen Geistlichkeit hatten zwar auch die Sachsen bereitwillig beigestimmt, aber mehr als Kaiser und Kirche fand der Wille der Gesammtfürsten des Reiches oder der Fürstenverbindung innerhalb Sachsens Anerkennung. Vor Allen stand Lothar als Schirmer und Vertheidiger der Fürstenrechte, die an altes Herkommen, gesetzlich gewordene Erblichkeit

 

 

 

____

385 Lothar, Schirmer der Fürstenrechte.

 

und an Unverletzlichkeit der Person und des Eigenthums geknüpft waren, soweit Stammgenossenschaft Völker und Fürsten verband, d. h. in ganz Niederdeutschland da. So oft und wo nur innerhalb dieser weiten Grenzen Heinrich V. eine Unbilde, Willkür, Ungerechtigkeit auszuüben wagte, trat ihm Lothar als Helfer der Bedrängten entgegen. Heinrich's jetzigem Plane, im Bunde mit der Kirche die Fürstengewalt zu brechen, widersetzte sich Keiner — wie sehr auch Viele ihre Abneigung erkennen ließen — so durch die That, mit bewaffneter Hand, in entschiedenem Gegenstreben, als der Herzog von Sachsen, wenig darum besorgt oder dadurch geschreckt, daß in diesem Kampfe das Haupt der Geistlichkeit nicht mehr für sondern wider ihn das Schwert erhob. Daß Adalbert, ohne sich selbst zu schaden, keinen Bannstrahl wider ihn schleudern werde, wußte Lothar sehr gut, und die Reichsacht fürchtete er nicht, so lange er den Reichsständen beweisen konnte, daß er nicht aus Trotz, sondern für das Recht wider den Kaiser zu Felde ziehe. Weder in so entschiedener Stellung, noch auf gleiche Weise gerechtfertigt als Lothar erscheint Adalbert von Mainz. Ehrgeiz und Eigennutz bestimmten zu allen Zeiten sein Handeln. Als Kanzler, als Erzbischöf, als päpstlicher Legat suchte er nur Gewinn für sich. Nicht dem Kaiser, nicht der Kirche, nicht dem Papste waren in den drei Lebensperioden seine Dienste geweiht, sondern den Bestrebungen von allen Dreien, wann und so lange es frommte, sich anzuschließen. Denn die Personen, denen er scheinbar Ergebenheit zeigte, gegen andere zu vertauschen, die Rollen, die er spielte, zu wechseln, aber stets die Verhältnisse zu seinem Vortheile zu nützen, das war Adalbert's Grundsatz. Wir sahen, wie er Heinrich aufgab, als nicht dessen Macht zu erhöhen, sondern die hierarchischen Zwecke der Kircheneiferer zu fördern ihm im Reiche mehr Ansehen und Bedeutung versprach. Sich als das Haupt einer Partei anerkannt zu sehen, das der höchsten weltlichen Größe Gesetze vorschreiben dürfe, erhitzte seine Leidenschaft im Kampfe wider Heinrich und dessen Anhänger. Als Erzbischof von Mainz stand er indeß dem Range nach nicht über den andern Erzbischöfen des Reiches, die apostolische Legatenwürde war der Preis, um den er sich mit Calixtus verband, in der Absicht, des Kaisers Oberhoheit einen beträchtlichen Theil des Reiches abwendig zu machen, der dem Namen nach vom Papste an die Bischöfe und Aebte, in Wahrheit aber von ihm, dem apostolischen Legaten, an Solche, die ihm Diensteifer und Gehorsam bewiesen, verliehen werden sollte. Das wormser Concordat benahm ihm diese Aussicht; die weltlichen Fürsten, anstatt ihm sich unterzuordnen,

I. 25

 

 

 

____

386 Siebenter Abschnitt.

 

hatten vorher schon zu einer Selbständigkeit sich erhoben, der keine Gewalt zu widerstehen vermochte, und vollends die übrigen Metropolitanen, der habsüchtige Friedrich von Köln, der ehrwürdige Bruno von Trier wiesen seine Anmaßung, mit der er als Stellvertreter des Papstes aufzutreten gedachte, zurück und suchten bei Kaiser oder Papst ihm sich zu entziehen. Unter solchen Umständen schien Adalbert das Gerathenste zu sein, sich dem Kaiser anzuschließen und für seine angebotenen Dienste das Vorrecht zu erlangen, bei der Weihe der Geistlichen, die nicht unmittelbar vom Papste das Pallium erhielten, zugleich die kirchliche Investitur zu vollziehen. Seit Kaiser und Papst ein Freundschaftsband, ein gleiches Interesse gegen die Uebermacht der Fürsten vereinte, war für Adalbert nur unter der Aegide der beiden Haupter der Christenheit Sicherheit und Vortheil. Doch nicht allzueifrig einem Papste, der ihm nur den Namen, nicht die Gewalt seines Stellvertreters verliehen haben wollte 1), nur äußerlich gefällig einem Kaiser, den er nach unbeschränkter Macht ringen sah , wartete Adalbert nur den Zeitpunkt ab, wo er mit eigenem, nicht von Andern erborgtem Glanze an die Spitze des Reiches treten und entscheidend dessen Verhältnisse, ja dessen Schicksal beherrschen konnte. Auch dieser Triumph war ihm noch vorbehalten, doch erst, als Calixtus und Heinrich zu Grabe gegangen.

 

Als der Kaiser gegen Erwartung den Herzog Lothar als Sieger aus einem Kampfe hervorgehen sah, von dem er gehofft, er werde seinen Widersacher, mindestens bis er selber seine Pläne wider die Fürsten insgesammt vorbereitet, in Bedrängniß und Noth bringen, so vermochte er seinen Zorn so wenig zurückzuhalten, daß er ihn an einer Frau ausließ, die Lothar nahe verwandt war und ihn selber durch ihren Trotz im vorigen Jahre erbittert hatte. Nachdem er das Weihnachtsfest in Aachen zugebracht, machte er im nordwestlichen

 

1) Wie schon Calixtus' Diplom an Bruno von Köln darthat, noch mehr aber die besondere Vollmacht, die Lambert von Ostia erhalten hatte, wogegen die Bedeutung eines apostolischen Legaten, wie es Adalbert war, fast ganz verschwand. Vergeblich hatte dieser versucht, die Leitung der kirchlichen und politischen Angelegenheiten dem Bischof Lambert und den beiden Kardinallegaten Gregor und Saxo zu entwinden. Ob Calixtus selbst nicht einem Manne wie Adalbert die Entscheidung des Reichs- und Kirchenschismas überlassen wollte, ob Adalbert durch sein ganzes früheres Verfahren dazu ungeeignet erschien, ist in Beziehung auf dieses Mannes unbefriedigten Ehrgeiz wol eine gleichgültige Frage; genug, Adalbert konnte auf dem Wege, den er bisher verfolgt, sein Ziel nicht erreichen. Darum versuchte er auf einem anderen demselben näher zu kommen.

 

 

 

____

387 Neuer Feldzug gegen Holland.

 

Deutschland Anstalten zu einem neuen Feldzuge gegen Holland, um alle Diejenigen zu züchtigen, die dem Bischof Gundobald von Lüttich Beistand geleistet und nicht wie dieser die kaiserliche Gnade durch Geld, Abtretung von Land oder andere Opfer erkauft hatten. Um Mitte Februar 1) rückte er in Holland ein. Obgleich diesmal Lothar, der es nicht wagen durfte, so weit sich von dem Schauplatze seiner letzten Feldzüge im Osten Deutschlands zu entfernen, keine Hülfe bieten konnte, und die Hollander keinen Schutz fanden, als den ihnen ihr sumpf- und wasserreiches Land darbot, wurde doch dem Kaiser dadurch die Besiegung hinlänglich erschwert. Um so härter aber ließ er seinen Zorn an Denen aus, welche zu erreichen und zu bedrängen waren. Die Gräfin Gertrud, Lothar's Schwester, scheint dazu gehört zu haben 2). Bald aber beschäftigten den unermüdlichen, rastlosen, herrschsüchtigen Heinrich andere Dinge. Wahrscheinlich schon seit Jahren, gewiß aber im Anfange 1124, hatte der Kaiser den Entschluß gefaßt, an dem Könige Ludwig von Frankreich durch einen Einfall von Lothringen aus sich für alle die Feindseligkeiten zu rächen, die Jener durch Beschützung der Kircheneiferer und zweier Päpste, durch Genehmigung und Bekräftigung der rheimser Synodalbeschlüsse, durch Begünstigung aller Empörungen, die im Westen des Reiches seit jener Reinald's von Bar stattgefunden, gegen das deutsche Reich und ihn, den Kaiser, ausgeübt hatte 3).

 

1) Chron. Ursp. ad 1124: Imperator Henricus natalem Domini Aquisgrani celebravit. Dann wird der Mondfinsterniß in Purificatione S. Mariae gedacht. Das ist der 1. Februar. Non multo post Imperator Henricus movit expeditionem contra eos, qui sibi in regione Holland contrarii existebant. S. auch die folgende Anmerkung.

2) Chron. Ursp. a. a. O.: Hisque licet tarde subactis ad superiores se partes contulit. Von Gertrud heißt es später bei der neuen Feindschaft mit Lothar, die veranlaßt worden: ob sororis suae praescriptae illatam ab Imperatore injuria. Worin diese injuria bestanden, erfährt man ebensowenig als die Art ihrer Widersetzlichkeit.

3) Die deutschen Chronisten geben nur an, der Kaiser habe seinem Schwiegervater Beistand leisten wollen. Aus diesem Grunde allein hätte der Kaiser wol nicht einen Krieg nach Außen begonnen, während noch im eigenen Reiche mächtige Feinde seine Aufmerksamkeit foderten. Nicht ohne Grund ist, was der Abt Suger, De vita Ludovici grossi, bei Bouquet XII, p. 49, sagt: Ante Domini Papae Calisti decessum (i. e. Tod) Imperator Henricus collecto longo animi rancore contra Dominum Regem Ludovicum eo, quod in Regni ejus Remis in Concilio Domini Calisti anathemate innodatus fuerat, exercitum, quantumcunque potest — — colligit. Die rheimser Kirchenversammlung ist nur Eines, was den longum rancorem collectum veranlaßt, nur einer der Vorwürfe, die Heinrich dem König Ludwig wegen Unterstützung der kirchlichen Gegner machte. Bei dem Kriege mit Reinald de Bar erwähnten wir des französischen Einflusses. Reinald war immer noch nicht ganz restituirt und suchte bei Ludwig Beistand.

 

 

 

____

388 Siebenter Abschnitt.

 

Mit dem Heere, welches gegen Holland gebraucht worden, ließ Heinrich seine Gemahlin in Lothringen zurück, während er selber rheinaufwärts bis nach Worms zog, wo er in Mitte der Fasten (etwa am 9. März) eine Unterredung mit mehren Fürsten des westlichen Deutschlands hatte. Um auch die Baiern, Sachsen und Böhmen für seinen Plan gegen Frankreich zu gewinnen, schrieb er einen neuen Reichstag auf den 7. Mai nach Bamberg aus 1).

 

Alle Herzoge, Prälaten und Großen des Reiches fanden sich ein, nur Lothar und diejenigen sächsischen Fürsten, welche mit ihrem Herzoge die gleiche Gesinnung gegen den Kaiser theilten oder unter seinen Schutz sich begaben, blieben aus 2). Dies verdroß Heinrich, der sicher gehofft, alle deutschen Fürsten sowol zur Ehre des Reiches als zum eigenen Gewinn für einen Feldzug gegen Frankreich zu begeistern. Gar viel lag ihm daran, schon wegen seiner Stellung zu den Reichsgliedern, da er als Haupt derselben einem auswärtigen Feinde gegenüber sein Ansehen zu erhöhen, durch die Aussicht auf Beute die Großen von ihren Landesinteressen abzuziehen, jede Eroberung dem Reiche einzuverleiben und so westlich vom Rhein eine eigene große Macht zu erwerben gedachte. Lothar war es abermals, der seine Pläne störte, indem er nicht nur selber ausblieb, sondern auch die Blicke der Fürsten, die in Bamberg sich eingefunden, statt nach dem Westen auf den Osten zu lenken suchte. Zu ihm nämlich hatte sich jener vertriebene Sobislav begeben, seine Klagen über das ungerechte Verfahren des eigenen Bruders, Herzogs Wladislav, vorgebracht und ehrenvolle Aufnahme, wie tröstende Theilnahme gefunden.

 

1) Chron. Ursp. und Ann. Saxo ad 1124: Circa fines Lotharingiae Regina relicta circa Quadragesimam (die den 19. Februar begonnen) colloquium Vormatiae cum quibusdam optimatibus habebat. Daß hier schon die darauf Genannten geladen, aber nicht erschienen waren, liegt nicht in den Worten) Caeteris vero, qui non aderant (in Chron. Ursp., wo non fehlt, muß wol aberant gelesen werden) id est Saxonibus, Bavariis atque Boemiis (diese bis an den Rhein zu rufen in einer Zeit, wo nach einstimmigen Berichten ungewöhnlich viel Schnee und Eis die Wege deckte, wäre zuviel verlangt gewesen) curiam Non. Maji Babenberg indixit.

2) Chron. Ursp. a. a. O.: Lotharium paucosque sibi consentientes de Saxonia Principes.

 

 

 

____

389 Reichstag zu Bamberg.

 

Nicht selber wollte indeß Lothar in den böhmischen Händeln entscheiden, sondern dem Reiche und Kaiser die Sache anheimstellen 1). Deshalb sandte er Sobislav nach Bamberg und ließ durch seinen sächsischen Gesandten Heinrich und die Fürsten dringend mahnen, einem schuldlosen und gewaltsam vertriebenen Fürsten einen Beweis hoher Gesinnung und wahrhaft kaiserlicher Gnade zu geben, daß man einen Beeinträchtigten, Vertriebenen zu seinem Rechte verhelfe und beide anwesende Brüder versöhne 2). Unbillig war diese Foderung nicht, doch des Kaisers Absichten kam sie sehr ungelegen, weil er Bolislav nicht in seiner Herrschaft zu beschränken, oder ihm sein Verfahren gegen den Bruder vorzuhalten, oder diesem das Entrissene wiederzuverschaffen, sondern die seinem Winke bisher folgsamen böhmischen Fürsten zu einer Heerfahrt gegen Frankreich oder mindestens zu einer Deckung im Rücken während dieser Heerfahrt zu gewinnen dachte. Kaum hatte der sächsische Gesandte, von dem er eher eine Entschuldigung als eine Mahnung seines Herren erwartet hatte, diese vorgebracht, als Heinrich zornig aufstand und laut, ehe die Versammlung über des Herzogs Vorstellung ein Gutachten ablegen oder eine Berathung anfangen konnte, ausrief: „Genug für das Reich hat Herzog Lothar gesprochen. Fügt er uns selber Beleidigungen zu und will, daß wir Beleidigungen strafen! Geziemt es mir, unrechte Handlungen Anderer zu ahnden, wie er sagt, warum soll ich nicht selbst erduldete strafen? Welch ein größeres Unrecht aber kann es geben, als vom Kaiser zum Reichstag geladen zu werden und nicht zu erscheinen? Wer von den Anwesenden aus Gerechtigkeitsliebe diese Beleidigung fühlt, der gelobe mit dem heiligsten Eide 3), daß er die Waffen erheben und nach Ablauf der Fasten die Heeresfolge gegen Sachsen leisten wolle“. Die Fürsten wagten dem zürnenden Kaiser keine Gegenvorstellungen zu machen, billigten sein Vorhaben und gelobten, zu einem Feldzuge nach Sachsen sich bereit

 

1) Cosmas p. 2122: Interea Sobeslaus nostri Ducis frater linquens Poloniam tenuit cum suis onmibus viam ad Ducem Saxoniae Luderum sperans tanti viri consilio simul et auxilio potiri. A quo honorifice suscipitur hospitio, et optato suae spei potitur solatio. Kürzer wiederholt dies Ann. Saxo.

2) Cosmas a. a. O.: „Regiae potestati et Imperatoriae dignitati congruit patientibus injuriam clementer subvenire et eam facientibus justitiae rigore regaliter obviare. Cujus gratiae experimentum et principalis censurae nobis et cunctis gentibus dabitis documentum, si huic innocenti viro et injuriam patienti Sobislao justitiam faciens fratri suo eum reconcilies.“

3) Spondeat nunc fidem super sacra plenaria.

 

 

 

____

390 Siebenter Abschnitt.

 

zu finden 1). — Daß Heinrich sie mehr durch seine leidenschaftliche Auffoderung überrascht als überzeugt hatte, bewiesen ihre mangelhaften Rüstungen, als die festgesetzte Zeit zum Heereszuge erschien.

 

Eine ruhige, besonnene Auffassung der Verhältnisse Lothar's zum Kaiser ließ Ersteren minder schuldig, wenn nicht ganz vorwurfsfrei erscheinen. Warum der Herzog in Bamberg sich nicht eingefunden, war aus den Vorgängen des verflossenen Jahres, aus Heinrich's strengem Verfahren gegen Gertrud von Holland begreiflich und hinlänglich entschuldigt. Der Kaiser hatte mindestens übereilt und rücksichtslos gehandelt; und doch machte Lothar ihm keine Vorwürfe, sondern foderte nur nach dem Grundsatze, den er selbst befolgte, gerechte Entscheidung in dem böhmischen Brüderstreite, der von dem Reichsoberhaupte nicht gleichgültig, nicht aus Privatrücksichten oder vollends aus Habsucht 2) hintangesetzt werden durfte. Wenn der Kaiser dem Herzog Lothar nichts Anderes zum Vorwurfe machen konnte, als daß er nicht zum Reichstage erschienen, so mußte er die Beschuldigungen der Hofleute, als wenn der Herzog, beleidigt durch die gegen seine Schwester gezeigte Härte, auf Empörung im Reiche sinne, als unerwiesen vor den Fürsten verschweigen 3). Doch wenn Kaiser und Fürsten auch gerechtere, gegründetere Anklagen gegen Lothar vorzubringen hatten, der Beschluß zu Bamberg würde immer ein übereilter heißen, der in solcher Weise nur gegen einen geächteten, des Kaisers Ladungen wiederholentlich zurückweisenden Fürsten erlaubt gewesen wäre. Lothar, wenn er sich wirklich durch seinen Gesandten nicht entschuldigen ließ 4), konnte die Rechtfertigung seines

 

1) So stellt wenigstens Cosmas a. a. O. die Sache dar und Ann. Saxo excerpirt ihn. Chron. Ursp. berührt die Sache nur und gibt dagegen die Angelegenheit Otto's von Bamberg mit mehr Ausführlichkeit.

2) Cosmas gibt dieses Motiv bei Heinrich's Abweisung des vertriebenen Sobislav nicht undeutlich zu verstehen: Adiit Imperatorem in Moguntia (im Jahr 1123) sed parum sua profecerunt negotia. Quia sine pecunia apud omnes Reges vanae sunt cujuspiam preces et legum obmutescit justitia.

3) Chron. Ursp. ad 1124 sagt, Heinrich habe die Versammlung nach Bamberg angesagt: maxime propter Lotharii Ducis insolentiam, qui nova quaedam moliri notabatur contra Rempublicam ob sororis suae illatam ab Imperatore injuriam.

4) Daß der Kaiser den Botschafter unterbrach und sofort von den Fürsten die Heeresfolge gegen Sachsen sich schwören ließ, war eine zwiefache Ungerechtigkeit gegen Lothar. Wenn Cosmas nicht blos seine böhmischen, das Chron. Ursp. die Angelegenheiten Otto's ausführlich berichtete, ließe vielleicht aus dem Hergange der Verhandlungen sich mehr erklären, warum die Fürsten später nicht erfüllten, was sie voreilig, oder um des Kaisers Zorn auszuweichen, versprochen hatten.

 

 

 

____

391 Reichstag zu Bamberg.

 

Ausbleibens nicht besser andeuten, als wenn er in Sobislav ihm ein augenfälliges Beispiel seines unkaiserlichen Verfahrens gegen Reichsfürsten vorrückte. War doch Heinrich's Verfahren in den östlichen Marken, was Lothar's neuen Widerstand veranlaßt, kein anderes und bedurfte eher seinerseits eine Rechtfertigung, als daß solche von dem Vertheidiger des Rechts zu fodern dem Kaiser zustand. Uebrigens gab dieser auf dem Reichstage zu Bamberg sich Mühe, alle Fehden im Reiche durch seinen und der Fürsten Schiedsspruch beizulegen, einen allgemeinen Landfrieden aufrecht zu erhalten und alle Reichsangelegenheiten zu möglicher Zufriedenheit aller Anwesenden zu ordnen 1).

 

Eine besondere Bedeutung erhielt die Reichsversammlung durch den ebenso klugen als frommen Bischof Otto von Bamberg. Anschuldigungen und Verläumdungen der Hofumgebung hatten des ehrwürdigen Prälaten zurückgezogenes, stillthätiges, den Wissenschaften und dem Gottesdienste im wahresten Sinne des Wortes hingegebenes Leben, vornehmlich sein seltenes Erscheinen bei Hofe dem Kaiser als eine Vernachlässigung gegen die Majestät, ein Entziehen von den Diensten, die er dem Reiche schuldig sei, sein Sammeln und Aufhäufen ansehnlicher Schätze als verdächtig dargestellt 2). Heinrich's leicht erregbarer Argwohn verschonte Otto nicht, und er mochte wol auf dem Reichstage zu Bamberg ihm Strafe und Verweis wegen seines Verhaltens zugedacht haben. Otto aber wußte den drohenden Sturm zu beschwichtigen. Glänzender, als nach Vorschrift und Herkommen nöthig war, bewirthete der Bischof den Kaiser und dessen Gefolge, ja auch die angesehensten unter den Reichsfürsten, und zeigte so, obschon die damals in ganz Deutschland herrschende

 

1) Chron. Ursp.: Postquam autem super confirmatione pacis, diversis justitiis regnique negotiis satis tractatum est.

2) Letztere mochten vornehmlich Neid und Habsucht bei den Höflingen anregen. Chron. Ursp. und Ann. Saxo a. a. O. heben mehr die ersten Anschuldigungen hervor: Ab ipsis (aulicis) notabatur rarius quam caeteri praesules palatium visitare ipse vero monasteriis construendis et restaurandis, eleemosynis dispensandis, orationibus invigilandis caeterisque tam practicae quam theorelicae studiis insinuandis sese maluit occupare. Nec deerant, qui id invidiae csuss mussitsntes publicis potius functionibus impenäenäum juäicsreut, sie que Caesaris animositatem contra virum Dei commovere tentarent.

 

 

____

392 Siebenter Abschnitt.

 

Hungersnoth ihn wegen einer ärmlichen Aufnahme hätte entschuldigen, können, daß er seine Reichthümer zur Herbeischaffung der theuern Lebensmittel bis zum Ueberfluß an Allem nicht gespart habe. Hiedurch schlug er, wie im Jahre 1113, die Übeln Nachreden seiner Gegner und den Argwohn des Kaisers gänzlich nieder, sodaß Letzterer und alle Anwesende jeden beabsichtigten Tadel in Beifall und Lob verwandelten 1). Zum Schluß des Reichstages brachte er sein Anliegen vor, daß er nämlich auf die Einladung des Polenherzoges Bolislav, der die heidnischen Pommern unterworfen hatte, diese zum Christenthum bekehren wolle, wozu er bereits des Papstes Genehmigung und Sanktion erhalten habe und nur noch des Kaisers Einwilligung erbitte, um sogleich seine Bekehrungsreise antreten zu können. Heinrich, die Fürsten und die ganze anwesende Geistlichkeit billigten und rühmten sein Vorhaben, nur die bamberger Klerisei war betrübt, daß sie ihren geliebten Hirten entbehren, ja bei dem gefährlichen Unternehmen vielleicht auf immer verlieren sollte.

 

Ob Heinrich zu Bamberg den Fürsten insgesammt oder doch einzelnen seine Absichten gegen Frankreich vertraut habe, erfahren wir nicht, wol aber, daß er den Feldzug gegen Lothar nur zum Vorwande gebraucht, um eine große Heeresmacht aufzubringen, die

 

1) Chron. Ursp.: Quibus singulis (Ducibus) necessarios sumptus vel ex toto vel ex parte ministrabat venerandus Episcopus Otto praeter publicum et constitutum antiquitus imperatoriae majestati, quod aulicis etiam importunius exigebatur, servitium. Dann nachher: Iste rebus transitoriis pro tempore non parcens miro modo quamvis undique regiones stringente penuria sufficienter omnibus ministrando bonitate malitiam vicit, non fictae caritatis officiis, totius in se regni benevolum affectum commeruit. Dieses kluge Verfahren zeigt, daß Otto wahrlich keiner von jenen gewöhnlich sehr eigensinnigen, rigoristischen, von Fanatismus beseelten Heidenbekehrern war, sondern ein ebenso weltkluger als in jeder Beziehung berufstreuer Mann. Der Chronist fährt fort: unde compositis causis ejusdem conventus insinuat tam Augusto quam Primatibus universis se literis atque nuntiis quam pluribus a Duce Poloniae Bolislao vocatum, insuper etiam Domini Papae Calixti permissione atque benedictione directum ad gentem Pommeranorum etc. Wie verständig, daß Otto sein Handeln zum Fürsprecher seines Gesuches gemacht hatte und erst zum Schluß des Reichstages mit seiner Bitte hervortrat. Es konnte ihm nicht fehlschlagen: Annuit tota, quae convenerat, ecclesia, annuit et aula prosperitatem piis conatibus imprecantes etc. Gern verweilt man bei einem so uneigennützig, wahrhaft frommen Geistlichen, da so wenige seines Gleichen uns in jener Zeit begegnen. Wir müssen dem Chronisten für die Mittheilung Dank wissen. Schade nur, daß er nicht auch der übrigen Gegenstände, die in Bamberg zur Berathung kamen, so ausführlich erwähnt.

 

 

 

____

393 Krieg gegen Frankreich.

 

er dann nicht nach Sachsen, sondern über den Rhein in die französischen Provinzen zu führen gedachte 1). Die Kaiserin Mathilde, deren Einfluß auf die öffentlichen Angelegenheiten wir mehrmals schon erkannt haben, sie, die Heinrich einst in Italien zu seinem Stellvertreter gemacht, hinter die sich die Fürsten und Stände des Reiches steckten, um Heinrich's Zorn zu besänftigen, seinen Argwohn zu benehmen, oder ihn für einen Plan zu gewinnen, diese später in England mit soviel Entschlossenheit und Klugheit, ohne Scheu vor blutiger Entscheidung durch das Schwert, auftretende Frau hatte unfehlbar an dem von ihrem Gemahl so eifrig betriebenen Kriege gegen Ludwig von Frankreich einen großen Antheil. Da ihr Vater Heinrich I. von England mit dem französischen Könige — vornehmlich wegen der Normandie, welche von beiden Herrschern in Anspruch genommen 2), jedoch von Heinrich im Kriege wie in den kurzen Zwischenräumen des Friedens behauptet wurde, was Ludwig nicht verschmerzen konnte — damals von neuem im Kriege lag, so hatte er, wie früher, auch jetzt seines Schwiegersohnes Beistand gewünscht. Wenn der Kaiser einem Bündnisse mit England früher kein Gehör gegeben, so lag der Grund wol zum Theil darin, daß sein ganzes Streben nur auf Italien, auf Bekämpfung der Kirche gerichtet war, dann aber auch, weil der Gewinn solchen Krieges allein seinem Schwiegervater, nicht ihm zu Theil wurde, ja eine Erweiterung der Reichsgrenzen nach Westen hin ganz der Gewohnheit deutscher Kaiser widersprach, die zwar Lothringen und Burgund als ursprünglich deutsche Länder an sich gebracht, sonst aber nach den östlichen und nördlichen Slavenländern ihren Eroberungsgeist richteten, oder auf der apenninischen Halbinsel ihrer Herrschaft als römische Kaiser mehr Bedeutung zu geben suchten. Konrad, der Gründer des salischen Kaiserhauses, hatte mit der Einverleibung Burgunds sich begnügt,

 

1) Chron. Ursp. a. a. O.: Instituit expeditionem — generaliter fieri, specie quidem contra Saxoniam, re autem vera contra Galliam in regnum regis Ludovici.

2) Der rechtmäßige Beherrscher der Normandie, Herzog Robert, König Heinrich's älterer Bruder, war von diesem 1106 in der Schlacht bei Tinchebrey gefangen genommen, später geblendet, und bis an seinen Tod (1134) blieb der unglückliche Fürst im Kerker. Sein Sohn Wilhelm entkam der Haft und fand bei König Ludwig dem Dicken von Frankreich Aufnahme und Hülfe. Unter dem Vorwande, diesem die Normandie zu erkämpfen, in der That aber, sie mit der Krone Frankreichs zu vereinen, führte Ludwig fast ununterbrochen Krieg mit Heinrich von England. Auch der vom Papste Calixtus vermittelte Friede war von keiner Dauer.

 

 

 

____

394 Siebenter Abschnitt.

 

Heinrich III. Böhmen, Polen und Ungarn in Lehensabhängigkeit gebracht. Was diesen Grundsatz und Ziel gewesen, hatte Heinrich IV. und lange Zeit auch Heinrich V. festgehalten. Aber seit dem Frieden mit Calixtus hatte der Kaiser in mancher Hinsicht die Politik seiner Vorfahren sowol im Innern des Reiches wie nach Außen aufgegeben, für welche Entfremdung bisher jedoch mehr der Grund im Zwange der Verhältnisse, in einer von Außen her bedingenden Nothwendigkeit gesucht werden mußte. Der Krieg gegen Frankreich war ebenso freier Entschluß als Folge von Ueberredungen und Vorstellungen, mit denen ihm seine Gemahlin und deren Vater vielversprechende Aussichten für die Zukunft eröffneten.

 

Eine unglückliche Fahrt über See hatte den Söhnen König Heinrich's von England das Leben gekostet (1119), und war dadurch des Letztern einziger Tochter 1) Mathilde eine Aussicht auf den englischen Thron gewahrt, die sie auf ihren Gemahl übertragen durfte. Welche neuen herrschsüchtigen Pläne konnte Heinrich V. darauf basiren!. Eine Vereinigung Deutschlands und Englands, das durch den an Zahl überwiegenden Theil der Bevölkerung, die Angeln und Sachsen, und selbst durch die Dynastie der Normannen nebst einem nicht unbeträchtlichen Adel aus dieser Nation deutsches Element in sich faßte, blieb eine Aussicht, an der Heinrich's Stolz sich aufrichten konnte, wenn in Deutschland ein Fürst oder Prälat den unbedingten Gehorsam verweigernd, sich wider ihn auflehnte.— Ob Heinrich's Nachgiebigkeit gegen den Papst Calixtus seit dem Jahre 1119, seine Feldzüge nach Holland bald nach Abschluß des wormser Concordats, sein dauernder Aufenthalt in den Rheingegenden, vornehmlich am Niederrhein, wogegen er nach Italien einerseits und nach Sachsen, Böhmen, dem ganzen Osten andererseits, ja selbst nach dem Innern des Reiches über Bamberg hinaus nicht mehr sich hinwandte, ob seine Sorge für Ruhe im Reiche, wie sie

 

1) Wilhelm, der Sohn Robert's, wurde von Heinrich nicht einmal in der Normandie, wie viel weniger als Nachfolger auf dem englischen Throne anerkannt. Zwar hatte der König sich noch einmal 1121 mit Alise, der Tochter Gottfried's von Löwen vermählt, doch war und blieb diese Ehe unfruchtbar. Heinrich's V. Hoffnung auf den englischen Thron, wenn sie auch weder in Deutschland noch in England lautbar gemacht wurde, war keine eitle und mochte von seinem Schwiegervater dann wenigstens genährt worden sein, wenn er den Beistand Deutschlands gegen Frankreich nöthig hatte. Dem Kaiser lag zunächst daran, das nördliche Frankreich von Holland bis zur Normandie in seine Gewalt zu bekommen, um dadurch eine Verbindung mit England vorzubereiten.

 

 

 

____

395 Krieg mit Frankreich.

 

in Bamberg sich aussprach; ob all Dieses und Anderes, was dahin gedeutet werden kann, mit dem neuen Streben seines Ehrgeizes im Zusammenhange stehe, ist eine Frage, die sich dem Geschichtsforscher aufdrängt, die er aus historischen Belegen und Nachrichten nicht zu bejahen vermag, aber nach einem Ueberblicke der Zeitverhältnisse und Personen kaum zurückweisen kann.

 

Nicht zu bezweifeln steht, daß Heinrich V. seinem Schwiegervater Beistand gegen Ludwig von Frankreich zusagte 1), daß aber die deutschen Fürsten sich seinen Plänen gegen den westlichen Nachbar abgeneigt zeigten, wol weniger, weil sie einem Kriege mit fremden Nationen überhaupt abhold waren, als weil sie des Kaisers Herrschsucht durchschauten, der zu einer künftigen Verbindung Englands mit Deutschland eine Demüthigung Frankreichs, ein Ansichreißen der nordöstlichen Theile dieses Reiches, um Deutschland mit der Normandie und so das Festland mit der britischen Insel zu einem bei einander liegenden Staate zu verbinden, wünschte und jetzt schon vorbereitete. Wußte Heinrich auch durch den Vorwand eines Feldzuges gegen Lothar von Sachsen die Fürsten zu einer allgemeinen Heeresfolge zu verpflichten, so gelang ihm doch, als jener Zug aufgegeben, weder die Deutschen zu einer Heerfahrt gegen Frankreich zu begeistern, noch den König Ludwig über den wahren Zweck seiner Kriegsrüstungen lange zu täuschen 2).

 

Was zunächst den Zwist mit Herzog Lothar betrifft, so wurde derselbe, noch ehe die in Bamberg anberaumte Zeit zum Aufbruche gegen Sachsen gekommen, durch Zwischenereignisse gehoben, durch friedliche Verhandlungen zur Zufriedenheit Beider der Hauptstreitpunkt, die meißner Angelegenheit, beigelegt. Am 21. Mai 1124 war Graf Wiprecht gestorben. Auch er weihte sich in seinen hohen Lebenstagen dem beschaulichen, andächtigen Klosterleben, nachdem ein Unfall ihn

 

1) Chron. Ursp. ad 1124 kennt die Verbindung der beiden Heinriche von Deutschland und England sehr gut und führt als Grund des Krieges gegen Frankreich an: Praebiturus (Imperator) nimirum auxilium socero suo Henrico Angliae regi pro possessione Nordmanniae provinciae contra eundem Regem Galliae Ludovicum contendenti.

2) Chron. Ursp. a. a. O. Der Chronist meint, die Kriegsaufgebote der Fürsten seien gering gewesen, quia Teutonici non facile gentes impugnant exteras. So seltsam für ein kriegerisches Volk wie das deutsche dieser Grund erscheint, beweist er doch hinlänglich, wie abgeneigt die Nation dem Plane des Kaisers war. Vielleicht schützten die Fürsten jenes vor, um ein für allemal Heinrich in seinem Vorhaben zu behindern.

 

 

 

____

396 Siebenter Abschnitt.

 

zum Kriegshandwerke, worin er einst ein unübertrefflicher Meister gewesen, untüchtig gemacht und mit Siechthum behaftet hatte 1). Er starb dem Kaiser gewiß sehr gelegen, der sich nicht für verpflichtet hielt, auch Wiprecht's jüngerem, den Vater allein überlebendem Sohne Heinrich die östlichen Marken zuzusichern. Nicht einmal die Lausitz, in deren Besitz Wiprecht sich zu behaupten gewußt, vermochte jener wider den vereinten Angriff Konrad's von Meißen und Adalbert's des Bären zu vertheidigen; ihm blieb Nichts als das väterliche Erbgut und die Burggrafenwürde in Magdeburg 2). Der Kaiser ließ geschehen, was er nicht ändern konnte, bewilligte Konrad die Mark Meißen, Albrecht die Lausitz und war froh, daß auch Lothar, hiedurch zufrieden gestellt, in seiner Widersetzlichkeit nachließ. Um sich völlig auszusöhnen, mußte der Kaiser die Gräfin Gertrud in völligen Besitz ihres Landes wiederherstellen, Lothar aber den flüchtigen Herzog Sobislav seines Schutzes entlassen und ihm wider Wladislav keine Hülfe leisten. Der länderlose Herzog suchte den beraubten Grafen Heinrich von Groitsch auf, und die beiden Unglücklichen konnten nichts als ihr Leid sich klagen und über die Opfer, die sie der Politik zu bringen genöthigt worden, so gut als möglich einander trösten 3). Einst sollte Beiden noch die Rückkehr in die alten Würden und Besitzungen zu Theil werden.

 

1) Vita Vip., cap. XII, §. 2 erzählt ausführlich, wie Wiprecht, als einmal das Strohlager seiner Begleiter Feuer fing und er es mit nackten Füßen austrat, semiustus stratum revisit. Ex hac ustione paulatim in tantam imbecillitatem devenit, ut ex eo nunquam convaluerit. §. 3, er begibt sich nach Groitsch, ubi tota hyeme ingravescente morbo, tandem exterioris hominis pertaesus importunitatem totum se convertit ad Deum. §. 4—6 erzählt der Autor Wiprecht's eifriges Mönchsthum, §. 7 seinen Tod: transiit XI. Kal. Junii, was auch der Pegauer Mönch, das Calendar. Pegav., Chron. Mont. Ser. berichtet.

2) Vita Vip. XII, §. 7 fährt fort: Cui succedente filio Henrico duo Comites Adelbertus et Conradus, Marchiam ejus invadunt, quam etiam aliquamdiu idem Adelbertus obtinuit. Daß die Lausitz gemeint, erhellt aus XII, §. I, wo der Autor unter den Besitzungen Wiprecht's, die er noch einmal aufzählt, principatum et monarchiam in Lusitz, d. h. Ober- und Niederlausitz. Die magdeburger praefectura erhielt ihm der Erzbischof Rutger, sein Verwandter. S. die Anmerk. 184 zu Cosmas Prag. bei Menck. I, p. 2124.

3) Cosmas Prag. p. 2123: Videns autem Sobeslaus, quias fortuna et Regis censura magis juvat fratrem suum majorem natu, vertit iter ad Wigberti filium, quo consolaretur de obitu patris sui suum per sororem cognatum. Hieraus erhellt, daß der Kaiser ihm auch hospitium, solatium et auxilium, die Sobislav bei Lothar gefunden, abschnitt. Dafür gab gewiß Heinrich gegen Lothar die injuriam sororis ejus illatam nach; wenigstens führte Lothar darüber keine Beschwerde mehr; und Kaiser und Herzog erscheinen fortan ausgesöhnt.

 

 

 

____

397 Krieg gegen Frankreich,

 

Der hergestellte Reichsfriede genügte nicht zu einem glücklichen Erfolge gegen den König von Frankreich, wenn der Kaiser nicht mit großer Kriegsmacht den Nachbar bekämpfen konnte. Der Plan, ihn zu überraschen, ward von Heinrich's Umgebungen und geheimen Gegnern unter den Fürsten verrathen 1), und Ludwig ließ auf die Nachricht der ihm drohenden Gefahr durch ganz Frankreich ein Aufgebot an Fürsten, Ritter und Volk ergehen, die eilig und bereitwillig der Oriflamme folgten, die, wie in großen Kriegsnöthen immer, auch diesmal vom Altar des heiligen Dionysius geholt und entrollt ward, worauf an der Grenze seines Reiches der König kampfgerüstet das deutsche Heer erwartete, dem das seine an Zahl und an Neigung zum Kampfe — denn es galt die Rettung des Vaterlandes — überlegen war 2). Heinrich hatte unfehlbar erwartet, daß sein Schwiegervater von der Normandie aus gleichzeitig Frankreich und dessen Hauptstadt bedrohen werde, sodaß die französische Macht sich theilen müsse und ihm einen leichten Kampf, ein schnelles Vordringen bis in das Herz des Landes gestatte. Ganz und gar sah er sich getäuscht. Nicht einmal die Grenze des Reichs wagte er zu überschreiten, denn jenseits derselben stand drohend, ja prahlerisch seine Uebermacht, seinen Muth, seine Siegeshoffnung kundgebend, der Feind, während die Fürsten und Prälaten des deutschen Heeres im Kriegsrathe von jeder Schlacht, wie von einem nutzlosen, wenn nicht schädlichen und thörichten Beginnen abriethen, die Mutlosigkeit der

 

1) Suger, bei Bouquet XII, p. 50: Quod cum domino regi Ludovico intimorum relatione innotuisset. Nach der Chronique de Saint Denis bei Bouquet p. 181 erfuhr es Ludwig: par ses privez amis, que il avoit à la cort l'Emperaor.

2) Mit einem Heere Heuschrecken vergleicht das französische der Abt Suger, der selbst dem Könige die Oriflamme, das französische Reichspanier, übergeben hatte. Robert de Monte ad 1124 nennt beide Heere sehr groß: Henricus Imperator congregata exercitus infinita multitudine fines regni Francorum irrumpere disponit. Sed Ludovico - - cum infinito nihilominus exercitu in occursum ejus properante etc. Ersterer Angabe widerspricht der besser unterrichtete Verfasser des Chron. Ursp. ad 1124: Imperator quippe tunc non multas ducebat copias. Die Völker darin nennt Suger: Exercitum — — Lotharingorum, Allemannorum, Bojoariorum, Suevorum et Saxonum colligit. Wenn wirklich auch diese alle Contingente stellten, erschienen doch aus allen Provinzen wenige.

 

 

 

____

398 Siebenter Abschnitt.

 

Krieger dadurch wahrlich nicht verringerten und so dem Kaiser statt Ruhm und Ehre Niederlage und Schmach in Aussicht stellten 1). Dies bewog denn den Kaiser, der kaum bis Metz vorgerückt war, für jetzt seinen Plan gegen Frankreich aufzugeben. Er mußte es geschehen lassen, daß der Feind ihn nicht nur in Worten verhöhnte, sondern auch durch Verheerungen des deutschen Grenzgebietes ungehindert einen Schaden verursachte. So endete ein Unternehmen, welches Heinrich's hochstrebenden Sinn seit Jahren beschäftigt, dem er Opfer im Osten des Reiches gebracht, für das er seine Privatschätze und Reichsgüter, um Freunde dafür zu gewinnen, ungewöhnlich angestrengt hatte. Diesen letzteren Schaden auf einer anderen Seite zu ersetzen, bot sich ihm eine Gelegenheit, die zugleich auch wol einen schicklichen Vorwand zum Rückzuge von der französischen Grenze hergab, ja vielleicht anfangs ihn mit mehr Besorgniß erfüllte, als die Sache wirklich verdiente. Die Stadt Worms nämlich, bisher eine der ergebensten und für den Kaiser thätigsten im ganzen Reiche, war freiwillig oder gezwungen unter die Herrschaft ihres Bischofs Burchard, den Heinrich, wie wir früher gesehen, davon ausgeschlossen hatte, zurückgekehrt und drohte der Mittelpunkt einer Empörung am Rhein zu werden. Denn nicht ohne offenen und geheimen Beistand mächtiger Verbündeten hatte es der Bischof gewagt, lauten Aufruhr gegen Heinrich in dem mit List und Gewalt eingenommenen Sitze seines Sprengels zu verkünden, die Festungswerke zu erneuen oder zu verstärken und vor der Stadt den kaiserlichen Palast niederreißen zu lassen. Das Gerücht, das von diesen Vorfällen in Worms zum Lager des Kaisers gelangte, nannte den Herzog Friedrich von Schwaben als Burchard's Verbündeten 2). Bedenkt man, daß dieser Prälat in engster Verbindung

 

1) Suger a. a. O. läßt die Franzosen rufen: Transeamus audacter ad eos, ne redeuntes impune ferant, quod in terrarum dominam Franciam superbe praesumpserant. Sentiant contumaciae suae meritum non in nostra, sed in terra sua, in dem Tone geht es weiter fort. Von den Deutschen sagt Robert de Monte a. a. O.: Concilium Principum et Episcoporum ab inutili proposito desistit. Chron. Ursp. a. a. O. gibt noch Schrecken verbreitende Gerüchte: Exploratores quotidie affirmant, Francigenas, maximo jam domi congregato exercitu congressum expectare, imo temere expetere. Dazu nun noch die Nachricht vom Aufstande in Deutschland.

2) Chron. Ursp.: Nunciatur interim a tergo, Vormacienses auxilio Ducis Friderici contra voluntatem Imperatoris Bucconem suum Episcopum restituisse, seque intra muros civitatis ad rebellandum omnimodo munisse.

 

 

 

____

399 Der Aufstand in Worms wird unterdrückt.

 

mit dem Erzbischofe Adalbert gestanden und während seiner Verbannung fast immer in dessen Begleitung bald in Mainz, bald in Sachsen und Thüringen sich befunden, so liegt die Vermuthung nicht fern, daß der alte Feind, nur scheinbar ausgesöhnte Freund des Kaisers an der in Worms vorbereiteten Empörung, die in dem Hauptsitze der Reichsmacht und somit im gefährlichsten Punkte Wurzel zu fassen schien, einen, wenn auch geheimen Antheil genommen habe. Jedenfalls erkannte Heinrich die Nothwendigkeit, den Aufstand im Keime und schleunigst zu unterdrücken. Da es noch früh im Jahre 1) und die Zeit der Heeresfolge so bald nicht abgelaufen war, benutzte er die gesammte Kriegsmacht, die, wenn auch nicht gegen Frankreich, doch um eine Stadt zu züchtigen, hinreichte, gegen diese sogleich zu führen. Nach einigem Widerstand, nach Gefechten vor den Mauern, wobei die Wormser viele Gefangene und Todte einbüßten, wurde die Stadt, die nicht hinlänglich verproviantirt war, eingenommen, und von ihren reichen Einwohnern, von dem Bischof Burchard und dessen Dienstmannen und Anhängern erpreßte Heinrich 5000 Talente Silbers 2), eine Summe, die ihm einigen Ersatz für das mislungene Unternehmen gegen König Ludwig gewährte. Uebrigens begnügte er sich, den Anstifter der Empörung aus Worms zu treiben, und enthielt sich, den Theilnehmern weiter nachzuforschen

 

1) Zu Bamberg war die Heerfahrt gegen Sachsen auf St.-Jakobus angesetzt, d. h. 25. Juli; die gegen Frankreich fand erst im August statt. Robert Monte ad 1124: Et hoc factum est mense Augusto. Daß erst diesen Monat das Heer der Fürsten, wahrscheinlich wegen des anhaltend schlechten Sommers und der daraus erfolgten Uebelstände zusammengekommen, bezeugt Chron. Ursp. z. g. J.: Instituit (Imperator) expeditionem sequente Augusto generaliter fieri specie quidem contra Saxoniam etc. Es war demnach keine frühere Rüstung gegen Sachsen vorausgegangen. Wenn gegen Cosmas und Ann. Saxo das Chron. Ursp. die Festsetzung auf August schon zu Bamberg statt als spätere Verschiebung angibt, so nimmt er gleich diese für jene. Da der Feldzug gegen Frankreich wenig Tage währte, gewiß viel kürzer als Alle, auch die Wormser, geglaubt hatten, so konnte Heinrich das Heer noch lange beisammen behalten. Dies und die harte Züchtigung von Worms schreckte Diejenigen, welche an der Rebellion letzterer Antheil hatten.

2) Chron. Ursp. a. a. O.: Quo audito (den Aufstand) reversi urbem eandem maxima invadunt severitate, nec ovsidionem ejus solvunt, donec multis ut fieri solet, hinc inde conatibus expensis, multis ante muros captis vel occisis ad ultimum deficientibus alimoniis quinque millibus talentorum urbani multati relicto Episcopo pactum ad arbitrium Imperatoris faciunt. Burchard behielt wol sein Bisthum, nur mußte er auf Worms verzichten und gewiß den Haupttheil des Strafgeldes, wenn nicht noch ein besonderes, zahlen.

 

 

 

____

400 Siebenter Abschnitt.

 

oder sie zu strafen. Zu gefährlich wäre dies gewesen, da noch der Unmuth über den französischen Feldzug die meisten Fürsten, weltliche wie geistliche, erfüllte, da die bisher ergebenste Stadt sich zum Trotze mindestens hatte verleiten lassen, da endlich sein nächster Verwandter dem ihm so gehässigen Bischof Burchard in einem aufrührerischen Unternehmen zur Hand gegangen war. Die Abneigung, mindestens Entfremdung der hohenstaufischen Brüder, mögen sie oder er dazu Anlaß gegeben haben, mußte Heinrich mit Besorgniß, ja mit Schmerz erfüllen. In ihnen glaubte er wenigstens unerschütterlich treue und stets bereitwillige Kämpfer für seine Sache, seine Pläne, seine Zwecke sich anerzogen und ausgebildet zu haben, und doch hatten sie wiederholentlich schon sich abgeneigt undienstfertig, ja selbst feindselig gezeigt, mit der dem Kaiser entgegenstehenden Partei sich gegen Heinrich's Bemühen und Wunsch verbunden, den verhaßtesten Widersachern ihres Oheims Schutz und Beistand gewährt. Zu Anfange des Jahres 1124 war Konrad nach dem gelobten Lande gezogen, wie er selbst bekannt hatte, weil sein früheres Handeln, das doch vornehmlich dem Dienste des Kaisers gewidmet gewesen, ihn gereue 1); und Friedrich nahm nicht nur an dem Kriege gegen Frankreich, seines Oheims Lieblingsplane, keinen Theil, sondern unterstützte hinter dessen Rücken den rebellischen Burchard von Worms.

 

Da Heinrich erkannt, daß er weder die Städte durch Gnaden und Privilegien sich geneigt erhalten, noch die Geistlichen durch Nachgiebigkeit, gefälliges Entgegenkommen, Verzichtung auf alte kaiserliche Rechte gewinnen, noch die Fürsten durch Trennen ihrer gefährlichen Macht, durch Zwiespalt, den er unter ihnen veranlaßt, durch Drohung, durch Aufgebot zum Reichskriege, durch Aussicht auf Beute in fremdem Lande abhängig machen konnte, so beschloß

 

1) Chron. Ursp. und Ann. Saxo ad 1124: Eclipsis lunae apparuit in purificatione St. Mariae. Unde etiam perterritus Chunradus, consobrinus Imperatoris, conversionem morum suorum professus, Hierosolymam se profecturum, ibidemque Christo millitaturum devovit, indeque favorem non modicum ab omnibus, qui hoc audierant, acquisivit. Gewiß war seine Entfernung Vielen willkommen; für den Kaiser lag schon in dem Beweggrunde eine Kränkung, Konrad's Beispiel verführte auch Andere, die vorher wol wie jetzt die gleiche Gesinnung erfüllt hatte: Nonnulli quoque nequitiae studiis ante dediti, eidem se sociari profitentur comitatui. Für Deutschland war dies allerdings heilsam, denn sicherlich zogen von jenen Raubrittern, die alle Provinzen plagten, viele mit.

 

 

 

____

401 Heinrich's Krankheit.

 

er einen neuen Weg einzuschlagen, um eine von den Reichsständen unabhängige Heeresmacht ausrüsten und seine Einkünfte vermehren zu können, ohne daß er des Aufgebots der Fürsten, ohne daß er der Reichsgüter und deren Ertrages bedurfte. Eine allgemeine Steuer, nach Gut und Vermögen jedes Einzelnen, schien ebenso sehr geeignet, des Kaisers Wünschen zu entsprechen, als dem fortwährenden, unauflöslichen Streit wegen Herausgabe und Grenzbestimmung der Fiskalien am besten ein Ende zu machen, indem alsdann auf diese dem Reichsoberhaupte weniger ankam und er nicht mehr fremden Beistandes zur Erreichung eigener Absichten, wozu bisher die Reichsstände selten sich willig gefunden, bedurfte. Gleichwol zeigten die Großen, als Heinrich mit jenem Plane hervortrat, die größte Abneigung, den heftigsten Widerstand, sei es nun, daß die Neuheit der Sache, wozu, wie es hieß, der König von England seinem Schwiegersohne den Rath ertheilt 1), sei es, daß die Gefahr vor Uebermacht des Kaisers, vor Beschränkung des fürstlichen Einflusses auf jenes Handlungen, oder auch daß Furcht vor Bedrückungen der kaiserlichen Beamten bei Erhebung der Steuern Fürsten und Völker argwöhnisch und unzufrieden machte. Genug Heinrich mußte das Vorhaben aufgeben, dessen Wiederaufnahme erst nach Jahrhunderten, sehr allmälig und unmerklich von Kaisern, Königen und Beherrschern der Völker, Länder und Ländchen gewagt wurde, dessen Realisirung zu einem vollständigen System in neuern Zeiten die Basis absoluter Monarchien ausmacht, und dessen Controlirung von Seiten der Nationalstände erst in der neuesten Zeit Wunsch und Foderung der Völker geworden ist und das bewegende Princip constitutioneller oder sich constituirender Staaten vornehmlich in sich schließt. Heinrich's rastlos strebender Geist, von Herrschsucht und Habgier neben manchen lobenswertheren Motiven getragen, würde auf neue Wege und Mittel verfallen sein und keinen der Lebenspläne aufgegeben haben, wenn nicht sein Körper durch ein unheilbares Uebel ihn gemahnt hätte, daß seine Lebensdauer bald zu Ende gehen müsse. Lange Zeit schon quälte ihn ein krebsartiges Geschwür, das er aber selbst seinen nächsten Umgebungen verhehlte, weil er durch die Aussicht auf seinen Tod keines Anderen Hoffnungen erwecken, noch die seinen durch ein körperliches Leiden vernichtet sehen wollte.

 

1) Otto Fris., Chron. lib. VII, cap. 16: Consilio generi sui, Regis Anglorum, totum regnum vectigale facere volens multum in se optimatum odium contraxit.

I. 26

 

 

 

____

402 Siebenter Abschnitt.

 

Jetzt aber nahm dieses überhand, er ahnte, daß es bald mit ihm zu Ende gehen werde, und nicht ohne ein lobenswerthes Werk, das für diese und jene Welt ihm Ehre und Heil bringe, vollbracht zu haben, gedachte er zu scheiden. Dem Reiche den Frieden zu geben, war seit der Eroberung von Worms sein ernstliches Bestreben, und eifrig für denselben thätig zog er trotz seinem heftiger brennendem Krebsschaden am Rhein vom Elsaß bis Holland hinab. Den größten Theil des sehr strengen Winters brachte er in Straßburg zu 1), wo er die Fürsten des Elsaß, Lothringens und der übrigen jenseit des Rheins gelegenen Provinzen um sich versammelte und mit ihnen das Beste des Reiches berieth. Dies bedurfte auch in der That der höchsten Fürsorge seiner Herrscher und Lenker, denn Hungersnoth und Seuche wütheten in allen Theilen und rafften fast ein Drittel der Bewohner weg 2). Furcht und Aberglaube ersannen noch schrecklichere Wunder und Zeichen 3) zu den wirklichen Leiden. — Heinrich begab sich Ende Februar 1125 nach Mainz, und dann stromabwärts in die nordwestlichen Gegenden Deutschlands. Die Ostern (29. März) gedachte er in Lüttich zu feiern und zugleich den allgemeinen Landfrieden Fürsten und Völkern zu verkündigen. Ersteres gestattete sein

 

1) Für seinen langen Aufenthalt in Straßburg zeugen außer den Chronisten auch mehre Urkunden, die im December und Januar dort ausgestellt sind. S. Stenzel II, S. 338.

2) Chron. Ursp. und Ann. Saxo ad 1125: Henricus Imperator natale Domini Argentinae, quae et Strazburch, celebravit, frequentantibus ibi curisam Principibus Alsatiae, Lotharingiae ceterarumque Transrhenanarum partium optimatibus, quo tempore hiemem asperrimam, ver tempestuosum, fames validissima ac mortalitas crudelissima secutae tantam stragem per universas provincias, maxime tamen de vulgaribus dederunt, ut pene pars tertia populi notetur occubuisse. — Und später noch im Jahre gab es Noth und Elend: Quarta feria ebdomadae Pentecostes dirissimae pruinae frigus plagam maguam tam novellis ubique fructibus quam vineis abundantissimam jam factuum suorum spem turgendo promittentibus intulit, nec multo post, id est XVI. Kal. Julii residuum frigoris tempestas tam immensa, quae diluvium minari viädebatur, alicubi devastavit. Item quaedam ex locis palustribus ultra solitum erumpentes segetes contiguas et maxime triticeas aurugine vel uredine depravavit, apum etiam foetus ex toto pene deperiit.

3) Chron. Ursp. und Ann. Saxo ad 1125: His temporibus per latitudinem Imperii prodigia nonnulla cladesque diversae frequentabantur, adeo ut nec numerus nec species eorum a quoquam scientia colligantur, quorum pauca nostris auribus (der Ann. Saxo schreibt das unbesehens nach) fama intulit. Einige werden später mitgetheilt, die wir übergehen dürfen.

 

 

 

____

403 Heinrich's letzte Anordnung und Tod.

 

wachsendes Uebel nur kümmerlich, Letzteres aber betrieb er mit wahrhaft religiösem Eifer zu Lüttich und anderen Orten und empfahl die strengste Sorge für Ruhe und Ordnung, damit nicht ferner Brand und Plünderung von räuberischen Rittern oder gar Fürsten verübt würden, den in seiner Nähe Verweilenden und den Abwesenden, den Weltlichen wie den Geistlichen 1), und ging vor Allem selbst mit dem löblichsten Beispiele voran. So gebot er dem treuesten seiner Anhänger, dem Pfalzgrafen Gottfried, in einer Urkunde vom 7. Mai, der Abtei St.-Maximin seit 8 Jahren vorenthaltene Güter und Einkünfte zurückzustellen; ja allen Fürsten in seinem König- und Kaiserreich befahl er das Gleiche zu thun und legte es dem Papste, den Bischöfen und, falls er aus dieser Welt bald scheiden sollte, vornehmlich seinem Nachfolger und den Fürsten als Pflicht auf, zum Heil ihrer Seelen und der seinen für die Ausführung Dessen, was er einst der römischen und anderen Kirchen versprochen, zu sorgen und Die, welche Kirchengut angetastet, mit kirchlichen und weltlichen Waffen zu züchtigen 2). Zehn Tage nach Ausstellung dieses, seinem früheren Leben und Handeln so widersprechenden Documents begab er sich zur Feier des Pfingstfestes nach Utrecht. Sein Ende nahe fühlend, berief er seine Gemahlin, den Herzog Friedrich von Schwaben und andere Große des Reichs dorthin, ertheilte ihnen Vorschriften über die Reichsverwesung bis zur Wahl eines neuen Königs, gebot die

 

1) Dies erhellt besonders aus seinem Schreiben an Gottfried von Trier, den Nachfolger des 1124 gestorbenen Bruno, worin er jenen ermahnt, die strengsten Maßregeln zu ergreifen und des von den Fürsten beschworenen Landfriedens eingedenk zu sein. S. Broweri Ann. Trev. lib. XIII, cap. 77, im Tom. II, p. 21.

2) Martene, Coll. p. 686 und 87 enthält die umständliche Urkunde, gegeben apud Tuisburc Nonas Maji; der Ort ist wol besser Doesburg an der Assel, als Duisburg am Rhein. S. Stenzel II, S. 339. Wir heben nur die Worte heraus, die eine allgemeine Verfügung enthalten: Quia tanta infirmitate opprimi videmur, ut de praesentis vitae securitate interdum dubitare cogamur, idcirco non solum praefatse ecclesiae judicium et justitiam ad praesens facere decrevimus, sed etiam omnibus ecclesiis, quae in regno et imperio nostro a nobis aut nostris suis privatae sunt rebus, ab ista die et deinceps, vita comite, bona sua coram Deo integre nos reddituros esse promittimus. Si autem divina vocatione de hac luce tam repente migraverimus, ut per nos ipsos, quod absit, haec omnia implere nequeamus, tunc non solum apostolico et episcopis, in quorum dioecesi bona ecclesiarum invasa sunt, raptores eorum spirituali gladio feriendos derelinquimus, sed etiam successori nostro cunctisque regni principibus pro salute animarum suarum ac nostra causam hanc in Christo determinandam committimus.

26*

 

 

 

____

404 Siebenter Abschnitt.

 

kaiserlichen Insignien bis dahin auf der Veste Hammerstein zu verwahren, übertrug seinem Neffen die Güter seines mit ihm erlöschenden Hauses, sowie den Schutz der Kaiserin Mathilde. Am 23. Mai schied er aus der Welt und ward zu Speier in der Gruft seiner drei Vorgänger feierlich bestattet 1). Aber es war ein kalter Prunk, mit dem zahlreiche Fürsten und Geistliche ihm die letzte Ehre erwiesen. Die löblichen Handlungen kurz vor seinem Tode konnten das Gedächtnis der Willkür, der Bedrückungen, die er während einer fast zwanzigjährigen Regierung in der Kirche wie im Reiche verübt, nicht auslöschen 2).

 

1) Chron. Ursp. und mit mancher Ergänzung oder Abweichung Ann. Saxo ad 1125: Heinricus Imperator huzus vocabuli V apud civitatem Trajectum Pentecosten celebraturus aegretudine, quam diu celaverat, superatus ad extrema coepit propinquare, vocatisque, qui secum erant, id est Regina Mathilde (et consobrino suo Friderico Duce Sueviae) ceterisque Primatibus, prout potuit, de regni statu consilium dedit, (proprietates suas atque Reginam ejusdem Friderici, utvote haeredis sui, fidei commisit) coronam ceteraque Regalia usque ad conventum Principum conservanda in castello firmissimo, quod Hammerstein (Trifels; hier ist Chron. Ursp. wol ein glaubwürdigeres Zeugniß, doch kann auch der Verfasser desselben die beiden Vesten leicht verwechselt haben) dicitur, reponi disposuit, sicque viatico Christi sacramentorum communicans diem clausit extremam X. Kal. Junii (die Ann. Hildesh. infra hebdomadam Pentecosten) cujus corpus more regio curatum Spiram est delatum et coram multitudine nobilium et inferiorum Clericorum atque Laicorum juxta majorum suorum Mausolea honorifice conditum anno Regni sui XX, Imperii vero XIV.

2) Das zeigt das Schreiben der Fürsten und Bischöfe an den unlängst zurückgekehrten Otto von Bamberg, in dem es unter Anderem heißt: Quatenus memor oppressionis, qua ecclesia cum universo regno usque modo laboravit. Cod. Udalr. Nr. 320. Hören wir noch die Schlußbemerkung, die der Verfasser des Chron. Ursp. über Heinrich macht: Acer fuit ingenio, fortis et audax, licet parum felix in praeliis, nimius in appetendis alienis. Pecunias, ut ajunt, infinitas congesserat, quas secundum scripturas, cui thesaurizasset, ipse sine liberis obiens, heu, heu ignorabat.

 

 

 

 

Druck von F. A. Brockhaus in Leipzig.

 

 

 

 

 

Lothars Zeit als König und römisch-deutscher Kaiser



Kaiser Lothar III.

 

Von Dr. Eduard Gervais

Privatdocent an der Universität Königsberg

Leipzig F. A. Brockhaus 1842

 

 

____

V. Inhalt.

 

Seite

Vorwort VII

 

Erster Abschnitt. Die Lage der Dinge in Deutschland und die Stellung der Parteihäupter nach Heinrich's V. Tode. Der Wahltag zu Mainz. Lothar's Erhebung und Krönung. Der Hohenstaufen Auflehnen. Die Anordnungen des Königs im Innern des Reichs. Seine auswärtige Politik. Der böhmische Feldzug. Sachsen. Burgund. Lothar's Aufenthalt am Rhein. 1

 

Zweiter Abschnitt. Verbindung Heinrich's von Baiern mit Gertrud. Rückkehr Konrad's. Kampf der hohenstaufischen Brüder gegen Lothar und Heinrich vor Nürnberg. Konrad's Erhebung zum Gegenkönige. Seine Entweichung nach Italien. Lothar's Kampf gegen Friedrich und die Stadt Speier. Gottfried von Löwen und Walram von Limburg. Verhältnisse in Sachsen. Das Landgrafenthum Thüringen. Unterwerfung Frankens. 71

 

Dritter Abschnitt. Das Kirchenschisma. Innocenz II. in Frankreich und Anaclet II. in Italien. Bewerbung Beider um Lothar's Freundschaft. Das Concil zu Lüttich. Lothar's Tätigkeit am Rhein und im Elsaß. Thronstreit in Dänemark. Des Königs Heerfahrt wider die Dänen und Slaven. Baierische Fehden. Stellung Heinrich's zu den Hohenstaufen. Lothar's Maßregeln vor Antritt des Römerzuges. 129

 

Vierter Abschnitt. Der Römerzug. Anaclet II. und Roger, König von Sicilien. Die Kaiserkrönung. Rückkehr des Kaisers nach Deutschland. Unterwerfung der Hohenstaufen. 227

 

Fünfter Abschnitt. Höchstes Ansehen des Kaisers im Innern des Reichs und im Auslande. Reichsund Landfrieden. Lothar's Verhältniß zur Kirche, zu den Fürsten, zu den Städten und dem Volke. Vorbereitungen zur zweiten Heerfahrt nach Italien 278

 

____

VI Inhalt Seite

 

Sechster Abschnitt. Innocenz in Pisa. Bernhard's von Clairvaux unermüdliche und wirksame Thätigkeit. Roger's Fortschritte in Unteritalien. Lothar's zweite Heerfahrt. Sein Verfahren in Oberitalien. Eroberung Thusciens durch Heinrich von Baiern. Kampf in Apulien. Belagerung von Salerno. Rainulf's Belehnung mit dem Herzogthum Apulien durch Kaiser und Papst. Anaclet's Bedrängniß. Innocenz in Rom. Lothar's Rückkehr und Tod. 341

 

Siebenter Abschnitt. Deutschlands Lage bei Lothar's Tode. Des Kaisers Bestattung. Heinrich's und Richenza's Vorbereitungen zur Wahl. Albero von Trier bewirkt Konrad's III. Erhebung. Markgraf Albrecht von Salzwedel. Kampf zwischen Hohenstaufen und Welfen. Heinrich's und Richenza's Tod. Schluß 421

 

 

 

_____

VII

 

Vorwort.

 

Mit noch größerer Schüchternheit als den ersten Theil übergebe ich diesen zweiten der Oeffentlichkeit, weil dort Lothar nur in der untergeordneten Stellung als Herzog, hier als Reichsoberhaupt von einer ganz anderen Seite, als ihn meist neuere Geschichtschreiber aufgefaßt haben, von mir darzustellen versucht ist. Wie sehr auch die Idealisirung seiner Helden dem Historiker fern liegt, so erheischt es doch die Pflicht von ihm, grundlose Behauptungen und einseitige Ansichten, die einen wahrhaft großen Charakter entstellt haben, zu widerlegen. Nicht gänzlich unbekannte, aber vielfach verkannte Personen und Ereignisse sind der Gegenstand meiner Forschung, die darum sich nicht blos mit dem Nachweis der benutzten Quellen und Hülfsmittel begnügen durfte, sondern fast auf jedem Schritte zur Widerlegung oder zur Prüfung entgegenstehender Angaben Anderer genöthigt war. Daß diese die Wahrheit absichtlich entstellt, die unrichtigen Quellen benutzt oder die von ihnen und mir gemeinsam zu Rathe gezogenen misverstanden oder unkritisch angezogen hätten, wäre eine ebenso große Anmaßung, als wenn ich meine Resultate für die unumstößlich richtigen und einzig möglichen ausgeben wollte. Ohne dem Leser das freie Urtheil zu benehmen, suchte ich überall nur meine Ansichten zu befestigen. Dies erfoderte zur bessern Darlegung der Sachverhältnisse und Beurtheilung der Personen eine gründliche Prüfung der ältern Quellen wie der neuern Untersuchungen. Mehr noch in diesem zweiten als im ersten Theile war es nöthig, nicht nur genau in den Anmerkungen die Beweisstellen anzugeben,

 

 

_____

VIII Vorwort

 

sondern auch hier und da im Texte selbst ein Raisonnement oder eine Zurückweisung ungegründeter Ansichten, die sich allgemein geltend zu machen suchten, einzuflechten. Der Beurtheilung Kundiger und Einsichtsvoller stelle ich anheim, mein Verfahren zu würdigen. Einer Rechtfertigung im Voraus bedarf es vielleicht, daß ich den sechs Abschnitten, die Lothars Regierung umfassen, noch einen siebenten beigefügt habe, der die ersten Regierungsjahre Konrad's III. bis zum Tode Herzog Heinrich's von Baiern und Sachsen begreift. Es ist dies nur ein scheinbares Ueberschreiten der mir vorgesteckten Grenzen. Lothar's Bedeutsamkeit als Kaiser Deutschlands ist nicht allein in seiner persönlichen Herrschergröße, sondern auch in seiner Erhöhung der welfischen Macht zu suchen, gleichwie das Geschlecht der Hohenstaufen von den beiden letzten fränkischen Kaisern emporgehoben war. Die Absicht Lothar's, seinem Schwiegersohne, Heinrich dem Stolzen, das begonnene Werk, Reich und Krone zu vererben, wurde weniger durch seinen frühzeitigen Tod als durch die Ränke der hohenstaufischen Partei vereitelt. So lange aber der übermächtige Herzog von Baiern und Sachsen lebte, war für Konrad III. der Thron nur ein sehr unsicherer und zweideutiger Besitz, die Entscheidung, ob Welfen oder Hohenstaufen eine neue Herrscherdynastie begründen würden, durchaus zweifelhaft. Erst Heinrich's unerwarteter Tod gab den Gegnern größere Festigkeit und bewirkte eine völlige Umgestaltung der durch Lothar hervorgerufenen innern und äußern Verhältnisse. Wie dieses Kaisers Nachkommen vom Throne ausgeschlossen blieben, wurden bald auch seine Politik im Weltlichen und Kirchlichen, seine Thaten, sein Ruhm und seine Größe in Vergessenheit gebracht. Mit unverkennbarer Absichtlichkeit geschieht dies bei den hohenstaufisch-gesinnten Schriftstellern, darum dieselben nur mit Vorsicht und Prüfung zu benutzen sind. Ein Albrecht von Stade verräth zu plump seine Parteilichkeit, als daß man seine Anschuldigungen und Vorwürfe gegen Lothar

 

 

____

IX Vorwort

 

nicht leicht als haltlos erkennt. Otto von Freisingen aber verbirgt seine Scheelsucht gegen Lothar, Heinrich den Stolzen und die welfische Partei hinter zweideutigen Lobsprüchen, die er den Gegnern seiner Hohenstaufen spendet. Ich habe an den gehörigen Orten dies nachgewiesen und die Irrthümer, die seine nicht selten blendende und verführerische Darstellung bei so manchem der neuern Geschichtschreiber veranlaßt hat, widerlegt. In Betreff des sächsischen Annalisten ist das Urtheil Stenzel's völlig richtig, - soweit als dieser ihn für seine fränkische Kaisergeschichte benutzt hat; für die Zeiten Lothars und die ersten Regierungsjahre Konrad's III. wird der frühere Compilator als Zeitgenosse eine Quelle, die oft vor andern den Vorzug verdient, wenngleich ein Parteinehmen in entgegengesetzter Ansicht als bei Otto von Freisingen ihn nicht ohne Vorsicht gebrauchen läßt. Das hier über die Hauptschriftsteller für jenen Zeitabschnitt Gesagte wird man vereinzelt in meinem Werke nachgewiesen finden. Es in einer kritischen Abhandlung zusammenzustellen, möchte sich anderswo ein schicklicher Ort finden. - War der nächste Zweck meines Werkes, eine fühlbare Lücke in der Geschichte des deutschen Mittelalters auszufüllen, so erwuchs ganz von selbst aus dem behandelten Stoff eine Nutzanwendung für unsere Gegenwart. Da diese auf so mancherlei Weise Bestrebungen und Ideen aus jenen Jahrhunderten des Feudalismus und der Hierarchie wieder aufzunehmen bemüht ist, vermag es eine politische Geschichte Deutschlands unter der Regierung der Kaiser Heinrich V. und Lothar III. vielleicht mehr als die irgend einer andern Periode ein richtiges Bild von den Zuständen unseres Mittelalters vorzuführen. Sahen wir Kaiser Heinrich, im Geiste seiner Vorfahren, aber mit ungebändigter Herrschsucht der emporringenden Hierarchie den Sieg zu entreißen bemüht, in diesem Streben scheitern, weil er die Selbständigkeit und Freiheit der Stände in seinem Reiche zugleich untergraben wollte, so bietet sich in Lothar ein

 

 

 

____

X Vorwort

 

Herrscher dar, der unbeschadet seiner Königsrechte jeder Gewalt, die eine politische Bedeutsamkeit nicht auf willkürlicher Bahn, sondern im natürlichen Entwicklungsgange erlangt hatte, das gebührende Recht zuerkannte, der mit Kirche und Reichsständen im Bunde nach Außen wie im Innern den Glanz der Krone, der zu erlöschen drohte, aufhellte, und der sich und seinem Volke ersprießlich eine heilsame Macht des Thrones zum Mittelpunkte aller politischen Bewegung erhob. Was ihm in so stürmischen Zeiten, wo die freien und ungezügelten Elemente im Staatsleben oft wild und unbändig aufgährten, durch kluge Anwendung der ihm zu Gebote stehenden Mittel, durch Vereinigung heterogener, lange im Widerstreit liegender Kräfte ohne Beeinträchtigung aller gesetzlichen und damals nothwendiger Gewalten möglich wurde, darf für alle Zeiten als mahnendes und belehrendes Beispiel gelten und gibt den Ideen und Bestrebungen des Mittelalters eine Deutung, die nicht ohne Beschämung unserer in Intelligenz und Erfahrung weit vorgeschrittenen Gegenwart ausgesprochen werden kann. Ob und bei wem ich mir durch eine freisinnige Darstellung längst verschwundener Zeiten ein operae pretium auch in unserer Gegenwart erworben habe, wird die Folge lehren. Käme endlich die Zeit, wo auch die Gegenwart zur Gegenwart in einer politischen Geschichte frei und unumwunden reden dürfte. Soll auch dieses etwa nur einem Privatdocenten vorbehalten bleiben?

 

Königsberg, den 8. März 1842.

E. Gervais.

 

 

 

 

_____

1

 

Erster Abschnitt.

 

Die Lage der Dinge in Deutschland und die Stellung der Parteihäupter nach Heinrich's V. Tode. Der Wahltag zu Mainz. Lothar's Erhebung und Krönung. Der Hohenstaufen Auflehnen. Die Anordnungen des Königs im Innern des Reichs. Seine auswärtige Politik. Der böhmische Feldzug. Sachsen. Burgund. Lothar's Aufenthalt am Rhein.

 

 

Als Kaiser Heinrich's V. Leiche im Dom zu Speier zur Gruft bestattet worden war, gedachten die bei der Leichenfeier anwesenden Fürsten der Schwierigkeiten, die sich nun bei der Besetzung des verwaisten Thrones ihnen zeigten. Sie gaben und suchten Rath für die Erledigung eines ihnen obliegenden schwierigen Werkes, von dem die Ruhe, das Wohl, der künftige Zustand des Reiches abhing 1). Seit 101 Jahren hatte diese Sorge durch keinen Wahlakt erledigt werden dürfen, weil jeder der Herrscher aus dem fränkischen Hause schon bei Lebzeiten einem Sohne die Nachfolge zugesichert hatte, wozu

 

1) Cod. Udalr Nr. 320 enthält ein Schreiben der zu Speier anwesenden Geistlichen und Fürsten an Otto von Bamberg, eine Auffoderung, zur neuen Königswahl mitzuwirken. Dann heißt es weiter: Postquam Dominus Imperator viam universae carnis ingressus est, et nos exequias ejus cum justa devotione et reverentia complevimus, ipse ordo rei et temporis qualitas exigere videbatur, ut de statu et pace regni aliquid conferremus, si non abesset prudentiae vestrae consilium et aliorum principum tanto negotio utile et pernecessarium. Wie höflich man sich auch gegen Otto ausdrückt, daß schon Berathungen und Einleitungen zur Wahl in Speier getroffen waren, geht aus dem ganzen Brief hervor.

II. 1

 

 

____

2 Erster Abschnitt.

 

die Fürsten mehr herkömmlich als freiwillig ihre Zustimmung gaben. Denn auch Heinrich's V. zweite Wahl nach der Entthronung des Vaters war mehr ein Spiel jenes gewesen, wobei er sie als willige Werkzeuge gebraucht hatte, um sich zum unbeschränkten Despoten über sie erheben zu können. Daß er, den eine gerechte Vergeltung für Verletzung der heiligsten Kindespflicht durch Kinderlosigkeit zu strafen schien, nie an den Nachfolger gedacht oder sich doch nicht bestimmt darüber ausgelassen hatte, da er doch sein unheilbares Uebel, das einen jähen Tod herbeiführen mußte, kannte, ist ebenso sehr aus seinem unermüdlichen Drange der Herrschsucht, der zu neuen und immer neuen Entwürfen und Unternehmungen ihn rastlos forttrieb, als aus seinem argwöhnischen Geist, den Gewissensqualen und trübe Erfahrungen gegen jeden hoch und nahe Stehenden mistrauisch machten, zu erklären. An seinen Schwestersöhnen, Friedrich und Konrad von Hohenstaufen, hatte er zwar in der ersten Hälfte seiner Regierung wie an eigenen Kindern gehandelt, sie nach den Grundsätzen und Ansichten gebildet, denen er selbst im Handeln folgte, und während seiner Abwesenheit in Italien (1115-19) an ihnen solche Stellvertreter gefunden, die leider nur zu sehr in seinem Sinne fortwirkten, die mit Strenge und Gewalt sein Ansehen aufrecht zu erhalten suchten, mit Ergebenheit und Aufopferung seiner Sache dienten und dieser bald mit gewaffneter Hand, bald durch trügerische Unterhandlungen wider die Anfoderungen der geistlichen und weltlichen Gegner Vorschub thaten. Aber seit 1119 hatten Oheim und Neffen nicht mehr einmüthig beisammen gestanden, und Letztere sich oftmals in Gesinnungen wie in Handlungen den erbittertsten Widersachern Jenes angeschlossen, sogar der Gemeinschaft mit dem Oheim sich ganz entzogen, und während Konrad im fernen Orient einem Bestreben der Päpste und der Hierarchie seinen Arm lieh, Friedrich nicht des Kaisers Eroberungspläne gegen Frankreich unterstützt, sondern in dessen Abwesenheit die über Heinrich misvergnügte oder von demselben beeinträchtigte Partei in aufrührerischen, eigenmächtigen Unternehmungen gefördert. Eine Umwandlung der Gesinnungen, obwol ihr eigenes Bekenntniß solche vorschützen mochte 1), ist in ihrem Verfahren weniger zu erkennen, als ein klugberechnetes Verfahren, um ihre später unzweideutig hervortretenden Absichten

 

1) Von Konrad heißt es wenigstens, als er seinen Kreuzzug antrat, in Chron. Ursp. und bei Ann. Saxo ad 1124: Conversionem morum suorum professus Jerosolimam se profecturum, etc.

 

 

_____

3 Lage der Dinge in Deutschland.

 

vorzubereiten. Und hierin bewährten sie sich als würdige Zöglinge Heinrich's V. Wie dieser einst, um sich den Thron zu sichern, vom eigenen Vater abgefallen war, als derselbe hartnäckig im Kampfe wider Papst und Geistlichkeit ausdauerte, so schlossen auch die hohenstaufischen Brüder in Aussicht auf den gleichen Herrscherthron, auf den sie, als die Erben des Oheims, die nächste Anwartschaft zu haben glaubten, sich an die Kirche an. Wenn sie in dieser Politik nicht einen förmlichen Abfall von Heinrich übten, so hielt sie davon keineswegs das Band der Blutsverwandtschaft oder die Rücksicht schuldiger Dankbarkeit zurück, sondern weil der Kaiser besonnener als sein Vater, und weil seine Herrschsucht andere Bahnen eingeschlagen hatte, seit dem wormser Concordat ein gutes Vernehmen nicht blos mit dem Papste, sondern auch mit den früheren Gegnern unter den deutschen Geistlichen, selbst mit seinem erbittertsten Widersacher, Adalbert von Mainz, zu unterhalten bemüht war, sodaß bis auf einen gewissen Punkt des Herzogs Friedrich Anschluß an den Erzbischof und dessen Partei dem Kaiser nicht unlieb, ja sogar als eines sehr geeigneten Vermittlers willkommen sein mußte. Wie sehr Friedrich aber jenen Punkt überschritten hatte, wie er nicht als Vermittler, sondern als Gegner des Oheims bei mehren Gelegenheiten aufgetreten war, haben wir gesehen und es allein aus einem eigennützigen Bestreben erklären können. Ganz natürlich mußte daraus eine Spannung zwischen Friedrich und Heinrich entstehen, die nur dieses Vorsicht und jenes Scheu nicht zu einem völligen Bruche kommen ließen, der Beiden unfehlbar großen Nachtheil, und Jeden um den beabsichtigten Gewinn gebracht haben würde. Ob mehr Friedrich's Ehrgeiz und Undankbarkeit, ob mehr die Absicht Heinrich's, die Macht der Reichsfürsten zu brechen, Vorwurf verdienen, bleibe dahingestellt; fest steht, daß Beider Streben unerreicht blieb, daß der Kaiser durch den Herzog, Friedrich durch Diejenigen, welche er zu gewinnen und als Beförderer seines Glückes zu nutzen gedachte, getäuscht wurde.

 

Zwar auf dem Todbette söhnte Heinrich sich mit seinem Neffen aus, machte ihn zum Erben seiner Hausgüter, zum Beschützer der unter Deutschen nun verlassenen Kaiserin; zum Nachfolger auf dem Thron aber empfahl er ihn den Fürsten nicht, und wies ihm nicht einmal - was sonst als bezeichnend angesehen wurde - die Reichsinsignien zu, die auf einer Reichsveste, und bis zur Erhebung eines neuen Königs von der Kaiserin allein verwahrt werden sollten. Des sterbenden Kaisers Empfehlung für Friedrich, wenn solche stattgefunden hätte, würde man weder vergessen noch unberücksichtigt gelassen

1*

 

 

_____

4 Erster Abschnitt.

 

haben. Von beidem findet sich keine Spur 1). Die Wahl war freier als je den Reichsständen anheimgestellt, um so mehr hing sie von den Rücksichten ab, welche die Wähler zu nehmen für nothwendig oder vortheilhaft erachteten.

 

Wenn die Fürsten, welche wahlfähig waren, die Regierung Heinrich's V. überblickten, wenn sie den Zustand und die Verfassung des Reichs, wie beide sich unter ihm gestaltet hatten, ins Auge faßten, konnte nur einem von Ehrgeiz und Sucht nach äußerem Schimmer Getriebenen die Königskrone ein wünschenswerthes Gut erscheinen, um deren gefährlichen Besitz er ein mächtiges Reichslehen abtreten, für deren Behauptung, wenn sie einigermaßen zum Ruhm und zum Ansehen führen sollte, er die höchste Anstrengung, die größte Thatkraft bewähren sollte. Wäre nach Konrad's II. oder nach Heinrich's III. Tode eine Thronbesetzung durch Wahl erfoderlich gewesen, jeder einigermaßen Befähigte hätte dazu sich gedrängt, und selbst auf Heinrich IV. zu folgen, würde trotz der gelockerten Reichsbanden einem besonnenen, gegen gemäßigte und gerechte Anfoderungen nachgiebigen Fürsten noch wünschenswerth erschienen sein, aber jetzt nach Heinrich's V. Zugeständnissen an den Papst und die Reichsstände war die allzu schwierige Aufgabe gestellt: jene sanktionirten Zugeständnisse zur Erhaltung des Friedens und der Einigkeit unangetastet zu lassen, und trotzdem eine möglichst freie Selbständigkeit und heilsame Machtausübung zu behaupten. Denn ganz benommen war letztere nicht, nur gehörte die größte Geschicklichkeit dazu, sie nach den Seiten hin, die offen gelassen waren, und selbst innerhalb der gesetzten Schranken mit Ueberlegenheit und zum Besten Deutschlands zu entwickeln, und das Vertrauen der Kirche und der Fürsten

 

1) Selbst Ann. Saxo, der darin von Chron. Ursp. abweicht, daß er unter den zum Kaiser berufenen Fürsten Friedrich von Schwaben nennt, sagt nur: De regni statu consilium dedit, proprietates suas atque reginam ejusdem Friderici utpote haeredis (nicht successoris) sui fidei commisit, coronam ceteraque regalia usque ad conventum principum conservanda in castello firmissimo, quod Trisfels dicitur, reponi disposuit. Zwar Alb. Stad. hat ad 1126: Fridericus post mortem Heinrici avunculi sui accepit regalia, und: Albertus Moguntinus - consilium concepit, quo regalia potestati Friderici eripiant. Dagegen Otto Fris. De gest. Frid. I. cap. 15, der doch wol besser unterrichtet sein mußte, von der Kaiserin Mathilde sagt: Regalia in potestate sua habebat, quam Adalbertus falsis promissionibus ad sibi tradenda regalia induxit. Wenn Friedrich über die Insignien eine Gewalt übte, hatte er sie als Beschützer der Kaiserin sich angemaßt. Jedenfalls steht fest, daß Heinrich seinen Neffen nicht zum Nachfolger designirt hatte.

 

 

___

5 Lage der Dinge in Deutschland.

 

in dem Maße zu gewinnen, daß endlich auch über die Schranken hinaus die Bahn des Rechts und des Heils zu erweitern gestattet wurde. Also auf einen Mann, der weder vor der schwierigen Aufgabe, die zu lösen war, zurückbebte, noch der außerordentlichen Geschicklichkeit, sie zu lösen, entbehrte, mußte das Augenmerk der Wähler gerichtet sein. Aber noch andere Rücksichten waren zu nehmen.

 

Unter den fränkischen Kaisern war Norddeutschland, vornehmlich Sachsen, der Sitz der Opposition gewesen, die Konrad II. und Heinrich III. durch strenge und kluge Maßregeln gezügelt, Heinrich IV. durch Misbrauch seiner Macht gereizt und zu offener Rebellion getrieben, Heinrich V. aus Arglist und Herrschsucht zu neuem Kampfe herausgefodert und - dabei den kürzern gezogen hatte, wodurch für immer seinem Herrscherhause der ihm früher gestattete Einfluß benommen worden war. Die willkürlichen Eingriffe und ungesetzlichen Foderungen des Kaisers gegen die sächsischen Fürsten hatten, seit durch Paschali's Gefangennehmung und andre Gewaltthätigkeiten gereizt, mehr noch vom eigenen Ehrgeiz geleitet, die Geistlichen einen Anhalt an der Nation gefunden, jenen Bürgerkrieg hervorgerufen, der ganz Deutschland in zwei große Parteien für und gegen Heinrich spaltete, in welchem dieser aufs Aeußerste bedrängt und trotz der ausdauernden Versuche des Widerstandes zur Nachgiebigkeit gezwungen wurde, der endlich nur durch eine Mittelsmacht zwischen Reich und Kirche, durch die Vereinigung der Fürsten zu einem fast selbständigen Körper einen dem Bedürfniß nach Frieden und Ausgleichung der Gewalten entsprechenden Ausgang nahm, in Folge Dessen nicht mehr der Kaiser die alleinige Entscheidung in Reichssachen behielt, sondern die Kirche und die Fürsten neben ihm als sanktionirte Gewalten im Staate anerkannt wurden. Nur in der Bedrängniß seiner Lage hatte Heinrich zum würzburger Vertrage 1121 und zum Concordat von Worms 1122 sich geneigt bewiesen; dennoch aber unermüdlich gestrebt, die ihn beschränkenden Gewalten aufzuheben und sie von seinem Willen abhängig zu machen. Mit beiden auf einmal dieses zu versuchen, war nicht möglich gewesen. Wohl fühlend, daß er seine Erhaltung als Reichsoberhaupt in dem Zeitpunkt, wo die Kirchenpartei seine Absetzung versuchte, den deutschen Fürsten allein verdankte, hielt er diese für die mächtigste und seinen Herrscherthron am meisten beeinträchtigende Gewalt, trat deshalb seit dem wormser Concordat mehr auf die Seite der Kirche, des Papstes, wie der deutschen Geistlichkeit, und verband sich sogar mit Adalbert von Mainz, als Herzog Lothar den Versuchen zu durchgreifenderer Geltendmachung der reichsoberhoheitlichen

 

 

____

6 Erster Abschnitt.

 

Unbeschränktheit Widerstand entgegensetzte. Der Kaiser Heinrich, der Erzbischof Adalbert und der Herzog Lothar erscheinen sonach als die Repräsentanten der drei Staatsgewalten; ein Rivalisiren, eine wechselseitige Eifersucht, ein Anstreben wider einander konnte unter ihnen nicht ausbleiben; jeder der drei erkannte die Nothwendigkeit, mit dem minder gefährlichen zweiten wider den mehr zu fürchtenden dritten sich zu verbinden, doch zugleich auch, daß dies nicht auf eigene Kosten zum Gewinn für jenen Verbündeten geschehen dürfe, sodaß ein öfterer Wechsel der Verbindungen untereinander ebenso natürlich als nothwendig wurde. Dem schlauen Adalbert von Mainz konnte es am wenigsten entgehen, daß Heinrich eine Annäherung an die Kirche, eine Aussöhnung und Verbindung mit ihm nur suchte, um sich selber zur alten Unbeschränktheit zu erheben. Wo er dem Kaiser seinen Beistand bot, geschah es nicht, um demselben wesentlichen Vorschub zu thun, sondern nur für sich einen Vortheil zu erhaschen. Wiederum war Heinrich zu vorsichtig, dem ränkevollen Prälaten, wie ehemals dem Kanzler, sein ganzes Vertrauen oder eine Machtausübung zu gestatten, die einen Nachtheil seiner Reichsoberhoheit brachte. Den Herzog Lothar und in ihm die Fürstengewalt zu überwältigen, blieb für Beide, selbst wenn es ihnen damit Ernst gewesen oder ihr wechselseitiger Vortheil dadurch gefördert wäre, unerreicht, und beweist dies deutlich, daß die wahre Uebermacht noch immer bei den Fürsten, als deren Vorkämpfer nur Lothar dastand, verblieben war.

 

Als nun Heinrich, der Kaiser, aus dem Leben geschieden war, hatten die beiden andern Reichsgewalten die Besetzung des Thrones allein zu entscheiden. Bei Adalbert und bei Lothar stand es vornehmlich, wem sie am vortheilhaftesten für die von ihnen vertretenen Rechte die Krone zuwendeten. Ein schwacher Fürst ohne Hausmacht, Ansehen und Fähigkeiten durfte es nicht sein, da ein solcher entweder ein bloßer Schattenkönig beiden gegenüber gewesen, oder der Spielball eines Standes, sei es der Geistlichen oder der Fürsten, geworden wäre. Von den beiden Parteihäuptern war Adalbert zwar nicht wahlfähig, aber als erster Reichs- und Kirchenfürst Leiter der Wahl, und so durch seine Stellung schon vom entschiedensten Einfluß. Lothar dagegen konnte als weltlicher Fürst zum König erwählt werden, allein als Haupt der Fürstenpartei, als Vertreter der Mittelsgewalt, die zwischen Kirche und Reichsoberhaupt dem Uebergreifen des einen oder des andern Einhalt gethan hatte, und ferner Einhalt zu thun berufen war, schien er mit sich selbst in Widerspruch zu treten, wenn er nach der Würde Verlangen trug, welcher er bisher die

 

 

____

7 Stellung der Parteihäupter nach Heinrich's V. Tode.

 

Ausübung unbeschränkter Gewalt zu nehmen trachtete. Sollte er die Sache der Fürsten nun aufgeben? Sollte er als Reichsoberhaupt den Gegner derselben in ganz geänderter Bestrebung mit Wechsel der Rolle spielen? Oder sollte er von vornherein jedem Widerstreben gegen Kirche und Fürsten entsagen, und die von diesen beiden Reichsgewalten errungenen, von Heinrich V. anerkannten Rechte genehmigen? - Offenbar blieb ihm, ohne sich inkonsequent, im schneidendsten Gegensatze gegen sein bisheriges Verhalten, Willkür vorhin und später für Recht und Grundsatz ausgebend, zu zeigen, nichts übrig als mit Sanktionirung der unter Heinrich V. beschränkten Monarchie den Anfang seines Regimentes als König zu beginnen. Darum aber ist es begreiflich, daß Lothar selbst nach dieser Herrschaft nicht die Hand ausstrecken, daß er nie freiwillig die Krone nehmen, daß sie ihm nur als eine aufgedrungene, durch die Nothwendigkeit der Verhältnisse ihm zugewiesene erscheinen konnte.

 

Nach der Natur der vorliegenden Verhältnisse hätten jene beiden Männer also auf einen dritten die Wahl leiten müssen, dem sie die erledigte höchste Reichswürde zuwendeten. Es fehlte an einem solchen Manne nicht, und dieser war es zugleich, der allein nach der Krone Verlangen trug, ja allein Ansprüche an dieselbe zu haben glaubte. Friedrich von Schwaben, wenn auch nicht von Heinrich als Nachfolger empfohlen, doch als nächster Verwandter und Allodialerbe des fränkischen Kaiserhauses war bei der bevorstehenden Thronbesetzung gewiß nicht zu übersehen; auch besaß er Eigenschaften und nahm eine Stellung im Reiche ein, die ihn ohne Zweifel zur Herrschaft befähigten. In der Blüte männlichen Alters, von würdigem Aeußern, das nur wenig durch den Verlust eines Auges entstellt wurde, tapfer, beredt, erfahren, leutselig und geschmeidig, mit des Oheims Kraft ohne dessen Starrsinn und Härte, im Besitz nicht geringer Hausgüter, die durch das Erbe des ausgestorbenen Kaiserhauses bedeutend vermehrt worden, und eines der angesehensten, gesegnetsten Herzogthümer, welches, wenn er es als König auch nicht selbst verwalten durfte, er seinem Sohne Friedrich oder seinem Bruder Konrad formell übertragen konnte, ohne sich desselben als Stütze des Throns in Wahrheit zu entäußern. Den Anhängern Heinrich's mußte auch Friedrich willkommen sein, und selbst mit Denen, welche er vormals als Vertreter seines Oheims bekämpft hatte, war er seit Jahren ausgesöhnt, ja mehr als das, er hatte sich an sie geschlossen und ihre Zwecke begünstigt, für ihre Sache seinen Arm geboten, sogar, wenn er Verwandtschaftspflichten, Dankbarkeit und Gehorsam gegen Heinrich dabei aus den Augen setzen sollte. So ist's nicht zu verwundern,

 

 

____

8 Erster Abschnitt.

 

daß Friedrich mit Zuversicht erwartete, die Wahl werde auf ihn fallen, keiner der Fürsten Ansprüche den seinen gegenüber geltend machen, die Kirche sich nicht widersetzen. Der Bürger in den Städten, der Völker im Reiche brauchte er nicht zu achten, da allein den Fürsten und Geistlichen zustand, über die Thronbesetzung zu entscheiden. Auch durfte er annehmen, daß auf einen Enkel Heinrich's IV. die Anhänglichkeit der Städte übergehen und das Reich einen kräftigen Herrscher, der sie gegen den schon hart gefühlten Druck der Landesfürsten in Schutz zu nehmen vermöge, gern sehen würde. Unter den Wählern glaubte der Herzog viele Freunde und keinen entschiedenen Feind zu haben. Was Adalbert und Lothar, seine früheren Gegner, anbetraf, so konnten beide, wie schon gezeigt ist, keinen schwachen König wünschen. Letzterer hatte nur der Willkür Heinrich's, nie den Rechten des Kaisers sich widersetzt und für die Aufrechterhaltung einer starken Herrschergewalt mitgewirkt; an Adalbert aber hatte Friedrich sich mehr als an jeden Andern angeschlossen, und jetzt schenkte er demselben ein so großes Zutrauen, daß er allen Anordnungen desselben in Betreff des Wahlaktes sich aufs bereitwilligste fügte.

 

In der That zeigten die getroffenen Maßregeln zur neuen Wahl, die vornehmlich von Adalbert geleitet wurden, sich ebenso rechtsgültig als zweckdienlich. Weil bei dem Leichenbegängniß in Speier viele der bedeutendsten Fürsten ausgeblieben waren 1), wollten die anwesenden über die wichtige Thronfrage keinen Beschluß fassen, noch weniger eine einseitige, übereilte Handlung vornehmen und setzten nur einen Wahltag auf den 24. August des Jahres zu Mainz fest, wo die Reichsfürsten insgesammt mit ihren Lehns- und Dienstmannen zusammen kommen und nach weislicher Berathung und bester Verständigung den neuen Herrscher, wie alter Brauch es vorschrieb, wählen sollten 2). Damit bis dahin durch keine Verwirrungen, Fehden

 

1) Chron. Ursp. und Ann. Saxo ad 1125 sagen: Corpus (Henrici) coram multitudine nobilium et inferiorum clericorum atque laicorum honorifice conditum. Das angeführte Schreiben an Otto von Bamberg Cod. Udalr. Nr. 320 hebt nur hervor: Adalbertus Moguntius, Fridericus Coloniensis, Udalricus Constancensis, Bucco Wormatiensis, Arnold Spirensis, Ulricus Fuldensis Abbas; Henricus quoque Dux, Godefridus Palatinus Comes, Berengarius Comes de Sulzbach et caeteri utriusque professionis Principes. Es fehlten Lothar, die Lothringer Herzoge, selbst Friedrich von Schwaben und alle östlichen Fürsten.

2) Cod. Udalr. Nr. 320. Nach Erwähnung der Leichenfeier: Ipse ordo rei et temporis qualitas exigere videbatur, ut de statu et pace regni aliquid conferremus, si non abesset prudentiae vestrae (Otto von Bamberg) consilium et aliorum principum tanto negotio utile et pernecessarium. Quoniam expectare pergrave erat et difficile, sedit omnium nostrorum sententia - curiam in festo beati Bartholomaei apud Moguntiam celebrare et ibidem convenientibus principibus de statu et successore regni atque negotiis necessariis prout spiritus sanctus aspiraverit, ordinare.

 

 

____

9 Der Wahltag zu Mainz wird festgesetzt.

 

und Zügellosigkeiten die Ruhe gestört würde, sollten im ganzen Reiche die Landesfürsten den Frieden bis mindestens vier Wochen nach Bartholomäus aufrecht erhalten, auf daß Allen, die nach Mainz zur Wahl zögen, die Wege zur Hin- und Rückreise gesichert wären. Auch sollten die herbeiziehenden Scharen selbst dem Lande keine Last und Ungebühr veranlassen und ihren Unterhalt herkömmlicher Weise aus eigenen Mitteln bestreiten, damit den ärmeren Klassen hiedurch eher ein Verdienst, als eine Bedrückung zu Theil werde 1). Es zeigte sich der beste Geist in Befolgung dieser Anordnungen, und eine so allgemeine Theilnahme fand die Auffoderung, daß an dem festgesetzten Wahltage fast kein bedeutender Fürst oder Prälat ausblieb, und die meisten erschienen mit so zahlreichem und wohl ausgerüstetem Gefolge, daß nicht weniger als 60,000 Waffenfähige, die sicherlich von zahlreichem Troß begleitet wurden, vor Mainz sich einfanden, für deren Vertheilung zu beiden Ufern des Rheins aufs zweckmäßigste gesorgt wurde. Vom Elsaß zog Herzog Friedrich her und lagerte auf der linken Seite des Stroms mit seinem Heere; unterhalb Mainz nahmen wol die von jenseits des Rheins und Burgund, Lothringen, Flandern und Holland herbeigekommenen Fürsten und Mannen Platz, wenn ihrer insbesondere auch keine Erwähnung geschieht; denn fehlen durften diese Völker bei dem wichtigen Akte nicht 2). Auf dem diesseitigen Ufer aber lagerten die Sachsen, Baiern und Ostfranken 3). In Mainz selbst traten dann die Hauptfürsten zur Berathung zusammen.

 

1) Cod. Udalr. a. a. O.: Contestamur etiam dilectionem vestram, ut pacem - infra praescriptum curiae terminum et ultra ad quatuor hebdomas ordinetis, quatenus omnibus tutior fiat concursus ac reditus, et ut curialiter more videlicet antiquorum Principum cum proprio impenso neminem pauperum laedentes conveniatis.

2) Luden X. p. 12 meint, sie seien nicht geladen, weil die päpstlichen Legaten Deutschland nur bis zum Rhein gelten ließen. Nicht einmal für die geistlichen Fürsten verdient dies Berücksichtigung; Mainz, Cöln und vollends Trier liegen jenseits mit ihren Hauptstädten und einem großen Diöcesangebiet. Vergl. die folgende Note.

3) Ueber diese Lagerung der Völker gibt nur Auskunft der unbekannte Verfasser der narratio de Lotharii electione in Imperatorem Romanum bei Reuber veter script, curante Georgio Christ, Joannis und in Pez script. rer. Austriac., auch bei Eccard Quatern, vet. monum. Ob nicht vielleicht unter den Franken die überrheinischen Völker des alten West-Frankenreichs zu verstehen sind? Denn die Ostfranken lagerten wol eher mit den Sachsen und Baiern auf dem rechten Ufer.

 

 

____

10 Erster Abschnitt.

 

Der Leiter des Ganzen, sowol bei den Vorbereitungen wie bei dem nachfolgenden Wahlakte, war der Erzbischof Adalbert von Mainz. Jetzt war für ihn der Zeitpunkt gekommen, wo das Geschick des Reiches in seiner Hand lag und die deutschen Fürsten sich seinem Willen unterordneten. Als erster Prälat, als Der, welcher vor allen Andern seine Stimme bei der Wahl abgab, als Gebieter am Wahlorte, übte er den größten Einfluß. Von seinem Charakter läßt sich schon voraussetzen, daß er ohne eigennützige Absichten dabei nicht zu Werke gegangen sei. Wie sehr er sie auch hinter der Zweckmäßigkeit der Anordnungen zu verbergen verstand, wie sehr er nur das Wohl des Reiches im Auge zu haben schien, dennoch erkennt man sein Bestreben, das er je unvermerkter desto sicherer verfolgte und zum Ziele führte. Anfangs schien er den Ansprüchen Friedrich's von Schwaben, die wol von den meisten Fürsten anerkannt wurden, nicht abgeneigt; ja er machte jenen glauben, daß es nur des Wahlaktes zu Mainz bedürfe, um ihn auf die rechtlichste und herkömmliche Weise auf den Königsthron zu erheben, daß kein anderer Fürst ihm als Mitbewerber entgegentreten, und daß er selbst sich thätig für ihn zeigen werde. In diesem sichern Vertrauen gab Friedrich nach, daß die Kaiserin, seine Schutzbefohlene, die ihm geneigt und durch ihren persönlichen Einfluß seinen Absichten förderlich war, die Reichsinsignien an Adalbert auslieferte, damit der neugewählte König sogleich in Mainz mit denselben geschmückt werden könne 1). Ob Adalbert und andere, geistliche sowie weltliche, Fürsten dem Herzog und der Kaiserin das bestimmte Versprechen abgelegt haben, die Wahl auf keinen anderen als Friedrich zu leiten, und unter dieser Bedingung die Reichskleinodien ausgeliefert worden seien, oder ob nur die allzugroße Zuversicht, mit der Friedrich die Krone schon für die seine ansah, als er nach Mainz zog, hinterher die Vorwürfe über Treulosigkeit und nicht gehaltene Versprechungen gegen Adalbert und

 

1) Wenn auch Albert's von Stade abweichender Bericht, daß Friedrich die regalia ausgeliefert habe, bedenklich erscheint, so sind die von ihm angegebenen Beweggründe doch auch dann noch wahrscheinlich, wenn Friedrich nur der Kaiserin die Ablieferung gestattete: Ad favorem Principum magis captandum, et ut sincerius ad imperium videretur accedere, quod etiam se fidelem ostenderet in commisso, regalia Principibus reddidit.

 

 

_____

11 Stellung der Parteihäupter nach Heinrich's V. Tode.

 

dessen Partei hervorrief, um die eigene Verblendung zu beschönigen, ist aus der ohne nähere Belege hingeworfenen Anschuldigung einiger überdies parteiischer Schriftsteller 1) nicht zu entscheiden. Die Herausgabe der Reichsinsignien durften die Kaiserin Mathilde und der Herzog Friedrich wol nicht verweigern, sobald Adalbert sie zu der ihm zustehenden Benutzung auf dem mainzer Wahltage foderte, und Friedrich klagte sich nur selbst an, wenn er später behauptete, er habe sie nur in Erwartung, daß man ihn damit schmücken wolle, an jenen ausgehändigt.

 

Hiermit soll das zweideutige Verfahren Adalbert's keineswegs in Abrede gestellt oder beschönigt werden. Wer aber als Friedrich selbst trägt die Schuld, wenn er dem Erzbischofe, sei es in Worten oder Handlungen, Vorschub that? Und sollte Adalbert nicht erkennen, warum sich Friedrich seit einiger Zeit ihm genähert, in welcher Absicht er sogar eine Verbindung mit des Erzbischofs Nichte nachgesucht hatte 2)? Konnten die frühern Gegner Kaiser Heinrich's, denen Friedrich einstmals Beschränkung des kaiserlichen Ansehens zum Verbrechen angerechnet hatte, sich einbilden, der Hohenstaufe werde, sobald er zum Thron gelangt sei, andere Grundsätze befolgen, als sein Oheim, als alle fränkischen Kaiser? Hatte sich nicht auch Heinrich V., bevor seine Macht befestigt war, gegen Kirche und Fürsten demüthig und gefällig gezeigt? Mußten die Sachsen von Friedrich nicht die gleiche Feindschaft oder mindestens dieselbe Hintansetzung erwarten, die seit dem Abgange der Ottonen und Heinrich II. die Nation mit Unwillen erduldet hatte, und der sie nur mit der Waffe

 

1) Wie Otto von Freisingen, der dem hohenstaufischen Geschlecht nahe verwandt war, und Albrecht von Stade, von dem wir schon im ersten Theile dieses Werkes gehässige Nachrichten und Urtheile über Lothar nachwiesen, und der überall die Hohenstaufen gegen Lothar in Schutz nimmt.

2) Die Zeit, wann Friedrich von Schwaben seine zweite Gemahlin, Agnes von Saarbrück, des Erzbischofs Brudertochter, geheirathet, ist nicht mit Bestimmtheit anzugeben, Otto Fris., De gest. Friderici I. lib. I, cap. 21, sagt nur: Fridericus Dux, mortua uxore sua Juditha, dissensionis tempore Friderici Comitis de Sarburg fratris Alberti Episcopi filiam Agnetem in uxorem duxit. Wenn Judith nach Bünau (S. Leben Friedrich's I, Geneal. Tabelle, I, S. 338) im Jahre 1125 starb, konnte um die Zeit der Königswahl eine Bewerbung um Agnes schon stattfinden. Friedrich konnte dem Ehrgeize Adalbert's nicht besser schmeicheln, als wenn er dessen Nichte zur künftigen Kaiserin erwählte. Doch Adalbert dachte erst an sich und dann an seine Verwandten. Dagegen besaß Agnes Tugenden, die Friedrich auch in der Zeit des Zerwürfnisses mit dem Erzbischof (dissensionis tempore) anzogen. Wie treu sie an ihm hing, werden wir später sehen.

 

 

____

12 Erster Abschnitt.

 

in der Hand das Gefühl nationaler Selbständigkeit entgegengestellt hatte? Endlich die Kirche, konnte sie von einem blut- und sinnverwandten Hause, das gleich dem fränkischen wieder für lange Zeiten den deutschen Thron einzunehmen durch bereits vorhandene Nachkommenschaft voraussehen ließ, eine Erweiterung ihrer Macht, die sie unablässig verfolgte, hoffen, mußte sie von den reichbegüterten, durch Verwandtschaft weitverzweigten Hohenstaufen nicht Erneuerung des Kampfes erwarten, mit dem Heinrich IV. und V. die Errungenschaft Gregor's zu vernichten drohte? Was den Heinrichen nicht gelungen, konnten zwei junge, als kriegskundig und kühn, als klug und verschlagen bewährte Brüder mit mehr Glück erstreben, oder doch ihren Nachkommen den Weg zum Ziele bahnen.

 

Es hätte keinen Adalbert in Deutschland geben müssen, um diese drohende Gefahr der Kirche zu übersehen. Worauf das Augenmerk der deutschen Geistlichkeit bei der Besetzung des erledigten Thrones gerichtet war, konnte keinem verborgen bleiben. Von Speier aus, gleich nach der Bestattung Heinrich's, richteten die Erzbischöfe von Mainz und Cöln, die Bischöfe von Constanz, Worms, Speier, und andere Geistliche an den vor kurzem nach Deutschland zurückgekehrten Otto von Bamberg ein Schreiben, worin sie unumwunden aussprachen, daß bei der Wahl des neuen Königs vornehmlich darauf gesehen werden müsse, daß kein Kirchenfeind, wie bisher, sondern Einer, von dem die Freiheit und Unabhängigkeit der Kirche zu erwarten stehe, zum Thron gelange 1). Und mit dieser Ansicht traten sie so unverholen hervor, daß eben jenes Schreiben, welches jenen Grundsatz empfahl, auch von weltlichen Fürsten, ja von Herzog Heinrich dem Schwiegervater, von Pfalzgraf Gottfried, dem steten Kampfgenossen Friedrich's von Schwaben, mitausgestellt worden war, also letzterer leicht erfahren mußte, welchen Bedingungen

 

1) Cod. Udalr. a. a. O. Und das nennen die Briefsteller noch eine Erwägung ganz ohne Präjudiz: Nullum tamen praejudicium deliberationis et voluntati vestrae facientes, nihil nobis singulare ac privatum in re usurpamus, quin potius discretioni vestrae hoc adprime intimatum esse cupimus, quatenus memor oppressionis, qua ecclesia cum universo regno (diese letztern Worte sind nur zugefügt, um die weltlichen Fürsten zu gewinnen; die nachfolgenden zeigen, was die Geistlichen allein im Auge behielten) usque modo laboravit, dispositionis divinae providentiam invocetis, ut in substitutione alterius personae, sic ecclesiae suae et regno provideat, quo tanto servitutis jugo a modo caveat et suis legibus uti liceat. Blieb, wenn dies auch auf die weltlichen Fürsten ausgedehnt wurde, dann noch dem Könige mehr als ein bloßer Schatten von Gewalt und Herrschaft?

 

 

___

13 Stellung der Parteihäupter nach Heinrich's V. Tode.

 

er mindestens sich zu unterwerfen habe, wenn er durch jenen Prälaten die Krone erhalten wolle. Freilich stellte sich dieser niederbeugenden Betrachtung der Wunsch Vieler, ja das allseitig gefühlte Bedürfniß nach einem kräftigen Herrscher gegenüber, und dieses konnte auch Adalbert nicht ableugnen, wenn er der Macht gedachte, welche die Fürsten seit der würzburger Reichsversammlung selbst der Kirche gefährlich machte. Das aber war es eben, was der schlaue Prälat bei seinem Vorhaben bezweckte, und wodurch er Friedrich gänzlich täuschte, daß nämlich die Gewalt der Fürsten und die des Reichsoberhauptes zugleich untergraben würden, und über beide die Unabhängigkeit und Herrschaft der Kirche und zunächst seine eigene Macht sich erhebe. Unvermerkt führte er diesen Plan aus, indem er der Leidenschaften Anderer und ihrer widerstreitenden Absichten sich schlau bediente, und einen Mann, der wider seinen Willen, ja gegen seine Grundsätze der Stimme der Mehrzahl und einer zwingenden Nothwendigkeit nachgeben mußte, auf den Thron brachte.

 

Dies war Herzog Lothar von Sachsen. Wie sehr ein Werben um die Königswürde den frühern Ansichten widersprach, wie noch mehr die Annahme derselben ihm einen Zwang auferlegte, wenn er nicht die früher erworbene hohe Meinung Lügen strafen wollte, ist vorhin schon bemerkt worden. Aber ebenso erkannten wir das billige, fast dringende und nothwendige Begehren der sächsischen Nation, aus ihrem Stamme den neuen König zu erküren, damit nicht abermals ein fremdes Geschlecht auf den Thron gelange, vollends nicht eines, das im Geiste des fränkischen Kaiserhauses den schroffen Abstand des Südens und Nordens wiederum auf den Thron zur Erscheinung brächte. Jetzt war die Gelegenheit da, den Glanz der Ottonen wieder in ihrem Volke aufzuhellen, und in Herzog Lothar, der für ihren Ruhm, für ihre Freiheit und die des Reiches so viel gethan, glaubten sie den Fürsten zu besitzen, der zur Verherrlichung des sächsischen Namens in jeder Beziehung geeignet sei, und den ganz Deutschland aus Dankbarkeit und zum wahren Heil erheben müsse. In Sachsen mochte diese Stimmung, dieses Verlangen längst sich kundgeben, aber Lothar's entschiedene Abneigung oder doch seine Verweisung auf die Wahlversammlung in Mainz ließ jene hier erst laut werden und endlich nach norddeutscher Weise mit Ungestüm hervorbrechen, sodaß jeder noch Widerstrebende fortgerissen wurde.

 

Adalbert von Mainz konnte nichts erwünschter sein, als Lothar's Erhebung, aber nicht etwa, weil dieser sein früherer Verbündeter gegen Heinrich gewesen, oder weil er das Interesse der Kirche in Zeiten verfochten, wo dasselbe zur Unterstützung des seinen diente,

 

 

____

14 Erster Abschnitt.

 

oder in Betracht Dessen, daß Lothar seiner Persönlichkeit nach minder gefährlich, als Friedrich von Schwaben, oder aus Dankbarkeit ihm verpflichtet sein werde. Diese oft ausgesprochene, aber sehr oberflächliche Ansicht muß gänzlich schwinden, wenn Lothar's frühere Handlungsweise richtiger gewürdigt und sein ebenso kräftiges als selbständiges Verfahren als Kaiser vom rechten Standpunkte aus betrachtet wird. Der Herzog Lothar hatte mit dem Erzbischof und päpstlichen Legaten Adalbert immer nur insoweit gemeinschaftliche Sache gemacht, als dadurch anfangs die Befreiung Sachsens vom Drucke, von der Willkür und den gewaltsamen Eingriffen Heinrich's gefördert, dann überhaupt das kaiserliche Ansehen beschränkt und die zwischen Kirche und Kaiser zum Frieden und Wohle Deutschlands nothwendig gewordene Mittelsmacht der Fürsten gehoben werden konnte. Adalbert, der die Hierarchie und sein eigenes Ansehen über den Kaiserthron zu erheben bemüht gewesen, hatte gehofft, die deutschen Fürsten der antikaiserlichen Partei unter seiner Leitung gegen das Reichsoberhaupt zu führen. Diesen Plan vereitelte erst seine zweijährige Gefangenschaft, während der die Sachsen unter Lothar's Anführung die Freiheitsschlacht am Welfesholze gewannen. Als die Mainzer ihn dem Kerker entzogen, glaubte Adalbert als Vertreter der bedrohten Kirche auch die weltlichen Großen für seine Sache zu entflammen; wirklich boten sie die Hand, und Lothar war es, der Adalbert's Weihe zum Erzbischof mit seiner Macht gegen den Kaiser, der sie zu verhindern suchte, sicher stellte, der das rebellische Mainz durch unmittelbare oder mittelbare Hülfleistung dem Erzbischof unterwarf, diesen gegen Friedrich von Schwaben schützte, für die Freiheit der Geistlichkeit in rein kirchlichen Funktionen Hülfe bot, und überall thätig dafür wirkte, daß der Kirche das gebührende Recht, den Dienern des Altars Amt und Würde nicht entzogen, und den geistlichen Fürsten der gebührende Antheil an den Reichsangelegenheiten nicht vorenthalten werde. Den Anmaßungen Adalbert's und andrer Priester hatte er aber niemals Vorschub geleistet, und weder zur Vernichtung des kaiserlichen Ansehens, noch zu einer Entthronung Heinrich's seinen Arm bieten mögen. Auch wenn er an der Beilegung des drohenden Kampfes zwischen den Heeren des Kaisers und des Erzbischofs bei Mainz (1121) nicht unmittelbar Theil nahm, zu den 12 Friedensfürsten seiner Partei auf der Versammlung zu Würzburg (im gleichen Jahre) gehörte Lothar sicherlich, denn ohne seine thätige Mitwirkung wäre der ruhmwürdige Vertrag daselbst nicht zu Stande gekommen, und den Ränken des mainzer Erzbischofs kein Einhalt gethan worden. Hatte

 

 

____

15 Stellung der Parteihäupter nach Heinrich's V. Tode.

 

die würzburger Friedensversammlung gezeigt, daß nicht mehr, wie kurz zuvor, die Häupter der Hierarchie dem Reiche und dem Reichsoberhaupte Gesetze vorschreiben durften, sondern daß die weltlichen Fürsten die Entscheidung des fast unlösbar scheinenden Schismas zwischen Kirche und Kaiser in Händen hatten, so konnte Lothar kein Werkzeug Adalbert's gewesen sein, da er ja vornehmlich diesem die Suprematie entriß, welcher sich der herrschsüchtige Prälat schon für gewiß hielt. Daß die frühern Verbündeten seitdem als entschiedene Gegner auftraten, verbot die Klugheit Beiden, weil dadurch nur Heinrich's Bestrebungen nach Wiedererlangung der unbeschränkten Gewalt im Reiche gefördert worden wären. Um dies zu verhindern, hatte sich Adalbert genöthigt gesehen, bei Gelegenheit der zwiespältigen würzburger Bischofswahl den sächsischen Fürsten, deren Haupt Lothar geblieben war, sich anzuschließen 1), und später, als Kaiser Heinrich in Holland gefährliche Eingriffe machte, dem Herzog selbst wider seine sächsischen Gegner den Bischof Reinhard von Halberstadt, die stadischen Fürsten, Heinrich von Meißen und Ludwig von Thüringen zur Hülfe zu ziehen, und jenem eine vortheilhafte Entscheidung des Streites wegen der Heimburg zu vermitteln. Sobald aber die Besorgniß vor des Kaisers wachsender Macht verschwunden war, schien der Herzog, die Stütze der Fürstenpartei und der Verfechter jedes Beeinträchtigten im Reiche, auch ein gefährlicher Gegner für den herrschsüchtigen Prälaten, der wie dem Kaiser nicht, so auch keinem Anderen neben sich eine Gewalt, oder gar über sich ein Uebergewicht im Reiche gestatten wollte. In dieser Rücksicht sah er es gewiß gern, daß die hohenstaufischen Brüder sich ihm willfährig zeigten, und hoffte, durch sie eine Stütze ebenso sehr gegen den Kaiser Heinrich, als gegen den Herzog Lothar zu erlangen. Bald mochte er aber erkennen, daß jene gegen Letztern feindlich aufzutreten für unklug hielten und von dem Oheim ganz abzufallen Scheu trugen, und daß Friedrich von Schwaben mehr um eigener Absichten willen, als um die Macht der Kirche zu erhöhen, bald diesem, bald jenem Kirchenfürsten seine Hülfe zusagte, und ihn selbst, den Erzbischof, seinen frühern Widersacher, zu gewinnen, sich den Schein eines Freundes gab. Weil Adalbert also weder ganz willfährige, noch ihm allein dienstfertige Helfer unter den größern Reichsfürsten fand, dünkte es ihm gerathener, mit dem Kaiser wider die Mächtigen als mit diesen wider jenen sich zu verbinden. Und so sahen wir

 

1) Wie das colloquium juxta fluvium Wirraha beweist. S. Ann. Saxo ad 1122.

 

 

____

16 Erster Abschnitt

 

Adalbert in dem meißnischen Erbfolgestreit gemeinschaftlich mit Heinrich den Herzog Lothar bekriegen, doch ohne daß es ihm rechter Ernst zum Bunde mit jenem, zum Kampfe wider diesen gewesen wäre, nur weil augenblicklich eine solche Stellung zu beiden ihm gewinnbringend geschienen. Als ihm der gehoffte Vortheil durch den Aufstand der Thüringer bei Gelegenheit des von ihm erhobenen Zehnten entging, ließ er vollends in dem geringen Beistande nach, den er dem Kaiser geleistet hatte. An dem Aufstande des Bischofs Burchard von Worms, seines früheren Schützlings, hatte er unfehlbar Antheil, und da hier wieder Friedrich von Schwaben einem Geistlichen hülfreiche Hand, sogar gegen seinen kaiserlichen Oheim, bot, so darf man schließen, daß zwischen dem Herzog von Schwaben und dem Erzbischofe ein Einverständniß stattgefunden habe, das auch nach Heinrich's Tode bis zum Wahltage in Mainz fortbestand.

 

Wenn die wechselnden Verbindungen Adalbert's mit Herzog Lothar von Sachsen, oder mit Friedrich von Schwaben, oder selbst mit Kaiser Heinrich V. auch nur in sehr eigennütziger Absicht geschlossen waren, indem er allein das Streben, für sich und für die Kirche einen Vortheil zu erringen, als unverändertes Princip festhielt, so darf doch keineswegs der Erzbischof beschuldigt werden, daß er seinen frühern Haß gegen Heinrich auf dessen Neffen Friedrich übertragen und darum ihn vom Throne auszuschließen beabsichtigt habe. Wenn der Ausgang der mainzer Wahlversammlung ein Resultat herbeiführte, das solchen Verdacht zu rechtfertigen scheint, so ist die Veranlassung desselben doch in ganz andern Verhältnissen und Beweggründen zu suchen. Was Adalbert's einziges Bestreben bei all seinen Handlungen gewesen, Erhöhung der Kirchenmacht und der seinen, konnte er niemals vollständiger zu erreichen hoffen, als jetzt bei Besetzung des Thrones, die in seine Hand gegeben, oder doch in seine Hand gefallen war, da seinen Anordnungen alle Fürsten sich gefügt hatten. Während er nur den Umständen der Zeit und der Willensmeinung der Großen des Reichs zu entsprechen schien, gelang es dem schlauen, gewandten Manne, sein eigenes Spiel zum Vortheil zu wenden. Die Wahlfürsten nach Mainz zu bescheiden, war in der Ordnung; es schmeichelte Allen, die ein ihnen zustehendes Recht auszuüben Gelegenheit fanden, und wurde durch das Gedächtniß früherer Wahlen, wie die Konrad's II. und selbst die noch Allen erinnerliche Heinrich's V. gerechtfertigt. Bei jener hatte Erzbischof Aribo, bei dieser Ruthard von Mainz die Wahl geleitet. Ein gleiches durfte Adalbert in Anspruch nehmen. Es wurde von Niemandem ihm verweigert, und durfte von Friedrich

 

 

____

17 Stellung der Parteihäupter nach Heinrich's V. Tode.

 

von Schwaben um so weniger verweigert werden, als die Sache für ihn sehr günstig zu stehen schien. Auf diesen gleichwol die Wahl nicht fallen zu lassen, lag ohne Zweifel in Adalbert' s Plan, nicht weil er ihn unversöhnlich haßte, sondern weil er ihn in seiner jetzigen Stellung wenig fürchtete. Ein anderer Mann erregte ihm mehr Besorgniß, die nur gehoben wurde, wenn er ihn von seinem jetzigen Platze entfernte, ja nur, wenn er ihn auf den Thron erhob. Seitdem die Fürsten zwischen Kirche und Kaiser gebieterisch sich in die Mitte gestellt, war Herzog Lothar, das Haupt jener, der Kirche nicht minder als dem Kaiser gefährlich. Wer auch den Thron bestieg, außer Lothar, so blieb dieser in unveränderter Stellung. Wenn er selbst aber zur Annahme der Krone bewogen werden konnte, so verlor die gefährliche Fürstenmacht ihre Stütze, ihren Mittelpunkt. Und sank sie danieder, so durfte die Kirche ungehindert fortzuschreiten hoffen, da ihr der Kaiser keinen Widerstand zu leisten vermochte, seitdem selbst so rastlose Gegenkämpfer, wie Heinrich IV. und V., erlegen waren; doch nur erlegen waren, weil die vereinten Fürsten jenem auf feindliche Weise durch Absetzung, diesem auf mehr friedfertige, versöhnliche durch Vermittlung des Reichs- und Kirchenschismas ihr ganzes Uebergewicht gezeigt hatten. Dem neuerwählte Könige mußte also dieses Uebergewicht der Fürsten stets gefährlich werden, mochte er ihnen feindlich entgegentreten, oder ihnen sich in die Arme werfen. Dies erkennend, sah Adalbert voraus, jeder neue König werde lieber der Kirche Zugeständnisse machen, um sie sich enger zu verbinden, als den Fürsten, die ihn in seiner Machtausübung beschränkt hielten. Von Friedrich wie von Lothar war in dieser Beziehung das Gleiche zu erwarten. Aber mit des Letztern Erhebung zum Throne war sogleich die gefährliche Macht nicht zu seinem, wol aber zu der Kirche Vortheil gebrochen. Die nächste Folge mußte sein, daß Friedrich's und der Hohenstaufen Haß gegen Lothar sich wendete, und wenn solcher Haß auch ihn, den Erzbischof, traf, der neue Herrscher war es immer, der den Kampf zu bestehen hatte. So verwandelte sich der bisher gefürchtete Herzog in einen König, der sich der Kirche in die Arme werfen mußte, weil er über die Gewalt nicht mehr zu gebieten hatte, die dem Thron Gesetze zu geben von ihm selbst gelehrt worden war. Bei jeder Spaltung im Reiche durfte die Kirche auf neue Vortheile, neue Rechte und erhöhte Macht rechnen, wie vielmehr bei einem Kampfe, der den einzigen ihr gefährlichen Mann nöthigte, ihr Schützling zu werden.

II. 2

 

 

___

18 Erster Abschnitt.

 

Wenn dieses die im Hintergrunde versteckten Absichten Adalbert's von Mainz waren, so wurden sie durch die Abneigung der sächsischen Nation gegen die Hohenstaufen, die sie als Erben der Macht wie der Grundsätze des fränkischen Kaiserhauses betrachtete, auf sehr willkommene Weise gefördert. Gleichwol wagte Adalbert nicht eher für Lothar's Erhebung sich offen zu erklären, als bis auch die Fürsten dafür gewonnen waren, und vornehmlich Lothar selbst der Annahme der Krone sich nicht mehr entziehen konnte. Zu dem Zwecke schien es ein ebenso kluger als gerechter Vorschlag, daß zehn Fürsten aus jedem der vier deutschen Hauptstämme, Schwaben, Baiern, Franken und Sachsen, zu einem engern Wahlausschuß zusammentreten und je einen Fürsten bezeichnen sollten, dem sie die Krone zuerkannt wissen wollten. Die Schwaben erklärten sich natürlich für keinen andern als ihren Herzog Friedrich; anders die Baiern und die Franken, von denen jene nicht ihrem ersten Landesfürsten, dem Welfen Heinrich, - sei's weil er es selber ablehnte, oder weil man ihn für untüchtig hielt, - sondern dem tapfern und klugen Markgrafen Leopold von Oestreich die Stimme gaben, während die Franken den Grafen Karl von Flandern vorschlugen, welcher letztere als gar nicht einmal gegenwärtig wol nur formell genannt wurde 1). Die Sachsen fanden durch die getroffene Maßregel Gelegenheit, ihren verehrten Landesfürsten Lothar zum Reichsoberhaupte zu empfehlen, so sehr dieser sich auch dagegen gesträubt hatte, und gleich dem Markgrafen Leopold die Krone anzunehmen sich noch immer abgeneigt zeigte. Warum soll diese Weigerung beider Fürsten erheuchelt gewesen sein? Leopold erkannte sich in seiner zu geringen Hausmacht, sowie in seiner Stellung, die ihn nur als Fürsten zweiten Ranges, als abhängig von den Herzogen von Baiern erscheinen läßt, für die höchste Würde im Reiche nicht geeignet, und Lothar,

 

1) Die narratio de Lotharii electione nennt Karln von Flandern nicht. Aber Otto Fris. Chron. lib. VII, cap. 17: Principes Moguntiae conveniunt, ibique habito de successore consilio quatuor Regni Optimates Lotharius Dux Saxonum, Fridericus Dux Suevorum, Leopoldus Marchio Orientalis et Carolus Comes Flandriae ad Regnum dcesignantur. An der Wahl Karl's ist also nicht zu zweifeln. Auch Galdertus, in der vita Caroli boni Flandriae cap. 1., bestätigt sie. Weil er nicht weiter in Betracht kam, auch sich zur Wahlversammlung nicht einfand, geben andere Schriftsteller, die der autor incertus narration. de Loth. electione benutzte, nichts über ihn an. Luden's Meinung, daß jedem der vier Hauptvölker, welche die zehn Fürsten zum Wählen erkoren, einer der Wahlkandidaten angehört habe, wird durch die Angabe Otto's von Freisingen bestätigt, und nehme ich dieselbe unbedenklich auf.

 

 

___

19 Der Wahltag zu Mainz.

 

zwar der mächtigste, angesehenste Reichsfürst, durfte ohne Scheu nach einer Krone nicht Begehren tragen, die er selber nicht als ein Zeichen unbeschränkter Macht angesehen wissen wollte, und für die er nun einen Bewerber auftreten sah, dessen gerechte Ansprüche und erfoderlichen Eigenschaften er nicht in Abrede stellen konnte, den er unfehlbar sich zum Gegner machte, wenn er ihm die Krone vorwegnahm, und dem er diese zugestehen durfte, ohne daß er Uebergriffe in die Rechte der Fürsten von ihm zu befürchten brauchte, weil Friedrich aus eigener Erfahrung und den Misgriffen des Oheims wissen mußte, wie nachtheilig dem Reichsoberhaupte Verletzungen der Reichsstände wären. Und sollte dennoch der neue Herrscher sich diese erlauben, so kannte Lothar auch seine Stärke, im Verein mit den Fürsten jenem Schranken zu setzen und nach wie vor die Aufgabe, die er bisher sich gestellt, ferner zu erfüllen.

 

Was Lothar aber mit richtiger Ueberzeugung vor Friedrich zurücktreten ließ, machte ihn der Geistlichkeit, der Kirche und deren Anhängern willkommen. Adalbert hoffte sein Ziel zu erreichen; Friedrich's Benehmen und der Sachsen stürmisches Verlangen, ihren Herzog auf den Thron zu bringen, thaten seinen Absichten Vorschub.

 

Herzog Friedrich hatte bisher an den Berathungen, in Mainz keinen Theil genommen, sondern im Lager sich gehalten, in der sichern Hoffnung, daß ihm nicht mehr die Krone entgehen könne, da kein anderer Fürst seinen Ansprüchen sich entgegenstellte. Daß neben ihm noch andere Wahlkandidaten ernannt wurden, schien eine Formalität, um das freie Wahlrecht der Fürsten darzuthun. Da zwei von jenen indeß in Mainz anwesend waren, glaubte er nicht fern bleiben zu dürfen, und er fand sich Tags darauf gleichfalls dort ein. Nun mochte er erfahren, daß die Versammlung nicht so gestimmt war, als er erwartet hatte. Ja er schöpfte gegen Adalbert's Gesinnung Verdacht. Als der Erzbischof ihm, gleichwie Leopold und Lothar, die Frage vorlegte: ob er sich Dem, den die Wahlfürsten zum König erheben würden, ohne Widerspruch und Misgunst unterwerfen und gehorsam bezeigen wolle, nahm Friedrich Anstand, solche Bedingung einzugehen, meinte, hierüber erst mit den Seinigen sich berathen zu müssen, und verließ nach dieser Antwort, die er kurz und barsch ausgestoßen, die Versammlung und die Stadt. Ein allgemeiner Unwille über dieses ungeziemende Betragen wurde laut; man fühlte sich beleidigt, daß er dem Rath der Seinen den Beschluß der Fürsten zur Prüfung vorlegen wolle; man schalt ihn trotzig, stolz, hochmüthig; Einige sprachen sich bedenklich, Andere sehr bestimmt aus, daß einem Manne, der vor der Wahl soviel Herrschsucht

2*

 

 

____

20 Erster Abschnitt.

 

zeige, nach der Erhebung noch Schlimmeres zuzutrauen sei, darum müsse er besser ganz von der Wahl ausgeschlossen bleiben.

 

An diesem Tage, dem dritten nach Beginn der Berathungen, wurde nichts weiter öffentlich unternommen, wenn im Geheimen auch Adalbert und andere Geistliche für ihre Pläne nicht unthätig bleiben mochten. Unter den Anwesenden befanden sich auch päpstliche Legaten, an deren Spitze der Kardinal Gerhard, und auch der berühmte Abt Suger von St. Denis wird in Mainz gegenwärtig genannt, doch ist es ungewiß, ob in einer Angelegenheit seines Klosters oder im Auftrage seines Königs, Ludwig's von Frankreich, dem allerdings die Wahl eines deutschen Königs nicht gleichgültig sein konnte, zumal da seit dem Einfalle Heinrich's V. in Lothringen noch kein Friede zwischen Deutschland und Frankreich abgeschlossen worden war. Adalbert, der sich zwar die oberste Leitung der Wahlversammlung allein vorbehalten hatte, wußte indeß wol die genannten auswärtigen Gesandten und die deutschen Geistlichen geschickt für seinen Plan zu gewinnen, und ihnen das Hauptaugenmerk der Kirche bei der Erhebung eines neuen Königs deutlich zu machen. Unter den weltlichen Fürsten hielt er den mächtigen, aber beschränkten Herzog Heinrich von Baiern für ein geschicktes Werkzeug seiner Anschläge. Von dem Schwiegervater Friedrich's stand zu fürchten, daß er für diesen wirken werde. Davon ihn abzubringen, mußte ihm anderweitig die Aussicht zur Vergrößerung seines Hauses gezeigt werden. Des Herzogs Sohn, gleiches Namens, stand in der Blüte der Jugend, und der Vater mochte schon nach einer reichen Erbtochter, die er mit dem jungen Heinrich verbinde, sich umsehen. Keine vortheilhaftere Partie in ganz Deutschland war zu finden, als mit Herzog Lothar's Tochter, Gertrud. Auf diese also brauchte nur Adalbert des älteren Heinrich's Hoffnung für seinen Sohn zu leiten, und er hatte jenen gewonnen, durfte erwarten, ihn von Friedrich von Schwaben abzuziehen, für Lothar zu stimmen und zugleich ihn benutzen, um den Hohenstaufen von gewaltsamen Schritten abzuhalten, wie man sie, als Friedrich trotzig und voll Unmuth in sein Lager zurückgekehrt war, zu befürchten hatte. Adalbert und gewiß auch Lothar, sowie andere Prälaten und Fürsten, ersuchten den Baiernherzog, sich zu Friedrich zu begeben und diesen zur Folgeleistung der Beschlüsse, welche die Versammlung fasse, zu überreden, oder ihn mindestens von Feindseligkeiten, die den Ausgang des Wahlaktes stören, abzuhalten. In Mainz nahmen unterdessen die Sachen den für Adalbert erwünschten und von ihm vorbereiteten Gang. Bei der vierten Zusammenkunft der Wahlfürsten legte der Erzbischof dem Herzog Lothar

 

 

___

21 Der Wahltag zu Mainz.

 

und dem Markgrafen Leopold noch einmal die Frage vor, welche Tags zuvor durch Friedrich's ungestümes Verfahren unerledigt gelassen worden, und erhielt von ihnen die Antwort: daß sie dem einstimmig Gewählten Gehorsam und Treue schwören wollten, was mit lautem Beifall aufgenommen wurde.

 

Nun sollte die eigentliche Wahl vorgenommen werden. Die beiden genannten Fürsten wurden aus der Versammlung entlassen, und die Wähler aufgefodert, nach genauer Prüfung und sorgfältiger Berathung den Mann zu erküren, den sie dem Reiche zum Oberhaupte geben wollten 1). - Da erscholl draußen der laute Ruf: „Lothar soll König sein!“ Als die Menge seiner ansichtig wurde, umringte sie ihn; Einige hoben ihn hoch auf Händen und Schultern empor, trugen ihn in die Wahlversammlung und verlangten tobend und ungestüm von den Wählern seine Ernennung. Der Gefeierte vermochte den aufgedrungenen Ehrenbezeigungen sich nicht zu entziehen und gerieth fast in Gefahr, von Denen, die ihm die Krone zugedacht hatten, auf gewaltsame Weise erdrückt zu werden. Lange währte es, bis er nur festen Fuß fassen konnte. Viele Wahlfürsten wurden über diese ungestüme, gesetzwidrige Art der Erhebung Lothar's unwillig, und die baierischen Geistlichen, vornehmlich Konrad, Erzbischof von Salzburg, zürnten heftig über den Tumult, konnten aber während desselben nicht zu Worte kommen. Adalbert gebot endlich den Störern der Versammlung Ruhe und den Saal zu schließen. Dies verhinderte jedoch nur, daß nicht mehr nachdrangen; das wilde Freudengeschrei dauerte drinnen fort und wurde von der Menge draußen beantwortet. Unter Jauchzen und Lärmen trug man Lothar auf einem Schilde umher; seine Vorstellungen und Bitten, ihn aus so peinlicher, toddrohender Lage zu befreien, sein Unwille über die gewaltsame Ehrenbezeigung blieben so fruchtlos, als die Klagen vieler Bischöfe, die zornigen Drohungen vieler Fürsten. Nur mit größter Anstrengung gelang es endlich den Besonnensten und Angesehensten im Saale, die Tollköpfe zur Ruhe und alle wieder auf ihre Plätze zu bringen. Jetzt wollten die baierischen Bischöfe die Versammlung verlassen, doch der päpstliche Legat Gerhard ermahnte sie, sich nicht von den übrigen zu trennen, weil dies die nachtheiligsten Folgen haben könne. Da erklärten jene, daß sie zwar bleiben, aber vor der Rückkehr des Herzogs Heinrich an keinerlei

 

1) Narrat. de Loth. elect.: Proinde cum dimissis jam praenominatis Principes admoverentur, ut communicato consilio diligenti ratione personam quaererent, quam regno praeficerent.

 

 

___

22 Erster Abschnitt.

 

Wahl Theil nehmen wollten. Hierein willigten die Anderen, ja man drang nun allgemein darauf, daß die Ruhestörer zu einer Genugthuung gezwungen werden sollten. Um aber die Wahl des neuen Königs, die als dringend nothwendig erschien, zu beschleunigen, in Furcht, daß Scenen, wie die eben erlebten, sich wiederholen oder Spaltungen nachhaltigerer Art unter den bisher einträchtig handelnden Fürsten und Geistlichen entstehen möchten, sandte man nach Herzog Heinrich, und lud ihn ein, sofort in die Versammlung zurückzukehren. Ob die gleiche Auffoderung auch an Friedrich von Schwaben gesandt worden sei, erfahren wir nicht. Der Erstere allein kehrte aus dem Lager seines Schwiegersohnes zurück und - sei es nun, daß Adalbert's Vorstellungen oder Friedrich's Starrsinn dies bewirkten - er entschied sich für den Herzog Lothar, dessen Erhebung nun einstimmig von allen Anwesenden gebilligt und außerhalb der Wahlversammlung von der Menge freudig vernommen wurde.

 

So hatte Adalbert seinen Zweck erreicht und dem Manne die Krone aufgedrungen, von dem sie schwerlich freiwillig je angenommen worden wäre. Sollte jener aber in der Folge die Früchte seiner erlangten Absicht genießen, so mußte der neue König von vorn herein genöthigt werden, eine Beschränkung seiner Herrscherrechte anzuerkennen, wie sie vorher noch keinem Könige der Deutschen als Bedingung vorgelegt war, und die das unter den beiden letzten Kaisern herabgesetzte Ansehen des Thrones vollends vernichtet hätte, wenn ein Mann von geringer Kraft und schwachem Geiste derselben sich unterzog. Einstimmig wurde von den Reichsständen folgende Scheidung der kirchlichen und weltlichen Gerechtsamen festgestellt 1): „Die Kirche erhält die Freiheit, welche sie stets begehrt hat, und das Reich die in Allem erfoderliche Macht, die mit Güte, ohne Gewalt,

 

1) Narrat. de Loth. elect.: Concordantibus itaque in electione Regis universis regni principibus, quid juris regiae dignitatis Imperium, quid libertatis Reginae coelestis, id est ecclesiae sacerdotium habere deberet, stabili ratione praescribitur et certus utrique honoris modus spiritu sancto dictitante (d. h. die Geistlichkeit) praefigitur. Habeat ecclesia libertatem, quam semper optaverat, habeat Regnum justam in omnibus potentiam, qua sibi per caritatem, quaecunque sunt Caesaris, sine caede subjiciat. Habeat ecclesia liberam in spiritualibus electionem nec regio metu extortam, nec praesentia Principis, ut ante, coarctatam, vel ulla petitione restrictam. Habeat Imperatoria dignitas electum libere, consecratum canonice regalibus per sceptrum sine praetio tamen investire solemniter et in fidei suae ac justi favoris obsequium (salvo quidem ordinis sui proposito) sacramentis obligare stabiliter. (Offenbar fodert der Sinn, das suae auf electum und consecratum zu beziehen, worauf auch das ordinis sui geht.)

 

 

____

23 Lothar's Erhebung und Krönung.

 

sich Das, was des Kaisers ist, unterwürfig machen darf. Die Wahl der Geistlichen geschieht frei, ohne Furcht vor dem Kaiser, und wird nicht mehr, wie bisher, durch die Gegenwart des Herrschers beschränkt oder durch seine Foderungen bedingt. Der König behält dagegen das Recht, den frei Gewählten und kanonisch Geweihten mit den Regalien durch Scepter zu belehnen, doch ohne Entgelt, und ihn durch Eidesabfoderung zu Erfüllung seiner Treue, zu Erwerbung gerechter Gunst zu verpflichten.“

 

Es wäre eine mindestens übereilte Behauptung, wenn man diese, die Königsmacht beschränkende, Wahlkapitulation aus der Schwäche des neuerhobenen Herrschers herleiten wollte, als ob nur Lothar, nicht etwa auch Friedrich oder wer sonst zum Throne gelangte, solchen Bedingungen sich unterwerfen konnte. Wenn die Wähler, aus welchem Beweggrunde immer, sich nicht scheuten, Friedrich, der mit so großer Zuversicht auf die Krone gerechnet, diese zu entziehen, so würden sie auch nicht angestanden haben, ihm Bedingungen vorzulegen, ja ihm weniger als einem Manne, der erst zu Annahme der Königswürde gezwungen werden mußte, und der auf die günstige Stimmung der Menge, auf die Ergebenheit der weltlichen Fürsten gestützt, eine anmaßliche Foderung der Geistlichkeit eher zurückweisen konnte, als jeder Andere. Will man etwa daraus, daß Friedrich der Foderung des Erzbischofs von Mainz, wonach jeder der Wahlkandidaten, den die Wahl nicht traf, dem Erwählten sich gehorsam und treu beweisen sollte, trotzig die Berathung mit den Seinen entgegenstellte, die Folgerung machen, der Herzog würde sich auch der Wahlkapitulation nicht gefügt haben? Läßt sich überhaupt annehmen, daß jene Wahlkapitulation erst entworfen worden sei, als Lothar bereits zum König ausgerufen wurde? Stimmt sie nicht ihrem Geiste nach ganz mit Dem überein, was wir in dem Schreiben mehrer geistlichen und weltlichen Fürsten bereits von Speier an Otto von Bamberg als Beschluß derselben ausgesprochen fanden? Ja ist darin etwas Anderes, als der seit Gregor VII. unablässig und unverholen aufgestellte Grundsatz der Kirche enthalten? Ist es zu verwundern, daß bei Erhebung eines neuen Königs die Geistlichkeit Versuche machte, Dasjenige, was durch das wormser Concordat gehemmt oder halb erreicht war, von Neuem zu erstreben? Nicht Lothar, sondern die Vorgänger desselben im Reiche hatten es verschuldet, daß die Kirche, die früher unter dem Könige gestanden, sich zu einer Unabhängigkeit erhob, welche Letzterem so geringe Gewalt über dieselbe ließ. Das doppelte Zerwürfniß Heinrich's IV. und V. mit dem Papste und den deutschen Fürsten zugleich war die

 

 

____

24 Erster Abschnitt.

 

Ursache, daß trotz der Energie, der rastlosen Thätigkeit, dem ausdauernden Widerstande beider Herrscher das Gebäude der Hierarchie in Deutschland eine breite, durch weltliche Machthaber nicht mehr zu erschütternde Basis gewonnen hatte. Nach Heinrich's IV. Tode wäre einem Kaiser, der mit der erfoderlichen Kraft die rechte Mäßigung besessen, der mit den Fürsten in gutem Einverständnisse dem Eindringen und Emporstreben der Kirche sich widersetzt hätte, möglich gewesen, ohne bedeutende Verluste, ohne Nachtheil seines Ansehens Das zu retten, was die bedrängte aber ungebeugte Kraft von Gregor's Gegner niemals aufgegeben hatte. Wir sahen, wie Heinrich V. beim Antritt seiner Regierung, wenn freilich auch auf Kosten seiner Ehre und mit Hintansetzung der Pflichten eines Sohnes, die Gefahr des Königthums richtig erkennend, sie abzuwenden weder Gewalt noch List scheute. Doch weil die Natur, die mit großen Herrschergaben ihn ausgerüstet, seinen Charakter die sittliche Würde entbehren, seinen Sinn von unbegrenzter Herrschsucht fortreißen ließ, so fehlten ihm gerade die Eigenschaften, die erbitterte Völker mit hingebendem Vertrauen, hochstrebende Fürsten mit entgegenkommender Bereitwilligkeit und Diensteifer, ehrgeizige Kirchendiener mit Demuth, biedere Bürger mit Treue, jeden Stand, jeden Einzelnen nach Zeiten der Aufgeregtheit, Entfesselung und Entzweiung mit Zuversicht erfüllen. Vor Eingriffen, Gewaltthätigkeiten und Entwürfen, die den Stand der Dinge, die kaum gewonnene Ruhe, stören konnten, das Reich zu wahren, darf den Fürsten nicht zum Vorwurfe gemacht werden. Darum war eine Wahlkapitulation zu entwerfen und als Staatsgrundgesetz dem neuen Könige vorzulegen, eine von der Vergangenheit hervorgerufene, von der Gegenwart erheischte Nothwendigkeit. Daß die Geistlichkeit prädominirte, war ebenso sehr die Folge ihrer stets den günstigen Zeitpunkt benutzenden Politik, als der den rheinischen Erzbischöfen bei der Erhebung eines neuen Königs zustehenden Vorrechte vor den übrigen Fürsten des Reichs. Hiedurch erhielt die Kirche wieder ein Aequivalent gegen die seit dem würzburger Vertrage sich constituirende Mittelsmacht der weltlichen Fürsten. Daß diese minder energisch als in Würzburg und Worms einer neuen Erweiterung der Kirchenrechte sich widersetzte, gibt ein Zeugniß, wie ersprießlich für Adalbert und die ihm gleichgesinnten Geistlichen es war, mit der Erhebung Lothar's der Fürstenpartei den eifrigsten Vertreter entzogen zu haben. In Lothar's eigenem Interesse mußte es sein, den Stand, für dessen Rechte er stets unter der vorigen Dynastie ein Vorkämpfer gewesen war, nun minder stark und einig zu sehen.

 

 

____

25 Lothar's Erhebung und Krönung.

 

Heinrich's V, letzte Regierungsjahre konnten Lothar einen Beweis geben, daß im Bunde mit der Kirche allein ein Gegengewicht gegen die Uebermacht der weltlichen Fürsten zu finden sei. Und der neuerwählte König hatte noch andere Gründe, der deutschen Kirchenfürsten und des Papstes sich zu versichern. Er konnte erwarten, daß Friedrich von Schwaben seinem Unwillen über die ihm entgangene Königskrone in einer Empörung Luft machen, und daß diesem die alte Partei der Waiblinger, alle Unzufriedenen und Kriegslustigen, deren Zahl zu allen Zeiten und vornehmlich damals groß war, nicht fehlen werde. Um für den Fall an der Kirche einen festen Halt zu finden, mußte diese an das Interesse des Thrones geknüpft werden, um durch ihren Beistand und Beifall das Verfahren des Reichsoberhauptes zu kräftigen und zu sanktioniren. Welchen Vortheil ein gutes Vernehmen mit dem Papste und der Klerisei dem Throne gewähre, zeigte der Nachbarstaat im Westen, der bei viel geringerem Umfange des Landesgebietes und minderem Glanze der Krone doch einen festeren Thron, als der deutsche Kaiserthron meistens es gewesen, jedem Herrscher als Vorbild darstellte. Ohne Opfer war aber seit dem wormser Concordat, das der Kirche frühere Rechte des Thrones verschafft hatte, die Freundschaft des höheren Klerus in Deutschland nicht zu gewinnen, zumal da dieser in seinen excentrischen Foderungen, in den von Hildebrand überkommenen Grundsätzen noch keineswegs befriedigt war, und bisher mehr durch Zugeständnisse der Fürsten als durch eigene Macht erlangt hatte, sodaß die erhaltenen Vortheile ihr immer noch kein Sieg der Kirche, sondern eine Gnade der Fürsten erschien.

 

Aus diesem Gesichtspunkte betrachtet, sind die neuen Freiheiten der Kirche in der Wahlkapitulation mehr wie eine Vervollständigung des wormser Concordats, als wie eine anmaßliche Herausfoderung zu neuem Kampfe zu betrachten. Um ein Schisma zwischen Reich und Kirche zu vermeiden, mußte Lothar, der noch nicht die Weihe empfangen, der einen tiefgekränkten Gegner unter den weltlichen Fürsten zu scheuen hatte, in das Unvermeidliche sich fügen.

 

Zwei Punkte in den neuen Zugeständnissen waren vornehmlich eine Erweiterung des wormser Concordats, oder sollten diese wenigstens bezwecken. Erstlich, daß die Gegenwart des Kaisers bei den Wahlen der Geistlichen ausgeschlossen bliebe, und zweitens, daß die Ertheilung der Regalien jetzt auch in Deutschland der Weihe nachfolgen sollte. Allerdings waren dies zwei die Macht des Königs sehr beschränkende Bedingungen, die indeß nicht sogleich jeden bedeutenden Einfluß bei der Wahl der Geistlichkeit aufhoben, die,

 

____

26 Erster Abschnitt.

 

wenn die Belehnung mit den Regalien ihm verblieb, und wenn die Einhaltung aller Pflichten gegen das Reich den Klerus band, mehr Gewalt jenem ließ, als in den Zeiten des Kampfes zwischen Kaiser und Kirche, Ersterem zugestanden hatte. Um das unheilbringende Schisma zu vermeiden, - was des neuen Herrschers erste Sorge sein mußte, wenn er nicht mehr verlieren wollte, - war das gebrachte Opfer gewiß nicht zu groß, und Lothar war der Mann, selbst das Nachtheilige desselben durch seine Herrscherwürde auszugleichen. Wir werden in der Folge erkennen, was er durch das zeitgemäße Zugeständniß an die Kirche für seinen Thron und dessen Ansehen gewann.

 

Sobald Lothar zu Mainz zur Annahme der Krone sich bereit gefunden hatte, foderte er von den anwesenden Reichsständen die ihm gebührende Huldigung, von der wir besser als von dem gleichen Akte bei frühern Königswahlen unterrichtet sind 1). Zuerst leisteten 24 Erzbischöfe und Bischöfe, die zugegen waren, nebst einer großen Anzahl Aebte in schuldiger Ehrerbietung gegen den ersten Fürsten der Christenheit, zur Befestigung der Einigkeit zwischen Reich und Kirche, zur Erhaltung des Friedens das unverweigerliche Gelöbniß der Treue, wie altes Herkommen es vorschrieb. Von diesem fand nur gemäß der Wahlkapitulation eine Aenderung statt, daß der König nicht den Eid in Betreff der kirchlichen Besitzthümer und geistlichen Funktionen foderte, weil beide seit dem wormser Concordat zur Investitur des Papstes gehörten. Nach der Geistlichkeit traten

 

1) Narrat. de Loth. elect.: Primo ab Episcopis universis scilicet XXIV, qui tunc aderant, et Abbatibus quam plurimis pro Imperii reverentia, pro confirmanda Regni ac Sacerdotii unanimi concordia et pace perpetua fidelitatem non indebitam de more suscepit; a nullo tamen spiritualium, ut moris erat, hominium vel accepit vel coegit. Dieses hominium nicht zu leisten, folgte aus den Artikeln des wormser Concordats, wonach die Geistlichen ihre Würde und das Kirchengut allein vom Papste erhielten, der durch Ring und Stab sie damit belehnte. Dafür legten sie auch ihm allein den Eid ab. Dagegen mußten den Treuschwur so Geistliche wie Weltliche in Betreff der Reichslehen und darauf haftenden Dienstleistungen ablegen. Wenn Lothar das hominium spiritualium, das seinen Vorgängern geleistet worden war (ut moris erat), nicht foderte, so verzichtete er nur auf Etwas, das nicht mehr in seiner Gewalt stand, das Heinrich V. aufgegeben hatte. Zu Worms mögen der Kaiser und die Fürsten noch nicht an die Entziehung des hominium gedacht haben; die consequente Schlußfolge, daß nach Abtretung der Investitur an die Kirche, das hominium von der Geistlichkeit nicht mehr gefodert werden dürfe, ließ sich nicht ableugnen, um so mehr als die Wahlkapitulation eine Befestigung und Erweiterung des Concordats enthielt.

 

 

____

27 Der Hohenstaufen Auflehnen.

 

die weltlichen Fürsten vor den König und schwuren diesem sowol den Eid der Untertänigkeit, als des treuen Gehorsams, worauf Lothar ihnen die Reichslehen, die sie besaßen, oder die ihnen zukamen, übertrug 1).

 

Nur Einer weigerte sich, vor dem neuen Herrscher sein Knie zu beugen, Friedrich von Schwaben, voll Unmuths, daß ihm die gehoffte Krone nicht zu Theil geworden. Auf wen aber konnte er mit Grund zürnen? Auf Lothar gewiß nicht; denn dieser hatte nur dem Dringen der Menge, dem einstimmigen Wunsche der anwesenden Fürsten nachgegeben 2). Kaum über Adalbert durfte der Herzog sich beschweren. Denn wenn derselbe ihm wirklich die Krone zugesagt hatte, so war dies ein Misbrauch seines Amtes, ein Eingriff in die freie Wahl der Fürsten gewesen. Nicht Adalbert, sondern die Reichsstände insgesamt hatten den Thron zu besetzen. Das Verfahren dieser zu Mainz war durchaus gesetzlich und untadelig. Hatte man doch selbst dem ungestümen Verlangen der Menge nicht unfreiwillig nachgegeben, sondern als die Störung der Versammlung beseitigt, als die Anstifter des Tumultes Genugthuung gegeben, eine neue Berathung vorgenommen. Nicht Adalbert, nicht ein geistlicher Fürst hatte die Entscheidung herbeigeführt, sondern der mächtigste von den weltlichen Großen, die nicht zur Krone vorgeschlagen gewesen, ein Mann, der zwischen den beiden Parteien, die einst sich feindlich gegenüber gestanden, und nun wieder sich zu erheben drohten, eine

 

1) Narrat. de Loth. elect: Deinde confluebant hinc inde Regni Principes fidelitatem suam tam in hominio quam sacramento Regi Domino firmaverunt, et debitum Regi honorem deferentes, quae Regni fuerunt, a Rege susceperunt.

2) Alb. Stad. ad 1126 kehrt freilich Alles um, läßt Friedrich die Rolle Lothar's spielen, und schildert Adalbert und die Fürsten treulos. Nachdem er die Auslieferung der Insignien von Seiten Friedrich's berichtet, fährt er fort: Sed Albertus Moguntinus ab Henrico (V.) quondam captivatus injuriam in nepote vindicare disponens (das wäre doch auch von einem Adalbert zu viel Rachegefühl, und sollte er dieses in den öftern Verbindungen mit Friedrich so sehr verleugnet haben, daß dieser ihm ganz vertraute?) complicibus coadunatis consilium concepit, quo regalia potestati Friderici eripiant, et sic ad alium eligendum roborentur. Ipsi ergo, de quibus Dux Fridericus minus certus erat, imo adversarios aestimabat, consona voce ejus electioni in publico applaudebant - - Fridericus sub forma aliorum humiliter onus recusavit (das mag wol geschehen sein, aber sein Benehmen in Mainz zeigte nicht, daß es ihm mit der Ablehnung der Krone Ernst sei, vielmehr daß er dieselbe, als ihm allein zukommend, keinem Andern abtreten wolle). Unde statim arrepta occasione Lotharium elegerunt, ultro se offerentem, videlicet etiam, quod promisisset plura, qua non persolvit.

 

 

____

28 Erster Abschnitt

 

freie Stellung hatte, der sogar durch Verwandtschaft und Nationalität den Hohenstaufen, dem süddeutschen Friedrich näher stand, als dem durch kein Band, durch keine Stamm- und Familien-Verwandtschaft an ihn geketteten Sachsenherzog. Wenn für diesen sich zu entscheiden den Herzog Heinrich der Eigennutz, die Aussicht auf eine vortheilhafte Verbindung seines Sohnes mit der reichsten Erbtochter, der alte Haß der Welfen gegen die Waiblinger, der nun auf ein diesen verwandtes und in seiner Nachbarschaft allzumächtig emporstrebendes Geschlecht gerichtet sein mußte, weil es in Allem als Erbe jener auftrat, mehr leiteten als die Ueberzeugung von der Billigkeit, Gerechtigkeit und Notwendigkeit, die für den Sachsenherzog sprachen: so dürfen diese bessern Beweggründe bei anderen Fürsten nicht abgeleugnet werden. Genug, Lothar's Wahl steht gerechtfertigt da, so viel Privatinteressen der Wähler dabei auch mitgewirkt haben mögen. Einen bewährten Mann von edler Gesinnung, tapferm Muthe, großer Erfahrung, einen Fürsten aus Norddeutschland, das ein Jahrhundert den Druck eines antinationalen Herrschergeschlechts erfahren hatte, gewählt zu haben, darf der mainzer Wahlversammlung auch dann nicht zum Vorwurfe gemacht werden, wenn sie den gleichfalls wackern und durch Verwandtschaft mit den fränkischen Kaisern empfehlenswerthen Friedrich von Schwaben nur wegen seines stolzen anmaßlichen Benehmens ausgeschlossen hätten. Auch die Rücksicht auf Lothar's vorgeschrittenes Alter und sein Entbehren männlicher Nachkommen, welches beides den deutschen Wahlfürsten die baldige Ausübung ihres vornehmsten Rechtes von Neuem zusicherte, verdient keinen Tadel, da die Vererbung der Krone vom Vater auf den Sohn nicht nur jenes Recht beschränkte, sondern nach den Ansichten des freiheitbedürftigen Mittelalters einen Misbrauch der höchsten Staatsgewalt, eine Willkür und Härte veranlaßte, die zu blutigen Bürgerkriegen, zu Zerrüttung und Verheerung des herrlichen deutschen Reiches unter den letzten Kaisern geführt hatte.

 

Wie tief gewurzelt und dauernd diese Ansicht war, beweisen die Schriftsteller, welche Lothar's Regierung, obwol sie gleich den vorangehenden und den nachfolgenden eine Kette unaufhörlicher Kriegszüge, Kämpfe im Innern und nach Außen darbietet, dennoch als eine friedbringende bezeichnen und dem Kaiser deshalb das höchste Lob ertheilen 1). Sie sprechen damit aus, daß seine Kämpfe nicht

 

1) Ann. Saxo ad 1126 gibt die Ueberschrift: Incipiunt anni pacifici. Andere Chronisten, besonders die sächsischen, bezeichnen Lothar's Regierungszeit auf gleiche Weise als friedlich, gerecht und dem Reiche heilsam.

 

 

____

29 Anordnungen (des Königs) im Innern des Reichs.

 

aus Willkür und Herrschsucht, sondern zur Zügelung der Leidenschaften, zur Abwehr von Unbilden und Ungerechtigkeiten, oder zur Ehre des Reiches unternommen wurden.

 

Den erzürnten Hohenstaufen zu versöhnen, unterließ Lothar Nichts, was mit der Ehre der Krone sich vertrug. Nicht der überlegenen Macht, die ihm bei der Ergebenheit und Anhänglichkeit der Reichsfürsten zu Gebote stand, sondern der Milde wollte er diesen Sieg verdanken. Doch vergebens hoffte er auf Friedrich's Nachgiebigkeit. Erst den Bemühungen der Fürsten gelang es, Jenen zur schuldigen Pflicht eines Reichsfürsten gegen das Oberhaupt zu bewegen. Der biedere, einsichtsvolle Bischof Hartwig von Regensburg, der einst dem Herzog als Rathgeber vom Kaiser Heinrich während seiner Entfernung aus dem Reiche beigesellt worden war, der wie wenige Geistliche stets treu dem Hause der Waiblinger sich bewiesen hatte, war auch jetzt der geschickte Vermittler, welcher über Friedrich's trotzigen Sinn Etwas vermochte. Hartwig's Vorstellungen, unterstützt von den Bitten und Mahnungen anderer Reichsfürsten, bewogen endlich am dritten Tage nach der Wahl Lothar's den Herzog, in Mainz vor dem Könige zu erscheinen 1), demselben als seinem Oberlehnsherrn die schuldige Ehrerbietung und Huldigung zu erweisen, den Eid der Treue und des Gehorsams zu leisten, und scheinbar einen versöhnten Sinn zu zeigen. Doch nicht ganz verleugnen konnte er das stolze Herz. Lothar hatte ihm unter andern Anerbietungen, wodurch er ihn zu versöhnen gehofft, eine nicht unbedeutende Summe Geldes weniger als ein Abstandsgeld, denn als ein Darlehen zur Entschädigung des Kostenaufwandes, den Friedrich in Erwartung der Krone für ein größeres Gefolge und andere Vorkehrungen gemacht hatte, versprochen. Dies Geschenk wies nun Friedrich als für seine Ehre ungeziemlich zurück 2).

 

Nachdem dieser Zwiespalt vorerst glücklich beigelegt, dachte der König daran, wie er dauernd sein Ansehen schütze und einen allgemeinen Reichsfrieden auch über die von den Fürsten anberaumte

 

1) Narrat. de Loth. elect.: Videns itaque Dux Fridericus contra Dominum non esse consilium vel potentiam hominum, qui tot tantorumque principum animos contra spem omnium collegit in unum, tertia demum die Ratisponensis Episcopi caeterorumque Principum consilio precibusque correctus ad curiam rediit.

2) Narrat. de Loth. elect.: Ducentas marcas, quibus eum Rex prius inbeneficiare promiserat, satis honeste refutans, debitam Regi jam Domino suo reverentiam exhibuit, et cum eo sic in gratiam et amicitiam tanto stabilius quanto liberius rediit.

 

 

____

30 Erster Abschnitt.

 

Frist hinaus erlange. Die günstige Stimmung der mainzer Wahlversammlung durfte er nicht ungenützt lassen. Er foderte, und man gewährte es gern, daß bis Neujahr 1127 keine Störung der Ruhe von einem der Reichsfürsten veranlaßt, und wer dieses Gelöbniß bräche, nach den Gesetzen und von den Gerichten, die in jeder Provinz beständen, mit ganzer Strenge gestraft werden solle 1). Was Lothar einst in Sachsen durch Vereinigung der Fürsten des Landes gelungen, hoffte er, werde mit Beistand der Reichsfürsten ihm durch ganz Deutschland durchzusetzen möglich sein. Auf lange Jahre oder gar einen ewigen Landfrieden sich geloben zu lassen, wäre ein nichtiges Gaukelspiel gewesen. Er schrankte ihn auf fünf Vierteljahre ein, und hoffte in dieser Zeit den tiefgewurzelten Uebelständen, Zerrüttungen, Verödungen im Reiche die nöthige Abhülfe, den Grenzen nach Außen Sicherheit und Festigkeit, seiner Herrschaft die erfoderliche Kraft, dem Throne Ansehen, dem Namen eines deutschen Königs in und außerhalb Deutschland die alte Achtung zu verschaffen, indem sein eigenes, rühmliches Beispiel die Großen des Reichs zur Nacheiferung anspornen sollte.

 

Ehe noch die vier Wochen verstrichen waren, die, vom 24. August ab gerechnet, man zur Rückreise der in Mainz versammelten Prälaten, Fürsten, des Klerus und der Laien bestimmt hatte, waren die meisten schon in ihrer Heimat angelangt und trugen Sorge für Vollziehung des Landfriedensgebotes 2). Der König aber zog (Anfang Septembers), begleitet von den päpstlichen Legaten, zwei Erzbischöfen, 8 Bischöfen, einigen Aebten und mit einem glänzenden Gefolge der ersten Reichsfürsten und der angesehensten Hofbeamten nach Aachen, wo ihm (Sonntag den 13. September) Friedrich von Köln die Krone Karl's des Großen aufsetzte und zum König

 

1) Narrat. de Loth. elect.: Rex praedictus sub regiae majestatis obtentu pacem firmam in omni Regno Teutonico usque ad Nativitatem Domini et ab inde ad annum usquequaque communiter indixit, quam si quis fregerit, juxta cujusque provinciae legem atque justitiam severissima vindicta exsolvere debebit.

2) Die Nachricht bei Ordericus Vit. lib. XII. und nach ihm bei Pagi in crit. ad Baron. ad 1125: Dissoluto conventu (Moguntiae) exercitus Friderici super Lotharium irruit ipsumque et plurimos de parte ejus vulneravit et terga vertentes fugavit, ist kein anderes Zeugnis, das doch über einen solchen Verfall bei den gleichzeitigen Chronisten nicht fehlen würde, verbürgt. Entweder ist es leere Erdichtung oder beruht auf einer Verwechselung. Die folgenden Worte: Fridericus enim armatorum fere XXX millia secum adduxerat, quia timore vel favore sese regem fore aestimabat, möchte mehr Wahrscheinlichkeit haben, doch ist die Stärke des Herrn wol übertrieben.

 

 

____

31 Lothars auswärtige Politik.

 

salbte 1). Auf dem Rückwege traf Lothar zu Köln mit seiner Gemahlin Richenza zusammen, die erst in Sachsen die Erhebung ihres Gemahls vernommen und nicht mit ihm zu Mainz und Aachen die Festlichkeiten getheilt hatte. Nun wurde auch sie von dem Erzbischofe Friedrich gekrönt 2) und der Prunk nicht gespart, den Lothar, wie seine ganze Regierung beweist, liebte oder zur Erhöhung seines Ansehens für nothwendig hielt.

 

Um dem Papste seine Erhebung auf den deutschen Königsthron zu melden, entsandte er mit dem Kardinal Gerhard die beiden Bischöfe Burchard von Cambray und Heinrich von Verdun nach Rom 3). Papst Honorius II., der ehemalige Kardinal-Legat Lambert von Ostia, der dem noch vor Heinrich V. verstorbenen Calixtus II. gefolgt war 4), hatte wie dieser den Frieden, welchen er einstmals selbst zwischen Reich und Kirche abgeschlossen, unverändert gehalten, bei der neuen Königswahl aber dafür gewirkt, daß die Rechte und Freiheiten der Kirche erweitert würden. Nicht war er dabei stehen geblieben, diese Sorge Adalbert von Mainz, dem fortwährenden apostolischen Legaten in Deutschland zu übertragen; denn dessen selbstsüchtiges Bestreben bei Allem, was er für die Kirche zu thun vorgab, hatte er während seines Aufenthaltes in Deutschland (1122)

 

1) Außer Dodechin ad 1125, die Contin. Sigeb. Gembl. ad 1126 (statt 1125) u. A. Am ausführlichsten Rob. de Monte: Mense Septembri cum eisdem legatis et duobus Archiepiscopis et octo Episcopis et multis Abbatibus et cum eminentioribus aulae Regalis Primatibus Aquisgranum veniens, Dominica die Idibus Septembris (so alle Angaben) a Friderico Archiepiscopo Coloniensi in regem benedictur et unguitur.

2) Der Tag ist nicht bekannt. Ann. Saxo: Uxor ejus Domina Richenza Coloniae a Frid. Archiepiscopo in Reginam consecratur. Da gleich darauf des Zuges nach Baiern erwähnt wird, so kam Lothar wol erst von Aachen nach Köln, und ließ seine Gemahlin, die hier zu ihm gekommen, krönen.

3) Dodechin a. a. O.: Legati pro confirmando Rege Romam mittuntur Gerardus Cardinalis, Cameracensis et Verdunensis Episcopus.

4) Die Wahl war anfangs zwiespältig gewesen. Chron. Ursp. und Ann. Saxo ad 1124: Post cujus (Calixti) decessum pars aliqua Romanorum Ravennatem Archiepiscopum, omni religionis testimonio satis commendatum Apostolicae sedi praeficere nituntur. Item aliqui Lambertum Ostiensem, qui et universali postmodum electione concordante voti compotes efficiuntur. Nach Guillelmus Tyius hist. belli sacri lib. XIII, cap. 15, war der Nebenbuhler quidam Theobaldus presbyter cardinalis tituli St. Anastasii. Vergl. Mansi XXI, pag. 319. Auch der Zeitgenosse Pandulf. Pisanus, nennt Theobald. S. Baron. ad 1124, pag. 198 sqq. Der Tag der Wahl nach Mansi ist XIX. Kal Januarii anno 1124 (wofür 1125 genauer stehen müßte, obwol XIX. Kal noch 1124 fällt). Ueber Tag und Wahl finden sich viele Abweichungen.

 

 

____

32 Erster Abschnitt

 

nur zu gut kennen gelernt. Eigens waren apostolische Gesandte zur Wahlversammlung nach Mainz geschickt, die denn gewiß keine müßigen Zuschauer bei den Verhandlungen gewesen, wenn wir auch nicht genau erfahren, wie viel sie zur Erhebung Lothar's mitgewirkt haben. Daß sie Lothar nach Aachen begleiteten, und danach erst nach Rom zurückkehrten, beweist, daß sie mit dem neuen Könige durchaus zufrieden waren. Auch Honorius freute sich über die getroffene Wahl und sollte bald Gelegenheit sinden, Lothar einen großen Beweis der ihm geschenkten Gunst zu geben. Wenig Päpste lebten in so durchaus friedlichem, einmüthigem Vernehmen mit den Beherrschern Deutschlands, wie Honorius II., und welches gewiß auch nicht gestört worden wäre, wenn seine Verwaltung der Kirche länger die Regierung Lothar's begleitet hätte. Beide Manner tragen das Verdienst solcher Eintracht.

 

Der neue deutsche König hielt für die Herstellung des unter der vorigen Regierung zerrütteten Reiches und des gesunkenen königlichen Ansehens am geeignetsten, daß er nicht, wie Heinrich in den letzten Jahren, immer in denselben Gegenden verweilte, sondern seinen Aufenthalt bald hier bald dort nehme, um überall durch unmittelbare Einwirkung das Zweckdienliche zu fördern. So zog er von Köln rheinaufwärts bis Worms, und wandte sich dann nach Baiern, wo er Ende Novembers einen glänzenden Hoftag hielt 1). Eine für das Reich sehr wichtige Frage legte er hier den versammelten Ständen des Reiches zur Berathung vor, die durch den Wechsel der Dynastie sehr natürlich veranlaßt scheint, keineswegs eine feindliche Absicht gegen die Hohenstaufen auf gehässige Weise verräth, obschon Letztere dabei vornehmlich betheiligt waren. Für Erhaltung Dessen, was dem Reiche gehörte und rechtmäßig zukam, Sorge zu tragen, ist doch wol nur schuldige Pflicht des Reichsoberhauptes zu nennen. Dieser erledigte sich Lothar, als er die Frage aufwarf: „Ob Güter von Geächteten, die vom Könige nach Spruch und Recht den schuldbeladenen Besitzern abgenommen worden sind, oder solche, welche gegen Reichsgüter eingetauscht sind, dem Könige als Privateigenthum oder dem Reiche als Staatsbesitzthum gehören sollten?“ Die Antwort der Fürsten lautete vollkommen richtig: „Dem Reiche als

 

1) Ann. Saxo ad 1125: Rex Luiderus electus et consecratus versus Bavariam tendit et apud Rotisponam regio more suscipitur. Eine Urkunde vom 3. November bei Zapf monum. anecdota 470 zeigt Lothar's Aufenthalt in Worms. Für die Zeit des regensburger Reichstages führt schon Raumer, II, S. 522 Lang reg. an.

 

 

____

33 Anordnungen des Königs im Innern des Reichs.

 

Staatsbesitzthum“ 1). Wie viel Schwierigkeiten und immer neue Zerwürfnisse unter Heinrich V. die Frage veranlaßt hatte, was dem Reiche gehöre und was den Fürsten, was Lehngut und was Allodium sei, haben wir gesehen. Ebenso schwierig war es nun, nach hundertjähriger Herrschaft eines Kaiserhauses, das sich gleichsam im erblichen Besitze des Thrones betrachtet hatte, zu entscheiden, was Familiengut und was Reichsbesitzthum unter derselben gewesen war. Unter Konrad II. und Heinrich III. waren selbst die größten Reichslehen mit der Krone vereint und unbesetzt gelassen. Die beiden letzten Heinriche wagten das nicht mehr, dagegen erklärten sie Güter angeblich ausgestorbener Fürstenhäuser oder Geächteter für Reichsgut. Wenn Heinrich V. seinen Schwestersohn, Friedrich von Schwaben, zum Erben seines Nachlasses einsetzte, durfte dieser Nachlaß gewiß nicht auf die eingezogenen Reichsgüter ausgedehnt werden. Gleichwol finden wir, daß die Hohenstaufen noch weiter in ihren Ansprüchen gingen und reichsunmittelbare Städte, wie Speier, Ulm, Nürnberg, dem Könige vorenthielten. Und selbst wenn diese Städte mehr aus freier Wahl, aus Anhänglichkeit für das frühere Herrscherhaus oder aus Neigung zu den Hohenstaufen diesen sich angeschlossen hätten, so stellt doch der regensburger Reichstagsbeschluß außer Zweifel, daß mit den Hausgütern Heinrich's V. Vieles von dem Reichsbesitzthum an die Erben jenes gekommen sein mußte 2), dessen Zurückgabe Lothar mit bestem Rechte foderte. Der Weg, den er einschlug, um solche Foderung zu begründen, war der offenste, gesetzlichste und zugleich Der, welcher die Fürsten auffoderte, ihren Beistand bei Einziehung der Reichsgüter ihm zuzusagen. Doch hielt Lothar noch damit zurück, auf Grund des regensburger Ausspruches sogleich gegen die Hohenstaufen Klagen oder einen Urtheilsspruch zu veranlassen, oder sie zur augenblicklichen Herausgabe der ungesetzlich

 

1) Dodech. ad 1125: Rege apud Ratisbonam in conventu Principum inquirente praedia judicio proscriptorum a Rege, si juste forifactoribus abjudicata fuerint, vel pro his, quae regno attinent, commutata utrum cedant ditioni regiminis vel proprietati regis? judicatum potius regiminis subjacere ditioni quam regis proprietati.

2)Ann. Saxo ad 1127 sagt das unumwunden: Fridericus namque Dux Suevorum et frater ejus Conradus Heinrici Imperatoris consobrini ipso adhuc superstite voluntatis suae libertate male potiti, Henrico Imperatore decendente plurima castella et multa alia regii juris sibi vindicantes temeraria potestate sub principatus sui conditionem hereditario jur usurpaverunt.

II. 3

 

 

____

34 Erster Abschnitt

 

an sich gezogenen Reichsbesitzungen zu zwingen 1). Wol in keiner andern Absicht, als sich mit Friedrich friedlich zu verständigen und mit Beirath der Fürsten zu bestimmen, was jener vom Reichsgut an sich gebracht und nun dem Reiche zurückzugeben habe, begab sich Lothar von Baiern nach dem Elsaß, und beschied die Reichsfürsten zu Weihnachten nach Straßburg. Zahlreich erschienen weltliche und geistliche 2), aber Friedrich blieb aus und zeigte sogar durch kriegerische Rüstungen, daß er nicht gesonnen sei, irgend etwas herauszugeben, was er einmal besäße 3). Freilich mußte es des Herzogs Empfindlichkeit reizen, daß er, der jene Güter ohne Widerspruch der Fürsten an sich gebracht hatte, in der Erwartung, die er und viele von diesen hegten, man werde die Krone keinem Andern als ihm übertragen, nun dieselben einem Manne ausliefern sollte, den er - wenn auch sehr mit Unrecht - als seinen Verdränger ansah. Je deutlicher es sich herausstellte, daß Lothar die Zuneigung aller Reichsfürsten besaß, je thätiger, einsichtsvoller und fester der neue König auftrat, um so mehr wurmte es in Friedrich's Herzen, daß er durch eigene Schuld sich um das erstrebte Kleinod gebracht, um so mehr verhärtete er sich in seinem Trotz, und sah sich, wol wider seinen Willen und wider seinen geleisteten Schwur der Treue, zur Empörung fortgerissen.

 

Friedrich's Weigerung in Betreff der Auslieferung unrechtmäßig an sich gerissener Reichsgüter, seine feindlichen Rüstungen, die dem in Mainz beschworenen Landfrieden Hohn sprachen, erfüllten die in Straßburg versammelten Fürsten mit Unwillen, und mehr aus freiem Entschluß als vom Könige aufgefodert, sprachen sie über den Reichsfeind die Acht. Lothar scheint, um den Ausbruch eines neuen Bürgerkrieges

 

1) Durch keine Handlung Lothar's wird der Ausspruch Otto's von Freisingen gerechtfertigt. Chron. VII, cap 17: Lotharius per omnia progeniem Imperatoris Heinrici humiliavit, Worte, die spätere Historiker nachschrieben, und die manchen neuern zu unbegründeten Vorwürfen gegen Lothar veranlaßt haben.

2) Zwei Urkunden Lothar's für das Kloster St. Blasius, data IV. Nonas Januarii bei Herrgott geneal. diplom gentis Habsburg. II. p. 147 und 149 nennen zu Straßburg anwesend: Adalbertus Moguntinensis Archiepiscopus, Arnoldus Spirensis Episcopus, Odalricus Constancensis Episcopus, Stephanus Metensis Episcopus, Rodolfus Abbas de S. Gallo, Udalricus Vuldensis Abbas, Bertholdus Morbavensis Abbas, Simon Dux, Gothefridus Palat. Comes, Conradus filius Ducis Bertholdi, Herimannus Marchio, dann folgen noch Grafen et alii quam plures.

3) Ann. Saxo ad 1126: Rex Luiderus Natale Domini apud Argentinam celebravit et Fridericus Dux Alsatiae nova quaedam contra Regem molitus principum judicio damnatur.

 

 

____

35 Der Hohenstaufen Auflehnen.

 

zu verhüten, seine ganze Milde und Versöhnlichkeit dem raschen Urtheil der Fürsten entgegengesetzt zu haben. Denn zu Straßburg wurden weder die Fürsten zur Heerfolge gegen Friedrich aufgefodert, noch die Acht publicirt, und keine weiteren Schritte gethan, als durch die Fürsten Süddeutschlands, vornehmlich Diejenigen, welche Friedrich' s Nachbarn waren, dieser in seinen weiteren Unternehmungen bewacht, sodaß derselbe nichts den Reichsfrieden Störendes wagte. Der König begab sich nach Sachsen, wo die ihm ganz ergebene Nation den einheimischen Herrscher freudig begrüßte und die Fürsten des Landes sich zahlreich um ihn in Goslar versammelten, das gegen den Herzog von Schwaben gefällte Urtheil der süddeutschen Fürsten billigten und zu Pfingsten, wenn es der König foderte, zu einer allgemeinen Heerfahrt sich bereit erklärten 1).

 

Da in Baiern und von baierischen Großen ein Beschluß gefaßt worden war, der den Uebergriffen Herzog Friedrich's vornehmlich das Urtheil sprach, da die rheinischen Prälaten und Baiernfürsten den König zu einer Aechtung Friedrich's bewogen, da Sachsen stürmisch die Ausführung der Acht foderte, so hätte Lothar auf den besten Erfolg rechnen können, wenn er Willens gewesen wäre, jetzt schon mit Strenge gegen den Widerspenstigen aufzutreten. Doch er begnügte sich, dem Gegner zu zeigen, welche Macht wider ihn mit dem Reichsoberhaupte im Bunde stehe, und wie Friedrich auf keinen Fürsten im Reiche zu zählen habe, da selbst sein früherer Genosse, der Pfalzgraf Gottfried bei Rhein, auf Lothar's Seite stand, die seit langem an den deutschen Angelegenheiten theilnahmlosen Lothringer, deren Herzog, Simon, des Königs Stiefbruder war, sich für den neuen Herrscher thätig bewiesen, und selbst das Zähringer Haus, welches bisher in gutem Vernehmen mit den Hohenstaufen, seinen Verdrängern in Schwaben verharrt hatte, an Lothar sich anschloß 2). Die geistlichen Fürsten am Rhein waren insgesammt dem Könige

 

1) Ann. Saxo a. a. O.: Rex in patriam regreditur. - Frequens conventus Principum Goslariae praesente Rege fit et expeditio post Pentecosten contra Ducem Fridericum ab omnibus collaudatur. Die Ausdrucksweise hier und in den Worten der vorangehenden Anmerkung deutet zu bestimmt darauf hin, daß der König selbst weder zu Speier noch zu Goslar die Acht Friedrich's verhängt, sondern daß die Fürsten dort wie hier die Beschlüsse faßten, und erst den König mit sich fortrissen.

2) Gottfried bei Rhein, Simon von Lothringen und Konrad von Zähringen waren auf dem Hoftage zu Straßburg, wo Friedrich geächtet wurde, die vornehmsten weltlichen Fürsten, also wol die Wortführer oder doch entscheidend bei allen Beschlüssen.

3*

 

 

____

36 Erster Abschnitt

 

zugethan, und hatten die erste Verpflichtung, Dem ihren ganzen Beistand zuzuwenden, den sie vornehmlich gegen Friedrich auf den Thron gebracht hatten. Daß Lothar nur ruhige Besonnenheit, die nicht dem schnellen Erfolg vertraut, den ein Glückswechsel ebenso rasch umwandelt, nicht die Furcht vor Friedrich bestimmte, keine Gewalt gegen diesen zu gebrauchen, wird Niemand ableugnen, der die Macht überblickt, welche ihm zu Gebote stand. Der Altersschwäche oder der Unentschlosfenheit sein Verfahren beizumessen, ist vollends grundlos, da der König gerade um jene Zeit ein Beispiel von beinahe zu kühnem Unternehmungsgeiste darbietet, dessen glücklicher Erfolg indeß auch die Ansicht widerlegt, als habe er auch hiebei die Ehre des Reichs einem auswärtigen Feinde preisgegeben. Dieses so vielfach verkannten Kaisers Regierung kann nur dann erst in seiner wahren Bedeutsamkeit gefaßt werden, wenn nicht einzelne seiner Thaten einer willkürlichen Auslegung unterworfen, sondern alle in ihrem Zusammenhange als die Folge ebenso besonnener als konsequenter Handlungsweise betrachtet werden.

 

Seine auswärtige Politik verdient besondere Aufmerksamkeit, weil er durch dieselbe ebenso sehr den noch immer leidenschaftlich aufgeregten, aber im innern Kampfe geschwächten Kräften Deutschlands eine heilsame Ableitung nach Außen gab, als auch dadurch seine Macht zu den beiden ihn noch beschränkenden Gewalten immer freier, selbständiger, und doch nicht losgebunden von der einmal entstandenen Gliederung, sondern diese wohlthätig belebend und beherrschend, zu entwickeln im Stande war.

 

Die abnorme Richtung, welche Heinrich's V. Politik in den letzten Regierungsjahren verfolgt hatte, indem er gegen den westlichen Nachbar die Macht Deutschlands aufbot, gab Lothar gänzlich auf, ohne darum den Westprovinzen des Reichs, die allerdings von Frankreich einen nachtheiligen Einfluß erfahren hatten, seine Aufmerksamkeit und Sorge zu entziehen. Ein Friede mit Ludwig VII. war leicht zu erlangen, da auch dieser Herrscher anderweitig seine Reichskräfte nöthig hatte, und mit Deutschlands Beherrscher den Kampf gern vermied. Die Blicke Lothar's zogen mehr der Norden und Osten, und später Italien auf sich. Böhmen, welches seiner Lage nach durchaus zum deutschen Reichskörper gehörte, durch seine nicht-germanische Bevölkerung aber ihm entfremdet war, zu Anerkennung einer Oberhoheit des deutschen Königs zu zwingen, war zwar das unablässige Streben der deutschen Herrscher aus allen Häusern gewesen, aber nur Denen mit Erfolg geglückt, welche bei den deutschen Volksstämmen einer allgemeinen Anerkennung durch

 

 

____

37 Lothar's auswärtige Politik.

 

weise Strenge und durchgreifende Kraft sich erfreuten. Die beiden letzten Heinriche hatten mehr durch politische Verbindungen, welche das gemeinsame Interesse oder der gleiche Haß gegen Sachsen hervorrief, als durch das Ansehen ihrer Oberhoheit die böhmischen Herzoge zur Theilnahme an den deutschen Ereignissen bewogen, wobei natürlich diese Fürsten nicht die Wohlfahrt des Reiches, sondern den Vortheil ihres Volkes, ja meist nur das Privatinteresse ihrer Familie oder ihrer Person im Auge behielten. Zwar Wratislav hatte mit unveränderter Anhänglichkeit und Freundschaft mehr als jeder deutsche Reichsfürst Heinrich IV. gedient und in dessen Kriegen mit den Sachsen eine aufopfernde Bereitwilligkeit ihm zu helfen an den Tag gelegt. Doch einerseits war es der Nationalhaß gegen die nordwestlichen Nachbarn, nicht die Ueberzeugung, Heinrich's Thron gegen die Anmaßungen der Kirche und den Trotz der Fürsten aufrecht zu erhalten, was ihn dazu bestimmte, andererseits die Aussicht, auf deutschem Gebiet seine Herrschaft zu erweitern, sei es nun durch Gewinn der Lausitz oder Meißens oder Oestreichs, denn alle drei Markgrafschaften hatte ihm Heinrich als Lohn für die treuen Dienste zugesprochen; nur besaß weder der Kaiser noch der Herzog Macht genug, jene Länder den deutschen Fürsten, die sie inne hatten oder daran Ansprüche machten, zu entreißen, und Wratislav mußte endlich sich damit begnügen, daß Heinrich ihm die Königswürde ertheilte und das mährische Bisthum mit dem von Prag verband 1). War die erhöhte Würde nur gegen große Summen und für geleistete und noch zu leistende Dienste zu erringen, so hatte sie überdies nur

 

1) Am ausführlichsten ist dies Alles bei Dobner zu Hagek ad 1086 zu finden. Cosmas ad 1086, p. 2057 läßt die Krönung zu Mainz geschehen. Wratislaum tam Boemiae quam Poloniae praefecit et imponens capiti ejus manu sua regalem circulum jussit Archiepiscopum Treverensem nomine Egelbertum, ut eum in sede sua Metropoli Praga in Regem ungat et diadema capiti imponat. Der Verfaser der vita Viperti, cap. III, §. 5, der den ältern Wiprecht, Wratislav's Schwiegersohn, dabei vornehmlich mitwirken läßt, gibt an: Ventum est ad curiam Herbipolim vel Wirciburg, ad quam cum principes undique solemniter convenissent, exceptis Saxonibus, Dux Boemiae, Wigberto cum indicta thesauri quantitate (Wiprecht hatte seinem Schwiegervater gerathen: ut 4000 marcarum argenti transmitteret Imperatori, insuper etiam filium suum Borwi cum 300 militibus in Italiam destinaret) praeeunte, proceribus, quos electissimos habuit, stipatus advenit. Imperatore ergo jubente per Moguntinum Archiepiscopum et Constantiensem Praesulem et Wirzeburgensem, Wratislaus regali benedictione sublimatur. Vielleicht folgten beide Handlungen zu Würzburg und Mainz aufeinander und die Krönung in Prag machte den Beschluß. S. Mencken I, p. 2058, Anmerkung 113.

 

 

____

38 Erster Abschnitt

 

für Wratislav's eigene Person Gültigkeit, und nach seinem Tode (1092) gab es in Böhmen wieder lange Zeit nur Herzoge, die jedoch mehr ihrem angeerbten Rechte und dem Willen der Nation als der kaiserlichen Belehnung ihre Herrscherwürde verdankten. Wenn dem deutschen Kaiser bei der Wahl und überhaupt auf Böhmen noch ein Einfluß verblieb, so wurde er mehr durch die Factionen und Zerwürfnisse, die das Land, wie jedes in gleicher Lage, fremder Einmischung preisgaben, als durch die Kraft Heinrich's IV. und V. erhalten. Nachdem Wratislav's Bruder, Konrad, 8 Monate, und jenes Sohn, Bretislav, 7 Jahre in Böhmen geherrscht, kam nach dem Altersrechte 1), das in Böhmen galt, Borivoi zur Regierung, dem früher schon Kaiser Heinrich IV. ganz Böhmen zuerkannt, der aber bisher mit Mähren sich hatte begnügen müssen 2). Mit ihm kehrten die Familienkämpfe, die schon unter König Wratislav und dessen Bruder, Otto von Mähren, verderblich gewesen waren, in erhöhtem Grade zurück. Während der neue Herzog mit seinem Bruder Wladislav in Feindschaft lebte, erhoben sich auch Otto's von Mähren Söhne, Swatopluk und Otto, gegen ihren Vetter, und der milde und biedere Borivoi vermochte nicht den Ränken und den Verbindungen, die in Böhmen wie in Polen und Ungarn der herrschsüchtige und wilde Swatopluk gegen ihn in Bewegung setzte, zu widerstehen, und suchte Heinrich's V. Schutz (1107). Wir haben gesehen, wie diesen, der als Oberlehnsherr allerdings in Böhmen entscheiden wollte, Geld und Bestechung mehr als das Recht und gegebene Zusicherungen zu nachdrücklichen Unterstützungen nach dem Lande führten, und wie er dadurch, daß er stets für den mächtigern Theil sich entschied, weil dieser mehr bieten und zu größern Gegendiensten sich verpflichten konnte, bei den Böhmen ein sehr zweideutiges und nur von den Schützlingen anerkanntes Ansehen behauptete. Zwei Jahre war Swatopluk unbeschränkter Herrscher, machte sich aber durch die Bedrückungen, die er wegen der ungeheuren Summen für den König und bei den Hülfsleistungen zu dessen ungarischen und polnischen Feldzügen kaum vermeiden konnte, verhaßt und erlag endlich der Rache des von ihm grausam verfolgten und fast vernichteten, bisher so blühenden und mächtigen Hauses der Wrisowivier

 

1) Cosmas, p. 2082: Justitia erat Boëmorum, ut semper inter Principes eorum major natu solio potiretur in Principatu.

2) Cosmas a. a. O.: Mittunt (nach Bretislav's Tode) Praesul (Pragensis) et Comites cum festinatione in Moraviam ad Borivoy legatum, quo acceleret olim sibi a Caesare datum totis Boemiae accipere ducatum.

 

 

____

39 Ereignisse in Böhmen

 

(20. September 1109) 1). Nun wenigstens hätte Heinrich sein Unrecht an Borivoi gut machen können. Aber an diesen dachten anfangs weder der König noch die mit ihm gegen Polen im Felde stehenden Böhmen; beide erkannten Swatopluk's Bruder, Otto, die Herzogswürde zu. 2). Als aber ein Theil der Nation sich für Borivoi, ein anderer für Wladislav, dessen jüngeren Bruder, entschied, schwankte Heinrich einige Zeit, entschied dann aber wiederum nicht nach dem Recht, sondern nach dem höhern Preis, den Wladislav's Wähler, vornehmlich der Bischof Hermann von Prag, ihm boten 3). Der jüngere Bruder wurde dem älteren vorgezogen. Wir haben bereits das unverdiente, bedauernswürdige Schicksal Borivoi's kennen gelernt, das ihn mehrmals vom Gipfel der Hoheit, Macht und Größe in Elend, Verfolgung und Gefangenschaft stürzte, bis ihn der Tod den wechselnden Launen des Glücks entzog (1124). Doch nicht er allein stand dem Herzog Wladislav entgegen, damit dieser die Alleinherrschaft in Böhmen behaupte. Die Freundschaft desselben mit Herzog Otto von Mähren hätte von keiner Dauer sein können, auch wenn nicht Andere den Samen der Zwietracht zwischen den beiden Fürsten zu säen geschäftig gewesen wären 4). Der an Geist, an Hülfsmitteln und Glück reichere Wladislav bekam den Nebenbuhler in seine

 

1) Abweichend von der vita Vip. cap. X, §. 2, erzählt Cosmas den Tod Swentopluk's, p. 2098: Affuit in castris (Swentopluk stand mit König Heinrich im Felde gegen den Polenherzog Bolislav III.) quidam miles audacissimis audacior missus a Joanne, filio Csta de gente Warsovici, qui - - stetit sub patula fago juxta viam, qua itur ad regelem Curiam (Heinrici V.) observans reditum Ducis, dum rediret de curte Regis. Quem ut vidit primo jam noctis crepusculo stipatum ingente caterva militum obsequentium insiluit equum et paulisper se immiscuit agmen in medium et toto annisu virium inter scapulas Ducis vibrans jaculum, intima fatifero rupit praecordia ferro. Qui citius quam tangeret humum exhalavit spiritum scilicet XI. Kalendas Octobri mense.

2) Cosmas p. 2099 schildert die Verwirrung und Bestürzung im böhmischen Heere: Mane autem facto venit Rex, ut lugeret super compatre suo et astantibus immensis Boëmis concessit, ut quemcunque voluissent suorum ex filiis Principum sibi in Ducem eligerent. Tum Wececk rogat obortis lacrymis, ut fratrem interfecti Principis Ottonem decernat eis ducem. Quem illico Rex collaudat et populus insipiens per castra ter Kyrie eleyson clamat.

3) Zu Rokizan befiehlt der König den beiden Brüdern, dem jüngern Grafen Wiprecht und dem Bischof Hermann, vor ihm zu erscheinen. Quo cum secundum jussum Regis advenissent, sine omni audientia Borivoy et filius Wigberti capitur, Praesulis autem causa probatur esse justa manu Regis auro uncta.

4) Cosmas a. a. O.

 

 

_____

40 Erster Abschnitt.

 

Gewalt, und ließ ihn zuerst auf dem Wischerad, dann in einer anderen Veste in enger Haft schmachten, bis er (Ausgang 1113) sich mit ihm versöhnte und ihm den früheren Antheil von dem Herzogthume Mähren zurückgab 1). Welche Ursachen den Herzog mit seinem jüngeren Bruder Sobislav zuerst entzweiten, ist nicht bekannt, wol aber daß diesen das Loos Otto's getroffen hätte, wenn nicht durch Beistand Anderer die Flucht aus dem Kerker ihm geglückt wäre. Noch einmal gelang es dem Herzoge Boleslav von Polen seine beiden Oheime zu versöhnen (1115), doch kein langer Friede bestand unter böhmischen Fürsten. Jm Jahre 1123 mußte abermals Sobislav vor seines Bruders Zorn aus Mähren entweichen 2). Und damals war es, wo Jener erst des Kaisers, dann seines Schwagers Wiprecht und endlich des Herzogs Lothar Hülfe suchte. Was erstere beide ihm frei gewähren konnten, durfte Lothar dem Flüchtlinge nicht zuwenden, ohne des Kaisers Zorn auf sich zu laden. Vergeblich hatte der Herzog auf dem Reichstage zu Bamberg für den vertriebenen Sobislav sich verwendet. Statt diesem Hülfe, bereitete er sich selber daraus den Vorwurf, daß er ungeziemende Vorschriften dem Kaiser zu geben wage. Sobislav's Schicksal schien, als auch Wiprecht 1124 gestorben war, ein trauriges Ende nehmen zu sollen, als ganz unerwartet das Glück ihm wieder lachte 3).

 

Noch verweilte er bei seinem Neffen Heinrich, dem Sohne Wiprecht's von Groitsch, in welchem er einen Leidensgefährten gefunden hatte, als ihm die Nachricht zukam, sein Bruder, der Herzog Wladislav, liege auf dem Tode. Auf den Rath der Seinen verließ er Sachsen und kehrte nach Böhmen zurück, wo er in der

 

1) Cosmas ad 1110 und 1113: Mense Decembri Dux Wladislaus fratrem (patruelem) suum Ottonem solvit a vinculis et, quam olim post obitum fratris sui Zvatopluc habuerat, reddidit ei dimidiam totius Moraviae cum suis civitatibus provinciam.

2) Cosmas, p. 2116 ad 1123: Dux Wladislaus immani motus ira contra fratrem suum Sobislaum mense Martio movit arma et cum suis omnibus expulit de Moravia. - Sobislaus autem fugiens a facie sui germani adiit Imperatorem in Moguntia, sed parum sua profecerunt negotia. - Infecta causa tendit ad Wigbertum et apud eum per septem menses conservatus est. Deinde mense Novembri transiit in Poloniam.

3) Cosmas ad 1124, p. 2124: Sobislaus, quia fortuna et regis censura magis juvat fratrem suum majorem natu, vertit iter ad Wigberti natum, quo consolaretur de obitu patris sui suum per sororem cognatum. Von diesem heißt es nachher: Quia post obitum patris sui praedictus puer atrociter ab inimicis undique coarctabatur, nämlich von Adalbert dem Bären und Konrad von Meißen.

 

 

____

41 Feindseligkeiten in Böhmen

 

Nähe von Prag das Ende seines Bruders und die neue Gestaltung der Dinge in Böhmen abzuwarten beschloß. Doch sollte er auf die rechtlichste Weise nicht nur in den Besitz der Herzogswürde kommen, sondern auch noch einmal die Versöhnung seines sterbenden Bruders erfahren. Die Böhmen liebten ihn, sowol die Hohen als die Niederen. Nur die Herzogin und Wenige mit ihr hatten eine größere Gunst Otto von Mähren geschenkt, der nach Wladislav's Tode auf die Nachfolge mit Sicherheit rechnete. Noch lebte auch die Königin Swatave, die Witwe Wratislav's und Mutter Wladislav's und Sobislav's. Sie ermahnte den älteren, ehe er stürbe, mit dem jüngern Bruder sich auszusöhnen, und fand durch Bitten und Thränen den Weg zu seinem Herzen, so sehr Wladislav's Gemahlin und deren Günstlinge dasselbe zu umstricken und für ihre Zwecke zu leiten suchten. Ein glücklicher Zufall führte damals gerade den ehrwürdigen Bischof Otto von Bamberg, der von seiner Heidenbekehrung aus Pommern zurückgekehrt war, nach Prag. Er vereinte seine Mahnung mit der der Königin, und machte die Zurückberufung Sobislav's zur Bedingung, unter welcher er dem Sterbenden das letzte Abendmahl, das Wladislav nur von ihm empfangen wollte, reichte. Es wurde nach dem in der Nahe verweilenden Flüchtling gesandt, und nun öffentlich ausgeführt, was längst schon im Geheimen vorbereitet war 1). Versöhnt mit seinem Bruder und mit der Genehmigung seiner Nachfolge schied Wladislav (am 2. April, den Sonntag vor Ostern 1125) aus der Welt 2). Freudig wurde von der Mehrzahl der Nation Sobislav als Herrscher anerkannt, und als solcher am 16. April begrüßt 3).

 

Was aber Sobislav Freude verursachte, gereichte Otto von Mähren zur Betrübniß. Denn ihm hatte für alle die treuen Dienste, die er ihm geleistet, Wladislav und vornehmlich dessen Gemahlin wiederholentlich die Nachfolge in Böhmen zugesichert. Nun sah er

 

1) Alles nach Cosmas a. a. O. Mittitur illico pro Sobislao, jamque palam in populo agitatur, quod olim clanculo machinabatur.

2) Cosmas, p. 2129: Pacificatus est Wladislaus cum fratre quarta feria majoris hebdomadae. Post octavas autem Paschae II. Idus Aprilis dominica die, quae tunc fuit misericordia Domini pius et misericors Dux Wladislaus migravit ad Christum.

3) Ja Cosmas, der mit Sobislav's Erhebung seine Chronik schließt, und bald danach sein Leben beschloß (nach Balbinus Epitome rer. Boem. lib. III, cap. 9, p. 219) sagt: Plebi utriusque sexus et aetatis gratus omnibus Boëmis insimul faventibus XVI. Kal. Maji jure hereditario in principatus solio elevatus est avito.

 

 

____

42 Erster Abschnitt

 

durch den bisher für enterbt, verstoßen, als Feind des Landes und geächtet erklärten Sobislav sich verdrängt; er wagte länger nicht in dessen Nähe zu verweilen, besorgt, was er und so viele böhmische Prinzen schon erfahren, abermals den Herrscherpalast mit dem Kerker vertauschen zu müssen, und entwich in sein Fürstenthum nach Mähren, hoffend, daß auch ihm noch einmal ein Glückswechsel die Erfüllung seiner ehrgeizigen Pläne bringen könne. Das bald darauf erfolgte Hinscheiden Kaiser Heinrich's V., die Erhebung Lothar's, waren Ereignisse, die auch in Böhmen nicht gleichgültig betrachtet wurden. Sobislav hätte es erwünscht sein müssen, daß die Wahl in Mainz auf den Mann gefallen war, der ihn einst in bedrängter Lage so gastfreundlich und tröstend aufgenommen hatte.

 

Aber das Verhältniß beider Männer war seitdem ein ganz anderes geworden, und ihre wechselseitige Gesinnung durch manche Ereignisse, die sie berührten, mindestens in Abneigung verwandelt, die, wenn sie von Anderen aufgereizt wurde, leicht in Feindschaft übergehen mußte. Bei der nahen Blutsverwandtschaft, in welcher Sobislav mit dem Groitscher Hause stand, hatte er mit Betrübniß das Geschick seines Schwestersohnes Heinrich betrachtet, dem von den ausgedehnten Besitzungen seines Vaters Wiprecht fast nichts als die Burggrafschaft Magdeburg verblieben war, während nicht blos Meißen, das von Heinrich V. an Wiprecht ertheilte Reichslehen, durch Konrad von Wettin in Besitz genommen, sondern auch die Mark Lausitz und die Erbgüter des einst so mächtigen Groitscher Hauses durch Albrecht den Bären dem hülflosen Jüngling entrissen waren. Ersteres hatte Lothar früher als Herzog von Sachsen bewirkt, Letzteres nicht verwehrt, weil Albrecht für seinen kräftigen Beistand in dem meißnischen Erbfolgekriege nur auf Kosten der Groitscher, die durch ungerechtes Ansichreißen der Hinterlassenschaft Heinrich's von Eilenburg den Kampf veranlaßt hatten, belohnt werden konnte. Daß Lothar selbst ohne allen Eigennutz für eine gerechte Sache das Schwert gezogen, minderte nicht den Kummer und Groll Derer, die eines der angesehensten sächsischen Fürstenhäuser, das vor wenig Jahren Heinrich V. unter die ersten des Reichs erhoben hatte, so verkürzt und auch des rechtmäßigen Besitzes beraubt sahen.

 

So lange Sobislav selber flüchtig und hülfebedürftig in Sachsen verweilte, vermochte er nichts als den Neffen zu beklagen. Jetzt, wo er so unerwartet ein mächtiges Herzogthum erlangt hatte, lag ihm die doppelte Verpflichtung ob, dem Neffen die früher gezeigte Theilnahme, ja den Dank für genossene Gastfreundschaft, die der

 

 

____

43 Ursachen des böhmischen Feldzuges.

 

Länderberaubte ihm, dem ganz Länderlosen, gewährte, durch thätigen Beistand zu bekräftigen, da nicht nur die Blutsverwandtschaft beide verband, sondern eine Art Lehnsverhältniß zwischen Böhmen und Oberlausitz (den Gauen Nisin und Budissin) 1) stattfand, da die (ganze) Mark Lausitz einst von Heinrich IV. an Wratislav gegeben, von diesem wieder - wenigstens so viel als der Böhmenherzog wirklich besaß, -an Wiprecht von Groitsch zum Theil als Lohn für geleistete Dienste, zum Theil als Mitgift der Tochter Judith, die er dem Grafen vermählte, verliehen worden war 2). Wenn nun Albrecht der Bär dem Grafen Heinrich ehemalige Gebietstheile von Böhmen, über die der Herzog gewiß nicht die Oberlehnshoheit aufgegeben hatte, entriß, so konnte und wollte Sobislav darüber nicht schweigen und gerieth sicherlich in eine Reibung mit den Gegnern Heinrich's von Groitsch, als deren Rückhalt und Beschützer ihm der Herzog Lothar erschien, zu welchem er so mittelbar wenigstens in ein gleich gespanntes Verhältniß wie mit Konrad von Wettin und Albrecht von Anhalt und anderen sächsischen Fürsten trat.

 

Doch der alte Nationalhaß zwischen Böhmen und Sachsen bedurfte kaum eines solchen Anlasses, um in offenen Krieg überzugehen. Es sollte auch an einem Manne nicht fehlen, der das glimmende Feuer schürte. Otto von Mähren glaubte, der ihm günstige Zeitpunkt sei gekommen. Er eilte nach Sachsen, beschuldigte Sobislav, ihm die Herzogswürde entrissen zu haben, die ihm als dem ältesten der böhmischen Fürsten gebühre, die ihm von Wladislav zugesagt sei, und die von den meisten Großen des Landes, wenn nur ein Beistand von Außen ihm die Rückkehr sichere, ihm lieber als dem Eindringling und Usurpator zuerkannt werden möchte 3).

 

1) S. Theil I, S. 88.

2) Vita Vip., cap. IV, §. 27 und 28. Wratislav hatte seine Tochter an den König von Ungarn oder Rußland vermählen und ihr alsdann große Besitzungen mitgeben wollen. (Borivoi filius) ut ei (Wiperto) filiam jam adultam collocaret consuluit multo sibi commodius fore ad suae defensionem regionis afferens, quam si Russorum vel Ungarorum Regi eam sociaret. -- §. 28. Provinciae vero illius partem, quam rex in dotem filiae suae delegaverat, accipere recusavit (scilicet Wigbertus) sed extra hanc pagos duos Nisen scilicet et Budesin pro hac exigens impetravit. Daß beide Gaue Theile und Grenzgebiete von Lausitz und Böhmen ausmachten, s. bei Schwarz, Appendix ad Petri Albin. geneal. Com. Leisnic. Mencken III, p. 964.

3) Supplem. Anonymi ad Cosmae Chron. Boem. Menck. III, p. 1800. Nacta loci temporisque opportunitate causam sui itineris coram omnibus exposuit, Sobezlaum scilicet Ducem Boëmiam furtivis intrasse vestigiis et principalem thronum sibi hereditario jure debitum (insofern das Alter, nicht der Grad der Verwandschaft als Norm galt) et ab omnibus Boëmiae primatibus designatum et sacramento confirmatum occupasse per violentiam.

 

 

_____

44 Erster Abschnitt.

 

Diese Aussichten hatte Otto gewiß schon den sächsischen Fürsten eröffnet, ehe der König Lothar in seine Heimat zurückkehrte 1), und mit Jubel und Stolz von seinen Landsleuten begrüßt wurde. Otto setzte Alles daran, auch ihn für sich zu gewinnen, und da er auf den Beistand Derer rechnen konnte, welche bisher sich enge an Lothar angeschlossen hatten, so hoffte er seine Absicht zu erreichen. Allerdings mußte er bei der Schilderung der inneren böhmischen Verhältnisse den Mund etwas voll nehmen. Er sprach von der Ergebenheit der meisten Großen gegen ihn, die nur auf sein Erscheinen warteten, von der Leichtigkeit, mit welcher man von Sachsen aus in Böhmen eindringen könne, von der Ungerechtigkeit und Arglist, wodurch Sobislav seinen Bruder auf dem Todbette zur Abtretung der Würde, die bereits ihm, Otto, zugesprochen gewesen sei, bewogen habe, und vornehmlich von der ungeziemenden Besitznahme einer Herrschaft, die nur von dem Könige der Deutschen rechtmäßig und altherkömmlich verliehen werden dürfe.

 

Diesen Vorstellungen und dem Dringen der sächsischen Fürsten hatte Lothar um so weniger Grund sich abgeneigt zu zeigen, als er den engern Anschluß Böhmens an das Reich für eines der ersten Vorhaben, die während seiner Regierung ausgeführt werden mußten, ansah. Ob Otto oder Sobislav Herzog in Böhmen sei, konnte ihm im Grunde gleich sein, aber der nur durfte es bleiben, welcher die deutsche Oberhoheit und das Recht des Königs, Böhmen wie die andern Herzogthümer als ein Reichslehn durch förmlichen Belehnungsakt an einen Fürsten zu ertheilen, anerkannte. Sobislav hatte noch keinen Beweis seiner Ergebenheit gegeben, noch keine Theilnahme für das Reich und den neuen Beherrscher desselben bewiesen,

 

1) Anonym. Chron. Boëm. a. a. O. hat nur succedente anno Dux praetitulatus Otto ultra modum anxiatus, quia spei suae voto fuerat frustratus optimum fore ratus consilium, sed minus caute sibi providens in futurum, accelerat viam cum suis ad Regem Lotharium et ad totius Saxoniae Principes. Der letzte Zusatz spricht wenigstens dafür, daß er die Fürsten noch insbesondere für sich zu gewinnen suchte, und das mochte wol vor Lothar's Ankunft oder doch vor dem Hoftage in Goslar geschehen sein. Der Anon. sagt dies ausdrücklich, setzt es aber nach dem Hoftag: Interim callidus immo providus nimium Dux singulatim quemque ex Saxoniae Optimatibus convenire satagit dona infinita et ut dicitur aureos montes promittit, quatenus omnium animos ad ferendum praesidium potuisset habere promptissimos.

 

 

____

45 Ursachen des böhmischen Feldzuges.

 

und wie ein fremder Fürst sich gleichgültig oder mindestens fahrlässig in den wichtigsten Reichsangelegenheiten gezeigt. Weder war er zu Mainz unter den Wahlfürsten erschienen, noch hatte er zu den Hoftagen und Festlichkeiten in Aachen, Köln, Regensburg, Straßburg einen Gesandten geschickt, um den neuerwählten König zu begrüßen und von ihm die Bestätigung seiner gleichfalls nur vor Kurzem erhaltenen Herzogswürde einzuholen. Und daß er selbst jetzt zu Goslar, wo er seinen Nebenbuhler anwesend wußte, auf keine Weise sein Anrecht an Böhmen erhärtete, die Gunst und Freundschaft Lothar's, ja die erfoderliche Bestätigung nachsuchte, konnte vom Könige und den Reichsfürsten als Geringschätzung, als Verstoß gegen die Oberhoheitsrechte angesehen werden. Otto dagegen erkannte nicht nur die kaiserliche Majestät als den Gipfel aller Hoheit an, sondern versprach auch in Allem Unterwerfung unter deren Befehle und Entscheidung 1). Der König drückte ganz unumwunden seine Stellung zu Böhmen und seine Foderung an diese Provinz des Reiches aus: „Das Herzogthum Böhmen, wie wir von unseren Vorfahren wissen, hat zu allen Zeiten unter dem römisch-deutschen Kaiser gestanden, und niemals war es gestattet, die Wahl oder Erhebung eines Herzogs in jenem Lande vorzunehmen, ohne daß der Kaiser kraft seines Ansehens ihn bezeichnete und bestätigte. Wer daher gegen dies Reichsgesetz sich aufzulehnen wagt, hat offenbar unsere Majestät beleidigt, uns und das Reich gering geachtet, was auf keine Weise ungeahndet bleiben darf 2).“

 

Wie eifrig sich aber auch die sächsischen Fürsten in Worten gezeigt hatten, wie sie den Vorstellungen, Versprechungen und Bestechungen Otto's Eingang gestattet und dem König in seinen Ansichten und Plänen Vorschub gethan, bei den Rüstungen zum Feldzuge wurden sie lässig und brachten nur eine ungenügende Heeresmacht zusammen, da doch schon um ihrer und der Reichsehre willen, abgesehen von des Königs heilsamer Politik und dem wünschenswerthen Erfolg bei dem ersten Kriege des von ihnen vornehmlich

 

1) Die Worte des Anonymus a. a. O. mögen nicht autentisch sein, doch ist gewiß der Inhalt Dessen, was Otto aussprach aufgefaßt. Er schließt seine Rede an Lothar: Scimus equidem nos vestrae majestatis imperiis in omnibus subjacere debere, ideoque nihilominus justitiae rationem nobis ex vestra dignatione non esse denegandam.

2) Anon. a. a. O. Der Schluß sagt noch mehr: Nec tibi (Ottoni) soli, sed etiam nobis totique regno contumeliam non modicam esse irrogatam, quod minime aequanimiter ferendum est.

 

 

____

46 Erster Abschnitt

 

zum Throne gerufenen Herrschers, die ganze Kraft der Nation hätte aufgeboten werden müssen. Eile erheischte freilich der Feldzug, da um Pfingsten die Heerfahrt gegen den widerspenstigen Friedrich von Schwaben festgesetzt war; aber den Versicherungen Otto's, daß bei dem Erscheinen des Königs und der Deutschen die Mehrzahl der böhmischen Großen zu ihm eilen und das Land ohne Widerstand sich unterwerfen werde 1), hätte man nicht so leichtgläubig sich hingeben sollen. Vielleicht aber sind die Nachrichten über das ganze Unternehmen und über Lothar's wahre Absicht nicht zuverlässig, in jedem Fall darf den Berichten der böhmischen Schriftsteller nicht voller Glaube geschenkt werden, und die deutschen verbreiten zu wenig Licht, um als Führer zu dienen, der Abweichungen nicht einmal zu gedenken, daß jene das deutsche Heer ein starkes nennen, während diese es auf die geringe Zahl von 3000 Rittern und 200 Leichtbewaffneten beschränken 2).

 

Ebenso wenig als von Lothar's ehrenwerthem Charakter sich annehmen läßt, daß er durch Geldsummen, die ihm Otto für die Herzogswürde versprochen, - obschon dies unter Heinrich V. ganz in der Ordnung gewesen war - sich zu dem böhmischen Feldzuge habe gewinnen lassen 3), so wenig stimmt es auch mit Lothar's sonst so großer Besonnenheit überein, daß er einen fast abenteuerlichen Zug unternommen, um einen ihm in keiner Beziehung nahestehenden

 

1) Anon., p. 1801 berichtet von Otto noch auf dem Zuge, der nicht nur durch die beschwerlichen Wege, mit Schnee und Eis bedeckt, durch Gebirge und Schluchten, sondern durch die herannahende Macht der weit überlegenen Feinde gefahrvoll war. Dux siquidem Regi omnem spondebat securitatem, eo quod omnes sublimiores Boëmiae fidei suae firmam ei fecissent sponsionem nec dicebat armis opus esse, sed magis, qui vellent cum falconibus et accipitribus terram ingredi absque ullo offendiculo possent.

2) Außer Anon. a. a. O., Alb. Stad. ad 1126: Regem Lotharium cum valida manu Saxonum Boëmicis appropriare terminis, dagegen Ann. Saxo, der Hauptschriftsteller für Lothar's Regierung, ad 1126, sagt: Rex Luiderus rapta acie admodum parva in Boëmiam - - tendit, incaute quidem; tria enim millia non plus secum assumpsit, hostium vero viginti millia aut amplius erant. Ducenti vero expeditiores Regem praecedebant ad praecidendas indagines silvae, quam Boëmiam a Saxonia disterminat, dispositi.

3) Was nicht einmal die böhmischen Schriftsteller berichteten, scheut sich nicht der Lobredner der Hohenstaufen so darzustellen, daß es auf Lothar den Schein der Bestechlichkeit wirft: Otto Fris. de gest. Frid. I., lib. I, cap. 20: Otto Moraviae comes Ducatum Boemiae affectans Principem adiit, eique magnam pecuniam promittens ad hoc, ut Boemiam secum intraret, ibique cum Ducem crearet inclinavit.

 

 

____

47 Der böhmische Feldzug.

 

Mann, der früher ihm feindlich begegnet war und nun nichts als leere Versprechungen bieten und eitle Hoffnungen machen konnte, ein Reichslehn zu erkämpfen. Das ganze Ereigniß gewinnt aber ein anderes Ansehen, wenn wir den höchst wahrscheinlichen Hergang nach einigen mehr zuverlässigen Nachrichten und vor Allem aus seinem Ausgange zu erklären versuchen. Nach jenen hatte der König keineswegs den Bitten und Vorstellungen Otto's allein Gehör gegeben, sondern von dem höhern Standpunkte als Oberlehnsherr auch über das böhmische Herzogthum den Streit der Vettern betrachtend, beim Antritte seiner Regierung, ehe er nach Sachsen kam, beide vor seinen Schiedsrichterstuhl geladen, und den Herzog Sobislav, weit entfernt ihn mit Krieg zu bedrohen, freundlich zu einer Nachweisung seiner Ansprüche aufgefodert. Statt des Friedens hatte dieser aber sogleich eine feindliche, mindestens trotzige Gesinnung gezeigt, sei es nun, weil er auf seine Macht vertraute, oder weil er seines Nebenbuhlers Ansprüche bei den deutschen Fürsten, und durch diese beim Kaiser mehr anerkannt wußte als die seinen 1). Genügend war die Lehnspflicht nur erfüllt, wenn der Böhmenherzog, wie die deutschen Fürsten in Mainz gethan hatten, seinen Lehnseid vor ihm ablegte und aus des Königs Hand die Insignien seiner Würde entgegennahm. Mehr hat Lothar auch nach den Angaben der böhmischen Schriftsteller nicht gefodert, und nach ebenderselben Zeugniß hat endlich Sobislav dieser Pflicht genügt 2). Sollte dieser aber wol nach einem angeblich glänzend erfochtenen Siege über die Deutschen dem Könige, wenn dieser von ihm rettungslos eingeschlossen gewesen wäre, bewilligt haben, was er vorher

 

1) Die Annal. Bosov. und Chron. Samp. schon ad 1125. Otto - interpellando adiit conquerens se Ducatu Bohemiae velut hereditaria dignitate injuste privatum. Rex Utalrico (so nennen mehre deutsche Schriftsteller den Herzog Sobislav) Boemorum tunc temporis Duci prius datis judicio Principum induciis, quas idem contemserat, (Hierunter sind doch wol Verhandlungen friedlicher Art, Vorladung unter Vorbehalt der königlichen Entscheidung zu verstehen.) publice bellum indicit. - Daß schon, bevor Lothar nach Sachsen kam, die böhmische Streitfrage zur Sprache gekommen, zeigt Otto's von Freis. Bericht, der nach Angabe des Gesuchs, welches Otto von Mähren an den Kaiser brachte, fortfährt: Quod Ulricus - impedire volens, nullo principem (Lotharium) obsequio accepto revocare potuit. Igitur Rex Saxoniam intrans militem instaurat etc.

2) S. Anon. a. a. O. Nur Otto v. Freis. sucht den Schein zu erwecken, als ob Lothar Unbilliges gefodert hätte, wagt es aber nicht näher zu bezeichnen, und gesteht später doch selber ein, daß des Königs Foderungen von Sobislav erfüllt worden seien.

 

 

____

48 Erster Abschnitt.

 

trotzig verweigert hatte? Ist dies nicht wol anzunehmen, so kann die Niederlage, die Lothar erlitten, nicht so bedeutend gewesen sein, als die böhmischen Schriftsteller berichten, und einige deutschen, von ihnen verleitet oder aus leicht erklärbarer Abneigung gegen den König uns glauben machen wollen. Kurz, das Resultat des Feldzuges hat Lothar's Ehre gerettet, und die spätere ununterbrochene Freundschaft zwischen ihm und dem Herzog Sobislav ist der beste Beweis, daß das Unternehmen kein unbesonnenes, erfolgloses genannt werden darf. Setzt man die Ruhmredigkeit in den böhmischen Berichten bei Seite, so zeigen die Kriegsvorfälle den König zwar in gefährlicher Lage, doch auch nach dem Verlust angesehener Fürsten keineswegs der Gnade des Siegers preisgegeben, vielmehr diesen gehorsam, unterwürfig und treu in Erfüllung seiner Lehnspflichten.

 

Bis Chlumetz 1) im königsgrätzer Kreise war das sächsische Heer (Mitte Februar) vorgedrungen, als es bei der Tiefe des Schnees die rechten Wege verlor und in Gebirgsschluchten gerieth, wo außer der Mühseligkeit des Marsches noch Mangel an Lebensmittel die Krieger ermattete 2). Ueberdies hatte man sich durch die Unvorsichtigkeit, Unkenntniß oder sonstige Schuld der vorausgeschickten Kundschafter dem feindlichen Lager, das unangreifbar zwischen Waldungen und steilen Bergwänden über einem Bache aufgeschlagen war 3), ohne es zu wissen, genähert. Der Vortrab wurde in einem Hohlwege

 

1) Anon. a. a. O.: (Dux) festinavit ei occurrere ad castrum, quod Hlumecz dicitur. S. Palacki, Geschichte von Böhmen, Thl. I, S. 397, bezeichnet den Ort im culmer Thale, was vielleicht auch das richtigste ist.

2) Otto Fris. a. a. O.: Rex cum suis propter nimietaten nivium a recta via exorbitans ac per devia sylvarum aberrans ad praedictum amnem (wo die Böhmen standen) forte venit, suis viae labore nimio et inedia exhaustis quiescere volentibus. Barbari turbatum cernentes amnem hostes in proximo esse praesentiunt.

3) Otto Fris. und Anon. a. a. O. Letzterer mahlt die Vorfälle sehr aus. Nach ihm läßt Sobislav dem Könige sagen: Discretionem tuam scire convenit, quod electio Ducis Boemiae sicut ab antecessoribus nostris accepimus nunquam in Imperatoris, semper autem in Boemiae Principum constitit arbitrio, in tua vero potestate electionis sola confirmatio. Sine causa novae legis jugo nos constringere conaris etc. Visa sunt autem haec dicta Regi et omni exercitui ejus quasi deliramenta. Darauf folgen die Pralereien Otto's, die um so lächerlicher erscheinen, als die Deutschen die Beschwerlichkeiten des Zuges bereits kennen gelernt hatten, und wahrlich ihn keiner Beize gleich fanden. Doch die Parteilichkeit der böhmischen Schriftsteller ist nicht zu verwundern. Den Deutschen, zumal Otto v. Freis, ist hier der Vorwurf nicht zu machen.

 

 

____

49 Der böhmische Feldzug.

 

überfallen, und Viele fanden nach sehr tapfrem Widerstande ihren Tod oder geriethen in die Gefangenschaft der Böhmen; unter erstern befanden sich der Bischof Arnold von Merseburg, die Grafen Milo von Ammersleben, Gebhard von Querfurth, des Königs Vetter, Berengar von Quinstedt, Berthold von Achem, Walter von Arnstedt und viele Andere; unter den Gefangenen war der vornehmste und für den Böhmenherzog der wichtigste Markgraf Albrecht, dermaliger Inhaber der Lausitz und der groitscher Lehn- und Erbgüter. Der ganze Verlust der Deutschen wird auf 270 edle und kriegserfahrene Männer angegeben, die, ihres früheren Ruhmes eingedenk, weder durch Flucht noch durch Ergebung sich beschimpfen wollten, und so fallend den Platz deckten, den sie lebend vertheidigt hatten, nachdem ihr Tod mit dem manches Feindes theuer erkauft war 1).

 

Eines aber war entscheidend, daß auch Otto von Mähren in diesem Treffen (am 18. Februar) seinen Tod gefunden hatte. Als die Kunde von dem Unglück seines Vortrabes zu Lothar's Ohren kam, mochte allerdings Schmerz und Zorn seine Seele erfassen und er zum Aeußersten entschlossen sein, um so vieler Theuren Tod zu rächen oder den seinen im Kampfe zu suchen. Bald aber gewann die ruhige Ueberlegung, daß er sein Leben für des Reiches Wohl erhalten müsse, die Oberhand über stürmische Gefühle. Die Ursache der Niederlage blieb ihm nicht unbekannt. In der engen Waldschlucht hatten die Deutschen den von den Höhen herabschleudernden Böhmen ihre bessere Kriegserfahrenheit nicht zeigen und nutzen können, und da sie überdies, von der Nähe des Feindes nicht unterrichtet, der Sorglosigkeit sich hingegeben, und ein Theil sogar, um den beschwerlichen Weg durch den Schnee zu erleichtern Waffen und Panzer abgelegt, so war ihr Verderben Folge ihrer nachtheiligen Stellung und Unbedachtsamkeit 2). Um diesen Fehler zu vermeiden, zog sich der König mit dem Hauptheere auf eine Anhöhe und beobachtete

 

1) Ann. Saxo, Alb. Stad., Chron. Samp. ad 1126. Otto Fris. a. a. O. Der Anon. übertreibt: ibi plurimi Saxoniae Optimates prostrati sunt, et vix quisquam elabi potuit, nisi forte qui ad sarcinas tuendas eminus vel circa latus Regis constiterant. Chron. Mont. Ser. ad 1126: Ubi Arnoldus Merseburgensis Ep. occisus est. Chron Samp. nennt unter den Gefangenen außer Markg. Albrecht noch Ludwigum Comitem de Lare. Den Tag geben Anon. und Chron. Samp. XII. Kal. Martii. Alb. Stad. XI. Kal.

2) Die beste Schilderung bei Otto Fris. a. a. O.: Ex improviso supervenientes Saxones, qui in prima acie erant, jam per nives de ambulando fatigatos invadunt, ac paucis per fugam elapsis, quibusdam captis, caeteros crudeliter occidunt.

II. 4

 

 

____

50 Erster Abschnitt

 

eine ruhige, aber feste Stellung, in welcher ihn der Feind weder angreifen noch umgehen konnte 1). Jetzt zeigte sich abermals seine oft bewährte Kriegserfahrenheit, die Unerschrockenheit, auch einem überlegenen Feinde gegenüber, wie einst in den Feldzügen gegen die Slaven, wie bei der Heimburg wider die verbündeten sächsischen Fürsten, wie in Holland gegen den Kaiser, in Meißen gegen Wiprecht, den Erzbischof Adalbert und diese Böhmen, die nun seinen Untergang oder doch seine schmachvolle Gefangennehmung erwarteten. Sie lagerten sich am Fuße des Berges, dessen Höhen die Deutschen besetzt hielten, glaubten durch aufgeworfene Baumstämme jeden Ausweg ihnen zu verrammen, und hofften, daß die Eingeschlossenen bald sich ergeben würden. Als Sobislav aber die Unerschrockenheit und die unangreifbare Stellung des Feindes erkannte, als ihm der Entschluß Lothar's, lieber Alles zu wagen als schimpflich sich zu ergeben, und die Vorbereitungen zu einem letzten verzweifelten Kampfe aus den Bewegungen im Lager der Deutschen sichtbar wurden 2), hielt er für gerathen, den gereizten Gegner durch Unterhandlungen zu besänftigen, um nicht den errungenen Lorbeer wieder zu verlieren, und der Rache des Königs sich in Zukunft auszusetzen, wenn derselbe den Rückweg sich bahnte und mit einem neuen Heere nach Böhmen zöge. Ließ sich doch jetzt ein Vertrag vortheilhafter abschließen als je. Konnte er doch jetzt den König zur Anerkennung seiner Herzogswürde bereit erwarten, da kein Nebenbuhler mehr, der ihn bedrohe und den deutschen Oberlehnsherrn zu Erfüllung eines gegebenen Versprechens verbinde, für einen von beiden Theilen hindernd im Wege stand; durfte er nun doch mit der Auslieferung der gefangenen Fürsten einen Preis für jene Würde anbieten, die Lothar füglich nicht zurückweisen durfte, da schon der Schmerz über so viele gefallene Edle die Herzen der Sachsen daheim betrüben mußte, denen nur in der Auslösung der Gefangenen einiger Trost gewährt werden konnte.

 

Wo Gewinn und Verlust auf beiden Seiten so ernst zu erwägen

 

1) Otto Fris. a. a. O.: Videns hoc Princeps suisque ex angustia viarum nullum praesidium ferre valens, saevissima mentis amaritudine perculsus, rerum tamen, quas ab adolescentia gesserat, ac antiquae virtutis memoria quasi coelesti rore repletus in collem quendam cum paucis, quos adhuc residuos habebat, se recepit.

2) Zu dem Angeführten aus Otto von Freisigen höre man noch Ann. Saxo's Worte: Rex acrior in hostem concitatus et ut leo efferatus pugnae se praeparat, omnia experiri malens quam turpi fuga sibique insolita vitae consulere.

 

 

_____

51 Der böhmische Feldzug.

 

waren, wo der König und der Herzog Vieles bieten und doch bei der Entscheidung durchs Schwert leicht Alles aufs Spiel setzen konnten, fand Verständigung, zumal unter zwei besonnenen Männern, leichten Eingang 1). Ueberdies befand sich im Heere des Königs ein sehr geeigneter Vermittler, der zugleich einem Verwandten sich gefällig und dem Manne sich dienstfertig, ja in jetziger Lage unentbehrlich machen konnte, von dem er die Wiederherstellung seiner fast vernichteten Hausmacht allein zu erwarten hatte. Es war dies Heinrich, der Sohn Wiprecht's von Groitsch, der Neffe Sobislav's 2). Hatte doch die traurige Lage dieses jungen Fürsten zu dem Zerwürfniß, zu der Feindschaft des Böhmenherzogs mit Lothar unfehlbar mitgewirkt. Weder dem Neffen noch dem Oheim, die wol ungern sich feindlich gegenüberstanden und zwar zu einem Kampf auf Tod und Leben, konnte es entgehen, daß die Gelegenheit, die Ehre des groitscher Hauses herzustellen, nie günstiger als jetzt geboten wäre. Der Haupturheber seines herabgekommenen Glanzes, Albrecht von Wallenstedt, mußte für seine Befreiung aus böhmischer Gefangenschaft ein Opfer bringen. Der König war schon wegen der geleisteten Heeresfolge nicht nur versöhnt, sondern ihm auch verpflichtet, und jetzt, wo dieser seine Vermittelung anbot, oder doch dazu sich geneigt erwies, konnte die Rückgabe der entrissenen Güter und Lehen an den Erben Wiprecht's ein bedeutender Schritt zur Versöhnung zwischen Lothar und Sobislav werden. Nur auf Kosten Dessen, der seine Freiheit nun einmal nicht billig zu erkaufen hatte, schien eine Annäherung möglich, die dann zu einer Verständigung über den Hauptstreitpunkt, die böhmische Herzogswürde, führen konnte. Was

 

1) Wer die Unterhandlungen begonnen, darüber weichen natürlich die deutschen und böhmischen Berichte von einander ab, weil jeder Nationalschriftsteller seinem Volke und seinem Fürsten den Triumph kühnen Trotzes beimessen möchte. Anon. a. a. O.: Peracta illa die tam miserabili caede dirigit Rex nuntios pro Sobezlav Duce mandans et rogans, ut veniat ad se. Qui nibil adversi veritus assumptis secum paucis ex Primatibus Regem adiit. Dagegen Ann. Saxo ad 1126: Dux autem Sobezlaus audita Regis constantia de adversis casibus nil tremefacti expavit supplicesque ad Regem legatos destinavit. Wenn Palacki, Gesch. von Böhmen, S. 399 den Ann. Saxo den lügenhaftesten nennt, vergißt er, daß die böhmischen Schriftsteller ihrerseits ebenso, wenn nicht ärger, übertreiben. Wir halten uns nicht an die Worte der Chronisten, die nie zu vereinigen sind, sondern an das Resultat. Mag die Unterhandlungen angefangen haben, wer da wolle, sie fanden bei dem anderen Theile ein geneigtes Ohr.

2) Otto Fris. a. a. O.: Tandem Henrico Saxoniae Marchione, qui de sorore Ducis natus, cum Rege advenerat, mediante, ad pedes Imperatoris satisfactionem offereus etc.

4*

 

____

52 Erster Abschnitt.

 

stand dem dann noch entgegen? War doch Otto von Mähren nicht mehr unter den Lebenden, Sobislav nun durchaus Der, welcher allein gerechte Ansprüche erheben durfte, und Lothar, ohne Willkür zu üben, unter Vorbehalt der Oberhoheitsrechte, verpflichtet, ihm die Würde zuzuerkennen. Wenn der König dies auch völlig erkannte und keine Weigerung machte, so war er doch weit entfernt, sich den Frieden mit Sobislav durch ungebürliche Beraubung Albrecht's, eines Mannes, der ihm einst so wesentliche Dienste geleistet und mit seinem Willen die Mark Lausitz eingenommen hatte, zu erkaufen. Auf durchaus ehrenvolle Weise, ohne alle seinem Ansehen, seiner Ehre, seinem Charakter nachtheilige Bedingungen einen Vergleich zu schließen, an Sobislav zu geben und von ihm zu empfangen, was das Lehnsverhältniß, in welchem beide standen, gestattete, war er allein bereit, und der Herzog wagte keine andere Foderungen zu stellen. Der Auffoderung vor dem Könige zu erscheinen, leistete er ungesäumt Folge 1), gelobte in ehrerbietigen Ausdrücken den schuldigen Gehorsam und erhielt dagegen knieend die nachgesuchte Verzeihung und die Gnade, des Königs 2). Gleich den deutschen Reichsfürsten in Mainz übergab er die Herzogsinsignien, und empsing sie dann als Zeichen der Belehnung zurück, schwur den Eid der Treue und der schuldigen Dienstpflicht und versprach die Auslieferung der Gefangenen ohne Lösegeld, worauf beide Männer, die so eben zu einer verzweifelten Schlacht sich rüsten wollten, nicht nur versöhnt, sondern als Freunde schieden, die von einander des Besten gewärtig waren. Wenn Lothar die Dienste Heinrich's von Groitsch nun mit Rückgabe der einst von Wiprecht rechtlich besessenen Erb- und Lehngüter - nicht der Mark Lausitz - lohnte, so war dies seinerseits

 

1) Das meldet selbst Anon, a. a. O. und legt ihm dann eine Rede unter, die jedenfalls von großer Mäßigung zeigt: Non nostrae temeritatis insolentia nos, Optime Rex, ad tuas impulit injurias, non superba nos praesumptio ad effusionem sanguinis tuorum commovit Percerum, nullum sane damnum vel dedecus tuae Majestati moliti fuimus, sed sicut saepius ante tibi per legatos nostros innotuimus, novae legis jugo, quod nec patres nostri portare potuerunt, nostras cervices subdere noluimus et ecce divinum judicium utriusque nostrum justitiae manifestum dedit indicium et indebitae dissensionis omnemque utrarumque partium ademit occasionem.

2) Otto Fris. a. a. O.: Ad pedes Imperatoris satisfactionem offerens humiliter Dux venit. Ann. Saxo ad 1126: Tandem adductus coram Rege prosternitur veniamque deprecatur. Natürlich mildert dies Anon. a. a. O.: Datis invicem osculis Dux Sobizlaus cum maxima gloria et honore suorumque ingenti tripudio ad dulcem suam rediens metropolim.

 

____

53 Der böhmische Feldzug.

 

ein ganz freier Schritt, der ihn ebenso ehrte als er billig war, und Albrecht von Ballenstedt brachte dies Opfer für seine Freiheit nicht dem Herzog Sobislav, sondern dem König Lothar, wie schmerzlich der Verlust für ihn auch sein mochte 1).

 

Mag man den wechselseitigen Verhältnissen oder der Persönlichkeit beider Fürsten oder geschickten Unterhändlern den versöhnlichen Ausgang des Kampfes beilegen, genug der Ehre Keines war Eintrag gethan, und Lothar kehrte wol betrübt über den Tod wackerer Helden, die das unvermeidliche Schlachtengeschick unwiederbringlich entrissen, nach Sachsen zurück 2), aber gedemüthigt, an Macht und Ansehen verkürzt, war er keineswegs, vielmehr der Hoffnung voll, daß er in Sobislav einen ehrenwerthen und kräftigen Helfer in den ihm bevorstehenden Kämpfen finden werde 3) Stärker freilich mußte

 

1) Daß Albrecht im meißenschen Erbfolgekriege auch die Hausgüter des goseker Hauses nicht verschonte, ist kaum zu bezweifeln. Cosmas ad 1124 sagt: Post obitum patris sui (Wigberti) puer (Henricus) atrociter ab inimicis undique coarctabatur. Doch erscheint er bald unter den angesehensten Landesfürsten, und als er 1131 die Lausitz erhielt, war er mächtiger als sein Vater. Daß seine Dienste im böhmischen Kriege vom Könige unbelohnt gelassen und daß Albrecht für seine Freilassung kein Opfer gebracht, ist kaum zu glauben. Die Rückgabe aller noch von Albrecht zurückgehaltenen Ländereien, die einst Wiprecht vom Kaiser, Geistlichen und durch Schwert und Erbschaft erlangt, ist wol bei dieser Gelegenheit erfolgt. Bei den Chronisten ist immer nur von der Lausitz die Rede, weil dies der Zankapfel beider Fürsten war. In Betreff Sobislav's höre man die deutschen und böhmischen Berichte. Otto Fris.: Hominium sibi cum sacramento fidelitatis exhibens Ducatum ab eo suscepit, captivos reddidit. Ann. Saxo: Regis gratia vix impetrata homo regis efficitur, a-modo se regi subditum et fidelem fore juramento confirmat, captivos reddere repromittit, provinciam in beneficium accipit et dolorem regis, qui pro clade exercitus acciderat, magnae humilitatis subjectione temperavit. Alb. Stad. fügt hinzu: indulta in ipso exercitata injuria. Die Hauptsache, daß Sobislav nicht der Erhebung seiner Großen, sondern der Belehnung des Königs seine Herzogswürde verdankte, gesteht auch Anon. ein: Tradidit (Rex) ei per manum insigne Ducatus vexillum.

2) Ann. Saxo: His actis admodum tristis super fortissimorum militum interitu regreditur.

3) Wenn wir den Ausgang und Erfolg des Feldzuges betrachten, und die Uebertreibung der böhmischen Schriftsteller von der Niederlage Lothar's mit der letzten Entscheidung des Krieges im Widerspruche finden, so können wir des Königs Unternehmen weder ein unbedachtes, noch ein erfolgloses nennen. Nur der Nationalhaß und die Parteilichkeit der Schriftsteller haben es dazu gemacht, wobei Letztern einiger Grund in der langanhaltenden Verwünschung des böhmischen Namens bei den Sachsen gegeben wurde. In politischer Rücksicht ist die Heerfahrt gegen Böhmen ganz anders zu würdigen, und die Fakta, soweit sie sich klar herausstellen, sprechen gewiß für die von uns aufgestellte Behauptung.

 

 

____

54 Erster Abschnitt.

 

der Eindruck sein, den der Verlust vieler Hohen und Niederen auf die sächsische Nation machte, und den schon vorhandenen Nationalhaß gegen die Böhmen steigern. Weil noch in spätern Zeiten das Rachegefühl fortlebte und jede Gelegenheit wahrnahm, um sich Luft zu machen, so ist erklärlich, daß das Unglück der bei Chlumetz Ueberfallenen, da sie Schmerz und Haß so tief aufregte, später das Ansehen einer sehr verderblichen Niederlage und somit der ganze Feldzug Lothar's den Vorwurf eines unbesonnenen, mindestens fruchtlosen Unternehmens erhielt, zumal da die Böhmen jener Schlacht wie eines glänzenden Sieges sich rühmten. Die später geleisteten Dienste Sobislav's waren schon wegen der sie begleitenden wilden Raub- und Plünderungssucht kein Gegenstand dankbarer Anerkennung. Die Lothar feindlich gesinnten oder zum Ruhm der Hohenstaufen schreibenden Chronisten machten dem Könige den Vorwurf, daß seine Macht zu klein und die Jahreszeit übel gewählt gewesen, ohne zu bedenken, daß die Verhältnisse in Deutschland und die erfoderliche Eile es nicht anders gestatteten.

 

Da Lothar vor dem böhmischen Feldzuge nur kurze Zeit in Sachsen verweilt hatte, so fand er hier noch mancherlei zu ordnen und zu entscheiden, ehe er nach den Rheingegenden sich wenden konnte, wo jeder Kaiser die Angelegenheiten des Reichs vorzugsweise zu betreiben für nöthig erachtete, wie vielmehr einer, der fern vom Rheine seine Hausmacht besaß und nur durch sein öfteres Erscheinen und seine umsichtige Thätigkeit die Fürsten in den Schranken geziemender und dem Ganzen wohlthätiger Kraftausübung, die Städte in fester Treue, die Völker in schuldiger Ehrerbietung und Erfüllung der Unterthanenpflichten erhalten konnte. Um alles dieses in rechter Weise auszuüben, mußte Lothar die heimatlichen Verhältnisse wohlgeregelt und in besten Händen gesichert zurücklassen. Auf die Zuneigung der Nation durfte er rechnen, auch selbst in der Betrübniß über die in Böhmen Gefallenen, da er das gleiche Gefühl theilte; die Anhänglichkeit der Fürsten mußte eher zu- als abnehmen, da dieselben dadurch, daß Lothar die Krone angenommen, statt der früheren Feindseligkeit und Hintansetzung von Seiten des Reichsoberhauptes nun Bevorzugung, langentbehrten Nationalruhm, Herstellung und Dauer eines wohlthätigen Landfriedens zu erwarten hatten. Zwei der mächtigsten Fürsten, Konrad von Meißen und Albrecht von der Lausitz verdankten ihm eine erhöhte Macht und Würde, und Letzterer hatte erfahren, daß selbst in bedrängter Lage Lothar ihm nicht entziehen wollte, was er ihm früher zugewendet hatte. Dankbarkeit wie Klugheit erheischten von Albrecht einen engen Anschluß

 

 

____

55 Sachsen.

 

an die Interessen des Königs, durch deren Aufgeben er dem Erben des groitscher Hauses, der Lothar einen großen, ja einen großmüthigen Dienst erwiesen, die Wiedererlangung der Mark Lausitz, die Heinrich nicht verschmerzen konnte, allein möglich machte. Zu leugnen ist freilich nicht, daß auch Lothar durch Gründe der Politik bestimmt wurde, in Albrecht dem Sohne Otto's von Ballenstedt und der Eilika, Tochter des letzten Billunger Herzogs Magnus, ein Fürstengeschlecht sich zu versöhnen, welches die Ansprüche an das Herzogthum Sachsen noch keineswegs aufgegeben hatte. Daß Lothar nicht im Besitze eines der größten Reichslehen bleiben dürfe, es an einen Andern vergeben müsse, war eine Nothwendigkeit, der sich die beiden letzten fränkischen Kaiser selbst bei ihrem fast eigenmächtigen, willkürlichen Verfahren nicht hatten entziehen können, und an die gewiß nicht die Reichsfürsten unterließen, auch Lothar zu erinnern. Wol stand diesem die Wahl der Person, der er sein Herzogthum zur Verwaltung - wenn auch nur durch formelle Abtretung - überließ, frei, aber einen Fürsten des Landes damit zu belehnen, schien alter Brauch zu fodern, und Albrecht der Bär, der überdies sich ebenso tüchtig als anhänglich gezeigt, durfte hoffen, eine Würde zu erhalten, die seinem Vater durch Lothar zweimal vorenthalten worden war. So lange indeß der Trotz der Hohenstaufen den Thron Lothar's gefährdete, stand dieser mit Grund an, sein Herzogthum aus den Händen zu geben, um nicht allein von dem Beistande, dem guten Willen, wenn nicht gar der Laune und Willkür der Reichsstände abhängig zu werden, in Zeiten eines Kampfes, der jetzt unvermeidlich und bei der leichten Parteiung in Deutschland unberechenbar in seinem Ausgange erschien. Wer endlich konnte es Lothar verargen, wenn er sein Herzogthum seinem Hause insoweit zu erhalten bemüht war, daß er es in Ermangelung eines Sohnes wenigstens der einzigen Tochter übermachen, und so mit der Hand derselben ihrem künftigen Gemahl eine Macht zuwenden wollte, die sein eigenes Königthum stütze, die dem Schwiegersohne, Enkel und der ganzen weiblichen Descendenz seines Hauses die deutsche Krone zu erlangen möglich machte?

 

Wäre Lothar nur Herzog von Sachsen geblieben, so hätte er gewiß den Tochtermann unter den sächsischen Fürsten gesucht; seit er aber die schwerere Sorge für das Reich übernommen, mußte er, um seinem Regimente Festigkeit und überwiegende Macht zu geben, einen mächtigen Fürsten Deutschlands sich verbinden, und zwar des südlichen Deutschlands, weil dieses leicht seinem Scepter sich entziehen konnte, wie es Sachsen unter den letzten fränkischen Kaisern gethan

 

 

____

56 Erster Abschnitt.

 

hatte. Damit nun aber diese nothwendigen Rücksichten ihm nicht den wackeren, aber ehrgeizigen Albrecht entfremdeten, sicherte er demselben ein gewaltsam erworbenes Reichslehen, und die Umstände, unter denen er dies that, verpflichteten den Markgrafen zu Dankbarkeit und treuem Beistande in Allem, was Lothar in Sachsen anzuordnen und zu erlangen wünschte.

 

Wie durch Albrecht das ballenstedtische oder, wie es seit der Umwandlung von Schloß Ballenstedt in ein Benedictinerkloster hieß 1), das Anhaltische Haus von Lothar, den es leicht für seinen Verdränger halten konnte, gefesselt wurde, trat Konrad von Wettin, seit er mit Lothar's Beistand die Mark Meißen an sich gebracht, aus dem früher feindseligen Verhältniß zu dem Beschützer des jüngeren Heinrich von Eilenburg in eine enge und nie wieder gelöste Verbindung mit dem gleichen Manne, der nun sein Wohlthäter und der Gründer der damals schon ansehnlichen und später noch vergrößerten Macht der Wettiner geworden war. Von noch größerer Wichtigkeit für Lothar als Reichsoberhaupt war es, daß ein ihm stammverwandtes Haus, die Sommerschenburger, das Pfalzgrafenamt in Sachsen verwaltete. Der ältere Friedrich, der das Amt zuerst erhalten, war, wie wir gesehen 2), in dem Kampfe der sächsischen Fürsten gegen Heinrich V. gleich Lothar thätig gewesen, und diese Verbindung des Landesherzogs und Landespfalzgrafen war dem Kaiser besonders nachtheilig geworden. Selbst als Friedrich in seinen letzten Lebensjahren sich enger an Heinrich anschloß, als die meisten sächsischen Fürsten, ja als er von dem Bunde dieser sich ganz lossagte, wurde sein persönliches Verhältnis zu Lothar nicht gestört. Auch die in einander verschlungenen Erbgüter der Supplingenburger und Sommerschenburger veranlaßten keinen Zwist, da Lothar in seinem Herzogthume, Friedrich in seiner Pfalzgrafschaft so reiche und von einander geschiedene Lehen besaßen, daß die kleine Hausmacht Beider dagegen verschwand. Seit Lothar durch seine Gemahlin Richenza der begüterteste Fürst im Reiche geworden, lag an dem väterlichen Erbtheil ihm wenig, und gern trat er an den Stammverwandten Güter ab, die er minder hoch als jenes Freundschaft

 

1) Krantz Sax. lib. V, cap. 25: Erat Otto Comes de Ballenstede, pater Comitum de Anehold, tenuitque Soltwedel suo tempore, qui quum locum tituli sui consecraret in monasterium divi Benidicti, concessissetque ipse cum familia et omni domo in arcem Anehold, inde detrito et abolito priore titulum mutabat, quem usque hodie tenent ejus posteri.

2) S. Theil I, S. 111 ff.

 

 

____

57 Sachsen.

 

anschlug 1). Friedrich II., der seinem Vater in der Würde folgte, wurde durch den Tod Heinrich's V. bald der peinlichen Stellung zwischen dem Kaiser und den sächsischen Fürsten überhoben und zeigte sich, seit Lothar auf den Thron gelangte, ebenso sehr als dessen ergebener Anhänger, wie er das Vertrauen der meisten weltlichen und geistlichen Fürsten des Landes in einem ungewöhnlichen Grade besaß 2). An allen Angelegenheiten der Provinz nahm er mit dem Könige thätigen Antheil, saß mit ihm oder statt seiner im Land- und Reichsgericht und half Zwistigkeiten und Fehden durch friedliche Ausgleichung, oder, wenn es sein mußte, mit Waffengewalt und Strenge schlichten. Bei den Anordnungen des Königs im Jahre 1126 fand der Pfalzgraf gewiß vielfache Gelegenheit, seinen Diensteifer, seine Ergebenheit und seine amtliche Würde zu Gunsten Lothar's in Sachsen zu bewähren. Wie wenig es damals an Gewaltthätigkeiten und schädlicher Selbsthülfe unter den Großen fehlte, was doch der König und sein Vertreter nicht ungestraft hingehen lassen durfte, beweist folgendes Beispiel. Ein Graf Walo von Veckenstedt, dessen Vater gleiches Namens in den Zeiten des Bürgerkrieges unter Heinrich V. ansehnliche Besitzungen im Harzgau an sich gerissen und wie eine unabhängige Grafschaft beherrscht hatte, verstieß seine Gemahlin Gisela, eine Schwester des auf dem böhmischen Feldzuge gebliebenen Grafen Milo von Ammersleben, um sich mit Agnes, der Witwe des (1125) verstorbenen Pfalzgrafen Friedrich von Putelendorf, zu verbinden, vielleicht nur weil die Stammbesitzungen in dem gleichen Gau, die den unmündigen Kindern des Pfalzgrafen zukamen 3), dem Grafen Walo die Aussicht neuen Gewinns, wenn auch eines ungerechten

 

1) So Helmstadt und die Advokatie des St. Ludgeri-Klosters, S. Conring de antiquo statu Helmstadii. Helmstedt 1665, p. 145. Meibaum scrpt. rer. Germ. III, p. 248 u. 49. Das Ludger-Kloster, dereinst des Kaisers künftige Begräbnißstätte, lag nach Otto Fris, de gest. Friderici I. lib. I, cap. XXI in proprio (Lotharii) fundo. Vergl. über das im Text Gesagte meine Gesch. der Pfalzgr. von Sachsen §. 7 (in den neuen Mittheilungen des thüringisch-sächsischen Vereins, Bd. V, Heft 4, S 26 ff.)

2) In meiner angeführten Gesch. der Pfalzgr. von Sachsen habe ich gezeigt, wie er mit einer frommen Gesinnung und Zuneigung gegen die Kirche, die ihm die Advokatie vieler Stifter vertraute, kriegerischen Sinn und trotzigen Muth verband. Die Gleichheit der Grundsätze schloß zwei Männer, wie Lothar und Friedrich, enge aneinander, oder jene waren eine Folge dieses gemeinschaftlichen Zusammenhandelns. Wie der König im Reiche, benahm sich Friedrich in der Provinz Sachsen.

3) S. das Nähere und die Belege in meiner Gesch. der Pfalzgr. von Sachsen a. a. O, S. 31, Anm. 2.

 

 

____

58 Erster Abschnitt.

 

boten. Der verstoßenen Gemahlin nahm sich aber ihr Verwandter, Werner von Veltheim, ein Vasall Heinrich's von Stade, an und tödtete Walo, als derselbe mit geringem Gefolge zu einer Zusammenkunft mit Agnes nach dem Harze nahe am Bodeflusse sich begeben hatte; nur mit Lebensgefahr entfloh die Pfalzgräfin dem Rächer ehelicher Kränkung. Mit dem Tode von Vater und Sohn, die beide zu gerechter Büßung ihrer frevelhaften Handlungen ein gleiches Ende genommen, hörte die eigenmächtige Herrschaft der Grafen von Veckenstedt auf. Der Pfalzgraf Friedrich II. zerstörte noch deren Veste Derneburg, angeblich weil er seine Besitzungen durch dieselbe gefährdet sah, doch wahrscheinlich wol, da es sicher nicht ohne Mitwissen Lothar's geschah, weil jene Veste bisher der Willkür und Raubherrschaft der Grafen Walo zum Nachtheil des Landfriedens als ein Stützpunkt gedient hatte 1). Sonst erscheint Pfalzgraf Friedrich II. unter Lothar's Regierung nur bei friedlichen Verhandlungen, deren wir später noch erwähnen werden, und die einen Beweis für feine wohlthätige Einwirkung auf die Landesangelegenheiten, für seine angesehene und geachtete Stellung bei Hofe ablegen.

 

Wie die drei genannten Fürsten Sachsens waren auch die meisten anderen entweder durch Blutsverwandtschaft oder durch ihr Interesse oder aus Unfähigkeit, ihm zu trotzen, Lothar willfährig und gehorsam. Der Zwist mit dem Stadischen Hause scheint gleichfalls friedlich ausgeglichen worden, und seitdem Heinrich nach dem Tode seines Oheims Rudolf ungebunden in der Markgrafschaft gebot, auch die Feindschaft zwischen diesem und Friedrich dem Anglen durch Lothar geschlichtet zu sein. Erst Heinrich's Ableben 1128 bot dem König Anlaß, bei Besetzung der Nord-Mark und bei der Verfügung wegen der Grafschaft Stade seine Entscheidung geltend zu machen. Ein Mann, der durch sein unruhiges, gewaltsames Verfahren in Westfalen oft den Landfrieden gestört und dabei seine eigenen Unterthanen nicht geschont hatte, nämlich Friedrich von Arnsberg war nicht mehr am Leben. Als Herzog schon hatte Lothar jenen Gegenden Abhülfe von solcherlei Bedrückungen gewährt und sich bei den Bewohnern ein dankbares Andenken erworben 2).

 

1) Die im Text berichteten Vorfälle gibt Ann. Saxo ad 1126. Agnes nennt er sororem Heinrici Ducis de Liotburg; nirgends erscheint eine Schwester dieses Namens von dem ehemaligen Herzoge von Lothringen, wol aber heißt seine Tochter, die Pfalzgräfin und Witwe Friedrich's von Putelendorf so, weshalb ich unbedenklich diese unter der von Ann. Saxo bezeichneten verstehe.

2) Ann. Saxo ad 1124 faßt bei dem Tode Friedrich's von Arnsberg dessen Gewaltthätigkeiten kurz zusammen: Moritur hoc anno Fridericus Comes de Arnesberg, cujus oppressione omnis fere provincia Westfaliae in servitutem redacta erat. Idem ille alter Cedar, manus enim ejus contra omnes et manus omnium contra eum, castrum quoddam Wifelesburg tempore Hunorum constructum, sed vetustate temporis postea neglectum anno non integro antequam moreretur, reaedificavit. Unde totam vicinam et ultra adjacentem regionem ineffabili angaria vexando exhausit, quod misericordia Dei, ut speratur precibus S. Mainulfi confessoris intervenientibus, illo defuncto in momento ab agricolis, qui eo cogente id construxerant, dirutum est, similiter et Rietbike, Duce Liudera jubente, ubi ejus satellites praedis inhiantes tanquam in sentinam confluxerant, dirutum est.

 

 

____

59 Kirchliche Angelegenheiten in Sachsen

 

Schwieriger als die weltlichen Angelegenheiten war es für den König, die kirchlichen in Sachsen zu beseitigen, da nach der mainzer Wahlkapitulation ihm nicht gestattet blieb, seine Entscheidung sogleich geltend zu machen. Mehre hohe Kirchenämter standen im Jahre 1126 erledigt. Der geistig und körperlich schwache Erzbischof Rutger von Magdeburg war 1125 aus dem Leben geschieden, Bischof Arnold von Merseburg hatte auf dem böhmischen Feldzuge seinen Tod gefunden 1); desgleichen waren die Bisthümer Havelberg und Zeiz nach dem Ableben Gumbert's und Richwin's erledigt 2). Die Kapitel der Bisthümer scheinen ohne Schwierigkeit die Wahl ihrer Oberhirten vollzogen und die kirchliche Weihe wie die königliche Bestätigung erhalten zu haben. Nicht so das Erzstift Magdeburg, wo es zu heftigen Zwistigkeiten kam und ein Jahr der erzbischöfliche Stuhl erledigt blieb. Nicht weniger als drei Kandidaten, für die unter dem Klerus wie unter dem Volke Parteien sich gebildet hatten, wurden auf die Wahl gebracht; einer derselben war Konrad, der Sohn des bei Chlumetz gebliebenen Gebhard von Querfurth und Lothar's Vetter, den man wol aus Rücksicht für den König genannt hatte, dessen Erhebung sich jedoch der Abt vom Kloster Bergen und der erste Domprobst der Hauptkirche hartnäckig widersetzten, weil er erst Subdiakonus und nach den von Calixtus erneuten und mit Strenge empfohlenen Vorschriften der Kirche noch nicht wahlfähig war 3). Lothar feierte das Osterfest des Jahres 1126

 

1) So berichtet Chron. Mont. Ser. ad 1126: Ann. Saxo dagegen zu demselben Jahre: Occisus est in Vigilia Pentecostes. Vielleicht starb er da erst an der tödtlichen Wunde, die er auf dem böhmischen Feldzuge empfangen hatte.

2) S. Chron. Mont. Ser. ad 1125 u. 26. Ann. Bosov., p. 1007. Ann. Saxo, Chronogr. Saxo. Annal. Hildesh. ad 1126. Chron. S. Petri Contin. Peg. ad 1125 u. a. m.

3) S. Chron. Mont. Ser. ad 1134: Qui (Conradus) etiam post Rutherum electus Episcopatum obtinuisset, nisi quod Abbas S. Johannis de Monte et major praepositus restiterant, dicentes non esse subdiaconum eligendum. Über die Wahlsteitigkeiten vergl. man Torquati series Pontificum Magdeburg. Menck. III, p. 380. Es heißt hier: Clerus ac populus de novo pastore deligendo in discordiam versi graviter. - Tres namque elegerant.

 

 

____

60 Erster Abschnitt.

 

in Magdeburg, hielt mit vielen weltlichen und geistlichen Fürsten Hof, und hoffte die zwistige Wahl zu entscheiden. Doch erkannte er bald, daß hier zu viele Privatinteressen im Spiele waren, und daß ohne Kränkung der einen oder der anderen Partei die Sache nicht abzuthun sei und leicht großer Zwiespalt daraus entstehen könne. Anstatt also gewaltsam durchzugreifen, suchte er das Vertrauen des Kapitels zu gewinnen, und dieses entschloß sich, nach seinem Rath und Willen Bevollmächtigte zu ernennen, die ihn nach dem Rhein begleiten sollten, wo er mit Zuziehung der von Rom angekommenen päpstlichen Legaten die Sache zu entscheiden versprach 1). Gewiß war es vom Könige sehr klug und für ihn vortheilhaft, daß er den Streit fern vom Orte der Parteien und der Aufregung entscheiden, die päpstlichen Legaten an der Schlichtung Theil nehmen lassen, und doch im Grunde die Wahl sich selber vorbehalten wollte. Denn diese leitete er auf einen Mann, der, je unerwarteter er Allen und sich selber zu der Würde gelangte, um so geeigneter für des Königs Absichten erschien.

 

Während Lothar in Sachsen die Angelegenheiten geordnet oder doch die Ruhe der Provinz gesichert hatte, war die Zeit, welche zur Heerfahrt gegen die in Widerspenstigkeit verharrenden Hohenstaufen angesetzt worden, erschienen. Er begab sich nach dem Rhein, zog in Begleitung Adalbert's und vieler Bischöfe und Fürsten am linken Ufer des Flusses aufwärts, und traf zu Speier sowol die dorthin beschiedenen magdeburger Abgeordneten als auch die päpstliche Gesandtschaft, an deren Spitze abermals der Kardinal Gerhard stand, der unterdessen in Rom von Lothar's Erhebung auf den deutschen Thron Bericht erstattet hatte und nun zur Befestigung des guten Vernehmens zwischen Papst und König zurückgekehrt war. Zufällig, scheint es, fand sich auch in Speier der Stifter der durch kirchliche Strenge und fast ascetische Ordensregeln ausgezeichneten Prämonstratenser ein. Norbert stammte aus einem vornehmen und reichen lothringischen Geschlecht, war zu Xanthen geboren, hatte früher

 

1) Ann. Saxo ad 1126: Rex sacrosanctum Dominicae resurrectionis festum Magedeburg celebrans cum majoribus Ecclesiae et Regni de provisione ejusdem sedis - - tractavit, ubi cum magna in electione difficultas facta fuisset, juxta voluntatem et consilium Regis majores Magedeburgensis Ecclesiae apud Spiram unanimiter conveniant.

 

 

____

61 Lothar's Aufenthalt am Rhein.

 

einen sehr freien Lebenswandel geführt, bis er etwa vor 8 oder 9 Jahren in ganz entgegengesetzter Richtung durch Aufgeben aller Sinnengenüsse und selbst seiner Güter, durch Predigen und Ermahnen zu Armuth und äußerster Enthaltsamkeit den Ruf der Heiligkeit erworben und durch sein Beispiel aller Orten, wo er erschien, Viele zu gleicher Entsagung und mönchischer Ascetik bewogen hatte, ohne durch den Spott der Menge und seiner früheren Genossen sich abschrecken zu lassen. Um 1120 schloß er mit seinen Anhängern eine vom Papst gebilligte und empfohlene Verbindung, die von dem Orte der Stiftung den Namen der Prämonstratenser erhielt 1), und bald sich über alle Länder verbreitete. Der Gedanke, diesen Mann auf einen norddeutschen Erzbischofsstuhl zu erheben, war gewiß von Lothar ausgegangen, oder, wenn ein anderer ihn gab, mit seinem völligen Beifall aufgenommen; denn erstlich war dadurch den Spaltungen des Magdeburger Kapitels Einhalt gethan und durch die Wahl eines ganz Fremden keiner der einheimischen Kandidaten dem andern zurückgesetzt, und zugleich den Parteien in der Diöcese, in ganz Sachsen, ein Mann bezeichnet, gegen den ihr Parteiinteresse verstummen und vor dessen ausgezeichnetem Rufe jeder sich beugen mußte. Wie sehr aber verpflichtete sich der König diesen Gefeierten, und wie viel durfte er von seinem Einfluß auf alle Stände und Klassen erwarten, wenn Norbert dankbar sein Interesse mit dem Lothar's verband, wodurch beide in ihrem Streben gefördert wurden! Entsprach der strenge Kircheneiferer solchen Erwartungen nicht, gebrauchte er seine Beredtsamkeit, Geistesgaben und äußere Macht gegen das Reichsoberhaupt, so konnte Lothar ihn in Sachsen mehr beschränken und unschädlich machen, als irgend anderswo, als wenn

 

1) Das Ausführlichste über Norbert und seinen Orden s. in Hugo's vie de Norbert in der Hist. litt. de la France, XI, 243 ff., und in vielen Chroniken der Deutschen und Franzosen. Bei Robert de Monte ad 1126 heißt es: De partibus Lotharingiae oriundus genere, divitiis atque facundia ipsis etiam summis principibus familiaris atque notissimus. Chron. Guillelmi de Nangis bei d' Achery III, 1., ad 1116: Hoc tempore Praemonstratensis fundator Ordinis in Lotharingia natus, divitiis, genere, et facundia clarus, succensus divino fervore et Presbyter ordinatus, paupertatis Christi tunica induitur et nudus Christum sequens verbumque praedicationis nudis pedibus spargens multos ab errore convertit. Die Vita Norb., cap. 7, nennt ihn Santensis domo et ecclesiae ejusdem Canonicus - und später: Novum Canonicorum Regularium sodalitium, quia loco, in quo primum instituti fuerunt, Praemonstratenses vocantur, fundavit. - Guill. de Nangis ad 1120: Ordo Praemonstratensium incepit.

 

 

____

62 Erster Abschnitt.

 

er ohne ein Amt als fanatischer Mönch Deutschland durchzog und aufregte. Oder mochte etwa die Kirche, der päpstliche Legat oder Honorius Norbert sich ersehen haben, um durch seine Beförderung zum erzbischöflichen Stuhl in Magdeburg den König in der ihm ergebensten Provinz zu binden und zum willenlosen, folgsamen Werkzeug bei der Vermittelung hierarchischer Absichten zu machen? Dem widerspricht schon, daß Norbert durch seine neue Würde mehr an den König und das Reich gefesselt wurde, als daß er beide aus der nun eingenommenen Stellung nachdrücklich zu bekämpfen vermochte, was in freier Unabhängigkeit oder als Mitglied der römischen Kurie ihm viel eher möglich geworden wäre. Die Folge aber beweist, daß Norbert davon weit entfernt blieb, und neben seinem Bestreben die Kirchenzucht zu bessern und in strengere Regeln zu bannen, wirklich des Königs Macht allen seinen Feinden und Widersachern gegenüber befestigen und erhöhen wollte, und daß Lothar sich keineswegs getäuscht, als er den magdeburgischen Bevollmächtigten den berühmten Mann angelegentlichst zum Erzbischof empfahl. Wie Jene waren auch die päpstlichen Legaten und alle zu Speier anwesenden Prälaten und Fürsten mit der Wahl höchlichst zufrieden 1), und der fromme Demuth und Armuth predigende Nacheiferer Christi ließ nach einigem Streuben die Ehre sich gefallen. Dem Könige gelang aber, nicht blos einen Mann, von dem er viel erwartete, auf den erwünschten Kirchenstuhl zu bringen, sondern ihn gegen die Wahlkapitulation von Mainz und in der vorgeschriebenen Reihenfolge des wormser Concordats eher mit dem Weltlichen zu belehnen, als der Gewählte die kirchliche Weihe empfing, die wiederum auffallend

 

1) Ann. Saxo ad 1126: Majores Magdeburgensis Ecclesiae apud Spiram unanimiter conveniunt ac communi Regis et Ecclesiae consilo Domnum Norbertum virum religiosum et omnibus Ecclesiis verbi Dei pronuntiatorem exuberantissimum in Episcopum Deo prosequente, unanimi pace et concordia constituerunt. Torquati series Pont. Magd. apud Mencken III, p. 380: Majores Ecclesiae a Legatis Apostolicis Spiram accersiti (dies ist wol dahin zu beschränken, daß Lothar selbst das Domkapitel auf das Zusammentreffen mit dem päpstlichen Legaten in Speier gewiesen; nicht diese, sondern der König beschied sie nach Speier, wie Ann. Saxo berichtete, juxta voluntatem et consilium Regis accedunt, abdicatis hinc inde in dissensione personis electis (tres namque elegerant) communicato Regis et legatorum Papae consilio et assensu hunc Norbertum quamvis renitentem elegerunt. Daß die Versammlung zu Speier 1126, nicht 1127 zu setzen sei, beweist schon Mascov. comment. Loth., p. 9, Anm. 3. Vergl. Luden X, p. 558, Anm. 14. Auch setzen alle Chronisten, wie Ann. und Chronista Saxo, Ann. Hildesh. Rob. de Monte, Chron. Mont. Ser. u. A. 1126, nur Dochenin 1127.

 

 

____

63 Lothar's Aufenthalt am Rhein.

 

weder der Erzbischof Adalbert von Mainz, wie einst bei Rutger, noch der päpstliche Legat Gerhard, sondern zwei Suffraganen des Erzstiftes, die Bischöfe von Havelberg und Brandenburg vollzogen 1). Ein solches Uebergewicht bei der Wahl und die Herstellung des königlichen Einflusses in der wichtigsten kirchlichen Angelegenheit hatte Lothar nur seiner Persönlichkeit und seiner klugen Verständigung mit dem Papste und der Geistlichkeit zu verdanken, und er erlangte dadurch im ersten Jahre seiner Regierung mehr als was Heinrich V, nach langem Kampfe und mit hartnäckigem Trotze kaum sich zu erhalten vermocht hatte.

 

Wie die magdeburger Kirchenangelegenheit vom Könige zu seinem Vortheil abgethan wurde, sollte auch eine weltliche auf demselben Reichstage in, oder richtiger bei Speier 2) - da die Stadt selbst den Hohenstaufen jetzt und noch später anhing und dem Kaiser sich feindlich bewies - erledigt und zugleich ein angesehenes süddeutsches Fürstenhaus, das trotzdem, daß es von den letzten Heinrichen und den hohenstaufischen Emporkömmlingen um das Herzogthum Schwaben gebracht worden, Jenen treu angehangen hatte, auf seine Seite herübergezogen werden. Im Anfange des Jahres 1126 war Graf Wilhelm, das Kind zubenannt, Landesherr in dem ehemaligen Königreich, seit Heinrich III. an Deutschland gefallenen Reichslehen Burgund von seinen Unterthanen frevelhafter Weise getödtet worden 3). Da er keine Nachkommen hinterließ, hatte sein nächster Verwandter

 

1) Torquati ser. Pont. Magd. a. a. O. nach ältern Quellen: Qui (Norbertus) mox regalibus suis a Rege investitus est et a Havelbergensi et Brandenburgensi Episcopis consecratus est. Dann fügt er noch hinzu: a clero denique et a populo ingenti cum gaudio susceptus et accepto pallio ab Honorio Papa. Daß Lothar durch die Wahl Norbert's alle Theile so ganz zufrieden stellte und sich den Hauptgewinn verschaffte, spricht hinlänglich für sein kluges Verfahren in der Sache.

2) Apud Spiram sagen Ann. Saxo ad 1126 und Dodechin ad 1127.

3) Otto Fris. de gest. Frid. I., lib. II, cap. 29: Qui ultimus - qui dicebatur puer - quo fraude suorum rebus humanis exemto. Albericus ad 1127 nach Vita Caroli Flandrensis Comitis erzählt: Damnatitii quidam dum diffidunt suae saluti, utpote rei Majestatis, Dominum suum Guillelmum Comitem Sedunensium gladiis confodiunt in quadam ecclesia ante altare orantem. Dagegen Ann. Saxo, Chron. Pantal. Noctu in cubiculo. Die Angaben, daß dieser Mord am 1. März und an demselben Tage, wo Karl von Flandern ermordet wurde, geschehen, ist unrichtig. Mascov, p. 10, gibt nach Dunod hist. Sequanorum Tom II, p. 164 den 9. Febr. 1126 an. Da Lothar nur 1126, nicht 1127, bei Speier Reichstag hielt, ist bei Dodechin u. A. 1126 statt 1127 zu lesen.

 

 

____

64 Erster Abschnitt.

 

Rainald 1) sich in den Besitz von Burgund gesetzt, doch mit allzu trotzigem Sinn nicht vom Könige Lothar die Belehnung eingeholt, weil nach dem Aussterben der fränkischen Kaiser Burgund nicht mehr zu Deutschland gehöre, sondern wie in den Zeiten seiner Vorfahren, der burgundischen Könige, ein selbständiges Reich bilde. Hierüber mußte Lothar allerdings sich erzürnen, indeß stand schon seit den Zeiten der beiden letzten Heinriche jene Provinz so losgerissen von Deutschland da, daß kaum mehr als der Name einer Oberlehnshoheit den deutschen Kaisern verblieben war 2). Rainald's Trotz und Uebermuth zu dulden, hätte von Schwäche gezeigt; jetzt aber, wo gegen Friedrich von Schwaben der Kampf beginnen sollte, sich nach Burgund zu wenden, wäre unklug gewesen. Lothar fand den richtigen Mittelweg und ersah geschickt die Gelegenheit, einen ihm gefährlichen Bundesgenossen der Hohenstaufen zu gewinnen, anderweitig zu beschäftigen, und, wenn derselbe die Aufgabe erfüllte, durch ihn Burgund wieder enge und in gehöriger Abhängigkeit mit dem Reiche zu verbinden. Es war dies Konrad von Zähringen, der gleich seinem bei Möllendorf getödteten Bruder Berthold den Herzogstitel führte, ohne im Besitze eines dieses Titels würdigen Reichslehens zu sein. Als Oheim des ermordeten Grafen Wilhelm von mütterlicher Seite 3) hatte er nicht ganz ungegründete, wenn auch entferntere Ansprüche als Rainald, und die Lockung, durch das reiche Burgund seines Hauses gesunkenes Ansehen zu heben, war mächtiger als die undankbare Freundschaft mit den Hohenstaufen, die seinen Vater aus Schwaben verdrängt hatten. Jn der Fürstenversammlung bei Speier, wo Rainald in ungemessenem Vertrauen auf seine Macht und die Zeitumstände, vor dem Oberlehnsherrn zu erscheinen abermals versäumt hatte, übertrug Lothar an Konrad die burgundischen

 

1) Die abweichende Genealogie s. bei Bünau, Leben Friedr. Barb., S. 375 Otto Fris. a. a. O. nennt ihn de antiqua et illustri Burgundionum prosapia originem trahens illius Burgundiae Comes dicebatur, quae olim a Rudolpho Rege Imperatori Henrico Conradi filio cum testamento relicta regnum erat. Wahrscheinlich war Rainald III. ein Sohn Rainald's II., der ein Bruder von Stephan, Wilhelm's Vater, gewesen.

2) Nicht blos die Grafen, Herren und Städte hatten sich der deutschen Herrschaft entzogen und Stücke Landes sich erb- und eigenthümlich gemacht; auch die Prälaten folgten diesem Beispiel und betrachteten die Städte, in denen sie ihren Sitz hatten, als die ihren, S. Bünau, S. 59.

3) Bei Otto Fris. a. a. O. heißt Wilhelm Conradi Ducis sororis filius. Dagegen vorher: Rainaldi ex parte patris consanguineus.

 

 

____

65 Lothar's Aufenthalt am Rhein.

 

Reichslehen 1), und fand bei den anwesenden Fürsten, Prälaten und päpstlichen Legaten wegen dieses Verfahrens gerechte Billigung; denn da einerseits die Ehre des Reiches die Züchtigung des trotzigen oder leichtsinnigen Reinald's erheischte, andererseits von den Reichsständen keine neue Heerfahrt gegen den Geächteten gefodert, sondern der Kampf einem einzigen Reichsvasallen übertragen wurde, so war Jeder zufriedengestellt und Keiner belästigt, der König aber in zweierlei Hinsicht glücklich, indem er einen Rebellen durch einen bisher der Sache seiner Gegner zugethanen Fürsten bekämpfen ließ. Wurde dieser Kampf auch nicht von solchem Erfolge gekrönt, daß Reinald die eigenmächtig in Besitz genommenen Ländereien an Konrad alle verlor, sondern Letzterer sich nur in den an seine Stammbesitzungen grenzenden Gebietstheilen von Burgund zwischen dem Jura und St. Bernhard behauptete 2), so erreichte doch der König, ohne je sich selber in diesen Krieg zu mischen, Das, was er zunächst beabsichtigt hatte.

 

Nachdem Lothar der deutschen Geistlichkeit sich versichert, der Fürsten Willfährigkeit aber dadurch, daß er nichts ohne ihren Rath zu unternehmen schien, und von Beiden das ihm selber Vortheilhafte erlangt hatte, erkannte sein Gegner Friedrich wol, daß es ihm nicht gelingen werde, seine einmal entschwundenen Aussichten auf den Königsthron wieder zu beleben oder nur einen Anhang außerhalb seiner Landesgrenzen zu gewinnen. Der Abfall Konrad's von Zähringen konnte ihm einen Beweis geben, wie nur Dem, der Güter zu schenken, zu belehnen, zu vergeben habe, nicht ihm, dessen Glücksstern gesunken war, auch selbst der frühere Genosse und Verwandte 3)

 

1) Otto Fris.: Comes (Rainaldus) nimis justitiae suae confisus, erat enim homo lenis et ex lenitate nimia remissus, curias Principis adire neglexit. Ex quo factum est, ut indignatione motus Princeps praedictam terram Conrado Duci concederet, sicque uterque vicina sibi vendicaret loca. Dodech. ad 1127: Conradus Zaeringiae Dux coram plerisque Burgundionum Optimatibus principatu Burgundiae apud Spiram civitatem sublimatur.

2) Otto Fris. a. a. O: Longa concertatione in tantum, ut etiam in campo congressu publico ab eis pugnaretur, paene usque in praesentiarum deducta est haec controversia. Und in der Chron. lib. VII, cap. 9, wo er von dem leeren Herzogtitel der Zähringer spricht und dann bemerkt: Nisi quis ducatum esse dicat comitatum inter Juram et montem Jovis, quem post mortem Wilhelmi Comitis filius suus (scilicet Bertholdi) Conradus ab Imperatore Lothario suscepit. Der König hatte ihm wol ganz Burgund verliehen, Konrad konnte aber nur den angegebenen Theil behaupten.

3) Berthold, der Bruder Konrad's, hatte Sophia, eine Schwester der Gemahlin Friedrich's, also eine Tochter Heinrich's von Baiern (des Schwarzen) zur Gemahlin. Chron. Ursp. und Ann. Saxo in der genealogischen Geschichte der Welfen ad A. 1126.

II. 5

 

 

____

66 Erster Abschnitt.

 

sich dienstbar erweise. Verborgen konnte ihm schon seit dem mainzer Wahltage nicht mehr sein, daß ein ihm noch näher stehendes Haus an den König sich angeschlossen, und daß der Erbe des Herzogthums Baiern eine Verbindung mit der Erbin von Sachsen suche, die von den Vätern Heinrich und Lothar gebilligt, ja von Letzterm zur Basis seiner Herrschaft gemacht worden sei. Wie furchtbar war für Friedrich diese Macht der vereinten Herzogthümer Sachsen und Baiern, wozu noch ein Theil von Schwaben kam! Um ihr zu widerstehen, mußte er jeden Angriffskrieg aufgeben und die Vesten seines Landes in besten Vertheidigungszustand setzen. Denn hier war er sicher, daß seine Gegner ihn nicht so leicht überwinden oder vernichten würden. Das rauhe, gebirgige, von zahllosen Burgen auf unersteiglichen Höhen geschützte Schwaben, dessen Bewohner er durch Freigebigkeit und alle ritterlichen Tugenden sich ganz ergeben gemacht, gestattete ihm, sich so lange zu vertheidigen, bis die Verhältnisse ihm sich günstiger gestalten und erwartete Hülfe herbeikommen werde. Auch sein zweites Reichslehen Elsaß war wohlverwahrt gegen jeden Angriff von Außen, und hier befand er damals sich, um mit den während Lothar's Entfernung in Sachsen und Böhmen zusammengezogenen Kriegsscharen nicht in offener Feldschlacht, sondern hinter Mauern und Thürmen das Reichsheer zu empfangen. Was ihm aber für die Zukunft neue Hoffnung machte, war die bald zu erwartende Rückkehr seines Bruders Konrad und die Anhänglichkeit einiger Reichsstädte, die diese von den fränkischen Kaisern, ihren besonderen Wohlthätern, auf die Hohenstaufen übertrugen.

 

Auch Lothar erkannte sehr wohl die Schwierigkeit, einen bis zum Aeußersten sich vertheidigenden Gegner, den die getäuschte Erwartung der Königskrone noch mehr erbitterte, in seinem wohlverwahrten Lande anzugreifen. Er unterließ dies vorerst 1), um nicht, wie in Böhmen abermals in eine gefährliche, seinem Kriegsruhm nachtheilige Lage zu gerathen. Ihm genügte für jetzt, den Herzog unschädlich zu machen und von Uebergriffen außerhalb seiner Länder abzuhalten. Zu dem Ende bahnte er sich den Weg zu der Reichsstadt Straßburg, die ihn zum zweitenmal in diesem Jahre innerhalb ihrer Mauern aufnahm. Begleitet von vielen Fürsten, besonders geistlichen, wie von dem Kardinal Gebhard, den Erzbischöfen von Mainz, Bremen und Magdeburg, den Bischöfen von Minden, Münster,

 

1) Ann. Saxo, der allein von der ersten Heerfahrt Nachricht gibt, berichtet sehr kurz: Rex expeditionem movit super Fridericum Ducem Alsatiae, sed eo in munitiora terrae suae se recipiente, Rex infecto negotio rediit.

 

 

___

67 Lothar's Aufenthalt am Rhein.

 

Osnabrück, Halberstadt, Merseburg und anderen 1), zog der König in die Stadt, verweilte daselbst längere Zeit, um abermals eine Reichsangelegenheit zu entscheiden, die schon seit mehr als vier Jahren Zerwürfniß, Parteiungen und Fehden hervorgerufen hatte. Es war das unter und durch Kaiser Heinrich veranlaßte Schisma des würzburger Erzstifts. Wenn auch seit dem Abschlusse des wormser Concordats die Sache sowol von kaiserlicher als päpstlicher Seite mit unparteiischer Rechtlichkeit betrieben worden 2), so hatte doch Adalbert von Mainz in seinem Haß und durch seine Intriguen gegen den vom Kaiser erhobenen Gebhard nicht nachgelassen, ihm die vom Kardinal Kuno von Präneste eingeräumte Weihe erst zu verzögern gewußt, dann ihm ganz verweigert und innerhalb wie außerhalb der würzburger Diöcese Feinde erweckt, sodaß der Verfolgte sogar vom Sitze seines Bisthums ausgeschlossen blieb, während sein Nebenbuhler Rutger sich wenigstens als von Adalbert anerkannter und geweihter Bischof bis zu seinem Tode erhielt 3). Dieser war im Ausgang 1126 erfolgt, Gebhard hatte von Neuem Hoffnung geschöpft, sich an den neuen König mit seinen Beschwerden gewendet und ward nun nach Straßburg beschieden, wo Lothar ihm freundlich begegnete, seine Sache aber allein nach dem Gutachten der um ihn versammelten Fürsten und Prälaten entscheiden wollte 4). Die Gegner, vornehmlich Adalbert von Mainz, suchten unfehlbar ihn schuldig darzustellen, die sächsischen Erzbischöfe und Bischöfe, meist erst neu

 

1) Die Genannten führt Gebhard von Würzburg Cod. Udalr. 335 als testes suae rei an, gewiß waren auch Fürsten und wol noch andere Geistliche zugegen.

2) Reich und Kirche waren, sagt Gebhard (Cod. Udalr. a. a. O.), übereingekommen, ut Dominus Cardinalis (Kuno von Präneste) locum et ecclesiae nostrum visitaret, concordiam ecclesiae super electione mea investigaret, quam si inveniret, ab eo promoverer ad Presbyterii Ordinem, statim consecuturus a Domino Archiepiscopo (Adalberto) episcopalem benedictionem. Quia itaque Dominus Archiepiscopus hoc fieri consensit et jussit, venit Dominus Cardinalis in locum nostrum, et congregati sunt universus clerus et populus etc. Er findet die Wahl Gebhard's ohne Tadel, macht diesen zum Presbyter; es fehlt nur noch die Weihe, zu der es aber Adalbert nie kommen läßt.

3) S. Cod. Udalr. a. a. O. Die Klagen Gebhard's über seinen Gegner, besonders Adalbert, mögen übertrieben und sein gutes Recht gewiß nicht erwiesen genannt werden, die angegebenen Facta kann Gebhard aber nicht erdichtet haben.

4) Cod. Udalr. a. a. O: Rex itaque cognita causa mea Argentinam me vocabat. Veni et aspectui suo me debita devotione praesentavi. Ipse vero me benigne suscipiens et quaerimoniae meae clementer adtendens jussit, ut omnis causa mea a principibus, qui tum aderant, audiretur et eorum judicio canonice terminaretur.

5*

 

 

_____

68 Erster Abschnitt.

 

im Amte oder von der Sache zu wenig unterrichtet, konnten ihm geringen Beistand gewähren, seine eigene Rechtfertigung, obschon er sie in einem Schreiben nach Rom als siegreich darstellte, mußte wegen der unleugbaren Verstöße und Uebereilungen, die bei seiner Wahl vorgefallen waren, mangelhaft bleiben. Erwägt man noch, daß Lothar selbst früher gleich anderen sächsischen Fürsten Gebhard's Erhebung gemisbilligt hatte, so durfte dieser sich nicht über Ungerechtigkeit beschweren, als ihm vom Könige und den Fürsten anheimgestellt wurde, in Rom vor dem päpstlichen Stuhle die Endentscheidung nachzusuchen 1). Gewiß aber war es von Lothar sehr weislich, dem Papste die Schlichtung einer Zwistigkeit zu überweisen, die wie auch immer von ihm entschieden, ihm eine Anzahl Fürsten und Prälaten abwendete, ohne daß er einen Vortheil in Gebhard's Anerkennung oder Verwerfung weder für sich noch für das Reich erwachsen sah.

 

Ob zu Straßburg noch andere Angelegenheiten von Wichtigkeit verhandelt worden, ob gegen Friedrich von Schwaben Beschlüsse gefaßt, Unterhandlungen mit ihm gepflogen, in Worten und Thaten gegen ihn etwas unternommen oder eine neue Heerfahrt festgesetzt worden, darüber schweigen die Chronisten, ja ohne Gebhard's Bericht über seine Vorladung erführen wir über den Reichstag zu Straßburg gar nichts 2). Dunkel herrscht auch über die nächstfolgenden Ereignisse und die Schritte, welche Lothar zur Befestigung seines Ansehens, zur Beruhigung Deutschlands, zum Wohle des Reiches that. Daß alles drei sein Hauptaugenmerk gewesen, geht aus seinem bisherigen Verfahren und aus seinem ferneren Aufenthalt in den Rheingegenden hervor. Wenn er den Strom abwärts gezogen, und wo er überall verweilt und Hoftage gehalten, haben weder Urkunden noch die Geschichtschreiber vermerkt nur daß er das Weihnnchtsfest in Köln gefeiert, ist außer Zweifel. Unverkennbar ist damals schon

 

1) Cod. Udalr. a. a. O.: Dum vero per diversa consilia finis causae meae quaeritur, ab ipso Moguntino Archiepiscopo hoc consilium mihi tribuitur (daß der Erzbischof den Rath gab, ist ebenso erklärlich, als daß Lothar ihm beistimmte, ut omni remota occasione Romam procedam et ex ipsius nutu apostolici et gratia finem negotii mei efficiam.

2) Weder Raumer noch Luden erwähnen des Reichstags zu Straßburg; nur Mascov. comment., p. 11 setzt ihn zu 1126. Aus Lothar's Feldzug in dem Elsaß, aus des Kardinals Gebhard Anwesenheit, sowie der sonst in dem angeführten Schreiben erwähnten Prälaten, endlich aus dem Umstand, daß nur 1126 nach dem Tode Rutger's die Angelegenheit Gebhard's zur Sprache kommen konnte, ist die Zeit desselben wol nur 1126 zu setzen.

 

 

____

69 Lothar's Aufenthalt am Rhein.

 

die Abneigung des Erzbischofs Friedrich gegen ihn, den wir weder zu Speier, noch zu Straßburg, ja nicht einmal zu Köln selbst in des Königs Umgebung antreffen, und der zwei Jahre hindurch nicht blos durch Entziehen seiner Gegenwart, sondern auch durch Ausübung feindseliger Handlungen seine Gesinnung verrieth 1). Gewiß nicht ohne Antheil war er an den kurz darauf folgenden ärgerlichen Vorfällen in Aachen (Anfangs Januar 1127), die jedoch von keinen nachhaltigen Folgen waren und durch Lothar's kräftige Persönlichkeit ebenso besonnen beseitiget wurden, als sie aus ungebührlicher Aufreizung unbesonnen herbeigeführt worden waren 2). Welches Loos alle Störer des Landfriedens und Kirchenräuber zu erwarten hatten, zeigte das Beispiel, welches der König an einem solchen Frevler, dem Grafen Giselbert, gab. Dieser hatte schon seit einigen Jahren wider seinen Lehnsherrn, den Bischof Godebald von Utrecht, Feindseligkeiten verübt, die Kirchen der Diöcese beraubt, die Kirchengüter verheert 3). Abgesehen davon, daß Godebald aus den Zeiten, wo derselbe von Heinrich V. aus ungegründetem Verdachte hart gezüchtigt worden, sein Schutzbefohlener war, erfoderte es die Pflicht Lothar's, von solchen Gewaltthaten den Bischof zu befreien. Es gelang ihm während seiner Anwesenheit in den Gegenden, des Räubers habhaft zu werden, und sofort gab er den Befehl, denselben zur Warnung für Andere mit dem Tode zu bestrafen 4). So hatte Lothar während seines Aufenthalts am Rhein unermüdlich auf- und abwärts das Stromgebiet bereisend 5), Ordnung

 

1) Ann. Saxo ad 1127: Rex Luiderus Natale Domini celebravit Coloniae, absente Archiepiscopo, und ad 1129, wiederum bei einer Anwesenheit Lothar's zu Köln: absente Archiepiscopo, qui tunc sicut et duobus superioribus annis inimicitias contra Regem exercebat.

2) Ann. Saxo a. a. O.: Epiphaniam vero Domini Aquisgrani (celebravit). Ibi temerarius tumultus coram Rege exoritur, sed moderatione ejus adnihilatur.

3) Ann. Saxo und Chron. Reg. S. Pantal. ad 1129: Quidam scelestus homo Giselbertus dictus, qui Dominum suum Trajectensem (S. Pantal.: Taurensem?) Episcopum S. (für G) et Ecclesias Dei sub eo positas superioribus annis infestabat.

4) Ann. Saxo und Chron. Reg. S. Pantal.. a. a. O.: Comprehensus jussu Regis capitalem sententiam accepit.

5) Vielleicht war er auch in Trier bei der Bestattung der aufgefundenen Gebeine des Apostels Mathias gegenwärtig, Ann. Saxo ad 1126 u. Andere. Treveris apud S. Eucharium reponitur corpus S. Mathiae Apostoli subtus altare S. Iohannis Baptistae, quo digne locato deinceps ab omni populatione Teutonica devotione maxima colitur.

 

 

_____

70 Erster Abschnitt.

 

und Friede in Reichs- und Kirchensachen zu bringen gesucht, und nicht vergeblich ist seine Thätigkeit zu nennen, auch wenn ihm noch nicht Alles nach Wunsch gelungen war, wenn namentlich der trotzige Schwabenherzog noch nicht zum Gehorsam und zu Auslieferung der an sich gerissenen Reichsgüter gezwungen war. Ein Gewinn war es schon, ihn auf die Grenzen seines Landes beschränkt zu haben, ihm alle Verbindungen mit den Fürsten zu entziehen und sich das Vertrauen der Kirche wie der Reichsstände insoweit zu gewinnen, daß der gefährliche Gegner bei diesen auf keinen oder geringen Beistand zu rechnen hatte. Um ihn ganz zu umstellen, mußte die Verbindung mit Baiern geschlossen werden. Anders als alle fränkischen Kaiser, die in Strenge und Gewalt das Recht und die Größe des Herrschers gesucht hatten, war Lothar bemüht, durch Mäßigung Vertrauen, durch Rathgeben und Rathnehmen ein intellektuelleres Staatsleben, durch Erhaltung der Ordnung ein geregelteres, ungehemmteres Verband unter allen Gliedern und Provinzen hervorzurufen, dies als die Basis betrachtend, worauf die Kraft des Reiches und sein eigenes Ansehen aus der Verfallenheit wieder erstehen könnten. Auf diesem Wege verfolgte er sein Ziel nicht stürmisch, aber des endlichen Erfolges gewiß. In ganz entgegengesetzter Weise hatte Heinrich V. gehandelt, und die große Macht, die ihm bei Beginn seiner Regierung zu Gebote stand, vernichtet. Ob Lothar, wenn er die Krone in der Fülle des alten Glanzes erhalten hätte, so bedächtige so mäßig, so nachgebend, sich gezeigt haben würde, ist schwer zu sagen. Daß er unter den obwaltenden Verhältnissen, wenn er nicht Alles aufs Spiel setzen wollte, nicht anders verfahren konnte, ist außer Zweifel, und völlig gerechtfertigt in diesem Verfahren steht er am Ende der Tage als Vollender seines Werkes, als Wiederhersteller eines einigen, großen, mächtigen deutschen Kaiserreiches da.

 

 

____

71

 

Zweiter Abschnitt.

 

Verbindung Heinrich's von Baiern mit Gertrud. Rückkehr Konrad's. Kampf der hohenstaufischen Brüder gegen Lothar und Heinrich vor Nürnberg. Konrad's Erhebung zum Gegenkönige. Seine Entweichung nach Italien. Lothar's Kampf gegen Friedrich und die Stadt Speier. Gottfried von Löwen und Walram von Limburg. Verhältnisse in Sachsen. Das Landgrafenthum Thüringen. Unterwerfung Frankens.

 

Im Ausgange des Jahres 1126 1) war Herzog Heinrich von Baiern, nachdem er dem Beispiele vieler Zeitgenossen folgend, den Herzogmantel gegen die Mönchskutte vertauscht und im Kloster Ravensburg seine letzten Lebenstage religiöser Beschaulichkeit gewidmet hatte, gestorben, und sechszehn Tage später folgte ihm seine Gemahlin Wulfhild, wie er in klösterlicher Abgeschiedenheit ihr Leben beschließend, als Nonne in Altdorf, der vornehmlich begünstigten und bereicherten Stiftung der Welfen in ihren schwäbischen Stammbesitzungen 2). Beide Gatten deckte ein Grabstein in dem bei Altdorf von Welf III. 1024 erbauten St. Martinkloster Weingarten 3). Ihre Ehe war an Kindern gesegnet gewesen, doch nur drei Söhne, Heinrich,

 

1) Ann. Saxo ad 1126. Henricus Dux Bavariae et uxor ejus Wulfhildis filia Magni Ducis Saxonum obierunt. So auch Chron. Reg. S. Pant., die historia Guelf. des Monachus Weingart., Leibn. I, p. 792 führt den Tod Beider unter 1127 an, doch bei den unterbrochenen Jahreszahlen ist auf diese wenig Verlaß. Auch wird zwischen Ausgang 1126 (und Wulfhild mochte nach Weihnachten und vor Neujahr gestorben sein) und Anfang 1127 der Tod Beider zu setzen sein.

2) Suntheim hist. de Guelfis, Leibn. I, p. 804, Tandem cum mors sibi appropinquaret monachum se profitebatur et obiit in Castro Ravensburg. Wufhildis vero ejus uxor sexto decimo die post virum decessit in Monasterio Weingarten uno tumulo sepulti. Dies bestätigen Chron. Urspr. Mon. Weing. a. a. O. noch mit Angabe des Begräbnißortes in Monasterio Sancti Martini.

3) Mon. Weing. ad 1124: Inceptum est Monasterium S. Martini Weingartia. Es muß hier 1024 gelesen werden; ebenso bei Suntheim, p. 802, wo es von Welf III. heißt: Monasterium Altdorf ad montem antiquum transtulit, ei nomen Weingarden imposuit, anno 1124, et S. Martinum eo in loco venerari jussit. - Altdorf parochiam constituit.

 

 

____

72 Zweiter Abschnitt.

 

Welf und Konrad, und vier Töchter erreichten ein reiferes Alter. Letztere waren alle an angesehene Fürsten verheirathet und wurden Mütter berühmter Nachkommen. Außer den beiden ältesten früher schon erwähnten Gemahlinnen Friedrich's von Schwaben und Berthold's von Zähringen, Judith und Sophia, welche Letztere nur ihrem zweiten Gemahl, Leopold dem Starken, Markgrafen von Steier, einen Sohn Ottokar gebar, kennen wir die dritte, Mathilde, zuerst mit dem baierischen Markgrafen Theobald von Vohburg, dann mit dem Grafen Gebhard von Sulzbach vermählt, und die vierte Wulfhild an den Grafen Rudolf von Bregenz oder Bregnitz verheirathet 1). Von den Söhnen fiel dem ältesten das Herzogthum Baiern zu, Welf erhielt ansehnliche Erbgüter in Baiern und Schwaben 2); der jüngste, Konrad, wählte den geistlichen Stand, zu dem er schon im elterlichen Hause sich vorgebildet, dann durch Erzbischof Friedrich von Köln Unterweisung in mönchischen Lehren und Ordensregeln empfangen hatte, und hierin wie in allen geistlichen Tugenden große Vollkommenheit und großen Ruf sich erwarb. Noch strengere Ordensregeln als die deutschen Mönche verlangend, begab er sich später in die Schule Bernhard's von Clairvaux, ja endlich konnte ihm nur ein Anachoretenleben genügen, und so brachte er mehre Jahre, den Seinen und der Welt verborgen, im heiligen Lande als Einsiedler zu, bis Hinfälligkeit, vielleicht auch das Verlangen, noch einmal die Heimat und die Seinen zu sehen, ihn nach Europa zurückzukehren bewogen. Aber schon zu Bari in Unteritalien ereilte ihn der Tod und ein prächtiges Grabmal verkündigte spätern Geschlechtern seinen Ruhm 3). An ihm haben wir ein neues Beispiel, wie auch die Vornehmsten in jenem Jahrhundert das Mönchswesen anzog und in seiner äußersten Strenge allein zu befriedigen vermochte. Unsere Aufmerksamkeit wendet sich vornehmlich dem Leben und den Thaten des ältesten der Brüder, Heinrich's, zu. In dem berühmten Geschlechte der Welfen steht er größer als seine Vorfahren da, und wenn der Ruhm seines Sohnes, Heinrich's des Löwen, ihn

 

1) Mon. Weing., Chron. Ursp., Sunth a. a. O. Arenpeck Leibn. III, p. 662: Habuerunt etiam alios pueros, qui omnes juvenes obierunt.

2) Noch ausgedehntere Besitzungen erhielt er durch seine Gemahlin Jutta, Tochter des Pfalzgrafen Gottfried vom Rhein, und späterhin, als er Herr von Spoleto und der Insel Sardinien wurde. Wegen der Güter seiner Gemahlin mußte er manche Kämpfe mit deren Vetter Albert von Calwe, mit den Hohenstaufen und den Zähringern bestehen; die italienischen Lehen waren ein noch unsicherer Gewinn. Vergl. Sunth. a. a. O.

3) S. Mon. Weing., Sunth. a. a. O.

 

 

____

73 Herzog Heinrich von Baiern.

 

noch zu überragen scheint, so wird der unparteiische Geschichtschreiber doch den soliden Verdiensten des Vaters den Vorzug vor dem schimmernden Thatenglanze des Sohnes geben, und den Glückswechsel, den Beide am Ende ihres Lebens erfuhren, mit gerechterm Schmerz bei Jenem als bei Diesem, der mehr aus eigener Schuld von der Höhe seiner Macht herabsank, beklagen. Unter Lothar's Regierung wurde diese Macht gegründet, nicht weniger zum gemeinsamen Gewinn des Königs und des Herzogs, als zum Heil und zur Kräftigung des ganzen Reichs. Als Heinrich der Schwarze seinem Sohne die Regierung Baierns und der damit verbundenen Reichslehen und Erbgüter mit Ausnahme derer, die der jüngere Sohn Welf erhalten sollte, abtrat, war der innere Zustand in diesen Ländern nicht mehr so wohlgeordnet und die Gewalt des Landesherrn nicht mehr so fest gegründet, wie einst Welf V. sie dem Bruder übermacht hatte. Während der sechsjährigen Herrschaft des schwachen Heinrich des Schwarzen (1120-1126) hatten die vorhin mit kluger Mäßigung und steter Wachsamkeit wie Glieder eines Hauses und gleichsam als Zöglinge einer Fürstenschule geleiteten Landesvasallen 1) sich der Abhängigkeit und dem Gehorsam, worin Welf sie erhalten, entzogen, und wenn sie auch gegen den Herzog selbst nicht die Waffen erhoben, bekämpften sie sich doch untereinander, und Fürsten, Geistliche und Städte suchten durch Selbsthülfe und Selbstrache die Genugthuung zu erlangen, die ihnen Heinrich durch seine Vermittlung oder seinen Richterspruch nicht, wie sein Bruder Welf, zu verschaffen verstand.

 

An Heinrich dem Jüngern aber sollten alle sogleich erfahren, daß nicht der Geist des Vaters, sondern des Oheims, nur wie es die Umstände erheischten, noch strenger und kräftiger in ihm wohne. Sogleich berief der neue Landesherr eine allgemeine Ständeversammlung nach Regensburg 2). Hier erschien er mit großer Heeresmacht,

 

1) Sunth., p. 803 faßt dies am Besten in folgenden Worten zusammen: Welpho fuit moderantissimus et plura ei prospera successere, unde et ab omnibus amabatur, optimum vitae institutorem dicebant et ei filios suos ex nobilioribus erudiendos tradebant. Dann nennt er ihn noch militaris disciplinae peritissimus.

2) Am Besten faßt den Zustand Baierns und Heinrich's erstes Auftreten der Mon. Weing., p. 780 zusammen: Heinricus, defuncto patre, Ducatum ejus adeptus generalem conventum Ratisponae omnibus indixit. Quo collecto milite adveniens, quidquid insolentiae in civitate sive extra circumquoque ad aures ejus perlatum est provida dispensatione dijudicavit. Discrimina bellorum inter Principes seu Majores terrae diu exagitata compescuit, pacem firmissimam omnibus annunciavit et juramento confirmari praecepit.

 

 

____

74 Zweiter Abschnitt.

 

strafte die Bürger wegen vieler Vergehen, die sie sich zu Schulden kommen lassen, und entschied alle ihm vorgelegten Beschwerden und Landesangelegenheiten durch ebenso klugen als unabweislichen Urtheilsspruch. Die Fürsten und Edlen des Landes mußten sofort ihre Privatfehden einstellen, einen Landfrieden beschwören und für dessen Aufrechterhaltung nach Kräften Sorge zu tragen versprechen. Nachdem er den Bürgern von Regensburg noch eine Geldbuße auferlegt hatte, zog er weiter im Lande umher, um die Burgen und Schlupfwinkel der Raubritter zu zerstören, und alle, die seinem Gebote nicht Folge geleistet hatten, zu züchtigen 1). Dieser Anfang seiner Regierung ließ alle Wohlmeinenden das Beste für die Zukunft erwarten, und wenn auch die Gezüchtigten ihm heimlich grollten, so hemmte doch Furcht ihren Abfall und neue Fehden. Nachdruck gab es seinem Verfahren, daß er nun öffentlich eine Verbindung mit dem Könige nachsuchte, die, wie er wußte, dieser bereitwillig eingehen würde. Nur Eines schien einer sogleich zu schließenden Ehe zwischen Heinrich und Gertrud entgegenzustehen, die große Jugend der Braut, die kaum das 12. Lebensjahr erreicht hatte 2). Diese Bedenklichkeit mußte aber den wichtigen Rücksichten weichen, welche einerseits den König bestimmten, einen so mächtigen, kräftigen Fürsten Süddeutschlands an den Thron zu fesseln, und andererseits dem Herzoge, der bei der Theilung der Hausgüter mit seinem Bruder Welf die sächsischen, die als Muttertheil ererbten Ländereien, erhalten hatte, wünschenswerth machten, durch den König, der in Sachsen unbeschränktes Vertrauen besaß, jener billungischen Allodien, die der länderfüchtige, nicht immer die Rechte Anderer ehrende Albrecht der Bär leicht an sich reißen konnte, versichert zu bleiben. Nur dann behielt er in Baiern freie Hand, und von hier aus seinen Schwager Friedrich von Schwaben, wenn der König es fodere, zu bekämpfen, brachte ihm keine Gefahr. Die schwäbischen Allodien blieben ungefährdet, wenn Welf, der jüngere Bruder, parteilos

 

1) Mon. Weing. a. a. O.: Demum accepta a Burgensibus pecunia terrorem cunctis incutiens civitatem egreditur et munitiones ac villas praedonum et proscriptorum per totam provinciam devastat.

2) Gertrud war 1115 geboren. Ann. Saxo ad 1115: Richenza Ductrix XV annos sterilis manens Duci Liudero filiam in festivitate Paschali genuit. Wenn in dieser Nachricht, die doch gar zu bestimmt ist, kein Rechnungsfehler steckt, war Gertrud bei ihrer Vermählung kaum 12 Jahre alt. Wie jung damals Fürstinnen vermählt wurden, sahen wir schon bei Mathilde, der Gemahlin Kaiser Heinrich's V. Wo politische Rücksichten es erheischten, nahm man keinen Anstand, die äußere Verbindung zu schließen.

 

 

____

75 Verbindung Heinrich's von Baiern mit Gertrud.

 

in dem bevorstehenden Kampfe verharrte, sodaß Friedrich ihn und seine Güter anzutasten nicht wagen durfte, ohne sich einen neuen Gegner auf den Hals zu laden.

 

Die baierischen und schwäbischen Gesandten, welche um Gertrud's Hand für ihren Herzog werben sollten 1), trafen Lothar in Sachsen, wohin derselbe aus den Rheingegenden 1127 zurückgekehrt war. Auf der glänzenden von vielen Fürsten besuchten Reichsversammlung zu Merseburg (am Pfingstfeiertage) willigte Lothar öffentlich in die Verbindung seiner einzigen Tochter Gertrud mit dem Baiernherzoge ein 2), und eilte, die Hochzeit zu begehen, weil der Kampf gegen die Hohenstaufen in diesem Jahre hartnäckiger zu werden drohte, da nicht mehr Friedrich allein dem Könige trotzig die Stirn bot, sondern heftiger, kühner noch der aus dem gelobten Lande zurückgekehrte Konrad nicht etwa zu einem Vertheidigungskriege, sondern zum Angriff gegen den König Anstalten traf, und dem Lothar mit Beistand seines neuen Schwiegersohnes zuvorzukommen gedachte. In der großen Ebene bei Augsburg, unter dem Namen des Lechfeldes seit der Niederlage der Hunnen unter Otto dem Großen bekannt, wurde die Vermählung mit reicher Pracht, in Anwesenheit zahlreicher sächsischer, baierischer, schwäbischer Fürsten und anderer hohen Gäste aus allen Provinzen des Reichs in der Woche nach Pfingsten gefeiert 3).

 

1) Mon. Weing. a. a. O.: Interea missis legatis in Saxoniam ad deducendam sponsam suam (dennoch mußte schon eine Einwilligung von Seiten Lothar's und Gertrudens vorangegangen sein) scilicet Gertrudem filiam Lotharii Imperatoris Optimates quoque Bavariae et Sueviae ad nuptias invitat.

2) Ann. Saxo ad 1127: Rex Luiderus Petecosten Merseburg celebravit, ubi decentissimo multorum principum habito conventu unicam et dilectam filiam suam Gertrudem glorioso Bavariae Duci Heinrico Ducis Heinrici et Wulfildae, Magni Ducis natae filio cum multa honorificentia in matrimonii honore sociavit. Um dies in Einklang mit Mon. Weing. (in der vorigen Note) zu bringen, muß man die Gesandschaft früher setzen, oder bei dem sociavit nicht Heinrich in Person gegenwärtig, sondern durch einen seiner Gesandten vertreten denken.

3) Mon. Weing. a. a. O.: Quibus (nuptiis) laute in plano juxta Licum fluvium ultra Augustam in loco, qui dicitur Concio legum (Suntheim, p. 804 Concioleje) in octava Pentecostes. Das Supplement zu Mon. Weing. Leibn. III, p. 658 fügt noch hinzu: Innumerabilem multitudinem undecunque coadunatam laute pavit. Arenpeck de Guelfis ibidem, p. 662: Convocatis fere omnibus Regni principibus, magnifice celebravit in loco, qui concio legum vocatur, ubi quondam Hungri succubuerunt. Ueber den Namen conciolegum oder vielleicht richtiger conciolegionum s. Böttiger Heinrich der Löwe, S. 40.

 

 

____

76 Zweiter Abschnitt.

 

Welchen Vertrag Lothar und Heinrich mit einander geschlossen, als sie ihre beiderseitige Hausmacht verbanden, unter welcher Uebereinkunft sie wechselseitige Hülfe sich zusagten, ist schwer nachzuweisen, und weichen die Angaben der Schriftsteller besonders über den Zeitpunkt einer Belehnung Heinrich's mit Sachsen ab. Während Einige dieselbe in spätere Jahre setzen, übertrug nach Andern der König seinem Schwiegersohne bald nach der Hochzeit nicht nur die Reichslehen, die er als Herzog verwaltet hatte, sondern auch alle die Afterlehen, die ihm von Bischöfen und Aebten verliehen worden, wogegen Heinrich seinen Beistand wider Friedrich und Konrad von Hohenstaufen versprach. Im Grunde ist es von geringer Wichtigkeit, ob jetzt schon oder in späterer Zeit Sachsen an Heinrich abgetreten worden 1), da diese Abtretung immer nur eine formelle war, weil Lothar in Wirklichkeit nicht eine Macht aus den Händen geben konnte, die seinen Thron stützte und seine Herrschaft unabhängig machte. Wenn also auch in Urkunden Heinrich der Titel eines Herzogs von Sachsen beigelegt wird, so ist daraus noch nicht zu schließen, daß der König sich der bisherigen Machtausübung in Sachsen entäußert habe, vielmehr bleibt es außer Zweifel gestellt, daß er bis zu seinem zweiten italienischen Feldzuge als König und Kaiser ununterbrochen die herzogliche Gewalt im Lande besessen, ja daß noch nach seinem Ableben Richenza einen Akt vollzogen hat, der nur dem obersten Landesherrn zustand. Auch Heinrich begnügte sich gewiß mit der formellen Belehnung 2) und der durch seine eheliche Verbindung mit Gertrud gesicherten Aussicht auf den künftigen Besitz der Lehen und Güter, die Lothar dereinst hinterließ und keinem lieber als dem Gemahl seiner einzigen Tochter vererben wollte. Der neue Schwiegersohn versprach dagegen dem Könige so viel Hülfe zu

 

1) Statt der sehr corrumpirten Worte bei Mon. Weing. a. a. O. wählen wir die aus Chron. Ursp. ad 1127: Quo facto (die Hochzeit) venit ad Imperatorem socerum suum apud civitatem Nuremberg et ibi Ducatum Saxoniae et omnia beneficia, quae Imperator ab Episcopis et Abbatibus habuit in beneficia, suscepit. S. Arenpeck, p. 662. Suntheim, p. 804 und noch spätere. Ann. Saxo, für Lothar Hauptquelle, hat davon nichts. Helmold, lib. I, cap. 54 zum Jahre 1136: Imperator, ordinatis rebus tam Slavorum quam Saxonum dedit Ducatum Saxoniae Henrico genero suo Duci Bavariae. Ebenso Alb. Stad. ad 1136. Es ist hier wol an eine Bestätigung der früheren Belehnung zu denken, und am gehörigen Orte davon zu sprechen.

2) Für diese sprechen Urkunden, in denen er als Herzog von Sachsen bezeichnet ist. S. Orig. Guelf. III. praefat., p. 16, Anm. a; Mascov. in den adnotat. ad res Loth. 325-27.

 

 

____

77 Vorkehrungen zum Kampfe gegen die hohenst. Brüder.

 

leisten, als er nach den Verhältnissen in seinem eigenen Herzogthum Baiern vermochte. Diese waren aber bedenklich und Gefahr drohend. Viele der baierischen Großen, an die frühere Schwäche der Landesregierung und ihre eigene Willkür gewöhnt, sahen mit Unwillen sich in dieser behindert und jene in starker Hand. Auch die - mehr scheinbare als wirkliche - Machtvergrößerung Heinrich's erweckte in ihnen Furcht. An der Spitze der Unzufriedenen stand der Advokat des Stiftes Regensburg, Graf Friedrich von Bogen, der es besonders übel empfand, daß ihm der Herzog in jener Stadt den frühern Einfluß beschränkt und seine Anhänger für insolente Handlungen bestraft hatte. Heinrich wollte aber auch den Haupträdelsführer aller Widersacher im Lande züchtigen und belagerte dessen Veste Falkenstein, als die Pflicht, die er gegen den König und Schwiegervater zu erfüllen hatte, ihn abrief 1).

 

Die Reichsereignisse waren aber folgende. Lothar hatte während seines Aufenthalts in Sachsen zu Anfang des Jahres 1127 eifrig die Zurüstungen zu einem neuen Feldzuge gegen die Hohenstaufen betrieben und bereits um Pfingsten zahlreiche Fürsten mit ihren Mannen bei Merseburg versammelt. Außer den sächsischen hatte sich auch Sobislav von Böhmen eingefunden, und das frühere Bündniß noch enger geschlossen 2). Von Merseburg brach der König nach Franken auf, weil er vernommen, daß die Stadt Nürnberg sich vom Reiche losgesagt, den Hohenstaufen sich angeschlossen und eine Besatzung derselben aufgenommen. Friedrich und Konrad hatten dazu keinen anderen Rechtsgrund, als den auf viele an sich gerissenen Reichsgüter geltend gemachten, daß sie als die Erben Kaiser Heinrich's IV. Alles, was dieser besessen, als das Ihre betrachteten. Bereits auf dem Reichstage zu Regensburg, 1125, war diesem ganz gesetzwidrige Verfahren der Satz entgegengestellt, daß Reichsgut nicht zu des Königs Privateigenthum gehöre, also auch nicht dessen Erben zufallen könne, sondern der Herrschaft des jedesmaligen

 

1) Chron. Ursp.: Licet autem in Bavaria haberet bellum contra quendam nobilem Fridericum Ratisponensis ecclesiae advocatum, cujus etiam castrum fortissimum Falkenstein obsidione cinxit, relictis tamen in obsidione militibus festinavit socero suo venire in auxilium.

2) Annal. Bosov., Chron. Sampetr., Contin. Pegav. ad 1127: Lotharius Rex apud Merseburg Pentecosten celebrans Udalricum Ducem Boëmorum in amicitiam recepit. Der Zusatz: et filiam ejus de sacro fonte baptismatis suscepit, gehört nicht hieher, sondern zu 1128.

 

 

____

78 Zweiter Abschnitt.

 

Reichsoberhauptes unterworfen bleibe 1). Mit Recht mußte also Lothar einer Reichsstadt zürnen, die nicht ihn, sondern die hohenstaufischen Brüder als ihre Herren anerkannte. Bei der überlegenen Macht, mit der er sich vor der Stadt lagerte, wäre die Eroberung gewiß leicht gewesen, wenn nicht mancherlei Umstände erst solches verzögert, dann zu einem ganz unerwarteten Ausgang geführt hätten. Die erste Verzögerung einer nachdrücklichen Belagerung wurde schon durch die Hochzeitfeier seiner geliebten Tochter Gertrud, der er vielleicht selbst beiwohnen, oder wozu er doch viele der mit ihm gezogenen Fürsten entlassen mochte 2). Ein Hinderniß unerfreulicherer Art war die Raubsucht und Wildheit der böhmischen Scharen, die anstatt die Stadt enge einzuschließen, sich lieber zügellosem Umherstreifen unter Brand und Mord hingaben und dadurch Freund und Feind erbitterten und in nutzlose Noth versetzten. Mit solchen Kriegern eine schöne und reiche Stadt einzunehmen, hielt wol Lothar selbst nicht für rathsam, und die Sachsen, voll alten Hasses und neuerdings genährten Grolles gegen die jetzigen Bundesgenossen, waren weder geneigt, gemeinschaftlich mit ihnen zu handeln, noch ihren Händen Sieg und Beute zu überlassen. Nur, um den Herzog Sobislav nicht zu beleidigen, behielt er das böhmische Hülfscorps einige Monate bei sich und entließ es, sobald die Zeit der zugesagten Heeresfolge verstrichen war 3).

 

1) Ann. Saxo ad 1127 erwähnt gerade bei dem Kampfe um Nürnberg, was eine weitere Anwendung fand: Henrico Imperatore decedente plurima castella et multa alia regni juris sui vindicantes temeraria potestate sub principatus sui conditionem hereditario jure usurpaverunt.

2) Der Erklärung Luden's (Gesch. des deutschen Volkes, X, S. 33 u. 559, Anm. 20) stimme ich insoweit bei, daß Lothar von Merseburg gen Nürnberg aufgebrochen (Ann. Saxo inde [die Zeit: Pfingsten, und Ort: Merseburg] adversus castrum Nurenberg expeditionem fecit.) und die Belagerung vor der Hochzeit bei Augsburg begonnen. Ob Heinrich in Merseburg, Lothar in Augsburg anwesend zu denken sei, lasse ich dahingestellt. Gewiß aber begleiteten die Braut viele sächsische Fürsten, die unter den convocatis fere omnibus Regni principibus nicht fehlen durften.

3) Otto Fris. de gest. Frid. lib. I, cap. 16: (Imperator) - adjuncto sibi Boëmorum duce Ulrico (Sobizlao) - obsidione clausit. Dux autem Boëmorum, eo quod Barbari, qui cum ipso venerant, nec Deum timentes, nec hominem reverentes, omnia vicina depopulando nec etiam ecclesiis parcerent, a Principe post aliquod tempus redire permissus est. Also Lothar entließ sie. Ann. Bosov., Chron. Samp., Cont. Pegav. ad 1127 geben die Zeitdauer an: Pervastata itaque omni circumposita regione per tres menses, Dux praedictus (Sobizlaus) cum suis ad propria revertitur.

 

 

____

79 Belagerung Nürnbergs.

 

Um einen Ersatz für die abziehenden Böhmen zu erhalten, war Heinrich von Baiern aufgefodert worden, bei der Belagerung der Stadt mit einem Hülfsheere zu erscheinen. Nicht unwahrscheinlich ist es, daß ihm als Lohn für diese Dienstleistung die - wenn auch nur formelle, doch jedenfalls wünschenswerthe - Belehnung mit Sachsen zugesagt und einige geistliche Lehen wirklich von Lothar abgetreten worden waren. Aber unvorbereitet auf einen solchen Kriegszug und der Wenigen, die noch um ihn kampfgerüstet versammelt waren, gegen einen rebellischen Vasallen bedürfend, brachte Heinrich außer seiner Person nur wenige Mannen mit 1). Davon wohlunterrichtet und zu einem kühnen Handstreich vorbereitet, zogen nun Friedrich und Konrad ihre streitbaren Haufen aus den Vesten, die vorläufig nicht gefährdet schienen, und manchen kriegslustigen Streiter, dem die Gelegenheit willkommen war, schnell zusammen, bahnten sich leicht den Weg durch das südliche Franken bis Nürnberg, und ließen schon durch vorausgeschickte Boten den Bürgern die Hoffnung baldigen Entsatzes verkünden. Ihr Plan wäre gewiß völlig geglückt, wenn die Freude und der Tumult nicht auch draußen den Belagerern zu Ohren gedrungen und die Ursache davon kund geworden wäre 2). Dies bewog den vorsichtigen König, lieber die Belagerung der Veste auf eine günstigere Zeit auszusetzen, als in einen zweifelhaften Kampf mit Gegnern sich einzulassen, deren Stärke er nicht kannte, und die selbst im Falle einer Niederlage in Nürnbergs Mauern einen sichern Rückzug nehmen konnten. Noch stand ein solcher ihm selber frei, wenn er gen Würzburg hin sich wendete 3), wo ihm einerseits der Weg nach den Rheingegenden offen blieb, andererseits die Verbindung mit Sachsen nicht abgeschnitten werden konnte. Ehe Friedrich und Konrad an dem den

 

1) Chron. Ursp. und Mon. Weing. in der vorhin angeführten Stelle sagen: relictis in obsidione (Falkensteins) militibus festinavit socero suo venire in auxilium. Von einer Mishelligkeit zwischen Beiden, die Luden, X, S. 34 zu verspüren meint, erkenne ich Nichts.

2) Otto Fris., lib. I, cap. 17. Itaque Fridericus Dux fraterque suus militem colligunt (das itaque geht auf den Abzug der Böhmen) ac data oppidanis die et signo, ipsi quadam die cum militia sua castro appropinquant. Quod videntes oppidani laetitiam cordis dissimulare non valentes in voces magnas et cantus prorumpunt.

3) Otto Fris a. a. O.: Princeps tutius judicans alio in tempore praefatum castrum obsidione cingere quam infidae fortunae fidei se incaute committere, obsidionem solvit ac per Babenberg transiens in civitatem Herbipolim se contulit.

 

 

____

80 Zweiter Abschnitt.

 

Nürnbergern angezeigten aber auch den Belagerern verrathenen Tage eintrafen, nahm Lothar eilig, jedoch in bester Ordnung seinen Rückzug durch das Bambergische nach Würzburg, wohin ihm vergeblich die Gegner nachfolgten, und im Uebermaß der Freude, weil sie dem unvermeidlich scheinenden Verderben Nürnberg entrissen hatten, wie nach einem erfochtenen Siege die sächsischen Ritter zum Zweikampfe, den König zu einer Schlacht herausfoderten. Obwol die Niederlage, die sie dem Gegner beigebracht zu haben wähnten, sich auf Zerstörung eines leergelassenen Lagers und Dessen, was die abziehenden Sachsen etwa als nutzlos zurückgelassen, beschränkte 1), so glaubten doch die Hohenstaufen und die sich ihnen angeschlossen hatten oder nun anschlossen, daß der Zeitpunkt gekommen sei, wo sie ihre vermeintlichen Erbansprüche wie an die übrige Hinterlassenschaft ihres Oheims Heinrich V., so auch an die von diesem getragene Krone noch einmal geltend machen dürften. Zwar nicht Friedrich trat diesmal als Kronprätendent auf, sei es weil er durch den Huldigungseid, den er Lothar geleistet, sich gebunden fühlte, diesen als König anzuerkennen, oder weil er sein mächtiges Herzogthum nicht, wie es doch hätte geschehen müssen, an einen andern abtreten wollte, um dafür ein sehr zweifelhaftes Reichsregiment, das erst dem von allen Reichsfürsten, der Kirche und den Nachbarvölkern anerkannten Könige abgenommen werden mußte, zu übernehmen, oder weil er seinen besitzlosen, ehrgeizigen, zu Allem entschlossenen Bruder in dem heißen Verlangen nach einem erwünschten Schmuck nicht beschränken und für die ihm so eben geleisteten Dienste, wodurch er einen Vertheidigungskrieg in einen, wie es den Anschein hatte, glücklichen Angriffskrieg umgewandelt hatte, belohnen wollte. Genug, dieser Bruder Konrad, noch vom Ruhme eines Kreuzfahrers und nun eines im

 

1) Otto von Freis., der offenbar nur die Thaten der Hohenstaufen in ein glänzendes Licht stellen will, läßt den wahren Vorgang gleichwol errathen; denn worin besteht nach ihm der Ruhm seiner Helden? Oppidani cum ingenti clamore descendentes castra jam vacua irruunt, et si quae ibi remanserant, diripiunt, dominosque suos (als solche erscheinen sie nur den Rebellen) cum magna laetitia suscipientes in castrum ducunt; duces oppidum ipsum victualibus aliisque necessariis muniunt, sicque Regem insequentes, illu in civitate manente, tyrocinium, quod vulgo nunc turiamentum dicitur, cum militibus ejus extra (es faßte Würzburg wol nicht das ganze Heer des Königs, oder es hatte außerhalb der Stadt ein Lager bezogen) exercendo usque ad muros ipsos progrediuntur. Liegt in diesem Waffenspiel die Bezeichnung eines Sieges, wie es mehre neuere Geschichtschreiber gesucht haben, ja nur ein Ruhm der Hohenstaufen?

 

 

____

81 Konrad's Erhebung zum Gegenkönige.

 

Sturm vorwärts dringenden Siegers umglänzt, noch durch keinen Eid dem während seiner Abwesenheit erhobenen Reichsoberhaupte verpflichtet, jung, rüstig, kühn, und weil er Großes erstrebte, auch dessen würdig scheinend, ließ durch seinen Bruder und einige Fürsten, die entweder durch Ueberredung und Versprechen gewonnen waren, oder aus Furcht, Haß und Neid gegen den sich übermächtig erhebenden Herzog von Baiern und somit gegen Den, der jenen so mächtig gemacht, den König selbst, Intriguen spannen, sich (am 17. December) zum Könige ausrufen 1) und hoffte, weil Lothar ihm Nürnberg lassen mußte, weil bald danach Speier, die Begräbnißstätte der fränkischen Kaiser und darum auch den Hohenstaufen ergeben, ihm die Thore öffnete, den eigenen Bischof vertrieb und Konrad's Besatzung aufnahm 2), daß in Kurzem das ganze Reich sich ihm unterwerfen werde. Doch wenige Tage nach seiner stolzen, vermessenen Erhebung 3) sollte er erfahren, wie die mächtigsten und einflußreichsten Fürsten und Prälaten diesem Schritte mit weltlichen und kirchlichen Waffen begegneten, und in Deutschland seinem Königthum ein schnelles Ende bereiteten.

 

Nicht aus Schwäche oder aus Furcht vor seinen Gegnern verweilte Lothar während des Winters (1127 auf 1128) in den Mauern von Würzburg, sondern weil er hier dem alten Streit um den Bischofsstuhl ein Ende machen, von hier, dem Mittelpunkte des Reiches, Freunde und Feinde beobachten, jene hier um sich versammeln, diese von jedem Vordringen und sich Festsetzen abhalten wollte. Unter den Kirchenfürsten standen die drei Erzbischöfe von Mainz, Magdeburg und Salzburg ihm besonders eifrig mit Rath und That zur Seite.

 

Gebhard, der einst durch Heinrich V. auf den bischöflichen Stuhl von Würzburg gelangt war, aber mehr noch durch seine eigene

 

1) Chronogr. Saxo ad 1127. Eodem anno XV. Kal. Januarii Conradus frater Friderici Ducis Sueviae regium nomen, machinantibus quibusdam principibus tyrannice sibi imposuit.

2) Otto Fris. a. a. O. setzt die Einnahme Speiers durch Konrad und Friedrich gleich nach Verfolgung des Königs bis gen Würzburg: Posthaec Rhenum transeunt, in Spirensique civitate, cujus populus eos ob fidelitatem Imperatorum, qui ibidem humati sunt, tanquam ejusdem sanguinis consortes devote susceperat, praesidia collocant. Ann. Saxo bemerkt bei der späteren Einnahme Speiers durch Lothar ad 1128: In qua ille (Conradus) suum praesidium, expulso Episcopo, collocaverat.

3) Ann. Bosov., Chron. Samp., Cont. Peg. ad 1127: Nimium inflatus superbia contra jus fasque regium sibi nomen usurpat.

II. 6

 

 

____

82 Zweiter Abschnitt.

 

Schwäche, als durch die Arglist seiner Gegner denselben verloren hatte 1), mußte jetzt gänzlich abdanken, und der König erhob mit Zustimmung des Erzbischofs Adalbert, des Domkapitels und aller anwesenden Geistlichen Embricho, bisherigen Propst in Erfurt zum Bischof von Würzburg, Als während der Weihnachtsfeier die Nachricht zu ihm gelangte, daß Konrad sich zum Gegenkönige habe ausrufen lassen, erzürnten Lothar und alle in Würzburg um ihn Versammelten heftig; da aber die Reichsacht gegen einen länderlosen Abenteurer wenig genützt hatte, erschien der Fluch der Kirche ein wirksameres Mittel gegen den Empörer und seine Genossen, und so sprachen Adalbert von Mainz, Norbert von Magdeburg und Konrad von Salzburg über den Majestätsbeleidiger den Bann aus, worin alle anwesenden Geistlichen einstimmten 2), und wovon sogleich das

 

1) Gebhard's eigener Bericht Cod. Udalr. 335 ist natürlich einseitig. Seine Behauptung, daß er nach dem Reichstage in Straßburg unter der Bedingung, daß er in Rom die Gnade des Papstes nachsuche, das Bisthum erhalten, widerspricht sich selbst, und die Schreiben Cod. Udalr. 327 und 28 zeigen, daß durch die Entscheidung zu Straßburg keineswegs Gebhard in Würzburg restituirt worden. Er selbst bezeichnet sein Schwanken. Hinc ultrici ira in perfidos illos provocabar. Quo et victus placatis amicis meis cessi clementiae a Domino expectans locum et tempus vindictae. Und doch behauptet er sich mit Waffengewalt in der Stadt. Was er von Lothar's Ankunft in Würzburg meldet, ist vollends entstellt: Dum in hujus itineris (nach Rom) negotio sum occupatus, nil minus suspicantem Rex et Episcopus (Adalbert) me sequuntur, civitatem me ignaro ingrediuntur, et quaecunque poterant, adversum me seditiose moliuntur. Daß Adalbert für einen anderen als den später erwählten Embricho war, dürfen wir Gebhard wohl glauben. Ottonem praepositum (der Gebhard's Hauptwidersacher unter den Domgeistlichen von Würzburg war, und schon 1122 sich nebst Rutger der Wahl Gebhard's widersetzte) ex desiderio promissae sibi pecuniae Episcopum inibi sublimare contendit. Lothar ward also in der Beförderung Embricho's keineswegs von Adalbert bestimmt, und wußte vielmehr alle Parteien in Jenes Erhebung zu vereinen. Chron. Samp. und Cont. Peg. ad 1128 sagen geradezu, daß Lothar Embricho zum Bischof erhoben. Rex - - Embrichonem Erphesfordensem Praepositum eidem civitati praefecit Episcopum, ejecto atque damnato Gebehardo illo, qui per vim jam dudum Episcopatum invaserat.

2) Ann. Saxo ad 1128: Rex natale Domini Wirceburg celebrat, ibique sinistro rumore percellitur: Conradum fratrem Friderici Ducis Alsatiae regium nomen usurpasse. Hac de causa Magdeburgensis et Moguntinus et Salisburgensis Archiepiscopi aliique plures, qui tunc aderant, Episcopi Conradum excommunicaverunt. Chron. Mont. Ser. ad 1127 hat: von den drei genannten Erzbischöfen et eorum suffraganeis excommunicatus (Conradus) et ab omni ecclesia anathematisatus est. Vergl. Chron. Samp., Cont. Peg., Mon. Peg. ad 1128. Daß auch die weltlichen Fürsten an Konrad's Verdammung Antheil hatten, meldet Adalbert dem Bischof Otto von Bamberg Cod. Udalr. 377: Excommunicationem, quam communicato fratrum et principum consilio, in invasorem regni fecimus, jam dudum fraternitati vestrae per literas nostras significavimus. Gewiß erließ man von Würzburg aus solche Schreiben an alle Fürsten und Prälaten.

 

 

____

83 Konrad's Erhebung zum Gegenkönige.

 

ganze Reich widerhallte. Fast kein deutscher Bischof stand auf Konrad's Seite, und wenn der würdige Otto von Bamberg auch den Fluch gegen den früher ihm befreundeten Fürsten nicht billigte, sein Kapitel die Mahnungen des mainzer Metropolitanen nicht beachtete, so erkennt man hierin den milden Mann des Friedens, der kein neues Reichsschisma durch leidenschaftliches, gleich zum Aeußersten schreitendes Verfahren der einen, aber auch nicht durch trotziges Erkühnen der anderen Partei veranlaßt wissen wollte 1).

 

Der ruhigen Mäßigung solcher Männer, wie Otto, nicht weniger als dem festen Zusammenstehen der gesammten Kirche verdankte es Deutschland, daß nicht, eine tiefaufregende Spaltung, wie einst in Heinrich's IV. Tagen, das Reich zerrüttete. Dem Könige Lothar gereichte es ebenso sehr zum Vortheil als zum Ruhme, wenn er das Vertrauen der Kirche sich bereits in dem Grade erworben hatte, daß nun geistliche Waffen für das Reichsoberhaupt sich erhoben, die seit mehr als 50 Jahren fast immer gegen dieses gerichtet gewesen waren. Ein gegenseitiges Interesse ließ während seiner ganzen Regierung dieses gute Vernehmen zwischen Reich und Kirche fortbestehen, und die dabei wachsende Macht des Königs ist Beweis genug, daß er die schädlichen Misgriffe seiner beiden Vorgänger zu vermeiden verstand. Konrad's Empörung, die nicht wie bei den Gegenkönigen Heinrich's IV. oder bei der gedrohten Absetzung Heinrich's V. durch einen Abfall der Fürsten, durch Unzufriedenheit der Völker, sondern allein von der Herrschsucht der Hohenstaufen, die keinem andern die Krone gönnten, hervorgerufen war, bot mehr eine Gelegenheit, sich im Reiche zu befestigen, dar, als daß sie eine Erschütterung seines Thrones bewirkt hätte. Thätiger als bisher sammelten sich Diejenigen, welche seine Wahl bewirkt, um ihn; daran schlossen sich Alle, die den Frieden, die Einheit des Reiches nicht

 

1) Adalbert ist freilich darüber ungehalten. Cod. Udalr. a. a. O.: Quoniam dubitamus, utrum ad vos pervenerint literae (audivimus enim, quod ecclesia vestra eas velit ignorare) mittimus iterum praesentes apices, monentes, ut quod fecimus nos, et vos faciatis et per omnes ecclesias vestras ipsum iniquitatis auctorem (Conradum) cum fautoribus suis a communione Christiana et omni divino officio arceri praecipiatis. Otto ließ sich dadurch wol nicht schrecken und bestimmen.

6*

 

 

____

84 Zweiter Abschnitt

 

mit den Wirrnissen und Schrecken früherer Tage, die noch lebendig in ihrem Andenken standen, vertauscht sehen wollten. Gegen diese überwiegende Zahl waren die Anhänger der Hohenstaufen gering, und wenn es auch außerdem noch Misvergnügte oder Widersacher im Reiche gab, die Lothar's Absichten nicht förderten oder gar hinderten 1), so wagte doch keiner der Letztern, an Konrad sich anzuschließen; und die Herrschaft dieses Schattenkönigs konnte in Deutschland kaum wenige Monate bestehen.

 

Nachdem es Lothar gelungen, die gesammte Geistlichkeit für sich zu gewinnen, in ihrer und der Fürsten zahlreicher Versammlung zu Würzburg den Spaltungen, die sowol in dieser Diöcese als im Reiche bestanden, durch zweckmäßige Rathschläge und Vorkehrungen zu begegnen, bedurfte er nicht erst eines großen Kriegsheeres, um den Rebellen Konrad zu bekämpfen. Seine ruhige, feste Haltung, unterstützt von der Bereitwilligkeit und offen ausgesprochenen Gesinnung der Reichsstände, vernichtete den Gegenkönig ohne Schwertschlag und Blutvergießen. Diesem boten nicht einmal die Schwaben und Elsasser Beistand. So mußte in seinem eigenen Bruder Friedrich die Besorgniß entstehen, daß die eigenmächtige Handlungsweise Konrad's 2) ihm, dem Herzog selber, die früher ganz ergebenen Völker abwendig machen werde. Mit ihm die Gemeinschaft aufzuheben, schien das Gerathenste. Konrad mußte nun allein sein Glück anderswo versuchen, wozu ihm Italien Gelegenheit bot. Dies Reich, das seit Heinrich's V. Abzug (1119) sich selbst überlassen geblieben, und fast in so viele Herrschaften sich aufgelöst hatte, als es Fürstenthümer, Diöcesen und Städte zählte, lud einen kühnen Abenteurer, der auf die Verwandtschaft mit dem einst so kräftig über die Halbinsel gebietenden Kaiserhause Ansprüche gründete,

 

1) Dazu gehörten damals vornehmlich der Erzbischof Friedrich von Köln, der Graf Raimund von Burgund, ein Graf Gerhard von Geldern, den wir später als Rebell kennen lernen werden, und der Herzog Gottfried von Nieder-Lothringen. Von keinem dieser ist aber bekannt, daß sie Konrad irgend welchen Beistand geleistet, oder ihm sich angeschlossen haben.

2) Die Ann. Bosov., Chron. Samp. und Cont. Pegav. ad 1128 sagen von dem Verfahren der Hohenstaufen gegen die Stadt Speier: Spira dolo capitur a Friderico et Conrado Ducibus. Daß nicht alle Bürger ihnen zugethan, und die Geistlichkeit in der Stadt ihnen entgegen war, geht aus der Vertreibung des Bischofs hervor, wovon freilich Otto v. Freis. nichts berichtet. Auch findet sich bei ihm nur eine kurze Erwähnung von Konrad's Erhebung zum Könige, in Chron. VII, cap. 17: Porro Conradus a fratre ac quibusdam aliis rex creatus Pyreneum per jugum Septimi Montis - - transcendit.

 

 

____

85 Konrad's Entweichung nach Italien.

 

zu dem Versuche ein, diese geltend zu machen. Wenn ihm genügte, sich als König genannt und einige Zeit auch anerkannt zu sehen, wenn er nicht ernstliche Anstrengungen und aufopfernde Bereitwilligkeit foderte, um für ihn Alles zu wagen, Alles zu erdulden, dem Beherrscher Deutschlands, dem Haupte der Kirche mehr als mit Worten Trotz zu bieten, und wenn er besonders ihren fast anarchischen Zustand unangetastet lassen und in ihren Privatfehden ihnen mit seinem Arm, seinem Muth und allen ritterlichen Tugenden, die er besaß, Beistand leisten wollte, war er den Lombarden willkommen.

 

Um welche Zeit Konrad Deutschland verließ, um in Italien ein vom Kaiserthum unabhängiges Königreich zu erringen, ist mit Bestimmtheit nicht anzugeben. Da er aber im Juni 1128 bereits bis Mailand vorgedrungen war und vorher andere Städte für sich gewonnen hatte, so ist sein Aufbruch über die Alpen wol schon in das Frühjahr zu setzen, etwa um die Zeit, als Lothar nach den Berathungen und Vorkehrungen, die er in Würzburg mit den Fürsten getroffen, zuerst nach Sachsen, dann nach dem Rhein sich begab, als dessen Schwiegersohn Heinrich von Baiern von seinen Staaten aus den Herzog Friedrich bedrohte, und diesen zu bekämpfen, als einmüthiger Beschluß von dem Reichsoberhaupte und den Reichsständen gefaßt war. Das Geschick der beiden Brüder, Konrad und Friedrich, erscheint nun mehre Jahre ganz getrennt und von ganz verschiedenen Interessen und Verhältnissen bestimmt, die nicht mehr von ihrer Wahl abhängen, sondern von Außen her ihnen eine Nothwendigkeit in ihrem Trachten und Handeln auferlegen. Wenn Friedrich indeß noch immer auf seine Macht gestützt sich der ihm Vernichtung drohenden Gewalt entgegenzustellen vermag, sehen wir Konrad als Spielball des Glücks, als Werkzeug fremder Bestrebungen und Intriguen, nicht als Haupt eines von ihm beherrschten Volkes, sondern als Popanz, wodurch ehrgeizige Geistliche und herrschsüchtige Städte den Papst oder den rechtmäßigen weltlichen Herrn zu schrecken beabsichtigen, bald in äußerem Glanze hoch erhoben, bald in Noth und Dürftigkeit versunken. Nicht leicht hat ein Fürst, der von der Natur mit manchen wirklich großen Eigenschaften ausgestattet war, aus falschem Ehrgeiz um eines leeren Titels willen eine traurigere Rolle gespielt, als Konrad während seines Aufenthalts in Italien. An äußeren Ehrenbezeugungen ließen es freilich Diejenigen nicht fehlen, welche in eigennützigen Absichten ihn herbeigerufen hatten oder den Ankömmling doch dazu gebrauchen wollten. Die Seele dieser vornehmlich dem römischen Stuhle feindlich gesinnten Partei war der Erzbischof Anselmus von Mailand,

 

 

____

86 Zweiter Abschnitt.

 

der 1126 dem wackern Ulrich gefolgt war und, weil er den nach der Hegemonie Oberitaliens strebenden Bürgern von Mailand schmeichelte, einen überwiegenden Einfluß in dieser Stadt und bei deren Verbündeten ausübte. Gerade damals hatten die Mailänder nach zehnjährigem verderblichen Kriege die vorhin blühende und mächtige Stadt Como erobert und zerstört und sahen in ihrem Siegesrausche sich schon als die Beherrscher der Lombardei an. Von Anselmus, im Beisein einiger anderen Geistlichen und gewiß auch mehrer Laienfürsten, wurde Konrad am 29. Juni zu Monza, dem alten lombardischen Krönungsorte, in der Kirche des heiligen Michael geweiht und gesalbt, ihm,als einem Nationalkönige die Krone Alboin's aufs Haupt gesetzt 1), und, nachdem ein festlicher Umzug von St. Michael nach St. Johannis stattgefunden, nach altem Brauche vor ihm das Hochamt gehalten 2). Von Monza führte der Erzbischof seinen Schützling und Schattenkönig 3) nach Mailand selbst, wo er

 

1) Cod. Udalr. 351, schreiben die römischen Konsuln an Lothar: Conradus ille Longobardiam ingressus Regnum Italicum nititur occupare. Otto Fris. a. a. O., nachdem er den Uebergang über den St. Bernhard (Pyreneum per jugum Septimi Montis, qua Rhenus et Aenus fluvii oriuntur) angegeben, fährt fort: Ubi a Mediolanensibus, qui tunc Comanum bellum per X annos pro afflictione populi utriusque civitatis miserrime protractum, capta ac deleta urbe, prospere consumarunt, honorifice suscipitur, ac ab eorum archiepiscopo Anshelmo, Modoyci, sede Italici regni, in regem ungitur. Bei Landulf Junior histor. Mediol., cap. 36, einem Zeitgenossen und Augenzeugen der Krönung wird dieser Rex naturalis genannt. Von dem Ort der Krönung Modoetia heißt es: qui est primus locus conronae Regis Italiae. Wenn auch Konrad selber nicht mit einem von Deutschland getrennten Königreiche sich begnügen wollte, so war doch den Lombarden an der Herstellung und Isolirung des alten lombardischen Königreichs viel gelegen, weil die Verbindung mit Deutschland ihnen eine Unterordnung erschien. Ihre anfängliche Bereitwilligkeit gegen Konrad, der in Deutschland nichts zu erwarten hatte, läßt sich aus diesem Gesichtspunkte erklären, wozu denn noch kam, daß, wie in politischer Hinsicht von dem Kaiser, so in kirchlicher vom römischen Papste viele lombardische Städte, vornehmlich Mailand, sich loszureißen suchten.

2) Land. Jun. a. a. O.: Ipse (Anselmus) - in Eclesia S. Michaelis, quae est Modoetiae, benedixit et unxit et coronam electo Conrado in festo S. Petri posuit, altero Episcopo astante Regi coronando. Der Verfasser erwähnt dann von sich: in quo facto ego quippe piger non fui, sed ante ipsum Pontificem ipsumque coronatum ab ecclesia S. Michaelis Pontificalem virgam in admirabili pompa per Dei voluntatem congregata ad honorem illius Regis usque ad ecclesiam S. Johannis bona cum voluntate protavi, et in St. Johannis Ecclesia solemniter cum Rege isto quam optimo missam audivi.

3) Bischof Litfrid von Novara nennt ihn Mediolanensium Idolum. S. Cod. Udalr. 354.

 

 

_____

87 Italien.

 

Klerus und Volk schon vorbereitet hatte, Konrad aufs Glänzendste und wie einen König ihres Stammes, ja ihrer Stadt, der sie dadurch einen Vorrang vor allen lombardischen geben würden, zu empfangen 1). Noch einmal wurde an geweihter Statte im Dome des heil. Ambrosius die Krönungsceremonie wiederholt 2).

 

Je mehr aber bei den Mailändern der aufflammende Enthusiasmus das Gefühl alter Größe und Herrlichkeit, worin einst das lombardische Reich geblüht hatte, hervorzurufen suchte, um so höher stieg die Erbitterung ihrer Feinde, die nicht von einer Stadt, die ihnen bisher gleich, ja minder angesehen als sie dagestanden, ein Joch des Stolzes und der Willkür tragen wollten, und da sie bald erkannten, daß Konrad nicht ein König der Lombarden, sondern nur der Mailander sein wollte oder sein durfte, wurden Mailands Gegner auch die seinen, und ohne gegen Konrad einen andern Grund der Abneigung oder für Lothar einen Zug von Hinneigung und Ergebenheit in sich zu fühlen, versicherten sie Letzterm, daß sie stets in pflichtschuldiger Treue verharren würden, und luden ihn ein, nach Italien herüberzukommen.

 

Wäre Konrad's Königthum einigermaßen gefahrdrohend für Lothar gewesen, so hatte dieser nicht zögern dürfen, den Gegner jenseits der Alpen aufzusuchen und durch Empfangnahme der Kaiserkrone in Rom der Welt zu beweisen, daß er der rechtmäßige und alleinige Herrscher sei, dem der höchste irdische Schmuck zukomme. Aber weder durch die Auffoderung der Städte Novara, Pavia, Placentia und Brescia, noch durch die Einladungen der Römer 3) ließ der König, der allein in Deutschland die Basis seiner Macht erkannte, sich in seinem Streben nach dem einen würdigen Ziele, das er während seiner ganzen Regierung fest im Auge behielt, unterbrechen und irre leiten; denn er sah mit Gewißheit voraus, daß ohne sein Auftreten in Italien der Schattenkönig Konrad in sein Nichts zurücksinken werde. Gegen Mailand mußten die lombardischen

 

1) Land. a. a. O.: Anselmus in castellis habitans intellexit, quod clerus Conradum cum ecclesiastica pompa et civili triumpho conveniente Regi naturali suscepit. Cum autem clerus et populus idem de coronando Rege ipso tractaret, Pontifex idem Anselmus a Leuco (seiner Veste) descendit ad Modoetiam. Anselmus, obschon er nur sein Interesse im Auge hatte, that doch, als ob er nur den Lombarden ihren Wunsch erfülle: Quasi consentiens communi omnium gentium (der Städte) voto.

2) Land. a. a. O.: Eandem solemnitatem coronationis idem Pontifex in Ecclesia S. Ambrosii, me alibi, non meo vitio, detento celebravit.

3) S. Cod. Udalr. 351 und 354

 

 

____

88 Zweiter Abschnitt.

 

Städte, gegen Anselmus der Papst kräftig einschreiten. An Letztern hatten wahrscheinlich schon die drei Erzbischöfe, welche über Konrad zu Würzburg den Bann aussprachen, Schreiben gesendet, worin sie die Beweggründe und eine Rechtfertigung ihres Verfahrens angaben; so brauchte Lothar selber nicht einmal des Papstes Beistand zu erbitten, da Honorius schon um der Kirche willen den Gegenkönig verdammen mußte. Bereits am Ostertage sprach derselbe und die ganze römische Geistlichkeit unter dem gebräuchlichen Auslöschen der Fackeln den Bann über Konrad, den Herzog Friedrich und Beider Anhänger, für Lothar aber erflehten sie des Himmels Segen, langes Leben, Sieg und ruhmvollen Frieden 1). Der Entschließung der päpstlichen Kurie pflichtete auch der römische Senat mit einer seltenen Bereitwilligkeit bei, und Papst und Vornehme, Klerus und Volk drückten in Schreiben an den König ihren gemeinschaftlichen Wunsch aus, daß er sobald als möglich zur Kaiserkrönung nach Rom kommen möchte 2). Wenn Lothar die aufrichtigen Gesinnungen des Papstes 3) auch nicht auf andere Weise als durch Versicherungen gleicher Freundschaft, durch die Erklärung, daß die Einigkeit und das gemeinsame Handeln beider Häupter der Christenheit nothwendig seien, zu erwiedern für zweckdienlich hielt, war er doch ganz sicher, daß sein Ausbleiben keine nachtheiligen Folgen in Italien herbeiführen, daß Honorius nie mit Konrad gegen ihn gemeinschaftliche Sache machen werde, so lange er jenen durch die deutsche Geistlichkeit für sich gewänne, und so lange Anselmus von Mailand der Schirmer des Gegenkönigs bleibe.

 

Und Lothar täuschte sich nicht. Kaum war Konrad zu Monza und Mailand gekrönt, so sandte der Papst den strenggläubigen Kardinal, Johann von Crema, nach der Lombardei, und ließ durch ihn

 

1) Ann. Saxo ad 1128: Conradus falso nomine Rex et Fridericus frater illius cum suis complicibus a Domino Honorio Papa in Paschali die, extinctis luminibus, a sancta Ecclesia damnati et excommunicati sunt. Lothario autem Regi expansis ad coelum manibus benedicebant, et eum collaudabant, vitam et salutem, pacem et victoriam ei a Domino optantes.

2) Cod. Udalr. Nr. 351: Nos in servitio et fidelitate Petri et Domini Papae Honorii persistimus et quod placeat ei amamus. - Nos de exaltatione tua ad regnum gaudemus, hoc optantes, ut quod de te bene inceptum est, citius annuente deo perficiatur.

3) Cod. Udalr. a. a. O. schreiben die Consules Romani et alii Principes: Certis experimentorum rationibus agnovimus, quod ipse Papa vera in Domino caritate personam tuam diligit et ad honorem tuum manu tenendum et exaltandum affectu paterno intendit.

 

 

____

89 Italien.

 

auf einer Synode zu Pavia den mailänder Erzbischof wegen jener eigenmächtigen Vollziehung einer nur dem Kirchenhaupte zuständigen oder mit dessen Genehmigung zu vollziehenden Handlung verdammen und entsetzen; und hatte dieser Schritt auch nicht gleich den gewünschten Erfolg, so blieb doch die nachtheilige Wirkung, die er für Anselm und Konrad haben mußte, nicht aus 1). Letzterer hoffte durch rasche Unternehmungen sowol die gereizte Stimmung der Mailänder sich zu Nutze zu machen, als auch seinem Ehrgeiz, der nicht mit der Herrschaft über eine Stadt sich begnügte, eine glänzende Bahn zu eröffnen. Um nicht allein von der Gnade Mailands oder Anselm's seine neue Würde abhängen zu lassen, suchte er als Erbe seines Oheims Heinrich's V. die Mathildischen Besitzungen, vornehmlich Thuscien an sich zu bringen. So lange kein mächtigerer Gegner, oder mehre verbunden ihm entgegentraten, war es leicht, glückliche Fortschritte zu machen. Mehre Fürsten und Städte Oberitaliens, die nicht Mailands entschiedene Gegner waren, erkannten ihn als Oberlehnsherrn und König an 2). Verlieren konnten sie durch ein Anschließen an ihn nichts, und von ihm sich Geschenke und Privilegien ertheilen zu lassen, versprach, wenn auch nicht augenblicklich, doch für die Zukunft manchen Vortheil, da sie Bestätigung der letztern Wiederholung ersterer zur Bedingung des Anschlusses an den jedesmaligen König von Italien zu machen hofften. Auf Kosten der Schwächeren oder minder Widerspenstigen wurde die Verbindung mit den Hohenstaufen geschlossen und ein Schein seiner Herrschaft unterhalten. An blutigen Auftritten, Kampf und Mord fehlte es nicht. Ein Markgraf Anselmus de Busco und ein anderer Großer werden vornehmlich als Opfer des Bürgerkrieges, den Konrad's

 

1) Landulf a. a. O.

2) Landulf a. a. O. erhebt die Thaten des Mannes, bei dessen Krönung er eine Charge bekleidet hatte, in Worten, deren wahrer Inhalt jedoch alles kleiner und unbedeutender erscheinen läßt: Hunc namque gradientem per Comitatus et Marchias Lombardiae et Thusciae Comites et Marchiones cujuscunque nobilitatis, viri potentes et humiles cum gaudio susceperunt et amaverunt. Das konnten freilich Hohe und Niedere ohne Nachtheil thun. Qui vero rebelles fuerunt, ejus acutissimi gladii fortitudinem senserunt atque mortem et confusionem, ceu Anselmus Marchio de Busco et illustris . . . Comes susceperunt. Alter, quorum Anselmus vitam et absolutionem suscepit per gratiam Mediolanensium, quibus in angustissimis proeliis campestris ceu, miles fortissimus profuit (Anselm war vermuthlich Konrad's Gegner, weil er durch diesen aus seiner Oberbefehlshaberstelle in Mailand verdrängt war. Die Mailänder waren großmüthig, weil Zeiten kommen konnten, wo Konrad fern und Anselm wieder ihr einziger Trost war.); alter vero Comes vel mortem sustinuit.

 

 

____

90 Zweiter Abschnitt.

 

Auftreten in Oberitalien veranlaßte, genannt; doch über den erstern behielten sich die Mailänder, wie auch wol bei andern Unternehmungen ihres sogenannten Nationalkönigs, die letzte Entscheidung vor. Nur wo ihr Interesse gar nicht ins Spiel kam, oder Konrad mit ihnen das gleiche verfolgte, durfte Letzterer frei gebieten. Das fühlte auch er. Um der Fesseln los zu werden, die der herrschsüchtige Anselmus, die das übermüthige Mailand ihm angelegt hatten, und doch unter dem Schein, Beiden einen Dienst zu erweisen, beschloß Konrad, rasch gegen Rom vorzudringen, in der Hoffnung, daß er die Stadt wie einst sein Oheim durch Bestechung und Gewalt sich unterwerfen, der ihm feindliche Papst unterliegen oder entweichen werde, wonach es denn bei ihm stände, Rom und Papst zu demüthigen, und Mailand und Anselmus durch seine Gnade zum erwünschten Ziele zu heben 1). Doch wie sein Ungestüm, seine verwegene Anmaßung dem Reiche angehörender Besitzungen weit von dem klugen Verfahren und dem kaiserlichen Rechtsanspruch Heinrich's V. entfernt waren, glich der entschlossene Honorius nicht dem schwankenden Paschalis, und Roms Große, Senat und Volk zeigten nicht wie damals Verrath und Ungehorsam, sondern treue Anhänglichkeit und entschlossene Folgsamkeit dem würdigen Hirten. Gänzlich scheiterte Konrad's Unternehmen; auf einmal sollte der Schimmer, welcher sein Königthum bisher noch umgeben hatte, verschwinden und ihm nichts als das Ansehen eines vermessenen Abenteurers lassen 2). Als solcher verweilte er noch einige Jahre in Oberitalien, nachdem die Fürsten und Landschaften, die ihm gehuldigt, wieder von ihm sich losgesagt oder doch jeder Dienstleistung sich entzogen hatten. Nicht einmal Mailand that etwas für ihn, und er selber im Unwillen hierüber, wenn nicht vielleicht in völligem Zerwürfniß mit den Bürgern oder dem Erzbischof, die ihre eiteln Hoffnungen auf ihn schwinden sahen, betrat die Stadt nicht

 

1) Eine Eifersucht und Rivalität Roms und Mailands ist nicht zu leugnen. Wir haben gesehen, wie sie unter Gelasius, als dieser statt in Rom in Mailand die erste Kirchenversammlung halten wollte, die Römer in Wuth setzte. Die Besorgniß, daß Mailand und sein Erzbischof über Rom und den Papst sich erheben möchten, brachte die große Einigkeit der Kurie und des Senats hervor.

2) Landulf a. a. O., der seines verehrten Gönners Erhebung und Thaten so rühmend erzählt, faßt dessen Sturz in wenig Worte zusammen: Sic benigne et fortiter agendo (d. h. in eines Andern als eines Lobredners Sprache: durch Bestechung und Gewalt) Romam appropinquavit. Sed fortis manus Honorii Papae ipsum resupinavit atque in Germaniam, quasi ad sua propria redire fecit. Dies erfolgte erst nach einigen Jahren.

 

 

____

91 Lothar stellt Ordnung und Ruhe her.

 

wieder, die einst im Triumph ihn empfangen, sondern lebte fast vergessen und in Dürftigkeit zu Parma, vergebens harrend, daß eine günstige Wendung des Geschickes ihm in Italien oder Deutschland noch einmal gegen Lothar aufzutreten gestatte 1).

 

Letzterer hatte unterdeß in Deutschland sein Ansehen, seine Macht, die Ehrerbietung gegen seine Person mehr und mehr gehoben, und dem einzigen ihm gefahrlichen Gegner, dem Herzog Friedrich, jede Erneuerung eines Angriffskrieges unmöglich gemacht. Als er von Würzburg, wo sein Aufenthalt fast ein halbes Jahr gedauert hatte, im Frühjahr 1128 nach Sachsen zurückkehrte, fand er die Ordnung und Ruhe in diesem sonst von Fehden nie frei gewesenen Lande durch kein Ereigniß von Belang gestört, und ein kurzer Aufenthalt reichte hin, um in weltlichen und Kirchen-Angelegenheiten das Nöthige anzuordnen 2). Damit neben dem Frieden im Innern auch der nach Außen durch den Nationalhaß zwischen Sachsen und Böhmen, welcher durch die Verbindung beider Völker vor Nürnberg eher gereizt als versöhnt worden war, keine Störung erfahre, ließ Lothar es sich sehr angelegen sein, den Böhmenherzog durch neue Banden der Pflicht und Zuneigung an sich zu ketten, in der ganz richtigen Erwägung, daß, wenn er und der Herzog in friedlichem und freundschaftlichem Verbande verblieben, auch ihrer beider Landsleute nicht feindlich und kampfgerüstet einander entgegentreten würden. Sobislav ließ sich gern bereit finden, und um durch eine wirksame Ostentation zu erhärten, was die Politik hier erheischte, sandte der Herzog seinen kleinen Sohn Wladislav zum Hoftage nach Merseburg, wo denselben der König in Gegenwart einer glänzenden Versammlung am Osterfeiertage aus der Taufe hob 3). Diese Taufhandlung in

 

1) Cod. Udalr. Nr. 354: Litfrid, Bischof von Novara, schreibt an Lothar: Conradus autem Mediolanensium Idolum, ab eis tamen relictum, qui arrepta fuga solum Parmae habet refugium, ubi tam pauper tamque paucis stipatus, viliter moratur, quod ab uno loco ad alium vix fama ejus extenditur.

2) Viele geistliche Stellen waren durch Todesfälle erledigt, wurden aber bald und ohne zwistige Wahlen wieder besetzt. So für Ripert Abbas Erfurthensis Werner Hirsaugiensis monachus. Auf Bischof Heinrich von Paderborn folgte Bernhard, auf Dietrich von Münster Werner, früher Propst zu St. Bonifacius in Halberstadt. Godebald's von Utrecht Nachfolger war der Propst Andreas von Leiden.

3) Dodechin ad 1128: Rex Pascha in Merseburg Regio ritu celebravit, ubi filium Ducis Bohemiae in Sabbatho sancto ad hoc ipsum directum, de sancto fonte suscepit. Anon. Chron. Bohem. apud Mencken III, p. 1698, fügt zu der gleichen Angabe noch: sibique (d. h. dem Knaben) Vladislai nomen imposuit. Dieser Taufe erwähnen die Annal. Bosov.; das Chron. Pegav., Chron. Samp. u. a. setzen fälschlich dieselbe ad 1127, in welchem Jahr allerdings Lothar in Merseburg Hof hielt, aber um Pfingsten, wo, wie wir gesehen, Sobislav mit seinem Heere zum Zug gegen Nürnberg sich eingefunden hatte. Ann. Saxo unterscheidet ausdrücklich von jenem Pfingst-Hoftage 1127 diesen um Ostern 1128, ohne jedoch der Taufe des böhmischen Prinzen zu erwähnen.

 

 

_____

92 Zweiter Abschnitt.

 

Sachsen, wobei die Großen des Landes die Taufzeugen abgaben, war wol geeignet, den Nationalhaß zu beschwichtigen, weil nicht nur der Täufling dadurch bei einem abgeneigten Volke mehr nationalisirt wurde, sondern auch von seinem Pathen eine Bürgschaft in Anspruch nehmen durfte, ihm das Land und die Herrschaft, die er einst erhalten sollte, zu bewahren, oder doch ungefährdet zu lassen.

 

Unfehlbar wurden zu Merseburg auch die würzburger Beschlüsse bekannt gemacht und eine Heerfahrt gegen die rebellischen Hohenstaufen und alle Widersacher des Königs beschlossen. Da Sachsen im Innern und nach Außen gesichert war, konnte Lothar bald nach dem Rhein und über diesen Strom ziehen. Das Pfingstfest feierte er zu Aachen 1); denn, ehe er nach dem Südwesten, dem Sitze der hohenstaufischen Partei, sich wendete, hielt er einen Aufenthalt in den nordwestlichen Gegenden für nöthig, um gegen den ihm abgeneigten Erzbischof Friedrich von Köln, den trotzigen Herzog Gottfried von Lothringen und den damals wol schon verdächtigen Grafen Gebhard von Geldern Maßregeln zu ergreifen und seine Freunde und Anhänger, zu denen vornehmlich Paginus oder Wolramus, der Sohn Heinrich's von Limburg, des ehemaligen Herzogs von Lothringen, Hermann von Cavelage, sein früherer Kampfgenosse im Kriege wider Kaiser Heinrich, seine Stiefschwester Gertrud oder Petronella und deren Söhne Dietrich und Florentius, zwei tapfere Jünglinge, auch wol der neue Bischof Andreas von Utrecht, der dem treuen Godebald gefolgt war, gehörten, zu nachdrücklichem Handeln aufzumuntern, falls die Abgeneigten gefährliche Schritte zu thun wagten. Erst in der Mitte des Jahres, um Johanni, erschienen er und der Erzbischof Adalbert von Mainz, unter dem sich die Contingente der rheinischen Prälaten, Fürsten und Städte gesammelt hatten, mit einer überlegenen Kriegsmacht vor dem vom Reiche abgefallenen Speier 2), dessen Besatzung, die der Gegenkönig Konrad darin zurückgelassen,

 

1) Ann. Saxo ad 1128.

2) Ann. Saxo ad 1128. Circa Nativitatem Johannis Baptistae expeditio Regis fuit contra Conradum invasorem Regni, obseditque eum Spirae, in qua ille suum praesidium collocaverat. Nur diese Besatzung natürlich lag in der Stadt, Konrad selbst war bereits in Italien und ward um jene Zeit von Anselm von Mailand mit der lombardischen Krone gekrönt.

 

 

____

93 Speier zeigt sich feindich gesinnt.

 

trotz dem, daß ihr lange Zeit zu Vertheidigungsanstalten gegönnt war, doch nicht langen Widerstand mit dem Schwerte leistete. Arglist und Betrug sollten den Mangel an Muth ersetzen. Kaum hatte Lothar, der mit Geiselstellung und einem Eidschwur, den die Vornehmsten der Stadt ablegten, sich begnügte und keine harte Verpflichtung dieser auferlegte, den Rückweg angetreten und (um Martini) sein Heer für diesen Feldzug entlassen 1) als seine Milde schlecht ihm gedankt wurde. Im Gefühl ihrer jetzigen Ueberlegenheit, und in der Voraussetzung, daß der König nicht sobald sie zum zweiten Mal bedrängen werde, verleugneten die Bürger jeden Vertrag, jede Verpflichtung, jeden Treuschwur und standen rebellisch wie vorher da 2). Die Eidbrüchigen zu strafen, gestatteten allerdings weder die vorgerückte Jahreszeit, noch die bedrohlichen Verhältnisse am Niederrhein; und diese letztern mochten den Speiern nicht verborgen geblieben sein und ihren Trotz verstärkt haben. Entgehen sollten sie aber der gerechten Züchtigung nicht.

 

Den Abtrünnigen und feindlich Gesinnten im Süden und Norden begegnete Lothar, wie es seiner Würde nicht weniger als seinem vorgerückten Alter geziemte, mit besonnener Ruhe und umsichtiger Thätigkeit, indem er nicht einen Punkt, sondern stets das ganze Reich im Auge behielt. Auf die mittlern Rheingegenden, wo die Hauptkraft des Reiches war, konnte er um so fester bauen, weil das Interesse des sonst so ränkevollen, herrschsüchtigen Erzbischofs

 

1) Ann. Saxo ad 1128 berichtet nur dieses, ohne der Folge zu erwähnen: Acceptis obsidibus cum juramento multorum Nobilium circa festum S. Martini discessit. Otto Fris., de gest. Frid. lib. I, cap. 17, berichtet über diese Belagerung von Speier: Princeps, juncto sibi Alberto Mogontino, obsidione circumdata, multos ibi dies consumens praevalere tunc non potuit. Warum nicht? Das verschweigt der Lobredner der Hohenstaufen eben sowol, als die spätere Eroberung der Stadt. Mit dem Wörtchen tunc weiß er geschickt auszuweichen. Albericus ad 1128 sagt auf Otto's Zeugniß: Longa obsidione urbem Spiram premit, sed tandem inefficax rediit.

2) Lothar scheint die Stadt noch nicht eingenommen, sondern mit der Bürgschaft der Stadt sich begnügt zu haben. Ann. Bosov., Chron. Samp., Cont. Peg. ad 1128: Rex eandem cum exercitu occupat, jamque capienda erat, sed pacem postulantibus Rex dextras dedit et obsidibus acceptis ab eis, dimissoque exercitu Rex abiit, at mentiti sunt, rursumque rebellant. Die Zeit der Belagerung nach Dodechin, p. 471: ab Idibus Augusti usque ad Kalend. Novembris, sodaß Ann. Saxo's Zeitangabe von Circa Nativitatem Joannis Baptistae bis Circa festum St. Martini wenig genau ist, oder die der ganzen Heerfahrt begreift, von der Truppenaushebung bis zu deren Entlassung. Erst am 11. November mochte letztere erfolgen.

 

 

____

94 Zweiter Abschnitt.

 

Adalbert enge mit dem seinen verknüpft war, und ebenso sehr ein Sieg der Hohenstaufen, wie ein überwiegender Einfluß des von ihm rivalisirenden Friedrich's von Köln, ihm die Suprematie über die deutsche Kirche verkümmert hätte; Lothar zu heben, ihm aber in seiner Kirchenherrschaft keinen Nachtheil zu bringen schien. Denn besaß auch Norbert mehr des Königs Vertrauen und Freundschaft, standen diesem der milde Konrad von Salzburg, der für das Wohl der Christenheit in den norddeutschen und slavischen Ländern thätige Albero von Bremen 1) näher, berechtigte der ehrwürdige echtchristliche Otto von Bamberg, der in jener Zeit zum zweiten Mal sein Bekehrungswerk in Pommern aufnahm 2), zu einer größern Hochachtung; so mußte doch der Mainzer ebenso schonend als vorsichtig behandelt werden, damit nicht der alte Fuchs ihn wie einst Heinrich V. hintergehe, und um irgend welchen verlockenden Preis an die Gegner verrathe, denen er allerdings durch seinen Beitritt, wenn er frühere Rücksichten, die eigene Ehre und des Reiches Wohl aus den Augen setzte, und wenn er den Mittler zwischen Hohenstaufen und den übrigen Widersachern des Königs machte, den ganzen Rheinstrom zuwenden konnte.Da Friedrich von Schwaben ihm bereits durch Heirath der Agnes von Sarbrück näher gerückt und verwandt war 3), bedurfte es von Seiten Lothar's Vorsicht und Klugheit, den Ehrgeizigen an sich zu fesseln. Worms, die einstmals den fränkischen Kaisern bis zur Aufopferung ergebene Stadt und nur, als es von Friedrich von Schwaben aufgereizt worden war, gegen Heinrich V. widerspenstig, war nicht dem Beispiele Speiers gefolgt und hielt fest zum Reiche. In ihren Mauern feierte der König jetzt das Weihnachtsfest und ergriff von hier aus gegen den eines zweideutigen Verhaltens und geheimen Verraths beschuldigten und auch wol überwiesenen Gerhard von Geldern entschiedene Maßregeln der Züchtigung. Bei Verlust seiner Güter sollte der Graf vor ihm erscheinen und sich, wenn er es könne, von der Anklage, die Hermann von

 

1) Nicht nur war Albero selbst sehr thätig in den Nordreichen, die seiner Verwaltung in geistlichen Dingen überwiesen worden, sondern förderte auch das Bekehrungswerk des eifrigen Vicelin, dem er legationem verbi Dei in Slavorum gente vice sua idololatriam exstirpandi zuwies (S. Helmold, Chron. Slav. lib. I, cap. 46) und zum Vorsteher der slavischen Missionsschule in Faldern machte (Ibidem I, 47).

2) Weitläufig handelt von dieser zweiten Bekehrungsreise Otto's der Anon. im ganzen dritten Buch seiner Vita S. Ottonis.

3) Nach Otto Fris. de gest. Fried. lib. I, cap. 21 fällt die Heirath dissensionis tempore zwischen 1126 und 1129, wahrscheinlich schon in ersteres Jahr.

 

 

____

95 Gottfried von Löwen.

 

Cavelage gegen ihn offen und vor den Fürsten erhoben, rechtfertigen 1). Der mit der Acht Bedrohte zögerte noch und hoffte vielleicht mit Beistand Friedrich's von Köln, und während der neue Abfall Speiers den König im Süden beschäftige, sich in seinem Lande gegen die Anhänger des Königs zu vertheidigen. Aber Lothar ließ ihm und seinem Helfer keine Zeit. Zu Anfang des Jahres 1129 erschien er in Köln, dessen Bürger ihm, wegen der einstmaligen Rettung ihrer Schiffe und ihres Heeres in Friesland dankbar verpflichtet, jederzeit bereitwillige Aufnahme gewährten und treue Ergebenheit bewiesen. Friedrich, der Erzbischof, noch immer feindlich gesinnt und jetzt Strafe fürchtend, war entwichen. Da hielt es auch Gerhard für gerathen, sich dem König auf Gnade und Ungnade zu unterwerfen. Mit einer Geldbuße von 1000 Mark, die seine Unterthanen und Vasallen, weil sie in gleicher Schuld verwirkt gewesen, hergeben mußten, erkaufte er Freiheit und Verzeihung 2).

 

Wie wenig Lothar trotz dem noch unbeendeten Kampfe gegen die Hohenstaufen und die Widersacher am Niederrhein Anstand nahm, auch noch andern Fürsten, die der schuldigen Verpflichtung oder Ehrerbietung gegen ihn nicht nachkamen, seine ganze Strenge zu zeigen, beweist sein Verfahren gegen den Herzog Gottfried von Niederlothringen, gewöhnlich nach seiner Stammbesitzung von Löwen zubenannt. Welche Beweggründe diesen zum Ungehorsam gegen den König brachten, ist nicht genau erweislich. Als einer der treuesten Anhänger Heinrich's V., dem er auch die Herzogswürde verdankte, mochte er gleich gegen Lothar's Wahl sich erklärt und die Huldigung, den Lehnseid und den Treuschwur verweigert haben. Neuen Anlaß zu offenen Feindseligkeiten gegen Anhänger und Schützlinge Lothar's gab jener Bischof Alexander von Lüttich, der einmal schon ganz Lothringen in Bürgerkrieg gestürzt hatte, ohne zu seinem Ziele, jenem Bisthume, zu gelangen. Er hatte dem päpstlichen Einspruch

 

1) Ann. Saxo ad 1129: Rex Natale Domini Wormatiae celebravit. Ubi Gerhardus de Gelre absens accusatus ab Hermanno de Cavelage, male in parte Regis sensisse inducias se expurgandi accepit.

2) Ann. Saxo a. a. O.: Rex festum Purificationis S. Mariae Coloniae celebrat, absente Archiepiscopo, qui tunc sicut et duobus superioribus annis inimicitias contra Regem exercebat. Ibi praedictus Gerhardus absque ulla conditione se in potestatem Regis tradit. Mille marcas pro ejus liberatione et gratia Regis impetranda sui spondent. Der Annalist, der Begebenheiten lose aneinander reiht, sagt nicht ausdrücklich, daß Friedrich's Abneigung und Gerhard's Empörung gegen Lothar im Zusammenhang gestanden. Daß ein solcher stattgefunden, dafür sprechen die Zeit und die Lokalverhältnisse.

 

____

96 Zweiter Abschnitt.

 

gegen seine Wahl, der Abneigung Friedrich's von Köln, der mächtigern Partei im Kirchensprengel selbst zweimal weichen müssen, und weder der Herzog Gottfried, noch der Kaiser Heinrich waren im Stande gewesen, ihn gegen seinen Nebenbuhler Friedrich, dann gegen dessen Nachfolger Albero zu halten. Erst als Letzterer mit Tode abgegangen, gelang es 1128 Alexander, anfangs zum Aerger vieler Geistlichen 1), den Erzbischof von Köln und später auch den Papst Honorius versöhnlicher und geneigter zu machen, sodaß sie ihm das Bisthum Lüttich zuerkannten, wogegen auch Lothar nichts einzuwenden fand und ihn mit dem Weltlichen belehnte. Der Friede aber, wie der König gehofft, kehrte in jene verheerten Gegenden nicht sobald zurück. Als Alexander von Rom, wo ihm ernste Ermahnungen wegen seiner früheren Simonie und sonstiger unkirchlichen Handlungen vom heiligen Vater ertheilt worden waren 2), nach Lüttich heimkehrte, legte er die Aenderung seiner Gesinnungen vornehmlich dadurch an den Tag, daß er von seinen frühern Anhängern sich zu der ihm früher feindlichen Partei wendete. Dadurch fühlten jene sich beleidigt, und vornehmlich zeigte ein Vasall des Herzogs von Lothringen, der Graf Giselbert von Dueren einen unversöhnlichen Zorn, und ließ diesen zunächst gegen das seinem Schutz empfohlene Kloster St. Tron aus, sodaß Alexander sich genöthigt sah, ihm alle Kirchengüter, die er von dem Stuhl zu Lüttich zu Lehn trug, abzusprechen und ihm durch ein Gericht weltlicher Landesfürsten auch die übrigen Besitzungen absprechen zu lassen 3). Diesem Urtheil nach Landesbrauch mochte

 

1) Der Abt Rudolf von St. Trou, in s. Chron. Abb. St. Trudonis bei d' Achery II, p. 702, äußerte sich also darüber: Ut lupus ad dilapsam sibi praedam omnem pudorem deique timorem postponere coepit, sed quid melius tacenta quam maledicenda in auribus hominum proferre volumus. Assecutus est, quod voluit. Quo modo? Sicut deus novit. - Res mira. Archiep. Colon. Fridericus, qui tanta in eum egerat antea, ab illo imbutus antiquitus vitiis avaritiae subtrahere se non poterat a servitio idololatriae per exercitium simoniae, quapropter a suis clericis agitatus ante Apostolicum Honorium Romam est invitatus. Die Erhebung Alexander's setzt Dodechin ad 1128.

2) Chron. Abb. St. Trud. p. 703: Alexander infuso sibi ab Apostolico Honorio vino salubris increpationis et oleo paternae commonitionis domum cum Abbate Rudolfo repatriat.

3) Chron. Abb. St. Trud., p. 703: Ut Comitatus et benefictum, quae habebat de Leodiensi Episcopatu proclamante Episcopo Alexandro a paribus ei abjudicaretur; also gehörte die Grafschaft nicht zu den Kirchenlehen, und konnte nur ein weltliches Gericht, das die pares, die Grafen des Landes, bildeten, ihm das Urtheil sprechen.

 

 

____

97 Gottfried von Löwen und Walram von Limburg.

 

Lothar seine Zustimmung geben; wenigstens sehen wir von dieser Zeit ab, Giselbert's Zorn gegen das Reich wie gegen Fürsten, Städte und Volk im Herzogthume, soweit sie nicht zu seiner Partei gehörten, zu einer wahren Wuth entbrennen 1). Herzog Gottfried aber, dessen Pflicht es gewesen wäre, ihn in die Schranken der Mäßigung und des Rechts zurückzuweisen, ließ Giselbert's Gewaltthätigkeiten nicht nur ungestraft, sondern leistete ihm darin noch Beistand. Lothar, durch das Benehmen des Herzogs gegen ihn selbst, durch dessen Verfahren gegen das lütticher Bisthum und vielleicht noch durch andere Gründe, die minder hervortreten, oder durch Beschwerden vieler lothringischer Großen und die Stimmung der Nation zu nachdrücklichem Einschreiten bewogen, lud ihn vor seinen Thron, und als Gottfried zu erscheinen sich weigerte, sprach er die Acht über den Herzog und ertheilte die Würde an den Sohn des von Heinrich V. entsetzten Heinrich's von Limburg, Walram oder Paginus, einen ebenso tapfern Krieger als sonst klug und kräftig bewährten Mann, der ohne seine Rücksichtslosigkeit gegen die Geistlichkeit und seine allzugroße Kampfeslust bei seinen Zeitgenossen schon das Lob erhalten haben würde, was ihm später die Nachwelt zollte 2). Diese Uebertragung Niederlothringens an den Mann, der längst eine Partei im Lande gegen Gottfried von Löwen unterhalten und die Würde seines Vaters wiederzugewinnen gestrebt hatte, erfoderte, gleichwie in Burgund nicht des Königs persönliche Einmischung in den Kampf, der nun sich blutig und verderblich im ganzen Lande erhob, und drei Jahre dauerte. Gleich Anfangs wandte sich das Glück auf des neuen Herzogs Seite und ein einziger Sieg brachte den größten Theil der Provinz, vom Rhein bis zum Getflusse, in seine Gewalt 3), doch die kirchlichen Wirren im Lande verhinderten,

 

1) Chron. Abb. St. Trud., p. 703: Seditionem movit in regno, scandalum in populo.

2) Golscher gest. Trevir. apud Eccad II, p. 2221, nennt ihn vir spectabilis et per cuncta commendabilis, quantum ad secularia atquem utinam tanto studio saluti suae aeternae, quanto gloriae temporali providisset. Das ist gewiß einem Zeitgenossen Walram's entlehnt. Wie dieser als Krieger gefeiert wurde, hat noch der lustige Schwank „von der Frauen Turnier“ aufbewahrt.

3) Ann. Bosov., Chron. Samp., Cont. Pegav. ad 1129: Dux Gotefridus de Bravantia a Rege deponitur, et Paginus pro eo Dux constituitur. (Das bestätigt auch Chron. S. Trud. a. a. O.) Cui Pagino ad peragenda Ducatus sui negotia descendenti Gotefridus cum armatorum multitudine occurit. Sed inito certamine idem Gotefridus fugam iniit, Paginus victor Ducatum a Rheno usque ad fluvium Getum obtinuit.

II. 7

 

 

____

98 Zweiter Abschnitt.

 

daß mit diesem entscheidenden Auftreten Walram's sogleich die Ruhe in diese gesegneten Gegenden zurückkehrte. Da sich der Bischof Alexander von Lüttich an ihn angeschlossen hatte, so suchte der entsetzte Klostervoigt von St. Tron, Giselbert, den Exherzog Gottfried, der in seinen Erblanden noch eine ansehnliche Macht behalten hatte, gegen jenen Kirchenfürsten und zur Verheerung der Kirchenbesitzungen anzureizen. Schonungslos ließen Beide die Kriegsfurie wider jeden Stand, jedes Alter, Geschlecht, Heiliges und Profanes los 1). Zwar schleuderte nun auch die Kirche ihren Bannstrahl gegen den vom Reiche Geachteten und Entsetzten 2), aber Gottfried, der von dem Grafen Dietrich von Flandern und seinen eigenen Vasallen kraftig unterstützt wurde, vermochte nur der tapfere Arm Walram's zu bändigen, der einerseits seiner Kampfeslust, andererseits aber auch der ihm als oberstem Landesherrn obliegenden Pflicht gern Genüge leistete. Vor Dueren, der Hauptveste des Grafen Giselbert, erhob sich ein heftiger Kampf, als der Bischof Alexander und der Herzog Walram ihren gegen Beide vermessenen Vasallen einschlossen und von der anderen Seite der Exherzog Gottfried mit seinem Verbündeten dem Grafen Dietrich von Flandern zum Entsatz der Veste heranzog. Der Sieg blieb auch diesmal auf der Seite Jener; über 400 Feinde wurden erschlagen, und kaum entkamen die beiden Fürsten durch die Flucht 3). Dennoch konnte die eingeschlossene Stadt

 

1) Chron. S. Trud. a. a. O. Rudolf gibt ein anschauliches Bild von diesem Kriege, vornehmlich freilich, soweit derselbe sein Kloster berührt, für welches er (Rudolf) den kräftigsten Beistand Alexander's von Lüttich, Stephan's von Metz und des Herzogs Walram in Anspruch nahm und dadurch auch die Schrecken des Krieges fern hielt. Diese schildert er: Monachorum et clericorum substantiis tam in villis quam in ecclesiis nunquam parcebant, omnem sexum, omnem aetatem, omnem ordinem captivantes diris cruciatibus usque ad mortem pro redemptione examinabant.

2) Chron. S. Trud.: His aliisque culpis exigentibus excommunicatur Lovaniensis Exdux et Comes Gislebertus cum suis omnibus.

3) Ebendas.: Obsidetur posthaec Durachium ab Episcopo Leodiensi Alexandro et Duce Limpurgensi Gualeranno, ad quod liberandum movit exercitum Lovaniensis Dominus Gotefridus et cum eo Flandrensis Comes Theodoricus (der zweite Nachfolger des ermordeten Grafen Karl, nach dessen Tode blutiger Kampf um Flandern entstanden war, in den sich die Könige von England und Frankreich mischten. Wilhelm, der sich behauptete, starb schon 1128, worauf Dietrich folgte. S. Albericus ad 1127 und 1128.) Durum commissum est praelium ante ipsum, pugnatum est acriter. Victi fugerunt Lovaniensis et Flandrensis Comites. Ceciderunt in isto praelio ex hostibus plus quam CCCC homines. - Anselmus Gembl. und Albericus ad 1129 setzen das Treffen septimo Idus Augusti feria quarta und schildern es noch blutiger, erwähnen Walram's und Dietrch's nicht, worüber der Abt Rudolf aber besser unterrichtet sein mußte. Tanta strages fuit, ut peditum utrinque octingenti et viginti quatuor insimul perirent, exceptis, qui fugientes in segetibus vel in silvis vulnerati perierunt et his, qui ad sua regressi incertis horis et diebus mortui sunt.

 

 

____

99 Bruno von Straßburg und Fridrich von Köln.

 

 

nicht erobert werden, weil bei der herannahenden Erntezeit (im August 1129) die zur Heerfahrt Aufgebotenen nicht länger im Lager verweilen, sondern jeder zur Bestellung friedlicher und bei dem großen Kriegsdrange höchst nothwendiger Thätigkeit zurückkehren mußte. Dadurch wurde aber der erfochtene Sieg fast erfolglos. Die geschlagenen Gegner konnten sich von der Niederlage erholen, neue Streitkräfte sammeln, die mindestens hinreichten, einen Raubkrieg, den verderblichsten von allen, zu unterhalten 1). Nicht eher hörten diese Leiden auf, von denen Lothringen heimgesucht wurde, als bis Gottfried und seine Anhänger, von dem weltlichen Arm gebändigt, bei der bisher von ihnen verfolgten Geistlichkeit Schutz suchten, um die noch erhaltenen Stammgüter zu retten, und durch Aufhebung des Bannes des ewigen Seelenheiles nicht verlustig zu gehen. Im Jahre 1131 kehrte mit dieser Aussöhnung der Friede im Lande zurück 2).

 

Wenn Lothar widerspenstigen und abtrünnigen Fürsten, wie den Beherrschern von Burgund und Lothringen in kräftigen Gegnern Gewalt entgegensetzte, so suchte er durch Waffen geistiger Art die Abneigung einiger Kirchenfürsten zu besiegen. Noch in diesem Jahre wurden zwei der bedeutendsten, die Jahre lang sich mindestens zweideutig, wenn nicht feindlich in ihrem Benehmen gezeigt hatten, Bruno von Straßburg und Friedrich von Köln, ersterer durch Vermittlung der Königin Richenza und einiger Geistlichen 3), letzterer

 

1) Chron. St. Trud. a. a. O.: Rediit circa castellum obsidio, sed diu teneri non potuit propter instantem messem in Augusto. Soluta est ergo, sed tyrannorum permansit dissolutio in igne et gladio. Sub tali calamitate et angustia - utpote qui tribus annis subjacuerunt hujusmodi passioni etc.; - das Magnum Chron. Belgicum, p. 136, erwähnt der drei gleichzeitigen Schismen zwischen den Päpsten Innocenz und Anaclet, den Königen Lothar und Konrad, item inter duos duces Lovaniensem et Limburgensem.

2) Chron. St. Trud., p. 704: Lovaniensis et Durachiensis Domini et qui cum eis erant excommunicati Leodium venerunt et Ecclesiasticam facientes satisfactionem absolutionem acceperunt et emendationem promiserunt. Itaque cessavit terra a bellis.

3) Dodech. ad 1129: Bruno Argentinensis Episcopus interventu Reginae et Episcoporum quadriennio expulsus gratiam regi consequitur. Bruno selbst in einem Scheiben an die Königin Cod. Udalr. Nr. 355: Materna pietate pressuris et laboribus meis subventistis et a persequentibus et calumniantibus me eruistis et sedem dignitatis meae injuste mihi eraptam suffragio vestrae pietatis restituistis. Vobis itaque post Deum debeo, quidquid sum, quidquid valeo, in tranquillitate et adversitate, magnus seu modicus semper vester ero.

 

 

____

100 Zweiter Abschnitt.

 

von und auf der zahlreichen Reichsversammlung zu Corvey 1) versöhnt. Von Beiden ist weder der Grund ihrer Feindschaft, noch wie sich diese geäußert habe, näher bekannt; doch mochte bei dem straßburger Bischofe eine Hinneigung zur hohenstaufischen Partei, bei dem kölner Eifersucht wegen der besondern Gunst, in der Adalbert von Mainz, Konrad von Salzburg, Norbert von Magdeburg, Albero von Bremen und mehre Bischöfe bei Hofe standen, im Spiele sein. Da es keinem von Beiden gelungen war, die Städte, welche den Mittelpunkt ihrer Diöcese bildeten, dem Könige und dem Reiche abwendig zu machen, vielmehr Bruno vier Jahre aus Straßburg verbannt lebte, Friedrich jedesmal Köln verlassen mußte, wenn Lothar in der Stadt Hof hielt, so zwang dies schon die Widerspenstigen, eine Aussöhnung mit dem Reichsoberhaupte nachzusuchen. Gern gab der König ihren Bitten und ihren Fürsprechern Gehör, gestattete ihnen die Rückkehr in ihre Hauptstädte, foderte aber, daß sie nunmehr Alles für ihn aufbieten, und der eine in den ober-rheinischen Gegenden, der andere in Holland, Flandern und Lothringen die Gegner des Reiches bekämpfen sollten. Dafür wirkte der König ihre Dispensation beim Papste aus, der Friedrich von Köln sogar mit Absetzung gedroht hatte 2).

 

Im Elsaß hatte bereits eine Partei unter den Grafen und Städten des Landes für Lothar sich erhoben und in Bekämpfung der den Hohenstaufen oder ihren Anhängern gehörenden Burgen Fortschritte gemacht. Die Königin Richenza scheint diese Unternehmungen von Straßburg aus geleitet zu haben 3). An sie hatte sich

 

1) Ann. Saxo ad 1129: Frequens Pincipum conventus fit apud Corbejam XVII Kal. Junii praesente etiam Rege, ubi Fridericus Colon. Archiep. interventu principum Regi reconciliatur.

2) Dies erhellt aus den Schreiben Anaclet's II. an Lothar, Cod. Udalr. 340, und des Papstes Innocenz II. an denselben; Cod. Udalr. 342.

3) Diese Anwesenheit Richenza's zu Straßburg folgere ich aus dem Schreiben Bruno's: Quid vero Deus a die discessionis vestrae per meam exiguitatem regno vestro contulerit. Und vorher: Si forte Dominus, qui vos provexit in regnum, qui dedit patribus (wol partibus) nostris salutem in manu foeminae, dignetur per piissimas lachrymas vestras ecclesiae pariter et regno consulere. Auch die Worte sedem meae dignitatis restituistis (S. Anm. 3 auf vor. Seite) bestärken Richenza's Aufenthalt in Straßburg.

 

 

____

101 Fürstenversammlung zu Corvey.

 

der verbannte Bruno gewandt, und sie stellte ihm wol als Hauptbedingung, unter der er wieder zurückkehren dürfe, daß er ihr und ihrem Gemahl seinen Beistand leiste. Bevor er vor Lothar erschien und die Belehnung empfing, stand er der Königin in Straßburg mit Rath und That zur Seite und machte sich dadurch ihres Vertrauens würdig. Nunmehr, als er völlig wieder zu Gnaden aufgenommen war, überließ ihm das Herrscherpaar, im Vertrauen, daß er ferner redlich und eifrig für sie sich bewähren werde, die Fortsetzung des Kampfes im Elsaß, doch nicht ohne daß sie anderen Getreuen ein wachsames Augenmerk auf alle Handlungen des Prälaten anempfohlen hätten, sodaß dieser, von Spähern umgeben, in seinen Dienstleistungen und Bemühungen für des Königs Sache sich doppelt anstrengen mußte, um zu genügen. Einige Zeit scheint er sich die Zufriedenheit Lothar's und Richenza's erworben und nicht ohne günstigen Erfolg gewirkt zu haben. Denn Manchen von den Edlen des Landes, manche Stadt, manche Veste gewann Bruno, und alle Gegner der Hohenstaufen schlossen zu einer nachdrücklichen Bekämpfung von deren Anhängern an den Bischof Bruno sich an 1).

 

Daß die zahlreiche Fürstenversammlung zu Corvey (16. Mai) noch andere Reichsangelegenheiten als die Aussöhnung des kölner Erzbischofs mit dem Könige ihrer Aufmerksamkeit und Berathung gewürdigt habe, ist mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen, doch fehlen uns alle Nachrichten, um die Gegenstände, welche zwischen Haupt und Gliedern des Reichs 2) verhandelt wurden, anzugeben. Die Absetzung und Aechtung Gottfried's von Lothringen, der neue Abfall Speiers, der noch unentschiedene Kampf gegen Friedrich von Schwaben

 

1) Bruno gibt dem Könige Bericht von Allem, Cod. Udalr. Nr. 365, woraus hier Folgendes herauszuheben ist: In vestro servitio sani et incolumes sumus, et quantum possumus, pro honore vestro laboramus, Itaque Comites N. et N. vestro servitio ascivimus et fide ac sacramentis et obsidibus acceptis pro captu humani ingenii, quantum potuimus, constrinximus. Castrum quoque N. licet cum aliquanto labore deo auxiliante pro vestro tamen consummavimus honore. Praeterquam Comes N. una nobiscum vestram certificat excellentiam, quod vita comite nostra civitas cum tota provincia sub fidelitate firmissima in vestro servitio permanebit, et pro honore regni certare non cessabit. - - Idcirco adhuc remansit, quare ipsis et reliquis vestris fidelibus magis necessarium visum est castra inimicorum vestrorum evertere et exstirpare etc. Schließlich bittet er: Si quis delatorum sinistrum quid vobis suggesserit, non illius verbis, sed nostris operibus credatis.

2) Nach Ann. Saxo's Worten scheint es fast, als sei diese Versammlung von den Fürsten aus eigenem Antriebe berufen worden, um dem Könige in seiner schwierigen Lage zum kräftigsten Beistande sich anzubieten.

 

 

____

102 Zweiter Abschnitt.

 

boten vielfachen Stoff zu Berathungen und erfoderten nachdrückliche Schritte, die gethan werden mußten, und wozu einmüthige Zustimmung der Fürsten, wirksame Vorkehrungen und schleunige Ausführung Hauptbedingungen waren. Wider den letztgenannten Gegner hatte zwar der Bannstrahl des Papstes und der deutschen Erzbischöfe sich insoweit wirksam bewiesen, als außerhalb der Grenzen seines Herzogthums in Deutschland kein Verfechter seiner Sache auftrat, kein Verbündeter ihm die Hand bot, und selbst in Elsaß und Schwaben Anhänger des Reichs und des Königs seine Burgen und Städte bedrängten, und er nur mit Anstrengung und durch die Treue seiner Vasallen und Unterthanen sich gegen diese Dränger vertheidigen konnte. Für Schwaben trug er die meiste Sorge, einmal, weil es das wichtigste seiner Herzogthümer war, dann auch weil er einen mächtigen, kriegserfahrenen Gegner in seiner Nachbarschaft hatte, dem außer seinem Reichslehen Baiern große Stammgüter in Schwaben selbst, der Wiege seines Geschlechts, angehörten, und der durch letztere als gefährlicher Feind in Friedrich's eigenem Herzogthume dastand. Daß es sein eigener Schwager, sein Jugendfreund und ehemaliger Kampfgenosse war, minderte die Gefahr nicht; denn seit Heinrich von Baiern des Königs Eidam geworden und Friedrich von Schwaben zu einer neuen Ehe mit Agnes von Saarbrück geschritten war, hatten die frühern Banden sich gelöst, und das Verhältniß beider zum Reichsoberhaupte entschied ihre Stellung zu einander mehr als jedes andere. Noch in demselben Jahre, wo Heinrich die Vermählung mit Gertrud vollzogen hatte 1) war er als Gegner der Hohenstaufen nicht nur bei Nürnberg aufgetreten, sondern hatte auch einen Heereszug nach Schwaben gemacht, und eine für dies Land gefährliche Stellung unfern der Donau am Flüßchen Wernitz eingenommen. Dieser feindliche Einfall in Schwaben war es gewiß, der die hohenstaufischen Brüder, die damals den König in Würzburg vergebens belagert hatten, zurückrief, und, um dies zu bewirken und Lothar freie Hand zu verschaffen, allein von Heinrich unternommen worden. Denn kaum nahten die verbündeten Brüder, als vor ihrer überlegenen Macht der Baiernherzog sich zurückzog, ohne auch nur ein Zusammentreffen mit ihnen

 

1) Wenn der Mon. Weing. in seiner hist. de Guelf., Leibn. I, p. 780, nach der Hochzeitfeier berichtet: Eandem (Gertrudem) in partes istas adduxit et in castro Ravensburg usque ad autumnum stare constituit, möchte man vermuthen, daß im Herbst der Zug Heinrich's nach Schwaben stattgefunden, und er bei der Rückkehr seine Gemahlin mit sich nach Baiern genommen habe.

 

____

103 Heinrich von Baiern.

 

abzuwarten 1). Dies zu vermeiden, fand Heinrich für nöthig wegen der unbedeutenden Zahl seines Heeres, und, was der Grund dieser Schwäche war, wegen des Krieges, den er mit rebellischen Vasallen in seinem eigenen Herzogthum Baiern zu bestehen hatte. Immer noch stand hier Graf Friedrich von Bogen, der Advokat von Regensburg, an der Spitze der unzufriedenen Großen, die sich in Heinrich's strenge Anordnungen nicht fügen und die sonstgewohnten Räubereien und Fehden fortsetzen wollten. Heinrich aber durfte gegen diese Widerspenstigen am wenigsten von der Strenge nachlassen, die er bisher den Großen des Landes gezeigt, weil der Graf Friedrich ihn persönlich beleidigt und an einem Dienstmanne des regensburger Stiftes, der dem Herzoge mit Eifer und Treue in allen Landesangelegenheiten Beistand geleistet, einen arglistigen Mord verübt hatte 2). Bei dieser Lage der innern Verhältnisse war es schwer, der Verbindlichkeit gegen den König und Schwiegervater nachzukommen; denn ein Kampf wider Friedrich von Schwaben verhinderte nicht nur eine baldige Beseitigung und Unterdrückung der Empörung in Baiern, sondern drohte, dieser Nahrung und auswärtige Unterstützung zu gewähren.

 

1) Otto Fris. de gest. Frid. lib. I, cap. 18 gibt die Zeit nicht an, die aber aus den Worten erhellt: ob gratiam Principis, cujus filiam Gertrudim noviter in uxorem duxerat, Friderico Duci - - bellum indicit. Was Mon. Weing. und Arenpeck ausdrücken: Ibidem (vor Nürnberg) pollicetur Imperatori auxilium contra Fridericum Ducem Suevorum et Conradum fratrem ejus. Es kann dies nur auf 1127 bezogen werden. Otto Fris. fährt fort: Coadunato ex Bojoaria non parvo milite Alemanniam ingressus non longe a Danubio super fluvium Werenza dictum tabernacula locavit. Quo comperto saepe dicti Duces (Friedrich und Konrad) et ipsi militem colligunt, nec longe ab eo castra metantur. At Dux Noricorum missis exploratoribus, quod hostium robur sit, inquirit. Quibus redeuntibus et ea, quae viderant, enarrantibus, suos consuluit, quidque facto opus sit, requirit. Illi incautum fore, si hostes expectentur judicantes fugam consulunt. Tanta ergo cum festinatione Norici hostes tanquam sibi jam imminentes declinaverunt, ut pontes, angustias suspectas habendo in infidis praedicti amnis procellis, qui ex multitudine imbrium plus solito excreverat, incaute se committerent, ipsoque non tam transvadendo quam transnatando periculoso transmisso ad propria cum rubore remearent. Von Verlust ist ebenso wenig die Rede, als vom Kampf; deshalb in der ganzen Beschreibung des Rückzugs viel Uebertreibung und leere Worte. War Heinrich's Absicht nur, die Gegner aus Franken abzuziehen, so war hier kein Kampf nöthig.

2) Mon. Weing. a. a. O.: Unum ministerialium Ecclesiae, qui Duci omni fidelitate in civitate et extra astabat et ministrabat, dolo vocavit ad se, invitatum vita privavit.

 

 

____

104 Zweiter Abschnitt.

 

Bald darauf geschah nun die Trennung der beiden Brüder Friedrich und Konrad, nachdem Letzterer durch die unkluge Annahme des Königstitels die bisher erlangten Vortheile wieder verloren. Der Bannstrahl der Kirche trieb ihn über die Alpen und gestattete dem älteren Bruder nicht mehr, außerhalb der Grenzen seines Herzogthums Verbündete und Vertheidiger zu suchen, da die Fürsten und mehr noch die Prälaten des Reichs dem rechtmäßig erhobenen Herrscher in Worten und Thaten kräftigen Beistand leisteten. Die Vernichtung Friedrich's, die Eroberung Schwabens konnte indeß nur Heinrich gelingen, und scheint dieser von König und Reich bereits von Würzburg aus dazu aufgefodert zu sein. Wenigstens begab er sich abermals in seine schwäbischen Besitzungen, von denen, da sie aus der Grenze Deutschlands und Italiens lagen, nicht nur ein Angriff gegen Friedrich leicht auszuführen war, sondern auch am besten verhindert werden konnte, daß nicht Konrad, wenn er in Italien glückliche Fortschritte machte, seinem Bruder zu Hülfe zöge 1). Doch ohne große Heeresmacht war beides nicht auszuführen, und eine solche aus Baiern herbeizuziehen, gestatteten die Zustände in diesem Lande nicht. Konrad freilich erschien bald wenig gefährlich, und von Friedrich hoffte und wünschte Heinrich, daß er dem Willen des Königs, der Kirche und der Fürsten nicht lange Trotz entgegenstellen, und daß es ihm selber, als dem geeignetsten Vermittler zwischen dem ehemaligen Schwager und dem jetzigen Schwiegervater, gelingen werde, den Frieden im Reiche herzustellen. Lothar's sonst so gemäßigte Gesinnung ließ ihm das Werk leicht erscheinen und auch auf Friedrich's Bereitwilligkeit und Nachgiebigkeit glaubte er rechnen zu dürfen, seit derselbe von dem allzu vermessenen, ehrgeizigen Bruder sich losgesagt hatte. Er schickte also an den Schwabenherzog Boten, ließ ihn freundschaftlich mahnen, in des Königs Gnade zurückzukehren, da es betrübend wäre, daß Friedrich einem so edeln und auf des Reiches Wohlfahrt allein bedachten Herrscher die schon so schwere Regierung noch schwerer mache. Wolle der Herzog des Königs Auffoderungen und Mahnungen nachgeben, so werde er in ihm, dem Bruder seiner verstorbenen Gemahlin, einen getreuen

 

1) Otto Fris. de gest. Frid., lib. I, cap. 19: Alio inde tempore praedictus Dux Heinricus Alemanniam ingressus ad propria ibi domicilia se contulit. Erat enim natione Alemannus, ex antiqua et nobilissima Guelforum familia originem trahens ac per hoc multas possessiones ex ea parte, qua Pyrenaeos montes attingit Alemannia, jure hereditario habens. Die Pyrenäen sind bei Otto von Freis. immer das Grenzgebirge zwischen Deutschland und Italien.

 

 

____

105 Heinrich als Friedensvermittler zw. Friedrich u. Lothar.

 

Friedensvermittler finden. Um sich darüber Angesicht gegen Angesicht wie Freunde und Verwandte zu besprechen, lade er Friedrich ein, mit ihm an einem bestimmten Tage im Kloster Zwifalten zusammenzukommen. - Auf diesen Vorschlag Heinrich's soll nun Friedrich bereitwillig eingegangen sein, an dem verabredeten Orte sich eingefunden haben. Dürfen wir auch dies nicht für unwahrscheinlich halten, so erregt doch der darauf folgende Vorfall, wie ihn der Berichterstatter - Otto von Freisingen, der beredte Lobredner der Hohenstaufen - überliefert hat, gerechten Zweifel, da er in den reinen Charakter Heinrich's einen diesem sonst so fremdartigen Zug der Treulosigkeit, des Verraths, ja eines schnöden Mordanfalls zu bringen sucht, der dadurch uns nicht wahrscheinlicher gemacht wird, daß jener Schriftsteller behauptet, er dürfe nur hier bei Heinrich und sonst nicht wieder bemerkt werden. Dieses ihm einräumen, heißt aber sein Lob des Herzogs ebenso zweideutig aufnehmen, als er es aus Vorliebe für seinen Verwandten Friedrich hinstellt 1). Heinrich soll nämlich insgeheim den Ort, wo Friedrich übernachten wollte, haben auskundschaften und nach Sonnenuntergang umzingeln lassen. Als der Schwager erkannt, daß man gegen ihn einen verrätherischen Anschlag im Schilde führe, sei er aus seinem Schlafzimmer durch einen zufällig entdeckten Gang in die Kirche entflohen, und in einem daranstoßenden Thurm allen Nachforschungen der Feinde entgangen. Am folgenden Morgen, als seine Getreuen auf eine dunkle Kunde von dem Verrath herbeigekommen und die Baiern im Begriff gestanden, das Kloster niederzubrennen, habe Friedrich aus seinem Schlupfwinkel hinausgerufen: „Treulos hast du Herzog an mir gehandelt, und Dich Dem, der friedlich und vertrauensvoll Dir nahte, feindlich und verrätherisch bewiesen, wovon weder die Ehre Deines Namens, noch das Andenken an unsere Verwandtschaft Dich abhalten konnte. Um nicht Böses mit Bösem zu vergelten, rathe ich Dir, meine Getreuen, die zahlreich herbeieilen, nicht abzuwarten 2).“

 

1) Otto Fris. a. a. O. Heinrich heißt hier: Vir per omnia laudabilis tam animi quam generis nobilitate insignis, in hoc solo facto tantum reprehensibilis. Dann folgt die Einladung nach Zwifalten, der Friedrich Folge leistet und Heinrich's Verrath. Zum Schlusse bringt Otto für diesen eine Entschuldigung Anderer, um uns, wie es offenbar seine Absicht ist, denselben besser glauben zu lassen: Excusatur a quibusdam hoc factum Ducis non solum ex hoc, quod eo in tempore inimici fuerunt, juxta illud: Dolus an virtus quis in hoste requirat? sed ex eo, quod pro fidelitate regni et reipublicae quiete principi eum tradere pacemque imperio instaurare volens hoc fecerit.

2) Die Worte selbst tragen schon den Stempel einer erdichteten, ausgeschmückten Erzählung an sich: Ille vero (Heinricus) non simpliciter ambulans, quo loco nocte cubare vellet, latenter exploravit. Itaque sole ad inferius hemisphaerium descendente, cum tenebrosis mentibus tenebrarum opportunitas se offerret, cubiculum, in quo Dux jacebat, circumdatur, et quod non amicus sed ut hostis advenerit, re et voce aperitur. Quid faceret? quo se verteret? arma corriperet? sed pene nullum, quo juvaretur, habuit. Fugeret? sed nullum cubiculi meatum sciens fugae praesidium non invenit. Dolum itaque cognoscens ad divinae tantum gratiae se vertit adjutorium. Qua opitulante per abdita quaedam cubiculi penetralia tunc sibi primo quasi coelitus ostensa ecclesiam introivit, turrim, quae ecclesiae contigua erat, ascendit. Hostes cubiculum irrumpunt et non invento Duce claustra etiam monachorum ingrediuntur, cunctas officinas ipsorum ferro perscrutantur. Phoebo ab inferis redeunte superioremque aëris regionem illuminare incipiente, vincini quique fideles Ducis jam teterrimo cognito facto aggregatim in adjutorium ejus advolant. Hostibus adhuc secretiora claustri rimantibus ignemque minantibus Fridericus suos de turre adventare prospiciens jam securus factus Henricum Ducum exposcit, eumque sic effatur: Contra fas, bone Dux, fecisti, qui me in pace vocatum pacis non ferens signa inimicum te potius quam amicum ostendisti. Nec te ab hoc facto propriae famae revocavit honestas (Man sieht, wie Otto das dem Herzog Heinrich gespendete Lob benutzt, um es im Munde Friedrich's als härtesten Vorwurf gegen jenen erscheinen zu lassen.), nec carnis, qua conjungimur, affinitas. Ne autem malum pro malo reddere videar (recht grob wird nun die edle Gesinnung des Hohenstauffen von diesem selbst zur Schau gestellt) te tanquam amicum fideliter admoneo, ne fideles meos, quos undique adventare censeo, expectes. Wenn diese abgeschmackte, ganz unglaubliche Erzählung auch noch in unserer mehr kritisch sichtenden Zeit von Schriftstellern, die man hohen Lobes gewürdiget hat, als authentische Quelle benutzt werden konnte, ist dies nur erklärlich, weil man durch den Namen des erlauchten Geschichtsschreibers, der allerdings durch seine Darstellungsweise anzieht und, wo sein Parteiinteresse, seine Schmeichelsucht gegen den Kaiser Friedrich Barbarossa nicht ins Spiel kommt, Anerkennung verdient, sich blenden ließ, oder weil man mit ihm dasselbe Streben verfolgte, nämlich, das hohenstaufische Haus über jedes andere Fürstengeschlecht zu verherrlichen.

 

 

____

106 Zweiter Abschnitt.

 

Demnach hätte Heinrich nur Schimpf und Schande bei diesem Friedensvermittelungsversuch gefunden. Doch gerade in seiner Gesinnung gegen Friedrich steht Herzog Heinrich durch ein späteres Schreiben an den König, das eine ebenso vertrauliche als aufrichtige Aeußerung enthält, völlig gerechtfertigt da, und darf uns hier der Bischof von Freisingen, der erstlich viel später lebend ein vages Gerücht für Wahrheit nahm und ausschmückte, und der zweitens bei seiner parteilichen Vorliebe für die Hohenstaufen niemals ansteht, den Ruhm anderer großer Männer preiszugeben, nicht als Gewährsmann dienen, - Daß die Unterhandlungen zu Kloster Zwifalten kein erwünschtes Resultat für beide Parteien herbeiführte, lag wol darin, daß Heinrich auf unbedingte Unterwerfung und Ergebung in des

 

 

_____

107 Lothar's Kampf gegen Friedrich.

 

Königs Gnade drang, und Friedrich's Stolz im Vertrauen auf seine starken Vesten und Städte in Schwaben und Elsaß solche Bedingungen zurückwies, was bei den Umgebungen beider Fürsten einen wechselseitigen Haß hervorrief, der leicht zu mancherlei Anschuldigungen von Arglist und Verrath geführt und Otto's von Freisingen Mährchen veranlaßt haben mag.

 

Das Schwert mußte also den Kampf zwischen Lothar und Friedrich, oder zwischen dem neuen und dem alten Herrscherhause, oder, wie wir ihn schon nennen dürfen, zwischen Welfen und Hohenstaufen entscheiden. Nicht, wie später in Italien, hatte ein von Geschlecht zu Geschlecht vererbter, unversöhnlicher Familienhaß diese Parteien, die länger als ein Jahrhundert Deutschlands Schicksal bestimmten, hervorgerufen, sondern allein die Verhältnisse, die Zeitumstände riefen Fürsten zum Kampf wider einander, die durch mancherlei Banden sich zu einander gezogen fühlten, sodaß sie ohne jene äußere Nothwendigkeit, bei einer anderen Gestaltung der Reichsverhältnisse sich enge angeschlossen, geehrt und geliebt hätten. Wie die Ursache war auch der Fortgang des Kampfes meist leidenschaftslos, besonnen und keineswegs auf Vernichtung des Gegners, sondern nur auf seine Bewältigung abzielend.

 

Der König, der nach dem Reichstag zu Corvey noch einmal zu Goslar eine große Fürstenversammlung gehalten und bis zur Mitte des Sommers 1129 in Sachsen verweilt hatte 1), besonders

 

1) Schaten in den Ann. Paderborn. p. 720, Orig. Guelf. II, p. 496, Menck. III, p. 1014, geben die Urkunde Lothar's datum Idibus Junii Anni 1129, worin die Erzbischöfe von Mainz, Bremen, Magdeburg, Salzburg, die Bischöfe von Hildesheim, Minden, Münster, Paderborn, Zeiz und Merseburg, Pfalzgraf Friedrich von Sommerschenburg, Hermann von Winzenburg als Landgraf, Albrecht als Markgraf, Konrad von Meißen, Heinrich von Groitsch und viele Grafen als Zeugen genannt werden. Aus anderen Urkunden (s. Raumer's Hohenst. II, S. 522) geht hervor, daß Lothar von Anfang März bis Mitte Juli in Sachsen, vornehmlich in Goslar verweilte. Nach Ann. Saxo ad 1129 war er Ostern zu Goslar, Pfingsten zu Quedlinburg, wo er feria secunda das Kloster St. Servatii weihte. Die ersten Kirchenfürsten an sich zu fesseln und in seiner Nähe zu behalten, war für den Krieg gegen seinen Gegner, den Papst und Kirche verdammt hatten, sehr ersprießlich. Sie durften sich der thätigen Beihülfe da nicht entziehen, wo ihrem Bannstrahl mit dem Schwerte Nachdruck gegen den Verächter gegeben wurde. Wie Lothar die weltlichen Fürsten für die Sache des Reiches in Anspruch nahm, zeigen Heinrich von Baiern, Konrad von Zähringen, Walram von Limburg und die in den Urkunden genannten Großen. Der Händel und Streitigkeiten, die Lothar in Sachsen zu schlichten hatte, erwähnen wir, um sie im Zusammenhange mit andern zu besprechen und hier den Kampf gegen Friedrich von Schwaben nicht zu unterbrechen, später.

 

 

_____

108 Zweiter Abschnitt.

 

um die Angelegenheiten des Nordens und Ostens zu ordnen, wie vorhin die westlichen Provinzen sein Augenmerk gewesen waren, brach mit dem Reichsheer nicht unmittelbar gegen Friedrich auf, sondern beschloß, erst das rebellische Speier für seine Treulosigkeit zu züchtigen. Keineswegs war dies ein Vorhaben von wenig Belang, wozu es, wie man glauben möchte, eines Reichsaufgebotes nicht bedurft hätte. Wie Lothar auf jene Stadt sein ganzes Augenmerk richtete, erkannte auch Friedrich die Wichtigkeit derselben sehr wohl, da sie nicht nur als Begräbnißstätte des Kaiserhauses, als dessen Sprößling und Erbe er sich angesehen wissen wollte, seinen Ansprüchen Bedeutung gab, sondern auch ein sehr wichtiger Punkt, eine Schutzwehr des Elsaß war, und den Oberrhein dem Könige verschloß, wodurch für diesen Straßburg und alle Vesten, die bisher freiwillig ihm ergeben gewesen oder überwältigt worden waren und ihm huldigten, wenig Werth hatten. Durch den Besitz Speiers und wahrscheinlich in dieser Stadt hatte Konrad sich ermächtigt gehalten, den Königstitel anzunehmen, und die Besatzung, die er hineingelegt, auch dann nicht abgerufen, als er mit einem möglichst zahlreichen Heere in Italien sein Glück zu versuchen gedachte, in der Hoffnung, wenn sich die Verhältnisse in Deutschland für ihn wieder günstiger gestalten sollten, von Speier aus seine Herrschaft mit Erfolg ausdehnen zu können. Darum aber erschien auch Lothar die Eroberung Speiers die erste Bedingung, die Gegner zu bekämpfen. Nur um die Stadt in Zukunft sich geneigt und thätig zu erhalten, hatte er im vorigen Jahre, als ihre Vertheidiger verzweifelten und wegen Uebergabe unterhandelten, in seiner königlichen Gnade die beste Bürgschaft für ihre Treue zu finden geglaubt und statt der Strenge der Züchtigung die Milde der Vergebung gezeigt. Sei es nun, daß die Bürger dies für Schwäche erkannt, oder daß Einflüsterungen und Anreizungen Friedrich's und seiner Partei mehr vermochten als beschworene Treue und übergebene Geiseln, genug Lothar überzeugte sich, daß Speier nur durch Waffengewalt zu beugen sei. Diese abzuwenden, mußte Friedrich von Schwaben und die Bürger der Stadt selbst Alles aufbieten. Jener sandte dieser nicht nur eine starke Besatzung, sondern stellte an die Spitze der ganz ergebenen und auserlesenen Schar seine eigene Gemahlin Agnes, um dadurch zugleich der für ihn sich aufopfernden und das Aeußerste wagenden Stadt eine Bürgschaft zu geben, wie auch er mit ihnen das höchste Gut aufs Spiel zu setzen entschlossen sei. Bald sollte sich aber auch noch zeigen, daß Agnes eine hochherzige Frau war, die das Vertrauen ihres Gemahls und der Bürger in

 

 

____

109 Lothar's Kampf gegen Friedrich u. die Stadt Speier.

 

vollem Maße rechtfertigte, und durch ihr Beispiel einen Heldenmuth, eine Begeisterung, eine Ausdauer hervorrief, die länger als Waffen und Mauern es gethan hätten, dem Feinde Widerstand leisteten.

 

Auf Speier war die Aufmerksamkeit ganz Deutschlands gerichtet, doch verging noch fast ein halbes Jahr, ehe das Schicksal der Stadt entschieden ward 1). Der König hatte seinerseits Alles sorgfältig vorbereitet, damit diesmal nicht die Treulosen ihrer Strafe entgingen. Denn er erkannte, daß seine und des Reiches Ehre es erheische, nicht eher von Speier abzulassen, bis er es gedemüthigt und gezüchtigt habe. Wie stark sein Heer gewesen, erfahren wir nicht, nur daß zahlreiche Fürsten in seinem Lager sich befanden, und daß von allen Seiten den Belagerten Zufuhr und Hülfe abgeschnitten worden. Bei einem solchen Unternehmen durfte dem Könige der Eidam nicht seinen Beistand versagen. Obwol Heinrich damals gerade den widerspenstigen, durch Frevelthaten verhaßten Friedrich von Bogen in seiner Veste Falkenstein belagerte und an ihm strenge Gerechtigkeit zum abschreckenden Beispiel für die übrigen Empörer im Lande auszuüben gedachte, und um dies baldigst zu erreichen, seine ganze Kriegsmacht aufgeboten hatte, versagte er doch nicht der mahnenden Auffoderung des Königs die Gewährung der früher eingegangenen Verpflichtung. Damit indeß Graf Friedrich, der auf des Herzogs Entfernung seine Hoffnungen setzte, unablässig bedrängt werde, entbot der Herzog seine Schwester, die Markgräfin Sophia von Steier, zu sich. Sie erschien mit 800 Schwerbewaffneten, und nachdem er ihr die Führung des Heeres, das Falkenstein belagerte, übertragen hatte, eilte er mit mehr als 600 Rittern seinem Schwiegervater zu Hülfe. Doch nur mit Mühe konnte er nach dem Rhein gelangen, da Herzog Friedrich ihm den Durchzug durch Schwaben wehrte, und nur auf Umwegen, stets bedroht von Gefahren, bewerkstellte er seine Verbindung mit dem Könige 2). Durch ihn war dieses Heer

 

1) Die Angaben über die Belagerung von Speier lauten in Manchem abweichend von einander. Ann. Saxo ad 1129 sagt: Post Pentecosten Rex Luiderus urbem Spirae iterum obsidione circumdat, quia fidem, quam superiori anno spoponderant, et juramentum, quod juraverant, infregerunt. Dodech. p. 471: Spira secundo obsessa ab Idus Julii usque ad Kal. Januarii. Eine noch längere Zeitdauer geben die Ann. Bosov., Chron. Samp. und Cont. Peg. ad 1129: Per novem menses continuos oppugnata capitur. Kaum kann der Anfang schon Idus Julii gesetzt werden, da Lothar nach den Monum. Boica XIII, 151 am 13. Juli in Werde war; doch hatte das Reichsheer vielleicht schon die Belagerung begonnen, ehe er selbst bei demselben eintraf.

2) Chron. Ursp. (edit. 1537), p. 290: Licet autem in Bavaria haberet bellum contra quendam nobilem Fridericum Ratisponensis ecclesiae advocatum, cujus etiam castrum fortissimum Falchenstein obsidione cinxit, relictis tamen obsidione militibus festinavit socero suo venire in auxilium. Imperator quippe Lotharius eo tempore obsederat Spiram civitatem, eo quod civitas illa faveret Friderico et Conrado Ducibus, ad cujus auxilium adduxit milites DC aut amplius. Ueber Sophia von Steier gibt der freilich sehr verdorbene Text des Mon. Weing. Leibn. I, p. 780 Folgendes: Imperator quoque Spiram civitatem Rheni in injuriam Friderici Ducis obsedit, missoque nuntio Ducem Henricum, ut sibi quantocius in auxilium veniat, invitat, qui omni cunctatione postposita, obsidionem et omne negotium sorori suae Marchionissae de Stira tunc viduae, quae eo tempore cum DCCC loricis advenerat, committes ad Imperatorem cum DC et eo amplius festinat militibus. Quo cum magno labore perveniens etc.

 

____

110 Zweiter Abschnitt.

 

zwar bedeutend verstärkt, aber nun auch ein neuer Gegner am Rhein zu erwarten. Denn Friedrich, der bisher seine Macht in Schwaben zusammenziehen mußte, um gegen einen Einfall Heinrich's von Baiern her gerüstet zu sein, folgte diesem nun auf dem Fuße nach, und hoffte mit einem Schlage seine Gegner zu überfallen und zugleich der bedrängten, von allen Seiten eingeschlossenen Stadt Entsatz zu bringen. Um dieses zu verhindern, mußte Herzog Heinrich nun seine Stellung hart am Rheinufer einnehmen, um Friedrich von dem Uebergang über den Fluß und jedem Angriff auf das Belagerungsheer abzuhalten 1). Er entsprach dieser Anfoderung vollkommen und führte dadurch die Uebergabe Speiers herbei, ohne daß er unmittelbar an der Einschließung der Stadt Theil genommen hatte. Friedrich nämlich, kühn wie er war und nun vollends zum entscheidenden Schlage entschlossen, damit er eine treue Stadt und eine geliebte, des höchsten Ruhmes werthe Gemahlin vor Gefahr und Schmach bewahre, überfiel des Nachts das baierische Lager 2); Heinrich, der davon Kunde erhalten, empfing ihn kampfgerüstet, trieb ihn zurück, ja in völlige Flucht, und verfolgte den Fliehenden bis Gruningen. Der belagerten Stadt war nun die letzte Hoffnung auf Entsatz geschwunden. Nach einer länger als halbjährigen Einschließung,

 

1) Chron. Ursp., Mon. Weing. und Arenpeck de Guelf. Leibn. III, p. 663 geben an: Castra ultra Rhenum posuit, ut impetus et irruptiones Friderici Duci praecaveret. Es ist im Gegensatz zu dem Lager des Königs gesagt; sollte nicht etwa ultra Rhenum von Lothar's Stellung her zu verstehen und damit das rechte Rheinufer bezeichnet sein?

2) Mon. Weing. ist hier ganz korrumpirt, die richtigen Worte aber wol von Arnpeck a. a. O. aufbewahrt: Fridericus tamen Dux, utpote armis strenuus, quadam nocte in castra ipsius irruit; sane Heinricus praemonitus fuerat, armisque et equitaturis instructus, ad fugam eum compulit, et ita fugientem usque Gruningen insequitur. Dann folgt die Uebergabe Speiers.

 

 

_____

111 Uebergabe der Stadt Speier.

 

während welcher nicht nur alle Lebensmittel aufgezehrt, sondern von der täglichen Anstrengung Weniger gegen die Uebermacht des königlichen Heeres die physischen Kräfte erschöpft waren, vermochte auch der ungebeugte Muth der Herzogin Agnes, die mit den Niedrigsten die Entbehrungen theilte und durch ihre Unverzagtheit Allen ein Vorbild war, nicht länger die Uebergabe der Stadt aufzuhalten; aber das vom Könige angedrohte Strafgericht zu mildern, war ihr noch gestattet. Sie wandte sich an ihren Oheim, den Erzbischof Adalbert von Mainz, der im Lager des Königs war, wo viele Fürsten um diesen sich versammelt hatten, einmüthiger als je ihn mit Rath und That unterstützten, und selbst das Weihnachtsfest in Kriegszelten, ein seltenes Beispiel in Deutschland, mit ihm feierten 1). Agnes bat, daß der mächtige Prälat den König und die Fürsten zur Milde gegen Speier bewegen möchte, und wirklich sprach Lothar noch einmal das Wort der Gnade über die Stadt aus 2), die darauf Ausgangs December oder Anfangs Januar ihm die Thore öffnete. Ihr, die bisher ihm nicht nur Unterwürfigkeit, sondern sogar den königlichen Titel versagt hatte, sich in seiner ganzen Würde und Hoheit zu zeigen, war keine eitle Ceremonie. Gekrönten Hauptes sah ihn Speier am Sonntage Epiphaniä einherziehen 3) und mußte unweigerlich ihn als den einzig rechtmäßigen König im Reiche anerkennen. Sonst aber bewies er sich den Bürgern milde und gütig und bestätigte ihnen die alten weit ausgedehnten Privilegien und Rechte, die sie unter den fränkischen Kaisern erhalten hatten 4).

 

1) Ann. Saxo ad 1130: Rex Natale Domini cum multa frequentia principum circa urbem Spirae in tentoriis celebrat.

2) Chron. Ursp., Arenpeck: Mediante Mogontino Archiepiscopo Spirenses in gratiam Imperatoris redeunt.

3) Die Zeit der Uebergabe schwankt, wie der Anfang der Belagerung. Ann. Saxo ad 1130: Tandem Spirenses, videntes constantiam Regis, fame insuper et bellis coacti, sese una cum urbe in deditionem Regis tradiderunt, in Natali Sanctorum Innocentium. Albericus ad 1130: Rex urbem Spiram alternis annis obsessam tandem capit tertio Nonas Januarii feria sexta. Dies stimmt denn ziemlich mit Dodechin's früherer Angabe, Kalendas Januarii, überein. Ann. Saxo a. a. O. unterscheidet von der Uebergabe den Einzug: Rex autem cum suis ingressus Epiphaniam Domini intra urbem coronatus celebrat.

4) Albericus a. a. O.: Immunitate prius concessa. Luden X, S. 48 sieht darin eine demüthigende Bedingung, welche die Bürger bei der Uebergabe dem Könige gemacht, doch davon berichtet Albericus, der allein die Nachricht von der Bewilligung Lothar's hat, kein Wort. Mon. Weing. a. a. O. sagt dagegen ausdrücklich: Satisfactione et pactione Spirensium cum Imperatore composita. Läßt sich bei der verzweifelten Lage der Stadt denken, daß sie eine trotzige Bedingung gestellt habe?

 

 

_____

112 Zweiter Abschnitt.

 

An Agnes keine andere Entgeltung als Großmuth zu üben 1), bedurfte es bei Lothar, der auch die größte Schuld, wenn sie bereut und gesühnt war, verzieh, keines Fürsprechers, keiner persönlichen Rücksicht, wie beides allerdings in Adalbert von Mainz gesucht werden könnte, wenn man außer Acht läßt, daß dieser Prälat bisher Nichts für seine Brudertochter beim Könige gethan, gegen ihren Gemahl den Bannstrahl der Kirche geschleudert, alle Geistlichen Deutschlands zur Exkommunication der mit Jenem Gebannten, wozu auch Agnes gehörte, aufgeboten, und nun an der Belagerung Speiers, die so viel Noth und Drangsalen den Bürgern und der Herzogin bereitete, Theil genommen hatte. Die ehrenvolle Behandlung der Letztern von Seiten Lothar's durfte weder von Adalbert noch von irgend Jemand ausgewirkt sein, sondern erklärt sich jedem unbefangenen Beurtheiler als freie Handlung eines großmüthigen Siegers. Nicht zuvor gedemüthigt, oder nur zu Gnaden erhoben, nicht durch Lösegeld frei und alles standesmäßigen Glanzes beraubt, vielmehr reich beschenkt durch des Königs Freigebigkeit, gerühmt wegen ihres Heldenmuthes, begleitet von ihren Kriegern kehrte sie zu ihrem Gemahl Friedrich zurück, mit keinem Auftrage an diesen, aber gewiß in der Erwartung von Lothar entlassen, daß die geübte Großmuth den Sinn des Herzogs auf den Weg schuldiger Pflicht zurückführen werde.

 

In Friedrich aber hatten die Niederlage, die er durch Heinrich von Baiern erlitten, der Verlust Speiers, den bittersten Haß gegen Jenen erweckt, und noch 1129 war er in dessen schwäbische Stammgüter verheerend eingefallen. Altdorf, Ravensberg, Memmingen und die herumliegenden Ortschaften mußten es entgelten, daß ihr Besitzer Friedrich's Gegner geworden, viele Gefangenen wurden aus der Heimat in Kerker oder entlegene Gegenden abgeführt. Dies Verfahren hatte denn zur Folge, daß im nächsten Sommer Herzog Heinrich mit zahlreichem Heere in Friedrich's Besitzungen einbrach und von Togendorf an der Donau bis über Staufen hinaus brennend und plündernd vordrang, und auf einem andern Wege zurückkehrend, mit sich nahm, was sich fortführen ließ, an Feldern, Mauern und Wohngebäuden Zerstörung übte und alle Kriegsleiden über das schuldlose Volk brachte 2). Wenn Heinrich aber den Krieg mit solcher

 

1) Ann. Saxo a. a. O.: Conjux Ducis Friderici, quae civibus ad solatium a Duce intra urbem relicta fuerat, fame et nuditate acriter afflicta a Rege Lothario, regalibus donis liberaliter dotate cum suis.

2) Chron. Ursp., Mon. Weing., Arenpeck, a. a. O.: Non multo post Fridericus Dux memor pristinae injuriae Altdorf et Ravensberg armata manu invasit, ubi quosdam captivavit, et villas circumquaque Memmingin incendio vastavit. Sequenti vero aestate Henricus Dux cum exercitu copioso fines Friderici Ducis ingressus a villa Tuogendorf, qua est in ripa Danubii (vielleicht Deckendorf) incipiens et ultra Stauphen perveniens, omnia circum quaque in transitu et reditu incendio et praeda devastat. Schwer ist es, sich in die Zeitangabe zu finden. Die Worte insequenti vero aestate, die auf 1130 zu setzen sind, lassen wol schließen, daß Friedrich's Einfall noch im vorhergehenden Jahr 1129, also während der Belagerung Speiers, stattgefunden habe.

 

 

____

113 Verhältnisse in Sachsen.

 

Erbitterung fortsetzte, wer sollte da den Vermittler, den Friedensstifter zwischen Friedrich und dem Könige machen?

 

Daß Heinrich mit überlegener Macht seinen Schwager hatte angreifen können, verdankte er den Fortschritten, die er unterdessen im eigenen Lande gegen die Rebellen gemacht. Bald nach seiner Rückkehr vom Rhein, die er wol gleich nach dem Siege über Friedrich und noch vor der Uebergabe Speiers an den König antrat, hatte sich Falkenstein, die Veste des Grafen Friedrich von Bogen, ergeben müssen, und alle widerspenstigen Großen in Baiern sahen sich bald zur Unterwerfung oder zur Flucht außer Landes genöthigt, da mit den Vorfällen am Rhein und in Schwaben ihnen die Hoffnung auf den Beistand der Partei, die dem Könige getrotzt, den Herzog in die Ferne abgezogen hatte, vorläufig benommen war, und Heinrich mit rastloser Thätigkeit und unnachgiebiger Strenge innerhalb der Landesgrenzen Fehden zu unterdrücken, feste Ordnung und Gehorsam zu erzwingen wußte 1). Ganz und dauernd gelingen konnte ihm dies freilich nicht, so lange die Gegenpartei im Reiche der in seinem Herzogthume noch Vorschub that, und Verpflichtungen gegen den König ihn von seinen Bemühungen daheim abzogen. Jahre sollten darüber noch vergehen, ehe Baiern völlig beruhigt wurde. Nach der Einnahme von Speier war Lothar nach Sachsen zurückgekehrt, wo es während seiner länger als halbjährigen Abwesenheit

 

1) Chron. Ursp., Mon. Weing., Arenpeck, a. a. O.: Castrum quoque supradictum Falchensteyn Duce Henrico in Bavariam regresso capitur. Dies wird noch vor Friedrich's Verheerungen in Altdorf, Ravensberg u. s. w. gesetzt, also noch 1129. Demnach ist die Rückkehr Heinrich's nach Baiern vor der Uebergabe Speiers erfolgt. Nach dem Siege über Friedrich am Rhein hatte er seine Verpflichtung gegen Lothar erfüllt. Die angezogenen Chronisten, nachdem sie Heinrich's verheerenden Zug über Staufen hinaus berichtet, fahren dann fort: Posthaec rediens in Bavariam bella plurima peregit. Was nachfolgt, gehört indeß erst in das Jahr 1131. Es leidet aber keinen Zweifel, daß der Herzog auch 1130 in Baiern thätig in seinen strengen Maßregeln fortfuhr und bis zu dem neuen großen Aufstande 1131 die Rebellen unterwarf oder zur Flucht aus dem Lande nöthigte.

II. 8

 

 

____

114 Zweiter Abschnitt.

 

nicht an mancherlei Mishelligkeiten, Fehden und Gewaltthätigkeiten gefehlt hatte, denen nur seine Anwesenheit und neue Anordnungen Einhalt thun konnten. In Halberstadt und Magdeburg herrschten kirchliche Wirren und Parteiungen. Da man an ersterem Orte die bereits 1123 vollzogene Wahl des Bischofs Otto für unkanonisch erklärt und den Prälaten der Simonie zu überführen gewußt hatte, so war schon bereits 1128 von Honorius II. seine Absetzung dekretirt und eine neue Wahl anbefohlen worden 1). Bei dieser letztern zeigten sich aber Parteiungen, die einen gefährlichen Zwiespalt in der ganzen Diöcese hervorriefen und nur durch Einschreiten des Königs und des Erzbischofs Adalbert unterdrückt werden konnten 2), ohne daß indeß die Besetzung des bischöflichen Stuhls oder nur die Absetzung Otto's damals ausgeführt worden wäre. Den König riefen die Reichsverhältnisse aus Sachsen, und Adalbert, dem die Sache obgelegen hätte, wollte Otto nicht fallen lassen, doch auch selber nichts für ihn und gegen den Willen des Papstes unternehmen. So zog sich diese Angelegenheit noch einige Jahre hin.

 

Einen sehr heftigen Streit hatte auch Norbert von Magdeburg zu bestehen, wobei seine Freiheit und sein Leben in Gefahr kamen. Mit zu großer Kirchenstrenge hatte er einen Auftritt in der Hauptkirche, über den er als Entweihung und Frevel, als ein Attentat gegen sein Leben heftig erzürnt war 3), den Bürgern von ganz Magdeburg nachgetragen. Ein Reinigungsopfer stellte er zur Nachtzeit an, wovon die Gemeinde ausgeschlossen und nur die Bischöfe

 

1) Ann. Bosov. ad 1128: Otto Halberstadensis Episcopus a Regularibus de symonia Romae injuste, ut multum visum est, accusatus a Papa Honorio deponitur.

2) Ann. Bosov. ad 1129: In Halberstadt duo Episcopi per dissensionem Clericorum et Regularium statuuntur, sed a Rege et Archiepiscopo Mogontino Adelberto ambo reprobantur. Daß Adalbert nicht den Streit entscheiden wollte, zeigt sein Schreiben an Otto von Bamberg, Cod. Udalr. Nr. 362.

3) Georg. Torquati series Pontif. eccles. Magd. Menck. III, p. 381, berichtet den Vorfall: Cum di quadam Jovis sancta Archiepiscopus poenitentes de more apud Ecclesiam inthronisaret, quidam nefarius vitae pontificis insidiator numero poentitentium se ingerens, quem Episcopus in spiritu cognovit, ministranti familiae demandans, ut huic toga sublevaretur, quo facto nude ense sub veste ejus viso deprehensus siccarium se fassus est pro nece Archiepiscopi inferenda subordinatur, veniam tamn ab eo depostulans reconciliatus est. Volens subinde Archiepiscopus Ecclesiam majorem execratam tempore nocturno propter metum insidiarum civium reconciliare, pulsatis campanis a civibus undequaque concurritur strepitu cum ingenti Archiepiscopum in sua structura veteri obsessum - detinent etc. S. folg. Note.

 

 

____

115 Verhältnisse in Sachsen.

 

von Havelberg und Meißen, der Propst des Hauptklosters zugezogen wurden. Da dies nicht unbekannt blieb, sammelte sich vor der Kirche die Volksmenge, stieß Schmähungen und Drohungen gegen die Tempelreiniger aus; von Worten kam es zu Tätlichkeiten. Als der Tumult immer heftiger und bedrohlicher wurde, flüchteten der Erzbischof und die drei Amtsbrüder in das feste Kloster Bergen. Das erhöhte nur die Volkswuth, sie schrieen und schmähten gegen den Oberhirten, daß er Altäre zerstört und Reliquien der Heiligen heimlich fortgeschafft habe. Man belagerte ihn förmlich in seinem Zufluchtsorte, stürmte das Kloster, ergriff und mishandelte ihn schonungslos, der Tod schwebte über seinem Haupte, nur wie durch ein Wunder entkam er den Händen der Wüthenden, und erst als ihm gelungen, mit weltlichem Beistande und kirchlichen Waffen die Widerspenstigen zu bezwingen, kehrte Ruhe und Ordnung in Magdeburg zurück 1). Lothar, durch den Norbert zum Erzbisthum gelangt war, in dessen Gunst dieser unverändert verblieben war, gab bei seiner Rückkehr nach Sachsen gewiß dem strengen Verfahren Norbert's und des Advokaten Heinrich von Groitsch gegen die Bürger von Magdeburg Beifall 2), da er ähnliche Aufstände und Widersetzlichkeiten

 

1) Ann. Saxo ad 1129 erzählt den Vorfall auch, aber in seiner kurzen abgerissenen Weise: Eodem anno in commemoratione S. Pauli facta est commotio permaxima civium in Magadeburg contra Nobertum Archiepiscopum eo quod majorem ecclesiam, sicut sibi dictum erat, pollutam nocturno tempore purificaverat. Crescente itaque tumultu ascendit in superiora antiquioris Monasterii cum Misnensi et Havelbergensi Episcopis et praeposito majoris Monasterii, ibique diu multum obsessus est saevientibus et objurgantibus adversariis, quod altaria fregerit et reliquias Sanctorum furto abstulerit. Sed hunc divina gratia mirabiliter de insidiis eorum eripuit et persistentes in malo excommunicans sibi eos subjecit oder wie Chron. Mont. Ser. ad 1129 in den letzten Worten nur abweichend sagt: et eos postmodum per censuram Ecclesiasticam coactos sibi jubjecit. Ausführlicher berichtet Torquatus a. a. O. Die Zeit der Umlagerung gibt er an a media fere nocte usque ad meridiem. Eine blutige Scene bezeugt die Wuth der Bürger: Virum sanctum duriter ferientes et militem quendam ex ministris ejus multus vuleribus in ipsius conspectu confectum semivivum reliquerunt, ex quibus etiam vulneribus acceptis cruor in personam ac vestes Antistitis prosiliebat. Die Befreiung dankte er Heinrich von Groitsch, dem Burgvoigt von Magdeburg. Tumultu tandem isto ab urbis praefecto sedato archiepiscopus liberatus missam eodem die in altari summo celebrans postea criminis reos ad satisfaciendum illos pro contumacia excommunicando. Doch zeigt er auch Milde: Quos demum sex septimanis effluxis poenitentes absolvit et in numerum suorum fidelium restituit.

2) Am 9. Februar 1129 war Norbert bei Lothar in Goslar und tauschte die Reichsabtei Alsleben an der Saale gegen Schloß Schartfeld im Harz ein. S. Mantissa diplom. Menck. III, p. 1015 und 1016

8*

 

 

____

116 Zweiter Abschnitt.

 

gegen Vorgesetzte, die sich an andern Orten ereignet hatten oder während seines Aufenthalts im Lande ereigneten, gleichfalls mit Strenge züchtigte, Hohe wie Niedere die verwirkte Strafe entgelten ließ und überall Ruhe und Ordnung, wo Milde nicht ausreichte, mit Gewalt herstellte.

 

Wenn nach den Zeiten des verheerenden Bürgerkrieges unter Heinrich V. in den Städten und auch bei den Landgemeinden sich nicht nur eine größere Wohlhabenheit, sondern selbst ein höherer Grad von Freiheit und Intelligenz offenbarte, und Lothar's weise und milde Regierung das Emporkommen des bisher unterdrückten und geplagten Standes begünstigte, so erhob sich - was zu keinen Zeiten ausbleibt - an manchen Orten auch die rohe Gewalt der Volksmasse, die von irgend welchen Verführern misleitet oder durch eigene Leidenschaft erhitzt aufbraust, gegen Obrigkeit, Fürsten, Geistliche oder sonst höher Stehende, und mußte oft durch Gegengewalt in die Schranken der Ordnung zurückgeführt werden. Der Aufstand in Magdeburg war von der Volksmenge innerhalb und außerhalb der Stadt wenigstens ausgeführt, wenn auch, was wir nicht mit Bestimmtheit wissen, doch aus dem Widerwillen der Sachsen gegen jeden nicht in ihrem Lande Geborenen vermuthen dürfen, andere Beweggründe als die nächtliche Kirchenreinigung, Neid, Haß, Eifersucht gekränkter und mismüthiger Vornehmen auf die Menge eingewirkt haben mögen. Bald danach wird in derselben Diöcese zu Halle ein Frevel von noch blutigern Folgen verübt; Konrad von Eikstein, ein Verwandter des Markgrafen Albrecht von Anhalt 1), und zwei Brüder, Adalbert und Aribo, die der König nach der Stadt geschickt, um strenges Gericht über das Vorgefallene zu halten, werden sammt ihrem Gefolge in einem Auflaufe der Bürger erschlagen, und mit Mühe nur entflieht deren gewaltthätigen Händen die Gräfin Eilika von Wirben, die gleichfalls die Ruhe mit Strenge herzustellen versucht haben mochte 2). Nach solchen Auftritten muß

 

1) Nach Ann. Saxo ad 1130 stellt die Verwandschaft sich folgendermaßen heraus:

 

Esiko, Graf von Ballenstedt

______________________^____________________

Adalbert von Ballenstedt Adelheide,

Gem. Thiemmo de Scroppoulo.

_______^________ ___________^_____________

Otto von Ballenstedt Esiko. Eckhard.

_______^________ ____^____ _________^______________

Albrecht der Bär Esiko, jun. Konrad v. Eikstedt Eckhard

 

2) Ann. Saxo, Chron. Mont. Ser. nennen nur Konrad von Eikstide. Die Ann. Bosov. noch die beiden Brüder Adalbert und Aribo. Ebenso Chron. Samp., Cont. Peg., Erphard. Variloquus, Mon. Pirn. bei Menck. II, p. 1458. Rothe Chron. Thur. ebendas., p. 1680. Eilika von Wirben (wol die Witwe Otto's von Ballenstedt und Mutter des Markgrafen Albrecht) in Ann. Bosov.

 

 

____

117 Verhältnisse in Sachsen.

 

der König selbst einschreiten; er begibt sich mit Heeresmacht nach Halle, besetzt die Stadt, die seiner Uebermacht nicht zu widerstehen vermag; er ahndet die grausamen Frevel mit harter Züchtigung, die hier ein warnendes Beispiel geben muß. Den Schuldigsten werden die Hände abgehauen oder die Augen geblendet, Viele starben auf der Folter, nur Wenige entkamen durch die Flucht, und für sie und alle Theilnehmer, die minder strafbar erscheinen, oder eine Milderung des Urtheils erfahren, muß die Bürgerschaft ein ansehnliches Sühnegeld entrichten 1). Auf die Bürger der Städte wirkte dies als abschreckende Warnung, wie es sollte. Andere Gewaltthätigkeiten, die von Fürsten verübt waren, blieben gleichfalls nicht ungestraft, zumal da sie den König selbst näher berührten.

 

Albrecht, der Bär, ein tapferer, thätiger, aber auch ehr- und herrschsüchtiger Mann, dem es nicht genügte, daß er dem letzten Sprößlinge des groitscher Hauses die Mark Lausitz entrissen hatte, glaubte durch seine Dienste und seinen bisher bewiesenen Gehorsam den König sich so sehr verbunden zu haben, daß er nimmer dessen Gunst, die er wie eine schuldige Entgeltung für seine Verzichtleistung auf das Herzogthum Sachsen betrachtete, zu verlieren, oder dessen Züchtigung zu erfahren für möglich hielt. Darauf hin erlaubte er sich manche Willkür in Sachsen, während Lothar die Angelegenheiten der westlichen Provinzen, dann die Belagerung von Speier entfernt hielten. Durch nächtlichen Ucberfall brachte er eine Veste Hildegesburg in seine Gewalt und legte sie in Asche 2). Von einer zweiten, Gundersleben, hielten ihn nur des Königs Anhänger noch zurück 3). Im März des darauffolgenden Jahres 1130 erschlugen seine Dienstmannen den Grafen Udo von Freckleben, einen Sohn Rudolf's, einstmaligen Markgrafen von Stade, unweit Aschersleben, einem Hauptschlosse des anhaltinischen Hauses, und nahmen viele von Udo's

 

1) S. die angeführten Chronisten

2) Ann. Saxo ad 1129 ohne nähere Angabe: Adalbertus Marchio Hildegesburg quadam nocte cepit et combussit. Ein Gewaltstreich war es und unfehlbar dem Könige und dessen Anhängern ebenso zuwider als sein Unternehmen gegen Gundersleben.

3) Ebendas.: Adalbertus Marchio turrim Gunderslevo obsedit, a qua per amicos Regis pellitur.

 

 

_____

118 Zweiter Abschnitt.

 

Mannen gefangen, oder trieben sie mit schweren Wunden bedeckt von dannen 1). Welches die Veranlassung zu diesem Gewaltstreich gewesen, wird nicht berichtet, daß sie aber aus einem Familienzwist des stadischen und anhaltinischen Hauses hervorgegangen, ist kaum zu bezweifeln. Im Ausgange des Jahres 1128 war Heinrich, der anfangs unter Vormundschaft seines Oheims, des obengenannten Rudolf von Stade, dann durch Kaiser Heinrich V. als selbständiger Herrscher die Nordmark verwaltet hatte, mit Tode abgegangen 2), ohne mit seiner Gemahlin Adelheid, einer Schwester des Markgrafen Albrecht, einen Nachkommen erzeugt zu haben. Dies bot dem ländersüchtigen Schwager des Verstorbenen die Aussicht auf neuen Ländererwerb, den er jedoch damals noch nicht erringen sollte. Seinen Absichten auf die Nordmark widersetzten sich die Söhne Rudolf's, die als Vettern Heinrich's, als Sprößlinge des stadischen Hauses an den Besitz des von ihren Vorfahren fast ein Jahrhundert verwalteten Reichslehens nähere Ansprüche geltend machen durften. Der älteste der drei Brüder, jener Udo von Freckleben 3), war das Haupt der Familie; wider ihn entbrannte daher Albrecht's Zorn am heftigsten, und als Opfer desselben ereilte ihn bei Aschersleben der Tod durch des Nebenbuhlers Vasallen. Von den andern beiden Brüdern war der eine, Hartwig, dem geistlichen Stande bestimmt, also dem Markgrafen Albrecht nicht im Wege, und der andere, Rudolf, wol noch sehr jung, oder ein für allemal mit der ihm zugewiesenen Erbschaft im Lande der Ditmarsen

 

1) Ann. Saxo ad 1130: Udo Comes de Freckenleve filius Rodolfi Marchionis apud Aschersleve ab hominibus Adalberti Marchionis occisus est, pluresque de parte ejus capti ac vulnerati sunt Idus Martii. Kurz geben Chron. Samp. und Cont. Peg. ad 1129 an: Uto Comes de Saxonia occiditur. Alb. Stadt, ad 1144: Rodolfus, filius Udonis primi, duxit Richardim de Franconia cum multa herediate, unde genuit Udonem, qui duxerat sororem Hermanni, qui occisus est Wincenburg, sed ante susceptam prolem occisus est prope Ascarleve a militibus Marchionis Alberti.

2) Ann. Saxo ad 1128: Cont. Peg., Chron. Samp., Mon. Bigang. ad 1129 geben den Tod Heinrich's von Stade, der also wol auf Ausgang 1128 am richtigsten zu setzen ist. 1123 des Alb. Stad. ist ganz falsch und beruht auf Verwechselung mit Heinrich von Eilenburg, wie die Erwähnung einer Vergiftung zeigt, wovon die genannten Chronisten bei Heinrich von Stade nichts wissen, wol aber bei Heinrich von Eilenburg.

3) Wol so genannt, weil ihm das Erbtheil seiner Mutter, Freckleben oder Frankenleben, zufiel, weshalb sie Alb. Stad. Richardim de Franconia nennt. S. Wersebe, Niederl. Kolonien I, p 265, nota 63 und Scheid in seiner hannöver. nützlichen Sammlung vom Jahre 1757, S. 1131, nota n, wo die Conjectur Frankenleve statt Franconia darauf gestützt wird, daß der Sohn Richardis Udo jenen Beinamen führt.

 

 

____

119 Verhältnisse in Sachsen.

 

abgefunden, womit er wenigstens, ohne jemals Ansprüche an die Nordmark zu erheben, bis zu seinem im Kampfe gegen die kriegerische Nation ihm verhängten Tode 1144 sich begnügte. Auch er hinterließ keine Erben, sodaß mit seinem Bruder Hartwig, der später Erzbischof von Bremen wurde, das einst so mächtige, blühende stadische Haus erlosch 1).

 

Die Entscheidung über die Nordmark mußte dem König vorbehalten bleiben. Daß dieser keinem Sprößling des stadischen Hauses die Verwaltung derselben übertrug, könnte aus der frühern Feindschaft, ja aus dem Haß erklärt werden, wodurch er sich an einem Fürstengeschlechte rächte, das einst seinem Vorfahren, dem Grafen Lothar von Walbek 2), die Markgrafenwürde entzogen und ihm selber das Erbe seiner Großmutter Gertrud verkürzt hatte 3). Auch könnte man dem ränkevollen Friedrich, der gewöhnlich der Angle zubenannt wird, dem Verwalter der Grafschaft Stade, hier wieder eine Mitwirkung beimessen. Viel natürlicher erklärt sich aber Alles aus dem hier leicht annehmbaren Beweggrunde, daß Lothar die Nordmark wegen der damals schon drohenden Gefahr von Dänemark und den Slavenländern her einem tapfern, kriegserfahrenen Manne, der zugleich ihm ganz ergeben und weniger auf den eigenen, als des Reiches Vortheil bedacht war, anvertrauen wollte. Hatte er diese letzteren Eigenschaften an Markgraf Albrecht vermißt, und durfte er dem herrschfüchtigen Manne nicht noch größere Gewalt zuwenden, so hatten die Willkür und die eigenmächtigen, durch Raub und Mord ihn schändenden Handlungen vollends denselben verhaßt gemacht, und nur das Gedächtniß an Albrecht's frühere Dienste, die Rücksicht auf dessen Hausmacht und Ansehen in Sachsen hielten den König ab, das Vorgefallene näher zu untersuchen und darüber Rechenschaft zu fodern. Er strafte ihn für diesmal allein durch Uebergehen bei einem Amte, dem Albrecht sonst völlig gewachsen gewesen wäre. Der Ehrgeizige aber, der auf die Nordmark sich schon sichere

 

1) Alb. Stad., p. 164 b. fährt in Aufzählung der Söhne des älteren Rudolf von Stade fort: Item Rodolfum, qui duxit Elizabeth sororem Odokkar de Stire, sed ante prolem occisus a Thietmarchis. Item Archiepiscopum Hardwigum. Hartwig wurde Albero's Nachfolger in Bremen. Eine Schwester der drei Brüder war Lutgard, quam duxit Fridericus Palatinus de Sommersgenburg - ratione propinquitatis Lutgardis separata a Palatino nupsit Henrico, qui dicebatur Lamm, regi Danorum et eo mortuo reversa nupsit Hermanno de Winceburg. Von ihr und ihrem Manne später.

2) S. Thl. I., Abschnitt I., S. 11.

3) S. Thl. I., Abschnitt I., S. 15.

 

 

____

120 Zweiter Abschnitt.

 

Hoffnung gemacht hatte, verkannte jene Nachsicht oder hielt sie für Schwäche, und zürnte dem Könige, als dieser nicht ihm, dem Schwager des letzten stadischen Markgrafen Heinrich, sondern Konrad von Plozke, dem Sohne jenes Helprich, der einst von Heinrich V. wider Rudolf zum Verweser der Nordmark ernannt worden, und der Schwager Udo's II., des Vaters und Vorgängers Heinrich's gewesen war, das wichtige Reichslehen (im Anfang des Jahres 1130) übertrug 1). Während Albrecht durch sein Benehmen sich bald ganz um die königliche Gunst und in Folge dessen um die bisher behauptete Markgrafschaft Lausitz brachte, rechtfertigte der treffliche Konrad von Plozke vollkommen das Vertrauen, das Lothar in ihn gesetzt hatte, und leistete dem Könige in Deutschland, wie später in Italien treffliche Dienste. Wenn Albrecht durch Willkür und Gewaltthat ein erwartetes Reichslehen verscherzte, so büßte Hermann von Winzenburg für einen schnöden Frevel seine Lehn- und Allodialgüter ein, und veranlaßte dadurch in Thüringen eine Veränderung, die in ihren Folgen für Jahrhunderte von größter Wichtigkeit wurde. Hermann von Winzenburg der Aeltere 2), dessen wir in Heinrich's V. Regierungsgeschichte öfters gedachten, hatte, vermuthlich als Entschädigung für die Mark Meißen oder für die Thüringer Mark, die beide einst Heinrich von Eilenburg besessen, und die Wiprecht von Groitsch

 

1) Ann. Saxo ad 1130: Marchia septentrionalis, quam Heinricus filius Udonis habuerat, tradita est Conrado filio Helperici, Comitis de Ploceke. Von Dieses Schwester heißt es bei Alb. Stad. ad 1144: Marchio Udo declinavit in domum Helperici Comitis de Ploceke, et videns valve pulchram sororem suam Ermengardam duxit eam. Den Sohn von dem Schwager des Vaters (Udo's) dem Schwager des Sohnes (Heinrich's) vorzuziehen, war ganz in der Ordnung. Daß Lothar nähere Erbberechtete ganz ausschloß, ist außer Zweifel. Denn nicht nur Udo's Brudersöhne, auch Udo's Tochtermann Poppo von Henneberg, die Söhne der schönen Adelheide von Alsleben aus zweiter Ehe (mit Ludwig dem Salier), die Enkel derselben aus erster Ehe (mit dem bei Scheiplitz ermordeten Friedrich von Gosek) u. a. m. wurden übergangen. S. Alb. Stad. a. a. O. Wie Irmengard nach dem Tode ihres Sohnes Heinrich sich noch einmal vermählte, so auch Adelheid, die Gemahlin Heinrich's, quam cum (Heinricus) sine herede moreretur, duxit vasallus suus Wernerus de Veltheim, qui genuit Albertum de Asterburg et reliquum prolem. Wenn Konrad von Plozke ein consobrinus Richenzae Reginae bei Mascov. Coment., p. 26, genannt wird, so ist die Verwandschaft nur weit herzuholen. Daß die Nordmark zu Anfang 1130 an Konrad übertragen worden, erhellt daraus, daß er in der angeführten Urkunde (Mantissa diplom., p. 1016) schon Marchio heißt.

2) Zwei Hermanne von Winzenburg anzunehmen, bedarf nach den dafür von andern Schriftstellern evident gegebenen Nachweisen keines neuen mehr.

 

 

____

121 Das Landgrafenthum Thüringen.

 

einerseits, Hermann andererseits, auf Antrieb Kaiser Heinrich's an sich zu reißen gesucht, aber durch Lothar's Dazwischentreten gezwungen, an Konrad von Wettin abgetreten, die Würde eines Provinzial- oder Landgrafen von Thüringen erhalten. Der Titel wie das Amt waren neu in diesem Lande, der Zweck beider aber wol kein anderer, als einestheils die Provinz, in der viele Grafen nebeneinander eine fast unbeschränkte und erbliche Landeshoheit übten, unter ein ihnen unmittelbar vorgesetztes Oberhaupt, welches der Kaiser allein ernannte, zu bringen, anderes Theils zu verhüten, daß nicht Thüringen wie in den Tagen der sächsischen Kaiser mit Sachsen verbunden als ein Herzogthum betrachtet oder doch vertreten würde. Der Landgraf sollte gleich einem Nationalherzoge reichsunmittelbar und von keinem als dem Reichsoberhaupte abhängig sein. Schwer war es aber für einen wenig mächtigen Fürsten, dessen Stammgüter überdies außerhalb Thüringens, theils in Baiern, theils in Sachsen lagen, über die Grafen jenes Landes, die sich längst schon als unabhängige Landesfürsten betrachteten, eine Oberhoheit zu üben, deshalb blieb seine Würde fast ein leerer Titel, und nun in dem genannten Jahre 1130 beleidigte er noch den einzigen Mann, der seiner Würde Macht verleihen, ja deren Fortbestehen sichern konnte, den König, auf das Empfindlichste. Zu Hermann's Vasallen gehörte ein Graf Burchard von Luckenheim, dem Lothar als einem wackern dienstfertigen Manne sein Vertrauen und seine Gunst zugewendet und ihm ein Grafenamt in Friesland übertragen hatte 1). Auf hinterlistige Weise ließ Diesen Hermann gefangen nehmen und unter dem Vorwande, daß derselbe ohne seine Erlaubniß ein Kastell errichtet habe, tödten 2). Ueber diesen Frevel an einem

 

1) Ann. Bosov. ad 1130 heißt er Consecretalis Lotharii Regis comes Luchenheymensis de Saxonia. Der goseker Mönch de fundat. monast. Gozec., p. 215 nennt ihn Regis consiliarium. Bei Ann. Saxo ad 1130: amicus Regis Comes Fresonum. Als Graf von Friesland konnte er wol nicht, worin doch alle drei Angaben übereinstimmen, ein homo, ein vasallus Hermanni de Winceburg sein. Jene Würde verdankte er also wol der Gunst des Königs, und das mochte seinen Lehnsherrn, der keine Macht besaß, erzürnen.

2) Ann. Saxo: In quodam cimiterio a militibus Domini sui Comitis de Winceburg - indidiose circumventus infideliter est interemtus. Mon. Gozec. fügt den Vorwand hinzu: pro cujusdam castri exstructione fraude circumvenit et fide violata occiderit. Bei dem Verhältnisse Burchard's zum Könige ist kaum zu bezweifeln, daß Hermann von Winzenburg Letztern kränken wollte. Vielleicht zürnte er ihm, wie Albrecht, weil Lothar ihm die Nordmark nicht zuertheilt hatte. Udo von Freckleben hatte Hermann's Tochter geheirathet, später vermählte sich sein Sohn, Hermann der Jüngere, mit Jenes Schwester, Lutgard, doch geschah dies erst nach 1147, wo Erich Lamm von Dänemark starb.

 

 

_____

122 Zweiter Abschnitt.

 

geehrten und geliebten Manne war der König höchst entrüstet und trat auf dem Reichstage zu Quedlinburg (Pfingsten 1130), wie es scheint, selbst als Kläger gegen den Mörder auf, der durch den einstimmigen Ausspruch der Fürsten seiner Ehren, Würden und Güter verlustig erklärt wurde 1). Die Landgrafenwürde in Thüringen wurde wol schon hier an Ludwig, den Sohn Ludwig's des Saliers, der, weil er der angesehenste unter den Herren im Lande war, von den Schriftstellern gewöhnlich Graf von Thüringen genannt wird, übertragen, und noch einmal mochte der König seinem Verwandten Konrad von Wettin die Markgrafschaft Meißen öffentlich zuerkennen, weil Hermann von Winzenburg es gewagt hatte, eine Würde sich beizulegen, die einst von Kaiser Heinrich V. ihm zugesagt worden war 2).

 

Erst seit durch Lothar ein einheimisches und zwar das mächtigste Dynastengeschlecht in Thüringen zur Landgrafenwürde gelangte, erhielt diese Bedeutung, und erhob sich jenes zum Range erster Fürsten, da es die kluge Politik beobachtete, dem jedesmaligen Kaiserhause sich enge anzuschließen, und in den Zeiten der getheilten Herrschaft stets auf des Mächtigern Seite zu treten. Den ersten Landgrafen Ludwig, dessen Jugend den kühnen, einem Kaiser selbst Trotz bietenden Krieger zeigte, erblicken wir seit seiner Erhebung weniger bei kriegerischen Unternehmungen und selten als Teilnehmer bei wichtigen Feldzügen. Sehen wir aber, wie sein Sohn Ludwig,

 

1) Den Ort der Aechtung gibt Mon. Goz. ad 1129: Cum generalis curia Quedlinburg in Pentecoste celebratur, hic Hermannus de Winciburg Provincialis Comes honoribus, dignatibus principum judicio abdicatur. Da hier nur der Fürstenausspruch erwähnt wird, der König aber bei Ann. Saxo ad 1130 non minima affectus animi tristitia tam de interitu amici quam de perpetrata injustitia (in den Annal. Hildesh. contristatus et iratus, in Chron. Mont. Ser. Vindex perfidiae) heißt, so ist sehr wahrscheinlich, daß Lothar selbst als Kläger auftrat. In dem Jahre irrt Mon. Goz. Sowol 1129 als 1130 feierte Lothar die Pfingsten zu Quedlinburg, wie Ann. Saxo und Chronographus Saxo zeigen.

2) Ann. Bosov. ad 1130: Ob quod idem Hermannus a Rege Lothario deponitur, et Comes Ludovicus pro eo constituitur Landgravius et Comes Conradus de Witin pro eodem Hermanno Marchio constituitur in Misnia. Letzteres ist höchstens zu verstehen, wie es im Text angegeben worden. Daß nicht an eine Verwechselung Konrad's von Wettin mit Konrad von Plozke zu denken sei, und Hermann nicht zum Markgrafen der Nordmark zu machen, wie beides Schwarz appendix ad Petrum Albinum, Menck. III, p. 1001 annimmt, erhellt schon daraus, daß Konrad von Plozke bereits seit Februar Markgraf (der Nordmark) heißt, Hermann erst Pfingsten geächtet wurde.

 

 

____

123 Das Landgrafenthum Thüringen.

 

der Eiserne zubenannt, mit den Großen im Lande verfuhr, welche Macht er um sich versammelte, wie er mit Zuversicht derselben vertrauen konnte, so läßt sich wol mit Recht annehmen, daß der Vater den Grund dazu gelegt, minder durch Thaten im geräuschvollen Waffenspiel, als durch ordnende Weisheit und umsichtige Thätigkeit im Innern des Landes, und so das Vertrauen gerechtfertigt habe, welches Lothar in ihn gesetzt, als er ihn, den nahen Verwandten seiner Gemahlin, der Königin Richenza 1), und wol auf deren Verwendung zum Oberherrn in Thüringen, und zugleich zum Schirmer gegen die von Vielen gefürchtete Macht, welche Heinrich von Baiern durch Vereinigung Sachsens mit seinem Stammherzogthume dereinst erhalten mußte, erhob; denn nun lag ja zwischen beiden eine neu sich erhebende Gewalt, die aus eigenem Interesse nie Baiern und Sachsen in Eins verschmelzen ließ und es verhütete, daß das welfische Haus, wenn es nicht zum deutschen Königsthrone gelange, sich überhebe oder vom Reichsverbande getrennt einen eigenen Staat bilde. Und wirklich sollte dereinst der Mann, welcher einen solchen Versuch wagte, der übermächtige Heinrich der Löwe, vornehmlich durch die Gegenbemühungen der beiden Enkel Ludwig's I. an dem Gelingen seines Vorhabens verhindert und durch ihren Anschluß an Kaiser Friedrich Barbarossa vernichtet werden. Das freilich beabsichtigte oder ahnete Lothar nicht, als er keineswegs aus eigenem Mistrauen gegen seinen Schwiegersohn, sondern zur Beruhigung der Fürsten und auch wol, um selber Thüringen durch einen mächtigen Verwandten an sich zu fesseln, und hier bei allen Landesgrafen mehr Dienstwilligkeit und Einigkeit zu seinen Reichskriegen zu fördern, den Grafen Ludwig aus der Standesgleichheit mit den übrigen Dynasten als Oberherrn über diese setzte und mit kluger Anordnung Jenes Ansehen zwar sogleich erhöhte, aber nur ein allmäliges Wachsen durch das Recht des Anheimfalls von Besitzungen ausgestorbener Familien oder von sonst erledigten Gütern an die Nachkommen Ludwig's vorbereitete, sodaß weder die kleinern Landesherrn in Thüringen

 

1) Wenn Appendix ad Marianum Scotum ad 1130, Histor. Landgrav. Thur., cap. 17, Monum. Landgr. Thur. et March. Misniae bei Menck. II, p. 822 berichten: Ludovicus III. Comes Thuringiae duxit in uxorem filiam Lotharii nomine Hadwigem, so wird dies genug dadurch widerlegt, daß ältere Schriftsteller, die Ann. Saxo ad 1127 benutzte, Gertrud unicam filiam Liuderi nennen. Mon. Goz. a. a. O. sagt nur: Ludovicus Reginae propinquus esse narratur. Wahrscheinlich war Hedwig eine hessische Fürstin, Tochter des Grafen Giso von Gudensberg, dessen Witwe der jüngere Bruder Ludwig's, Heinrich Raspe, heirathete.

 

_____

124 Zweiter Abschnitt.

 

in ihrem Besitze verkürzt, noch dem Landgrafen ein Misbrauch seiner Oberhoheit, Druck und Willkür gegen die früher Gleichgestellten gestattet war 1). Verband der neue Landgraf mit der nöthigen Kraft, um die erlangten Bevorrechtungen aufrecht zu erhalten, die gehörige Einsicht und Milde, um die Landesgrafen, die anfangs freilich ungern ihn über sich gestellt sahen, allmälig zu gewinnen, an Einigkeit, an Gehorsam zu gewöhnen, so war die Macht der Landgrafen von Thüringen ebenso sicher gegründet, als bedeutsam durch die vielseitige Berührung mit den größeren Nachbarprovinzen, durch die Lage des Landes in der Mitte Deutschlands auf der Scheide der nördlichen und südlichen Hälfte. Es zeigte die Folge, daß zu der Entwickelung dieser Macht zwar die Persönlichkeit der Fürsten viel, aber mehr noch die angegebenen Verhältnisse mitgewirkt haben. Lothar erkannte sehr richtig die Nothwendigkeit, in der Mitte Deutschlands, an Stelle des früher so bedeutenden, jetzt aufgehobenen Herzogthums Franken, ein kräftiges Fürstenthum zu gründen. Um gegen den geächteten

 

1) Ueber die Art der Belehnung Ludwig's haben wir zwar nur späte und gewiß entstellte Nachrichten. Die monum. Landgr. Thuringiae a. a. O. sagen: Imperator - Ludovicum, quod virtutibus praestaret, titulo Comitis Principalis sive Landgravii (andere Benennungen für die Würde sind: Comitatus Provinciae bei Ann. Saxo, Chronogr. Saxo und Alb. Stad. ad 1130. Daher die lateinische Benennung Comes provincialis oder Patriae comes bei den Schriftstellern des Mittelalters.) Thuringiae et Hassiae Domini (Letzteres gilt von Ludwig I. noch gar nicht, oder nur für einen sehr kleinen Theil Hessens, den er theils von seiner Gemahlin, theils von seiner Brudersfrau, Jener Mutter, erbte) praevio consensu Principum imperii novisque insignibus ornat (wobei nicht an Wappen, sondern an Fahnen, Waffenkleid und sonstige damals schon übliche Abzeichen der Fürsten zu denken ist) ac duodecim Comites ipsi aulicorum loco adsignat, nempe Wimariensem, Orlamundensem etc.; quibus sine heredibus masculis mortuis in bona Landgravii successerunt. Hier ist wol zweierlei mit einander verwechselt oder verbunden. Wir finden allerdings in Thüringen wie in andern Reichslehen Erbämter, doch nicht von Landesgrafen, sondern von Ministerialen des landgräflichen Hauses verwaltet. Daß der spätere Anheimfall mehrer ausgestorbener Geschlechter, von denen Ursinus Chron, Thur. Menck. II, p. 1263 die weimarschen, orlamündischen (beide erst später getrennt), kefernberger und brandenberger anführt, auf ein Recht, das schon Lothar bei der Belehnung Ludwig übertragen, begründet gewesen, ist kaum zu bezweifeln, doch nicht an deren Unterordnung als Hofgesinde zu denken. Von einer Ceremonie bei der Belehnung lesen wir auch in Append. ad Mar. Scot. a. a. O.: Imperator videns Ludovicum generum suum (dieser Irrthum ist schon widerlegt) esse militem strenuum et potentem in Thuringia et Hassia de consilio Principum ipsum cum vexillorum festiva exhibitione, ut moris erat, Imperatoria largitione solemniter extulit et cum magno praeconio ei nomen principis imposuit et Landgravium Thuringiae ab omnibus nominari fecit.

 

 

____

125 Hermann von Winzenburg.

 

Hermann von Winzenburg die hier unerläßliche Strenge walten zu lassen, mußte Lothar demselben auch die Stammbesitzungen nehmen, und wenn er Widerstand leiste, ihn mit Gewalt beugen, sodaß von seiner königlichen Gnade oder Ungnade das künftige Loos Jenes, dem der quedlinburger Fürstenspruch Rang, Freiheit und Leben abgesprochen hatte, abhängig wurde. Im Hildesheimischen, auf einem der Bergvorsprünge des Harzes, lag die Veste Winzenburg, unersteiglich, stark ummauert und nur durch Aushungern zu demüthigen. Im Vertrauen, daß der König zu andern dringenden Reichsgeschäften bald wieder abgerufen und durch Vermittelung einiger geheimer Freunde unter den sächsischen Fürsten sein Zorn besänftigt und das Strafurtheil gemildert werden möchten, that Hermann Widerstand, als Lothar selbst mit einem Heere ihn belagerte, und wies trotzig die Auffoderung sich zu ergeben, zurück 1). Wirklich konnte Lothar in diesem Jahre nicht so lange in Sachsen verweilen, bis die quedlinburger Acht vollzogen worden, aber Hermann's Geschick wurde dadurch nicht abgewandt. Die Fürsten blieben insgesammt dem Könige getreu und wollten oder konnten für den Geächteten nichts thun, als ihm den Rath ertheilen, sich an die Gnade des Königs zu wenden, um wenigstens das Leben zu retten 2). Jm Anfange des Jahres 1131 gab er sich und alle seine Burgen, Güter und Habe in Lothar's Hände. Dieser ließ ihn auf seine Veste Blankenburg abführen, Winzenburg aber zerstören 3). Um welchen Preis Hermann unter der folgenden Regierung die Freiheit wieder erhielt, ist nicht bekannt. Es genügte vielleicht König Konrad III., daß Hermann Lothar's Feind gewesen war, um ihn frei zu lassen. Fast nichts mehr als sein Tod und das traurige Ende seines Sohnes, mit dem das Geschlecht der Winzenburger ausstarb, wird von den Chronisten angemerkt. Die Veranlassung zu letzterm beweist, daß der Sohn

 

1) Ann. Saxo ad 1130: Castrum Wincenburg obsidione circumdat et circumjacentia igne cremavit. Erst zu 1131 berichtet er, wie auch die Ann. Bosov., Chron. Samp., Cont. Peg., Hermann's Ergebung.

2) Ann. Saxo ad 1131: Herimannus Comes de Wincenburg diffidens rebus suis (was er bei seiner Widersetzlichkeit 1130 nicht that) se una cum praedicto castro consilio Principum potestati Regis tradit, quem Rex custodiae deputat, castrum vero everti solo tenus imperat.

3) Ann. Saxo und die angeführten Chronisten: Hermannus de Wincenburg Regi Lothario se suaque omnia dedens captivus abducitur et in Blankenberg custodiae mancipatur. Winciburc ad solum usque destruitur. Mon. Goz. ad 1129 zieht Alles kurz zusammen: Winziburg obsidetur, capitur, incenditur, funditus subvertitur.

 

 

_____

126 Zweiter Abschnitt.

 

in Gesinnung dem Vater glich und wie dieser von Willkür und Gewaltthätigkeit seinen leidenschaftlichen Sinn nicht zurückzuhalten, geheiligte Banden und fremde Ehre nicht zu achten gelernt habe. Ein schwäbischer Ritter, dessen Frau er geschändet, suchte, von Rache entbrannt, den Verletzer des Haus- und Eherechts in seinem eigenen Hause auf, drang mit gezücktem Schwerte in seine Gemächer und ermordete nicht nur den Grafen, sondern auch dessen gleichfalls nicht wohlberüchtigte Gemahlin Luitgard, weil diese, schwanger, mit der Rache Dessen drohte, den sie unter ihrem Herzen trüge 1). Am 30. Januar 1152 fand Hermann der Jüngere ein solches Ende, und mit ihm und dem im Mutterleibe gemordeten Sprößling erlosch sein Haus, um dessen Allodien, die noch einmal ihm zurückgegeben waren, später ein Streit zwischen Herzog Heinrich dem Löwen und Albrecht dem Bären entstand, welchen beizulegen dem Kaiser Friedrich nur mit Mühe gelang.

 

Was zunächst den König 1130 aus Sachsen abrief, war der fortdauernde Trotz vieler baierischer Großen gegen ihren Landesherrn. Seinem Schwiegersohne für die mehrfachen Dienste einen wirksamen, auch dem Reiche wohlthätigen Gegendienst zu leisten, glaubte Lothar jetzt um so weniger abschlagen zu können, als er in der Errichtung oder doch Erhöhung der landgräflichen Würde in Thüringen einem Verlangen der andern Reichsfürsten, die Heinrich's Macht dadurch zu beschränken hofften, nachgegeben hatte. Sollte Heinrich ihm deshalb nicht zürnen, so mußte jetzt für Baiern etwas von Seiten des Reichsoberhauptcs geschehen, was jeden Argwohn und Verdacht niederschlug. Er begab sich nach Regensburg und beschied dorthin viele Geistliche und Fürsten des südlichen Deutschlands. Nicht nur Bestimmungen für Baiern, auch Reichsangelegenheiten sollten berathen werden. Der frühern Verpflichtung getreu und um dem unlängst erneuten Freundschaftsbunde zu entsprechen, stellte auf Lothar's

 

1) Dunkel schwebt freilich über der That. Die meisten Chronisten geben nur kurz die Ermordung Hermann's und Luitgardens an. So Chron. Samp. ad 1152: Hermannus Comes de Wincinburg in eodem castro (das also wieder hergestellt sein mußte) a suis hominibus una cum conjuge flebiliter occiditur. Erst spätere haben die ausführliche Erzählung, die indeß wol Glauben verdient. S. über den Vorfall und den Erbstreit Helmold I, cap. 73, Chronogr. Saxo ad 1153 (für 1152), Cont. Peg., Chron. Stederburg., Chron. Engelhus. ad 1152, Krantz hist. Sax. lib. VI, cap. 11 und Metropolis lib. VI, cap. 21. Die Herrschaft Winzenburg sammt der Stadt Alfeld brachte Bischof Bernhard von Hildesheim an dieses Stift. S. Krantz a. a. O.

 

 

____

127 Unterwerfung Frankens.

 

Einladung auch der Böhmenherzog Sobislav, begleitet von ansehnlichen Kriegerscharen sich ein 1). Von den übrigen Anwesenden sind bekannt aus Urkunden der Erzbischof Konrad von Salzburg, die Bischöfe Kuno von Regensburg, Otto von Bamberg, Gebhard von Eichstädt, Reginmar von Passau, Hermann von Augsburg und von Laienfürsten die Herzoge Heinrich und Sobislav von Baiern und Böhmen, Engelbrecht von Kärnthen, Pfalzgraf Otto von Wittelsbach, die Markgrafen Diebhold und Egibert, die Grafen Lokhard von Dacherau, Berthold von Andechs, Adelbert von Bogen, neben denen noch viele andere Grafen, Ritter und Edle, sowie geringere Geistliche in Regensburg anwesend zu denken sind 2). Nach einer Versammlung so angesehener Fürsten zu schließen, müssen Dinge von Wichtigkeit daselbst zur Sprache gekommen sein, doch fehlen nähere Nachrichten darüber. Nur von einem Unternehmen, das bald danach ausgeführt wurde, können wir mit Zuversicht glauben, daß es in Regensburg beschlossen und vorbereitet worden sei. Nürnberg, das noch immer, ohne von dem Beispiele Speiers zu gleicher, Unterwürfigkeit sich bewogen zu fühlen, dem Könige widerstand, wurde in diesem Jahre bezwungen, und mit dieser Stadt ganz Franken den rechtmäßigen Herren, dem Könige und dem von diesem eingesetzten Bischofe Embricho von Würzburg, wiedergewonnen 3). Sobislav

 

1) Anonymi Chron. Boh. ad 1130: Eodem anno Sobieslaus cum exercitu ad Lotharium Regem transiit, qui tunc Ratisbonae erat. Ihn hat man auch in der Urkunde bei Hund metrop. Salib. Tom. III, p. 303 unter dem Udalricus Dux Bavariae (fälschlich für Bohemiae) zu suchen, da bekanntlich Sobislav in Deutschland Ulrich genannt wurde.

2) S. die Schenkungsurkunde, welche Lothar dem Kloster Undensdorf zu Regensburg ausstellen ließ, bei Hund a. a. O. Lothar gibt sie: Praesentibus principibus et Episcopis et Laicis (es folgen die im Text Genannten) - in Curia Ratisbonae feliciter. Das Jahr 1130, wonach denn Indictio VIII für VII zu setzen ist, wie Mascov. comment., p. 27 richtig vermerkt.

3) Die Unterwerfung Nürnbergs geben Ann. Saxo, Dodechin ad 1130, Chron. Ridagesh. ad 1132. Wenn ersterer sagt: Rex Nurenberg urbem munitissimam, quam superiori anno obsederat, in deditionem accepit, so ist unter der vorjährigen Belagerung wol die von 1128 zu verstehen, die indeß nach Abzug der Hohenstaufen Friedrich's und Konrad's nach Schwaben und dem Rhein wieder aufgenommen worden sein mag, doch mehr um die Stadt zu bewachen und unschädlich zu machen, als sie ernstlich zu bekämpfen, was bei ihrer großen Festigkeit nur mit bedeutender Heeresmacht geschehen konnte. Und diese brauchte Lothar 1129 in andern Gegenden. Auch führt kein Chronist zu 1129 eine Unternehmung Lothar's gegen Nürnberg an. Diese wurde erst zu Regensburg beschlossen und mit Sobislav's Hülfe glücklich beendet.

 

 

____

128 Zweiter Abschnitt.

 

bewies sich sowol bei der Bezwingung Frankens als bei der Unterwerfung der baierischen Rebellen sehr thätig, nur zeigten freilich seine Böhmen auch wieder die alte Wildheit, Grausamkeit und Zerstörungswuth, wodurch sie in Deutschland stets sich verhaßt gemacht haben 1).

 

Lothar's große Thätigkeit in dieser Zeit geht schon daraus hervor, daß alle die obenerwähnten Anordnungen in Sachsen, Baiern und Franken, die seit der Eroberung von Speier getroffen wurden, noch in die erste Hälfte des Jahres 1130 fallen 2). Daß Großes damit gewonnen und die Macht des Königs besonders durch Bezwingung Speiers und Nürnbergs befestigt und erhöht worden war, leuchtet wol jedem Unbefangenen ein. Daß er vor Beseitigung der bisher ihn hemmenden, seinem Hauptstreben nachtheiligen Hindernisse nichts gegen den Herzog Friedrich unmittelbar unternahm, dies ihm zum Vorwurfe machen oder als Schwäche auslegen, heißt Lothar's weises Verfahren gänzlich verkennen, und übersehen, daß mittelbar all die gethanen Schritte wider den Gegner gerichtet waren und diesem mehr Nachtheil brachten, als ein Einfall des Königs oder Herzog Heinrich's in Schwaben gethan haben würde. Langsam aber sicher näherte sich Lothar seinem Ziele: einen dauernden Frieden, eine feste Vereinigung in dem durch Fehden und inneres Zerwürsniß gelösten Reichskörper herzustellen. Nicht von leidenschaftlicher Hitze gegen den persönlichen Widersacher fortgerissen, sondern mit höherem Geiste der Pflicht als Deutschlands Beherrscher genügend, dachte er weder jetzt Jenen um jeden Preis zu vernichten, noch in den folgenden Jahren, wo neue Sorgen und unerwartete Hindernisse ihn von der ernstlich begonnenen Bekämpfung Friedrich's und Konrad's abhielten, auf einen Vergleich, den diese anboten,

 

1) Vergl. Palacky, Gesch. von Böhmen, S. 402. An Besitzungen des Gegenkönigs Konrad in Franken ist aber nicht zu denken. Nur Nürnberg erkannte ihn als Herrn, und er selber mochte Franken auf Grund der Uebertragung Kaiser Heinrich's 1115 sein nennen. Der Thaten Sobislav's in Baiern erwähnt Anonymi Chron. Boh., cap. 61: In qua etiam via ad Regis mandatum XX munitiones Bavarorum destruxit.

2) Nur die Reihenfolge, nicht die nähere Zeitbestimmung der Begebenheit ist anzugeben möglich. Die letzte der Zeit nach ist nach meiner Ueberzeugung die Eroberung Nürnbergs. Daß Sobislav dabei den König unterstützte, ist kaum zu bezweifeln. In der Mitte Juni war der Böhmenherzog aber schon in Prag, wo er eine Verschwörung gegen sein Leben bestraft, und seitdem unablässig in seinem Lande verweilt. Seine Mitwirkung in Deutschland fällt also in die erste Hälfte des Jahres 1130.

 

 

____

129 Tod Honorius' II.

 

einzugehen. Italien und der Norden, woher die Störungen kamen, die erst überwunden werden mußten, ehe Lothar's Regierung den höchsten Glanz und Deutschland die höchste Macht erreichen konnten, ziehen zunächst unsere Aufmerksamkeit auf sich.

 

 

 

Dritter Abschnitt.

 

Das Kirchenschisma. Innocenz II. in Frankreich und Anaclet II. in Italien. Bewerbung Beider um Lothar's Freundschaft. Das Concil zu Lüttich. Lothar's Thätigkeit am Rhein und im Elsaß. Thronstreit in Dänemark. Des Königs Heerfahrt wider die Dänen und Slaven. Baierische Fehden. Stellung Heinrich's zu den Hohenstaufen. Lothar's Maßregeln vor Antritt des Römerzuges.

 

In der Mitte des Monats Februar 1130 1) war Papst Honorius II., nachdem er fünf Jahre zum Heil der Kirche wie der Welt den Stuhl Petri inne gehabt, gestorben. Der Friede zwischen Kirche und Reich, den er als Bischof von Ostia, 1122, durch das wormser Concordat vermittelt hatte, war von ihm sowol mit Heinrich V. als Lothar aufrecht erhalten, und durch seine Bemühungen ganz entgegengesetzt denen seiner Vorgänger die Macht beider Herrscher gegen Widersacher derselben beschützt worden. Um sein eigenes päpstliches Ansehen, dem von den wankelmüthigen Römern leicht Gefahr drohte, zu befestigen, hatte er in der Vermehrung geistlicher Würden und Kirchenämter ein ebenso friedliches als förderndes Mittel gefunden 2). Wie wenige von seinen Vorgängern und Nachfolgern verstand Honorius,

 

1) Baronii Annal. Ecclesiastici Tom. XII, p. 231: Moritur decimo sexto Kal. Martii. Ebenso Muratori Annali VI, p. 427, das wäre den 14. Februar. Nach andern ist der 16. Februar der Sterbetag. S. Raumer, I, S. 344.

2) Baronius a. a. O. nach Pandulphus: Hic fecit ordinationes in urbe plures, quibus creavit complures presbyterorum ac diaconorum et aliorum minorum ordinum. - - Praeter hos Episcopos aliquot. Nach einer andern von Baron. angegebenen Quelle machte er diese große Vermehrung geistlicher Stellen kurz vor seinem Tode, im December 1129.

II. 9

 

 

_____

130 Dritter Abschnitt.

 

die Parteien in Rom zu fesseln und sich geneigt zu machen. Kaum aber war er dahingegangen, als die frühern Leidenschaften, die alte Zwietracht in erhöhtem Maße wieder hervorbrach. Den Anlaß dazu gab die neue Papstwahl, und unter den Kardinälen, den Wählern, erblicken wir die Parteiung zuerst und am heftigsten.

 

Da Honorius, als er das Herannahen des Todes fühlte, sich vom Lateran nach dem Andreaskloster hatte bringen lassen, wo er auch verschied, benutzten, so scheint es, Freunde und Anhänger des reichen und freigebigen Petrus Leonis Zeit und Gelegenheit, dem Volke wie dem Senat diesen Mann zum Nachfolger auf dem Stuhle des h. Petrus zu empfehlen, und da an 30 Kardinäle für denselben waren, so stand seine Erhebung fast außer Zweifel. Mögen Uebertreibung und Haß der Gegner die angewandten Mittel und Künste, wodurch Petrus Leonis eine überwiegende Partei in Rom für sich gewonnen habe, in ein allzu ungünstiges Licht stellen; daß ein reicher und ehrgeiziger Mann, wie Petrus, nicht auf erlaubte Weise zu großem Anhange gelangt sei, ist bei einer so feilen Stadt, wie Rom, kaum zu bezweifeln 1). Daß einem solchen Manne strenger denkende Geistliche und Laien nicht die höchste Würde der Kirche einräumen wollten, begreift man ebenso leicht. Großen Anstoß nahmen schon Viele an seiner Herkunft. Erst sein Großvater hatte vom jüdischen Glaubensbekenntniß zum christlichen sich gewendet, und in der Taufe vom Papst Leo dessen Namen erhalten. Sein Sohn Petrus, dankbar für die seinem Hause erwiesene Ehre, diente mit Treue und großer Gewandtheit den nachfolgenden Päpsten, und hatte, wie wir gesehen, eine so einflußreiche Stellung in der römischen Kurie, daß ohne ihn keine wichtige Angelegenheit abgemacht wurde. Seine

 

1) Vita S. Bernardi lib. II, im Anfang: (Petrus) congregaverat sane opes innumeras tam in exactionibus Curiae quam in legationum negotiationibus, quas ad expectandas nundinas reservaverat. Insuper et paterni census ampla congeries eatenus sigillata, modo distributa in populum, ad fas et nefas venalem plebem armaverat. Quibus erogatis donaria Regum in ornamentis ecclesiae ab ipsis evulsit altaribus et cum calices frangere et crucifixos aureos membratim dividere ipsi profani Christiani vel timerent vel erubescerent, Judaeos ajunt esse quaesitos, qui sacra vasa et imagines deo dedicatas audacter comminuerent. Igitur quisque pro modo suo secundum majus et minus conducti ad scelus sacramentis generalibus publice Petro vendiderunt assensum et in omnem sanguinem manus exposuerunt etc. Schon vorher heißt es, was wol nicht übertrieben scheint: Adhaerentium sibi affinitate multitudo tanta erat, ut fere tota eum civitas sequeretur vel pecunia vel commodis obligata.

 

 

_____

131 Das Kirchenschisma

 

Erfahrung und Umsicht wußte oft in den bedrängtesten, gefährlichsten Lagen Paschalis II. aus der Gewalt der Gegner zu befreien, und in dem Streite mit dem Kaiser Heinrich V. war Petrus ein ebenso geschickter als freisinniger Unterhändler und Vermittler zwischen beiden gewesen. Unter mehren Kindern desselben widmete einer, gleichfalls Petrus, sich dem geistlichen Stande, studirte zu Paris, trat zu Clugny in den Mönchsorden, ward aber bald, wol durch seines Vaters Einfluß, von Paschalis nach Rom berufen und zeigte hier die gleiche Tüchtigkeit und Ergebenheit gegen die rechtmäßigen Päpste, die sein Vater bewiesen, weshalb er bald von einer Stufe der Würden zur andern gelangte und von Calixtus II. zum Kardinal erhoben ward, seit welcher Zeit er in Kirchenangelegenheiten Aufträge mit großer Umsicht und Gewandtheit ausführte, mehre Synoden in Frankreich leitete, auch in Deutschland in Geschäften verweilte, und durch kluge Benutzung seiner großen Reichthümer den bereits erlangten Einfluß vermehrte, der sich in Rom auf Geistliche und Weltliche, Hohe und Niedere erstreckte, sodaß es wenig in Verwunderung setzen kann, den Enkel eines Juden die Hand nach dem höchsten Priesterschmuck in der ganzen Christenheit ausstrecken zu sehen. Wenn sogar an 30 Kardinäle, beiweitem die Mehrzahl, darüber hinwegsahen und um der Verdienste des Mannes oder eigener Vortheile halber, seine Erhebung aus allen Kräften förderten, so durften Senat und Volk noch weniger Anstand nehmen, zumal da von der Freigebigkeit des Mannes, wenn er Papst würde, Alles, was ihr Herz, ihre Sinne, ihre Lust und Leidenschaft zu befriedigen vermochte, zu erwarten stand. Auch der Adel war ihm zugethan. Nur die Frangipani, die durch das emporgekommene Haus eines Juden ihre alte, bisher so einfluß- und geldreiche Familie in der Stadt beeinträchtigt, am päpstlichen Hofe verdrängt sahen, und vornehmlich deshalb bei allen Gelegenheiten die kaiserliche Partei oder doch die der Gegner des den Leonen zugethanen Papstes ergriffen hatten, wie wir dies in dem Schisma zwischen Gelasius II. und Gregor VIII. gesehen, widersetzten sich heftig und unbestechlich, als von der Erhebung des ihnen verhaßten Petrus Leonis die Rede war. Sie waren es unfehlbar, welche von den noch geheim betriebenen Werbungen des Leonischen Anhanges diejenigen Kardinäle, welche zu St. Andreas um den sterbenden Honorius versammelt waren, in Kenntniß setzten und ihren Beistand, ihre festen Paläste in der Stadt ihnen anboten, wenn sie der Wahl des Kardinal Petrus, die bei der überwiegenden Mehrheit der Anhänger an einem gemeinsamen Wahltage durchgehen müßte, durch eine früher abgehaltene Separat-Wahl zuvorkommen

9*

 

 

____

132 Dritter Abschnitt.

 

wollten. Wenn dies auch nicht allein die beschleunigte Erhebung Gregor's von St. Angelo herbeiführte, so gab es doch denen, welche dieselbe vollzogen 1), mehr Zuversicht auf einen Anhang in der Stadt, da das Haus der Frangipani noch immer mächtig und einflußreich dagestanden hatte, und es nun dessen Interesse foderte, Alles gegen den Nebenbuhler aufzubieten.

 

Die eigentlichen Beweggründe, warum eine viel geringere Anzahl von Kardinälen, als die waren, welche für Petrus sich entschieden zeigten, auf eine Weise, die sich kirchlich kaum rechtfertigen läßt, zur Wahl eines Papstes schritten, sind bei dem bald bis zum Aeußersten gesteigerten Parteihaß, bei den übertriebenen Beschuldigungen 2), welche die endlich siegreichen Anhänger Innocenz II. gegen Petrus vorbrachten, schwer zu erkennen, und über den Vorgängen in Rom schwebt ein Dunkel, sodaß wir das Verfahren beider Parteien schwer zu prüfen vermögen. Die bald danach im Auslande

 

1) Suger vita Lud. nennt die Wähler von Innocenz assiduitate et familiaritate propinquiores apostolici (Honorii). Die bedeutendsten darunter, die Bischöfe Wilhelm von Präneste, Konrad von Sabium, der Kardinal Presbyter Petrus Rufus oder sancti Martini in Montibus und Haimericus S. Mariae Novae Apostolicae sedis Cancellarius hielten sowol mit Kardinal Gregor, dem nachmaligen Papste Innocenz, als mit Petrus Leonis und zweien später für diesen stimmenden Kardinälen, noch ehe Honorius verschieden war, in der Kirche zu St. Andreas eine Berathung, von der später der Bischof von Lucca an Norbert von Magdeburg und den König Lothar berichtet. Cod. Udalr., Nr. 346: Statutum est ab eis, octo personis electionem Pontificis committi ita ut, si committeret Dominus Papam Honorium, qui tunc in articulo mortis positus erat, ab hac vita transire, persona, quae ab eis communiter eligeretur vel a parte sanioris consulii, ab omnibus pro Domino et Romano Pontifice susciperetur. Praenestinus etiam cum caeteris decrevit, ut si quis electioni taliter factae contradiceret, anathemati subjaceret, et si quis alium adtemptaret eligere, factum pro infecto haberetur, nec ipse ulterius in ecclesia locum consequeretur. Nachdem die drei zuletztgenannten von den acht sich getrennt, wählen die fünf Zurückgebliebenen Gregor als Innocenz II., Jene Petrus als Anaclet II. Die Wahl Gregor's geschah also wol zu St. Andreas, gleichsam über der Leiche des eben verstorbenen Honorius.

2) Man höre, über Petrus' Ausschweifenheit Arnulfi Sagiensis Archidiaconi tractatus de schismate orto post Honorii II. Papae decessum in d' Achery spicil. I, p 156: Sororem Tropeam bestiali polluisse narratur incestu et ex ea abdominabili prodigio eosdem sustulisse filius, quos nepotes nepotum pater filiorum factus avunculus sic naturae jura confudit, ut eosdem sibi invicem fratres faceret et cognatos. Dann: Ut turpiora praeteream, circumducebatur puella, cui in fraudem viventium adolescentis speciem vestis et tonsura conferret, quae singulos aestus tolleraret, singulos solaretur affectus. Zeugen nennt Arnulf für Alles, doch gewiß parteiische gegen Anaclet, wie er selbst es ist.

 

 

_____

133 Das Kirchenschisma.

 

angestellten Untersuchungen hatten mehr die Person der Gewählten, als den Hergang des Schismas im Auge, und die Rechtfertigungen der Parteien selbst gehen von einem zu verschiedenen Standpunkte aus, als daß eine Würdigung, eine Abwägung der Verhältnisse bei ihnen gesucht werden darf. Und doch sind diese nur dem Geschichtforscher von Interesse, und müssen, soweit es angeht, aus den Berichten der Zeitgenossen geprüft werden.

 

Es ist kaum zu bezweifeln, daß Petrus, der Sohn Petrus Leonis, schon zu Lebzeiten Honorius' II. Vorkehrungen getroffen, um nach dessen Ableben den Besitz des päpstlichen Stuhles sich zu verschaffen. Da sein Herkommen, seine Geburt, selbst sein Aeußeres 1) seinem ehrgeizigen Streben hinderlich waren, seine Verdienste um die Kirche, wie groß sie auch sein mochten, ihn doch vielen anderen Kardinälen gleich, wenn nicht nachstellten, so konnten allein seine Reichthümer ihn fördern. Wenn zu seinen Gegnern die Kardinäle gehörten, welche des Papstes Honorius nähere Freunde und Vertraute waren, so darf man annehmen, daß Honorius selbst dem ehrfüchtigen Petrus abgeneigt gewesen, und einen andern als ihn zu seinem Nachfolger empfohlen, ja wol den in jeder Beziehung würdigeren Gregor von St. Angelo als solchen seinen Umgebungen bezeichnet habe 2). Was, freilich von Lobrednern, über Gregor berichtet wird, hat selbst bei den Gegnern niemals Widerspruch gefunden. Danach 3) war Gregor, der nachmalige Papst Innocenz II., von mittlerer Körpergröße, aus seinen Augen und Mienen leuchtete gerade Schlichtheit, doch verkündete sein Blick eine gotterfüllte Seele, die Zuneigung,

 

1) Ordev. Vital. Concil. X, p. 870, beschreibt ihn auf der Synode zu Rheims, wohin ihn Erzbischof Friedrich von Köln, dem er von Calixtus II. als Geisel übergeben war, zurückgesandt hatte. Mirabilem nigrum et pallidum adolescentem magis Judaeo vel Agareno quam Christiano similem vestibus quidem optimis indutum (was seinen Reichthum oder seine Eitlkeit bezeichnet), sed corpore deformem, quem Franci aliique plures papae adsistentem intuentes deriserunt. Aus eigenem Haß gegen Petrus fügt dann Vital. noch hinzu: Eique dedecus perniciemque citam imprecati sunt propter odium patris ipsius, quem iniquissimum foeneratorem noverunt.

2) Chron. Andrensis Monast. bei d' Achery II, p. 800: Gregorius privilegium electionis ab Honorio Papa adhuc vivente consensu quorundam Cardinalium sibi usurpat.

3) Arnulf tractatus a. a. O. ist es, dem wir hier folgen und Glauben schenken, soweit wir auch entfernt sind, seinen Verleumdungen gegen Anaclet Beifall zu geben.

 

____

134 Dritter Abschnitt.

 

Ehrfurcht erweckte und Ehrerbietung erheischte 1). Seine Stimme war angenehm und einschmeichelnd, ohne in allzuweichen Schmelz sich aufzulösen, sodaß es seiner sanften Mahnung nie an Wärme, der ernsten nie an Kraft gebrach. Stets heiter erschien sein Antlitz, und häufig unterbrach ein Lächeln die gepflogene Unterredung, jedoch mit so viel Anstand, daß es den Reiz seiner Worte und Geberden nie aufhob, sondern noch erhöhte. Unbescholtenheit seines Lebenswandels in jedem Lebensalter, Reinheit der Sitten, Mäßigkeit im Essen und Trinken erwarben ihm aller Guten Zuneigung, seine Umsicht und die Gediegenheit seines Urtheils, wenn man seinen Rath einholte, seine Wohlwollenheit, wenn man ihn um Etwas anging, seine Beredtsamkeit, wenn er einen Gegenstand entwickelte, wobei er doch nie weitschweifig wurde, machten ihn zur höchsten Würde in der Kirche geeignet 2).

 

Weil Geld aber den Meisten mehr gilt und sie mehr fesselt, als alles Andere, so konnten weder durch Gregor's Tugenden noch durch Honorius' Empfehlungen die Hoffnungen des reichen und schlauen Petrus Leonis bei den Römern herabgedrückt werden. Als die acht vornehmsten Wähler des ganzen Kardinalcollegiums mit Einschluß Gregor's sowol als Petrus' festsetzten, daß man dem, der von ihnen einstimmig oder nach dem Rathe der Bessern als Nachfolger Honorius' bezeichnet würde, allgemeine Anerkennung zu verschaffen suchen solle, gelobten dies Alle ohne Ausnahme; dessenungeachtet bot Leo seine zahlreichen Anhänger auf, damit sie, ehe der Wahltag erschien, ja ehe Honorius verschieden war, seine Erhebung förderten; ein lauter Tumult erhob sich in der Stadt, indem die Menge, durch die Straßen ziehend, seinen Namen jauchzend ausrief; kaum vermochte Honorius, der noch einmal unerwartet am Fenster sich zeigte und zürnend auf die Menge herabblickte, einem Gewaltstreich derselben vorzubeugen 3). Als nun an demselben Tage

 

1) Stärker noch sind Arnulf's Ausdrücke: Ipsius oculis divinum quiddam superna bonitas inspiravit, quod plenum gratiae, quod reverentia dignum, quod honori congruum generaliter arbitretur.

2) Arnulf a. a. O. schließt: Vir unicus unicae dignitati divina providentia praeformatus.

3) Cod. Udalr. Nr. 346: Deinceps statutum est ut electores (die acht Kardinäle) altera die simul convenirent. Caeterum Petrus Leonis cum Jonathan ab eis recedens - - ad fratres postea redire contempsit et conventicula seorsim colligens altare maledictionis erigere satagebat. Quod nisi Dominus Papa Honorius, quem credebant jam mortuum se ad fenestram populo ostendisset, cum fratum et propinquorum ac muneribus et obsequiis conductorum turba ministrorum, praeco Antichristi supra, quod dicitur, Deus ante tempus se extulisset, etc.

 

 

____

135 Das Kirchenschisma.

 

den von solchen Auftritten und Unheil verkündenden Anzeichen tief Erschütterten der Tod hinwegnahm, fürchteten mit Recht die vertrauten Anhänger des Verschiedenen, die mit diesem die Abneigung gegen Petrus und dessen Partei getheilt hatten, die Zügellosigkeit der Römer, und wagten es nicht, wie bei der frühern Berathung verabredet worden, zu St. Markus, dem gewöhnlichen Wahlorte der Kardinäle, sich einzufinden. Doch auch nicht müßig wollten sie in dem Alles entscheidenden Zeitpunkte bleiben. Deshalb veranstalteten die fünf von den acht noch zusammenhaltenden Kardinälen, in Gemeinschaft mit 11 bis 12 anderen, die ihnen beipflichteten, ehe der Tod Honorius' bekannt gemacht und das Kardinalcollegium nach St. Markus einberufen würde, sofort eine Wahl zu St. Andreas, die nach dem Eide, den auch Petrus und zwei seiner Anhänger abgelegt hätten, keine neue zu halten mehr gestatte 1). Die Nothwendigkeit, meinte man, entschuldige, was an Ort und Zeit mangelhaft und gegen Herkommen oder gegen Verabredung sei. Durchaus aber ersetze die Person Dessen, den sie zu wählen einmüthig entschlossen waren, die Verstöße gegen den Ritus, was jeder Vernünftige und Biedermann einsehen werde. Lange sträubte sich zwar Gregor - und bei den obwaltenden Umständen wol nicht aus angenommener Sprödigkeit - die ihm übertragene Würde anzunehmen, doch Vorstellungen und selbst Drohungen, daß er sich dem Wohl der Kirche nicht entziehen dürfe, daß seine Weigerung sträflich sei, überwanden die Bedenken, welche er gegen Annahme der päpstlichen Tiara entgegenstellte 2). Unter dem Namen Innocenz II. wurde er von der

 

1) So lassen sich am besten die verschiedenen Nachrichten vereinen. Nach Cod. Udalr. a. a. O. wählen nur die fünf zurückgebliebenen der früheren acht Kardinäle, auf die wol zu beziehen ist, was Suger vita Lud. sagt: Cum Ecclesiae Romanae majores et sapientiores ad removendum Ecclesiae tumultum consensissent apud S. Marcum et non alibi et non nisi communiter more Romano celebrem fieri electionem. Baron. XII, p. 233, gibt nach einem vaticanischen Manuscript 16 Wähler namentlich an, unter denen aber die fünf sich finden, wenn man Petrus Rufus in Cod. Udalr. und den hier angeführten Petrus S. Martini in Montibus für identisch hält. An beiden Orten steht Petrus unter den presbyteri.

2) Arnulf, p. 158, läßt die Wähler sprechen: Non ad honorem te, sed ad periculum invitamus. - Si acquiescis, exhibemus obsequia, si excusas, exigimus de inobedientia poenam. His dictis parabant excommunicationis promulgare sententiam, allatum interim ex longinquo pluviale prae manibus offerentes. Quid faceret? Um dem Bann zu entgehen, muß er Papst werden. Das ist offenbare Uebertreibung!

 

 

____

136 Dritter Abschnitt.

 

kleinen aber durch die ersten Männer der Kurie würdigen Versammlung begrüßt.

 

Gewiß blieb die Wahl den übrigen Kardinalen und Geistlichen in Rom kein Geheimniß, ja es lag in dem Interesse der Wähler, die gethane Wahl schnell kund zu machen. Gleichwol beharrten die Anhanger Petrus' auf dem einmal gefaßten Vorsatz, öffentlich und an geweihter Stätte eine Wahl zu vollziehen, welche die bereits erfolgte ungültig machen sollte. Im Besitze der größern physischen Gewalt konnten sie daran nicht verhindert werden.

 

Ohne Berücksichtigung der nähern Umstände und Verhältnisse, die sich hier darbieten, erscheint allerdings die zu St. Markus vorgenommene Erhebung Petrus', der den Namen Anaclet II. empfing 1), rechtmäßiger, die von Innocenz II. unkanonisch, einseitig und eigenmächtig. Naher betrachtet, verdienen indeß die wenigen Männer, die es wagten, einer überwiegenden, von Leidenschaft, Habsucht, Geldgierde beherrschten Menge entgegenzutreten, die Anerkennung, welche um des Mannes wegen, den sie Anaclet vorzogen, bald die bessern Zeitgenossen, die meisten Fürsten und Völker ihnen zollten. Denn nicht mehr Rom, nicht sein Senat, nicht das Volk, ja nicht mehr die überwiegende Zahl des Kardinalcollegiums sollte den Ausschlag geben, sondern Frankreich, England, Spanien, vornehmlich aber Deutschland und dessen König über den für rechtmäßig anzuerkennenden Papst entscheiden. Und Alle entschieden für Den, welcher in Rom nur einen kleinen Anhang besaß und sich in der Stadt kaum wenige Monate zu behaupten vermochte, für den außer den Frangipani sich nur noch die Korsen geneigt zeigten 2). Doch bald drohten auch diese wenigen Freunde der Uebermacht und den verlockenden Verheißungen des Gegners zu erliegen, und Innocenz, nachdem er das Osterfest noch in der Stadt gefeiert, beschloß, andrer

 

1) Suger vita Lud. : Qui autem Petri Leonis parti favebant, ad S. Marcum venerunt, Dominique Papae morte comperta ipsum eundem Petrum serius Cardinalem presbyterum multorum et Episcoporum et Cardinalium et clericorum et Romanorum nobilium consensu votive elegerunt. Die Namen der vornehmsten Wähler gibt deren Schreiben an König Lothar bei Baron., p. 239. Näheres über die Wahl ist auch aus den vielen Briefen beider Parteien, die Baron. a. a. O., Cod. Udalr. Nr. 338, 339, 340, 342, 345 und 346 geben, nicht ersichtlich.

2) Baron. nach einem Anonymus, p. 233: Talibus ergo tantisque mercibus inique dotatus (Anacletus) majorem venalis Urbis partem emere studuit corrumpens vulgus etiam ita sibi astrinxit, ut praeter Frangipanum et Corsorum munitiones, Papa Innocentius nullum in Urbe subsidium haberet.

 

 

____

137 Innocenz II. und Anaclet II.

 

Orten sein Heil zu suchen. Auf zwei Galeeren schiffte er sich mit seinen ergebensten Anhängern ein; nur einer, der Bischof Konrad von Sabinum, blieb zurück, um in Rom verborgen als sein Stellvertreter zu wirken. Unter mancherlei Gefahren landeten die Flüchtlinge an der pisanischen Küste, von wo sie dann später über Genua nach dem alten Zufluchtsorte vertriebener Päpste, nach Frankreich, sich wendeten. In Rom war nun Anaclet alleiniger Gebieter, da auch das Haus der Frangipani dem Golde desselben nicht widerstand und bald nach Innocenz's Flucht öffentlich sich zu Jenes Anhänger zählte 1), wenn sie freilich nur die Maske der Ergebenheit anlegten und bei günstiger Gelegenheit zu Innocenz's Rückkehr nach Rom mitwirkten. Auch erkannte der Sieger in Rom bald, daß nicht die Herrschaft in dieser Stadt, nicht der Bannstrahl, den er am Osterfeste (30. März) über den Gegner verhängte, ihm die Anerkennung der Fürsten und Völker zuwendeten, wenn er nicht die Mächtigen der Erde, nicht die Angesehensten der Kirche in den europäischen Reichen für sich gewänne. Um dies zu erlangen, sandte er wiederholentlich Schreiben an die Könige Lothar von Deutschland, Ludwig von Frankreich, Heinrich von England, an den byzantinischen Kaiser, den König von Jerusalem und andere Fürsten und Reiche. Die Geistlichen, welche seine Wahl veranlaßt und geleitet hatten, die Fürsten und Häupter, Senat und Volk von Rom unterstützten durch ähnliche Schreiben den Mann, den sie mehr um irdischen Gewinn, als aus Ueberzeugung von seinem Werth zum Herrn sich erkoren

 

1) Bei Baron., p. 240 in dem Schreiben des römischen Magistrats an König Lothar nennen sich Anaclet's Anhänger gleich zuerst: Hugo Praefectus Urbis et frater ejus etc. Acta Romae feliciter. XV. Kal Junii. Schon in Anaclet's Schreiben Kal. Maji und Idib. Maji bei Baron., p. 238 und 241, heißt es: Viri illustres Leo Frajapanis, Hugo Praefectus Urbis et frater ejus, filius Leonis Frajapanis et Cencius frater ejus etc. fidelitatem nobis debitam juraverunt. In dem Schreiben der Kardinäle an Lothar ibid., p. 240: Arridente ei egregio viro Leone Frajapane, qui nunc per dei gratiam nobiscum est. Die Vita Bernhardi lib. II. im Eingang sagt von dem Aufenthalt Innocenz in den Palästen der Frangipani: Sed nec in eis perseveravit fidelitas. Nam in brevi aut vi aut formidine temerariae multitudinis aut pretio corrupti sunt. Dies zwang ihn zur Flucht, und wahr schreibt Anaclet vom 1. Mai bei Baron, p. 238: De domo Leonis Frangipanis, cujus potissimum viribus videbantur inniti, nocturno tempore fugientes, se trans Tiberim contulerunt. Ueber die Flucht s. p. 234 nach Anonymus ex Cod. Vaticano Vita Bernh. II.: Ascendit ergo duas galeas cum omnibus fratribus, qui secum steterant, praeter Conradum Sabinensem Episcopum, quem Vicarium in urbe reliquit, et faucibus Tiberis cum difficultate transcensis ad Comitatum Pisanum cum prosperitate pervenit.

 

 

____

138 Dritter Abschnitt.

 

hatten, und dem sie, um jenes nicht verlustig zu gehen, dauernd den Besitz des römischen Stuhles sichern wollten. Vergebliches Bemühen! Die damalige Welt fühlte sich noch frei von jedem zwingenden Joche Roms und wollte selbständig den Kirchenzwiespalt entscheiden. Auf die Schreiben Anaclet's und seiner Partei erfolgten keine oder ausweichende Antworten 1). Im eigenen Lande auf Kirchenversammlungen der einheimischen Geistlichkeit, die die Könige beriefen, sollte die Sache berathen werden. In Person mußten die Päpste erscheinen oder die geschicktesten Bevollmächtigten absenden, damit nicht die Geistlichen wie die Laien seiner Macht sich entzögen, dem Gegner sich zuwendeten. In dieser Rücksicht hatte Innocenz, der flüchtige, von Land zu Land ziehende, einen Vortheil vor Anaclet, der in Rom verblieb oder höchstens bis zu den Normannen im südlichen Italien sich begab. Die anfängliche Ungunst des Geschicks half jenem das bessere Glück sich erringen. Doch nur dem wahrhaft tüchtigen Manne, der sich, würdig als Haupt der Kirche geachtet zu werden, den Prüfenden darstellte, und dem die Geachtetsten unter den Geistlichen überall das Wort redeten, konnte es getreu bleiben.

 

Den König Ludwig von Frankreich hatte wol schon Innocenz vor der Flucht aus Rom für sich gewonnen. Längst war es die Politik der französischen Könige, den zu ihnen flüchtenden Päpsten Schutz zu verleihen, und Ludwig hatte bereits Gelasius II. und Calixtus II. solchen angedeihen lassen. An ihn sich zu wenden, als Gewalt von Außen, Verrath im Innern der Frangipanischen Paläste die kleinere Partei bedrohte, lag sehr nahe. Pisa und Genua, durch Handelsverkehr mit Frankreich in Verbindung stehend, boten wie einst Gelasius, so jetzt Innocenz und seinem Gefolge die Hand; als kundige Seeleute und Beherrscher der italischen Meere bewerkstelligten sie mit Glück die Ueberfahrt von Rom nach der französischen Küste 2).

 

1) Baron. ad 1130 gibt eine Menge Schreiben Anaclet's und seiner Partei. Auch Cod. Udalr., p. 338-40. Daß Lothar nicht geantwortet, beklagt Anaclet selber. Baron., p. 241: Sed nos adhuc nulla clementiae tuae rescripta meruimus, nec inter multiplices curas, quibus in Sedis Apostolicae moderatione constituti comprimimur, Nuntiorum tuorum solatio allevari. Die Könige von Frankreich, England und Spanien fanden sich noch weniger veranlaßt, mit Anaclet zu kommuniciren.

2) Den Weg von Pisa ab gibt nach seinen Quellen Baron., p. 260 also an: Iterum mare intravit et per Genuam transiens ad S. Aegidium (S. Gilles in Languedoc) prospere applicuit. Pergens autem per Vicarium (Verriers in Nieder-Languedoc) et Anicium (le Puy en Velais) Alverniae (Auvergne) fines intravit et apud Claromontem primum concilium celebravit. Letzteres erst im November 1130.

 

 

____

139 Innocenz II. und Anaclet II.

 

Durch vorausgesandte Boten war bereits die französische Geistlichkeit aufgefodert worden, die Wahl Innocenz's anzuerkennen und Anaclet als Schismatiker zu verdammen 1). Nicht alle waren hiezu gleich geneigt; doch schon traten eifrige und würdige Verfechter für den zuerst Erwählten auf, wie der nachmals heilig gesprochene Bischof Hugo von Grenoble, der nebst mehren andern Bischöfen auf einer Synode zu Puy über Anaclet den Bann aussprach und durch dieses öffentlich gegebene Beispiel um so mehr Eindruck machte, als Hugo vorher mit dem Kardinal Petrus in enger Freundschaft gestanden, jetzt also allein der bessern Ueberzeugung, der gerechtern Sache, dem würdigern Manne zu folgen schien 2). Mehr noch als der hochbejahrte Greis Hugo wirkte der in voller Manneskraft stehende Abt, Bernhard von Clairvaux, der durch seine unwiderstehliche Gewalt über die Gemüther, durch seine feurige Beredtsamkeit stets zur Ueberzeugung fortriß, daß in Frankreich der König und die Mehrzahl der Fürsten und der Geistlichen für Innocenz sich entschieden. Denn auf der großen Reichs- und Kirchenversammlung zu Etampes, die König Ludwig, als er die Ankunft des Papstes vernahm, einberief, erklärte der damals schon gefeierte, durch seine geistigen Fähigkeiten wie durch seine hohe Abkunft ausgezeichnete Mann, als alle Anwesenden, unschlüssig oder getheilter Ansicht, seinem Ausspruche die Sache der Christenheit überwiesen, zwar mit Furcht und nach einigem Zaudern 3), daß die Wahlordnung, die Verdienste, die Tugenden,

 

1) Vita S. Bernh., lib. II, cap. 1. Praemissi in Gallias fuerant Nuntii, qui Gallicanae Ecclesiae intimarent negotii veritatem et hortarentur Episcopos, ut in ultionem praesumptionis accingerentur et damnata parte schismatica, subscriberent unitati. Necdum vero ad plenum tenor operis innotuerat Episcopis, nec privatim quisquam commodare praesumpsit assensum etc.

2) S. die bei Baron., p. 260 und 261 citirte Vita S. Hugonis, des Prior Guigo: Perrexit Anicium, ut eundem cum aliis Episcopis excommunicaret schismaticum. Quae profecto excommunicatio propter auctoritatem tanti viri contulit multum et profectum Catholicis et detrimentum schismaticis. Et certe tam idem Petrus quam frater ejus sancto viro multas olim venerationes et obsequia praestiterant. Sed beatus homo in tali negotio i. e. ubi periclitabatur justitia nec amicitia flectebatur nec potentia terrebatur.

3) Weitläufig berichtet Bernhard's Entscheidung die Vita S. Bern. a. a. O. Es heißt darin: Quod ille timens licet et tremens monitus tamen virorum fidelium acquiescens suscepit et diligenter prosecutus electionis ordinem, electorum merita, vitam et famam prioris electi aperuit os suum et spiritus sanctus implevit (schon auf der Reise hatte ein göttliches Gesicht ihn ermuthigt). Unus ergo omnium ore locutus suscipiendum ab omnibus summum Pontificem Innocentium nominavit et ratum esse omnes pariter acclamarunt.

 

 

____

140 Dritter Abschnitt.

 

der gute Name dem Ersterwählten den Vorzug gäben. Einstimmig riefen nun Alle: „Innocenz ist rechtmäßiger Papst.“ Wenige Monate nach dieser entscheidenden Reichs- und Kirchenversammlung begab sich der König sammt seiner Gemahlin und den Prinzen zu Innocenz nach Orleans, neigte sein gekröntes Haupt vor dem anerkannten Statthalter Christi und gelobte, ihm und der Kirche in Allem zugethan und gehorsam zu sein 1). Auch König Heinrich von England, Ludwig's heftigster Gegner, und überdies von den Bischöfen seines Reiches mehr auf Anaclet's Seite gezogen, ward später dennoch durch des Abts Bernhard Vorstellungen zur Anerkennung Innocenz II. bewogen 2). Ebenso wirkten des gottbegeisterten Mannes Worte und der französischen Geistlichen Beispiel auf die christlichen Reiche in Spanien und in noch entlegeneren Gegenden, die trotz der Schreiben und Gesandtschaften 3), die Anaclet zu ihnen schickte, für Innocenz sich erklärten und seinen Geboten und Anordnungen Folge leisteten 4). Anaclet konnte fast keinen der bedeutendsten Herrscher für sich gewinnen, als Roger von Sicilien, dem er dafür den Königstitel zuerkennen mußte 5), und trotzdem doch in Zeiten, wo es die Noth erfoderte, geringen Beistand von ihm erhalten konnte.

 

1) Suger. Vita Lud: Ut autem ad S. Benedictum super Ligerim descendit (Vita Bernh. gibt Aurelianum) Dominus Rex cum Regina cum filiis ei occurrens et nobilem diademate saepius coronatum verticem tanquam ad sepulchrum Petri inclinans, pedibus ejus procumbit, Catholicum affectum et devoti servitii effectum ei et Ecclesiae promittit.

2) S. Suger. Vita Lud. und Vita Bern., a. a. O. Nur in letzterer steht freilich: Hunc quoque Regem venerabilis Abbas Bernardus ad eum praemissus adduxit, quem vix persuasit Innocentium recipere ab Episcopis Angliae penitus dissuasum.

3) Auch nach Frankreich wurde ein Gesandter (Otto Episcopus Tudertinus) gesandt. S. Baron., p. 243 ff. Doch weder dieser, noch der Kardinal Gregor, der vornehmlich die Mönche von Clugny für Anaclet stimmen sollte (Baron., p. 247 und 248), noch endlich der von ihm gewonnene eifrige Anhänger Gerard von Angouleme richteten gegen Bernhard's Ansehen und Beredtsamkeit etwas aus. Zu parteiisch und gehässig ist wol, was Letzterer von Gerard sagt, Epist. Bernh. 126: Episcopus Ergolismensis scribit Papae Innocentio, legationem postulat, non obtinet. Indignatur, resilit ab eo, transit ad alium, ipsius se esse legatum gloriatur. S. Baron., p. 252 sqq.

4) Bernh. epist. 125 ad Gaufredum Carnotensem Episc. gibt alle Reiche, die für Innocenz waren, an: Alemanniae, Franciae, Angliae, Scotiae, Hispaniarum et Hyerosolymorum Reges cum universo clero et populis favent et adhaerent Domino Innocentio. Die Schreiben an den König von Jerusalem, s. Baron., p. 255.

5) Das Diplom Anaclet's über die Königswürde gibt Baron., p. 257: Concedimus et donamus et autorizamus tibi et filio tuo Rogerio et aliis filiis tuis secundum tuam ordinationem in regnum substituendis et haeredibus suis coronam regni Siciliae et Calabriae et Apuliae et universae terrae, quarum tam nos quam et praedecessores nostri praedecessoribus tuis Ducibus Apuliae nominatis Roberto Guiscardo, Roberto ejus filio dedimus et concessimus et ipsum regnum habendum et universam regiam dignitatem et jura regalia jure perpetuo habendum in perpetuum et dominandum. Et Siciliam caput regni constituimus.

 

 

____

141 Bewerbung beider Päpste um Lothar's Freundschaft.

 

Wie viel aber auch die Könige der westlichen Reiche damals für Innocenz Erfreuliches verhießen, oder später für ihn zu handeln sich entschlossen zeigten, die letzte und wirksamste Entscheidung des Kirchenschismas mußte von Deutschland und dessen Beherrscher ausgehen. Beide Päpste hatten sich bald nach ihrer Erwählung an Lothar gewendet. Denn Konrad von Hohenstaufen, der sich damals in Ober-Italien noch König nannte, würdigte weder Anaclet noch Innocenz einer Aufmerksamkeit, schon weil keiner von ihnen den Grundsätzen ihres Vorgängers Honorius ungetreu erscheinen und die mit dem Bannstrahle der Kirche belegte Handlungsweise des Erzbischofs von Mailand billigen wollte. Was hätte auch der Titularkönig von Italien ihnen nutzen können. Vermochte er doch nicht einmal die Städte, welche ihn vormals als König begrüßt und aufgenommen hatten, an sich zu fesseln; hatte er doch einen Mann, der sich in Deutschland für ihn und gegen Lothar erklärte, den Erzbischof Meginger von Trier, als derselbe mit vielen Schätzen nach Rom reiste, um den Papst Honorius gegen den rechtmäßigen Beherrscher Deutschlands aufzureizen, wahrscheinlich in der Furcht, daß dies mislingen und der Vertheidiger seiner Sache nutzlos die mitgebrachten Geldsummen verschleudern werde, durch seine Leute aufheben und gefangen nach Parma bringen lassen, wo er ihn als Bürgen für eine große Geldsumme stellte, die die Bewohner der Stadt dem Schattenkönige vorschossen 1). Diese Gewaltthat und

 

1) Trotz der Angabe bei Ann. Saxo ad 1130: A Conrado, cui favebat, aemulo Regis, miro dei judicio capitur et in vincula conjicitur, bleibt es sehr zweifelhaft, ob Meginger, der mit Lothar aus unbekannten Gründen zerfallen war, die Partei Konrad's ergriffen, und ob nicht dieses nur aus jenem von Ann. Saxo geschlossen wird. Die Gesta Trevir. bei Martene coll. vet. script. Tom. IV, cap. 68 sagen das Gegentheil: Conradum postea Regem, cum Lothario esset superpositus, ut vir magnanimus excommunicavit. Uebereinstimmend sind die Nachrichten über Meginger's Gefangennehmung. Gest. Trev. a. a. O.: Pro negotiis Ecclesiae suae ipsum Romam properantem idem Dom nus Conradus postea Rex cepit et Parmae pro magna pecunia pignoris loco posuit, ubi etiam in carcere defunctus est (im Oktober 1129). Da seine Absicht nach Ann. Saxo: Regis (Lotharii) causam apud Domnum Papam disturbare, kam er nicht mit leeren Händen. Die Parmenser nahmen ihm Alles, sodaß er bei seinem Tode nicht einmal ein anständig Kleid besaß. Gesta Trev., cap. 63: Episcopus Parmensis vestibus, quas sibi ipsi morituro paraverat, corpus indutum in majori Ecclesia sepelivit.

 

 

____

142 Dritter Abschnitt.

 

die üble Lage, in der Konrad sich befand, machten ihn in Rom so verächtlich, daß seinen Beistand keiner begehrte und unaufgefodert erst Anaclet, später Innocenz ihn zu Gunsten Lothar's abermals mit dem Kirchenbanne belegten.

 

Ueberhaupt zeigten beide Päpste gleich nach ihrer Erhebung sich in jeder Beziehung zuvorkommend gegen Lothar, und schienen bemüht, gleich Honorius, das beste Vernehmen zwischen Kirche und Reich zu erhalten 1). Anaclet schrieb noch am ersten Mai, als bereits sein Nebenbuhler jenseits der Alpen sein Heil suchte, durch den Erzbischof Albero von Bremen, der um die Zeit sich in Rom befand, und wie es scheint, der Sache der Mehrzahl sich hinneigend, in Anaclet's Umgebung lebte, in einem fast vertraulichen Tone an den König: „Eingedenk der alten Freundschaft, die schon mein Vater schloß, achtete ich es meines apostolischen Stuhles nicht unwürdig, Dich mit Schreiben anzugehen und das Band wechselseitiger Hochachtung von Neuem anzuknüpfen. Je inniger ich Dich in meine Arme zu schließen wünsche, desto vertrauensvoller möchte ich Dir Alles, was den Zustand der Kirche und die Vorfälle in Rom betrifft, ans Herz legen.“ - Dies thut er denn wirklich sehr umständlich und eindringlich, indem er seine einstimmig und kanonisch vollzogene Wahl und Weihe zum Papst, das gegen Ort, Zeit und Herkommen verstoßende Verfahren einiger Neulinge unter den Kardinälen, die durch unlautere Machinationen gewisser Abtrünnigen von der Kirche, wenn

 

1) Wie die Schreiben Anaclet's (Cod. Udalr. Nr. 339 und 340), die von Innocenz (ibid. 341 und 342) jene vom 24., diese bereits vom 18. Februar beweisen. Anaclet schreibt Cod. Udalr. 340: Juxta discessoris nostri Papae Honorii exemplum et vos et honorem vestrum singulari volumus affectu diligere, vestrosque amicos seu inimicos nostros pariter deputare. Und Innocenz an die deutsche Geistlichkeit Nr. 341: Fraternitati vestrae mandamus, quatenus illustri viro regi Lothario, quem elegistis, et de sua providentia et honestate confisi in Regem assumpsistis, opem et consilium unanimiter praebeatis. Et quoniam quod de eo a nobis factum est, a praedecessore nostro felicis memoriae Papa Honorio et sancta Romana Ecclesia confirmatum est, mandamus vobis, quatenus ipsum imperii dignitatem et honoris plenitudinem suscepturum ad Apostolorum limina proxima futura hieme transmittatis. In Reichs- und Kirchenangelegenheiten willfahren beide Päpste dem Könige, nicht minder in Betreff König Konrad's von Hohenstaufen als Friedrich's von Köln und Otto's von Halberstadt, wovon später zu reden sein wird.

 

 

____

143 Bewerbung beider Päpste um Lothar's Freundschaft.

 

nicht vom Satan selbst, verführt worden seien, beschreibt. Auf die nächtliche Flucht Innocenz's, auf den Eid der Treue, den die Frangipani, die frühere Stütze seines Nebenbuhlers, und alle Nobili, der gesammte Klerus und das Volk von Rom ihm geleistet hätten, legt er großes Gewicht, um seine völlig gerechte und unumstößlich feste Gewalt dem Könige darzuthun. Schließlich bittet er diesen, er möchte ihm durch unzweideutiges Handeln zum Wohl der Kirche an den Tag legen, daß er, der Papst, über ihn, den König, sich nicht getäuscht habe, und nicht etwa durch die Lügen Heimerich's, der einstmals Kanzler der römischen Kurie geheißen, oder Johannes von Crema, jenes ebenso ungeschlachten als schändlichen Menschen von der alten Treue und Freundschaft sich abwenden lassen 1).

 

Mehr noch als Anaclet's Schreiben hatte das der 20 Kardinäle und hohen Geistlichen, die Jenes Wahl zu rechtfertigen beflissen waren, den König bestimmen können, ihre Sache in Schutz zu nehmen, waren ihre Worte nicht zu leidenschaftlich wider die Gegner 2) und nicht blos wider deren Verfahren bei der Wahl, sondern auch gegen Gesinnung und Charakter derselben gehässig ausgestoßen gewesen, sodaß sie Lothar dadurch nicht gewannen, sondern vielmehr die Lauterkeit ihrer Beweggründe, die Gerechtigkeit ihrer Sache verdächtig machten. Was sie für sich selbst erbaten, klang freilich sehr zurückhaltend, bescheiden und fromm. „Wir bitten, heißt es am Schlusse ihres Briefes, Deine Hoheit und ermahnen Dich im Herrn, daß wenn Du der römischen Kirche mit frommem Trost und warmem Eifer beizustehen trachtest, wenn Du Deine Herrschaft über den apostolischen Stuhl mit ganzer königlicher Würde auszuüben gedenkest, Du zugleich mit der Kirche fühlen, in gleich frommer Gesinnung

 

1) Dieser Ausfall gegen die beiden Kardinäle, die allerdings aus persönlichem Haß gegen Anaclet die Wahl Innocenz's betrieben hatten, lautet: Nec te, carissime, Haimerici quondam cancellarii, praedonis improbi, simoniae servi seu Joannis de Crema hominis turpissimi et incircumcisi et vere Nicolaitae monstrosa mendacia moveant, nec fidei tuae morum eorum vaniloquia aut venenosa mendacia penetrent, gui velut Cain a facie Domini fugientes maledicti a terra fratricidii signum meretricia coguntur fronte gestare.

2) Am Schlimmsten fährt wieder Haimericus quondam Cancellarius, qui Romanam Ecclesiam quasi vile scortum pro luxuriis et avaritia sua longo jam tempore habuit prostitutam, qui simoniis sicut vos ipsi (ut credimus) aliquando fuistis experti, exactionibusque variis Dei Ecclesiam et Dei servos diutius trucidavit, arridente ei egregio viro Leone Frajapane. Vielleicht geht dies auf die Zeit, als Gelasius II. von der Partei Kaiser Heinrich's V. und Papst Gregor's VIII. grausam verfolgt wurde.

 

 

____

144 Dritter Abschnitt.

 

mit ihr denken und durch die That dem von uns einstimmig gewählten Papst Anaclet als dem einzig rechtmäßigen Deinen Schutz und Deine Liebe gewähren mögest. Wenn wir vormals unsere Liebe noch nicht völlig Dir bewiesen haben, so theilen wir jetzt doch ganz und gar die Sorge und aufrichtige Hingebung, mit der unser Herr und Papst an Dir und Deiner Ehre hängt. Solltest Du dessenungeachtet anstehen, unsere Bitte zu erhören, so müssen wir in Gott uns trösten. Nichts aber soll uns in der Liebe zu Dir wankend machen. So wähle denn zwischen dem Rath unerfahrener Neulinge und dem würdiger Greise und Väter, damit Du nicht dem Schlechtem das Bessere hintansetzest 1).“

 

Als diese und die frühern Schreiben Anaclet's bei Lothar eintrafen, war des Königs Aufmerksamkeit zu sehr von den innern Angelegenheiten Deutschlands gefesselt, als daß er sogleich den Vorgängen in Rom besondere Theilnahme zuwenden konnte. Abgewartet mußte schon werden, weil Innocenz und dessen Partei nicht minder ihre Rechtsgründe geltend machten und eine gleiche Ergebenheit gegen den König zu erkennen gaben. Lothar blieb deshalb lange, wenn auch nicht müßiger, doch unparteiischer Zuschauer des Kirchenschismas, trug aber, wie es scheint, gleich Anfangs dem einen und dem anderen Geistlichen Deutschlands auf, sich in Person nach Rom zu begeben und den Stand der Dinge zu erforschen oder durch Erkundigungen bei wohlunterrichteten und zuverlässigen Mannern über die Wahl, über die Person der Gewählten, über die Stimmung in Italien sich zu unterrichten. Erstens geschah durch Albero von Bremen, der zwar zunächst in eigener Angelegenheit nach Rom gekommen war, aber als Freund des Königs gewiß den Auftrag hatte, während seines Aufenthalts zu der Zeit, als noch beide Päpste neben einander in der Stadt ihre Ansprüche an den Stuhl Petri verfochten, nach den nähern Umständen der Wahl, Wähler und Gewählten zu forschen. Wir wissen nur, daß er von Anaclet, der ihn mit großer Zuvorkommenheit behandelte und eine Bestätigung des bereits von Calixtus II. sehr erweiterten Wirkungskreises des bremer Erzstifts zusicherte, Schreiben an den König mitbrachte 2). Ob nicht auch

 

1) Biblisch ist dieser letzte Gedanke ausgedrückt: Memento etiam, quod Roboam illi regi contigit, qui consilio juvenum acquievit at sacerdotum noluit consiliis obedire.

2) In dem Schreiben Anaclet's, VI. Kal. Martii, wird Albero noch in Deutschland verweilend angegeben, dem der Papst schreibt: Per eundem quoque fratrem, quem miserimus, fratri nostro Adalberto Bremensi Archiepiscopo plenam justitiam fieri pro vestro et totius regni gratia disposuimus et sua illi ecclesiae privilegia confirmare. Das angeführte Schreiben Anaclet's vom 1. Mai überbrachte wol Albero nicht nach Deutschland, weil sonst in einem zweiten, in diebus Maji (wofür Idibus zu lesen ist) ausgestellt, Anaclet sich über das Ausbleiben einer Antwort Lothar's auf einen Brief vom 1. Mai noch nicht beklagen konnte, wie es hier geschieht. Man darf auch nicht in ersterem Schreiben die von Baron. p. 238 angegebene Lesart Kal. Martii annehmen, weil die Erwähnung von Innocenz's Flucht aus Rom solches verbietet. Die Worte: In ipso nostrae promotionis exordio per venerabilem fratrem nostrum Bremensem Archiepiscopum serenitati tuae litteras misimus, bezeigen, wann etwa Albero in Rom war, und besitzen wir auch das Schreiben, welches Albero nach Deutschland nahm, nicht mehr, so ist es doch nothwendig zwischen VI. Kal. Martii und Kal. Maji zu setzen.

 

 

____

145 Bewerbung beider Päpste um Lothar's Freundschaft.

 

Innocenz ihm solche mitgegeben, da Albero, wie Lothar, doch wol noch parteilos blieb, ob der Erzbischof trotz aller Gunstbezeugungen Anaclet's nicht Innocenz in Deutschland und bei Hofe das Wort geredet habe, ist mit Bestimmtheit nicht anzugeben, da weder alle Schreiben über die damalige Kirchenspaltung auf uns gekommen sind 1), noch das Verfahren des Königs und der hohen Geistlichkeit im Reiche offenkundig vorliegt. Wenn aber späterhin Anaclet sich bei Lothar beklagte, daß seine durch Albero dem König gesandten Schreiben unbeantwortet geblieben seien, so scheint es, daß weder der Erzbischof Eifer, noch der König Neigung für ihn gezeigt haben. Viel trugen hiezu wol die Erkundigungen bei, welche unterdeß Norbert von Magdeburg bei mehren italienischen Geistlichen eingezogen hatte. Die Berichte der Bischöfe von Ravenna und Lucca sind noch vorhanden 2), und geben, wenn auch nicht ein unbefangenes, doch aufrichtiges und wahres Zeugniß, daß die strenggläubigem und bessern Geistlichen Oberitaliens sowol die Wahl Innocenz's für völlig gerechtfertigt ansahen, als auch vornehmlich für den zuerst Erwählten wegen seiner trefflichen Eigenschaften eingenommen waren. Der Erzbischof Gualter von Ravenna fährt nach einer kurzen Darlegung

 

1) Wie die vorige Note beweist.

2) Cod. Udalr. Nr. 345 und 346. Daß Norbert sie befragt, geht aus folgenden Stellen der Briefe hervor: Gualter von Ravenna schreibt Nr. 345: Pro posse nostro vobis servire parati sumus. Super quo vero unum nostrum consilium desideratis, taliter respondemus. Und der Bischof von Lucca: De ordine electionis Romani Pontificis, si vobis placuisset, a viris religiosis ac me aspientioribus, ut vobis notificaretur, expetere non erst incongruum. Sed quoniam vobis ut patri et Domino meo non satisfacere non debeo, de multis pauca perstringam.

II 10

 

 

____

146 Dritter Abschnitt.

 

der Ereignisse nach Honorius' II. Tode also fort: „Nachdem wir die Wahrheit dessen, was wir berichtet, hinlänglich erkannt, hängen wir und die ganze italische Kirche außerhalb Rom 1) voll Liebe und Ergebenheit an Innocenz, den ebenso sehr seine Mäßigkeit, Klugheit, Keuschheit, Herablassung gegen Menschen und Demuth vor Gott, ja die Fülle aller Tugenden, als auch seine Wahl und Weihe durch die ehrwürdigen Brüder als den von Gott bezeichneten Papst und als Haupt der Kirche uns anempfohlen? Petrus aber, der Sohn des brüllenden Löwen, der da heißhungrig suchet, wen er verschlingen könne, verwerfen und verdammen wir, als einen, der nicht gewählt, der gegen Gottes und der heiligen Kirche Willen erhoben ist, der sich gewaltsam eingedrängt hat, nicht als Freund, sondern Feind der Kirche, nicht als Rechtgläubiger, sondern Irrgläubiger, nicht als Geweihter, sondern Entweiher des Herrn, der ihm seinen göttlichen Beistand in Allem und zu Allem entzogen hat. Dich aber bitten wir bei der Weisheit und Frömmigkeit, die Du stets gezeigt hast, vertrauen in voller Zuversicht auf Deine Festigkeit, die gleich einer Säule unerschütterlich fortdauern wird, daß Du im Glauben an den Heiligen Petrus, im Gehorsam gegen dessen rechtmäßigen Stellvertreter, unsern geliebten Vater und alleinigen Papst Innocenz, nie wanken mögest. Damit aber Christi untheilbar Gewand nicht von Gottlosen und Frevlern zerrissen werde, und Petri Schiff nicht auf den Fluthen Gefahr laufe, so rathen wir demüthigst, daß Du Lothar, den Oberherrn und unüberwindlichen König ohne Verzug nach Rom zu ziehen ermahnen, und daß Du sammt Deinen Kirchen-, Amts- und Landesgenossen gleich dem Apostel Petrus nie im wahren Glauben wanken mögest, damit durch den König wie durch Dich der Friede der Kirche hergestellt, die jüdische Ketzerei unter Gottes Beistand daraus vertilgt werde, und ihr wider Alle, die der Einheit und Wahrheit Trotz bieten, wie eine Eisenmauer für das Haus des Herrn eure Kraft beweiset.“

 

1) Der Ausdruck: Cum universitate totius Italicae Ecclesiae, ist entweder als eine vom Parteigeist allzuweit ausgedehnte Aeußerung zu betrachten, oder wie im Text zu beschränken, indem außerhalb Rom die italische Geistlichkeit sich für Innocenz entschied. Der Bischof von Lucca beschränkt seine Angabe, Cod. Udalr. Nr. 346: Nos autem sententiam et consilium religiosorum virorum catholicorum et orthodoxorum de Thuscia, de Longobardia et de ultramontanis partibus amplexantes, approbantes et imitantes Petrum Leonis - - abdicamus. Dominum vero Innocentium pro patre et summo pontifice tenemus, recipimus, veneramur et colimus.

 

 

____

147 Innocenz's und Anaclet's Bestrebungen.

 

Schreiben wie dieses und das dem ähnliche des Bischofs von Lucca 1) stimmten zuerst den König und seine Rathgeber in Kirchenangelegenheiten für Innocenz, und dankbar erkannte dieser es dem Erzbischof von Ravenna, indem er ihn zu seinem Legaten für Deutschland erwählte. Die Würde bekleidete gegenwärtig noch der oft genannte Kardinal Gerhard, der schon als ergebener Freund und Vertrauter Honorius' II. für denjenigen von beiden Päpsten sich erklärte, welcher von jenem selbst als der würdigste für den Stuhl Petri erkannt und von den ihm zunächststehenden Kardinalen gewählt worden war 2).

 

Wie Innocenz den Legaten seines Vorgängers und Freundes Honorius für sich gewonnen hatte und in jener Würde für Deutschland bestätigte, suchte Anaclet den Mann, der seit der rheimser Kirchenversammlung den Titel eines apostolischen Gesandten führte, den Primas der deutschen Geistlichkeit, den früher einflußreichsten und mächtigsten Prälaten nach dem Papste, den Erzbischof Adalbert von Mainz dadurch für sich zu gewinnen, daß er ihm sein ganzes Vertrauen schenkte und zu seinem Legaten und Vertreter in Deutschland erklärte 3). Wie weit Adalbert dies erwiedert, ob er für Anaclet's Sache thätig gewirkt, ist schwer zu sagen, da das öffentliche Verfahren dieses Ränkespinners keinen Beleg für seine wahren Absichten

 

1) In Betreff des Wahlaktes ist das Schreiben des Bischofs von Lucca noch ausführlicher, aber nicht das eines Augenzeugen. Er gesteht, dem Rath und der Ansicht Anderer gefolgt zu sein. So mischt sich denn in sein Urtheil viel Parteigeist und Parteihaß. Die Ergebenheit und seine untergeordnete Stellung zu Norbert läßt ihn von der andern Seite nicht die eindringliche Sprache für Innocenz's Sache führen, welche der Erzbischof von Ravenna sich auch gegen den hochgestellten und damals schon hochgefeierten Norbert erlaubt.

2) In Betreff Gebhard's s. Innocenz's Brief an die deutsche Geistlichkeit, Cod. Udalr. Nr. 341: Dilectissimus Pater noster felicis memoriae Honorius Papa vices suas dilecto filio suo, fratri nostro Gerardo Cardinali Presbytero, religioso siquidem et prudenti viro in Teutonico regno commisit. Nos autem divina suffragante clementia ipsius inhaerentes vestigiis, ut opus sibi injunctum, Deo duce perficiat, beati Petri auctoritate mandavimus. Ipsum ergo apostolicae sedis legatum pro reverentia beati Petri et sanctae Romanae ecclesiae, benigne suscipite. Das Gleiche bestätigt Innocenz's Brief an Lothar, Nr. 342, wo er ihn dilectissimum fratrem nostrum Gerardum, Cardinalem Presbyterum, apostolicae sedis legatum nennt.

3) Anaclet's Schreiben an Lothar, Cod. Udalr. Nr. 340: Ad partes illas (es ist von Halberstadt die Rede) de fratribus nostris aliquem mittere disposuimus, qui legati nostri Archiepiscopi Moguntini consilio uns vobiscum ea, quae ad vestrum et regni honorem pertinent, praestante Domino adimplebit.

10*

 

 

____

148 Dritter Abschnitt.

 

gibt, die er so lange als möglich im Verborgenen verfolgte. Daß er sich lange der Ansicht entgegengestellt habe, die bald in Deutschland die überwiegende wurde, ist von seiner Schlauheit nicht zu erwarten; daß seine Empfehlung, falls er solche Anfangs für Anaclet ausgesprochen hat, nicht mehr wie vormals die hohe Geistlichkeit und die weltlichen Fürsten willfährig fand, lag in den ganz veränderten Verhältnissen unter Lothar's Regierung, der nicht mehr die Kirchenfürsten wider sich, sondern für sich hatte, Norbert von Magdeburg, Albero von Bremen, Konrad von Salzburg enge an sich kettete, auch auf Friedrich von Köln, den eifersüchtigen Nebenbuhler Adalbert's, seit der Verzeihung, welche er selber ihm angedeihen und bei Papst Honorius vermitteln ließ, zählen konnte, sodaß des Königs persönliche Entscheidung in Deutschland auf wenig Widerstand stieß, er wenigstens jeden widerspenstigen Prälaten durch seinen geistlichen Anhang zu bekämpfen im Stande war. In Betreff der beiden Päpste mögen Anfangs allerdings die Meinungen der deutschen Geistlichen verschieden gewesen sein; entschieden machte sich keine geltend, bis auf Lothar's Betrieb und unter seinen Augen eine prüfende Berathung eingeleitet wurde, und als diese sehr bestimmt für Innocenz und verdammend gegen Anaclet und dessen Anhänger ausgefallen war, wagte weder ein weltlicher, noch ein geistlicher Fürst Deutschlands, auch Adalbert von Mainz nicht, die Partei des allein in Rom anerkannten Papstes zu ergreifen. Doch war es erst im Oktober 1130, wo der König den nach Würzburg berufenen Bischöfen in seiner Gegenwart eine Berathung über die wichtigste Reichs- und Kirchenfrage anzustellen befahl. Denn wie die beiden Nebenbuhler auf dem päpstlichen Stuhle in ihren bisherigen Schreiben neben ihrer Anerkennung die Römerfahrt von dem Könige gefodert hatten 1), einmal um seines Beistandes sich zu erfreuen, besonders aber, um durch Ertheilung der Kaiserwürde sich

 

1) Anaclet in seinem Schreiben vom Mai 1130 bei Baron. XII, p. 241 drückt am deutlichsten die Wechselbeziehung von Papst und Kaiserthum aus: Vicissim enim sibi et regalis potestas et sacra Romana auctoritas mutus debent inter se diligentia respondere. Sane tunc tuta erit conditio subjectorum, si Regnum et Ecclesia diebus tuis alterutro titulo compassionis arriserint et ad culmen Imperii regni tui moderatio latius extendetur, si ea de re Dei gratiam pia fueris devotione sortitus. Auf die Römerfahrt dringt Innocenz schon in seinem Schreiben vom Februar, Cod. Udalr. Nr. 342: Quotinus proxima ventura hyeme ad sedem Apostolicam venias honoris et dignitatis plenitudinem operante Domino suscepturus. Die gleiche Bitte in seinem Brief vom Mai, Cod. Udalr. Nr. 253.

 

 

____

149 Bewerbung Anaclet's um Lothar's Freundschaft.

 

selbst als den wahren Papst in dem Akte, der das Kirchenhaupt am meisten verherrlichte, vor der Welt zu zeigen; so gedachte Lothar, das Interesse des Thrones bei seiner Entscheidung über den Stuhl Petri vornehmlich im Auge zu behalten und nur den Papst anzuerkennen, welcher die hohenstaufische Gegenpartei, die den Thron noch immer bedrohte, mit allen der Kirche zu Gebote stehenden Waffen nachdrücklich bekämpfen wolle. Nun hatte zwar Anaclet es so wenig in diesem als in andern den König zufriedenstellenden Punkten an entgegenkommender Aufmerksamkeit fehlen lassen. Er hatte trotz der bisher unbeantwortet gebliebenen Schreiben neue selbst ausgestellt und andere durch römische Großen, zumal solche, welche vorhin auf der Gegenpartei gestanden hatten, wie die Frangipani, mit neuen Darlegungen der Wahl, seines Rechtes und der Verhältnisse in Rom an Lothar ausstellen lassen 1), und war mit einer neuen Bannverkündigung gegen Konrad von Hohenstaufen den Wünschen des Königs zuvorgekommen 2). Auch hatte er dem Schreiben an Lothar folgende schmeichelhaften Worte an die Königin Richenza beigefügt 3): „Mir kam zu Ohren, theuerste Tochter in dem Herrn, daß Du in Wahrheit im Abglanz christlicher Heiligkeit seist, daß Du den Dienern Gottes Tröstung und Gnade spendest, und minder nicht ehrt Dich der Ruf, daß des größten Reiches Herrscher den Ausspruch Deiner Gerechtigkeit und Weisheit vornehmlich hoch achte. Was wir von Deiner Beglückung Aller erfahren, glauben wir ohne Anstand, und freuen uns dessen und alles sonstigen guten Gerüchtes über Dich und bitten inständigst Gott den Allmächtigen, daß er das heilige Werk, welches durch die Verdienste der Apostel Petrus und Paulus begonnen ist, durch Dich fördern und beenden lasse. Wir erinnern Dich daher und ermahnen Dich im Herrn, bei den Sorgen für das Reich, bei Deinen eifrigen Bemühungen in weltlichen Dingen und um weltlichen Ruhm Dein Herz immer zu Gott

 

1) S. diese zwei Schreiben bei Baron. p. 241 ff., das Anaclet's in diebus (Idibus) Maji, das der Römer XV. Kal. Junii. In letzterm wird, außer dem Schreiben, welches der Erzbischof von Bremen nach Deutschland mitgenommen hatte, noch ein zweites als unbeantwortet erwähnt, per Argentinensem quendam clericum, qui te de statu Urbis et ejus (Anaclet's) plenius instruxerunt. Der Ton dieses Briefes ist schon unwilliger und drohender.

2) Baron. p. 241: Conradum regni invasorem, licet ejus nomen nobis pro minimo fuerit, in coena Domini Laterani in Basilica Salvatoris sub oculis Ecclesiae, quae frequens ea die de diversis partibus mundi convenerat, in conspectu etiam omnium terrae suae solemniter excommuincavimus.

3) Baron. p. 241 und 242.

 

 

____

150 Dritter Abschnitt.

 

zu halten und eingedenk der Kürze dieses Lebens, Dich mehr um die Ehre in jener, als in dieser Welt zu bemühen. Bitte Deinen Gemahl, unsern lieben Sohn, den allerchristlichsten König, inständigst, daß wie er ein irdisches Reich mit irdischer Macht beherrsche, so auch stets mit Bedacht zu Dem emporblicke, der über uns ist, in dessen Namen die Machthaber der Welt Recht und Gewalt ausüben, der die Reiche verwandelt, wenn er es will, und die Könige ruhmlos und ihre Kraft gebrechlich macht. Obschon Dein Gemahl, der König, wie ich für gewiß halte, die römische Kirche innig liebt, so wünsche ich doch seine Liebe und Hingebung zu Petri Stuhl und meiner Person, die ihm längst zugethan sind, durch Dein Bemühen noch zu mehren. Fürwahr, ich bin allzusorglich um ihn und seine Ehre bedacht, und doch wünschte ich bei Gott, ihn noch liebevoller zu umsahen und nicht in Worten, sondern in Werken zu erhöhen. Weil ich denn trotz meiner irdischen Schwachheit der Leitung der Kirche noch unterzogen und die schwere Last auf mich genommen habe, so bedarf ich des Beistandes der Heiligen, daß sie Gottes Gnade mir zuwenden und seine Barmherzigkeit bei jeglicher Gelegenheit vermitteln wollen. Und so bitte ich auch Dich, vornehmlich zum Herrn für mich zu beten und mich mit Deinem Beistande, mit Deinen frommen Rathschlägen jederzeit zu unterstützen. Möchte der Allmächtige durch der Apostel Petri und Pauli Verdienste auch Dein Leben und Deine Jahre verlängern, damit Du es durch gute Werke erhöhest, und nach diesem Leben Dir ein reiches ewiges Dasein verleihen.“

 

Vergeblich waren dennoch alle schönen Worte und Gunstbezeugungen. Niemand trat entschieden für Anaclet in Deutschland auf; er selbst vernachlässigte es oder wagte es nicht, einen einflußreichen Mann seiner Umgebung als Vertreter nach Deutschland zu schicken 1)

 

1) Anaclet in seinem Schreiben VI. Kal. Martii, Cod. Udalr. Nr. 340, sagt zwar: aliquem mittere disposuimus, qui legati nostri Archiepiscopi Mogontini consilio una vobiscum ea, quae ad vestrum (Lotharii) et Regni honorem pertinent, praestante Domino, adimplebit. Nie aber erschien ein solcher. Einen Grund, warum dies unterblieben sei, finden wir in dem Schreiben der römischen Nobili angegeben. Baron. p. 213: Caeterum mirum valde habemus et Romanae reipublicae injuriae deputamus, cum tibi jam bis Domnus Papa literas miserit, - - cur nulla a discretione tua adhuc scripta meruerit. Inde est, quod Dominus Papa nullam adhuc de latere suo personam clericum aut laicum juxta consilii nostri et totius ecclesiae condictum ad excellentiam tuam statuit delegare. Hieraus erhellt einerseits, daß man in Deutschland einen legatus de latere erwartete, andererseits, daß der Stolz der Römer und der Trotz der Kardinäle den Papst abhielten, gegen Lothar sich so willfährig und eifrig zu zeigen, als er, Anaclet, es versprochen hatte. Die Kardinäle sagen: Nos quidem aliquando te non sic plene dileximus, sed quia Domini Papae amorem circa te fervere cognoscimus, eundem circa te - animum nos gestare cognoscas. So gestehen auch die römischen Großen a. a. O: Nos quidem te hactenus non sic de corde dileximus nec principatus tui ulla nos cura vel affectio demulcere quolibet modo poterat, ut honoris tui augmentum et Imperii culmen deberemus ullis rationibus affectare. Sed postquam Domini Papae amorem circa personam tuam impensius fervere cognovimus etc. Das war nun zu spät.

 

 

____

151 Bemühen Innocenz's um Lothar's Freundschaft.

 

und verlor den günstigen Zeitpunkt, um seine Sache zu heben, die Gemüther sich geneigt zu machen, auf immer, während Innocenz auch in seiner höchsten Bedrängniß, als er Rom verlassen und von Frankreich noch wenig zu hoffen hatte, die rechten Mittel und die rechten Männer sich ersah, um den deutschen König und die deutsche Geistlichkeit für seine Sache geneigt zu machen. Schon Anfangs Mai sandte er den ihm sehr ergebenen und von deutschen Bischöfen wegen seines Berichtes über das Schisma rühmlich anerkannten und hochgeachteten Erzbischof Gualter von Ravenna, den Freund Norbert's, des einflußreichsten Rathgebers am Hofe Lothar's nach Deutschland. An die geachtetsten und angesehensten Geistlichen schloß der Gesandte sich an, und so hatte er wol viel dazu beigetragen, daß der Eifer für Innocenz zunahm, daß man Anaclet's Schreiben für nichtig oder gar für Lügen hielt 1), daß weder der König noch die Geistlichkeit sie beantworteten und daß man auf die spätern Freundschaftsversicherungen der Kardinäle, auf die endlich demüthige Sprache der römischen Großen, die auf Anaclet's Seite standen, wenig gab. Gewiß wirkte auch, seit Innocenz in Frankreich bei der Geistlichkeit Anerkennung, bei König Ludwig Schutz fand, die Nähe jenes Papstes, das Beispiel im Nachbarlande auf Deutschland. So lange indeß die bereits erzählten Vorfälle in Sachsen, die Unruhen in Baiern, der Trotz Nürnbergs den König von jedem lebhaften Interesse an dem Kirchenschisma abzog, gelang es weder Gualter noch seinen Freunden, Entscheidendes für ihren Papst auszuwirken. Die Empfehlung, womit Innocenz seinen Legaten nach Deutschland und

 

1) Anaclet spricht in all seinen Briefen (s. Cod. Udalr. Nr. 330 und Baron. p. 241) von den Gegenbemühungen in Deutschland, die ihm zu schaden suchten, scheint sie aber zu leicht genommen und nichts als Worte ihnen entgegengestellt zu haben. Noch im Mai schreibt er: Nec vos quorundam venenatorum vaniloquia prava conturbent, qui totam Dei ecclesiam venenare cupientes, dum taxationes pristinas et consueta mercimonia in sanctuario Domini exercere statuebant, testaceum idolum cruentis manibus plasmare conati sunt.

 

 

____

152 Dritter Abschnitt.

 

an Lothar sandte 1), verfehlte zwar weniger ihren Zweck, als die Schreiben des Gegenpapstes und der Gegenpartei, aber auf die schmeichelhaften Lobeserhebungen des aus Rom vertriebenen Papstes und der ihn begleitenden Kardinäle, auf die dringende Auffoderung, daß der König sich waffnen, mit den Erzbischöfen, Bischöfen und Aebten, sowie mit den weltlichen Fürsten des Reichs „nach gewohnter Weise“ dem Bedrängten zu Hülfe eilen möchte, damit die Kirche Gottes erfreut, die christliche Religion bewahrt, der Verrath der Abtrünnigen erstickt und die irdische Krone auf des Königs Haupt von der Himmelskönigin geweihet werde 2), auf alles dieses konnte Lothar um des Reiches willen nicht eingehen, und längere Zeit als bis zum nächsten Winter sollte vergehen, ehe der Römerzug von ihm angetreten wurde. Den in der That ehrwürdigen und frommen Erzbischof Gualter nahm er, wie es solchem Manne zukam, liebevoll und mit Hochachtung auf, erklärte ihm aber zugleich, daß er die Wünsche und Foderungen des Papstes dem Rathe der Fürsten überlassen und vorläufig aussetzen müsse 3), bis die Verhältnisse Deutschlands eine Zusammenberufung Jener und eine besonnene und wirksame Entscheidung durch die Geistlichen des Reichs gestatte. Unthätig blieb nun zwar Gualter nicht, entbot die Bischöfe zu sich, um die an sie gerichteten päpstlichen Schreiben ihnen einzuhändigen, ihre Ansichten zu prüfen und ihnen die Sache Innocenz's ans Herz zu legen 4).

 

1) Cod. Udalr. Nr. 353: Ad haec venerabilem fratrem nostrum praefatum G. Archiepiscopum tuae gloriae attentius commendamus, rogantes ut pro sedis Apostolicae reverentia eum benigne recivias et honeste pertractes. Ebenso die Kardinäle seiner Partei Cod. Udalr. Nr. 352.

2) So die Kardinäle Cod. Udalr. Nr. 352. Innocenz noch außerdem: Sit itaque, fili carissime, regnum tuum adjutorium regni coelestis et post temporale regnum quod longaevum tibi Dominus faciat, cum ipso sine fine possis regnare, temporibus tuis habeat Ecclesia honorem suum et in rege suo laetetur et in gloria sua floreat et glorietur. Exaltentur in diebus tuis catholici et opprimentur haeretici, ut regnum tuum Deus exaltet et inimicos tuos sub pedibus tuis humiliet.

3) Dies schreibt Gualter selbst an Otto von Bamberg, Cod. Udalr. Nr. 348: Fraternitati vestrae notum esse credimus, quod Dominus noster Papa Innocentius cum literis suis misit nos ad Regem et ad Regni Principes, qui cum amore et honore nos recepit, sed responsionem suam ad consilium Principum distulit. Der Grund dieses Verfahrens und des Aufschubes leuchtet von selbst ein.

4) Cod. Udalr. Nr. 348: Ad nos veniatis et in causa Ecclesiae tanquam fidelis catholicus nonis assistendo legationem Domini Papae cum literis suis una cum aliis fratribus recipiatis et obaudiatis.

 

 

____

153 Versammlung zu Würzburg.

 

Wol schon zu Anfang des Sommers versprach der König nach Würzburg die Häupter der deutschen Kirche einzuberufen, doch das widerspenstige, seinen Plänen trotzig entgegenwirkende Nürnberg gestattete den Einberufenen nicht zu erscheinen oder doch mit Sicherheit in Würzburg zu verweilen. Lothar war demnach erst genöthigt, mit Gewalt die Stadt zum Gehorsam zu zwingen, damit Franken und die Wege durch die Provinz sicher würden 1). Als auch dies gethan und Baiern beruhigt war, blieb noch in Sachsen und Thüringen Manches zu ordnen, der geächtete Hermann von Winzenburg zu bekämpfen. Nachdem Letzteres durch seine Getreuen bewerkstelligt worden war, ließ er endlich im Oktober die Versammlung eröffnen. Nur 16 Bischöfe hatten aus dem ganzen Reiche sich eingefunden. Waren es nur die Häupter der Kirche, so genügte die Zahl; und man darf nicht zweifeln, daß dem Könige wie dem päpstlichen Legaten mehr auf die Bedeutsamkeit und den Einfluß als auf die Zahl der erschienenen Prälaten angekommen sei. Viel lag beiden daran, den ehrwürdigen durch sein Bekehrungswerk in Pommern zum höchsten Ansehen und ausgebreiteten Ruf gelangten Otto von Bamberg zu gewinnen. Als Gualter vom Könige den Bescheid erhalten hatte, daß derselbe nicht ohne Vorberathung mit den Reichsfürsten über den Kirchenstreit entscheiden wolle, hatte Jener sich in einem ebenso ehrenvollen als schmeichelhaften Schreiben an Otto gewandt, worin er das große Vertrauen, das er und sein Herr, der Papst, auf ihn gesetzt hatten, bezeigte und das Vertrauen aussprach, daß er, Otto, gewiß zuerst oder doch unter den ersten zu jener Berathung eilen werde, da der Kirche sein Urtheil und Ausspruch über Alles gelte, und sie, die heilige Mutter, obschon sie alle ihre Kinder liebe, ihn doch als ihren speziellen Sohn liebe und segne 2). - Durch solche Schmeichelworte wäre Otto wol nicht gewonnen worden, wenn er nicht nach seiner eigenen, freien Ansicht sich von der bessern Sache Innocenz's überzeugt hätte 3). Durch seinen Beitritt hatte diese

 

1) Cod. Udalr. Nr. 350: Gualter an Otto von Bamberg: Per gratiam Dei sospites et alacres sumus Wurzeburg et ibidem indictam curiam expectamus. Sed cum in praefato loco essemus, de castro Nurinberg sinistra quaedam audivimus, unde miramur et satis dolemus. Nürnberg fiel aber, wie wir gesehen, schon im Juni.

2) Cod. Udalr. Nr. 348: Quippe quem inter reliquos Episcopos regni Teutonici mater nostra Romana ecclesia quadam praerogativa dilexit et tanquam specialem filium creans propriis manibus benedixit.

3) Daß Otto an Gualter und somit an die Partei Innocenz's sich angeschlossen hatte, beweist die Vertraulichkeit, die in Gualter's Brief an Otto herrscht. Man lese ihn Cod. Udar. Nr. 350.

 

 

____

154 Dritter Abschnitt.

 

selbst in Deutschland viel gewonnen. Man konnte und wollte aber auch nicht einmal seine Person bei der wichtigen Berathung in Würzburg entbehren, obgleich Krankheit sein Ausbleiben entschuldigte. Deshalb baten nicht nur die Bischöfe von Salzburg und Münster dringend um seine Anwesenheit, sondern auch der König selbst schrieb an ihn: „Wegen der bevorstehenden sehr dringenden Berathung über Kirche und Reich, welche wir zu Würzburg mit Gottes Beistand zu halten gedenken, beklagen wir es schmerzlich, daß Deine Gegenwart durch Krankheit uns verzögert wird, weil wir Deiner Weisheit, Deiner Erfahrung, Deines Rathes bei einer Verhandlung, die des Reiches und der Kirche Wohlfahrt zugleich betrifft, schlechterdings nicht entbehren können. Aber da Tugend alle Schwachheit überwindet, wollen wir bei der schuldigen Liebe gegen die Kirche, welcher doch Dein ganzes Leben und Wirken sich hingegeben hat, Dich mahnen und inständigst bitten, daß, wenn es mit einem andern Fahrzeuge nicht angeht, Du zu Schiffe mich und die Versammlung Deiner ehrwürdigen Mitbrüder und Mitbischöfe in Würzburg besuchest und gleichzeitig mit mir Deinen von Allen ersehnten Einzug halten mögest 1).“

 

Wer noch bei Lothar's frühern Handlungen in Zweifel ziehen möchte, ob er wirklich das gute Vernehmen mit der Kirche zu des Reiches Bestem unterhalten habe, wer von der vorgefaßten Ansicht mancher Geschichtschreiber verleitet wurde, zu glauben, daß dieser König, um im Besitze des Thrones zu bleiben, frühere Rechte deutscher Herrscher aufgegeben, der Geistlichkeit geschmeichelt habe, um bei ihr wider die weltlichen Gegner Beistand zu finden, wird, wenn er nicht hartnäckig jeder unbefangenen Auffassung der Zeitverhältnisse sich widersetzt, in den Beschlüssen der würzburger Reichs- und Kirchenversammlung anerkennen müssen, daß weltliche Rücksichten, Vortheile für seinen Thron hier des Königs und der mit ihm berathenden

 

1) Cod. Udalr. Nr. 351. Schon früher hatten Konrad von Salzburg und Ekbert von Münster an Otto geschrieben. Cod. Udalr. Nr. 347. Es heißt hier: Convenientibus ad curiam pro destruenda, quae Regnum invasit, calamitate ejusdem regni principibus (gewiß waren auch viele weltliche Fürsten in Würzburg) miramur et satis dolemus vestram non adesse praesentiam, cum in hoc negotio nemo possit nobis magis esse necessarius. Unde personam vestram nulla deberetis occasione subtrahere, quoniam eo magis pro pace et tranquillitate ecclesiae et regni collaborare nobis deberetis, Obnixe itaque debita dilectione dignitatem vestram monemus et rogamus, ut remota penitus omni occasione vel excusatione adhuc tentetis venire, scientes omnes principes desiderare praesentiam vestram et expectare.

 

 

____

155 Versammlung zu Würzburg.

 

Prälaten Entscheidung mehr bestimmt haben, als ungeziemende Nachgiebigkeit gegen die Kirche, überwiegender Einfluß des päpstlichen Legaten und der Geistlichkeit überhaupt. Wol wahr, Gualter erlangte die Anerkennung des von ihm vertretenen Papstes und die Verdammung von Anaclet und dessen Anhängern; auch mögen die meisten der anwesenden Geistlichen im Voraus von Gualter für Innocenz gewonnen gewesen und auf keine gründliche Prüfung der Sache des Gegenpapstes eingegangen sein. Hatte nicht aber Lothar auch für Innocenz sich entschieden, seit er dessen Gesandten huldvoll aufgenommen, ihn an die Reichsfürsten gewiesen, ihm gestattet, sich mit den deutschen Bischöfen zu berathen, sie zu überreden und zu einstimmiger Erklärung für Innocenz zu bewegen? Trat irgend ein Großer, irgend ein Mann von Bedeutung und Einfluß für Anaclet in die Schranken? Hatte dieser nur einen Legaten zu seiner Vertretung nach Deutschland geschickt? Weder Adalbert von Mainz, den Anaclet vordem seinen Gesandten genannt, noch Albero von Bremen, auf den er vielleicht gehofft, als er ihm die Bestätigung einer größern Diöcesenverwaltung ertheilte, noch Friedrich von Köln, den er vom Banne Honorius' befreit hatte, sprachen und handelten für den zu Würzburg verdammten Papst. Unter den weltlichen Fürsten kümmerten sich nicht einmal Diejenigen, welche gegen das Reich sich aufgelehnt hatten 1), um die zwiespältige Papstwahl, nicht Friedrich von Schwaben, nicht Gottfried von Straßburg, nicht Rainald von Burgund. Es zeugt nicht wenig für Lothar's weise Politik, daß er niemals seinen Gegnern kirchliche Waffen in Händen ließ, was jetzt geschehen wäre, wenn er für einen andern Papst sich entschieden hatte, als Jene anzuerkennen gesonnen oder gezwungen waren 2). Dagegen benutzte er selbst zu allen Zeiten die Waffe,

 

1) Die burgundische Geistlichkeit, wenn auch vornehmlich die im französischen Antheil, hatte sich sogar zuerst für Innocenz erklärt, und von Clugni aus wurde in den Nachbarlanden mit dem regsten Eifer die Sache des für rechtmäßig anerkannten Papstes betrieben. Anselm. Gembl. ad 1130: Emenso mari tandem apud Sanctum Aegidium appulit. Postea venit m Burgundiam et a Cluniaco excipitur. Order. Vit. lib. XIII, p. 895: Gregorius (Innocenz II.) cum Quirinali clero Gallias expetiit, primoque ab Arelatensibus susceptus, Legatos inde Francis direxit. Dann folgt die glänzende Aufnahme zu Clugni. Wie hier die Gegenbemühungen Anaclet's scheiterten, s. bei Baron. p. 247 ff.

2) Friedrich von Schwaben konnte schon aus Rücksicht für Konrad, die er nicht aus den Augen setzen durfte, sich dem Papste Anaclet nicht anschließen. Hatte dieser doch jenen öffentlich in Rom gebannt. Daß Anaclet und Konrad sich auch dann nicht verbanden, als Lothar über beide zu Würzburg den Bann verhängen ließ, hatte darin seinen Grund, daß die meisten lombardischen Bischöfe, selbst der von Parma, dem Zufluchtsorte des Schattenkönigs, für Innocenz waren. Bern. epist. 128 zählt Bernhard von Parma sogar unter die eifrigsten Freunde des Papstes.

 

 

____

156 Dritter Abschnitt.

 

welche ihm die Kirche anbot, um sie mit Vortheil gegen Diejenigen zu brauchen, die seiner Reichsoberhoheit sich entzogen oder, wie die Hohenstaufen, dieselbe ihm zu entreißen trachteten. So ließ er denn zu Würzburg nicht nur gegen Anaclet, sondern vornehmlich gegen Konrad, den Gegenkönig, gegen Friedrich von Schwaben und alle ihre Anhänger den Kirchenbann verhängen 1). Mochte Gualter dazu auch keine Vollmacht von Innocenz erhalten haben; er durfte auf dessen Zustimmung mit Zuversicht rechnen und dem Könige einen Dienst nicht versagen, für welchen die Verwerfung des Gegenpapstes von ganz Deutschland ausgesprochen wurde. Selten treffen wir in Deutschlands Geschichte das Interesse von König und Papst so enge verwebt, als es auf der würzburger Versammlung sich darstellt. Daß es mit geringer, ja fast gar keiner Aufopferung von beiden Theilen und zum größten Vortheil beider Häupter wider ihre Gegner wahrgenommen werden konnte, ließ ein dauerndes und festes Zusammenhalten Beider erwarten.

 

Welchen Einfluß auch die Verhältnisse und die Stimmung in Deutschland wie in dem benachbarten Frankreich, mit dem Lothar ganz im Gegensatze zu seinem Vorgänger Heinrich V. eine friedliche und freundschaftliche Verbindung zu unterhalten suchte, auf die Entscheidung des Königs hatten, so war diese der Welt gegenüber eine freie und bedeutungsvolle, weil sie nicht nur von dem ersten Herrscher der Christenheit ausgesprochen, sondern als einstimmige Handlung von Haupt und Gliedern des Reiches ausgegangen war, während damals noch selbst Frankreich in getheilter Ansicht zwischen Innocenz und Anaclet schwankte. Denn während König Ludwig durch die Aebte Bernhard von Clairvaux und Suger von St. Denys für Jenen gewonnen war, hatte der mächtigste Reichsvasall Wilhelm von Poitiers dem Legaten Anaclet's, den Kardinälen Otto und

 

1) Ueber die Würzburger Versammlung berichtet Ann. Saxo ad 1130: Concilium XVI Episcoporum mense Octobri a Rege Wirciburg congregatur. Cui adfuit Archiepiscopus Ravennae, Apostolicae sedis Legatus. Ubi Gregorius, qui et Innocentius, qui Petro Leoni in electione praevaluit (das scheint als Beweggrund in Würzburg angeführt zu sein), a Lothario Rege et omnibus ibi congregatis eligitur et confirmatur. Ibi excommunicati sunt Petrus Leonis, Conradus et frater suus Fridericus cum omnibus ei faventibus. S. Mansi Concil. XXI, p. 443 ff.

 

 

____

157 Kirchenversammlung zu Clairmont.

 

Gregor, dem Bischof Gerard von Angouleme und anderen Geistlichen, die denselben beistimmten, geneigtes Ohr gegeben und der entgegengesetzten Kirchenpartei sich angeschlossen 1). Lange standen in Frankreich die Anhänger Anaclet's und Innocenz's sich feindlich gegenüber, und wurden erst nach Jahren durch die unermüdlichen Bemühungen Bernhard's von Clairvaur vereint. England hatte sich noch gar nicht entschieden, und am wenigsten war vorauszusehen, daß der König gegen die Mehrzahl seiner Bischöfe schon im Anfange des folgenden Jahres den Papst anerkennen werde, vor dem sein Gegner Ludwig demüthig sich gebeugt hatte. Was in andern christlichen Reichen von Fürsten und Geistlichen beschlossen sei, war unbekannt oder blieb unbeachtet, Deutschland und sein Herrscher gaben der Welt das erste Beispiel von entschlossener, einmüthiger Anerkennung des in der Fremde als Flüchtling verweilenden, aber als würdiger geachteten Papstes.

 

Mit großer Freude vernahm die Nachricht von dem würzburger Synodalbeschluß der Papst Innocenz selber. Er hielt gerade damals (im November 1130) seine erste Kirchenversammlung zu Clairmont, wo über Rechtgläubigkeit, Förderung des Seelenheiles, Sittlichkeit und Anstand im Leben, Ausrottung um sich greifender Uebel in der Kirche, alte Verordnungen erneut, neue ertheilt, vor allem aber von den zahlreich versammelten Erzbischöfen, Bischöfen, Aebten und frommen Männern dem Papste als dem alleinigen Oberhaupte der Kirche, Gehorsam geschworen wurde 2). Mit seinem Gesandten

 

1) Ungleich thätiger war Anaclet in Frankreich bemüht, Anhang zu finden, als in Deutschland. Ueber die drei Gesandten bringt Baron. p. 243 ff. das Nöthige bei. Welche große und offene Reibungen beider Parteien stattfanden, zeigt Bischof Reimbold's von Lyon Ermahnungsschreiben, Baron. p. 249. Wilhelm von Poitiers oder, wie die Chronisten ihn auch nennen, von Aquitanien, ein mächtiger Herr, der 1147 60,000 Reiter und eine noch größere Anzahl Fußvolk zum Kreuzzuge stellte, verharrte noch fünf Jahre auf Anaclet's Partei. S. Baron., p. 266 und 292.

2) Erwähnung thun dieser Kirchenversammlung Otto Fris., VII, cap. 18, Baluziii Miscell., Tom. VII, p. 74, Mansi, XXI, p. 437-40. Anno Domini MCXXX indict. VIII. mense Novembri apud Clarum Montem praesidente ibidem Innocentio Papa cum Cardinalibus et Archiepiscopis et Episcopis ac religiosis viris cum multitudine sapientum et literatorum virorum celebrata est synodus, in qua de fide catholica et animarum aedificatione et morum honestate et malorum eradicatione tractatum est, et obedientia eidem Papae Innocentio adstanti ab universis est gratanter promissa. Unter den Verordnungen bezeichnet das zweite Kapitel Innocenz's Sorge auch für äußern Anstand. Praecipimus, quod tam Episcopi quam clerici in statu mentis, in habitu corporis Deo et hominibus placere studeant, et nec in superfluitate, scissura aut colore vestium, intuentium, quorum forma et exemplum esse debent, offendant aspectum, sed quod eorum decet sanctitatem. Auf dem rheimser Concil ward dies Gebot wiederholt. S. Mansi XXI, p. 458.

 

 

____

158 Dritter Abschnitt.

 

kamen von Deutschland der Erzbischof Konrad von Salzburg und Bischof Eckert von Münster. Sie überbrachten dem Papste Schreiben und mündliche Aufträge des Königs und der deutschen Geistlichkeit, und die Versicherung, daß einstimmig nur er anerkannt und Anaclet verworfen sei 1). Sogleich wollte nun Innocenz ihrer Auffoderung, nach Deutschland zu kommen, entsprechen, und nur der mit ihnen wetteifernde französische Klerus und die hochachtungsvolle Begegnung der königlichen Familie vermochten ihn, die Reise noch einige Zeit aufzuschieben 2). Von nun ab wetteiferte Alles, dem vom Könige der Deutschen anerkannten Papste zu huldigen. In das Ende dieses und in den Anfang des folgenden Jahres fallen die bereits erwähnten Zusammenkünfte, die zu Fleury bei Orleans mit Ludwig von Frankreich, die zu Chartres mit König Heinrich von England. Nachdem Innocenz mit letzterm noch einige Zeit zu Rouen in freundschaftlichem Umgange verlebt hatte, begab er sich in der Fastenzeit 1131 auf deutschen Boden, wo er in Lüttich mit Lothar eine glänzende Reichs- und Kirchenversammlung zu halten gedachte, um das Letzte, was er diesseits der Alpen noch zu erreichen wünschte, und was ihm das Hauptziel, seine Rückführung nach Italien, nach Rom vorbereiten sollte, mit dem obersten Schirmherrn des apostolischen Stuhles zu verabreden. Nicht so schnell, nicht ohne Schwierigkeiten, ja nicht ohne, wenn auch vorübergehende, Störung des so eben zwischen Reich und Kirche geschlossenen Einverständnisses, sollte das Verlangen des Papstes in Erfüllung gehen.

 

Lothar hatte die letzten Monate des Jahres 1130 gewiß nicht müßig und ohne Sorge für die innern Angelegenheiten des Reichs zugebracht. Sein letztes Ziel blieb immer die Bekämpfung und

 

1) Otto Fris. a. a. O.: In civitate apud Claromontem concilium celebrans nuntios Lotharii Conradum Iuvaviensem et Ecbertum Monasteriensem Episcopos obviam habuit. Bolozius a. a. O. setzt noch hinzu: Abbatem Gorgiensem.

2) Vita Bern., lib. II, cap. I: Reversi interim de Germania Legati Domini Papae tam Episcoporum quam Regis assensum et literas detulerunt et deprecationem publicam, ut ad eos transiens suam eis desideratam exhiberet praesentiam; facile enim persuasi sunt recinpere eum, quem jam caeteri recepissent. Sed detinuit eum dilectio et devotio ecclesiae Gallicanae et singuli et omnes visitationem Apostolicam expetebant.

 

 

____

159 Lothar's Sorge für die innern Angelegenheiten.

 

endliche Unterwerfung der Hohenstaufen, und zwar diese auf Gnad und Ungnade ohne allen Vorbehalt der Gedemüthigten. Vieles war ihm in dem genannten Jahre geglückt, was ihn dem Wunsche näher brachte. Speier und Nürnberg, die beiden wichtigen Städte, deren Besitz oder vielmehr Anschluß den Hohenstaufen noch immer einen Schatten von Hoffnung gewährte, daß sie das Reich dem rechtmäßigen Beherrscher entreißen könnten, waren in Lothar's Gewalt gekommen. Kein deutscher Fürst oder Bischof trat auf Friedrich's Seite, oder wagte nur, den König versöhnlicher zu stimmen, was schon dem in seiner bedrängten Lage von Allen verlassenen, selbst von Anaclet aufgeopferten Herzoge, wie vielmehr dem fast in Dürftigkeit lebenden Titularkönige von Italien wünschenswerth sein mußte. Abermals erscholl nun von Würzburg her der Fluch der Kirche über sie und ihre Anhänger. Der bereits von den ersten Königen der Christenheit anerkannte Papst stieß sie gleich seinem Vorgänger Honorius aus der Gemeinschaft der Christen. War nun auch von Anaclet mehr Theilnahme für ihre Sache zu erwarten, so konnte dies doch kaum Konrad nützen, da außer dem Erzbischofe von Ravenna die Bischöfe Hildebrand von Pistoria, Landulf von Asti, Bernhard von Pavia und sogar Bernhard von Parma, eifrige Anhänger Innocenz's 1), dem Erzbischofe Anselmus von Mailand, wenn er etwa Anaclet's Partei in Oberitalien zu ergreifen gedachte, völlig das Gegengewicht hielten. Friedrich aber hatte von seinem Bruder und dessen Beschützern gar nichts zu erwarten und konnte in Deutschland nur auf die Treue seiner Schwaben und Elsaßer bauen. Welche Gefahr lag aber für ihn darin, daß die hohe Geistlichkeit in beiden Provinzen sich für Innocenz, den Verbündeten Lothar's, entschied, und den Bannfluch gegen ihn, wenn auch nicht laut im Lande verkündete, doch anerkennen mußte? Löste dieses Schwert der Kirche nicht leicht alle Banden, welche Vasallen, Diener, Freunde bisher an ihn

 

1) Bern. epist. 126 nennt die Hauptanhänger und thätigsten Vertheidiger Innocenz's: Dei esse judicium senserunt et consenserunt Gualterius Ravennas, Hildegarius Tarraconensis, Norbertus Magdeburgensis, Conradus Salisburgensis Archiepiscopi Dei esse judicium cugnoverunt et acquieverunt Episcopi Ecquibertus (Ecbertus) Monasteriensis, Hildebrandus Pistoriensis, Bernardus Papiensis, Landulphus Astensis, Hugo Gratianopolitanus, Bernardus Parmensis. Horum gloria specialis et praecipua sanctitas et autoritas etiam hostibus reverenda, facile nobis - aut errare secum aut sapere persuasit. Nach diesen letzten Worten zu schließen, müssen die genannten Männer sich schon früh für Innocenz erklärt haben, da durch ihr Beispiel bewogen erst Bernhard selbst dem nach Frankreich geflüchteten Papste sich zuwendete.

 

 

____

160 Dritter Abschnitt.

 

knüpften? Waren im Elsaß nicht viele Burgen schon gefallen und in Händen der Anhänger des Königs? Drohte von Baiern her, ja von Schwaben selbst nicht sein Schwager Heinrich, dem der König durch Niederhaltung der widerspenstigen Vasallen die Arme freigemacht hatte, damit er sie für ihn und das Reich gegen Friedrich gebrauche? Nur der Stolz und der Starrsinn der Hohenstaufen konnte in solcher Lage unbedingte Ergebung in Lothar's Willen verweigern. Dieser aber war zu besonnen, um sie mit Waffengewalt aufs Aeußerste zu treiben. Der Wirkung des erneuten Kirchenbannes konnte er ohne Aufbietung weltlicher Waffen entgegen sehen und unterdessen in andern Theilen des Reichs, das nach den furchtbaren Stürmen und Zerrüttungen unter den fränkischen Kaisern einer zwar kräftigen, aber milden Herrscherhand noch immer bedurfte, seine Weisheit und Sorge walten lassen. Auch erkannte er, daß, da er einmal der Kirchenangelegenheit sich zugewendet, und wie es seiner Würde zukam, über den apostolischen Stuhl ein entscheidendes Urtheil abgelegt habe, er sich ferner der Kirche und des Papstes annehmen müsse, was in anderer Richtung, als er es sonst gethan hätte, seine Thätigkeit hinlenkte.

 

Als er in Gundersheim das Weihnachtsfest feierte, erschien abermals ein päpstlicher Legat, der Kardinal Gerhard, an seinem Hofe 1). Weder dieser Mann, der früher sich Verdienste um seinen Thron erworben hatte, noch die Angelegenheit, die denselben jetzt abermals zu ihm führte, durften gleichgültig behandelt werden. Jener überbrachte des Papstes Dank für Das, was Lothar für die Kirche gethan habe, und zugleich den innig gehegten Wunsch desselben mit dem Könige eine persönliche Zusammenkunft zu halten, um die Schritte, die zu der Kirche und des Reiches Bestem, namentlich zur Erhöhung ihrer eigenen Würde nothwendig seien, zu besprechen. Was Lothar zugesagt und vorgeschlagen habe, ist nicht bekannt. Gerhard und zwei andere päpstliche Gesandte, Obert von Cremona und der Kardinal Anselm begleiteten ihn nach Sachsen 2), wo er,

 

1) Ann. Saxo ad 1131: Rex Natale Domini Gundersheim celebrat. (Gerhardus Cardinalis cum legatione Apostolica supervenit nuntians Dominum Papam colloquium ipsius super omnia desiderare.) Ich entlehne die Stelle aus comment. de reb. gest. sub imp. Lotharii, p. 31, nota 3, denn in Eccard's Corpus medii aevi fehlen die in ( ) stehenden Worte.

2) Die Urkunde Lothar's vom 9. Februar, zu Goslar ausgestellt, wird bei Mencken III, p. 1016, in mantissa diplom. zu 1130 gesetzt, gehört aber zu 1131, sowol nach der angegebenen Indiction, als auch nach dem Regierungsjahre des Königs. Wenn Ludowigus nur Comes Thuringiae heißt, ist auch ohne Ergänzung von Provincialis die neue Würde darunter zu verstehen. Die päpstlichen Gesandten unterschreiben sich erst hinter den deutschen Bischöfen. Obertus Cremonensis Episcopus, (Gerhardus) Cardinalis, Anselmus Cardinalis, nur die Aebte von Naumburg und Kloster Bergen stehen hinter ihnen.

 

 

____

161 Hermann von Winzenburg.

 

ehe die festgesetzte Zusammenkunft mit Innocenz an der Westgrenze Deutschlands stattfinden sollte, noch manche kirchliche und Landesangelegenheit zu ordnen hatte, wobei Jene thätigen Antheil nahmen und jedes Geschäft ihm fördern und glücklich beenden halfen. Unter andern wurde Hermann von Winzenburg, der sich am letzten Tage des Jahres 1130 auf Anrathen der sächsischen Fürsten der Gnade des Königs unterworfen hatte, für seine an Burchard von Luckenheim verübte Frevelthat gestraft, aber milde, indem er mit lebenslänglicher Haft auf der Veste Blankenburg davon kam 1). Von einem anderen Morde, der an des Königs Fahnenträger, Heinrich Raspe, dem Bruder des neuen Landgrafen, Ludwig von Thüringen, im vorigen Jahre verübt war, konnte, so scheint es, damals so wenig, wie in der Folgezeit, der Thäter entdeckt und genannt werden 2). Ob den Markgrafen Albrecht von der Lausitz ein Verdacht dieser That, oder die erwiesene Schuld gegen den Grafen Udo von Freckleben, welchen Albrecht's Dienstmannen gewiß nicht ohne Mitwissen ihres Herrn getödtet hatten, oder sonst eine neue Willkür und Ungebühr jetzt gänzlich um die Gunst und Gnade des Königs brachte? genug, Letzterer scheint sich ihm abgeneigt und Albrecht gegen den König trotzig gezeigt zu haben. So vermissen wir den Markgrafen unter den Fürsten des Landes, die sich gegen die Mitte des Februar

 

1) So müssen wir die verhängte Strafe wol nennen; wenn Hermann unter König Konrad nicht nur die Freiheit, sondern auch die Erbgüter zurückerhielt, so war dies ein Aufheben der von Lothar verhängten lebenslänglichen Haft. Chron. Samp. ad 1131 gibt den Tag von Hermann's Ergebung: II. Kal. Januarii. Da war Lothar noch nicht in Sachsen; die Abführung nach Blankenburg aber war sein Gebot, wie die Zerstörung der Winzenburg. Diese darf nicht buchstäblich verstanden werden, wenn es heißt: Winzeburg ad solum usque destruitur. So lautete wol nur das Urtheil; von anderen Vesten heißt es öfters ebenso, und doch stehen von manchen noch heute die Ruinen. Die Winzenburg mag Hermann der Aeltere oder der Jüngere später hergestellt haben, ganz neu erbaut wurde sie wol nicht.

2) Ann. Saxo ad 1130 und andere Chronisten, die ihm nachschrieben oder aus der gleichen Quelle schöpften, geben: Heinricus Raspo, frater Ludovici Comitis de Thuringia, signifer Regis clam confossus immaturo obiit. Mon. Gozec., p. 116, Ann. Bosov., Chron. Samp., Cont. Peg., Mon. Big. ad 1130 geben nur den frühzeitigen Tod Heinrich's, der erstgenannte mit dem Zusatz: qui quia sine liberis discessit, frater Ludovicus hereditario jure successit.

II. 11

 

 

____

162 Dritter Abschnitt.

 

in Goslar bei Hofe einfanden 1). Noch aber wurde gegen ihn kein Urtheil gefällt; erst einige Monate später entsetzte ihn Lothar der Würde, die er einst ihm selbst zugewendet hatte. - In der halberstädter Diöcese war durch den Tod Honorius' II. die Wahl eines neuen Bischofs an Stelle des der Simonie beschuldigten Otto abermals aufgehalten worden. Lothar, der zu Otto's Ernennung mitgewirkt hatte, mochte in dessen Absetzung nicht gern gewilligt haben, fürchtete bei der neuen Wahl im Lande Zwiespalt, wie solcher sich schon deutlich gezeigt hatte, und suchte, wie wir bald sehen werden, bei Innocenz das Gebot Honorius' rückgängig zu machen. Mit dieser Aussicht beschwichtigte er einstweilen die Aufregung in der Diöcese.

 

Nachdem so weltliche und kirchliche Wirren in Sachsen mit Strenge oder Milde beigelegt worden, verließ der König den Osten des Reiches, und begab sich in der Fastenzeit nach Lüttich, wo an 40 Reichsfürsten und Prälaten aus Deutschland und von Rouen der Papst mit seinem Gefolge, - darunter auch Bernhard von Clairvaur, sich einfanden 2). Mit der höchsten Ehrerbietung begegnete der König dem von ihm und dem Reiche zuerst und allgemein anerkannten Kirchenhaupte, um vor den Anwesenden und vor der ganzen Christenheit jeden Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Papstes niederzuschlagen. Als Innocenz Sonntag den 22. März der Stadt nahte, kam ihm Lothar mit den Erzbischöfen, Bischöfen und den Ersten des Reichs entgegen, empfing ihn in demüthiger Stellung und führte zu Fuß einherschreitend ihm den weißen Zelter am Zügel, während er in der andern Hand einen Stab hielt, womit er der andringenden Menge wehrte, als ob er den Gesalbten des Herrn vor jeder irdischen Berührung und Entweihung bewahren und ihm allein die höchste Ehre erweisen wolle. Als der heilige Vater vom Pferde stieg, durfte Niemand als der König ihm den Arm reichen. So verherrlichte er vor Allen, die es sahen oder davon hörten, den Mann seiner Wahl und wollte weit und breit dessen Würde anerkannt

 

1) Die angeführte Urkunde Mencken III, p. 1016 gibt die zu Goslar anwesenden Fürsten. Albrecht, der Urkunden früherer Jahre stets unterzeichnet, fehlt diesmal gewiß nicht aus Zufall. Die bald danach erfolgte Absetzung des Markgrafen nöthigen zu dem im Texte angegebenen Grund derselben.

2) Ann. Saxo ad 1130: Dominica ante mediam Quadragesimam XI. Kal. Aprilis celeberrimus conventus XXXVI Episcoporum et Principum fit Leodii Domno Apostolico Innocentio et Rege Lothario ac Regina praesentibus. Der angegebene Tag ist der Sonntag vor Lätare; an jenem fand die erste Zusammenkunft, an diesem die Procession statt.

 

 

____

163 Das Concil zu Lüttich.

 

wissen 1). So lange ein solcher Handdienst, den schon frühere Kaiser geleistet hatten, aus freier Wahl des höchsten irdischen Machthabers hervorging, entehrte er diesen keineswegs, sondern stellte aufs Würdigste die schöne Demuth irdischer Größe vor dem Allbeherrscher der Welt dar, dessen unendlich überragende Macht in dem anerkannten Stellvertreter Christi, der sich selbst wiederum den Knecht der Knechte Gottes nannte, zu verehren ein schönes Symbol blieb, wenn nicht hierarchische Anmaßung auch diese Ehre Gottes zum schuldigen Tribut gegen die Päpste machte. Verzeihlich und durch die Umstände erfoderlich war es, daß Innocenz am folgenden Sonntage Lätare den 29. März eine Nachahmung des sonst in Rom üblichen Umzuges veranstaltete und in feierlicher Procession zu Wagen von der Kirche des heiligen Martin zu der des heiligen Lambert von einem Berge zum naheliegenden andern, gleichsam durch die via triumphalis zum Kapitol, zog, hier die Messe verlas und dem Könige wie der Königin die Krone aufs Haupt setzte 2), Handlungen, die gleichfalls an Rom erinnerten, wiewol bei großen Festen und bei außerordentlichen Gelegenheiten stets die Könige gekrönten Hauptes umhergingen.

 

Noch an demselben Tage wollte die Versammlung zu Berathungen über die Kirchenzustände schreiten, als der Bischof Bernhard von Hildesheim die günstige Gelegenheit, die sich ihm hier darbot, benutzend, in Begleitung der Angesehensten seines Kapitels hervortrat und den Papst und die Kardinäle mit dem Gesuche anging, einen seiner Vorgänger, den Bischof Gothard (der 1038 gestorben), unter die Zahl der kanonischen Heiligen aufzunehmen. Beredt setzte Bernhard die Verdienste, die Thaten, den Lebenswandel des frommen

 

1) Es darf nicht verdächtigen, daß nur ein französischer Augenzeuge den Einzug schildert. Er ist weit entfernt, eine Erniedrigung in der Dienstleistung zu erkennen. In der That ehrte Lothar sich nur selbst dadurch. Suger Vita Lud. lib. VI.: Cui (Innocentio) cum Imperator Lotharius civitate Leodii cum magno Archiepiscoporum, Episcoporum et Teutonici regni Optimatum collegio celeberrime occurrisset, in platea ante episcopalem ecclesiam humillime se ipsum stratorem offerens, pedes per medium sanctae processionis ad eum festinat, alia manu virgam ad defendendum, alia frenum albi equi accipiens tanquam Dominum deducebat. Descendente vero tota statione eum subbrachiando deportans celsitudinem paternitatis ejus notis et ignotis clarificavit.

2) Albericus 1131: Dominica in medio Quadragesimae cum curribus et rhedis ab ecclesia S. Martini in publico monte quasi Romae triumphali usque ad Capitolium St. Lamberti ascendit, missam celebrat, Regem et Reginam coronat. Vergl., was über das Concilium Leodiense von Mansi XXI, p. 473-76 zusammengetragen ist.

11*

 

 

____

164 Dritter Abschnitt.

 

Hirten auseinander. Die Versammlung stimmte in dessen Lob ein, aber da es nur einer allgemeinen Kirchenversammlung zustand, eine Heiligsprechung zu vollziehen, wurde dieser feierliche Akt bis zu dem bereits auf St. Lucas angekündigten rheimser Concil verschoben 1).

 

So weit die kirchlichen und politischen Interessen einander nicht entgegen traten, oder so lange Das, was Innocenz und Lothar als gemeinsamen Vortheil erkannten, verhandelt wurde, herrschte die schönste Einigkeit in den Berathungen zu Lüttich. Noch einmal wurde über Anaclet und König Konrad der Bann ausgesprochen, und die Anhänger und Verwandten Beider in Kirche oder Reich der Würden und Besitzthümer verlustig erklärt 2). König Lothar versprach dem Papste Innocenz, daß er ihn mit Aufbietung seiner weltlichen Macht nach Rom führen, und dieser jenem, daß er ihm an geweihter Stätte die Kaiserkrone aufs Haupt setzen wolle. Der Papst hob auf des Königs und mehrer Fürsten Fürbitte den Beschluß seines Vorgängers Honorius gegen den Bischof Otto von Halberstadt, wonach dieser seiner Würde verlustig erklärt war, mit Zustimmung Aller auf und investirte ihn aufs Neue mit der bischöflichen Inful 3). In schönem Einklang standen des Papstes Sorge

 

1) Am besten in den Acta Sanctorum Rolandiana, cap. 1, wo es heißt: Factum igitur est, ut ad Dominicam Laetare Hierusalem - multi catholici de communi statu Ecclesiae pertractarent. Inter quos praeses noster Bernardus cum majoribus nostrae Ecclesiae assistens, videns opportunitatem ultro sibi collatam, ipsum Apostolicum omni curia Romana aggreditur. Vitaque Pastoris nostri coram ipsis recitatur, et ut per eum in Ecclesia Dei canonizetur, devotissimae preces funduntur. Sed cum consuetudo sit Romanae Ecclesiae in generali Concilio Sanctos Dei canonizare, quod tunc temporis in Remensem civitatem in festo S. Lucae iudictum fuerat; accepto consilio petitionem Ecclesiae nostrae usque in praedictum locum distulit ibique fefiniturum certissime promisit.

2) Ann. Saxo a. a. O.: Ubi multa tam de ecclesiasticis quam de regni utilitatibus provide orginata sunt. Ibi excommunicati sunt Petrus Leonis, Conradus et frater suus Fridericus cum omnibus eis faventibus.

3) Ann. Saxo a. a. O. sagt ausdrücklich: Interventu Regis et Principum sui officii restitutionem promeruit. Die Ann. Bosov. ad 1131: Otto, cunctis annuentibus a Papa Innocentio denuo infula episcopali investitur et sedes ei redonatur ejusdem Ecclesiae. Ueber die Zeit, die seit der decretirten Absetzung verflossen war, sagt Ann. Saxo: Triennio Episcopatu privatus, die Ann. Bosov.: Dudum depositus. Wie lange der Streit in der halberstädtischen Diöcese sich hingezogen, ersieht man aus den Schreiben Cod. Udalr., Nr. 334, 336 und 362, die Otto's Rechtfertigung, des Papstes Honorius' Urtheil und des Erzbischofs Adalbert Bemühen, die Sache beizulegen, oder vielmehr dabei sich herauszuziehen, enthalten.

 

 

____

165 Das Concil zu Lüttich.

 

für Aufrechterhaltung der Kirchenzucht, sein Eifer gegen die unkeuschen oder, was leider für gleichbedeutend galt, verheiratheten Geistlichen mit des Königs Bestreben den Kirchen alte Rechte und Privilegien, die seine Vorgänger auf dem Throne zuerkannt hatten, ungeschmälert zu lassen, wie die Kirche zu St. Johann auf einer Insel in Lüttich sich dieser königlichen Gnade erfreute, und dadurch gegen ein Urtheil der lütticher Schöffen und selbst mehrer Reichsfürsten geschützt wurde. Wenn auch Beide, Papst wie König, über die eines Jeden Amte und Wirkungskreise zuständigen Dinge getrennt und unabhängig voneinander beriethen und entschieden, so fehlte gewiß ein vertrauliches Mittheilen oder einmüthiges Zusammenwirken in wichtigern oder sie beide angehenden Fällen nicht, und es konnte der Eine, gestützt auf den Beistand des Anderen, hier Manches besser und nachdrücklicher feststellen, als ihrer getrennten Macht gestattet gewesen wäre. Der ebenerwähnte Bannstrahl gegen Anaclet, Konrad und Friedrich ist in diesem Sinne als keine Wiederholung, sondern als eine Steigerung früherer Beschlüsse von Würzburg und Clairmont zu betrachten. Auf die Kirchenwaffe vertrauend, die auch die mächtigsten und trotzigsten Fürsten erschreckte, mochte Lothar die Absetzung des Markgrafen Albrecht bis auf die lütticher Synode verschoben haben, sowie andererseits einen Mann, der unschuldig beeinträchtigt war, und der um das Reichsoberhaupt mehrfach sich verdient gemacht hatte, Heinrich, den Sohn Wiprecht's, zu dem Reichslehen seines Vaters wieder gelangen lassen. Denn daß nicht jetzt erst Jener in die Ungnade des Königs gefallen, sondern früher schon dieselbe sich zugezogen, ist außer Zweifel 1), welches auch immer der Grund davon gewesen sein mag. Der kühne, halsstarrige Albrecht würde sicherlich dem Ausspruche des Königs sich nicht so ohne allen Widerstand gefügt haben, wenn nicht Auflehnung gegen das Reichsoberhaupt zugleich vom Banne der Kirche bedroht gewesen wäre. In Sachsen zumal war die Geistlichkeit dem Könige und dem Papste gleich ergeben, und selbst unter den weltlichen Fürsten des Landes hatte Albrecht damals keine Freunde, die ihm gegen König und Papst Beistand verhießen. Er mußte demnach über sich ergehen lassen,

 

1) Ann. Bosov. a. a. O.: Ibi etiam Adelbertus Marchio de Saxonia gratia Regis carens deponitur, et Henricus filius Marchionis Wicberti, hactenus ub eodem Adelberto violenter expukus pro eo Marchio constituitur in Lusiz. Das violenter expulsus mildert Ann. Saxo: Heinricus - - Marchiam, quam patre suo defuncto Adalbertus de Ballenstede a Rege (vielmehr als Lothar noch Herzog war) adquisierat, legali jure recepit.

 

 

____

166 Dritter Abschnitt.

 

was er nicht abzuwenden vermochte, und um des Königs Gnade und Freundschaft wiederzuerwerben, den Weg einschlagen, der beides ihn einmal schon erwerben ließ; er mußte durch Dienste derselben sich würdig machen, was ihm in der Folge auch zum eigenen Vortheil und Ruhme gelang.

 

Fast aber wäre das gute Vernehmen, welches wechselseitigen Vortheil dem Papst und dem Könige brachte, über eine Foderung des letztern gestört worden. Als nämlich Innocenz in Lothar drang, ihm mit seinem weltlichen Arm bald den Weg nach Rom zu bahnen, glaubte der König auf eine Entgeltung solchen Dienstes Anspruch machen zu dürfen, und hoffte den Papst dazu geneigt zu finden. Sein Gesuch betraf aber einen allzukitzlichen Punkt, die Investitur der Bischöfe. Seit dem wormser Concordat war dieselbe der Kirche, wenn auch nicht im Sinne Hildebrand's, doch immer zum Nachtheile des deutschen Königs abgetreten worden, und der einst so gewaltsam gegen hohe Geistliche im Reiche, ja selbst gegen Päpste verfahrende Heinrich hatte endlich in eine Anfoderung der Kirche willigen müssen, die ihm über dieselbe nur wenig Macht ließ. Zu dieser Nachgiebigkeit bei dem wormser Concordat hatte ihn, wie wir gesehen 1), nicht sowol die Uebermacht der Kirche, als vielmehr die Furcht vor den sich damals fast unabhängig machenden Reichsfürsten bewogen, gegen die er durch engern Anschluß an den Papst, durch Abtretung eines von den Fürsten keineswegs gebilligten, ja auf dem Reichstage zu Würzburg 1121 verworfenen Rechtes den Beistand der Kirche zu gewinnen hoffte. Als die Seele der Fürstenverbindung kannten wir Lothar, den Herzog von Sachsen, der zwar Heinrich's mächtigster Gegner gewesen, und oft durch gemeinsames Handeln mit Adalbert von Mainz noch gefährlicher geworden war, immer aber nur den Eingriffen der Willkür, der Ungerechtigkeit des Kaisers sich widersetzt, keineswegs aber der Hierarchie oder den herrschsüchtigen Plänen des Mainzer Erzbischofs seinen Arm geliehen, vielmehr als Letzterer den Kaiser gedemüthigt zu sehen hoffte, ihm gewehrt, wenn nicht gar entgegengestrebt, jedenfalls an den Beschlüssen von Würzburg, die Adalbert's Pläne vernichteten, sich als ein Haupttheilnehmer gezeigt hatte. Wer Lothar den Vorwurf macht, als habe er durch seinen hartnäckigen Widerstand gegen Kaiser Heinrich Dieses Nachgiebigkeit gegen die Kirche, das wormser Concordat, das Aufgeben des kaiserlichen Investiturrechtes veranlaßt, verkennt, daß Heinrich von zweien

 

1) S. Theil I, S. 351.

 

 

____

167 Das Concil zu Lüttich.

 

Gegnern, die er selber gegen sich aufgereizt hatte, dem einen, der Kirche, sich in die Arme warf, um den andern, die Fürsten, vornehmlich den Herzog Lothar, zu bekämpfen, und übersieht, daß, wenn ebenderselbe Kaiser sich enge an die weltlichen Großen angeschlossen hatte, das wormser Concordat nie in der Weise abgeschlossen werden durfte, da der würzburger Fürstentag genugsam beweist, wie auch der Kirche, dem Papst, die sich erhebende Mittelsmacht in Deutschland furchtbar geworden war. Seitdem aber zur Beilegung des länger als 50jährigen Kampfes zwischen Papstthum und Königthum letzteres auf die Investitur verzichtet hatte, würde ein gewaltsames Zurückfodern dieses aufgegebenen kaiserlichen Rechtes nur zu Erneuerung jenes Kampfes, zu leidenschaftlicher Widersetzlichkeit der Kirche, die den mühsam errungenen Sieg nicht aufgeben konnte, geführt haben.

 

Bei der Erhebung Lothar's auf den deutschen Königsthron machte die Kirche es zur Bedingung, daß der neue Herrscher das wormser Concordat anerkenne, um so mehr als dessen früherer Widerspruch gegen das Aufgeben des Investiturrechts die Furcht eines Widerrufs erweckte. Verdient Lothar einen Vorwurf, weil er die einmal sanktionirte Norm beschwur? weil er das Mistrauen der Kirche beschwichtigte, indem er nur im Weltlichen Gehorsam und Dienstleistungen von der hohen Geistlichkeit foderte und bei deren Einsetzung allein die Belehnung mit den Reichsgütern oder, wie das Concordat es ausdrückte, die Investitur mit dem Scepter für sich in Anspruch nahm, während er Ring und Stab, sowie die Weihe dem Papst überließ? Auf andere Weise, als daß er das einmal verloren Gegebene der Kirche gewaltsam wieder entriß, hoffte er die deutsche Geistlichkeit und den römischen Papst an sein Interesse zu knüpfen. Milde, Gerechtigkeit, Vertrauen sollten die Scheidewand, welche unter den fränkischen Kaisern Kirche und Staat, wie zwei feindliche Gewalten absonderte, aufheben, und Eintracht, gemeinsames Wirken nach dem gleichen Ziele, welches Friede im Reiche, Beglückung der Völker, gleichmaßige Sorge für alle Stände umfaßte, fortan Kirche und Staat, Papstthum und Königthum beseelen. Die Vortheile dieser echtchristlichen Politik, zu der eine feste Männlichkeit, eine würdige Gesinnung, eine umsichtige Thätigkeit sich gesellten, zeigt Lothar's ganze Regierung jedem Unbefangenen, der nicht in der stürmischen Kraftentwicklung aber auch Kraftzersplitterung der fränkischen oder in der hohen Geistesbegabtheit der schwäbischen Kaiser, die aber durch ein der Zeit widerstrebendes Ringen sich weit ab vom Ziele verlor, alleinige Herrschergröße erkennen und bewundern will. Wenn

 

 

____

168 Dritter Abschnitt.

 

erst Lothar's letzte Regierungsjahre höherer Glanz umstrahlt, wenn er noch zu keiner dauernden Festigkeit den deutschen Kaiserthron erhoben hat, als ihn nach kurzer Herrschaft, aber schon in hohem Lebensalter der Tod abrief, wenn mit ihm die kaum wieder erstandene Herrlichkeit des deutschen Namens, die seit Heinrich III. in den Nachbarstaaten vergessen war, zu Grabe ging, so liegt in all dem ebenso viel Ruhm für sein Streben und Ringen, als es beweist, daß ihm von seinem Vorgänger kaum ein Schatten der früheren Kaiserwürde hinterlassen war, der ihn nöthigte, Anfangs ein ganz entgegengesetztes Verfahren als jener zu beobachten. Was auf diesem Wege zu erringen möglich war, hatte er bereits errungen. Die deutschen Bischöfe umstanden rathend und helfend seinen Thron, ohne daß er neue Opfer dafür hingegeben, ohne daß er von den allerdings geschmälerten Rechten der Königsgewalt eines aufgegeben hatte. Keine Wahl eines hohen Geistlichen war ohne seine Zustimmung oder wider seinen Willen ausgefallen, weil er entweder die Wähler durch freundliche Vorstellungen oder den die Weihe ertheilenden Vorgesetzten des Gewählten, sei's Erzbischof, Kardinal, oder den Papst selbst zu gewinnen wußte, ohne durch seine persönliche Mitwirkung Zwiespalt zu erregen; vielmehr war er, wo ein Zwiespalt sich erhoben hatte, wie in Magdeburg, Würzburg, Halberstadt, versöhnend, vermittelnd dazwischen getreten. Bruno von Straßburg hatte seine und der Königin Gnade nachgesucht, um nach mehrjähriger Vertreibung zu seinem Bischofssitze zu gelangen; der Einzige, der sich trotzig, widerspenstig, feindselig gezeigt, der zweite Prälat im Reiche, Friedrich von Köln, hatte nicht nur von ihm Verzeihung, sondern sogar Verwendung erbeten, um den Zorn, die Züchtigung, den Bannstrahl des Papstes Honorius abzuwenden. Ein Dunkel schwebt über dem Verschulden des Kölners gegen König und Papst, so viel aber erhellt deutlich, daß letztere beiden in völliger Einigkeit Friedrich's Benehmen gemisbilligt und mit Reichs- und Kirchenstrafe bedroht hatten, und daß nur die Gnade Lothar's die Reichsacht wie den Kirchenbann abzuwenden vermochte, welchen letztern, als Honorius vor Erfüllung der königlichen Fürbitte starb, Anaclet und Innocenz nicht aus Rücksicht für Friedrich, sondern aus Zuvorkommenheit gegen Lothar aufzuheben versprachen. Ein solches Beispiel von Einigkeit und gegenseitiger Achtung wie zwischen Lothar und Honorius begegnet uns kaum zum zweitenmale in der Geschichte der Kaiser und Päpste. Sehr natürlich freilich scheint es Vielen, daß Honorius den Gegenkönig Konrad bannte, weil diesen der vom römischen Stuhl abtrünnige Erzbischof Anselm

 

 

____

169 Das Concil zu Lüttich.

 

von Mailand in Schutz genommen hatte, sehr natürlich, daß der Papst und die deutsche Geistlichkeit einem Herrscher den Beistand der Kirche gegen seine Widersacher boten, da derselbe alle Freiheiten und Rechte der Kirche zugestanden hatte! - Wie auch immer die äußern Verhältnisse die Wechselseitigkeit der Hülfleistung, das Band zwischen König und Geistlichkeit veranlaßt haben mögen, wird dadurch Lothar's Ruhm geschmälert, daß er jene Verhältnisse zu seinem Vortheil zu nützen verstand? Oder will man ihm einen Vorwurf daraus machen, daß er den Beistand der Päpste und der deutschen Geistlichkeit gegen die Hohenstaufen gesucht hat? Oder ihn der Schwäche zeihen, weil er mehr der Wirkung des Bannstrahles als der Waffengewalt den Kampf wider die Rebellen vertraute? Gesetzt, Lothar bequemte sich der Kirche nicht, er foderte die verlorenen, von seinen Vorgängern aufgegebenen Rechte des Königs in geistlichen Dingen, die Investitur zurück, griff aber mit Aufbietung seiner eigenen Hausmacht und der seines Schwiegersohnes, mit Hülfe der ihm ergebenen Sachsen und der Reichsmacht den Herzog von Schwaben in dessen Staaten an; wohin konnte, ja wohin mußte es notwendiger Weise führen? Hätte die Kirche wol angestanden, dem Herzog Friedrich, dem König Konrad ihren Beistand zuzuwenden? Hätte der Bann des Papstes und der deutschen Geistlichkeit nicht ihn getroffen, wie er jetzt gegen die Widersacher geschleudert wurde? Hätten die Reichsfürsten, die den Verwandten, den Erben des vorigen Kaiserhauses zugethan waren, sich gescheut, demselben die Hand zu bieten, während jetzt nicht einmal Diejenigen, welche aus anderen Ursachen von Lothar ihrer Länder und Würden verlustig erklärt worden waren, sich den Hohenstaufen anschlossen? Wenn aber auch ein anderer als Lothar nach Heinrich V. die Krone erhielt, sei es Friedrich oder Konrad oder wer sonst, hätte er eine feindselige Stellung gegen die Kirche einnehmen können, ohne die Tage Heinrich's IV. und V. über das Reich heraufzubeschwören, ja ohne sich dadurch dem unabwendbaren Verderben preiszugeben? Vielleicht glaubt man, daß durch Anschluß an die Macht, vor der mehr als vor der Kirche zurückschreckend Heinrich V. den Frieden bot, dem König der Sieg über die Hierarchie gelingen mußte. Würde aber wol ein Heinrich V., der erbitterte Gegner dieser ohne Noth ein Recht abgetreten haben, um welches er so lange mit Aufbietung aller Kräfte gekämpft hatte? Und würde Lothar, der als Herzog von Sachsen der Vertreter jener Macht gewesen, auf sie nicht mehr als jeder andere als König sich gestützt haben, wenn überhaupt ein deutscher König sich noch auf sie stützen konnte? Seitdem nicht mehr der Wille des Reichsoberhauptes

 

 

____

170 Dritter Abschnitt.

 

aus freier Wahl die großen Reichslehen vergab, seit Erblichkeit in diesen Ansprüche gab, die nur eigene Hausmacht, wenn sie die jedes Herzogs überwog, unkräftig zu machen im Stande war, vereinte die Fürsten nur ein gemeinsames Interesse gegen den König oder gegen Uebergriffe der Kirche; mit dem König verbunden die Kirche zu bekämpfen, war nur in letzterm Falle denkbar, und auch hier nur so lange, bis die Kirche von ihren Uebergriffen nachließ. Diese Macht zur Beschränkung der Königsgewalt aufrecht zu erhalten, oder mit ihr sich zu vereinen, wenn der Herrscher unumschränkt im Reiche zu gebieten dachte, war seit Heinrich IV. Politik der Päpste gewesen. Als aber unter Heinrich V. die Macht der Fürsten zum Selbstbewußtsein ihrer Stärke gelangte, war auch der Kirche dies nicht verborgen geblieben, sie fürchtete Gefahr und mußte dagegen sich schützen, und nun zur Unterstützung des Königsthrones ihre Zuflucht nehmen. Auf diesen Thron den Mann gesetzt zu haben, welcher den weltlichen Optimaten die größte Ueberlegenheit gegeben, genügte nicht, wenn ihm nicht zugleich der nöthige Beistand verliehen wurde, um den Reichsfürsten, die den Thron auch jetzt noch zu bedrohen stark genug waren, in die Schranken des Gehorsams zu beugen. So schloß ein wechselseitiges Interesse Thron und Kirche aneinander, und wie jener von dieser nicht abgetretene Rechte zurückfodern, durfte diese nicht neue Anmaßungen zeigen. Nur was sie einander freiwillig zugestanden, war als Gewinn zu betrachten.

 

Der wechselseitige Beistand, den Papst und König einander leisteten, erheischte einerseits gegenseitiges Vertrauen, andererseits aber auch mancherlei Rücksichtsnahme, einen gewissen Zwang zu Mäßigung und Schonung, die unleugbar bald dem einen, bald dem andern drückend erschienen. Als die Päpste den Bannstrahl über die Heinriche schleuderten, die Reichsvasallen und Unterthanen zum Abfall und Ungehorsam auffoderten, waren ihre Schritte frei, und ihre Waffe war kühn gegen das höchste Haupt auf Erden gerichtet; die Völker zitterten und selbst die Mächtigen wagten Rom nicht entgegenzutreten. An Lothar durften nur Worte des Friedens, Mahnungen der Liebe und Versicherungen der Zuneigung gerichtet werden. Man sah dem Könige nach, daß er die Bischofswahlen auf bevorzugte ihm ergebene Männer lenkte, daß er die Erwählten an sich fesselte, daß er überhaupt alle Geistliche sich willfährig machte, selbst da wo deren persönlicher Vortheil eine Opposition erheischte, sodaß des Königs Wunsch und Wille neben dem päpstlichen Gebot und Auftrag einen unverkennbaren Einfluß auf alle übte. Beengender aber noch war für den König, daß nicht des Reiches Wohlfahrt,

 

 

____

171 Das Concil zu Lüttich.

 

nicht sein freier Entschluß in so vielen wichtigen Angelegenheiten des Reiches sein Handeln allein bestimmen durften, daß mancherlei Rücksichten und vornehmlich der Verlust früherer Herrscherrechte ihm die Hände banden, wo seine Vorgänger ungehindert, ungescheut eingegriffen hatten. Die Investitur, die bei Besetzung der Kirchenämter Alles entschied, nur vom Papste, päpstlichen Legaten oder gar von deutschen Prälaten, also Reichsvasallen, ausgeübt zu sehen, hatte für die königliche Gewalt etwas Erniedrigendes und Demüthigendes. Dies Recht der frühern Herrscher wiederzuerlangen, schien die günstigste Gelegenheit gekommen, als hülfebedürftig Innocenz des Königs Schutz und Beistand suchte, und dessen Arm zur Wiedererlangung von Petri Stuhl sich erbat.

 

Lothar foderte nicht, wol fühlend, daß er dazu ohne Gewalt zu brauchen kein Recht habe, aber die Bitte um Rückgabe des Investiturrechts stellte er an den Papst, indem er die vielfachen Nachtheile, die aus der entzogenen Belehnung der Bischöfe das Reich erlitten habe, auseinander setzte 1). Wenn er aus Liebe zur Kirche, äußerte er, bisher diese Beeinträchtigung seiner Würde sich habe gefallen lassen, so erheische nun doch die Billigkeit, daß die Kirche für den großen Dienst, den er ihr zu leisten gern bereit sei, voll Vertrauen die von seinem Vorgänger aufgegebene Investitur der Bischöfe ihm wiederzuerkenne. Wie gemäßigt aber auch Lothar die Bedingung, unter der er Innocenz seinen weltlichen Arm leihen wolle, stellte und deren Bewilligung

 

1) Unter den deutschen Schriftstellern bezeugt Otto von Freisingen Lothar's große Mäßigung bei der Rückfoderung der Investitur. Chron. VII, cap. 18: Profectus apud Leodium Belgicae urbem synodum Episcoporum convocans regem Lotharium ad defensionem sanctae Romanae Ecclesiae invitavit. Qui nil cunctatus, exposito tamen prius modeste in quantum Regnum amore Ecclesiarum attenuatum investitura earum, quanto sibi dispendio remiserit, auxilium Romanae Ecclesiae promittit. Das schreibt Albericus, der doch auch die französischen Quellen kannte, ad 1131 nach. Ueber einen heftigen Streit erfahren wir hier nichts. Dagegen schreibt Bern. epist. 150 an Innocenz (aber lange nach der Synode zu Lüttich): Sed nec Leodii cervicibus imminens mucro barbaricus compulit acquiescere importunis et improbis postulationibus iracundi atque irascentis Regis. Otto von Freisingen, der eben nicht ein Lobredner Lothar's ist, verdient gewiß mehr Glauben, als der oft fanatische Abt Bernhard, der überdies seinen Ruhm, den König von der Foderung abgebracht zu haben, noch erhöhen wollte. Wenn sich unter des Königs Gefolge einiger Unwille und Zorn über die Hartnäckigkeit des Papstes, wie es Vielen scheinen mochte, zeigte, so darf doch keineswegs Lothar selbst iracundus et irascens genannt werden.

 

 

____

172 Dritter Abschnitt.

 

mehr als einen Beweis von dem persönlichen Vertrauen des Papstes gegen ihn 1) betrachtete, gegen ihn, der sich bisher als aufrichtiger Freund und wahrhafter Vertreter der Kirche gezeigt und jetzt ihrem Oberhaupte die größte Hochachtung bewiesen habe, und mit Hintansetzung der Reichsgeschäfte nicht nur zu seiner Aufnahme, zu einer Unterredung und Berathung herbeigeeilt sei, sondern auch zu fernerer Hülfleistung, zum Kampfe gegen den Nebenbuhler und dessen immer noch mächtigen Partei, zur Erkämpfung des heiligen Stuhles sich bereit erklart habe; dennoch geriethen Innocenz und seine Begleiter in große Unruhe, bereuten ihre Reise nach Deutschland, und hegten die Besorgniß, daß ihre Freiheit hier mehr bedroht sei als in Rom selbst 2). Eifrige Verfechter der Kirche, wie der Abt Bernhard von Clairvaux, ließen ihren Unwillen über des Königs Begehren aus, und nannten es eine unzeitige und ungeziemende Anfoderung, daß die römische Kirche, die nichts als den ihr schuldigen Beistand in Anspruch nehme, dafür ein ihr nach alten Kirchensatzungen zustehendes Recht aufopfern solle, ein Recht, das ihr über Alles werth sei, das sie nach so viel Anstrengungen, Leiden und Gefahren endlich Heinrich V. entrissen habe 3). Ist auch diese Aeußerung als übertrieben, vom Kircheneifer eingegeben, zu betrachten, so läßt sich doch nicht leugnen, daß Innocenz für die Erfüllung seiner Wünsche kein Opfer bringen konnte, das die Kirche ihm nimmer verziehen haben würde. Und doch fühlte er gewiß,

 

1) Ob Lothar nur für seine Person und als einen Beweis des päpstlichen Vertrauens oder ob er als ein dem Reiche früher zustehendes Recht die Investitur in Anspruch nahm, könnte zweifelhafter scheinen, als ob das Concordat zwischen Heinrich V. und Calixtus II. ein persönliches Abkommen, wie (nach Otto Fris., Chron. VII, cap. 16) die Römer glaubten, oder ein Vertrag der Kirche und des Reichs, wie wir annehmen müssen, gewesen sei.

2) Chron. Ursp. ad 1131: Ideo Apostolicus non modicum est turbatus et de adventu suo contristatus, de reditu quoque anxius est effectus. Die Vita S. Bern., lib. II, cap. I, noch übertriebener: Ad quod verbum expavere et expalluere Romani, gravius sese apud Leodium arbitrati periculum offendisse quam declinaverint. Dies paßt schlecht zu der von Bernhard selbst gepriesenen Unerschrockenheit des Papstes und der Kardinäle. S. die vorletzte Anmerkung.

3) Außer dem angeführten Briefe Bernhard's die Vita Bern. a. a. O.: Siquidem importune idem Rex institit tempus habere se reputans opportunum Episcoporum sibi restitui investituras, quas ab ejus praedecessore Henrico Imperatore per maximos quidem labores et multa pericula Romana Ecclesia vindicaverat. Auch Chron. Ursp. a. a. O.: Petitionem Principis exaudire non poterat super tali articulo, pro quo Ecclesia tot mala sustinuerat.

 

 

____

173 Das Concil zu Lüttich.

 

daß Lothar ihm große Dienste geleistet und für die versprochene Rückführung nach Rom ein Recht auf seine Dankbarkeit erworben habe. Wenn aber der König, was er bescheiden bat, dringend foderte? Wenn er es als unerläßliche Bedingung, unter der er den Papst über die Alpen führen wolle, aufstellte? Wenn er die Gelegenheit, die den Hülfe Bittenden in seine Gewalt gegeben hatte, zu ähnlichem Zwange benutzte, wie ihn einst Heinrich V. gegen Paschalis verübte? Innocenz mochte dies Alles im Geiste mit Furcht sich vorgestellt, es seinen Umgebungen mitgetheilt und sie um Rath und That verlegen gefunden haben. Daß aber Lothar seine Bitte wirklich bis zu der nachdrücklichen Foderung gesteigert habe, ist nicht glaublich, weil es ihn auf einmal um alle die Vortheile gebracht haben würde, die er bisher von dem guten Einverständniß mit der Kirche gezogen hatte. Darf man aus den sich widersprechenden Nachrichten über diesen Vorfall in Lüttich 1) das Glaubwürdigste und Wahrscheinlichste, was in den früheren und späteren Verhältnissen zwischen Papst und Kaiser Bestätigung erhält, herausnehmen, so ist weder an ein leidenschaftliches Dringen Lothar's um Zurückgabe der Investitur, noch an eine gegründete Gefahr für Innocenz zu denken, und des heiligen Bernhard's ganzes Verdienst, das von ihm selbst und seinen Biographen in hochtrabenden Ausdrücken gerühmt wird 2), beschränkt sich darauf, daß er dem Könige, sobald dieser die Investiturfrage in Anregung brachte, die Nachtheile, die aus der Belehnung mit Ring und Stab für das Reich entstanden seien, nachzuweisen sich bemühte, Gegenvorstellungen machte, die Lothar überzeugten, eine Aenderung des wormser Concordats gereiche dem Papst in seiner jetzigen Lage zum größten Nachtheil und ihm, dem Könige, zu keinem Vortheil. Dies lag in der That so nahe, daß es keiner großen Ueberredungsgabe bedurfte, um die alte Eintracht, die mehr gefährdet schien, als wirklich gefährdet war, herzustellen. Männer wie Lothar und Innocenz, die der rechten Besonnenheit

 

1) Abzuweisen ist natürlich, was Chron. Casin. IV, cap. 97, berichtet: Innocentius Germaniam ingressus a Lothario Rege juxta Leodium antiquo ex more confirmans et terram Comitissae Mathildae contradens. Unwahrscheinlich wäre nicht, daß auch letztere Angelegenheit von König und Papst besprochen worden. Doch wurde auch diese ganz ohne Entscheidung gelassen.

2) Vita Bern. a. a. O.: Nec consilium suppetebat, donec murum se opposuit Abbas sanctus. Audacter enim resistens Regi verbum malignum mira libertate redarguit, mira auctoritate compescuit. Chron. Ursp. a. a. O. sagt nur: Interveniente tamen consilio et orationibus beati Bernardi securus recessit ab Imperatore.

 

 

____

174 Dritter Abschnitt.

 

und Klugheit nie entbehrten, konnten wol vorübergehend verschiedener Ansicht über die wechselseitig zuzugestehenden Rechte und Befugnisse sein, mußten sich aber leicht verständigen, weil Jeder des Andern bedurfte, um die Zwecke, die sie verfolgten, zu erreichen. Ungefährdet, ohne Haß und Groll, verließen Beide Lüttich und blieben nach wie vor im besten Einverständniß. Lothar hatte versprochen, den Römerzug, sobald es die Verhältnisse Deutschlands gestatteten, anzutreten, und Innocenz wies ihm die Kaiserkrone als Lohn, die nur, wenn sie von dem Papste, den die Hauptvölker und Hauptfürsten des Abendlandes als den rechtmäßigen erkannten, ertheilt wurde, dem Könige der Deutschen im Reiche und bei den Nachbarn ein überwiegendes Ansehen verlieh.

 

Während Innocenz zur Feier des Osterfestes sich nach Paris oder vielmehr nach der Abtei des heiligen Dionysius unweit jener Stadt begab 1), feierte Lothar die Auferstehung des Herrn zu Trier in Gemeinschaft mit dem päpstlichen Legaten, dem Kardinal Mathäus von Alba, mit dem er auch die Wahl des neuen Erzbischofs leitete, welche nach dem Tode des in Parma als Gefangener Konrad's verschiedenen Meginger (im October 1130) nöthig geworden war. Die Wahl ging aber nicht so glücklich von Statten, als Lothar und Mathäus es wünschten, und da Beider andere wichtige Geschäfte harrten, blieb sie für jetzt unentschieden. Der Grund war wiederum der so oft störende Zwiespalt der Wähler. Diesmal hatten der Klerus und die Vornehmsten der Bürger sich entzweit 2); jeder Theil entschied sich für einen anderen Kandidaten. Es hätte nun beim Könige gestanden, entscheidend einzugreifen und eine Person, die ihm gefiel, auf den erzbischöflichen Stuhl zu bringen. Er überließ aber vorerst den Parteien selbst eine Einigung herbeizuführen, und

 

1) S. die Stellen aus Suger vita Lud. bei Baron., p. 267: Instantem sancti Paschae diem apud nos in Ecclesia beati Dionysii affectat celebrare etc.

2) Rex Pascha Treveris celebrat. Ueber die Spaltung in Trier s. Gesta Arch. Trev. Martene coll. IV, p. 198 und Gesta Trev. in der Access. Leibn., p. 124. Schon vorher hatte man einen Erzbischof, Bruno, gewählt, VII. Idus Decembris, der es ablehnt: causa inopiae hujus Ecclesiae - re autem vera, ut postea claruit, majoris Episcopatus gloriam affectabat, et cum gratia Apostolici Innocentii faciebat. Als zu Lüttich die Trierer um Bruno's Bestätigung bitten, erhalten sie den Bescheid, ut alium adhuc idoneum quem vellent, eligerent. - Sequienti Pascha cum Rex Lotharius omnesque Principes Trevirorum Treveri convenissent, pars Cleri Primicerium Metensem Adelberonem eligebat, Principes tamen et Populus (alium). Die Stelle ist korrumpirt. Die Sache erhellt aus Gesta Archiep. Trev. a. a. O.

 

 

____

175 Lothar's Thätigkeit am Rhein.

 

über das Resultat ihrer einmüthigen Wahl ihm durch Gesandte den Bericht nach Mainz, wohin er sich mit Mathäus wandte, abzustatten. Der Kardinal hatte natürlich vor der Weihe, zu der er nach Trier gekommen war, keinen Antheil an der Sache. Als die Abgesandten in Mainz den allein vom Klerus Gewählten bestätigt wünschten, verweigerte der König seine Zustimmung und befahl abermals eine genügendere Wahl in Trier zu halten. Da wandte sich das Kapitel an den Papst, und dieser billigte nicht nur den Gewählten Adalbero, aus dem Hause der Edlen von Montreuil, sondern wies auch demselben auf dem rheimser Concil schon seinen Platz unter den Erzbischöfen an, und ertheilte ihm später zu Vienne sogar die Weihe, obschon von Lothar derselbe mit dem Weltlichen noch nicht belehnt und nicht einmal seine Wahl gebilligt war. Allerdings mußte der König darüber ungehalten sein, indeß nahm er später, da er gegen die Person des Gewählten nichts einzuwenden und dieser sich wegen der Weihe vor ihm gerechtfertigt hatte, mit Recht wegen einer Abweichung, für die gewiß auch der Papst um Entschuldigung bat, nicht weitern Anstand 1).

 

Zu Mainz hielten in Lothar's Gegenwart und unter dem Vorsitze des Kardinals Mathäus und des Erzbischofs Adalbert eine Anzahl Bischöfe, worunter die von Augsburg, Eichstedt, Bamberg, Würzburg, Speier und Worms namhaft gemacht werden, eine Synode (zwischen Ostern und Pfingsten), deren Hauptzweck wol die Ausführung der Beschlüsse von Lüttich in Bezug auf kirchliche Verhältnisse, vornehmlich die Anerkennung Innocenz's und die unwiderrufliche Verwerfung Anaclet's war, wie zu dem gleichen Zwecke auch in andern Ländern Versammlungen der Geistlichen abgehalten wurden. Ein Ereigniß anderer Art wird indeß auf der mainzer Synode von den Chronisten vermerkt und für die deutschen Verhältnisse ist es kein unwichtiges. Der einst aus Straßburg vertriebene, auf

 

1) Solche Mäßigung des Königs verdient mehr Lob als Tadel. Aber Geschichtschreiber, die an Lothar Alles tadeln, haben in dessen Nachgiebigkeit gegen Adalbero eine unverzeihliche Schwäche und Unterwürfigkeit in den Willen der Kirche gefunden. Wäre es nicht aber thöricht gewesen, wenn Lothar die Bestätigung, welche übrigens erst ein Jahr später, kurz vor dem Römerzuge, erfolgte, nachdem er über den Fall sicherlich mit dem Papste, sei es schriftlich, sei es durch Gesandte, und ebenso mit der trierschen Bürgerschaft, in deren Interesse er die Wahl Adalbero's abgelehnt, conferirt hatte? Wenn die Trierer sich fügten, stand der Anerkennung Nichts entgegen, als - eine Form, die Reihenfolge der Belehnung. Adalbero mußte sich allerdings darüber rechtfertigen; Lothar kam aber auf die Entschuldigungsgründe nicht mehr viel an.

 

 

____

176 Dritter Abschnitt.

 

Fürbitte der Königin Richenza von Lothar wieder eingesetzte Bischof Bruno von Straßburg war von seinem Kapitel und seiner Gemeinde wegen Vernachlässigung seiner Pflichten, gewaltthätigen Verfahrens und Mangelhaftigkeit seiner Weihe angeklagt, und da er im Bewußtsein seiner Schuld weder auf Ergänzung des letzteren Versehens noch auf des Königs Gnade hoffen durfte, legte er in die Hände des Kardinals Mathäus zu Mainz seine Würde nieder, wodurch er wenigstens einer weitern Untersuchung und härtern Bestrafung entging 1). An seine Stelle wählte man zu Straßburg den Bischof Gebhard. Lothar begab sich um Pfingsten nach letztgenannter Stadt, sodaß er auf Gebhard's Erhebung durch seine Gegenwart wol noch einwirken, einer etwanigen Spaltung vorbeugen und über die normale Reihenfolge der weltlichen und kirchlichen Belehnung und Weihe wachen konnte. Mehr aber als diese Angelegenheit führte ihn nach Straßburg der Kampf, der gegen Friedrich von Schwaben nun auch mit weltlichen Waffen geführt und wo möglich beendet werden mußte, damit während des Römerzuges nicht dieser Reichsfeind und von der Kirche Gebannter seine Streitkräfte wider Reich und Kirche verderblich gebrauche. Denn seit wiederholentlich zu Würzburg und Lüttich die deutschen Geistlichen und der Papst gegen die Hohenstaufen die stärkste Kirchenstrafe verhängt hatten, mußten Jene von dem Verurteilten befürchten, daß er an Kirchen und Kirchengütern das Wiedervergeltungsrecht mit weltlichen Waffen ausüben werde. Der Herzog brauchte seinen kriegslustigen Rittern nur jene als lockende Beute zu zeigen, und konnte ihrer Treue und Anhänglichkeit gewiß sein, da nun ihre Wohlfahrt an die des Herzogs geknüpft war. Die Geistlichen innerhalb seiner Herzogthümer, so lange sie

 

1) Dodechin ad 1131: Concilium Moguntiae habitum praesente Lothario rege, praesidente Mathaeo Albanensi cum Moguntino Archiepiscopo; ubi Bruno Argentinensis Episcopus, praesentibus Augustense, Eistedense, Babenbergense, Wirzeburgense, Spirense, Wormatiense Episcopis a clero et povulo super violentia, intrusione et consecratione impetitus in manus Archiepiscopi et Cardinalis Argentinensem reconsignavit Episcopatum. Kurz gibt Ann. Saxo ad 1131 an: Bruno Episcopus pastoralem curam amisit Gebhardo sibi succedente. Vergl. Mansi, XXI, p. 477-80. In der Bemerkung Pagis aus Trithemii Chron. Hirsaug. mag wahr sein: Innocentium II., qui in Concilio Leodiensi verus Papa declaratus fuerat, iterum in Concilio Moguntino verum Pontificem agnitum esse. Auch die acht Bischöfe, die zugegen gewesen, kann man zugestehen, nicht aber die Anwesenheit eines Erzbischofs von Trier, über dessen (Adalbero's) Wahl hier nur Gesandte Bericht erstatteten. Luden sieht auch in Bruno's Absetzung ein Ereigniß, welches ein etwas zweideutiges Ansehen habe, d. h. von Lothar's Schwäche zeuge. Thl. X, p. 77.

 

 

____

177 Lothar's Thätigkeit im Elsaß.

 

nicht feindlich gegen ihn verfuhren, zu schonen, erfoderte, indeß die Klugheit, damit er die Zahl seiner Gegner nicht vermehre und in seinen Landen Zwiespalt erwecke. Mit Schwaben scheint ihm dies geglückt zu sein. Im Elsaß aber hatte schon, wie wir gesehen, seit Langem eine dem Reichsoberhaupte anhängende Partei von Geistlichen, Fürsten und Städten die seinige bekämpft; und wenn auch nicht offene Feldschlachten geliefert wurden, dauerten doch ein wechselseitiges Belagern und Zerstören von Burgen, Fehden Benachbarter, verheerende Einfälle in wehrlose Flecken und Dörfer, Verwüstungen des flachen Landes und alle damit verbundenen Kriegsplagen fort. Längst hätte Lothar diesem verderblichen Parteienkampfe durch einen entscheidenden Schlag ein Ende gemacht, wenn nicht zuerst die Bezwingung Speiers und Nürnbergs, die die Reichsehre erheischte, dann die nothwendigen Anordnungen in Sachsen, Thüringen, Franken und Baiern, und endlich das Kirchenschisma dringendere Auffoderungen als die unmittelbare Bekämpfung des Herzogs Friedrich für ihn gewesen wären. Doch keineswegs hatte er diesen Hauptgegner aus dem Auge verloren; auf allen Reichstagen waren die Fürsten zu einem Feldzuge nach dem Elsaß entboten worden, während nach der früheren Uebereinkunft sein Schwiegersohn von Baiern und Schwaben aus in das östliche Herzogthum des Hohenstaufen eindringen, oder letztern doch abhalten sollte, seine ganze Macht im Elsaß zu concentriren. Das Nähere über diese Kriegsrüstungen, die mit den Bannflüchen der Kirche Hand in Hand gingen, ist nicht bekannt; so viel aber gewiß, daß Lothar mit Heeresmacht im Elsaß erschien und von Straßburg aus, wo er um Pfingsten mit weltlichen und geistlichen Fürsten Hoftag gehalten hatte 1), den Kampf gegen Friedrich begann. Dieser wich ihm aber in offenem Felde aus, und so beschränkte sich auch dieser Feldzug auf einen Krieg gegen Mauern und Burgen, deren eine große Zahl der König mit Sturm eroberte und niederbrechen ließ 2). Lange konnte er indeß in Person nicht

 

1) Außer Ann. Saxo ad 1131 bezeugt den Reichstag zu Straßburg ein Diplom bei Hergott Tom. II, p. 156: datum VIII. Kal. Julii.

2) Die einzige Nachricht über diesen Feldzug gibt der aphoristisch erzählende Ann. Saxo 1131: Quia Fridericus Dux cum comprovincialibus Regi resistere conabatur, depraedationes Ecclesiarum faciens, contra eum expeditionem movit. (diese mußte doch wol früher vorbereitet, eine Heerfahrt angesagt sein. Bei dieser ließ Friedrich's Verfahren gegen die Kirchen besonders die geistlichen Fürsten thätig sein. Die Zusammenkunft Lothar's mit diesen in Mainz läßt vermuthen, daß bei der Gelegenheit der König sie zur Heerfahrt entboten habe) sed Duce locum pugnae non dante plurima castella in eadem provincia ab ipso eodem tempore obsessa et confracta sunt.

II. 12

 

 

____

178 Dritter Abschnitt.

 

verweilen, weil schon wieder andere Ereignisse im Norden seine Gegenwart dringend erfoderten.

 

Während seines halbjährigen Aufenthalts in den Gegenden am Oberrhein hatte Lothar so viel weltliche und kirchliche Angelegenheiten betrieben, und die meisten zu emem so glücklichen, erfolgreichen Ende geführt, daß, so wenig wir auch über Einzelnes nähere Nachrichten besitzen, uns doch das Gesammtresultat für die Förderung seines Strebens: Begründung einer festen Ordnung durch Erhaltung der Eintracht zwischen Staat und Kirche, durch Unterdrückung und Bestrafung willkürlicher Anmaßung, durch glückliche Fortschritte gegen den Reichsfeind Friedrich von Schwaben, bedeutsam erscheint. Durch seine Gegenwart bei wichtigen Verhandlungen, durch sein besonnenes, gemäßigtes Verfahren hatte er jedes schroffe Zusammentreffen der weltlichen und kirchlichen Interessen verhütet, und wenn er hier durch Nachgeben mehr gewonnen, als er durch eigensinniges Zurückfodern verlorener, durch Geltendmachen ihm zustehender Rechte je gewonnen hätte, so zeigt er auf der anderen Seite durch die Absetzung des Markgrafen Albrecht, der seine Gunst verscherzt hatte, durch die Bekämpfung Friedrich's, der seinem gerechten Zorn verfallen war, daß er zur Behauptung und Erhöhung seines königlichen Ansehens die Strenge und Gewalt, wie die Milde und Nachgiebigkeit walten ließ. Von beidem, in rechtem Maße und zu rechter Zeit angewendet, sollte nun auch der Norden die Entscheidung wichtiger Dinge erwarten.

 

In Dänemark herrschten seit längerer Zeit Willkür und Verwirrung, die des deutschen Königs, als des obersten Schiedsrichters, Einschreiten nöthig machten. König Erich III., der, um eine Blutschuld zu sühnen, trotz der Abmahnung seiner Getreuen einen Pilgerzug nach Palästina unternommen, starb sammt seiner Gemahlin Botilde, als sie bereits den Rückweg angetreten hatten, auf der Insel Cypern (1105). Von drei Söhnen, Harold, Erich und Kanut, war nur der letzte in rechtmäßiger Ehe gezeugt und vom Vater als Thronerbe bestimmt, für den Fall, daß die Pilgerfahrt den Ausgang nähme, den sie jetzt wirklich nahm. Ein Usurpator aber, Erich's Halbbruder Nikolaus, gleichfalls in keiner rechtmäßigen Ehe erzeugt, verdrängte den unmündigen Neffen. Er war der Reichsverweser während Erich's Abwesenheit und sollte nach des Letztern Bestimmung auch während Kanut's Minderjährigkeit die Regierung übernehmen 1).

 

1) Helm. I, cap. 49: Ericus potentissimus Rex cum se devovisset ad iter Hierosolymitanum fratri suo Nicolao regnum cum filio Kanuto commendavit, accepto juramento, ut, si non rediret, filio suo postquam adolevisset, regnum contraderet. - Nicolaus licet concubina natus Danorum regnum obtinuit, eo quod Kanutus adhuc esset infantulus.

 

 

____

179 Thronstreit in Dänemark.

 

Eigene Herrschsucht und Liebe zu seinem Sohne Magnus ließen ihn aber auf Kanut gar keine Rücksicht nehmen und denselben gänzlich von der Thronfolge ausschließen. Dem beeinträchtigten Prinzen gelang es indeß, der Wachsamkeit seines Oheims zu entgehen, nach Sachsen zu Herzog Lothar zu entfliehen und dessen Schutz und Beistand zu suchen. Der Beschützer jedes bedrängten Fürsten hatte sich auch ihm hülfreich bewiesen und mehr durch Unterhandlung als Gewalt ausgewirkt, daß Nikolaus an Kanut das Herzogthum Schleswig abtrat, wofür Letzterer aber wahrscheinlich den dänischen Thron Nikolaus auf immer überließ 1). Offener Kampf ward so vermieden, nicht aber Mistrauen und Haß zwischen Oheim und Neffe erstickt, die sich bei Ersterem vollends zu besorglicher Furcht steigerten, als der junge Beherrscher von Schleswig durch Tüchtigkeit und Sorge für Friede und Ordnung in seinem Lande 2), sowie durch Gunst des Glückes seine Macht bedeutend erweiterte.

 

Doch hier ist es nöthig, die Verhältnisse der nördlichen Slavenländer seit dem Tode ihres Königs Heinrich kurz zu erwähnen. Wann und wie dieser treffliche Fürst, der durch seinen engen Anschluß an Deutschland nicht nur seine eigene Macht, sondern auch die Bildung und vor Allem die größere Verbreitung des Christenthums unter seinem Volke gehoben hatte, seine Lebenstage beschloß, wird mit wenig Uebereinstimmung von den Chronisten berichtet 3). Da

 

1) Helm. a. a. O.: Ubi autem Kanutus adolere coepit, timens se insidiis patrui sui facile posse obrui, transiit ad Imperatorem Lotharium (Helmold legt dem damaligen Herzoge schon die spätere Würde bei) et mansit apud eum multis diebus sive annis, habitus, ut regiam magnificentiam decuit, cum plena honorificentia. Inde subiens in patriam a patruo suo benigne receptus et Ducatu totius Daniae praeditus est. Diese so friedliche Ausgleichung konnte nicht ohne Opfer von Seiten Kanut's zu Stande gebracht sein. Die Furcht Nikolaus' und Magnus' vor demselben erklärt, daß der Versöhnung ein Vergleich zu Grunde lag, der Kanut mehr aufgedrungen, als von demselben freiwillig geleistet war. Kanut seinerseits erhebt an Dänemark keinen Anspruch. So erhellt wol, daß er diesen aufgeben mußte, als er Schleswig erhielt, und zwar mit der ausgedehntern Bezeichnung eines Ducatus Daniae, womit im Gegensatz Nikolaus das regnum Daniae behielt.

2) Helm. a. a. O.: Coepitque vir pacificus regionem compacare, auferens viros desertores de terra. Praecipue vero Sleswicensibus beneficus erat.

3) Die Zeitangaben schwanken zwischen 1121 und 1125. S. Mascov. commentarii, p. 38, nota 2.

12*

 

 

____

180 Dritter Abschnitt.

 

Herzog Lothar um 1121 einen Feldzug gegen Zwentobold, der doch wol für den Sohn Heinrich's zu halten ist, unternahm, so mußte in dem genannten Jahre sein treuer Bundesgenosse und Lehnsmann - zu beidem hatte Heinrich sich freiwillig dem Herzog von Sachsen angetragen - schon gestorben sein. Auch Zwentobold, der neue Beherrscher der Slavenvölker zwischen der Elbe und dem baltischen Meere und südlich bis an die Grenzen Polens 1), mußte die Lehnsabhängigkeit von Deutschland und zunächst von dem Sachsenherzog anerkennen. Zeigt dieser unfreiwillige Gehorsam, der an Stelle des freien Anschlusses König Heinrich's trat, schon eine Umgestaltung der Verhältnisse nach Außen, so änderte sich noch mehr im Innern des Reiches. Ein heftiger Krieg der Brüder Zwentobold und Kanut verheerte das Land und schwächte die Macht des Herrscherhauses 2). Zwar gelang es dem älteren, Zwentobold, nach Ermordung des jüngern, Kanut, mit Beistand des Grafen Adolf von Holstein ein einiges Slavenreich wiederherzustellen und der christlichen Lehre, die den fortwährenden Anfechtungen des noch größeren Theiles heidnischer und unzufriedener Slaven ausgesetzt war, durch den deutschen Priester Vicelin eine neue Festigkeit zu geben, doch ward auch er bald von einem Holsteiner Daso, den er beleidigt hatte, erschlagen, wie kurz danach sein einziger Sohn Zwinike. Mit ihnen erlosch die männliche Nachkommenschaft König Heinrich's, schnell und blutig, wie dieser in den Tagen seines höchsten Ruhmes es prophetisch vorausverkündet hatte 3).

 

1) Helm. I, cap. 6 nennt die Völker, die ihm unterthan waren, und gibt ihre Sitze an: Inter Albiam et mare Balticum et longissimo tractu usque ad terram Polonorum.

2) Die Brüderfehde bei Helm., cap. 48.

3) Ebendas.: Sed Kanutus non longe post interfectus est Lutilenburg (Lutikenburg ) Zwentepolch solus dominio potitur convocansque Adolfum Comitem cum Holzatis et Sturmariis direxit expeditionem in Provinciam Obotritorum. Er erobert zwei Städte und unterwirft das Land. Videns autem Vicelinus sacerdos (von dessen früherem Leben und Wirken handeln die sechs vorhergehenden Kapitel sehr ausführlich) quia Princeps Slavorum humanius se gereret erga Christicolas (dazu wirkte wol Adolf von Holstein) accessit ad eum et innovavit apud eum paternae pollicitationis coeptum impetrataque principis favore misit in urbem Lubeke venerabiles sacerdotes Ludolfum et Volkwardum, qui salutem populi curarent. - Zwentepolch non longe post interfectus est dolo cujusdam Dasonis praedivitis de Holsatia. Remansit Zwentepolch filius nomine Zvinike, sed et hic interfectus est apud Ertheneburg urbem Transalbinorum. Defecitque stirps Henrici in principatu Slavorum, mortuis scilicet filiis et filiorum filiis. Praedixerat hoc idem princeps nescio quibus oraculis edoctus, stirpem suam quantocius defecturam.

 

 

____

181 Thronstreit in Dänemark.

 

Nach waren zwar entferntere Verwandten Heinrich's da, welche wenn man dem einheimischen Herrscherstamme vor jedem fremden Fürsten den Vorzug geben wollte, Ansprüche an das große Nord-Slavenreich zu machen hatten. Doch hatte schon Heinrich im Vorgefühl von dem jähen Untergange seines Hauses, dem Herzog Kanut von Schleswig, nachdem er lange mit ihm wegen seines mütterlichen Erbtheils in Fehde verwickelt gewesen, nächst seinen Söhnen das Reich vermacht 1). Die Entscheidung über die Nachfolge konnte aber nicht ohne den deutschen Oberlehnsherrn ausgemacht werden. Lothar jetzt in einer Person Beherrscher von Deutschland und Sachsen begünstigte natürlich Kanut, den frühere Bande an ihn knüpften, und der als milder christlicher Fürst in König Heinrich's Geist zu regieren versprach, vor den wilden, dem Heidenthume zugethanen Eingeborenen Pribislav und Niclot, wahrscheinlich Söhne von Heinrich's erschlagenem Bruder Buthue 2). Da der deutsche König nicht nur eine besondere Gunst gegen Kanut in dieser Entscheidung an den Tag legte, sondern zugleich auch die Verpflichtung übernahm, den neuen Beherrscher der Slaven in seiner Herrschaft festzusetzen und gegen die beiden einheimischen Fürsten zu schützen, an die sich die Slaven, ebenso abgeneigt dem deutschen Einfluß, als dem christlichen Glauben, enger anzuschließen und sie eigenmächtig zu ihren Anführern zu erwählen drohten, so war es billig, daß Kanut eine bedeutende Summe für die neue Würde zahlte. Dafür wurde ihm diese denn auch in derselben Ausdehnung zu Theil, wie sie einst Heinrich besessen hatte, d. h. Lothar legte ihm den Titel eines Königs der Obotriten bei und setzte ihm, der sich zu einem der Hoftage in den Jahren 1129 oder 1130 in Sachsen eingestellt hatte, die Krone selber aufs Haupt 3).

 

1) Vielleicht war diese Zusage weniger Heinrich's freier Entschluß, als erzwungene Bedingung beim Frieden mit Kanut. S. den Vertrag bei Saxo Grammat., p. 229-34 und Roberti eclogae vitae Canuti in Languenbek Tom. III, p. 257 und 58.

2) Bei Helm. I, cap. 52 (53) wird ihr Charakter also angegeben: Fuerunt hi duo truculentae bestiae Christianis valde infesti. Pribislav nennt er cap. 49 fratruelem Henrici.

3) Helm. I, cap. 49: Interea subiit animum ejus, quod principatus regni Slavorum vacaret, mortuo scilicet Henrico et filiis ejus adnullatis. Adiit ergo Lotharium Imperatorem emitque multa pecunia regnum Obotritorum, omnem scilicet potestatem, qua praeditus fuerat Henricus (dazu gehörte mehr als das Reich der Obotriten, doch war dies das Haupt- und Stammland Heinrich's). Et posuit Imperator coronam in capite ejus, ut esset Rex Obotritorum recepitque eum in hominium. Vergl. Corner p. 679 und genauer Broderi Boissen Chron. Slesv. bei Mencken III, p. 579. Die Zeitangabe ist wiederum schwer, doch in eines der genannten Jahre fällt die Erhebung Kanut's gewiß. S. Mascov. comment. p. 39. Gebhard, Gesch. von Dänemark I, S. 467. Böttiger, Heinrich der Löwe, S. 71.

 

 

____

182 Dritter Abschnitt.

 

Eine Verpflichtung, welcher Kanut bei seiner Belehnung sich unterzog, und welcher er bereitwillig nachkam, war die Beförderung und Befestigung der christlichen Lehre in seinem Staate. Damit die Deutschen ihm hülfreiche Hand leisten könnten, gestattete ihm Lothar die Anlegung einer Grenzveste und innerhalb der holsteinischen Marken eine Truppenaushebung, welches beides dem neuen Könige keine geringe Unterstützung gewährte, als er die Völker, die er beherrschen sollte, sich zum großen Theil erst unterwerfen mußte 1). Dies glückte ihm endlich. Selbst Pribislav und Niclot geriethen in seine Gefangenschaft, aus der sie erst durch Geld und Geißelstellung und nachdem sie den Vasalleneid geleistet, befreit wurden 2). Für Kirchen und christliche Lehren trug er eifrige Sorge und holte dabei, wie Heinrich und selbst der wilde Zwentobold gethan hatten, den Rath Vicelin's und seiner Schüler ein, die von Faldern aus, das auf der Grenze von Holstein und den Slavenländern lag, die Verbreitung und Erhaltung in letztern sich zu ihrer Aufgabe gemacht hatten 3).

 

Je mehr Kanut's Macht an Ansehen, Ausdehnung und Festigkeit gewann, um so höher stieg bei Nikolaus von Dänemark und dessen Sohn Magnus die Eifersucht und auch wol die Furcht, er werde nach vollendeter Unterwerfung der Slavenstämme sein väterliches Reich zurückfodern. Eine solche Verbindung hätte aber wol Lothar selbst nicht gestattet; demnach wäre zur Verhütung solcher Uebergriffe genügend gewesen, daß die dänischen Fürsten sich an den König wendeten und diesen um Aufrechterhaltung des zwischen ihnen und Kanut geschlossenen Vertrages baten, oder daß sie mit Kanut die wechselseitige Anerkennung des Besitzes und der erlangten Würden

 

1) Helm. I, cap. 49 (50): Sociavit sibi interea Holsatiensium omnem virum fortem fecitque cum eis incursationes in terram Slavorum occidens et sternens omnes sibi adversantes. Broder Boissen setzt schon jetzt die Anlage von Sigburg, doch wurde dieses erst später erbaut, wenn auch eine Festung an demselben Platze, dem Alberg, schon Kanut errichtete.

2) Helm. a. a. O.: Sed et fratruelem Henrici, Pribizlaum et majorem terrae Obotritorum Niclotum duxit in captivitatem, posuitque Schleswich in custodiam, astringens eos manicis ferreis quousque pecunia et vadibus redempti ea, quae subjecta sunt, sentirent.

3) Nach Helm, cap. 47, war Faldern zugleich der Name von Kloster, Stadt und Gau: Est autem Falderensis pagus limes Holsatiae versus eam partem, qua Slavos attingit.

 

 

____

183 Kanut's Ermordung.

 

erneuten. Wirklich scheint zu diesem Zweck eine Zusammenkunft Nikolaus' und Kanut's zu Schleswig stattgefunden zu haben. Aber den ehrgeizigen Prinzen Magnus und dessen stolze, ränkevolle Mutter, die beide zugegen waren, verdroß es, daß Kanut sich vor keinem ihm an Rang Gleichen beugen wollte, und in königlichem Schmuck, mit königlichem Gefolge und königlichem Stolze die Gäste in seiner Hauptstadt empfing 1). Ein verderbliches Verhängniß sollte daraus für Letzteren entspringen. Zwar den augenblicklichen Zwist der beiden jungen Fürsten wußten Nikolaus und die dänischen Großen beizulegen, und sogar ein neuer Freundschaftsbund wurde von beiden Seiten gelobt und beschworen. Um so tiefer aber wurzelte der verborgene Keim tödtlichen Hasses bei Magnus, der seinem äußeren Benehmen die Maske vertraulicher Zuneigung zu geben und Kanut's biederen Sinn zu hintergehen verstand. Vergeblich warnte diesen seine Gemahlin Ingeburg vor einem Zwiegespräch, zu welchem Magnus seinen Vetter bald darauf nach Roschild einlud, unter dem Vorwande, daß er eine Pilgerfahrt nach Jerusalem beabsichtige und währenddessen Kanut zum Vormunde seiner Kinder, zum Verwalter seiner Güter bestellen wolle. Dieser Verstellung schenkte Kanut mehr Glauben als den von richtiger Einsicht der Verhältnisse und Frauen oft eigenem vorahnendem Gefühle hervorgerufenen Zweifel, Warnungen und Bitten Ingeburg's. Auch ging das Weihnachtsfest zu Roschild in friedlichem und freundlichem Zusammensein vorüber, und Kanut kehrte bereits nach der Heimat zurück, als zu Haraldstadt ein Bote seines Vetters ihn noch einmal zu einer Unterredung einlud. Wäre er nur diesmal nicht gefolgt! Von Wenigen begleitet, begibt sich der arglose König an den bestimmten Ort, kaum daß er auf den Rath der Seinen die Waffen mitnimmt. Nicht die Erinnerung an der Gattin Warnung, nicht des dänischen Boten Mahnung,

 

1) Circa tempus dierum illorum accidit, ut Kanutus rex Obotritorum veniret Sleswich, habiturus cum patruo suo Nicolao curiale colloquium. Cum autem populus venisset in concionem et rex senior sedisset in throno indutus cultu regio, Kanutus assedit ex opposito, gestans et ipse coronam regni Obotritorum stipatusque satellitum agmine. Sed cum rex patruus videret nepotem suum in fasto regio, sibique nec assurgere, nec osculum ex more dare, dissimulata injuria, transiit ad eum, oblaturus salutationem cum osculo. Cui ille occursans ex medio sese per omnia patruo et loco et dignitate adaequavit. Quod factum Kanuto letale odium conscivit. In Schleswig war allerdings Kanut Vasall von Dänemark, doch als König der Obotriten sich gleicher Würdezeichen wie Nikolaus zu bedienen, erheischte die neue Würde selber.

 

 

____

184 Dritter Abschnitt.

 

die derselbe aus Mitleid für den jungen, trefflichen Fürsten zwar nicht deutlich, aber durch Lieder von Untreue, Verrath und Hinterlist verständlich an den Tag legt, machen seinen Glauben an Magnus' Treue wankend. Dieser empfängt ihn mit erheuchelter Freundlichkeit am Eingang eines Forstes, beginnt ein vertraulich Gespräch, währenddessen aber seine Mitverschworenen heranschlichen; plötzlich zieht er das Schwerdt, durchbohrt mit eigener Hand den Vetter und läßt noch den todten Körper schmachvoll verstümmeln 1). Die betrübte Ingeburg aber gebar nach des Gatten Tode einen Sohn, den nachmals berühmten König Waldemar den Großen, welcher den seinem Vater vorenthaltenen Thron von Dänemark wiedererlangte und zum ersten in den Nordreichen machte. Diese Hoffnung stand bei des Vaters Tode so weit entfernt, daß für die unglückliche Königin und das Knäblein unter ihrem Herzen auch nicht eines der Völker und Länder, über die Kanut geherrscht, eine sichere Zuflucht bot. In Schleswig und selbst in Dänemark erregte zwar der frevlerisch verübte Mord allgemeines Misfallen und der König Nikolaus mußte, um die erzürnten Gcmüther zu besänftigen, seinen Sohn Magnus aus dem Lande verbannen. Bald jedoch rief er eigenmächtig ihn wieder zurück und hoffte die Besitzungen Kanut's, die zum dänischen Reiche gehörten, unmittelbar unter sein Scepter zu bringen. Dem widersetzten sich aber Kanut's Brüder Harold und Erich.

 

Wenn das Volk zu Ringstadt, wo Kanut begraben war, auch den ältern der beiden Brüder, einen wilden, zum Herrscher ganz untauglichen Mann, verwarf, so empfing es doch freudig den mildern, kriegserfahrenen Erich, und rief ihn, ohne an seiner Geburt

 

1) Ueber Magnus' arglistiges Verfahren und Kanut's trauriges Ende berichten außer Helm. a. a. O. ausführlich Saxo Gramm., Broderus a. a. O. Pagi, p. 390, Bolandus Vita Canuti, acta Sanct. I, 390. Nach Letzterm fällt der Mord auf heilige drei Könige (uti liber Cantilenarum Danicarum ostendit), das Jahr ist wol nicht 1130, sondern 1131. Am kürzesten faßt Alles Broder Boissen p. 379 und 80 zusammen: Canutum tamen splendor et regia magnificentia in maximam invidiam apud Nicolaum ejusque uxorem deduxit. Quae etiam filio Magno hortatrix fuit, ut Canutum tanquam regni aemulum de medio tolleret. Quod etiam Magnus paulo post in effectum deduxit. Nam Canutum Roshildiam exocatum (quo tamen Canuti conjux somnio monita illum ire dehortata fuerat) nihil sinistri de Magno propinquo suo suspicantem in silva quadam aggressus caput illi gladio stricto diffidit, satellitesque in insidiis collocatos hastis illum confodere jussit. Corpus exanime Ringstadiam delatum ibidemque sepultum est.

 

 

____

185 Lothar's Heerfahrt gegen die Dänen und Slaven.

 

von einem Kebsweibe Erich's III. Anstoß zu nehmen, zum Könige aus 1). In den Slavenländern dagegen war man, die christlichen Geistlichen ausgenommen, über Kanut's Ermordung wenig betrübt, ja fast erfreut, daß dadurch der Herrschaft eines fremden Geschlechts auf immer ein Ende gemacht sei. Sogleich wurde Pribislav von den Wagriern und Polabiern, Niclot von den Obotriten als Fürsten anerkannt 2). Beider Regierungsantritt zeigte den Christen, daß sie ohne Hülfe von Außen der wilden Rache der Heiden preisgegeben waren. Der Mann aber, welcher die nach Kanut's Tode so ganz umgestalteten Verhältnisse in den Nordreichen zu ordnen und zu bestimmen hatte, ließ nicht lange auf sich warten.

 

Die Nachricht von Kanut's Ermordung mußte Lothar, der damals im Westen des Reiches mit den vorhin erzählten kirchlichen Anordnungen und mit einer ernstlichen Bekämpfung der hohenstaufischen Partei im Elsaß beschäftigt war, in ebenso große Betrübniß als Besorgniß versetzen 3). Denn wie er in Kanut einen ergebenen Freund, einen den Deutschen zugethanen Nachbar, einen thätigen Förderer für Ausbreitung christlicher Lehre und höherer Bildung in dem rohen Norden verloren hatte, war jetzt einerseits von den dänischen Fürsten, die Ehrgeiz und Herrschsucht zu dem Morde getrieben, weder Ergebenheit gegen das Reichsoberhaupt, noch Schonung der Grenzen zu erwarten, und wenn Schleswig in ihre Gewalt fiel, war Holstein, das sächsische Afterlehen, ja das Herzogthum Sachsen selbst gefährdet. - Größer noch war die Gefahr von Seiten der Slaven, deren Haß gegen die Deutschen bisher von Herrschern, wie Gottschalk, Heinrich und Kanut von offenen Ausbrüchen zurückgehalten,

 

1) Erich brachte auch das dänische Volk gegen Magnus auf, was kürzer als die andern angegebenen Schriftsteller Broder Boissen so faßt: Caedem hanc ulturus frater Ericus plebem concitavit, cujus metu Magnus in Gothiam exulatum profugit.

2) Helm. I, cap. 52: Successerunt in locum ejus (Kanuti) Pribizlaus et Niclotus, bipartito principatu, uno scilicet Wagirensium atque Polaborum, altero Obotritorum provinciam gubernante. Fueruntque hi duo truculentae bestiae, Christianis valde infesti. Invaluitque in diebus illis per universam Slaviam multiplex idolorum cultura, errorque superstitionum. Nam praeter lucos atque Penates, quibus agri et oppida redundabant, primi et praecipui erant Prove (Prone) Aldenburgensis terrae, Sywa (Synna) Dea Polaborum, Rodigast Deus terrae Obotritorum. His dicati erant flamines et sacrificiorum libamenta, multiplexque religionis cultus.

3) Helm. I, cap. 50: Audito autem sinistro hoc nuncio Lotharius Imperator cum conjuge sua Richenza non modice contristati sunt eo quod corruerit vir imperio amicitia conjunctissimus.

 

 

____

186 Dritter Abschnitt.

 

keineswegs aber beschwichtigt, jetzt unter Fürsten, die dem Nationalgeist in Allem die Zügel frei schießen lassen mußten, um nur selber sich behaupten zu können, gerechte Besorgniß erregte, da bereits die von Deutschland herübergekommenen Geistlichen und deren Anhänger Verfolgung litten, die Zerstörung von Klöstern, Kirchen und zum Schutz derselben erbauten Städten und Burgen begonnen hatten, und die Wiederbelebung des heidnischen Kultus, der Aufbau der heidnischen Tempel die gänzliche Ausrottung des Christenthums befürchten ließen. Wenn nun Dänen und Slaven, zwar durch Nationalität und Religion geschieden, aber in gleichem Grade gegen die Lehnsabhängigkeit von Deutschland erbittert, sich verbanden und gemeinschaftlich ihre Waffen gegen Sachsen kehrten, welche Macht konnte dann gegen sie noch aufgeboten werden, da die Reichsmacht, die Lothar gegen die Feinde im Südwesten zusammengezogen hatte, weder mit Ehren, noch ohne den Hohenstaufen die Gelegenheit zu neuen Uebergriffen zu gewähren, hinweggezogen und nach dem äußersten Norden geführt werden konnte. Ebenso stritt es aber auch gegen die Reichsehre, wenn der deutsche König, der bisher in Dänemark wie in den Slavenländern den Schiedsrichter in den wichtigsten Angelegenheiten beider Staaten gemacht hatte, von Denen, die jetzt seine Anordnungen umgestoßen, den treuesten Bundesgenossen erschlagen und willkürlich eigene Herrscher erkoren hatten, den Frieden erkaufen und die Sicherheit der Grenzen ihrer Großmuth überlassen wollte. Nimmt man dazu noch, daß die eingegangene Verpflichtung den Papst baldigst nach Rom zurückzuführen den König band, und erfährt man, daß seine Hauptstütze, der Schwiegersohn Heinrich, in Baiern von einem Aufstande, gefährlicher als alle früheren bedroht war, sodaß er jeden Beistand dem Schwiegervater versagen mußte, so erkennt man Lothar's höchst schwierige Lage, und muß über die Größe des Mannes erstaunen, der auch unter solchen Umständen das Ansehen der Krone im Innern des Reiches ungeschmälert zu erhalten, und nach Außen, gegen die drohenden Völker des Nordens, noch zu erhöhen verstand.

 

Ohne den Kampf gegen Herzog Friedrich und dessen Anhänger im Elsaß aufzugeben, ohne die eroberten Vesten dem Gegner zurückzustellen und die Heeresmacht herauszuziehen, brach Lothar nur für seine Person vom Südosten Deutschlands nach dem äußersten Nordwesten auf, im Vertrauen auf die Sachsen, deren Bereitwilligkeit und Aufbietung neuer Kräfte zu einem Feldzuge gegen die Slaven und Dänen er außer Zweifel stellte. Eile aber war erfoderlich, um einerseits Nikolaus und Magnus, andererseits Pribislav und Niclot

 

 

____

187 Lothar's Heerfahrt wider die Dänen und Slaven.

 

von ernsten Unternehmungen gegen die deutsche Grenze abzuhalten, und namentlich jeder Verbindung der beiden feindlichen Völker zuvorzukommen. In unglaublich kurzer Zeit war die Gefahr im Norden des Reiches nicht nur abgewandt, sondern auch die Ehre des deutschen Namens völlig aufrecht erhalten, wie man zugestehen muß, wenn man die äußerst schwierige Stellung des Königs in Deutschland und die nicht minder misliche als Oberlehnsherrn zu den auswärtigen Völkern, die nur immer der Nothwendigkeit nachgaben, nicht übersieht und verkennt. Nicht zur Ausübung einer Blutrache an den Mördern eines geehrten und geliebten Mannes, sondern zur Aufrechterhaltung der bestehenden, bisher anerkannten Abhängigkeit der von Kanut beherrschten Völker mußte Lothar seinen Arm erheben 1). Ersteres lag keineswegs ihm, sondern den nächsten Verwandten des Ermordeten ob. Wenn sich diese, namentlich Erich, an Lothar mit dringenden Bitten um seinen Beistand wandten 2), durfte der König denselben nur so weit, als es seine Pflicht erheischte, nachkommen, und, ohne Jener Wünsche und Anfoderungen zu erfüllen, auf Das, was dem Reiche vortheilhaft und der Ehre genügend war, sich beschränken.

 

Das Heer, welches der König in Sachsen eilig zusammenbringen mußte, war an Zahl nicht bedeutend, aber die Blüte der Ritterschaft stellte sich, weil es die Noth erheischte, bereitwillig unter seine Fahnen, und ehe der König Nikolaus und der aus der Verbannung heimgekehrte Magnus Gegenanstalten getroffen, ja ehe sie den Anzug des deutschen Herrschers, den sie weit entfernt im Elsaß wähnten,

 

1) Auch die alten Chronisten bleiben nicht, wie Luden X, S. 568, Note 8, dabei stehen, als habe Lothar den Krieg nur unternommen, weil seine und des Reiches Ehre durch die Ermordung seines Lehnträgers verletzt gewesen. Zwar sagt Helm. a. a. O.: Venit - - ulturus mortem funestam optimi viri Kanuti. Doch hat er vorher berichtet: Multiplicatae sunt a die illa (der Ermordung Kanut's) perturbationes et intestina bella in Dania, de quibus in consequentibus aliquantisper commemorandum est eo quod provinciam Nordalbingorum vehementes attigerint. Zwar letzteres gibt der Chronist als einen Grund der Erwähnung an, doch ist darin zugleich ein Grund der Besorgniß für Lothar angegeben. Die Ann. Bosov. a. a. O. sagen ganz richtig: Rex Lotharius, congregato exercitu in Daciam i. e. in Daniam proficiscitur, propter intestina bella, quae gerebantur in ea.

2) So berichtet wenigstens Broder Boissen Chron. Slesv., p. 580: Tandem etiam Ericus apud Imperatorem Lotharium perfecit, ut parricidii ulciscendi causa magno cum exercitu Sleswicum contenderet. Auch die Ann. Bosov. ad 1131 sagen: Cujus (Kanuti) fratre (Erico) apud Regem conquerente mortem fratris Lotharius contra partes easdem exercitum movit.

 

 

____

188 Dritter Abschnitt.

 

erfuhren, drang Lothar mit angeblich nur 6000 Mann, worunter indeß wol nur die Schwerbewaffneten, ganz Gepanzerten zu verstehen sind 1), bis in die Nahe von Schleswig vor und lagerte bei dem sogenannten Danewirk, dem Wall oder der Schanze, die einst König Gotrik gegen Karl den Großen zum Schutze des Landes hatte aufführen lassen. Vor Schleswig selbst hatte Erich, den natürlich Lothar als Verbündeten nicht von sich wies, obwol er schwerlich ihm die Länder Kanut's oder gar die dänische Königskrone, nach der der Bastardbruder dieses seine Hand ausstreckte, bestimmt hatte, eine Flotte zum Beistande der Deutschen aufgestellt 2), sodaß sie dadurch von der Seeseite, wie von der Landseite durch die alte Dänenschanze, die in ihre Gewalt gekommen, gedeckt, eine äußerst vortheilhafte Stellung einnahmen, in welcher Magnus, der nun eilig ein zahlreiches Heer zusammengerafft, sie nicht anzugreifen wagte, sondern sich hinter Schleswigs Mauern barg. Da er allerdings den Dänen bei dem Hasse, den Erich als Rächer des Bruders im Volke angefacht hatte, nicht trauen durfte, und die wohlgeordnete Kriegsmacht des deutschen Königs, die im Vordringen durch Kanut's Partei sich verstärken konnte, fürchten mußte, so zog er es vor, friedliche Unterhandlungen dem ferneren Kampfe vorzuziehen und billigen Foderungen Lothar's sich zu unterwerfen. Was konnte diesem willkommener sein, als mit Schonung seiner eigenen Streitkräfte und in kürzester Zeit den Feldzug zu beenden, dessen Ausgang, wenn er den Waffen allein überlassen wurde, keineswegs vorauszusehen war? Denn da die Uebermacht des dänischen Heeres ihm nicht verborgen blieb, gegen die starken Befestigungen um Schleswig, gegen die Volksmasse, die zahllos wie Sand am Meere angegeben wird 3), ein Sturm der Stadt bedenklich und die Nachricht von einer neuen Kriegsmacht, die König Nikolaus seinem Sohne zuführe,

 

1) Ann. Bosov. a. a. O : Cum sex tantum armatorum millibus immensum triumphum referens. Vorher heißt es von den Dänen: Cum ex adverso exercitum Regis multo licet minorem loricatum conspiciant. Besser gewaffnet waren also jedenfalls die Deutschen und das entschied mehr als die Zahl, doch sagen Helm. a. a. O. und Broder Boissen Chron. Slesw.: Venit grandi exercitu prope civitatem Sleswich ad vallum illud notissimum Denewerk.

2) Broderi Chron. Slesw. a. a. O.: Qui (Lotharius) ad vallum Danorum Denewerk cum venisset, neque transitus illi daretur, ibi subsistit. Huie subsidio venit Ericus cum classe Sleswicum advectus.

3) Ann. Bosov. ad 1131: Velut arena maris ad rebellandum in unum coacti.

 

 

____

189 Lothar's Heerfahrt wider die Dänen.

 

nicht ungegründet war 1), so ließ sich eine schnelle Beendigung des Krieges nur durch Unterhandlungen erzielen. Lothar's Foderungen waren seiner Ehre angemessen und doch nicht entehrend für Magnus oder Nikolaus. Zur Sühne des begangenen Mordes sollte Magnus 4000 Mark entrichten, die Besitzungen Kanut's in Dänemark, Namentlich Schleswig dessen Bruder Erich erhalten, sowie die Witwe Ingeburg und der bereits zur Welt geborene Waldemar gewiß nicht ledig ausgingen. Um die Verhältnisse Dänemarks im Innern und zu Deutschland festzustellen, wurde Nikolaus und dessen Sohne die Krone zugestanden, aber dem dänischen Volke die Verpflichtung auferlegt, daß seine Könige jetzt und immerdar von den deutschen Königen oder Kaisern das Reich zu Lehn erbitten und empfangen sollten 2). Seit Otto's des Großen Tagen war Dänemark in solcher Lehnsabhängigkeit nicht gewesen, und wenn auch mehr das Mistrauen gegen die eigenen Unterthanen als die geringe Macht Lothar's die große Nachgiebigkeit der dänischen Fürsten veranlaßte, so ist gleichwol der Ruhm des Erfolgs, der dadurch erlangt wurde, der Mäßigkeit, die der deutsche Herrscher bei der Unterhandlung an den Tag legte, und seiner Vorsicht, die er beim Rückzuge auch wider einen versöhnten Gegner nicht aus den Augen setzte, beizumessen.

 

1) Diese Nachricht gibt Broder nach dänischen Quellen (sie deutschen berichten davon Nichts, sind überhaupt kurz und halten sich an das Resultat). Magnus ubi de adventu Caesaris audivisset, novo vallo urbem Slesvicum communivit. Er beschreibt dann deren Ueberreste, die noch zu seiner Zeit vorhanden waren. Nicolaus pater cum tantis copiis ex Jutia filo in auxilium venit, ut Imperator manum cum illo conserere non auderet; auch nicht nöthig hatte, wie das Nachfolgende beweist.

2) Helm. a. a. O.: Consederat e regione Magnus cum immenso Danorum exercitu defensurus terram suam. Sed territus virtute Teutonici militis (die Furcht vor seinen eigenen Dänen mochte noch stärkere Wirkung haben) apud Caesarem immenso auro (Ann. Saxo ad 1131 gibt in bestimmten Zahlen qua tuor millia marcarum) et hominio impunitatem adeptus est. Ann. Bosov. a. a. O. legen die Verpflichtung den Dänen selbst unter: Se suaque dedentes dextras petunt utque Rex ipsorum proprium regnum ab ipso et ab omnibus caeteris imperatoribus suscipere debeat, constituunt et ut eidem suo Regi idem beneficium impendere dignetur humiliter obsecrant. Saxo Gramm., Hist. Dan. lib. 13, p. 242, stellt den Vertrag als allein von Lothar ausgehend dar. Lotharius pactum cum adversae partis principibus habuit, ut obsidioni (von Schleswig) ipse parceret, Magnusque Romani imperii militem ageret. Qui cupide conditione usus supplex Lotharium veneratus est. Daß Erich Schleswig erhalten, geht daraus hervor, daß in dem fortgesetzten Kriege zwischen ihm und Magnus, Jener Schleswig besitzt, und von hier aus seinen Vetter bekämpft.

 

 

____

190 Dritter Abschnitt.

 

Denn ohne Arglist hatte Magnus auch diesmal nicht seine Friedensliebe bewiesen und trotz der scheinbaren Demuth und Unterwürfigkeit die Hoffnung genährt, es werde wol eine Gelegenheit sich bieten, Lothar's Ehre zu kränken und die eigene Demüthigung, zu der ihn die Verhältnisse gezwungen hatten, mit Hohn zu vergelten. Kaum hatten daher die Deutschen den Rückweg angetreten, als Magnus eine Abtheilung seines Heeres, auf deren Ergebenheit er sich mehr verlassen durfte, aus den Mauern Schleswigs nachsandte, um jenen auf dem Fuße nachzufolgen und die Nachhut, die Adolf von Holstein führte, zu überfallen oder zu einem Kampfe zu reizen. Hatte Adolf unbesonnen sich darauf eingelassen, so wäre unfehlbar die ganze dänische Heeresmacht, die Magnus nunmehr als anerkannter und bestätigter Kronerbe mit minderer Scheu gegen den deutschen König und Oberlehns- und Zwingherrn Dänemarks zum Befreiungskampfe führen konnte, über Jenen hergefallen, und da die günstige Stellung von den Deutschen verlassen worden, wäre der Kampf gefährlich, der Sieg mindestens zweifelhaft und der bisher günstige Erfolg des Feldzuges einem schlimmen Wechsel ausgesetzt gewesen. Lothar wandte aber List mit List ab. Er duldete die Neckereien und Beleidigungen der Dänen, bestärkte diese durch die Eile seines Rückmarsches in dem Wahne, daß Furcht ihn dazu treibe, bis im Uebermuth dieselben diesseits der Eider ihm nachgerückt waren, worauf er denn plötzlich sich zum Kampf umwandte, einen schnellen Angriff ausführte und die kecken Verfolger in solche Verwirrung brachte, daß sie den Rückweg nicht eilig genug über die Brücken ausführen konnten, sondern im Durchwaten und Durchschwimmen des Flusses ihr Heil suchen mußten 1). Ob Lothar hiemit sich begnügt oder eine neue Genugthuung für die Verletzung des Friedens von den Dänen gefodert, ist nicht bekannt. Länger den Kriegszug auszudehnen, war ihm nicht gestattet, da seine Gegenwart noch an vielen Orten nöthig war.

 

1) Broderi Boissens Nachricht p. 580 entstellt die Sache, wenn er Lothar der Treulosigkeit beschuldigt: Lotharius igitur pace facta Magnum supplicem et commissam caedem magna auri summa luentem in fidem recepit, quam tamen Imperator violavit. Exercitum enim illius Eidoram trajecturum de improviso adortus fugat, et natando sibi salutem quaerere coegit. Was zu diesem Angriff gegen die Dänen Veranlassung gab, sagt kurz Krantz. Hist. Sax. lib. VI, p. 139: Quod abeuntis Imperatoris extrema agmina Magnus lacessivit, quae Adolfus Holsatiae Comes duxit. Das verschweigen aus guten Gründen die dänischen Schriftsteller, die Broder Boissen benutzte.

 

 

____

191 Lothar's Heerfahrt wider die Slaven.

 

Zunächst wandte Lothar sich gegen die Slavenländer, um auch hier die nach Kanut's Tode eingetretenen Verhältnisse im Innern und zum deutschen Reiche durch seine Anordnungen festzustellen. Auf ähnliche Weise, wie in Dänemark, führte Lothar's rasches aber gemäßigtes Auftreten zum Ziele 1). Die Fürsten Niclot und Pribislav, den König im Schleswigschen mit einem langwierigen Kriege beschäftigt wähnend, hatten keine oder doch nur unzureichende Vorkehrungen zu seiner Abwehr getroffen. Ein leichter Sieg öffnete den Deutschen den Weg in das Innere des Landes, doch bot er Jenen billige Bedingungen, wenn sie ihm gehorsam und lehnspflichtig sich unterwerfen wollten. Er erkannte dagegen ihr Erbrecht als Verwandte seines ehemaligen Bundesgenossen und Freundes, des frommen und tapfern Königs Heinrich. Was konnte Lothar mehr fodern, was Niclot und Pribislav mehr wünschen? Waren diese durch Kanut um ihr angestammtes Erbe gekommen, so bewilligte es nun Der, durch den es ihnen entzogen worden. Nach Kanut's Tode hatte Lothar Keinen, dem er die Slavenländer zuwenden mochte, und Getheiltheit der Herrschaft unter zwei Fürsten mußte ihm lieber sein, als Vereinigung unter ein Haupt, dem daneben noch andere Besitzungen gehörten. Endlich, was vornehmlich zu erwägen war, für die beiden einheimischen aus der alten Herrscherfamilie entsprossenen Fürsten hatte die Nation selbst entschieden. Ein Vertilgungskrieg wider die an altem Glauben, an alten Gebräuchen und alten Rechten hängenden Slavenvölker wäre ein ebenso unzeitiges als schwieriges Unternehmen gewesen. Das Christenthum da, wo es einmal Wurzel gefaßt, zu erhalten, blieb besser dem Bekehrungseifer eines Vicelin und seiner Genossen als dem Schwerte des Königs überlassen. Daß dieser Jenen seinen Schutz versprochen, daß Niclot und Pribislav von feindlicher Verfolgung der Bekehrten und Bekehrer abzulassen gelobt, und daß beide Theile nicht auf Kosten der Religion, die sie zu erhalten bemüht waren, einen Vertrag geschlossen, sondern allein das bestehende Lehnsverband hergestellt haben, ist, wenn auch nicht durch bestimmte Nachrichten verbürgt, doch von den vertragenden Personen und aus der ganzen Sachlage nicht zu bezweifeln. Lothar, stets ein Beschützer der Kirche und jetzt den Weg in die Slavenländer siegreich sich bahnend, mußte die ungestörte

 

1) Ausführliche Berichte über Lothar's slavischen Feldzug fehlen uns. Ann. Saxo ad 1131 sagt nur nach dem Bericht vom dänischen Feldzuge: Simili modo super Slavos rebellantes irruit eosque subjugavit. Chron. Colon. ad 1131: Rex Lotharius expeditionem super Danos et Sclavos movit, eosque subegit.

 

 

____

192 Dritter Abschnitt.

 

Erhaltung des Christenthums zur Bedingung machen, unter der er allein den Fürsten selbst und einem großen Theile des Volks den heidnischen Kultus gestattete, ja vielleicht wurde so viel nicht einmal eingeräumt, und ist die Wiederbelebung des Heidenthums, der Schutz, den dasselbe unter Pribislav und Niclot fand, worüber die geistlichen Berichterstatter bitterlich klagen und in grellen, gewiß übertriebenen Farben die Greuel des Götzendienstes, die Verfolgung der Christen schildern 1), in spätere Zeiten zu setzen, wo Lothar weit entfernt von ihnen in Italien verweilte.

 

Was die Ehre des Reiches foderte, und was der Zustand in Deutschland, die Verhältnisse zum Papste und andere wichtige Zwecke, die nicht länger aufzuschieben waren, gestatteten, hatte Lothar in Dänemark und den Slavenländern erreicht und für die Sicherheit der Nordgrenzen gesorgt. Auf Erich, den Gebieter von Schleswig, und auf Graf Adolf von Holstein konnte er zählen, falls Nikolaus und Magnus oder Niclot und Pribislav den eingegangenen Verpflichtungen gegen ihn, den Oberlehnsherrn, sich entzögen. Denn wie wenig auch Erich, der nach der dänischen Krone seine Hand ausgestreckt hatte, durch den Besitz Schleswigs zufriedengestellt war, und Lothar wol gar der Bestechlichkeit anklagte 2), so lag es doch zu sehr in seinem Vortheile, die Verbindung mit diesem zu unterhalten, an dessen Lehnsträger und Stellvertreter in den nördlichsten Gegenden Sachsens, an Adolf von Holstein, sich enge anzuschließen und ihm wiederum seinen Beistand zu gewähren, falls Niclot, der Obotritenfürst, von dem heutigen Mecklenburg aus oder Pribislav

 

1) Helm. a. a. O., wo er weitläufig vom heidnischen Kultus spricht, führt auch an: Unde etiam in peculium honoris annuatim hominem Christicolam, quem sors acceptaverit, eidem litare consueverunt.

2) Schon die angeführte Erzählung in Broderi Boissen Chron. Slesw. erwähnt der Sühne durch Geld, wenn auch nicht mit einem laut ausgesprochenen doch nicht unverkennbaren Tadel. Dem Verfasser lagen, wie wir schon bemerkt, dänische Quellen vor, die er mehr als die deutschen benutzte. Corner ruft aus: Sed proh dolor corruptus pecunia egressus est, nihil ad rem faciens. Das stimmt mit den Nachrichten besserer Berichterstatter nicht zusammen, selbst wenn wir die Worte der Ann. Bosov.: immensum triumphum referens nicht in ihrem ganzen Umfange geltend machen wollen. Magnus eine Geldbuße aufzuerlegen, vertrug sich ebenso sehr mit Lothar's Ehre, als daß er Jenem das Erbrecht auf den dänischen Thron nicht absprach; selbst mit einem deutschen Reichsfürsten hätte er nicht anders verfahren können. Daß Erich, der auf die dänische Krone sich Hoffnung gemacht, Lothar den Vorwurf der Bestechlichkeit machte, ist aus dem angegebenen Grunde erklärlich. Deutsche Schriftsteller sollten die Sache anders ansehen.

 

 

____

193 Heinrich von Baiern.

 

von den Grenzen der nördlichen Elblanden 1) feindliche Angriffe zu machen versuchten. Wie verheerend auch immer innerhalb Dänemarks und der Slavenländer die Kriegsfurie in den nachfolgenden Jahren wüthete, Deutschland wagten die Beherrscher beider Völker nicht anzugreifen, und vor Lothar bewiesen sie jederzeit die schuldige Achtung und Ergebenheit, die ihm als Oberlehnsherrn zukam.

 

Ehe wir des Königs fernere Thätigkeit in Reichs- und Kirchensachen, seine Rüstungen zum Römerzuge berichten, müssen wir auf den Mann unsere Aufmerksamkeit richten, auf dessen Beistand, auf dessen Vertreterschaft in Deutschland während der Entfernung jenseits der Alpen Lothar besonders rechnete. Herzog Heinrich von Baiern war seit der allerdings sehr entscheidenden Hülfleistung am Rhein, wodurch er Friedrich's von Schwaben Macht gebrochen und die Uebergabe Speiers an den König bewirkt hatte, nicht auf dem Schauplatze erschienen, wo er neben seinem Schwiegervater erwartet werden konnte. Weder zu Lüttich bei der Zusammenkunft des Papstes und des Königs, noch bei den Unternehmungen des Letzteren im Elsaß, noch auf dem dänisch-slavischen Feldzuge treffen wir Heinrich in Lothar's Begleitung, und bei all diesen für das Reich so wichtigen Ereignissen fehlt der Mann, der vom Könige zu des Reiches Hauptstütze ersehen, der zu nachdrücklicher Theilnahme am Kampfe gegen die Hohenstaufen verpflichtet, der mit dem Herzogthum Sachsen, wo die Gefahr, welche aus den Ereignissen in den Nordreichen nach Kanut's Tode entstand, dringend zu schleuniger Abwehr mahnte, belehnt worden war. Ihn indeß von dem Vorwurfe einer Vernachlässigung gegen seinen Schwiegervater, einer Theilnahmlosigkeit an Dem, was diesen in so hohem Maße bekümmerte und beschäftigte, zu reinigen, bedarf es nur eines Blickes auf die Vorfälle in seinem Herzogthume Baiern.

 

Weder Heinrich's gerechte Strenge, die er in seinem Lande gegen jeden rebellischen und gewaltsamen Friedensstörer ausübte, noch die milde Vermittelung Lothar's auf dem Hoftage zu Regensburg (1130)

 

1) Corner Chron. p. 681 bestimmt die Besitzungen der beiden Slavenfürsten also: Nyclotus obtinuit terram Obotritorum, quae modo Mykelingburg nuncupatur et terram Slavorum. Pribizlaus vero accepit in sortem suam terram Wagirorum. Wagira namque terra intra se continet urbes et oppida, puta Lubeke, Todislo, Sigeberg et pagum Sventinensem usque ad Eydoram fluvium. Idem etiam Pribizlaus possidebat magnam partem Nordalbingorum, puta Lutikenburg, Aldenburg, Plune, Oytin, Kylensem urbem et omnem regionem, quae clauditur mari Baltico et Trabena.

II. 13

 

 

____

194 Dritter Abschnitt.

 

waren im Stande, die alte Streitlust und die zügellose Ungebundenheit der baierischen Großen niederzuhalten. Vor Allen strebte der oft genannte Friedrich von Bogen, Advokat von Regensburg danach, in Baiern die unter Heinrich dem Schwarzen eingerissene Willkür zurückzuführen und unabhängig von des Herzogs Willen nur nach dem eigenen zu handeln. Was ihm mit weltlichen Waffen allein nicht gelungen, hoffte er mit Beistand einer Kirchenpartei im Lande zu erreichen, in Erwartung, daß wider dieselbe weder der Herzog noch der König kräftige Maßregeln ergreifen werde. Als nämlich gegen Ende des Jahres 1130 Bischof Cuno von Regensburg gestorben war, bewirkten Graf Friedrich und andere Feinde Heinrich's bei dem Kapitel, daß man schleunig und ohne des Herzogs Gutachten einzuholen, die Wahl auf einen Letzterem verhaßten Mann leitete. Dies war Heinrich, der Vatersbruder des Grafen Otto von Wolfrathausen 1). Er stammte aus einer der ältesten und angesehensten Familien des Landes, verfolgte darum, wie viele der damaligen Geistlichen aus hohen Fürstenhäusern, mehr das Interesse, das ihm die Geburt vorzuschreiben schien, als was der erwählte Stand von ihm foderte. Ueber Herzog Heinrich, den Beschützer des Rechts und der Schwachen, konnte die Kirche, konnte kein Geistlicher Beschwerde führen; lediglich aus weltlichen Rücksichten war die Abneigung Heinrich's gegen den Herzog entstanden. Letzterer war über die Wahl Jenes zum Bischof äußerst erzürnt, und wandte sich Beschwerde führend an den König und an den Papst, damit der eine die Investitur mit dem Weltlichen, der andere die kirchliche Weihe dem unkanonisch Erwählten versage. Ehe aber die Boten des Herzogs, der damals noch in Schwaben verweilte, einen Bescheid erhielten, hatte der neue Bischof von Regensburg von dem Metropolitanen Konrad von Salzburg die Weihe erhalten. Zu spät langte bei Diesem des Papstes und auch wol des Königs Mahnung

 

1) Mon. Weingart. Hist. de Guelfis Leibn. I, p. 787: Circa idem tempus (es ist vorher von Herzog Heinrich's zweitem Einfall in Friedrich's von Hohenstaufen Besitzungen an der Donau die Rede, also 1130) Ratisponenses mortuo Episcopo suo, Heinricum unum de nobilissimis fratrem (muß heißen patruum, wie auch später richtig steht) scilicet Ottonis de Wolferatenhausen, machinante Advocato cum aliis aemulis Ducis eliguut et in locum illius constituunt. Quod Dux in injuriam sui factum compensans ad depositionem ejus omnimodis laborabat et apud Imperatorem, ut investituram ei negaret et apud Apostolicum, ut consecrationem ejus interdiceret calumnians electionem ejus non esse canonicam satagebat.

 

 

____

195 Baierische Fehden.

 

an, damit zurückzuhalten, bis eine Prüfung des Wahlaktes veranstaltet worden sei 1).

 

Ob Herzog Heinrich mehr über die geheimen Intriguen, welche die baierischen Großen bei der regensburger Bischofswahl wider ihn geschmiedet hatten, oder über des Papstes Zögerung mit dem Verbot der Weihe zu zürnen Ursache hatte, ist schwer zu sagen. Was er an der Wahl als unkanonisch auszusetzen hatte, erfahren wir nicht, vielleicht nur, daß man sein Gutachten nicht eingeholt, das ihm als Landesherzog bei dem ersten Geistlichen Baierns allerdings zustand. Offenbar war ihm der Gewählte zuwider, sei es nun, weil er einem Anderen das Bisthum zugedacht oder weil er in Heinrich längst einen Schützling der feindlich gesinnten Großen oder einen persönlichen Gegner erkannte, von dem er nichts Gutes für sich und für die Ruhe im Lande erwarten mochte 2). Was endlich den Papst und den Erzbischof Konrad von Salzburg betrifft, so darf der Erstere nicht sowol der Zögerung, als des geringen Nachdrucks, womit er der Erhebung widersprach, beschuldigt werden, der Erzbischof aber der Uebereilung, wenn auch nicht einer feindlichen Gesinnung gegen den Herzog, als dessen Gegner er niemals erscheint. Wir haben hier wol einen Fall, den die geistlichen Oberen von einem anderen Standpunkte betrachten mußten, als der weltliche Landesherr, und wo Jene nur aus Rücksicht für Diesen hätten handeln müssen. An dem besten Willen hiezu scheint es nicht gefehlt zu haben; doch war einmal der Bischof erwählt und geweiht; die Stadt Regensburg und die Diöcese erkannten ihn an, und die Großen des Landes, die für ihn thätig gewesen, verschafften ihm auch den weltlichen Besitz, sodaß

 

1) Mon. Weing. Hist. de Guelfis Leibn. I, p. 787: Ille vero inter hujusmodi discrimina Metropolitanum suum festinanter adiit et consecrationem ab eo suscipiens nuncium Apostolicum praevenit. Die päpstliche Entschließung mußte demnach gegen die Weihe sein. Noch weniger läßt sich bezweifeln, daß auch König Lothar gegen den Erwählten gewesen. Konrad von Salzburg, den wir unter Heinrich V. schon als eifrigen Verfechter der unbeschränkten kirchlichen Investitur kennen gelernt haben, zeigte hier abermals die Consequenz seiner Grundsätze; er weihte vor der königlichen Belehnung per sceptrum von Seiten Lothar's oder Heinrich's, der für sein Herzogthum dazu gewiß dieselbe Vollmacht besaß, wie dereinst sein Sohn Heinrich der Löwe sie von Friedrich Barbarossa erhielt.

2) Wirklich erscheint Bischof Heinrich als die Seele der baierischen Großen, die gegen den Herzog bisher vereinzelt und ohne Verbindung mit den Nachbarfürsten rebellirt hatten. Mon. Weing. p. 797, nachdem er die Weihe Heinrich's berichtet hat, fährt fort: Reversus se et civitatem et omnes ad rebellionem praeparat.

13*

 

 

____

196 Dritter Abschnitt.

 

er der Investitur, sei es von dem Könige, sei es an dessen Statt von dem Herzoge nicht mehr bedurfte. Heinrich war aber nicht der Mann, sich irgend ein Recht entreißen zu lassen, und obschon er hier den Trotz der Vasallen und die Anmaßung oder Uebereilung der Kirche im Bunde wider sich erkannte, beschloß er doch, Beides nur an Dem zu ahnden, der allein davon Vortheil errungen hatte 1). Er brach ohne Verzug nach Baiern auf, wahrscheinlich um die Zeit, als sein Schwiegervater im Elsaß gegen Friedrich von Hohenstaufen einen nachdrücklichen Kampf zu beginnen beabsichtigte und von Herzog Heinrich erwartete, daß er von seinen schwäbischen Besitzungen aus den gemeinsamen Gegner bedrängen werde, der dann sicher erlegen wäre. So greift jene regensburger Bischofswahl tief in die politischen Ereignisse Deutschlands ein, und die Vermuthung liegt nicht fern, daß die Hohenstaufen daran wesentlichen Antheil genommen, um die gefährliche Verbindung Lothar's und Heinrich's zu verhindern. Ein besonderes Gewicht für diese Vermuthung liegt darin, daß bald auch der Markgraf Leopold von Oesterreich, der Stiefvater Friedrich's von Schwaben, den Gegnern des Herzogs von Baiern zum Beistande herbeizog. Hatte die Sache des Bischofs von Regensburg auf so mächtige und weitverbreitete Unterstützung zu rechnen, so war sie für den Herzog ein genügender Grund, seinem Schwiegervater die zugesagte Hülfe zu dem unmittelbaren Angriff des Hohenstaufen Friedrich abzuschlagen, und Lothar selbst mußte die Rückkehr desselben billigen, freilich nun aber auch den entscheidenden Kampf gegen den Reichsfeind seinerseits noch aufschieben, und später im Jahre mit Wegnahme einiger Burgen im Elsaß sich begnügen, bis endlich gar ein ernster Krieg im Norden drohte und ihn ganz abrief.

 

Der schnelle Einmarsch Heinrich's in Baiern mit einem kampfgerüsteten Heere, welches gegen Friedrich von Schwaben bestimmt gewesen war, zerstörte den Plan der baierischen Rebellen, zu denen die angesehensten und tapfersten Fürsten gehörten. Da der Winter kaum sein Ende genommen, den Herzog Niemand erwartet hatte,

 

1) Mon. Weing. a. a. O.: Dux ergo cum hujusmodi detractationibus illum avellere non posset, ad aliud animum intendit. Sine mora Bavariam ingreditur. Also war er außerhalb Landes, vermuthlich in Schwaben und zum Kriege gegen Friedrich gerüstet. Die gesammelte Streitmacht führte er nun gegen die Rebellen in seinem Herzogthum. Dadurch wurde Herzog Friedrich von dem gefährlichen Gegner befreit und vermochte dem Könige im Elsaß Widerstand zu leisten, wenn auch nicht in offenem Felde, so doch durch wohlbesetzte Burgen.

 

 

____

197 Baierische Fehden.

 

waren von Jenen die Streitkräfte weder aufgeboten, noch vereint. Mit leichter Mühe drang Heinrich bis vor Regensburg und züchtigte die Stadt, die den Bischof so bereitwillig anerkannt und seinen Aufreizungen zur Empörung gegen den Landesherrn ein williges Ohr geliehen hatte, indem er die Vorstädte plünderte und verheerte. Im Sturm wurde die eine Stunde davon auf dem linken Donauufer gelegene bischöfliche Veste Donau-Stauf genommen und zum Stützpunkt des Kampfes gegen die Stadt und die Diöcese Regensburg gemacht. Vergebens suchten die zahlreich aufgebotenen Bürger den Anhängern des Herzogs, denen dieser die Burg zur Vertheidigung übergeben hatte, bald eine offene Feldschlacht zu bieten, bald einen Hinterhalt zu legen, oder sie von der Veste abzuschneiden oder darin zu umlagern. Zwar fehlten bisweilen den Eingeschlossenen die Lebensmittel, doch kühne Ausfälle und Eintreibung des Nothdürftigen aus der Umgegend glückten, und im äußersten Nothfall nahte der Herzog mit Hülfe, der unterdeß plündernd und verheerend in der ganzen Diöcese umherzog und die Bischöflichen seinen Zorn auf das Härteste empfinden ließ 1). Doch noch hatte er an keinem anderen Gegner Rache genommen, schien die Theilnahme der Großen, die weite Verzweigung der Verschwörung unbemerkt zu lassen und zog sich ohne feindliche Absichten nach Oberbaiern, wo viele von jenen eine geheime Verbindung mit Markgraf Leopold geschlossen hatten, jetzt aber nicht öffentlich gegen den Herzog aufzutreten wagten. Ein misglückter Gewaltstreich indeß verrieth diesem, daß sie ihre feindselige Gesinnung nur aus Scheu zurückgehalten, und führte nun zu einem allgemeinen Aufstande der Verschworenen oder Misvergnügten, der sonst vielleicht unterblieben wäre. Als nämlich Heinrich eines Tages in geringer Begleitung sich der Veste des Grafen Otto von Wolfrathausen näherte, hoffte dieser durch einen Ueberfall den Herzog in seine Gewalt zu bekommen und von dem gefangenen zu ertrotzen, was von dem freien, dem kräftigen Herrscher, dessen Hand mehrmals

 

1) Mon. Weing. a. a. O: Civitatis suburbia (vielleicht wo jetzt Stadt am Hof liegt, denn von dem linken Ufer scheint er den Angriff auf Regensburg und Donau-Stauf gemacht zu haben, et, omnia Ecclesiae territoris incendio et vastatioue peragravit, castrum quoque Episcopi Tonstauphen (die spätere Tarburg beim Städtchen Donau-Stauf, der gegenüber die heutige Walhalla sich erhebt) ex improviso superveniens arripuit, suisque custodiendum commisit, quos Burgenses duris congressibus saepius inquietabant, aliquando obsidebant, accessum et recessum eis interdum per insidias impediebant. Deficiente vero aliquando annona Dux ipse collecto milite victualia circumquaque collecta illis apportebat; et sic tota illa provincia multis malis subjacebat.

 

 

____

198 Dritter Abschnitt.

 

schon die Vasallen gefühlt hatten, nie zu erwarten stand. Kaum erhielt Heinrich noch zeitig genug Kunde von dem Verrath, und nur eine List rettete ihn, indem einer seiner Begleiter mit ihm das Pferd wechselte, die Verfolger, die nur an diesem den Herzog zu erkennen glaubten, täuschte, Schwertstreiche und endlich Gefangenschaft für seinen Herrn ertrug, während dieser glücklich der Gefahr, die seine Freiheit, ja sein Leben bedrohte, entging 1). Aber nicht lange ungestraft sollte der Verrath an dem Urheber bleiben. Eilig zog Heinrich sein Heer zusammen, drang in Otto's Besitzungen, verwüstete Alles, was in den Thälern des Berglandes der Zerstörung sich darbot, nahm eine Veste nach kurzer Belagerung und legte sie in Asche 2). Nur die Scheu vor dem Gesetze, das die Kirche ge-. geben und er selbst im Lande aufrecht zu erhalten bemüht gewesen war, hielt ihn von des Grafen Stammschloß Wolfrathausen ab. Es begannen bereits die Fasten, in denen jeder Kampf nach dem Gottesfrieden untersagt war. Oberbaiern verlassend, brach er mit seinem jüngeren Bruder Welf, der ihm so eben neue Kriegsscharen aus den südlichen Alpengegenden herbeiführte, wieder in das Bisthum Regensburg, erlöste die in Donaustauf hartbedrängte Besatzung und führte sie nach Zerstörung der Veste, die sie bisher vertheidigt hatte, mit sich 3), um alle Streitkräfte den Rebellen und deren

 

1) Mon. Weing. a. a. O.: Interea his malis et aliud non minus execrabile in superiore Bavaria assurrexit. Quodam enim die, dum Dux per fines Comitis Ottonis de Wolferatenhausen transitum fecisset, ille in ultionem Episcopi patrui sui tam subito et inopinate eum supervenit, ut nisi unus de suis de equo, in quo sedit, procidisset, et suum pro illius (scil. equo) domino substituisset, inermem vita privasset. Unde et ille in equo domini fugere tentans comprehensus et multis vulneribus affectus captivus abducitur. Man sieht, der Herzog ist ganz arglos, nicht einmal bewaffnet dem Schlosse Wolfrathausen genaht. Nicht wahrscheinlich ist es, daß dem Herzog die Theilnehmer der Verschwörung verborgen gewesen, und zumal Otto, den nahen Verwandten Heinrich's, mußte er fürchten. Entweder war er sicher im Gefühl seiner Macht, oder er hoffte durch Großmuth und Nachsicht, indem er that, als ob er von der Verschwörung nichts wisse, die Gegner zu entwaffnen. Jedenfalls wagte er viel bei jenem Ritt; doch das Glück beschützte ihn. Oder sollte das Wagstück eine von ihm selbst angestellte List gewesen sein?

2) Mon. Weing. a. a. O.: Quapropter Dux collecto milite circa Purificationem sanctae Mariae fines illius iuvadit, omnia intermontana devastat, Castrum Homeras obsidet et expugnatum incendit.

3) Mon. Weing. a. a. O.: Ad Wolferatenhausen vero propter sanctum Quadragesimae tempus, quod imminebat, divertere noluit, sed assumto Guelfone fratre suo, qui eo tempore milites transalpinos (man braucht wol nur an die baierischen Alpen und das südliche Grenzgebirge Schwabens, wo die welfischen Stammgüter lagen, zu denken) in partes illas militiae gratia adduxit, ad civitatem (nämlich Regensburg) usque revertitur et suos, quamdiu jam in castro Tunistauphen multis malis coarctati vexabantur, inde abduxit et castrum igne succendit.

 

 

____

199 Baierische Fehden.

 

Verbündeten, die ihrerseits die Zeit der Waffenruhe nicht ungenutzt ließen, entgegenzustellen. Ein verheerender Bürgerkrieg drohte das ganze Land zu verwüsten, doch die Besonnenheit eines Mannes wandte noch das Verderben ab. Otto von Wittelsbach, Pfalzgraf von Baiern, zwar der Blutsverwandte des Grafen Friedrich von Bogen und der Schwiegervater Otto's von Wolfrathausen, ließ doch von den Aufreizungen Beider, von dem Ungestüm der Rebellen insgesammt sich nicht verleiten, seinem Fürsten ungetreu zu werden und seinem Vaterlande unheilbare Wunden beizubringen. Wol rüstete auch er seine Kriegsmarinen, und die beiden Grafen, der Bischof Heinrich und deren Genossen, mochten seinen Beitritt auf ihre Seite für gewiß halten. Schon zog ihr mächtigster Verbündeter, der Markgraf Leopold von Oestreich, der sicherlich an der baierischen Verschwörung schon früher Theil genommen und sie im Interesse der Hohenstaufen gefördert hatte 1), heran und vereinte sich mit den Grafen, kriegslustigen und beutegierigen Rittern, die der unermüdlich thätige Bischof von Regensburg zu den Waffen gerufen hatte 2). Schon bedrängte der Herzog in der Woche nach Ostern mit seinem zahlreichen Heere Wolfrathausen, das vier Meilen unterhalb der später erbauten Stadt München zwischen dem Wurmsee und dem Flusse Loysach, wo dieser sich in die Isar ergießt, auf einer steilen Anhöhe lag 3). Mit seinen starken Mauern, die eine zahlreiche Besatzung

 

1) Das geht aus dem später anzuführenden Schreiben Herzog Heinrich's an Lothar hervor, wo Jener diesem räth, die österreichischen Fürsten, Vater und Söhne, für sich zu gewinnen, weil deren Rath bei Friedrich Alles gelte.

2) Mon. Weing. p. 788: Episcopus enim per totam (Bavariam) cognatos et amicos suos conveniens hoc agebat, ut Ducem de finibus illis, si amplius eos hostiliter invaderet, ignominiose fugarent. Morante igitur in obsidione Duce Episcopus cum Marchione Orientali Leopoldo seu aliis comitibus ac totius Bavariae fortissimis, excepto Palatino, coadunato milite appropinquat. Vergl. auch Chron. Ursp. p. 290.

3) Mon. Weing. a. a. O.: Heinricus Dux finita Paschali hebdomada tam copiosum exercitum in Bavariam reduxit (nämlich aus dem Bisthum Regensburg nach Oberbaiern), ut et castrum supra nominatum stricta obsidione clauderet et se ab impetu illorum qui sibi contumaciter comminabantur, defenderet. Ueber Wolfrathausen s. Martiniere Lex. geogr. Pars XII, p. 1209 und 1210.

 

 

____

200 Dritter Abschnitt.

 

umschlossen, bot sie kühn allen Angriffen der Belagerer Trotz und schlug im Vertrauen auf baldigen Entsatz jede Auffoderung zur Uebergabe ab. Die Gemahlin des Grafen Otto und Tochter Otto's von Wittelsbach leitete die Vertheidigung während der Abwesenheit ihres Mannes, der mit den übrigen Rebellen und Verbündeten eine Streitmacht im Lande zusammenzog. Schon erblickte man diese von den Zinnen der Burg; sie lagerte in der Ebene nahe dem Ufer der Isar 1); eine Schlacht schien unvermeidlich, der Ausgang zweifelhaft; denn wenn auch des Herzogs Heer dem seiner Gegner überlegen war, so hatte er doch eine mißliche Stellung zwischen den verbündeten Fürsten und der Besatzung von Wolfrathaufen, die ihm leicht in den Rücken fallen konnte, wenn er jenen ein Treffen bot. Zwischen beiden feindlichen Heeren stand indeß Otto von Wittelsbach mit seinen Scharen; Alles hing davon ab, für wen er sich entscheiden würde. Ihm gewährte man dort wie hier gern freien Zutritt, weil man seines Rathes, seines Beistandes begehrte. Nun begibt er sich zu den Rebellen, doch nicht um sich ihnen als Mitstreiter anzubieten, sondern um vom Kampfe abzumahnen 2). Er stellt ihnen die Unlauterkeit ihres Handelns vor, er zeigt ihnen die überlegene Macht des Herzogs, ihre unvermeidliche Niederlage, die Züchtigung, das Verderben, die ihrer warten. Wol erschrecken Jene über die Nachricht von des Feindes Stärke, doch so lange sie gemeinschaftlich zusammen stehen, will keiner zaghaft, kleinmüthig, treulos an dem begonnenen Werke erscheinen, und ihr Trotz siegt über jedes Bedenken. Da versucht der Pfalzgraf die Häupter der Verschworenen zu trennen und Jeden einzeln zur Annahme heilsamer Rathschläge zu bewegen. Dies gelingt ihm auch bei so leicht beweglichen, ehrgeizigen, auch wol einander sowie der Sache und dem Glücke wenig vertrauenden Männern, die überdies seine geistige Ueberlegenheit anerkennen und seinen Uebertritt zum Herzog fürchten

 

1) Castra in plano prope Isaram fluvium ponit. Aehnlich der Bericht in Chron. Ursp. a. a. O.

2) Interea Otto Palatinus vir sapientia praeditus, cui ad utramque partem accessus patuit, utriusque exercitus apparatum contemplatur, illisque copiosiorem esse denuncians terrorem incutit. Kurz drängt die Begebenheiten Chron. Ursp. a. a. O. zusammen: Cum pugnam inire debuissent, Otto Palatinus de Witeliusbac considerans periculum utriusque partis mediatorem se interposuit et sive minis sive promissionibus supradictum Fridericum advocatum consobrinum suum et Ottonem Comitem generum suum ad hoc induxit, ut in potestatem Ducis se traderent et castrum Wolfateshausen, Quod milites Ducis dudum obsederant.

 

 

____

201 Baierische Fehden.

 

mußten. Der erste Urheber der Empörung war nun der Erste, der von ihr abstand. Graf Friedrich von Bogen hatte gehofft, durch die Erhebung des Bischofs Heinrich nicht nur wiederzuerlangen, was er bei seiner früheren Auflehnung gegen den Herzog verloren, sondern in der regensburger Diöcese einen unbeschränkten Einfluß in weltlichen und kirchlichen Angelegenheiten zu behaupten, wie er ihn einst unter dem schwachen Heinrich dem Schwarzen und dem milden Bischof Cuno ausgeübt hatte. Doch anders war Alles gekommen, als er erwartete. Der von ihm erhobene Bischof Heinrich sah in der erhaltenen Pfründe mehr ein weltliches Besitzthum, wozu sein geistlicher Stand ihm besser verholfen, als er es als unbegüterter weltlicher Ritter je erlangt hätte. Wie seine Verwandten, die Grafen von Andechs in Tyrol, die Grafen von Wolfrathausen in den mittleren Theilen des Herzogthums mächtige Herren waren, wollte er im nördlichen Baiern die Macht des gleichen Hauses erheben. Dem Schirmvoigt von Regensburg blieb demnach eine sehr untergeordnete Stellung und dessen unmittelbare Abhängigkeit vom Bischofe war drückender als die entferntere Oberhoheit des Landesherzogs. Bei dem überraschenden Einfall dieses Letzteren in das regensburger Bisthum war er vollends um seine Allodien und Lehen gekommen, und mehr als je hing seine Existenz von den Verwandten des Bischofs, von den Genossen der Empörung und von seinem eigenen Verwandten Otto von Wittelsbach ab. So wurde es diesem nicht schwer, den ehrgeizigen Mann durch Versprechungen und Drohungen zu bewegen, statt von der Mildthätigkeit geringerer Fürsten lieber von der Gnade des mächtigen Herzogs die Abhülfe seiner Bedrängniß, ja die Wiedererlangung seiner Güter zu erwarten. Er erbot sich, ihn mit dem Herzog auszusöhnen und bei demselben wegen Zurückgabe des Verlorenen sich zu verwenden. Friedrich gab diesen weisen Vorschlägen Gehör. In Begleitung des Pfalzgrafen kam er in das herzogliche Lager, that vor Heinrich einen Fußfall, und dieser ließ aus Rücksicht für den wackern Otto von Wittelsbach Gnade für Recht ergehen und verzieh dem Anstifter der gefährlichsten Empörung auf die großmüthigste Weise 1).

 

Der Uebertritt Friedrich's, die Verzeihung, die der Herzog ihm

 

1) Mon. Weing. p. 788: (Otto Palatinus) cogitans quo modo ad bonum pacis perducat Fridericum Advocatum cognatum suum promissionibus et minis circumveniens ad deditionem hortatur. Ille utpote omnibus suis destitutus consiliis Palatini adquievit, et assumpto eo in castra Ducis veniens et ad pedes ejus se humilians gratiam ejus recepit.

 

 

____

202 Dritter Abschnitt.

 

gewährt hatte, und vornehmlich die Vorstellungen des Pfalzgrafen verfehlten ihre Wirkung auch bei den anderen Häuptern der Verschworenen 1) nicht. Ueber Otto von Wolfrathausen schwebte ein schweres Verhängniß, wenn das Treffen, zu dem beide Heere gerüstet standen, dem Herzog den Sieg brachte. Die Stammveste war dann nicht mehr zu vertheidigen, denn schon litt man dort an Allem Mangel. Gerieth aber der Graf selbst in die Hände des Herzogs, so mußte er unfehlbar mit dem Tode büßen, daß er seinem Oberherrn nach Freiheit und Leben getrachtet hatte. Von der Großmuth Heinrich's war allein eine Milderung des Urtheils zu erwarten. Als Otto von Wittelsbach seinem Schwiegersohn die unvermeidlichen Folgen eines längeren Verharrens im Trotze zu Gemüthe führte, sank dem Schuldbewußten der Muth, und als seine Vasallen ihm gleichfalls zum Nachgeben riethen, entschloß er sich auf Gnad und Ungnade sich zu ergeben, und versprach, jeder Genugthuung, die der Herzog fodere, zu entsprechen 2). Hier aber erheischte die Strenge des Rechts, welche Heinrich bisher ausgeübt hatte, es erheischte die Würde seiner Person, die nur, wenn sie unantastbar, heilig geachtet wurde, auch die oberste Landeshoheit aufrecht zu erhalten vermochte, daß nur eine geringere Milderung der über Otto ausgesprochenen Acht eintreten durfte. Das Leben konnte diesem geschenkt werden, aber ehrlos als Fürst, Ritter und Vasall stand er vor Heinrich, und eine Milderung des Gesetzes, welches den Entwürdigten verurtheilte, hatte der Kraft des Gesetzes für immer Eintrag gethan. Als Otto vor dem Herzog erschien, und gleich Friedrich von Bogen unter Fürsprache seines Schwiegervaters um Gnade bat, ward ihm solche nicht, wie Jenem zu Theil, der wenn auch der Urheber eines höchst beklagenswerthen Bürgerkrieges, doch nicht seine Ehre geschändet hatte. Unabänderlich fest blieb das Urtheil, dem Otto sich

 

1) Auch nach Chron. Ursp. a. a. O. und Arenpeck de Guelfis Leibn. III, p. 663 werden der Bischof Heinrich, dessen Neffe Otto von Wolfrathausen und Friedrich, der Advokat des regensburger Bisthums als die Häupter der Empörung genannt. Vom Markgrafen Leopold heißt es dann: Hi quoque in auxilium habuerunt Leopoldum Marchionem Orientalem, qui omnes congregato copioso exercitu, castra juxta Iserum fluvium posuerunt, ut attemptarent Ducem de finibus illis expellere.

2) Mon. Weing. a. a. O.: Quo perpetrato (die Gnade des Herzogs gegen Friedrich) Ottonem quoque generum suum deditionem et satisfactionem exponens ei miserias suorum compellit. Qui similiter ejus et aliorum suorum consilio consentiens ad deditionem venire non distulit ac se ipsum cum castro in manius Ducis sub omni humilitate contradidit.

 

 

____

203 Baierische Fehden.

 

unterziehen mußte. Es lautete: Aus seinen Landen, aus allen Grenzen Baierns bleibt derselbe auf immer verbannt. Die Veste Ravensburg in Schwaben wird den Gefangenen umschließen; aus Wolfrathausen werden alle tragbaren Güter und Schätze fortgeführt, und die Mauern dann in Feuer und Asche gelegt. Dem Spruche folgte alsbald die Vollziehung. Otto's Gemahlin fand schon als Tochter des Pfalzgrafen beim Herzog eine ehrenvolle Aufnahme und ward in die Hand ihres Vaters übergeben 1). Ob auch die Kinder und nächsten Erben des Geächteten von den Lehen und Gütern ausgeschlossen wurden, erfahren wir nicht, es wäre aber der Strenge des Gesetzes, das Güter der Geächteten für erledigt erklärte, ganz gemäß. Doch sollte noch Otto selbst wieder nach einigen Jahren in deren Besitz gelangen. Die Stammburg erstand aufs Neue, und das Geschlecht dauerte noch bis 1158 fort, wo der letzte Sprößling Heinrich, ein Sohn oder Bruder Otto's, bei der Belagerung von Mailand seinen Tod fand.

 

Leopold von Oestreich und der Bischof Heinrich von Regensburg fühlten nach dem Rücktritt der beiden baierischen Grafen sich nicht stark genug, dem Herzog ein Treffen zu liefern. Otto von Wittelsbach, der thätige Vermittler, hielt auch wol Letzteren von weiteren feindlichen Schritten gegen Alle, die bisher den Schild der Empörung erhoben hatten, zurück. Bei der Aussöhnung zwischen dem Herzoge und dem Bischofe mochten aber auch noch der Erzbischof Konrad von Salzburg, der Papst und der König mitwirken. Wir erfahren nur, daß sie zu Beider Zufriedenheit, doch mit einigen Opfern des Bischofs Heinrich endete. Zwar seine Wahl und Erhebung wurde von dem Herzog als genügend anerkannt, nur sollte die frühere Weihe durch eine, die der Papst selbst sich vorbehielt, und die erst nach zwei Jahren erfolgte, Gültigkeit bekommen, und der Bischof dem Herzog eine zum regensburger Bisthum gehörende Grafschaft an der Ens als Lehn abtreten 2).

 

1) Chron. Ursp., Arenpeck, a. a. O., am ausführlichsten Mon. Weing. p. 788: Dux vero, prout rigor justitiae exigit, illum patriam et omnes terminos Bavariae quoadusque per eum advocaretur, abjurare coegit; sic eum captivum suis commisit et ad Ravenspurch secum abduci praecepit. Castrum quoque cum omnibus, quae aufferri poterant, praeter aedificia, abstractis, igne succendit. Abducitur ergo uxor illius, quae et ipsa in castro obsessa fuerat, quam Dux benigne suscipiens et bene consolans patri suo Palatino commisit.

2) Chron. Ursp. und Arenpeck. Postmodum quoque Episcopus Ratisponensis in gratiam Ducis rediit, et comitatum, quem habet Episcopatus Ratisponensis circa Enum fluvium ei in beneficium concessit. Mon. Weing. gibt nicht den Namen des Flusses, der indeß wol ergänzt werden muß. Der spätern päpstlichen Anerkennung Heinrich's wird zu seiner Zeit gedacht werden.

 

 

____

204 Dritter Abschnitt.

 

Wahrscheinlich zog Herzog Heinrich nach diesem Anfangs so gefahrdrohenden, doch endlich durch die redlichen Bemühungen des Pfalzgrafen Otto für ihn ehrenvoll endenden Vorfälle in Baiern wiederum nach Schwaben 1). Um die Zeit, als der König im Elsaß die Burgen Friedrich's von Hohenstaufen brach, mochte Heinrich von seinen schwäbischen Besitzungen abermals seinen früheren Schwager bedrohen. Da riefen die dänischen und slavischen Angelegenheiten Ersteren von dem Kampfe gegen den Reichsfeind ab, der dem Glücke, welches in anderen Gegenden für ihn thätig war, verdankte, daß er jetzt noch seine Selbständigkeit fristete, seinen trotzigen Sinn keinen demüthigenden Bedingungen zu fügen brauchte. Während Lothar im Norden beschäftigt war, setzte wol sein Schwiegersohn den Kampf gegen Friedrich noch fort, doch um mit ganzer Macht diesen in dem burgenreichen, schwer zu erobernden Schwaben zu bedrängen, hätte er aus Baiern alle Streitkräfte aufbieten müssen, und das war nach den Ereignissen zu Anfang des Jahres allzu gewagt, zumal Heinrich des Markgrafen Leopold Gesinnungen gegen ihn, wie gegen die Hohenstaufen zu gut kannte, und er nur von der Schonung, die er im Kampfe gegen Friedrich, den er nicht als persönlichen Feind sondern als des Königs Gegner ansehen durfte, bewies, gleiche Schonung von Seiten des Markgrafen zu erwarten hatte. Wenn man aber Heinrich der Lauheit gegen seinen Schwiegervater und der Vernachlässigung der früher eingegangenen Verpflichtungen beschuldigen wollte, so thäte man ihm zwiefaches Unrecht; denn weder diese Verpflichtungen noch die Lage der Dinge in Baiern erheischten, daß Heinrich die Besonnenheit, die ihm stets als Führerin bei seinen Handlungen zur Seite stand, aus den Augen setzte. Als er später in Baiern nichts mehr zu fürchten hatte, bewies er, daß er auch einen Gegner, den er als Jugendfreund und Schwager gern geschont hätte, mit stürmischer Gewalt anzugreifen sich nicht weigere, weil der König es von ihm foderte.

 

1) Dies wäre wenigstens aus den Worten bei Mon. Weing. von Otto's Abführung: ad Ravenspurch secum adduci praecepit, zu schließen. Da der Feldzug gegen Wolfrathausen in der Woche nach Pfingsten, und die Aussöhnung mit Bischof Heinrich bald danach stattfand, so konnte Mitte Sommers der Herzog wieder in Schwaben stehen, doch nach dem kaum beendeten Kriege wol nur mit kleiner Heeresmacht aus Baiern.

 

 

____

205 Lothar an den Ufern des Rheins.

 

Lothar treffen wir im Ausgange des Jahres 1131 wieder an den Ufern des Rheins, wohin er sich stets begab, wenn im Osten und Norden für sein Stammland keine Gefahr von Außen drohte; - denn innere Bewegungen, die dem Reiche und seiner Herrschaft nachtheilig werden konnten, hatte er hier nicht zu befürchten. Selbst der kühne und trotzige Markgraf Albrecht wagte nicht, nach seiner Entsetzung dem König und dessen zahlreichen Anhängern zu trotzen, und erkannte, daß es für ihn, um wieder zu Macht und Besitz zu gelangen, am Gerathensten sei, die Gunst Lothar's durch Thaten, die diesem wohlgefällig und dem Reiche von Nutzen seien, zu erwerben. Die Bekämpfung der Slaven in der Mark Brandenburg bot ihm bald eine günstige Gelegenheit. Am Rhein die königliche Macht durch Befreundung mit den Städten, durch ergebene Geistliche in den Erzbisthümern und Bisthümern, durch kräftige, ihm zugethane Fürsten zu erhöhen, war Lothar's eifrigstes Bestreben. Nicht immer war es möglich, den Willen aller drei Stände zu erfüllen, doch hatte die Erfahrung ihn gelehrt, daß mit der Kirche im Einverständniß die Völker und Fürsten sich leicht gewinnen ließen. Wo aber erstere ungestüm ihrem Verlangen entsprochen wissen wollten, wo die mächtigen Reichslehenträger widerspenstig Gehorsam und Unterwerfung versagten, übte Lothar nachdrückliche Gewalt, wies die Zumuthungen jener durch entschiedenes Handeln zurück und übertrug die Würde dieser an Andere, wie er es in Lothringen und Burgund gethan hatte. Der tapfere Herzog Walram, ein Sohn des unter Heinrich V. entsetzten Heinrich von Limburg hatte über Gottfried von Löwen in Niederlothringen bereits den Sieg davon getragen. Lothar's Stiefbruder Simon, Herzog von Oberlothringen, leistete Jenem Beistand und hielt fest zum Könige. Dafür scheint dieser Simon's Landeshoheit auch über den von den Hohenstaufen mehr angemaßten, als rechtlich erworbenen Elsaß ausgedehnt zu haben, da er ohne königliche Zustimmung sich nicht einen Herzog von Elsaß hätte nennen können, wie dies unbezweifelt geschah 1).

 

1) S. die Urkunde Lothar's, die derselbe zu Lüttich ausgestellt, bei Martene coll. ampliss. I, p. 704, wo nach Dux Lotharingiae Walramus, Dux Alsatiae Simon steht. Vielleicht belehnte ihn zu Lüttich der König mit dem Herzogthum Elsaß, und setzte Simon nur den neuen Würdetitel seinem Namen vor. Denn daß er Oberlothringen an Walram abgetreten, der sich hier schlechtweg Dux Lotharingiae nennt, ist nicht anzunehmen; eben aber, weil Dieser sich Herzog von Lothringen schrieb, brauchte Simon einen anderen Titel.

 

 

____

206 Dritter Abschnitt.

 

Wie Lothar an Walram ein dessen Vater entrissenes Reichslehen wiedergegeben hatte, suchte er auch Wilhelm, den Sohn des einstmaligen Pfalzgrafen Siegfried bei Rhein, der in dem weimar-orlamündischen Erbfolgekrieg Lehen und Leben eingebüßt hatte, das väterliche Reichslehen wiederzuverschaffen. So lange der von Heinrich V. erhobene Pfalzgraf Gottfried von Calwe lebte, machte der König keine Aenderung, zumal da dieser Fürst von der Partei der Hohenstaufen auf die seinige getreten war und auf dem mainzer Wahltage für ihn sich thätig bewiesen hatte. Da Gottfried ohne männliche Erben verstarb 1), widersetzte sich der Erhebung Wilhelm's kein Fürst, der nähere Ansprüche an die Rheinpfalz aufzuweisen hatte. Um auch die reichen Erbgüter Gottfried's am Rhein einem zuverlässigen Manne zuzuwenden, unterstützte der König den Schwiegersohn desselben, Welf, den jüngeren Bruder Heinrich's von Baiern, in dem Kampfe, den dieser mit Gottfried's Bruderssohn, Albrecht von Calwe, zu bestehen hatte 2). Vergebens waren zum Beistande Albrecht's die hohenstaufischen Brüder aufgeboten und ihnen reicher Lohn verheißen worden. Welf's kühnes, rasches Verfahren entzog, ehe die Helfer herbeikamen, dem Gegner die Länder, die dieser bereits für die seinen erklärt hatte 3). Als nun gegen Welf sich ein zweiter mächtiger Fürst im Bunde mit Albrecht erhob, der Herzog

 

1) Wann Gottfried gestorben, ist ungewiß, wahrscheinlich ehe Konrad von Hohenstaufen nach Italien ging, da dieser in dem Kriege, der über Gottfried's Erbgüter entstand, noch Theil nahm. S. die folgenden Noten.

2) Ohne Zeitbestimmung gibt Mon. Weing. 787 folgende Nachricht: Guelfo sub annis adolescentiae suae mediante fratre suo Heinrico Duce filiam Gotefridi, ditissimi Palatini de Calwe, Outam nomine, accepit uxorem. Unde et omnia, quae illius erant, tam beneficia quam patrimonia obtinuit. Albertus igitur Comes fratruelis ejusdem Palatini videns omnem suam spem, quam in morte patrui posuerat, frustrari, de injusta eum divisione calumnians haereditatis ac medietatem omnium ad se haereditario jure spectare proclamans castrum Calwe dolo subripuit et milites in eo locavit. Noch eine zweite Burg Gindelfingen nimmt er Welf fort, der, ihm den Raub nun wieder zu entreißen, Alles anwendet und endlich Sieger bleibt.

3) Mon. Weing. a. a. O.: Albertus Fridericum et Conradum Duces auxilii gratia adiit eisque de allodio suo villam cum ministerialibus ac aliis appendiciis ejus, ut Gwelfonem de obsidione (der Veste Albrecht's, Wartenberg) propellerent. Illi autem dum ad redimendum castrum collecta manu militum properarent, Gwelf impetum eorum praeveniens castrum armata manu, machinis quoque adhibitis circumquaque impugnat, ac sic laboriose captum praeda sua recepta et militibus ibidem repertis captivis abductis, igne castrum succendit.

 

 

____

207 Lothar's Maßregeln vor Antritt des Römerzuges.

 

Konrad von Zähringen, der Oheim seiner Gemahlin Ute, und seine Veste Staufenburg bedrohte, zog König Lothar dem Bruder seines Schwiegersohnes zur Hülfe und machte Konrad's Versuch scheitern 1). Nach hartnäckigem Kampfe blieb Welf entschieden Sieger und ließ nur aus Großmuth Albrecht im Besitze von Calwe und einigen Flecken, mit denen er ihn als seinen Vasallen belehnte 2). Für Lothar war es ein großer Gewinn, den Bruder seines Schwiegersohnes am Mittelrhein, in den für die Reichsmacht so wichtigen Gegenden als Gebieter über so schöne und reiche Landen, als Oberlehnsherrn vieler Edlen und Ritter anerkannt und mit Treue und Ergebenheit bedient zu sehen. - Der Städte endlich konnte ein König gewiß sein, der für Friede und Ruhe im Reiche eifrig Sorge trug, der dem Recht stets seine Billigung, der misbrauchten Gewalt seinen Haß bewies. Es ist wahrlich nicht das Verdienst der späteren hohenstaufischen Kaiser gewesen, daß unter ihrer Herrschaft die Städte reich und mächtig emporblühten. Vielmehr haben einige von ihnen, selbst Friedrich Barbarossa, in irriger Politik, aus Furcht, daß die deutschen Städte das Beispiel der lombardischen gegen ihn nachahmen möchten, das Aufblühen der Städte, - freilich vergebene Mühe, da dies ebenso wenig als geistige Entwickelung aufzuhalten den Machthabern gelingt - zu hemmen gesucht. Darf nun auch Lothar's Verdienst nicht in einer besonderen Begünstigung des Städtewesens gesucht werden, wiewol er dessen Bedeutung richtig zu schätzen wußte, so sind doch unzweifelhaft seine Bestrebungen nach Frieden und Ordnung, im Gegensatz zu der Härte, Willkür und öftern Bedrückung, die sich Heinrich V. gegen alle Stände erlaubt hatte, den spätern, ja den unter ihm schon unverkennbaren Fortschritten der bürgerlichen Industrie und bürgerlichen Intelligenz förderlich gewesen, und ist nicht zu bestreiten, daß ihm mehr als seinen Vorgängern und Nachfolgern im Reich dieser Ruhm zukomme. Oder will man es ihm zum Vorwurf machen oder gar als Schuld beimessen, daß sich zuweilen in seiner Gegenwart, meist bei geistlichen Wahlen, Bürgeraufstände erhoben? Nirgends veranlaßte er

 

1) Mon. Weing. p. 788: Eadem quoque tempestate Conradus Dux de Zaringen avunculus uxoris Stouweburg castrum Guelfonis obsedit, sed adjutorio Lotharii Imperatoris infecto negotio recessit.

2) Mon. Weing. p. 788: Dux pro solita mansuetudine ac clementia illum eodem castro, aliis quibusdam villis inbeneficiavit, omnibusque suis restitutis honorifice dimisit, ac sic composita pace cunctisque terrae illius Optimatibus ad se confluentibus provincia tota ditioni suae subjecta quievit.

 

 

____

208 Dritter Abschnitt.

 

sie, überall aber war er bemüht, erst mit Milde, dann mit Gewalt sie abzuwenden und zu unterdrücken.

 

Ein solcher Bürgeraufstand ereignete sich im Ausgange des Jahres 1131 zu Köln. Hier war Erzbischof Friedrich gestorben 1), jener Mann, der nach Adalbert von Mainz unter den damaligen Prälaten am meisten eigennützige, herrschsüchtige Pläne unter dem Deckmantel kirchlicher Zwecke verfolgte, und die Wohlfahrt des Staats, die Ruhe Deutschlands, selbst die Ehre des geistlichen Standes seinem Ehrgeize preisgegeben hatte. Nicht nur Heinrich V. war von den Ränken Friedrich's wiederholentlich getäuscht und beeinträchtigt worden, auch Lothar, mit dem die Kirche und die Diener derselben im besten Vernehmen gestanden hatten, mußte Friedrich's Halsstarrigkeit und, wenn auch nicht offen, doch durch Entziehung seiner Gegenwart an den Tag gelegte Feindschaft drei Jahre lang empfinden. Viel lag dem Könige daran, auf den erledigten Stuhl einen friedlichen, verträglichen Mann zu setzen, der in gleicher Weise der Kirche wie dem Staate seine Dienste weihe, und das Band zwischen beiden Gewalten statt zu lockern fester knüpfe. In Gemeinschaft mit dem Papste hoffte er die allerdings schwierige Aufgabe am besten zu lösen. Innocenz säumte nicht und sandte drei Kardinäle nach Deutschland. Es waren der Bischof Wilhelm von Präneste, Quido, der nachmalige Papst Cölestin, und Johann, der oft schon erwähnte Bischof von Crema. Zahlreich fanden sich auch die deutschen Geistlichen und Fürsten in Köln ein. Die beste Eintracht herrschte unter ihnen, und des Königs mildes und weises Verfahren wurde von den Fürsten wie von den Kardinälen mit gleichem Eifer unterstützt. In die Wahl hatten aber diese alle vorerst sich nicht zu mischen; sie stand nach altem Recht wie nach den Bestimmungen des wormser Concordats dem Kapitel und der Volksgemeinde zu. Als ersteres die Wahl Gottfried's, des Propstes von Xanthen, verkündete, wiesen die Laien den Gewählten zurück; je mehr der Klerus auf seinem Kandidaten bestand, um so heftiger widersetzte sich das Volk, nicht geschreckt durch die Anwesenheit der hohen Gäste und durch die für Gottfried geneigten Legaten, die bei dem Wahlakt des Kapitels den Vorsitz

 

1) Ann. Saxo ad 1131: Fridericus Coloniensis Archiepiscopus obiit. Näher ist die Zeit nicht bekannt; doch mochten schon Monate verstrichen sein, als die Abgesandten des Papstes, der König und die Fürsten zur neuen Wahl um Weihnachten sich einfanden.

 

 

____

209 Lothar's Maßregeln vor Antritt des Römerzuges.

 

geführt und gewiß für Gottfried ihre Stimmen abgegeben hatten 1). Da das Recht der Zustimmung der Gemeinde nicht abzusprechen war, so wäre es unbillig gewesen, ihr den Mann, gegen den sie protestirte, aufzudringen; beim Könige stand es nun, den Zwiespalt durch Berathung mit den Großen des Reichs und mit den Verständigsten unter den Wählern zu schlichten. Auch die päpstlichen Legaten mußten dem sich fügen. Lothar wußte bald den Mann zu finden, der allen Theilen gefiel, gegen den weder Klerus noch Laien, weder die Fürsten noch die Kardinäle etwas einzuwenden hatten, und der nur selbst noch Scheu trug, das schwierige Amt zu übernehmen. Es war Bruno, bisheriger Propst zu St. Gereon in Köln 2). Er stammte aus dem Hause der Grafen von Berg 3) und gesiel wegen dieser seiner Abkunft den versammelten Fürsten. Daß er mit dem beim Papste Alles vermögenden Abte Bernhard von Clairvaux in freundschaftlichem Verkehr stand, empfahl ihn den Geistlichen, hemmte jeden Widerspruch der päpstlichen Legaten und nöthigte sie, abgesehen davon, daß Bruno mehr als Gottfried dem Volke behagte, dem vom Könige und den Fürsten Empfohlenen ihre Zustimmung zu geben. Wenn Bruno erst den Rath des Abtes Bernhard einholte, ehe er die Würde annahm, so spricht dies ebenso sehr für die Bescheidenheit als die Klugheit des Mannes. Denn es war vorauszusehen, daß der Befragte nur dann zur Annahme rathen werde, wenn er der Genehmigung des Papstes gewiß war. Wie der König, erkannten Innocenz und Bernhard in Bruno den

 

1) Chron. S. Pantal. ad 1132: Natalem Domini Coloniae celebrat. In cujus praesentia gravissimae partes fiunt utriusque ordinis, cleri scilicet et populi in electione Domini Godofridi, Santensis Praepositi, praesidentibus tribus Cardinalibus Sanctae Romanae Ecclesiae legatis Wilhelmo scilicet Praenestino Episcopo, Widone, qui Innocentio Romae successit, et Joanne Cremensi Episcopo. Offenbar war Gottfried von der Geistlichkeit und, da hier die Kardinäle den Vorsitz hatten, von diesen in Vorschlag gebracht. Wenn der König den Gewählten verwarf, darf er doch wahrlich der Nachgiebigkeit gegen den Klerus und die Kardinäle nicht beschuldigt werden. Er handelte frei nach seiner Einsicht, und diese erschien bald Allen als die bessere.

2) Ebendas.: Tandem judicio Regis et Principum et ipsorum Cardinalum ad unanimitatem ecclesia perducitur, atque saniori consilio, Godofrido cessante, Dominus Bruno Praepositus S. Gereonis Coloniensi cathedrae inthronizatur. In den Worten ad unanimitatem ecclesia perducitur liegt, daß der vom König Erhobene Allen gefiel, und die gravissimae partes alsobald aufhörten.

3) S. Mascov. comment. de rebus Imperii sub Lothario II, p. 41, Anmerkung 2. Corner p. 670, wo aber viel Verwirrung herrscht.

II. 14

 

 

____

210 Dritter Abschnitt.

 

geeigneten Mann 1). Ueber eine so wichtige Angelegenheit wie die Besetzung des zweiten Kirchenstuhls in Deutschland darf die Uebereinstimmung zwischen Papst und König wol als Beleg angesehen werden, daß zwischen Beiden überhaupt Uebereinstimmung der Ansichten und das beste Vernehmen herrschte. Doch auch andere Beweise sind dafür anzuführen, die jede entgegengesetzte Behauptung widerlegen und die etwa scheinbar für diese sprechenden Gründe in anderem Lichte zeigen.

 

Papst Innocenz II., der nach seiner Rückkehr aus Deutschland in Frankreich die Huldigungen der französischen und englischen Nation, der Könige und Fürsten wie der vornehmsten Geistlichen aus beiden Ländern empfangen hatte, durfte allerdings sich als Sieger über seinen Nebenbuhler Anaclet ansehen, aber vollständig und unbestritten war sein Triumph erst dann, wenn Italien, wenn Rom ihn als alleinigen Papst anerkannte und der Gegner von Petri Stuhl verdrängt war. Dies zu erringen, bot weder Ludwig von Frankreich, noch Heinrich von England die Hand. Nur König Lothar hatte dazu die Befugniß und die Macht. Zu Lüttich erhielt von diesem bereits der Papst das Versprechen. Daß nicht die dort zwischen Beiden entstandene Meinungsverschiedenheit über die Investitur, sondern die vielfachen Hindernisse und Störungen innerhalb und außerhalb Deutschlands, die Lothar's Entfernung nicht gestatteten, eine Verzögerung, dem Versprechen nachzukommen, herbeiführten, wird kein Unbefangener leugnen können. Zur Zeit der Zusammenkunft in Lüttich erschien nur in der Widerspenstigkeit der Hohenstaufen

 

1) Bern. epist. 8 und 9, und Albericus ad 1132: Hic est Bruno, qui de electione et promotione sua Beatum Bernardum per epistolam consuluit. Aus Anselm. Gembl., der von Lothar stets gehässig spricht, führt Albericus über die kölner Wahl an: Rex Lotharius Natale Domini Coloniae celebrat. Hic tumultuante multorum dissidentium seditione electio sanctae ecclesiae Coloniensis diu multumque cassata est. Iterum tertia hebdomada Quadregesimae Coloniae veniens nihil dignum regali serenitate egit. Der zweimalige Aufenthalt Lothar's in Köln ist übrigens nicht unwahrscheinlich, da er Purificatio Mariae zu Bamberg und Pascha zu Aachen war, also von jener Stadt nach dieser den Weg über Köln nehmen konnte, - Daß Bruno übrigens auf den kölner Erzbischofstuhl gerechnet und gewartet, geht daraus hervor, daß er die erzbischöfliche Würde in Trier ablehnte, wie es Leibn. acces. in Gesta Trev. p. 124 heißt: causa inopiae hujus Ecclesiae (zu Trier) - re autem vera, ut postea claruit, majoris Episcopatus gloriam affectabat. Wenn man nicht etwa blos aus der Annahme hier (in Köln) und der Ablehnung dort (in Trier) solche ehrgeizige Gründe ihm unterschiebt.

 

 

____

211 Kirchenversammlung zu Rheims.

 

eine Hemmung für den König. Der Papst hatte, wie vorhin schon die deutsche Geistlichkeit zu Würzburg, die Waffe, die ihm zu Gebote stand, gegen den Reichsfeind dem Könige zum Beistande dargeboten, und Lothar hatte, was er damals in bester Hoffnung thun konnte, versprochen, mit Aufbietung der weltlichen Waffen das Hinderniß der Römerfahrt zu beseitigen. Die unerwarteten, ganz unberechenbaren Ereignisse, welche die Ermordung Kanut's veranlaßte, der gefährliche Aufstand der baierischen Großen gegen Herzog Heinrich machten einen längeren Aufschub nothwendig. Gleichwol gedachte der König nicht, sein Versprechen zurückzunehmen, sondern gelobte im Vertrauen auf den glücklichen Ausgang und die schnelle Beendigung jenes nordischen Feldzuges Erfüllung der gegebenen Zusage. Da zu Lüttich der Papst dem König seinen Entschluß eröffnet hatte, daß er im Herbste eine große Kirchenversammlung zu Rheims halten wolle, wozu vornehmlich Deutschland, Frankreich und England die Vertreter ihrer gesammten Geistlichkeit und zugleich mit Aufträgen der Herrscher aller drei Reiche absenden sollten, so unterließ Lothar nicht, als die Zeit herannahte, das Concil zu beschicken. Wie immer glücklich und wohlberechnet seine Wahl der Personen war, so auch diesmal; sie fiel auf den Erzbischof Norbert von Magdeburg und Bernhard von Hildesheim, die ebenso sehr den Ruf der Frömmigkeit und des Kircheneifers beim Papste besaßen, als sie des ganzen Vertrauens bei König Lothar sich erfreuten 1).

 

Die rheimser Kirchenversammlung, zum Fest St. Lucas einberufen und Tags darauf, am 19. October, eröffnet 2), gab der Christenheit einen Beweis, daß Innocenz II. beiweitem vor Anaclet die Zustimmung der Geistlichkeit und der Fürsten besaß. Die Zahl der anwesenden Geistlichen wird auf 13 Erzbischöfe, 263 Bischöfe, dazu eine Menge

 

1) Erstern allein nennt die Vita Norb. cap. 47 und ausführlicher noch Chron. Mauriniacense: Domino Papae in concilio per quendam Magdeburgensem Archiepiscopum praesentatae sunt litterae a Lothario Rege Allemannorum. Des Bischofs Bernhard Anwesenheit erhellt aus dem Schreiben des Papstes an die hildesheimische Gemeinde. S. Mansi XXI, p. 463: Veniens ad nos venerabilis frater noster Bernardus Episcopus vester in plenaria synodo, quae Remis per Dei gratiam fuerat congregata. Mit des Königs Sendung hatte Bernhard vielleicht nichts zu thun. Ihn hatte der Papst selbst in Lüttich, wo Bernhard um die Kanonisation des h. Godehard von Hildesheim gebeten, nach Rheims beschieden. Vita Godehardi Leibn. I, p. 507: Bernardus una cum Metropolitano Magdeburgensi Norberto ad praefatam synodum iter instituit.

2) Die abweichenden Angaben s. Mansi XXI, p. 462; Dodechin hat XIV. Kal. Novembris. Festum Lucae ist XV. Kal. Novembris.

14*

 

 

_____

212 Dritter Abschnitt.

 

Aebte, Mönche und sonstiger Klerisei angegeben 1), und doch waren aus den Reichen außerhalb Frankreich blos die Repräsentanten ihres Standes oder Abgesandte der Könige erschienen. Nur Ludwig von Frankreich, dessen Gemahlin und Kinder waren in Person zugegen, obgleich wenig Tage zuvor den König ein betrübender Unglücksfall getroffen hatte, der ihn des hoffnungsvollsten Sohnes und bereits gekrönten Nachfolgers beraubte. Innocenz bot Alles zu seinem Troste auf und krönte an des verstorbenen Philipp's Stelle den zweiten Prinzen, Ludwig 2). Die Könige von Deutschland und England, auch Alfons VII. von Kastilien und Alfons VI. von Arragonien bezeugten durch Gesandte ihre Anerkennung und ihre Ehrfurcht 3). Mögen immerhin die beiden deutschen Prälaten einige Tage nach Eröffnung des Concils angelangt sein; ihre Person, wie die Schreiben, die sie vom Könige brachten, waren Innocenz willkommen, und weil sie diesem die Versicherung gaben, daß Lothar des Römerzuges nicht vergessen habe 4), so fanden die Vorstellungen Jener von den unabweislichen Hindernissen, die sich demselben bisher entgegengestellt hätten, vollen Glauben, und keine Spur einer Mishelligkeit zwischen Papst und König wird man in der rheimser Kirchenversammlung entdecken können. Die Privatanliegen der deutschen Gesandten fanden gleichfalls die gewünschte Erledigung. Wie Bernhard von Hildesheim die in Lüttich beantragte Kanonisation des ehemaligen Bischofs Godehard seiner Gemeinde auswirkte 5), erhielt Norbert eine Bestätigung seiner Erzstiftsprivilegien und die Zusicherung des päpstlichen Beistandes zur Verbreitung des von ihm gestifteten Prämonstratenserordens, der bisher in der Diöcese Magdeburg wie an anderen Orten heftigen Widerstand erfahren hatte, seitdem aber

 

1) Ardericus lib. 13, p. 893: In hoc concilio affuerunt 13 Archiepiscopi et 263 Episcopi et Abbatum ac Monachorum et Clericorum magna multitudo. Illuc Rex et Regina et tota nobilitas Franciae confluxerunt.

2) Die schöne Trostrede des Papstes an den König s. nach Chron. Maurin. bei Mansi XXI, p. 455 und 56.

3) Chron. Maurin. bei Mansi 457.

4) Ebendas.: In quibus (literis) rursus ei obedientia promittitur et quod se ad expeditionem cum viribus omnibus regni sui praeparavit, intimatur. Vita Godeh. a. a. O.: Ubi (zu Rheims) honorifice suscepti, dum jam synodus aliquot dies esset celebrata, etc.

5) Ueber die Kanonisation s. das angeführte Schreiben des Papstes bei Mansi XXI, p. 463 und die Vita Godeh. a. a. O.

 

 

____

213 Lothar's Maßregeln vor Antritt des Römerzuges.

 

mehr Eingang fand und von Anderen erbeten wurde 1). Ist es nun wol glaublich, daß Innocenz gegen Männer, die bei Lothar in höchster Gnade standen, denen der König, die Königin und selbst der vorsichtige, die Menschen leicht durchschauende Herzog Heinrich von Baiern, der Schwiegersohn und einstige Erbe der Macht, Alles, ihr irdisches wie ewiges Heil, vertrauten 2), sich so zuvorkommend und huldreich bewiesen haben würde, wenn er dem Könige selber gegrollt, wenn er ihn im Verdacht absichtlichen Verzögerns gehabt, oder wol nur aus Schonung sich langmüthig gegen ihn gezeigt hätte? Nein, wie König und Papst den beiden Geistlichen, die zu Rheims Briefe und Mittheilungen gaben und empfingen, ein unbegrenztes Vertrauen, die höchste Achtung schenkten, so herrschte es auch ungestört zwischen den Häuptern selbst. Innocenz begriff, daß der König noch immer den Römerzug nicht antreten könne, und fügte sich in das Unabänderliche. Lothar hatte erkannt, daß die Kirche auf das errungene Recht der Investitur nicht verzichten könne, daß ihm indeß der dem Reichsoberhaupte nothwendige Einfluß auf die Bischofswahlen noch verblieben sei, und er ihn ohne Eifersucht und Haß der Kirche ausüben dürfe. In der festen Eintracht unter sich erkannten

 

1) Vita Norb. a. a. O.: Attulit autem Norbertus secum Ecclesiae suae privilegia vetustissima et fere a vermibus consumpta, quae cuncta Romano munimine fecit renovari et corrigi (dabei mag Vieles zu Gunsten geändert sein) apponens ea, quae receperat de manibus illorum, qui ea injuste et violenter rapuerant (etwa bei dem Volksaufstande gegen Norbert). Addidit praeterea secreto, ut, cum daretur opportunitas, Romana fultus autoritate, ordinem suae religionis in episcopali propagaret Ecclesia. In Magdeburg war bereits 1129 Norbert's Orden eingeführt. Chron. Guillelmi de Nangis bei d'Achery III, p. 4 z. g. J. Norbertus Archiepiscopus apud Magdeburg in Ecclesia S. Mariae remotis Canonicis saecularibus fratres Praemonstratensis ordinis collocavit. Der kräftige, für Verbesserung seines Klosters thätige Bischof Albero von Verdun bat Norbert um Prämonstratenser, weil die früheren Mönche unverbesserlich seien. Hist. brevis Episc. Verdun. bei d'Alchery II, p. 254.

2) Für Norbert, der bei allen politischen Ereignissen thätig mitwirkend erscheint, bedarf es keiner besonderen Beweisstelle. Verborgener, aber nicht minder heilsam wirkte Bernhard von Hildesheim. Chron. Stederburg Leibn. I, p. 854: Familiaritates etiam Principum, Lotharii videlicet Imperatoris et uxoris ejus nobilissimae Richense nec non et Henrici senioris Ducis et aliorum Principum ita plene assecutus est, ut consiliis eorum nunquam deesset, et se arctissimis eorum tractationibus, quae ad eorum spectabant salutem, conscius, imo consiliarius et consolator inter Deum et ipsos medius existeret, unde apud ipsos quantae fuerit autoritatis animadvertitur, qui et captivos absolvere poterat et super oppressos ut superpia gestabat viscera, apud ipsos potens erat.

 

 

____

214 Dritter Abschnitt.

 

sie aber ihr beiderseitiges Heil, und dies zu stören oder wol auf Unkosten Beider sich eine eigene Gewalt anzumaßen, gelang weder mehr einem so herrschsüchtigen, arglistigen Manne wie Adalbert von Mainz, noch den weltlichen Großen des Reichs. Oder hatte jener Adalbert etwa seinen Charakter verändert, seine Natur verleugnet? Ein vertrautes Schreiben Herzog Heinrich's an seinen Schwiegervater spricht eine Warnung vor dem im Geheimen Ränke schmiedenden Mainzer aus, die es außer Zweifel stellt, daß nicht Dieser sich geändert, wol aber die Verhältnisse, die keine Gelegenheit boten, gegen Papst oder König mit Erfolg zu intriguiren; weshalb denn auch die Schriftsteller nichts mehr von Thaten Adalbert's zu berichten wissen. Solchen Ränkemachern und allen Leidenschaften, die Ehrgeiz, Herrschsucht, Eigennutz, Willkür hervorrufen, war im politischen Leben Einhalt gethan, seit die Häupter des Staates und der Kirche in völliger Einigkeit, mit Offenheit, von Liebe und Gerechtigkeit geleitet, einander begegneten. Nur freilich, wenn Männer wie Norbert von Magdeburg und Bernhard von Hildesheim des Königs, ein Bernhard von Clairvaux und Suger von St. Denys des Papstes Vertrauen besaßen, ohne den anderen Gebieter dadurch mistrauisch oder sich abgeneigt zu machen, konnten die weltliche und kirchliche Gewalt friedlich neben einander bestehen. Auch in Friedrich Barbarossa's ersten Regierungsjahren stand ein Abt Wibald von Stablo so zwischen Papst und König und wirkte höchst wohlthätig auf Beider Handlungen und Vernehmen. Der Mann gehörte zur Zahl Derer, die unter Lothar eine solche Stellung mit Würde und Ruhm einnahmen. Wir werden ihn später als „Kanzler, Kapellan und Friedensfürst“, wie Lothar ihn selbst nennt, näher kennen lernen 1), wie noch manchen Andern, deren Verdienst entgegengesetzt einem Adalbert von Mainz, Friedrich von Köln, darum so hoch erglänzt, weil sie - was unter Heinrich IV. und V. fast unmöglich schien, - Kirche und Staat in ein heilsames Band zu verketten wußten. Während Adalbert, Friedrich und ihres Gleichen, trotz ihres höheren Ranges unter Lothar's Regierung in den Hintergrund

 

1) Wir meinen den Brief Lothar's in Chron. Cosin. cap. 123, wo er den Abt Wibald nennt. Cancellarium Magistrum Capellanum ac Principem pacis. Auf Bitten Wibald's waren dem Kloster Stablo die alten Privilegien von Lothar zugesichert, als dieser im April 1131 mit seiner Gemahlin durch Stablo kam. S. Martene coll. ampliss. II, p. 90-92. In Lothar's nächster Umgebung und auf die politischen Ereignisse wirksam erscheint der Abt erst auf der zweiten Heerfahrt des Kaisers, wo wir ihn näher kennen lernen werden.

 

 

____

215 Lothar's Maßregeln vor Antritt des Römerzuges.

 

treten, und wir ihre verborgenen Pläne, deren Ausführung bei den veränderten Verhältnissen unmöglich war, nur errathen oder beiläufig erfahren, sind es die bezeichneten Männer und ihnen ähnliche, die an Lothar's Thron als Rather, bei seinen Handlungen als Vermittler oder Mitwirker in unserer historischen Darstellung sichtbar werden.

 

Mit Beginn des Jahres 1132 wurden die Rüstungen zum Römerzuge vom Könige ernstlich betrieben, und jedes Hinderniß suchte dieser zu beseitigen, wenn es nur mit der Ehre des Reiches und seiner eigenen geschehen konnte. Da der Norden gesichert schien, im Osten der Böhmenherzog die frühere Freundschaft bewahrte, Baiern beruhigt und mit Oesterreich ausgesöhnt war, so blieb nur der Kampf gegen Friedrich von Schwaben noch ein Anstoß, der den König von einer Entfernung aus Deutschland hätte abhalten können. Mit Friedrich sich auszusöhnen, schien gerathen, und es waren in Lothar's Umgebung Viele, die dafür Eifer zeigten, ja wir werden bald aus einem Schreiben Herzog Heinrich's an seinen Schwiegervater ersehen, daß auch Jener Diesem dazu anrieth, „wenn es nur irgend mit des Reiches Ehre verträglich sei.“ Friedrich seinerseits kam mit Anträgen zu Vergleich und Bündniß dem Könige entgegen und wandte sich durch Geistliche, deren Einfluß bei Lothar er kannte, an denselben. Adalbert von Mainz, der Oheim von Friedrich's zweiter Gemahlin, schien der geeignetste Unterhändler. Hatte er doch einmal schon den König bei der Einnahme von Speier zu einem gnädigen und großmüthigen Verfahren gegen den Hohenstaufen bewogen, das freilich bei diesem keine Sinnesänderung hervorbrachte. Nun aber schien diese einzutreten. Friedrich ließ flehentlich durch den mainzer Erzbischof um Beilegung des Krieges, der das Reich noch zwiespältig theile, nachsuchen. Er wollte sich aussöhnen und die Waffen, die er bisher gegen den König gekehrt, für ihn gegen Reichsfeinde gebrauchen. Mit Adalbert vereinten in gleichem Auftrage des Herzogs der Erzbischof von Köln, die Bischöfe von Regensburg 1)

 

1) Die vier Geistlichen bezeichnet, ohne ihre Namen anzugeben, der König in seinem Schreiben an Herzog Heinrich, das Hansitzius in seiner histor. ecclesiast. Salisb. p. 233 anführt. Ob Friedrich oder der neue Erzbischof Bruno, ob Cuno von Regensburg oder, was wahrscheinlicher, Heinrich, der geheime Verbindung mit dem Hohenstaufen unterhielt, gemeint seien, ist nicht zu ersehen, thut aber auch nichts zur Sache. Denn die Vermittler durften noch nicht, oder doch nicht alle, Freunde des Herzogs, Abtrünnige vom Könige sein. Sie meinten zum Wohle des Reiches, zum Danke Lothar's zu handeln und zu rathen. Dieser selbst nennt sie seine Getreuen.

 

 

____

216 Dritter Abschnitt.

 

und Speier ihre Friedensverwendungen. Dennoch gab Lothar weder den Vorstellungen dieser vier Vermittler, noch den Anträgen des Herzogs selbst Gehör. Wäre Lothar, der sonst so leicht verzieh, zum Frieden gern die Hand bot und dem jetzt der Friede im Reiche so dringend nöthig war, um mit vereinter Macht der deutschen Fürsten Italien unter seine weltliche und des von ihm anerkannten Papstes kirchliche Herrschaft zu bringen, nur diesmal unversöhnlich, hartnäckig, halsstarrig gewesen? Ein solches Urtheil wäre voreilig, eben weil es zu dem Charakter Lothar's nicht paßt, weil es Dem widerspricht, daß der König vor Speier sich großmüthig gegen den Stolzen gezeigt, und daß er später dem ganz Gedemüthigten Alles ließ, was derselbe jetzt, wo er ungebeugt dem Könige Anträge machen konnte, noch inne hatte. Daß die Bedingungen des Vergleichs, den Friedrich stellte, der Ehre des Königs zuwider gelaufen, ist ebenfalls nicht zu glauben, da sonst nicht Männer, die als getreue Anhänger und Rathgeber von Lothar anerkannt wurden, sich als Ueberbringer derselben und Vermittler hergegeben hätten, und am wenigsten der Schwiegersohn in einem vertrauten Schreiben gerathen haben würde, vor dem Zuge nach Rom mit der hohenstaufischen Partei Frieden zu schließen. Die Gründe Lothar's zu seiner beharrlichen Weigerung finden wir nirgends angegeben. Aber sie lassen sich von selber erklären. Zwei Grundsatze treten in Lothar's Regierung ganz unabweislich hervor, und auf sie ist eine so feste, konsequente Politik gebaut, wie sie keiner der fränkischen Kaiser vor ihm, noch einer der Hohenstaufen nach ihm behauptete, und zugleich bilden sie den ganzen Gegensatz seiner Maximen zu der freilich oft veränderten und durch die entgegenwirkenden Kräfte mehr als durch die eigene Kraft bestimmten Regierungsweise Heinrich's V. Einträchtiges, offenkundiges Zusammenwirken mit der Kirche nach den bisher sanktionirten Rechten der kirchlichen und weltlichen Gewalten im Reiche heißt der eine Grundsatz; der zweite unbedingte Unterwürfigkeit der Reichsglieder unter das Reichsoberhaupt in allen diesem zuständigen Foderungen. Wie Lothar es fühlte, daß der Königsgewalt von der Kirche manches Recht zum Nachtheil des Reiches entzogen sei, beweist sein Versuch in Lüttich, die Investitur der Bischöfe wieder zu erlangen. Doch nur als einen Beweis persönlichen Vertrauens vom Papste sie zu erbitten, nicht als zuständiges Recht sie zu fodern, war seit dem wormser Concordat dem deutschen Könige gestattet. Darum als die Hohenstaufen Letzteres thaten, war der unheilvolle Zwiespalt zwischen Reich und Kirche die natürliche Folge. Welche Uebel aus diesem Zwiespalt hervorgegangen,

 

 

____

217 Lothar's Maßregeln vor Antritt des Römerzuges.

 

daß er zum Nachtheil des Reiches ausschlagen müsse, hatte Lothar freilich besser als die späteren Hohenstaufen kennen gelernt. Nur wenn mit vereinter Reichskraft den Anmaßungen der Kirche begegnet werden konnte, war ein Sieg möglich. Solche Vereinigung zu bewirken, erkannte Lothar für die Hauptaufgabe seiner Regierung. Dann aber mußte die Kirchengewalt unangetastet bleiben, und wenn es irgend ohne Nachtheil möglich war, zum Verbündeten der Krone gegen trotzige Reichsglieder gemacht werden. Die Hauptschwierigkeit dieser Aufgabe lag darin, zu verhindern, daß nicht, wie unter Heinrich V., die Kirche mit den widerspenstigen Reichs-Vasallen gegen die Krone sich verbände. Zu fürchten war diese Gefahr allerdings weniger, seitdem für die Kirche selbst eine Gefahr aus der Uebermacht und Unabhängigkeit der weltlichen Fürsten entstanden, die schon, um ihr zu begegnen, Calixtus und Heinrich zu einem engen Anschlusse bewogen und zu einer völligen Umgestaltung der früheren Verhältnisse geführt hatte. Was Heinrich die Nothwendigkeit vorgeschrieben hatte, zeigte sich bei Lothar als freie Wahl; daher das Vertrauen der Kirche zu ihm wuchs, und als sie vollends durch das Schisma des Papstthums genöthigt wurde, sich in seinen Schutz zu begeben, ihre Dankbarkeit den König sicher stellte, daß sie nie seinen Gegnern die Hand bieten und wider ihn feindlich auftreten werde. So nach der einen Seite gegen die Kirche sicher gestellt, konnte Lothar nach der andern gegen die Fürsten sich frei bewegen und nach dem gefaßten Grundsatz konsequent verfahren. Für die Ausübung desselben sprechen der Beispiele genug. Rainald von Burgund, Gottfried von Löwen, der Herzog von Niederlothringen, Gebhard von Geldern, Hermann von Winzenburg, Markgraf Albrecht der Bär hatten mit Verlust ihrer Reichslehen und Würden die Widerspenstigkeit oder andere Vergehen, die der Ehre der Krone zugegen liefen, gebüßt. Die Schuldigsten von Allen nun waren die hohenstaufischen Brüder. Und mit ihnen sollte der König eine Ausnahme machen? Ihnen den unverkümmerten Besitz der Reichslehen und Würden auf ihre Foderung zugestehen? Mit ihnen Frieden und Bündniß schließen, ohne daß sie ihren Trotz, ihre Empörung, ihr Streben, dem Könige die Krone und Herrschaft zu entreißen, gebüßt hatten? Was Friedrich für seinen Bruder Konrad ausbedungen, wissen wir freilich nicht, ohne Zweifel wollte er aber auch ihn in den Vertrag mit dem Könige eingeschlossen wissen und gewiß nicht bot er seinen Arm, um den Bruder in Italien zu bekämpfen, was bei Lothar's Römerzug doch eine Hauptabsicht war. Endlich: warum sollte der König einen Vergleich mit dem widerspenstigsten

 

 

____

218 Dritter Abschnitt.

 

aller Reichsfürsten schließen, den er jetzt nach Abwendung der Gefahren in Sachsen und Baiern gemeinsam mit seinem Schwiegersohne, unterstützt von ergebenen Kirchen- und Reichsfürsten, mit einer größeren Macht als je angreifen und, wie zu erwarten stand, erdrücken konnte? Etwa um den Papst sicher nach Rom zu führen? Dies ließ sich nach der Lage der Dinge in Italien erreichen, auch ohne Friedrich von Schwaben von Acht und Bann, die über denselben eitel verhängt worden waren, freizusprechen, ohne ihm Verzeihung, die jetzt Schwäche verrathen hätte, zu gewähren, oder gar mit ihm einen Frieden, ein Bündniß zu schließen, die dem Könige Verpflichtungen auferlegten, statt einen rebellischen Vasallen zu demüthigen. Weder mit der Ehre des Reiches, noch mit Lothar's offenkundigen Maximen vertrug sich, was Friedrich und seine Unterhändler anboten.

 

Hätte es sich bei dem Römerzuge nicht zugleich um die Kaiserkrönung gehandelt, so wäre kaum eine Kriegsmacht nothwendig gewesen, um Innocenz II. den Weg nach Rom zu bahnen. Die Lombarden waren wie immer unter sich zerfallen, die Mehrzahl ihrer Städte und der Bischöfe Oberitaliens erkannten Innocenz für den rechtmäßigen Papst. Der Schattenkönig Konrad vermochte kaum seine Existenz zu behaupten, wie viel weniger mit Nachdruck einem Papste entgegenzutreten, der ihn gebannt und Lothar als einzigen Herrn des deutschen Königsthrones, weil er den wirklich besaß, betrachtet hatte. Konnte Rom sich lange dem Kirchenhaupte widersetzen, für das die ganze übrige Christenheit sich entschieden hatte? Wie vormals Calixtus II. nach der rheimser Synode hätte Innocenz II. abermals nach einer rheimser Synode aus Frankreich seinen Zug nach Rom wagen dürfen und fast noch unter glücklichern Verhältnissen; denn damals war ein vom römisch-deutschen Kaiser erhobener und beschützter Papst im Besitz von Rom und Petri Stuhl, was mindestens doch die Gefahr aufwog, die gegenwärtig aus der Verbindung der Normannen mit dem Gegenpapst Anaclet sich Innocenz entgegenstellte.

 

Wenn Lothar nicht mit Friedrich von Schwaben einen Vergleich oder ein Bündniß schließen, wenn er denselben vielmehr nachdrücklicher als je zuvor angegriffen wissen wollte, daneben aber auch seiner Verpflichtung gegen den Papst nachzukommen und für sich die Kaiserkrone zu erwerben gedachte, so mußte er sich begnügen, statt im Glanze früherer Könige, die auf dem Römerzug die ganze Reichsmacht, zahlreiche Fürsten und Prälaten, Ritter und Mannen in gedrängten Scharen sich nachfolgen ließen, mit einer kleinen Kriegsmacht,

 

 

____

219 Lothar's Maßregeln vor Antritt des Römerzuges.

 

wie sie zur Abwehr etwaniger Feinde auf dem Wege bis Rom und in dieser Stadt erfoderlich waren, über die Alpen zu ziehen. Die Erfahrung früherer Zeiten lehrte, daß nicht selten von den Prunkheeren der deutschen Könige der größere Theil ein Opfer des ungewohnten Klimas, von Seuchen, Hungersnoth aufgerieben, daß entweder Deutschland durch die Ausrüstung desselben erschöpft oder Italien durch den erzwungenen Unterhalt so vieler Fürsten, Prälaten, Ritter und Reisigen belastet worden war; andererseits hatten Heinrich IV. und V., weil sie in Deutschland ihre Streitkräfte nicht theilen durften, im Vertrauen auf die ihnen zugethane Partei in Italien - und eine solche hatte jeder zu erwarten - mit mehr Glück ihre Unternehmungen gekrönt gesehen, wenn sie nu mit einem kleinen Gefolge die Alpen überstiegen, als bei Heereszügen, die sie mit großen Massen dahin antraten. Bei der Wahl, die Lothar gelassen war: entweder nach einem wenig rühmlichen Vergleich mit Friedrich an der Spitze eines großen Heeres in Italien aufzutreten, oder mit einer kleinen, aber erlesenen Schar den Weg nach Rom sich zu bahnen, bestimmte ihn für Letzteres noch die Erwägung, daß er in Gemeinschaft mit einem Papste den Zug mache, dessen Ankunft in Italien Tausende ersehnten, der also durchaus als die Hauptperson erscheinen werde, für den allein er nur ein zahlreiches Heer aufgeboten haben würde, das ihm, dem Könige, keinen Gewinn brächte, sondern dem Papste als ein Ehrengeleit diene, um die Anerkennung, die er außerhalb Italien gefunden, im glänzendsten Lichte den Italienern zu zeigen. Endlich vor Innocenz, vor der Kirche, vor der Christenheit stand Lothar gerechtfertigt da, wenn er nur sein Versprechen erfüllte, wenn er es auszuführen selbst in einer Zeit nicht Anstand nahm, wo noch ein Hauptgegner in Deutschland den Aufschub entschuldigt haben würde. Am Besten rechtfertigte den König der Erfolg seines Römerzuges selbst.

 

Um diesen Zug ohne Gefahr für das Reich, ohne Nachtheil, der aus seiner längeren Entfernung entstehe, anzutreten, mußte Friedrich von Schwaben nicht nur die Aussicht benommen werden, daß ihm daraus kein Vortheil erwachse, daß ihm zur Versöhnung des Königs nur der einzige Weg unbedingter Unterwerfung offen bleibe, sondern es mußten auch gegen diesen und gegen jeden Feind des Reiches von Seiten der Fürsten Maßregeln getroffen werden, die während der Abwesenheit des Reichsoberhauptes einen guten Erfolg verbürgten. Da nicht Allen zu trauen war, die sich Getreue des Königs nannten, da mancher misvergnügt oder in einem gespannten Verhältnisse mit Lothar zurückblieb, so ging diese Sorge

 

 

____

220 Dritter Abschnitt.

 

dahin, die zuverlässigen Freunde und Anhänger jenen zur Seite zu stellen oder in ihrer Nähe zu lassen, damit jeder Zweideutige bewacht oder in nachtheiligen Unternehmungen behindert sei. Keiner von den westlichen Fürsten jenseits des Rheins, die noch mit geächteten, entsetzten Reichsfeinden zu kämpfen hatten, wurde zum Römerzuge aufgefodert. So übernahmen Walram in Niederlothringen, Konrad von Zähringen in Burgund, Simon von Oberlothringen, der mit dem Elsaß belehnt worden, keine andere Verpflichtung als die, welche ihnen bisher auferlegt war. Ob Adalbert von Mainz sich schon zu schwach zu der Heerfahrt gefühlt, ob Lothar ihn, dessen Name in Italien keinen guten Klang hatte, absichtlich zurückließ, mag dahingestellt bleiben; daß Bruno von Köln, dem das Kanzleramt in Italien zukam, nicht mitzog, könnte befremden. Vielleicht wollte Lothar durch ihn Adalbert die Hände binden, falls dieser den Hohenstaufen, oder Rainald von Burgund, oder Gottfried von Löwen, oder sonst einem Widerspenstigen oder Zweideutigen sich dienstfertig zeigen wollte. Mit dem Amte des Kölners ward Norbert von Magdeburg bekleidet 1), und diesen Getreuen hatte Lothar lieber an seiner Seite, um ihn als Mittler zwischen Reich und Kirche bei etwaigen Collisionen in Italien zu gebrauchen, als daß er ihn in Sachsen zurückließ, wo des Mannes Strenge und schon seine fremde Abkunft leicht zu neuen Empörungen und Meutereien während seines Beschützers Abwesenheit Anlaß geben konnte. Mit Anordnung der inneren Reichsangelegenheiten und den Vorkehrungen zur Romfahrt, die erst nach den in Italien so gefährlichen heißen Monaten und nach der Ernte angetreten werden sollte, sehen wir bis zu dieser Jahreszeit den König beschäftigt und zu Hoftagen nach Bamberg (2. Februar), Aachen (vor und zu Ostern), Fulda (um Pfingsten) und Würzburg (15. August) die Fürsten um sich versammeln 2). Zu Aachen verzieh er dem Erzbischof Albero von Trier, daß dieser vor Empfang der königlichen Investitur die Weihe angenommen,

 

1) Ann. Saxo ad 1132: Quia Coloniensis abfuit, qui prisco solebat jure Cancellarius in illis esse partibus Norbertus Magdeburgensis Archiepiscopus huic officio deputatus est. Demnach ist Albericus ad 1132 wol falsch berichtet, wenn er schreibt: Cum eodem Lothario Romam abiit Bruno electus Archiepiscopus Coloniensis. Auch war dieser schon geweiht.

2) Ann. Saxo ad 1132: Rex Purificationem S. Mariae Babenberg celebrat. - Rex Aquis Pascha et Pentecosten in Fuldensi Monasterio celebravit. - Rex Lotharius celebravit Assumptionem Mariae in Wirceburg. S. auch Ann. Hildesh. und wegen Aachen Miraeus op. dipl. I, 95 und gesta Archiep. Trev. bei Martene IV, 198.

 

 

____

221 Lothar's Maßregeln vor Antritt des Römerzuges.

 

wovon früher schon die Rede gewesen ist 1). Gegen den Mann, der in der Folge durch seine Ränke Lothar's höchsten Wunsch, seinem Schwiegersohne die Krone zu vererben, vereitelte, mochte Lothar damals schon eine Abneigung hegen, gern doch gab er der Vorstellung der Fürsten, den Versicherungen Albero's, nur gezwungen dem Papste gewillfahrtet zu haben, nach, und erwartete dafür seine thätige Mitwirkung in Reichsangelegenheiten. Doch schon der erste Schritt Albero's, nachdem er mit den Regalien belehnt worden war, verrieth wenig Rücksicht für den König, wie dieser sie von einem Manne, der eben für einen Verstoß seine Gnade erhalten hatte, wol erwarten durfte. Der Stiefbruder Lothar's, Herzog Simon, hatte der Kirche des h. Deodat im Erzbisthume Trier vormals Unbilden erwiesen, die des neuen Erzbischofs Zorn in hohem Grade erregten. Eine Beschwerde, eine Auseinandersetzung der Schuld vor dem Könige und den versammelten Fürsten, eine gefoderte Genugthuung würde gewiß die Sache zur Ausgleichung gebracht haben. Denn nirgends versagte Lothar der Gerechtigkeit, nirgends einer gegründeten Beschwerde Gehör. Statt aber bei dem

 

1) Gest. Arch. Trev. a. a. O.: Cum Adalbero praedictus Archiepiscopus venisset Aquisgrani ad curiam Imperatoris, Lotharius Rex noluit eum in vestire regalibus eo quod ante recepisset consecrationem episcopalem quam suam requisivisset investituram. Et omnino, ut credebatur, rex se ei opposuisset, nisi quod ipsum talem virum esse sciebat, qui facile totum mundum sui imperii contra ipsum commoveret. Ihn unschädlich zu machen, erfoderte zur Zeit, als Lothar Deutschland verlassen wollte, und gegen einen Mann, der in der That eine hinreißende Gewalt bewährt hat, die Klugheit. Unde et levem satisfactionem ab ipso recepit. Cum enim ex communi consilio Principum (und es war von Lothar sehr wohl gethan, diese zu befragen, ja ihnen die Entscheidung zu überlassen) juramentum regi obtulisset, quod non ad diminutionem sui honoris hoc factum esset, sed a Domino Papa coactus ad consecrationem accessisset, Dominus Rex juramentum ei remisit et regalia sceptro regni ei concessit. Der Eid der Rechtfertigung war überflüssig, sobald Lothar ihm verzieh. Der König wollte darauf nichts geben, sondern aus Großmuth das früher Verweigerte ihm zugestehen. Eine andere Frage ist, ob die ganze Sache sich verhalte, wie hier berichtet wird. Wenigstens streitet dagegen Dodechin's Angabe ad 1131: Rex Nativitatem Domini Coloniae celebravit, ubi constituti sunt Archiepiscopi Bruno Coloniensis et Adelbertus qui mox consecrati sunt a Wilhelmo Praenestino Apostolici Legato. Und warum sollte nicht zu Köln der König den Streit wegen des trierschen Erzstiftes erledigt haben, indem er Albero's Wahl anerkannte, aber eine neue Weihe nach der weltlichen Belehnung, die er selbst ertheilte, verlangte? Zu Aachen konnte beides geschehen, und der König mehr eine Rüge gegen Albero auslassen, als eine Genugthuung fodern, denn die Sache war mit dem Papste, nicht mit ihm, abzuthun.

 

 

____

222 Dritter Abschnitt.

 

Reichsoberhaupte und den Reichsfürsten Klage zu führen, wählte Albero den Weg kirchlicher Strenge, wie sie nur im äußersten Falle gegen Kirchenräuber und Frevler angewendet zu werden pflegte. Als die Osterfeier zu Aachen beginnen sollte, der auch Simon beiwohnte, trat der erzürnte Priester auf, erklärte den Herzog für einen Gebannten - vielleicht mit Grund, doch gewiß nicht mit schonender Rücksicht gegen die hohen Anwesenden - und bestand darauf - was ihm nicht verweigert, von ihm aber schicklicher Weise nicht gefodert werden durfte - daß derselbe während des Gottesdienstes die Kirche verlasse 1).

 

Dergleichen Ereignisse störten indeß weder das gute Vernehmen zwischen Lothar und der Kirche, noch brachten sie nachtheilige Folgen anderer Art hervor. Unablässig ordnete Jener die Reichsangelegenheiten, um nach Beseitigung oder Abstellung aller Hindernisse die Fahrt nach Italien anzutreten. Das Reichsverweseramt übertrug er natürlich keinem anderen als den er zum Erben seiner Macht und Krone bestimmt hatte. Bald nach dem aachner Reichstage schrieb er an Heinrich von Baiern den früher angedeuteten Brief 2): „Auf Bitten des Papstes Innocenz habe ich, wie Du bereits in Aachen vernommen, Mitte August nach Italien zu gehen beschlossen. Da ich Dich, den Gemahl meiner geliebten Tochter Gertrud, wie meinen eigenen Sohn betrachte, so will ich Deiner Treue die Beschirmung des ganzen Reiches anvertrauen; und nun siehe, daß Du dasselbe

 

1) Wiederum nur nach Gesta Archiep. Trev. a. a. O.: In eadem curia quoque Lotharingiae Ducem Simonem fratrem Regis excommunicatum pronuntiavit et in die Sancto Paschae, dum legeretur evangelium eum exire Ecclesiam compulit. Ueber die Aufhebung des Bannes s. Mansi XXI, p. 480.

2) Was Hansitzius histor. eccles. §. 62, p. 233 und daraus Mascov. comment. p. 327 ff. geben, ist nur ein Auszug des Briefes. Vergl. Luden X, S. 569, Anm. 16 und die Note bei Mascov. p. 328 wegen der Zeit, in welche der Brief des Königs und die Antwort Heinrich's zu setzen sind. Nur einen kleinen Theil des Schreibens gibt Hansitzius mit des Königs eigenen Worten: Dederat antea literas Lotharius ad Henricum Bavarorum Ducem generum suum, quibus ait, se vocatione Domini Apostolici Innocentii in Italiam mediante Augusto ire proposuisse, ut eidem Duci apud Aquisgranum Palatium jam dixerat. Wir haben im Text daraus eigene Worte Lothar's gemacht. Was folgt, gibt auch Hansitzius und Mascov als des Königs wörtliche Aeußerung. Von Heinrich's Antwort ist meist nur der Inhalt gegeben, doch wird mitunter mit einem inquit die oratio recta eingeleitet. Wir wählten, da einmal das Original uns fehlt, die Uebersetzung Luden's. Wir bedauern mit ihm, daß weder v. Raumer, noch einer, der an Ort und Stelle die Originale einsehen konnte, diese veröffentlicht hat. Denn wenn auch an der Aechtheit Niemand zweifeln wird, ist doch ihr Abdruck wegen der historischen Wichtigkeit höchst wünschenswert.

 

 

____

223 Lothar's Maßregeln vor Antritt des Römerzuges.

 

kräftig schützest, vornehmlich gegen Friedrich, der, obschon Dein Verwandter, gegen mich aber so feindselig gesinnt ist. Zwar hat er, wie ich Dir nicht verhehlen will, demüthige Worte hören, auf Bündniß und Frieden antragen lassen, und solches durch die Erzbischöfe von Mainz und Köln, durch die Bischöfe von Speier und Regensburg und andre meiner Getreuen mir kund gethan. Aber mit der Ehre des Reichs verträgt es sich nicht, jetzt ihm zu willfahren. Darum ermahne ich Dich, geliebtester Sohn, sei tapfer wie Judas Makkabäus gegen Nicanor, schlage ihn zu Boden, damit Du, wie der Erbe meiner Liebe, so der Erbe des Reiches werdest. Ferner sage ich Dir, sei bereit, am heiligen Pfingstfeste zu mir zu kommen; an demselben gedenke ich mit den Fürsten und lieben Getreuen einen Hoftag zu halten und wegen der beabsichtigten Fahrt Deinen und ihren Rath einzuholen.“

 

Heinrich antwortete seinem Schwiegervater: „Nichts scheint mir hart, nichts schwer, wenn ich Deine Befehle auszuführen vermag. Aber allzuschwer scheint mir doch, den Krieg gegen Friedrich zu übernehmen, der mich stets wie einen Bruder geliebt hat. Deswegen bitte ich Dich, mit demselben einen Frieden vor dem Zuge nach Rom abzuschließen, wenn es anders mit Deiner und des Reiches Ehre möglich ist. Sollte es aber nicht möglich sein, so will ich Deinen Auftrag erfüllen, ich will den Kampf gegen ihn eingehen, ich will das Reich wider ihn vertheidigen, damit Du dasselbe bei Deiner Rückkehr nicht in einem schlechtern Zustande findest. Das eine jedoch erlaube mir zu bemerken: suche Dich sobald als möglich mit dem Herzoge von Böhmen und mit den Söhnen des Markgrafen Leopold zu verständigen und beweise Dich gegen sie wohlwollend; denn auf den Rath derselben achtet Friedrich mehr als auf den Rath irgend eines anderen Menschen. An dem bestimmten Tage werde ich, wenn ich lebe, mit meinem Bruder und mit dem frommen und getreuen Erzbischof Konrad von Salzburg bei Dir erscheinen. Uebrigens bitte ich Dich, öffne dem Erzbischof von Mainz nicht Dein ganzes Herz, aber stelle Dich, als liebtest Du ihn am meisten. Denn er spricht zu Dir arglistige Worte des Friedens, und seine Gesinnung ist Dir abgewendet. Er hat Honig im Munde, aber Galle im Herzen. Lies diesen Brief im Geheimen und wirf ihn nach dem Lesen ins Feuer.“

 

Dieser vertraute Briefwechsel des Königs mit seinem Schwiegersohne, an dessen Aechtheit wol Niemand zweifeln darf, verbreitet über die Gesinnungen und Ansichten der Schreibenden, wie über die inneren Verhältnisse des Reichs und mehre bedeutende Personen

 

 

____

224 Dritter Abschnitt.

 

ein helleres Licht als es die Geschichtschreiber jener Zeit vermögen. Daß Heinrich die Nothwendigkeit, den Kampf mit den Hohenstaufen fortzusetzen und von ihnen nicht abzulassen, bis sie gänzlich gedemüthigt seien, weniger erkannte als Lothar, ist nicht zu verwundern, da die Consequenz der Maximen dieses auch dem Eidam selbst noch nicht deutlich geworden war und er mit jugendlichem Sinn nur immer den nächsten Zweck im Auge hatte, während Lothar über Das, was ihm die Gegenwart zu thun gebot, nie das fern Liegende, nie die Folgen, die aus seiner Handlungsweise entstehen konnten, übersah, und um sein Ziel, das er sich gesteckt, zu erreichen, den Schimmer einer glänzenden Romfahrt nicht der Beeinträchtigung seiner wahren Würde vorzog. Daß Heinrich überdies aus Verwandtschaftsrücksichten, aus Zuneigung zu dem Schwager, zu dem Jugendfreunde, Alters- und Kampfgenossen ungern an einen Krieg, man kann sagen, um Ehre und Gut, gehen wollte, macht seinem Herzen ebenso viel Ehre als der unbedingte Gehorsam, den er dem Könige und Schwiegervater an den Tag legte, sein Pflichtgefühl beweist. Jenes schlägt die falschen Gerüchte von dem angeblich bei Kloster Zweifalten verübten Verrath gegen Friedrich von Schwaben nieder, dieses den Zweifel einiger Geschichtschreiber an Heinrich's Willfährigkeit und rechtem Eifer für Lothar's Zwecke. Wenn er bisher dabei weniger mitwirkte, als der König wünschte und erwartet hatte, so lag dies in den wiederholten Empörungen der baierischen Großen.

 

Wie sehr das Schreiben Herzog Heinrich's über den Erzbischof Adalbert, der in den Annalen der Geschichtschreiber fast verschollen ist, Aufschluß gewährt, bemerkten wir schon früher. Gewiß ließ der König die Warnung und den Rath seines Eidams nicht ungenutzt, und weil er ihn befolgte, ja wol immer nur mit rein äußerlicher Hochachtung dem Erzbischofe begegnet war, kam es zwischen Beiden nie zu einem Bruche, und Friedrich von Schwaben hatte wenig Gewinn davon, daß Adalbert der Oheim seiner Gemahlin war. Daß Markgraf Leopold und seine Söhne mit den Hohenstaufen in naher Verbindung und dem Könige abgewandt standen, wird durch Heinrich's Aeußerung bestätigt, ist aber auch sonst bekannt 1). Mehr

 

1) Als Markgraf Leopold 1136 starb, kurz ehe Lothar den zweiten Römerzug antrat, bat die Markgräfin den Papst, den Kaiser ihr und ihren Söhnen versöhnlicher zu stimmen. Das mußte ein tiefgewurzelter langgenährter Groll sein, der die Frau bewog, einen so mächtigen Fürsprecher zu suchen, ehe sie sich an den Kaiser selbst wandte. Von der Sache später.

 

 

____

225 Lothar's Maßregeln vor Antritt des Römerzuges.

 

befremdet die Freundschaft zwischen Sobislav von Böhmen und Friedrich, da ersterer doch seit 1126 sich als ein ergebener Bundesgenosse des Königs bewährt und zweimal gegen Nürnberg, die hohenstaufisch-gesinnte Stadt, seinen Arm zum Beistande geliehen hatte. Ein persönliches Zusammentreffen der beiden Herzoge ist seit dem Jahre 1123, wo Sobislav vor seinem Bruder Wladislav aus Böhmen entweichend, an Kaiser Heinrich's V. Hof Schutz suchte, nicht denkbar. Daß indeß den Hohenstaufen viel daran gelegen, dem Könige an der Ostgrenze Sachsens einen Gegner zu erwecken, begreift man wol. Wahrscheinlich machten die östreichischen Fürsten die Vermittler zwischen Sobislav und Friedrich. Wenn sich übrigens in Rath und That die Herzoge von Schwaben und Böhmen und die Markgrafen von Oestreich enge verbanden, so war Heinrich von Baiern am meisten bedrängt und seine Scheu, mit Friedrich zu brechen, wohl begründet, weil er dann von Sobislav und dem Hause Leopold's von Oestreich ebenfalls bedroht werden konnte. Da indeß trotz der bald darauf beginnenden Fehden zwischen Friedrich und Heinrich die baierische Grenze weder von Böhmen noch von Oestreich gefährdet wurde, so ist zu vermuthen, daß der König auf den Rath seines Eidams Vorkehrungen getroffen, solches zu verhüten, und an Sobislav neue Gunstbezeugungen gespendet, gegen das östreichische Fürstenhaus mehr Gunst und Huld als vorher bewiesen habe.

 

Wie thätig, wie umsichtig aber auch Lothar und Heinrich waren, Alles zu ordnen, zu schlichten, zu entscheiden, was in Vorschlag gebracht, was an Beschwerden einlief, was Klagen veranlaßte, reichten die Reichstage in Fulda und Würzburg nicht hin, selbst wenn die Fürsten daselbst ihren Rath und bereitwilligen Beistand dem Könige nicht entzogen. Da indeß Lothar den Römerzug als keine großartige Unternehmung, als keine bedeutende Unterbrechung der bisherigen Staatsgeschäfte angesehen wissen wollte, so verschob er Vieles, und auch wol Dinge von Wichtigkeit, bis zu seiner Rückkehr, oder verwies die Erledigung an seinen einstweiligen Stellvertreter. Auch hoffte er, wenn er mit erhöhter Würde als Kaiser heimkehre, Manches leichter zu beenden, die Gemüther versöhnter und, um des Reiches neuen Glanz aufrecht zu erhalten, die Fürsten bereitwilliger zu finden. Wenn Misvergnügte indeß behaupteten, Lothar habe nichts seiner königlichen Würde Geziemendes gethan, so darf nur aus einer gänzlichen Verstimmung eine solche Stimmung hergeleitet oder einer späteren den Hohenstaufen huldigenden Parteiansicht ein solches Urtheil beigemessen

II. 15

 

 

____

226 Dritter Abschnitt.

 

werden 1). Daß die Ruhe Deutschlands während Lothar's Abwesenheit nicht weiter gefährdet wurde, als soweit es die Fortsetzung des von ihm selbst angeordneten Kampfes gegen Friedrich von Hohenstaufen oder die Fortsetzung der Kriege in Lothringen, Burgund und Elsaß zwischen den abgesetzten und eingesetzten Fürsten es nothwendig machte, daß weder die Ränke eines Adalbert noch die Theilnahme der östlichen Fürsten an Friedrich's von Schwaben Geschick in offene Feindseligkeiten übergingen, daß außer Schwaben die Länder von Krieg und Verheerung verschont blieben, spricht unzweifelhaft dafür, daß Lothar's Thron auf festeren Stützen stand, als der seiner beiden Vorgänger, daß wider die vereinte Macht Sachsens und Baierns kein Fürst ohne Nachtheil zu trotzen wagte, daß endlich Lothar in seinem Eidam einen besseren Reichsverweser zurückgelassen als einst Heinrich V. in seinen Neffen Friedrich und Konrad.

 

1) Ein solches ist das des Anselmus Gemblacensis, das Albericus ad 1132 nachschreibt: Nihil de statu regni, immo omnium rerum querelas in respectu distulit. Diese Worte gibt Albericus zum Reichstage von Aachen. Bei dem kölner hat er vorhin schon bemerkt: (Lotharius) nihil dignum regali serenitate egit. Gerade aber zu Köln und Aachen zeigte Lothar durch seine weise Mäßigung, wie er die schwierigsten Angelegenheiten, strittige Bischofswahlen ohne Nachtheil des Reiches und völlig zu seiner Ehre und zu Beschämung mancher Ehrsüchtigen oder Streitlustigen zu schlichten verstand. Das aber kränkte diese, und sie nannten des Königs Handeln seiner Würde ungeziemend. Auf diese Redensarten sollten neuere Schriftsteller nicht ihr Urtheil über Lothar begründen und der historischen Wahrheit Eintrag thun!

 

 

____

227 Der Römerzug.

 

Vierter Abschnitt.

 

Der Römerzug. Anaclet II. und Roger, König von Sicilien. Die Kaiserkrönung. Rückkehr des Kaisers nach Deutschland. Unterwerfung der Hohenstaufen.

 

Die Stärke des Heeres, mit welchem Lothar Ende August den Zug nach Italien antrat, wird zwischen 1500 und 2000 Rittern angegeben, zu denen allerdings noch ein bedeutender Troß und wol auch leicht bewaffnete Bogenschützen, welche die Städte stellten, hinzugerechnet werden dürfen. Klein bleibt immer diese Macht 1), und daß sie den Italienern, die einen glänzenden Heereszug erwartet hatten, sogar verächtlich erschien, ist begreiflich. Daß Lothar mit ihr gleichwol mehr erreichte, als andere Kaiser mit großen Scharen von Fürsten, Rittern und Reisigen, macht seinem Namen wahrlich keine Schande. Der beste Geist beseelte Alle, weil der Zweck, die Kaiserkrönung des von ihnen geliebten Königs und der diesen begleitenden hohen Frau, der Königin Richenza, die Zurückführung des von der Christenheit anerkannten Papstes auf den apostolischen Stuhl und die Wiedervereinigung des von Deutschland losgerissenen italienischen Reiches ihren Muth erhöhte, ihren Sinn mit Stolz erfüllte, sodaß keiner an dem glücklichen Erfolge zweifelte 2). Von Würzburg, wo der König Lothar den letzten Reichstag hielt, und wo das Heer sich gesammelt hatte, zog Jener durch Franken, dann

 

1) Ann. Bosov., Cont. Pegav., Chron. Big., geben an modicum exercitum Mille scilicet et quingentos tantum armatorum. Chron. Benevent. ad 1133: Imperatorem revera duo tantum millia militum secum duxisse. Andere Schriftsteller sagen nur allgemein cum parvo exercitu. Auch Bernhard von Clairvaux epist. 39 spricht de manu non magna et tantillo exercitu. Dagegen Liber de fundat. Monast. Gozec. p. 117 manu valida Romam intravit.

2) Ann. Bosov. a. a. O.: Rex Lotharius cum Regina Richiza Romam pergit ad visitandum regnum Italicum suoque Dominio mancipandum et ad Papam restituendum in Apostolicam sedem, scilicet Innocentium et ad suscipiendam Imperialem benedictionem - in domino per omnia confisus, quod et rerum probavit eventus. Aehnlich stellen den Zweck des Zuges Cont. Peg., Ann. Saxo, Ann. Hildesh. u. a. m. dar.

15*

 

 

____

228 Vierter Abschnitt.

 

etwa auf der Grenze von Baiern und Schwaben gen Augsburg. Ungern nahm diese Stadt ihn auf, da die Bürgerschaft wie der Bischof Hermann mehr dem Landesherzog zugethan waren. Dies erregte Haß und Reibungen zwischen dem königlichen Heere und den Einwohnern, in Folge dessen ein Theil der Stadt in Flammen aufging, Bischof Hermann und viele Vornehme in Lebensgefahr geriethen und die straffälligsten unter den Bürgern, weil sie den friedlich heranziehenden nicht Böses von ihnen ahnenden, noch Böses gegen sie sinnenden König und seine Begleiter schnöde und feindselig behandelt hatten, als Gefangene abgeführt wurden 1). Wie beklagenswerth das Ereigniß erscheint, die Schuld trifft durchaus nicht den König, dem nur an einem friedlichen Abzuge aus Deutschland, an Ruhe und Ordnung gelegen sein konnte. Der Brand und die Verwüstung wurden gewiß weder von seinen Kriegern, noch von den Bürgern der Stadt, sondern, wie es am wahrscheinlichsten ist, von einer Faktion, die den Zwist Beider veranlaßte, angestiftet. Ob Herzog Friedrich, weil ihm ein vortheilhafter Vergleich, wie er ihn vom Könige vor dessen Römerzug zu erlangen glaubte, fehlgeschlagen war, innerhalb seines Herzogthums Jenem eine Kränkung anthun, ein Hinderniß in den Weg legen wollte und dies durch seine Partei in Augsburg bewirkte, oder ob der Bischof dieser Stadt in geheimem Einverständniß mit des Königs Gegnern eine Meuterei versucht habe, ist nicht mit Gewißheit anzugeben. Daß der König mehr als einen gewöhnlichen Volksauflauf darin erkannt, des Bischofs Leute für mitschuldig gehalten und eine strenge Ahndung der Anstifter für nöthig erachtet habe, wird aus dem Schreiben Hermann's an Otto von Bamberg, trotzdem, daß der Bischof sich in einem sehr reinen, den König in einem trüben Lichte darzustellen, ja ihn in den Augen des frommen bamberger Seelenhirten herabzuziehen sucht, dennoch ersichtlich. „Verwüstet“, schreibt er, „liegt unsere alte, ehrwürdige Stadt, bisher Augustusstadt genannt, nun

 

1) Ann. Hildesh. und Ann. Saxo ad 1132 fahren nach dem Bericht vom Würzburger Reichstage fort: Inde cum exercitu profectus est in Italiam, - - in quo itinere cum ad urbem Augustanam venisset, eam pacifice ingressus est, sed quorundam factione civium seditio contra Regis nomines exorta est, et hac de causa reventino incendio, ut in tali tumultu fieri solet, civitas fere tota conflagravit et multi tam gladiis quam flammis perierunt. Die Ann. Bosov., die Addit. ad Lamb. Schaffn., Cont. Pegav. fügen noch hinzu: Plurimi de civibus captivi abducuntur, eo quod regem ad se pacifice ingressum nilque tale suspicantem bello praesumpserunt lacessere.

 

 

____

229 Der Römerzug.

 

aber besser Angststadt 1) zu nennen. Ein trostloser Anblick, und doch vermag hier Niemand zu trösten, wenn nicht Gott und die Gottesfürchtigen, die um des Herrn willen in Liebe an unserem Leide Theil nehmen, das wir seit dem Einzuge unseres weltlichen Herrn, des Königs, erduldet haben. Wir hofften, er werde uns Frieden bringen, doch weit davon entfernt bracht' er Elend und Noth. Wir suchten unser Heil und siehe, Unheil kam mit ihm zur Strafe unserer Sünden, die wir aber wahrlich nicht gegen ihn begangen, sondern allein gegen Gott verschuldet haben mögen. Denn ihn empfingen wir, die gesammte Geistlichkeit und das Volk, wie es ein König und Gebieter nur verlangen kann, wie einen, in dessen Hand das Reich, die Macht und die Gewalt ruhen, wie einen gerechten, mildherzigen Richter, von dem wir den lange gestörten Frieden zu erhalten hofften. Von den vielen Greueln und Verbrechen, welche begangen worden sind, klagten wir dem Könige und den Fürsten eine kurz vor ihrer Ankunft begangene Frevelthat mit aufrichtigem Bedauern und Thränen, daß einige Nichtswürdige, die jedoch nur der verworfensten Klasse der Bürger angehören mochten, den Bischof von Aqui, den päpstlichen Legaten, der durch unsere Stadt seine Reise zum Könige nahm, fast vor den Thoren, fast vor unseren Augen beraubt hätten 2). Während wir über eine Genugthuung, die wir Reich und Kirche schuldig zu sein erkannten, mit den Fürsten verhandelten, entstand wie von einem bösen Geiste hervorgerufen, auf dem Markte zwischen Käufern und Verkäufern um eine unerhebliche Sache Streit, und als erste Veranlasser desselben wurden des Königs Vertrauten, die in der Vorstadt verweilten, genannt 3). Bald erhob sich in der ganzen Stadt ein Tumult, die Sturmglocke ertönt; die Soldaten des Königs, die Bürger greifen zu den Waffen, Alles stürzt zum Kampf gerüstet herbei, ohne daß einer nur weiß warum. Ein vages Gerücht verbreitet dies und jenes. Der

 

1) Cod. Udalr. Nr. 359. Das Wortspiel im Lateinischen läßt sich nicht wiedergeben. Civitas hactenus dicta Augusta, sed nunc dicenda potius angusta vel angustia.

2) Quod cives nostri quidam exierant a nobis, qui non erant ex nobili semine, nequam, filii scelerati, qui in conductu nostro ac fere in praesentia nostra spoliaverant Aquensem Episcopum, Apostolicae sedis Legatum, per nos Curiam Regis transeuntem.

3) Dum ergo Principes in hoc essent et consilium super his caperent, orta est machinante diabolo subito inter vendentes et ementes quaedam pro vili causa parva seditio primum per secretarios Regis in suburbio.

 

 

____

230 Vierter Abschnitt.

 

König schöpft Verdacht, daß man sein Leben bedrohe 1), und als er die Ritter und Dienstmannen des Kapitels vor der Pfarrkirche bewaffnet stehen sieht, glaubt er, sie seien in einer feindlichen Absicht gegen ihn versammelt, während sie bei Gott an nichts weniger als Verschwörung dachten, sondern bei dem allgemeinen Auflauf gleichfalls herbeieilten, ohne zu wissen, was sie beginnen sollten, wenn auch in Furcht, daß sie in des Königs Gewalt geliefert seien 2). Unterdeß mische ich, ein unwürdiger Diener des Herrn und seiner Kirche, vergessend meine hohen Jahre, nicht der Gefahr gedenkend, allein von zwei Mitbrüdern unterstützt, da die anderen entflohen sind, mich unter den Haufen, zwischen die Kämpfenden, nicht von Schild und Helm gedeckt, doch mit dem heiligen Bischofsgewande angethan und mit dem Kreuze in den Händen. Aber vergebens decke ich mit dem Krucifix meine Brust, um die wilden Kämpfer abzuwehren, die doch als Christen vor dem Bilde des Heilandes Ehrfurcht bezeugen sollten. Auf mich und die Meinen stürzen des Königs Leute und beginnen an einem Sonntage - es war der 28. August - ein gottloses Morden, weder Laien noch Geistliche verschonend, vor und in der Kirche. Bis zum Abend dauert der wüthende Kampf, in welchem Unzählige getödtet, verwundet, gefangen oder auf der Flucht noch um alles Ihrige gebracht werden. Wie durch ein Wunder entkomme ich unverletzt durch die mich umtosenden Waffen 3). Unterdessen sind auch außerhalb der Stadt, wo die Umwohner mit den Kriegern des Königs in gleicher Weise wie die Bürger aneinander gerathen, Kampf, Plünderung, Brand,

 

1) Clamor ingens tollitur, forenses campanae pulsantur, concurrunt cives, conveniunt Regis milites, universi ad pugnam festinant, universi causam pugnae ignorant, unus illud, alter iliud opinatur. Rex ipse necem sibi intentari suspicatur.

2) Qui, quod vere dicimus in Domino, ex nulla conspiratione contra Regem facta convenerant, sed propter tumultum populi inconsulte subito concurrerant, nescientes, quid facerent, cum et ipsi se in manum Regis ex aliquorum machinatione traditos nullatenus dubitarent.

3) Weitläufig malt er seine Flucht aus: Ego vero signum crucis sospes evasi, repens manibus et pedibus inter hostes et pericula, inter enses et sagittas et jacula, quae undique circumvolabant, canos capitis mei et collum et latera et dorsum meum et meorum, qui ne non modo portabant, sed per brachia et crura trahebant, inferentes me per aliud quoddam hostium cum maxima difficultate super altum murum ante summum altare in ipsum scunarium. Ibi ego fusis non modo precibus sed fletibus jacui miserabiliter in sanguine vulneratorum expectans proprii sanguinis effusionem et desiderans mortem.

 

 

____

231 Der Römerzug.

 

Verheerung und alle Frevel im Schwunge 1). Kirchen werden ein Raub der Flammen oder niedergerissen und ausgeleert, Geistliche, Mönche und Nonnen werden beraubt und verjagt, Frauen, die sich in Klöstern und Zellen verborgen, elend hinausgestoßen, Männer und Weiber schamlos entblöst, ihre Kinder getödtet oder gefangen fortgeschleppt. Mit tiefem Seufzen muß ich es aussprechen: der erste Herrscher der Christenheit brachte über Christi Kirche Schmach durch Christi Feinde, wilde Heiden, Böhmen und Slaven, die das Volk Valuwen nennt, die als Verfolger Christi und seiner Kirche allberüchtigt sind. Die Nacht erst machte dem Blutvergießen ein Ende, aber auch während der Nacht schloß das Heer des Königs die Pfarrkirche ringsum ein; ich wurde aus meinem Asyl vertrieben, wieder auf die Straße geschleppt, wo ich lange von Allen verlassen, hülflos dalag, bis endlich Erzbischof Norbert von Magdeburg mich gleich einem Fremden, Unbekannten nur aus Mitleid in seine Wohnung aufnahm. Am Morgen aber ließ der König etliche, so viel er verlangte, aus der Kirche hervorholen und selbst Verwundete in Fesseln abführen 2). Vor der Stadt in der Ebene bezog er ein Lager; doch am dritten Tage kehrte er noch einmal mit Kriegsscharen zurück, ließ alle Befestigungen bis zum Grunde niederreißen, und nachdem Alles ausgeplündert oder von Flammen verzehrt war, zog er, nicht über so viel Elend betrübt, sondern erfreut, am sechsten Tage nach seiner Ankunft weiter. Zwar hatten die Erzbischöfe, Bischöfe und Aebte, auch die Fürsten in seinem Gefolge ihn ermahnt, mit königlichem Sinne wenigstens der Besiegten zu schonen, und nicht, als ob er dem Könige der Könige nachahmen wolle, die Gerechten mit den Gottlosen zu verderben. Aber im Zorn und im Uebermuth seiner königlichen Machtfülle war er nicht eher zu besänftigen, als bis unsere ganze Stadt ohne Urtheil und Recht zerstört und ihr Wiederaufbau unmöglich war 3).“

 

Sieht dieses Bild, das Hermann entwirft, dem milden Könige Lothar ähnlich, dem man oft eine allzu große Schonung gegen die

 

1) Caedes hominum ac pecorum, funesta praedia, funestum incendium sanctuaria profanati sunt.

2) Mane autem facto quoscunque et quotquot voluit de obsessa ecclesia Rex abstraxit, et ut taceamus de caeteris ipsos et vulneratos et omnino desperatos in vinculis secum abduxit.

3) Sed iracundia regalis potentiae non prius mitigata est donec omnis civitas nostra sine judicio, sine justitia funditus destructa et irrecuperabiliter adnihilata est.

 

 

____

232 Vierter Abschnitt.

 

Kirche und zu viel Rücksichtsnahme auf die Vorstellungen der Geistlichen vorgeworfen hat? Gewiß nicht! Aber diese grelle Schilderung von einem anderen Standpunkte betrachtet, den die Chronisten gewähren, zeigt, daß Lothar Vergehen, Empörung, Verrath an jedem Schuldigen ohne Ansehen der Person und des Standes züchtigte. Daß Augsburg schuldig war, wer dürfte es leugnen, auch wenn kein älterer Schriftsteller es bezeugte, und nur der Bericht des Bischofs, der vor Allem seine Leiden in den Vordergrund stellt, auf uns gekommen wäre? Bei dem Kampfe gegen die Bürger und Umwohner, der weder unvorbereitet, noch aus kleinen Händeln entstand, noch ohne kundige Leiter geführt wurde, sondern ein Aufstand, ein Ueberfall, eine Meuterei wenn auch nur einer Partei war, die in der Stadt das Uebergewicht und außerhalb Verbündete hatte, mögen immerhin von den Böhmen 1) und Slaven im königlichen Heere Greuel verübt sein, die den Unschuldigen neben dem Schuldigen trafen, aber daß nicht Mangel an Disciplin, sondern ein streng angeordneter Befehl des Königs, der hier nicht schonen wollte, das Verfahren der Seinen geleitet, bezeugt seine Rückkehr am dritten Tage des Kampfes und die befohlene Niederreißung der Mauern. Welche Züchtigung die mitgenommenen Gefangenen traf, welche Resultate die Untersuchung über den ganzen Vorfall zu Tage brachte, erfahren wir nicht, doch spricht die Angabe der Chronisten für die erwiesene Schuld; die vielfach bewiesene Milde Lothar's läßt Gnade und Verzeihung für die meisten der Gefangenen annehmen.

 

Nach diesem Trauerspiel in Augsburg zog das deutsche Heer über die tridentinischen Alpen durch Tyrol nach der Lombardei 2). Schon als das Gerücht von Lothar's Römerzug hier verbreitet worden war, hatte Konrad, der Hohenstaufe, der fast nichts mehr als den Königstitel in Italien besaß, auf einem anderen Wege unter vielen Gefahren nach Deutschland sich zurückbegeben 3), in der Hoffnung, hier nun während Lothar's Abwesenheit mit besserem Erfolg

 

1) Vertragsmäßig folgten 300 Böhmen dem Könige unter Anführung Jaromir's, eines Sohnes von dem unglücklichen Borivoi. S. Palacky, Geschichte von Böhmen, Thl. I, S. 410.

2) Otto Fris. Chron. lib. VII, cap. 18: Rex militem instaurat, exercitumque, sed parvum per vallem Tridentinum Italiam duxit.

3) Wenigstens läßt Otto von Freis. Chron. lib. VII, cap. 19 und nach ihm Albericus ad 1132 Konrad erst jetzt zurückkehren. Paulo ante Conradus, quia Mediolanensibus constitutus Rex fuerat, paene omnibus suis amissis periculose ad patriam repatriaverat. Ueber die Dauer und das Ende von Konrad's Aufenthalt in Italien ist es schwer, ins Klare zu kommen.

 

 

____

233 Der Römerzug.

 

als früher auftreten und sich als König erheben zu können. Wie ihm und seinem Bruder Friedrich der Reichsverweser Heinrich von Baiern begegnete, werden wir später sehen.

 

Schon vor Ostern des Jahres 1132 war der Papst Innocenz nach Italien aufgebrochen, ein Beweis, wie wenig er in der Lombardei von Anaclet's oder Konrad's Anhängern zu fürchten hatte, die nun vollends kleinmüthig sich zurückzogen oder gänzlich das Feld räumten. Ueberall wurde er mit Ehrenbezeugungen empfangen und hielt zu Placentia eine Synode mit den Geistlichen Oberitaliens 1). In Pisa wartete er die Ankunft Lothar's ab, und begab sich, sobald er benachrichtigt worden, daß Jener den italischen Boden betreten habe, zu ihm in die ronkalische Ebene, wo Beide über die politischen und kirchlichen Angelegenheiten Italiens sich besprachen, und eine allgemeine Versammlung der Großen des Landes, der Prälaten und der Städteabgeordneten beriefen 2). Der König fand sich bis dahin nicht in seinen Erwartungen getäuscht, welche in ihm durch Schreiben aus Italien erweckt worden waren, und in Folge deren er es gewagt hatte, mit einem so kleinen Heere hinüberzuziehen. Nicht nur die Fürsten des Landes bewiesen große Ergebenheit, auch die Städte Novara, Pavia, Placentia, Cremona, Brixia sahen mit Ungeduld seiner Ankunft entgegen, um ihm Beweise ihrer Ergebenheit und Treue an den Tag zu legen, seine Befehle zu erfüllen und seine Gegner, wenn sie ihm trotzten, tapfer anzugreifen 3). Andere gewann

 

1) Baronius ad 1132 p. 267, nach Petrus Cluniac. epist. lib. III. Recedens Gallia venturus Romam transiens per sanctum Aegidium et per Montem Genuae (richtiger wol Geneve) fines Longobardiae intravit et apud Hastam solemnitate Resurrectionis Domini celebrata Placentiam venit. Ibi convocatis Episcopis et aliis ecclesiarum Praelatis tam de Longobardia quam de Ravennatensi provincia et Marchia inferioris partis tertium Concilium celebravit.

2) Baronius a. a. O. nach vetera acta: Interea Rex Lotharius sicut promiserat, in Longobardiam cum exercitu venit et in Roncaliis cum eodem Papa et Longobardis generale colloquium de statu Ecclesiae atque Imperii habuit.

3) Die deutschen Chronisten Ann. Bosov., Cont. Peg., Chron. Samp. sagen kurz: Hinc (von Augsburg) Montana Rex Lotharius transiens omnem Italiam suae ditioni subjicit solis Veronensibus et Mediolanensibus renitentibus. Ueber die im Text genannten Städte hatte der Bischof von Novara an Lothar geschrieben: Cod. Udalr. Nr. 354: Firmiter fidelitatem vestram custodiunt et adventum vestrum unanimiter cupiunt. - Cum inimicis vestris participare nolumus, quorum malivolentiam magnam incurrimus. Quibus penitus resistentes parati sumus, in quibus vobis placuerit servire et jussionibus vestris per omnia obedire.

 

 

____

234 Vierter Abschnitt.

 

Lothar durch seine Leutseligkeit, Freigebigkeit, durch Bestätigung alter Privilegien und Ertheilung neuer. So diente ihm Mantua mit großer Hingebung und Aufopferung, weshalb der König noch auf dem Rückwege als Zeichen der Anerkennung ihrer Leistungen der Stadt besondere Begünstigungen ertheilte 1). Nur Mailand und Verona weigerten sich, die Oberhoheit des deutschen Königs anzuerkennen. Doch hatte Ersteres durch Aufgeben der Sache Konrad's dem Könige bereits einen größeren Dienst erwiesen als alle anderen Städte und verdiente schon darum von Lothar alle Schonung jetzt und zu aller Zeit. Den Trotz und Spott, den die Mailänder, überdies von Anselm gegen den Beschützer Innocenz's angereizt, aus der Ferne ihm bewiesen, konnte er als unschädliche Waffen vorläufig übersehen; weder verfuhr er feindlich gegen die Stadt, noch machte er von dem Anerbieten ihrer Gegner Gebrauch, die gern gegen die stolzen, im Weltlichen und Kirchlichen vom Herkommen abweichenden Mailänder den Kampf begonnen hätten. Es war überhaupt nicht des Königs Absicht, gewaltsam gegen irgend eine Stadt zu verfahren, sondern auf dem Wege der Unterhandlung sie geneigt und dienstwillig zu erhalten; statt der rohen Gewalt, wodurch frühere Kaiser den Haß der Italiener auf sich geladen hatten, suchte er ein geistiges Uebergewicht bei gemeinsamen Berathungen oder bei Verhandlungen mit einzelnen Städten an den Tag zu legen 2). Dies gelang ihm bei den meisten auch vollkommen. Nur wenige verachteten trotzig seine Befehle und erlaubten sich, über sein kleines Heer zu spotten. Daß sie aber jetzt noch für König Konrad, den sie hülflos und in Dürftigkeit hatten abziehen lassen, Treue und Anhänglichkeit bewiesen haben sollten, ist kaum zu glauben, und konnte nur als ein Vorwand ihrer Widerspenstigkeit dienen 3). Lothar ließ sich dadurch nicht irren, sondern behielt allein die versprochene Zurückführung des Papstes und seine Kaiserkrönung im Auge. Weniger als die Italiener mochte freilich Innocenz mit der geringen Streitmacht des Königs zufrieden sein, weil er erwartet,

 

1) Muratori antiquit. I, p. 729 gibt das Diplom, worin es heißt: Ob dignam impensi servitii memoriam.

2) Otto Fris. VII, cap. 18 drückt dies aus: Rex autem plus mente quam milite confidentiam gerens ad urbem usque progreditur.

3) Ebendas.: In multis locis tam amore Conradi quam respectu paucitatis suae ab incolis terrae subsannatus et despectus. In seltsamem Widerspruch mit dieser amor Conradi steht, was Otto selbst von dem ärmlichen Abzug Konrad's sagt.

 

 

____

235 Der Römerzug.

 

dieser werde seinen päpstlichen Anordnungen den nöthigen Nachdruck geben, und alle Widersacher, vornehmlich den Erzbischof Anselm von Mailand, der sich von der römischen Kirche unabhängig gemacht hatte, zum Gehorsam, zur Unterwürfigkeit zurückführen. Indessen gelang doch auch ihm, nachdem er sich vom Könige wieder getrennt und nach Thuscien zurückbegeben hatte, Vieles nach Wunsch. Nicht nur das zur See mächtige Pisa blieb ihm ergeben, auch Genua, jenes Nebenbuhlerin, huldigte ihm, und beide Städte wurden durch seine Vermittlung mit einander ausgesöhnt und zu einer starken Seemacht vereint 1). Am besten hoffte er ihre Handelseifersucht zu beschwichtigen, wenn er in ihrer Kirchenverwaltung ihnen Vorrechte einräumte, die einmal ihre Aufmerksamkeit für ein anderes als das merkantilische Interesse fesselte, die ferner sie in treuer Ergebenheit an den römischen Stuhl knüpften, und die vornehmlich auf Demüthigung und Machtbeschränkung des Erzbischofs von Mailand berechnet waren. Während der Kirche von Pisa eine erweiterte Diöcesenverwaltung über die Insel Sardinien, über das Bisthum Populonium und die drei Bisthümer auf der Insel Corsica zuerkannt wurde, sollte der Bischof von Genua in der Folge nicht mehr dem Erzbischof von Mailand unterworfen sein, sondern als neuer Metropolitan zwei Bisthümer auf dem Festlande unter sich stehen haben, und dazu ebenfalls auf Corsica über die drei Bisthümer gleich dem pisanischen Präsul verfügen dürfen 2), sodaß auf dieser Insel den beiden rivalisirenden Städten Pisa und Genua gleiche und gemeinschaftliche Kirchen- und Handelsrechte zustanden. Natürlich war Mailand

 

1) Vetera acta bei Baron, p. 276: Praeteriens igitur Regem Pontifex et per Montem Bardonis in Thusciam transiens reversus est Pisas, ibique convocatis Genuensibus et receptis ab utraque civitate sufficientibus juramentis, quod de guerra, quae inter ipsas civitates excitabatur, suo deberent sine contradictione stare mandato; praecepit ut de caetero pacem inter se firmam tenerent et custodirent.

2) Vet. acta bei Baron. p. 277: Praesulatum Ecclesiae Pisanae concessit super Sardiniae insulam subjiciens ei et Populonii Episcopum et tres alios Episcopos insulae Corsicae, Aleriensem, Antensem et .... Genuensem vero Episcopum a subjectione Mediolanensis Archiepiscopi emancipavit et specialem de novo Metropolitanum sedis Apostolicae Episcopum constituit, cui Bobiensem Episcopum et Portiniacensem Abbatem, quem creavit Episcopum obedire praecepit. In eadem quoque Corsicae insula tres Episcopos (es sind wol dieselben, die Pisa untergeordnet waren, nicht andere drei zu verstehen, da sechs Bisthümer auf der Insel nicht waren) eidem nihilominus concessit. Diese Bestimmungen fallen zum Theil noch in das Jahr 1132, die Ausführung gehört aber den folgenden Jahren an.

 

 

____

236 Vierter Abschnitt.

 

über die päpstlichen Bestimmungen und die Beeinträchtigungen ihres Erzbisthums sehr erzürnt, und gegen Papst und König zugleich die Waffen zu erheben entschlossen. Doch daß es Letzteren nicht in seine Thore einzulassen sich verschwur, war eine eitle Prahlerei, denn den Weg nach Thuscien und Rom, den einzigen, den er verfolgte, verlegten sie ihm dadurch nicht. Lothar legte ihn zwar nicht ohne Mühe und Beschwerden, aber ohne Gefahr und feindlichen Widerstand zu Anfange des Jahres 1133 zurück, nachdem er das Weihnachtsfest in der medicäischen Villa bei Bologna gefeiert hatte 1). Zum zweitenmale kamen zu Calcinoja auf pisanischem Gebiete König und Papst zusammen und hielten eine neue Berathung über ihre ferneren Unternehmungen 2). Rom blieb natürlich das gemeinschaftliche Ziel; wie aber Beide dahin gelangen wollten, war kein unwichtiger Gegenstand. Ganz gesondert hatten bisher Beide ihr Ansehen geltend gemacht; der Papst dem Könige in weltlichen, dieser jenem in kirchlichen Anordnungen freie Hand gelassen. Wenn nun aber Beide gemeinschaftlich den Weg nach Rom machten, konnte leicht die bisherige Eintracht gestört werden, indem über Vorrang, Wirksamkeit, Rechte und wechselseitige Anfoderungen Zwist oder Eifersucht entstanden wäre. Sehr weislich suchte man dies zu vermeiden, indem beschlossen wurde, daß der König mit seinem Heere die Hauptstraße nach der Stadt verfolgen, der Papst den Weg an der Küste bis Viterbo machen sollte 3), während die vereinte pisanisch-genuesische Flotte von der Seeseite jeden Feind, der die Küste unsicher zu machen versuchte, abwehrte. Die einzige Seemacht, die hier hatte entgegenwirken können, und nach dem Vertrage mit dem Gegenpapst Anaclet es hätte thun sollen, die sicilianische war in einen Krieg im Inneren verwickelt, da die normannischen Fürsten in Unteritalien gegen den neuen König Roger II. sich empört hatten. Es ist um der folgenden Ereignisse willen nothwendig, einen

 

1) Ann. Hildesh., Chronogr. Saxo und Ann. Saxo ad 1133: Rex Natalem Domini in Longobardia apud villam Medicinam dictam celebrat. Sehr richtig weist Mascov. p. 44 nota 7 und in der annotatio II ad res Lotharii p. 329 sqq. die Lesart Leibnitz's und Eccard's Modoetia zurück, sowie er auch mit Muratori die Krönung Lothar's mit der lombardischen Krone richtig widerlegt.

2) Baron. p. 279 ad 1133: Dum haec agerentur Lotharius in Thusciam et apud Calcinarium in territorio Pisano cum eodem (Papa) iterum colloquium habuit.

3) Baron. p. 279 ad 1133: Concordantes igitur, ut ad urbem festinare deberent, Rex per stratam publicam transivit, Pontifex per maritima usque Viterbium.

 

 

____

237 Anaclet II., und Roger II., König von Sicilien.

 

Blick auf die damaligen Verhältnisse der Normannen in Unteritalien und Sicilien zu werfen.

 

Die vielfach getheilte Herrschaft der normannischen Ansiedler und Eroberer hatte unter Roger II., der 1101 seinem Vater Roger I, dem Eroberer von Sicilien, gefolgt war, sich zu einer Gesammt-Monarchie vereint, seit im Jahre 1127 mit Wilhelm, dem Enkel des berühmten Robert Guiskard, der das Haus des Tancred Hauteville zum mächtigsten und zur Oberherrschaft über alle Fürsten Unteritaliens erhoben hatte, jener Zweig ganz ausstarb und der Beherrscher Siciliens auch die Besitzungen auf dem Festlande erbte. Roger II. besaß treffliche Eigenschaften. Schon sein Aeußeres gab den geborenen Herrscher kund, nur war seine Strenge oft Grausamkeit, und Geldgier beherrschte allzusehr seinen Sinn. Die Vasallen und die wenigen noch in einer größeren Unabhängigkeit lebenden Fürsten Unteritaliens fürchteten und haßten ihn zugleich, und Papst Honorius II. zürnte ihm, weil er Besitzungen des römischen Stuhles an sich gerissen und nicht die schuldige Oberhoheit der Kirche, die seit Gregor VII. den Normannen aufgedrungen war, anerkannte. Gestützt auf den Bann des Papstes und auf irdische wie himmlische Hoffnungen, die derselbe erweckte, erhoben sich die Großen des Festlandes gegen Roger. Da dieser sich aber auf keine Schlacht einließ, sondern auf uneinnehmbaren Burgvesten sich vertheidigte, sodaß ihm nichts abzugewinnen war, suchte Honorius auf friedlichem Wege zu erlangen, was er durch Bannstrahl und den Beistand der Barone nicht erreicht hatte. Gegen Verzichtleistung auf Benevent und Capua belehnte er Roger mit Apulien und Calabrien. Nun mußten auch die Vasallen und die feindlichen Städte sich dem mächtigen Herrscher unterwerfen. Schon berieth sich Roger zu Salerno mit den Großen und Bischöfen des Reichs, ob er statt des bisherigen Titels Großgraf nicht wie andere Herrscher den eines Königs annehmen sollte, als die einzige Bedenklichkcit, die man noch hegte, ob nämlich der Papst dazu seine Einwilligung geben werde, durch den Tod Honorius' II. und das darauf erfolgende Schisma gehoben wurde, indem Anaclet II., der sich in Rom zwar behauptete, aber die Anhänger Innocenz's zu fürchten hatte, Roger zu gewinnen suchte und deshalb bereitwillig dessen Wünschen entgegenkam. Für den Beistand, den dieser dem Papst aufs Heiligste zusagte, wurde seine Königswürde von der Kurie in Rom anerkannt und die päpstliche Belehnung nun auch auf Capua und Neapel ausgedehnt. Zu Palermo wurde von einem Kardinal und Graf Robert von Capua Salbung und Krönung unter großem Gepränge und Jubel des Volks

 

 

____

238 Vierter Abschnitt.

 

vollzogen (um Weihnachten 1130) 1). Bald aber regten des Königs Härte und Willkür auf der einen Seite, auf der anderen Haß und Neid der Großen gegen das Haus Tancred's von Hauteville, das aus dem Stande der Dienstmannen und Lehnsträger zu Gebietern des Landes sich emporgeschwungen hatte, zu neuem Bürgerkriege auf. Noch ehe Lothar seinen Römerzug antrat, erfochten die drei verbündeten Fürsten, Rainulf von Avellino, Robert von Capua, Sergius von Neapel, einen Sieg gegen Roger bei Nuceria (25. Juli). Auch diese Nachricht bestärkte den deutschen König in dem Vorhaben, ohne in die deutschen Verhältnisse zu seinem Nachtheil einzugreifen, ohne den Hohenstaufen Zugeständnisse zu machen, mit einer kleinen Heeresmacht nach Italien zu gehen 2), da nun der einzige Vertheidiger Anaclet's, der noch zu fürchten war, zu Boden geworfen sei. Wol in Oberitalien, wenn nicht schon von Deutschland aus trat Lothar mit den Siegern von Nuceria in Verbindung. Er beschied sie nach Rom zu einer Zusammenkunft, wohin er und der Papst noch vor Ostern sich einfinden werden.

 

Daß die Ankunft des Papstes Innocenz in Oberitalien, die fast allgemeine Anerkennung, die derselbe dort fand, ebenso sehr als die Niederlage Roger's auf die Römer wirkten und sie in ihrer Anhänglichkeit und Treue gegen Anaclet wankend machten, ist außer Zweifel. Letzterer besaß jetzt auch nicht mehr die auf die Menge wirksame Gewalt des Goldes; denn die zusammengehäuften Schätze seines Vaters waren schon bei seiner Wahl zur Bestechung der Geistlichen, der Edlen und des Volkes darauf gegangen, und die Beute,

 

1) Ob Roger ein oder zweimal gekrönt sei, theilt die Ansichten der italienischen Schriftsteller. S. die nöthigen Nachweise darüber und Ausführlicheres bei Raumer, Hohenstaufen I, S. 373-78.

2) Es ist nicht unwahrscheinlich, daß der König erst auf die guten Nachrichten aus Italien zu einer Heerfahrt mit kleiner Macht, die ihm nun völlig genügend schien, sich entschlossen, während er bis dahin Anstalten zu einer größeren Ausrüstung getroffen hatte. Wäre es ihm darauf angekommen, mit Glanz und Prunk in Italien aufzutreten, so hätte er damals gewiß ein großes Heer und viele Fürsten aus Deutschland mit sich nehmen können. Denn außer Friedrich von Schwaben waren ihm alle Großen des Reichs, und diesen wiederum die kleineren Landesgrafen und Edlen ergeben. Mit Friedrich sich auszugleichen, bot dieser selbst die Hand. Lothar lehnte Alles ab und begnügte sich mit den 1500 bis 2000 Mann, die seinem Zwecke völlig genügten. Alles dies übersehen gänzlich die Geschichtschreiber, die es als einen Beweis von Lothar's schwacher Regierung ansehen, daß er mit so geringer Macht in Italien aufgetreten und dort so wenig ausgerichtet habe. Was er ausrichten wollte, gelang ihm vollkommen, wie die Folge zeigt.

 

 

____

239 Verhältnisse in Rom.

 

welche aus den Kirchen und anderen Heiligthümern genommen worden, hatten nicht lange vorgehalten, mußten zum Theil zur Beschwichtigung der darüber Unzufriedenen, die laut ihn einen Kirchenräuber nannten, wieder, woher sie entwendet worden, zurückgestellt werden, oder wurden selbst von den Anhängern des Papstes als Sündengut zurückgewiesen. Die geheimen oder unterdrückten Freunde Innocenz's durften daher wieder frei sich regen, offener hervortreten und zur Aufnahme des von der übrigen Christenheit anerkannten Papstes ermahnen, der Rom sich nähere, unterstützt von dem Schirm- und Oberherrn der Stadt, dem Könige der Deutschen, der die Kaiserkrone an geweihter Stätte zu empfangen, nicht Tyrannei und Greuel auszuüben über die Alpen gekommen sei. Das veränderliche, wankelmüthige Volk, der Feste überdrüssig, die Anaclet ihnen veranstaltet hatte, die jedoch minder glänzend ausgefallen als man erwartet und nun vollends nicht mehr zu erwarten standen, dachte bald die Pracht sich größer, wenn Innocenz, der von allen Völkern außerhalb Italien und selbst in diesem Lande von den Würdigsten anerkannte Papst in Rom einzöge, sich lebhaft erinnernd an den Triumph, den Jubel, den Enthusiasmus, womit Calixtus II. aufgenommen worden, bald das Schauspiel der Kaiserkrönung, bei der diesmal, weil die schönste Eintracht zwischen dem weltlichen und kirchlichen Gebieter herrschte, keine Gewaltthaten, wie sie Heinrich IV. und V. verübt hatten, zu befürchten waren.

 

Auch Anaclet mochte an das traurige Schicksal Gregor's VIII. denken, den damals der deutsche Kaiser ohne Schutz und Beistand gelassen, wie jetzt Roger von Sicilien, von rebellischen Vasallen abgehalten, ihn sich selbst überließ. Bei dem Aufstande in Unteritalien war gleichzeitig Benevent, das unmittelbar unter der römischen Kurie stehende Lehen für ihn verloren gegangen, die Beneventaner hatten seinen Statthalter, den Kardinal Crescentius vertrieben, den von Innocenz gesandten Kardinal Gerhard als Oberhaupt anerkannt und den Gegnern Roger's sich angeschlossen 1).

 

1) Baron. p. 277 nach Benevents Chroniken: Eodem anno cum Crescentius Pseudocardinalis Pseudopontificis Anacleti praesidens Beneventanae civitati eandem proditorie tradere velle Rogerio Siciliae regi compertus esset, impetitus a civibus fugam arripuit et in loca Rogerii confugiens quemcunque posset contra Beneventanos machinari non destitit. Beneventani autem execrati Anacletum Innocentio Papae Catholico inhaesere, ad quos missus est ab eodem Pontifice Gerardus presbyter cardinalis, qui eisdem Beneventanis praeesset. Quod viriliter implevit novis creatis in civitate magistratibus, quos fideliores existimaret.- - Civium decreto Anacletus ut schismaticus Papa rejicitur et Innocentius legitimus suscipiendus decernitur et retinetur. Dann folgt, wie dieser Abfall Benevents mit dem der Fürsten Rainulf und Robert zusammengehangen. Quamobrem (Rainulphus) adversus Regem rebellans secum traxit Robertum Principem Capuanum et alios Barones, insuper et Beneventanos infensos Crescentio Cardinali, qui a multis civibus juramentum fidelitatis ipsi Regi Rogerio extorsisset.

 

 

____

240 Vierter Abschnitt.

 

So war wie in Oberitalien auch im Süden der Halbinsel Anaclet als Schismatiker verworfen. Rom wankte und fürchtete, weil vom Norden her Innocenz und Lothar, vom Süden die Fürsten von Avellino, Capua und Neapel mit ihren Verbündeten heranzogen. Anaclet bot in der Stadt Alles auf, um den Abfall seiner Getreuen zu verhüten, und in der That blieben noch viele Geistliche wegen ihrer einmal gethanen Schritte und Handlungen, die bei Innocenz keine Verzeihung zu erwarten hatten, viele Großen durch Bande der Verwandtschaft, der Freundschaft und des politischen Interesses an ihn gefesselt, sodaß er die Stadt zu verlassen nicht genöthigt war. Sie aber weiter, als die festen Thürme und Paläste seiner Anhänger sich erstreckten, zu vertheidigen, ja nur den Gegnern die Thore zu verschließen, war er außer Stande.

 

Als vereint von Viterbo, wo Beider Wege sich verbanden, Papst und König durch das hortensische, sabinische und farfensische Gebiet Rom nahten und bei der Kirche der h. Agnes ein Lager aufschlugen, kamen der Stadt-Präfekt Theobald, der eigene Oheim Anaclet's, Peter Leo, viele vornehme Römer und zahlreiche Bewohner aus dem Stadttheil diesseits der Tiber mit Zeichen der Unterwürfigkeit und mit freudigen Ehrenbezeugungen den Herrschern entgegen 1). Der wankelmüthigen Stadt indeß nicht trauend, bis er ihrer Herr sei, ließ der König sich auf keine Verträge ein, sondern drang (am 30. April 1133) mit bewaffneter Hand, nicht wie zum Festzuge, sondern wie zum Kampfe gerüstet heran, öffnete dem Papste und dessen Gefolge den Lateran, nahm selber dann eine feste Stellung auf dem aventinischen Hügel und ließ durch die Flotte der Pisaner und Genueser, die längs der Küste hergesegelt war, die alte Stadt von aller Hülfe, die zur See ihr werden könnte, abschneiden 2),

 

1) Vet. acta bei Baron. ad 1133, p. 279: Processerunt postea (von Viterbo ab) simul per Hortum et Sabinense et Farfense territorium et apud ecclesiam S. Agnetis castra metati sunt. Occurrentibus autem eis Theobaldo Urbis praefecto ac Petro Leonis cum aliis nobilibus Romanis et Transtiberinis intraverunt Romam anno MCXXXIII.

2) Der Biograph des heil. Norbert läßt den König cum impetu grandi et manu forti einziehen. Die Acta a. a. O. sagen: Pontifex quidem in Palatio Lateranensi hospitatus est et Rex Lotharius in monte Aventino tentoria fixit. Tunc Pisani et Genuenses in auxilium Papae Innocentii cum navali exercitu Romam venientes civitatem Veterem turrim Pulveream et totam Marmoratam eidem Pontifici subjugarunt. Lothar's eigener Bericht steht bei Mansi XXI, p. 483-86. Der Tag nach Chron. S. Pantal. II. Kal. Maji.

 

 

____

241 Lothar und Innocenz in Rom.

 

sodaß zu Lande und zu Wasser Anaclet belagert war. Indeß suchte er jeden gewaltsamen Sturm, jedes Blutvergießen innerhalb der Stadt zu vermeiden und auf friedlichem Wege die Gegner zur Uebergabe der von demselben vertheidigten Peterskirche und der festen Burgen seiner Anhänger zu bewegen, damit die Freude und der Jubel des Volks sich nicht in Wehklagen und die gegen die Deutschen geläufigen Verwünschungen verwandle. Denn da der größte Theil in seiner Gewalt war, die Bürgerschaft und der Senat für ihn sich entschieden, Anaclet aber auf keinen Entsatz von Außen zu rechnen hatte, wäre es ein Leichtes gewesen, den Gegenpapst mit der zu Gebote stehenden Land - und Seemacht zur Unterwerfung zu zwingen. Aber wie der ganze Heereszug Lothar's nicht auf gewaltsame Eroberung berechnet war, so vermied er auch hier zum Aeußersten zu schreiten, damit, wie Bernhard von Clairvaux nach Beendigung der Romfahrt sagte: „Die Größe seines Geistes und das feste Beharren bei seinem Worte um so glänzender sich bewährten 1).“

 

Anaclet hatte schon, ehe Lothar vor Rom erschien, Gesandte dem Könige entgegengeschickt, die diesen zu einer nochmaligen Prüfung der Papstwahl und der Ansprüche beider Papste an den Stuhl Petri bewegen sollten. Sie behaupteten und erklärten öffentlich, daß Anaclet keinen ungünstigen Ausspruch zu befürchten hätte, wenn ihm der König als unparteiischer Richter Gehör verstatte; daß ihrem Papste dies nicht versagt werden dürfe; daß nicht einseitig nur den Vorstellungen Innocenz's und dessen Vertheidigern und Anhängern Glauben zu schenken sei, und daß ein feindseliges, gewaltsames Verfahren gegen den in Rom anerkannten Papst des Königs der Deutschen,

 

1) Chron. Benev. bei Baron. p. 279: Apostolicus honeste susceptus Palatium Lateranense ingreditur ibique magno gaudio et honoris copia supersedit. Imperator autem circa monasterium S. Pauli cum exercitu suo viriliter castra metatur. Auch Otto Fris. Chron. VII, cap. 18 gesteht ein: Rex autem plus mente quam milite confidentiam gerens ad urbem usque progreditur, ibique qualibus potuit cum paucis strenue peractis etc. Der Ausspruch Bernhard's lautet nach epist. 139: Ipsius (Domini) profecto opus et virtus fuit, quod iter satis laboriosum et meticulosum pro pace regni et ecclesiae liberatione susceptum in tanta prosperitate peregistis, Romae siquidem Imperialis culminis plenitudinem gloriosissime assecutus idque, quod majus fuit, in manu non magna, ut animi fideique magnitudo clarius emineret.

II. 16

 

 

____

242 Vierter Abschnitt.

 

der ein Patron der Stadt und des apostolischen Stuhles sich nenne, unwürdig erscheine. Lothar, um diese Vorwürfe von sich abzuwälzen, war seinerseits geneigt, die Sache der beiden Kirchenhäupter einer allgemeinen Kirchenversammlung anheimzugeben, damit es nicht scheine, er wolle Rom mit Gewalt einen Papst aufdringen, der noch nicht die Zustimmung der Christenheit besitze 1). Natürlich mußten Innocenz und die Geistlichen seiner Partei einer neuen richtenden Kirchenversammlung sich widersetzen, weil bereits die Mehrzahl der christlichen Völker und Fürsten und vornehmlich der größere und darunter bessere Theil der Geistlichen für ihn entschieden sich erklärt und Petrus Leonis und dessen Anhänger als Schismatiker verdammt habe. Ein Urtheil der Gesammtheit dürfe aber nicht mehr vom Könige, einem einzelnen Gliede Jener, in Zweifel gezogen werden; es stehe nach kanonischem Rechte und kirchlichen Satzungen unwiderruflich fest 2).

 

Nachdem der König die Ansichten beider Päpste vernommen hatte, konnte er, ohne in der That alles Dasjenige zu entkräften, was man bisher über das Kirchenschisma in Deutschland, Frankreich, England, Spanien, Oberitalien, also in den Ländern, die sich wol für die Gesammtkirche des Abendlandes halten durften, beschlossen, ja was er vornehmlich durch seine Entscheidung für Innocenz herbeigeführt hatte, wofür er jetzt handelte und gegen Rom zog, keine eigenmächtige, für Anaclet günstigere Entscheidung treffen, und wenn die Gründe, welche Letzterer geltend machte, auch seiner Gerechtigkeitsliebe einige Zweifel und Bedenken gegen die Beschlüsse der bisher gehaltenen Kirchenversammlungen erregten, so stand er jetzt doch einmal als der Vollstrecker derselben da, und hätte sich dem Vorwurf der Inkonsequenz, des Wankelmuthes, der Treulosigkeit preisgestellt, wenn er jetzt seine Bedenken und Skrupel zu Führern seiner Handlungen machen wollte. Oder durfte der König der Deutschen sich als den unbeschränkten Gewaltherrscher ansehen, dem Alles zu

 

1) Epist. Lotharii a. a. O.: Nuncios schismatici illius Petri Leonis frequenter habuimus. Qui nimirum ex parte illius justitiam praetendentes, ipso in jus ire parato non debere audientiam denegari, nec hostilibus impugnationibus molestari publicis clamoribus asserebant Diutius ergo eorum interpellationibus provocati ad ipsum Episcopis et Cardinalibus, qui cum Domino Papa Innocentio erant, significare coacti sumus.

2) Epist. Lotharii a. a. O.: Ipsi vero tanquam canonicarum sanctionum et institutionum Ecclesiasticarum non ignari universam Dei Ecclesiam jam super hoc promulgasse sententiam Petrum Leonis ac complices suos damnasse asserentes, quod erat universitatis non debere privatum fieri responderunt.

 

 

____

243 Lothar in Rom.

 

thun, jeden Beschluß umzustoßen, was bisher für recht und heilig erkannt, für Irrthum und Ungerechtigkeit zu erklären freistände? Heinrich IV. und V. hatten theuer diesen Wahn gebüßt, den die Kirche, wie die Könige von Frankreich, England und alle Herrscher, die sich und Gott allein ihre Krone verdankten, mit Unwillen zurückwiesen. Sollte Lothar, der einst selber mit aller Kraft solchem Misbrauch des Kaiserthums entgegengetreten war, jetzt den Gewaltherrscher spielen? - Wie er dachte und handelte, hat er in einem Schreiben, das er von Rom an alle Könige und Fürsten, hohen Geistlichen und an die ganze Christenheit erließ, dargethan 1). Er erklärte es offen, daß er nicht nach seinem Entschluß, sondern nach dem Beschluß der Christenheit und ihrer geistlichen und weltlichen Häupter verfahren werde. Daß eine Kirchenversammlung, welche von Neuem eine Untersuchung über das Kirchenschisma anstelle, nur Zögerungen und tiefere Spaltungen veranlassen werde, mußte Lothar erkennen, auch ohne daß Bernhard von Clairvaux dazu seine Beredtsamkeit aufwendete 2). Anaclet aber und seine Anhänger mochten in der Zusage, die dem gerechtigkeitsliebenden Könige entfallen war, neue Hoffnungen erblicken. Gesandte erschienen abermals in Lothar's Lager auf dem Aventinus, das Wort führte der Bischof Petrus von Porto, jener eifrige Anhänger Anaclet's, der wie bei dessen Wahl vornehmlich seine Thätigkeit, so für dessen Vertheidigung die ganze Schärfe seines Geistes aufbot. Er versprach, damit es nicht scheine, als ob Anaclet nur Aufschub und Verzögerung der Uebergabe Roms suche, dem Könige Geiseln zu stellen und sogar mehre Vesten zu übergeben, falls dieser der Gerechtigkeit freien Lauf lassen wolle 3).

 

1) Epist. Loth. im Eingange: Lotharius D. G. R. R. Regibus, Archiepiscopis, Principibus et universis Dei fidelibus, ad quos literae istae pervenerint, salutem. Majestati suae dispensationi et consilio placuit nos Patronum et Defensorem S. Ecclesiae Romanae statuere. Ideoque necesse habuimus pro ipsius liberatione propensius laborare. Nachdem er die Anfoderungen Anaclet's und die entgegenstehenden Ansichten der Partei Innocenz's berichtet, fährt er fort: Nos autem ad ipsum cum patientia supportantes et Patrem nostrum Papam Innocentium ad urbem cum gloria duximus et Lateranensi cathedrae restituimus etc.

2) Bern. epist. 126.

3) Epist. Loth.: Ibique (in monte Aventino) Petrus Leonis aures nostras et Principum nostrorum per Petrum olim Portuensem Episcopum et per alios fautores suos praetendendo justitiam sollicitare non destitit. Qui etiam munitiones et obsides se nobis daturos ad sufficientiam pro servando judicio et viva voce et literis promiserunt.

16*

 

 

____

244 Vierter Abschnitt.

 

Lothar, der gern ohne Blutvergießen den Kirchenfrieden hergestellt hatte, that, was ihm allein zu thun freistand; er machte der mit ihm und Innocenz ausgesöhnten Partei in Rom das Ansuchen Anaclet's bekannt, und ermahnte zugleich Anaclet, daß er der Entscheidung, welche auf mehren Concilien von frommen Männern ausgesprochen wäre, beipflichten, seinen Irrthum erkennen und ferneres Blutvergießen verhüten möchte 1). Die den Frieden mit ihm wünschten, die Ruhe in Rom zu erhalten sich bemühten, die seiner Gerechtigkeit vertrauten, gaben sich und ihre Vesten freiwillig in seine Gewalt; aber als er das Gleiche früherer Abmachung gemäß von den eifrigern Anhängern Anaclet's foderte, erkannte er, daß die Unterhandlungen nur trügerisch, nur Zeitverlust für ihn gewesen waren, und er seinem Ziele um nichts sich genähert hatte 2).

 

Sprach nun auch der König über die Meineidigen die Acht aus 3), so hielt er doch fest an seinem Entschluß, keine Gewalt zu gebrauchen. Schwer wäre jetzt auch der Kampf wider Verzweifelte gewesen, denen keine Rettung als die sie in ihrer Faust und in ihren Thürmen und Schlössern fanden, und keine Wahl als sich unter dem Schutte dieser zu begraben, geblieben war. Ehe er aber Rom verließ, war noch Eines zu vollenden. Sein Wort hatte er Innocenz gelöst; er foderte nun auch den Lohn dafür, die Kaiserkrone. In der dafür bestimmten Kirche St. Petri die feierliche

 

1) Epist. Loth.: Pacem igitur sine effusione sanguinis reformare in Dei Ecclesia cupientes, quae nobis illi dixerant, fratribus, qui cum Domino Papa Innocentio erant, per nos ipsos significavimus. Chron. Benev. bei Baron. p. 279: Misit ad Anacletum, ut consilio religiosorum virorum communicato adesset, et spiritu sancto morante tanti erroris et homicidiorum magnitudini finem ponerent. Quod Anacletus - - facere contempsit.

2) Ebendas.: Caeterum ipsi (die für Innocenz waren) ut pacis amatores de justitia confidentes tam personas suas quam Leonis (desselben, der mit dem Stadtpräfekten Theobald den König vor der Stadt begrüßt hatte) et filiorum suorum nec non Cencii Pet (?) Frajapanis et Petri Latronis munitiones in manu nostra libere obtulerunt. Adversa vero pars dies retinere cupiens sub velamine fraudulentarum promissionum nos aliquanto tempore a nostra intentione retraxit. Hier ist Leo, d. i. Petrus Leonis, neben Petrus Latronis genannt, also in den vet. Acta bei Baron. p. 279 nicht nach Muratori p. 436 letzterer Name in ersteren zu verändern.

3) Ebendas.: Tandem quia ipsi saepe commoniti implere, quod promiserant, noluerunt, tanquam fallaces et perfidi, et tam divinae quam regiae majestatis rei cum Petro Leonis ejusque complicibus damnati et hostes Principibus nostrae Curiae judicati. Es folgen, aber sehr korrumpirt, die Namen der geistlichen und weltlichen Fürsten.

 

 

____

245 Die Kaiserkrönung.

 

Handlung zu vollziehen, war nicht gestattet, da Anaclet in deren Besitz sich behauptete, und sie, um eben die Vollziehung der Kaiserkrönung zu verhindern, stark mit Bewaffneten angefüllt hatte, sodaß, wenn Lothar auch einen Sturm gegen dieselbe gewagt hätte, nur die Zerstörung des schönen Heiligthums erfolgt und die Vollziehung des feierlichen Aktes in ihr immer unmöglich geblieben wäre 1). Doch der Ort war dem Könige - weniger dem Papste Innocenz - gleichgültig, wenn nur die erhöhte Würde ihm und seiner Gemahlin zu Theil wurde. Am Pfingstfeiertage waren beide, noch in königlichem Schmucke, von dem Kaiserpalast auf dem Aventinus zum Lateran und zurück aus der hier gelegenen Kirche St. Johannis des Täufers zu der der h. Sabina auf dem Aventinus gezogen 2). Am dritten Sonntage danach (den 4. Juni) vollzog nun Innocenz II. zu St. Salvator oder der constantinischen Kirche 3) die Krönung des Kaisers, der als solcher sich Lothar II. nannte, während er in der Reihe der Könige Lothar III. gewesen war. Gleichzeitig empfing Richenza, nicht nur Gemahlin, sondern auch Mitregentin, eine Frau von hohem Geiste und eminenter Thatkraft, den kaiserlichen Ehrenschmuck. Der Papst mochte sich, ehe Rom ganz in seiner Gewalt wäre, geweigert haben, die Krönung zu vollziehen. Doch Erzbischof Norbert von Magdeburg, von Papst und König gleich geachtet und geliebt, überdies als Reichskanzler von Italien zu den wichtigsten

 

1) Ann. Bosov. ad 1133: Accessit etiam, quod Petrus, qui sibi dignitatem Apostolicam usurpaverat, templum beati Petri, ubi Imperialis benedictio danda est cum multitudine armatorum occupaverat, quem locum Imperator facile ferro obtinuisset, nisi pietate consulente propter excidium sacri loci declinasset.

2) Ann. Saxo ad 1133: Ibidem Pentecosten celebravit et in ipso sancto die in Monte Aventino ad S. Sabinam coronatus processit (nämlich zum Lateran, wo die Kirche zu St. Johannes lag. Denn vorher heißt es von dem Einzuge des Königs in Rom: cum summo favore ingreditur et ad S. Johannem in Lateranis ab Apostolico et clero ac Romanis honorifice suscipitur.

3) Ann. Saxo a. a. O.: In praefata Basilica Constantini a Papa Innocentio Imperialem suscepit benedictionem cum Conjuge sua Richeza II. Non. Junii die Dominica, quae tunc tertia exstitit post adventum Spiritus Sancti. Otto Fris. Chron. lib VII, cap. 18: In ecclesia S. Salvatoris, quae Constantina dicitur. Sie hieß auch S. Petri ad Brixianorium. S. Stenzel, fränk. Kaiser I, S. 281, Anm. 9. Von ihr gilt auch wol, was die Ann. Bosov. ad 1133 von St. Johannis sagen: Hoc autem Lateranis apud S. Johannem Baptistam ideo fieri voluit et congruum duxit, quia imperatorium Palatium ibi situm est et ejusdem loci auctoritatem aliquoties Imperatorum consecratio roboravit.

 

 

____

246 Vierter Abschnitt.

 

Geschäften berufen, bewirkte die Beschleunigung, und Innocenz begnügte sich mit der ihn vor der Welt ehrenden Handlung, und mit dem Schwure des Kaisers, wodurch dieser sich verpflichtete, nicht nur für das Leben, die Sicherheit und Freiheit des Papstes Sorge zu tragen, sondern auch für ihn den päpstlichen Stuhl zu erkämpfen und den erkämpften zu vertheidigen, seine apostolische Würde gegen Jeden, der sich dieselbe anmaße, zu wahren, die Regalien von St. Peter, soweit der Papst sie inne habe, ihm zu erhalten, und die er noch nicht dem Gegner abgewonnen, nach besten Kräften ihm zu verschaffen 1).

 

Noch blieb ein zweiter schwieriger Punkt zwischen Papst und Kaiser aufs Reine zu bringen, der die mathildischen Güter betraf. Man einigte sich auf sehr einfachem Wege. Ob Heinrich V. diese mehr als Verwandter der Großgräfin besessen oder als Oberlehnsherr und somit Erbe aller erledigten Lehen und Allodien unter sein Scepter gebracht habe, blieb ganz außer Betracht. Der Papst berief sich auf die Schenkungsbriefe, die Mathilde an Gregor VII.

 

1) Baron. p. 280 sagt: In Vaticanis schedis reperimus ista de coronatione Lotharii: Hoc est juramentum, quod Dominus Rex Lotharius tempore haeresis filii Petri Leonis Domino Papae Innocentio praestitit ante fores basilicae sancti Salvatoris, quae Constantiniana appellatur, in die qua coronatus est ab ipso Innocentio, antequam coronam acciperet, Domino Cencio Frajapanis juramentum computante et Ottone nepote suo ac caeteris nobilibus Romanis ibi existentibus: Ego Lotharius Rex promitto et juro tibi, Domino Papae Innocentio tuisque successoribus securitatem vitae et in membris et malae captionis et defendere Papatum et honorem tuum et regalia S. Petri, quae habes manu tenere, et quod non habes, juxta meum posse recuperare. Ueber die Krönung sagt Ann. Saxo a. a. O.: Tandem ex consilio et voluntate Principum, mediante Norberto Archiepiscopo Imperialem suscepit benedictionem. Wie sehr Innocenz den Erzbischof achtete, und wie viel er sich ihm dankbar verpflichtet glaubte, sagt er selbst in der ihm ertheilten Bulle. Lünig spicil. I, Anhang p. 53: Caeterum novissime diebus istis, cum divinae dispositionis providentia nos, licet, indignos et minus idoneos ad Apostolatus administrationem placuit evocare id ipsum in persona tua magis ac magis enituit tuaeque fidei et religionis constantia non tantum vicinis sed remotis etiam nationibus evidenter innotuit. Siquidem nec labor aliquis temporalis nec alicujus minae seu blanditiae efficere potuerunt, quin adversus Petri Leonis tyrannidem murum inexpugnabilem te opponens et ad ipsius Regis et aliorum Principum corda in B. Petri obedientiam inducenda efficaciter laborares. Letzteres geht wol auf die Unterhandlungen Anaclet's mit Lothar, der Jenem mehr einräumen wollte, als Innocenz genehm war. Da mochte Norbert den König abgehalten haben, nicht den Vorschlägen des Gegenpapstes Gehör zu geben.

 

 

____

247 Vertrag wegen der mathildischen Güter.

 

ertheilt, und die, wenn sie sich auch nur auf die Allodialgüter erstreckten, doch eine schwierige Sonderung von den Lehen herbeigeführt hätten, die dem Kaiser freilich nicht abgesprochen werden konnten. Man beschloß demnach, keine nähere Untersuchung und Trennung der einzelnen Bestandtheile vorzunehmen, sondern bestimmte, daß sie vereint gegen einen jahrlichen Zins von 100 Mark Silbers dem Kaiser und der Kaiserin verbleiben, sodann auf Heinrich von Baiern und dessen Gemahlin Gertrud vererben, nach dem Ableben dieser genannten Personen aber an die Kirche zurückfallen sollten. Nur als Lehen der Kirche unter Investirung mit dem Ringe empfing sie Lothar, und als Eigenthum des römischen Stuhles durften sie während Jenes Lebzeiten weder geschmälert noch verändert, noch belastet werden, auch mußten die künftigen Besitzer, Heinrich und Gertrud, den Lehnseid schwören und Treue dem Stuhle Petri geloben. Ueberdies behielt sich der Papst noch vor, die Befehlshaber in den festen Plätzen und Burgen, sowie den kaiserlichen Statthalter der Provinz Thuscien zu vereidigen. Auch verpflichtete sich das Land, so oft der Papst durch dasselbe seinen Weg nehme und darin verweile, für würdige Aufnahme und nöthigen Unterhalt Sorge zu tragen 1).

 

1) Die Vertragsurkunde ist vielfach abgedruckt, wir entlehnen sie aus Baron p. 280: Allodium bonae memoriae Comitissae Mathildae, quod utique ab ea beato Petro constat esse collatum, vobis committimus et ex Apostolicae sedis dispensatione concedimus atque in praesentia fratrum nostrorum Archiep. Ep. Abbatum nec non Principum et Baronum per annulum investimus, ita videlicet, ut centum libras argenti singulis annis nobis et successoribus nostris exsolvas, et post tuum obitum proprietas ad jus et dominium Romanae Ecclesiae cum integritate absque diminutione et molestia revertatur. Quod si nos vel successores nostros in eandem terram venire, manere, transire oportuerit, tam in susceptione quam in procuratione atque securo conductu, prout Apostolica sedes decreverit, honoremur. Qui vero arces tenuerit vel rector terrae fuerit, beato Petro et nobis et nostris successoribus fidelitatem faciant. Caeterum pro charitate vestra nobili viro Henrico Bavariae Duci genero vestro et filiae vestrae uxori ejus eandem terram cum praefato censu et supradictis conditionibus apostolica benignitate concedimus, ita tamen ut idem Dux hominium faciat et fidelitatem B. Petro ac nobis nostrisque successoribus juret. Post quorum obitum praedictum Com. Mathildae allodium et jus et dominium S. Romanae Ecclesiae sicut supra dictum est, integrum et absque diminutione atque difficultate aliqua reducatur, salvo tamen semper in omnibus ejusdem S. R. E. jure ac proprietate. Datum Laterani sexto Iduum Junii. Daß nicht blos an die Allodien, sondern an alle Besitzungen Mathildens zu denken sei, erhellt aus den Bestimmungen, die in der Urkunde vorkommen, und aus dem öfters dafür gebrauchten Ausdruck terra, indem nur Luden mit Spitzfindigkeit eine Spitzfindigkeit des Papstes gesucht hat.

 

 

____

248 Vierter Abschnitt.

 

Der Vertrag, wenig Tage nach der Kaiserkrönung geschlossen, ist als ein rein persönlicher zwischen Innocenz und Lothar zu betrachten, der die Nachfolger Beider auf dem apostolischen Stuhle und auf dem Throne nicht binden konnte. Hiedurch entgingen Beide dem Tadel der Nachwelt, indem sie ihr andere Bestimmungen zu treffen gestatteten, sie selbst aber kamen auf die friedlichste Weise über einen höchst kitzlichen Punkt hinaus, ohne ihr früheres freundschaftliches Verhältniß im mindesten gefährdet zu sehen. Sehr richtig sagt der Papst im Eingange der obenerwähnten Belehnungsurkunde: „Wenn das geheiligte Ansehen der Päpste und die kaiserliche Gewalt von wahrer Liebe zu einander durchdrungen sind, so muß Gott dem Allmächtigen dafür in Demuth gehuldigt werden, weil dann nur Ruhe und Friede unter den christlichen Völkern emporblühen können. Nichts ist in dieser Zeit so herrlich als der päpstliche Stuhl, nichts so erhaben als der Kaiserthron 1). Nichts was glänzender leuchtet als rechte Treue von Fürsten oder unvergänglicher fortdauert als wahre Gottesfurcht. Und alles dieses wird, wofür Gott gepriesen sei, so lange Du auf dem Herrschersitze thronest, um so schöner offenbar, als Du von Jugend auf Dich in Gottesfurcht und Gerechtigkeitsliebe ausgezeichnet hast, und neuerdings in diesen Tagen, ohne Deine Person, ohne Dein Gut und Geld zu schonen, im Dienste des h. Petrus so viele Mühen, so große Gefahren bestanden hast. Wenn nun schon, wie die heilige Schrift angibt, schlechte Väter ihren Kindern die erworbenen Güter zutheilen müssen, so ist es fürwahr ein würdig Werk, daß ich, der nach Gottes Willen für alle Kinder der katholischen Kirche mit väterlicher Liebe sorgen soll, Deine Person inniger liebe und Dir gleichsam, dem auserkorenen Vertheidiger der Kirche 2), in Dem, was zur Erhaltung des Reiches in seiner ganzen Kraft und zum Nutzen wie zur Freiheit der katholischen Kirche dient, nach geistlichem und weltlichem Beruf 3) Deine kaiserliche Macht vermehren kann.“

 

Diese schöne Einigkeit zwischen Papst und Kaiser zu verdächtigen oder Untersuchungen anzustellen, ob die Kaiserkrönung von Innocenz oder von Lothar eifriger betrieben worden sei, ob sie Jenem oder Diesem gewinnbringender gewesen, überlassen wir Andern, und bemerken nur in Bezug auf diesen feierlichen Akt, daß durch Ertheilung der römischen Kaiserkrone der Papst Innocenz allerdings

 

1) Nihil est Pontifice clarius, nihil Rege sublimius.

2) Tanquam specialissimo Ecclesiae defensori.

3) Tam secundum ecclesiasticum officium quam temporaliter.

 

 

____

249 Lothar in Rom.

 

ein neues Gewicht über den Gegner Anaclet erhielt, daß indeß Lothar noch mehr durch die erhöhte Würde gewann, mit der er nun in Deutschland und in den Nachbarlanden Gehorsam und Ehrfurcht zu erwecken hoffte. Der Hauptzweck und in der That der wichtigste seines ganzen Römerzuges war erreicht.

 

Wie beide hohen Häupter bei ihren Angelegenheiten sich wechselsweise in Liebe und Einigkeit die Hand geboten hatten, so legten sie zu derselben Zeit gemeinschaftlich den Beweis ab, daß Förderung geistigen Strebens und Wirkens ihnen, wo die Gelegenheit sich bot, willkommen sei, indem sie der Universität Bologna die alten Privilegien bestätigten und durch neue vermehrten 1). Angeblich waren unter den Gesandten der oberitalienischen Städte, die zur Krönung des Kaisers in Rom sich einfanden, aus der obenerwähnten Stadt vier berühmte Lehrer erschienen, die wenige Tage nach der feierlichen Handlung, am 10. Juni, mit der ihnen und ihrer Vaterstadt gebührenden Auszeichnung von Innocenz und Lothar beehrt worden sein sollen.

 

Unterdessen war die heiße Jahreszeit herangerückt, und bedrohte mit ihrem Gefolge von Krankheiten, Seuchen und Plagen das kleine Heer des Kaisers, das schon durch Gefechte, bei Belagerungen und Erstürmen von Vesten, die auf dem Zuge nicht gänzlich vermieden werden konnten 2), zusammengeschmolzen war. Da er seine Zusage gegen den Papst erfüllt, seinen eigenen Zweck, die Kaiserkrönung, erreicht hatte, blieb ihm nichts zu thun übrig. Denn Anaclet aus dem Vatikan, der Peterskirche und den mit beiden in Verbindung stehenden festen Palästen seiner Anhänger zu vertreiben, war ein

 

1) Alex. Macchiavelli in seinen Noten zu Sigonius Hist Bonon. p. 117 ad 10. Junii: Hac die de Anno 1133 geminis terrarum Orbis Principibus Romae exstantibus ac una convenientibus in ferendo de juribus nostrae Ecclesiae, Academiae et Patriae judicio de plenitudine eorum potestatis Innocentius nempe II. et Lotharius quoque II. Caesar Augustus et Imperator amplissima ea apud Lateranum confirmarunt et ampliarunt largito diplomate desuper re hac dato Irco Beccario (nicht Irnerio?) famosissimo Legum interpreti, Pilio Pagarotta celeberrimo Glossatori hujus Licaei, Publicis Lectoribus Antonio Farello et Ceseo Petri de Bulgaris Equitibus, qui pro Bononia legationem ad eos obierunt et nomine publico interfuerunt solemni Coronationi in Imperatorem, quam in eadem basilica S. Johannis idem Innocentius habuit hujus mensis et praesentia universis acclamantibus Orthodoxis. Gegen die Namen der Gelehrten, ja vielleicht gegen das ganze Faktum sind Zweifel zu erheben, so lange nicht ältere Nachrichten es bestätigen.

2) Ann. ad 1133: Rex Lotharius per Italiam pleraque munita loca sibi resistentia capit.

 

 

____

250 Vierter Abschnitt.

 

Unternehmen, das entweder eine langwierige Einschließung jenes Stadttheils von allen Seiten, sodaß keine Lebensmittel in dieselbe gebracht werden konnten, oder einen Sturm nothwendig machte, der blutige Opfer gekostet und die herrlichsten Denkmale Roms der Zerstörung durch Schwert und Flammen preisgegeben haben würde. Wie damals die Verhältnisse Italiens standen, hatte übrigens Anaclet auf keinen Beistand von Außen zu rechnen und mußte über kurz oder lang dem bis auf Roger 1) von allen Hauptfürsten der Christenheit anerkannten Innocenz weichen. Roger, wie wir gesehen, war selbst in Bedrängniß, und durch die Niederlage bei Nuceria um die Herrschaft in Unteritalien gebracht. Zwar rüstete er bald aufs Neue, und es sollte ihm, noch ehe Lothar Italien verließ, gelingen, die Sieger von Nuceria wieder zu besiegen. Als der Kaiser aber in Rom verweilte, war an diese ungünstige Wendung für ihn und die mit ihm verbundenen Grafen von Capua, Avellino und Neapel, die Herren von Apulien und Calabrien zu sein schienen, noch nicht zu denken. Letztere hatten, sobald sie von der Ankunft des Papstes und des Kaisers, der sie voll Verlangen entgegengeharrt, Kunde erhielten, mit einer Schaar von 300 Kriegern und begleitet von dem Kardinal Gerhard, dem päpstlichen Statthalter Benevents, sich nach Rom begeben und vor den beiden hohen Häuptern heftige Beschwerden über Roger vorgebracht 2). In kirchlichen Dingen versprach Innocenz der Stadt Benevent zu gewähren, was sie erbaten; zu deren Schutz gegen Roger, dessen neue Rüstungen nicht unbekannt waren, konnte er natürlich keine Heeresmacht aufbieten, so lange der Besitz Roms ihm noch von Anaclet vorenthalten wurde. Lothar schloß mit dem Fürsten Rainulf und Robert jetzt schon ein Schutz- und Trutzbündniß, dem auch der Papst und dessen Verbündete, vornehmlich Pisa und Genua, beitraten. Er versprach,

 

1) Auch der Herzog Wilhelm von Aquitanien war durch Anaclet's Legaten, Gerhard von Angouleme, für den Gegenpapst gewonnen, gab aber endlich den Vorstellungen Bernhard's von Clairvaux nach und erkannte Innocenz II. an. S. acta Sanctorum p. 453. Baron. ad 1135, p. 294.

2) Aus Falco Benevent. gibt Baron ad 1133, p. 281: Audiens Robertus Princeps Capuanus et Rainulphus Comes Apostolici Innocentii et Imperatoris Lotharii adventum longe lateque optatum, trecentorum fere militum caterva stipati simul cum domino Gerardo Cardinale, qui tunc Beneventanus rector praefuerat, et civibus quibusdam sapientibus Beneventanis Romam festinarunt. Qui vero euntes omnem ordinem afflictionis quam civitas Beneventana dudum perpessa est, e vestigio intimavere lacrymis orantes ut civitatem Beneventanam a Comite Siculorum Rogerio jugiter oppressam liberaret.

 

 

____

251 Rückkehr des Kaisers nach Deutschland.

 

sobald die Verhältnisse in Deutschland es gestatteten, mit größerer Heeresmacht abermals nach Italien zu kommen und dann auch die Angelegenheiten in Apulien und Calabrien zu ordnen, die Unabhängigkeit von Sicilien diesen Provinzen auf immer zu gewähren und Roger vom Festlande gänzlich auszuschließen. Die Zeit dieser Erfüllung sollte nicht ausbleiben, doch lagen noch Jahre dazwischen, die über Unteritalien viel Elend brachten.

 

Nach einem Aufenthalt von ungefähr sechs Wochen 1) verließ Lothar Rom, nachdem der Papst so wie ihm selber auch seinen Begleitern 2) Ehre und Freundschaftsbezeigungen so freiwillig und liebevoll, wie seit länger als einem Jahrhundert kein Kaiser erfahren, gewährt hatte. In zwei Monaten legte er den Weg von der Stadt bis über die Alpen zurück. Oberitalien, mit Ausnahme Mailands und Veronas, begrüßte den rückkehrenden so freudig als es den ankommenden empfangen hatte. Weder lästig noch hart erschien ihnen zum erstenmal ein König der Deutschen. Ihren Anträgen, Bitten und Klagen schenkte er ein geneigtes Ohr und weisen Richterspruch. Er ehrte ihre Gesetze und Rechte, die ihm nicht fremd waren, und wenn die Ansicht vieler, selbst bedeutender Schriftsteller, daß Lothar die Sammlung der bürgerlichen Verordnungen zu einem einzigen künftig als Gesetzbuch gültigen Kodex veranstaltet habe, auch als irrthümlich oder unerweislich erscheint, so beweist sie doch, wie das Andenken an ihn in wohlwollender Erinnerung fortlebte, und ihm

 

1) Wenn Ann. Saxo ad 1133 sagt: Ibidem ergo per sex continuas hebdomadas commoratus - Imperialem suscepit benedictionem, so ist nicht die Zeit bis zur Kaiserkrönung (denn diese, vom 30. April bis 4. Juni, beträgt nur 5 Wochen), sondern wol die ganze Zeit des Aufenthaltes damit angegeben.

2) Albero von Bremen erhielt bestätigt, was ihm schon Calixtus II. eingeräumt hatte. In der Bulle für ihn, Concil. X, p. 953, heißt es: Episcopatus Daciae, Suediae, Norwegiae, Farriae, Gronlandiae, Scridevinniae et Slavorum carissimi filii nostri Lotharii Regis precibus inclinati tibi et per te Hamburgensi ecclesiae suae scilicet metropoli praesentis scripti pagina confirmamus. S. auch die Briefe an den König von Schweden und Dänemark ibidem p. 954 ff. und Lindenbrog syntagma rer. Septentrion. p. 149. Norbert erhielt die Bisthümer in Polen. S. die schon angeführte Bulle Innocenz's II. in Lünig spicil. I, p. 53. Doch bestreitet Krantz Metrop. III, cap. 28 dies Supremat von Magdeburg. Außer Norbert und Albero erhielt Bernhard von Hildesheim eine Auszeichnung: Bernardus Paderbrunensis Episcopus, qui tunc cum Imperatore aderat, usum Rationalis in celebrationibus Missarum constitutis temporibus et in consecrationibus Ecclesiarum seu ordinationibus Ecclesiasticorum, graduum in proprio tantum Episcopatu sibi suisque successoribus a praedicto Apostolico Innocentio promeruit.

 

 

____

252 Vierter Abschnitt.

 

gern Verdienste beilegte, zu denen seine Gerechtigkeit und Milde bei Entscheidung über bürgerliche Angelegenheiten allein Anlaß geben konnten.

 

Während Lothar auf dem ganzen Heereszuge mehr durch seine geistige Ueberlegenheit als die geringe Heeresmacht die Ueberwindung oder Beseitigung der ihm entgegenstehenden Hindernisse bewirkt hatte, sollte ihm auch die Gelegenheit nicht ausbleiben, seine persönliche Tapferkeit, die Geschicklichkeit des Feldherrn und die in seinem früheren Leben vielgeübte Kunst gegen Mauern und Vesten abermals zu bewähren. In einem diesseits der Stadt Brixen 1) gelegenen Engpasse, damals die Kluse genannt, stellte sich ihm ein verwegener Raubgraf, Adalbert 2), mit einem zahlreichen Heerhaufen entgegen und suchte dem kaiserlichen Heere den Uebergang über einen vom geschmolzenen Alpenschnee angeschwellten Strom zu wehren. Die Gefahr für das kleine Heer der Deutschen in einer fremden wilden Berggegend, die man um der Kürze des Weges willen der sicheren aber weiteren Heerstraße vorgezogen hatte, war groß; vor ihr zurückzuweichen, brachte Schande. Es mußte das Aeußerste versucht werden, und es gelang nicht nur, den Uebergang gegen das wilde Bergvolk zu erkämpfen, sondern jenen Adalbert, den Anführer der dem Kaiser sich freventlich Widersetzenden in seiner Veste Lodri, wohin er geflüchtet und sich, weil jene auf einer steilen Anhöhe lag, für unerreichbar hielt, zum Gefangenen zu machen 3). Die große

 

1) Man sehe die Untersuchungen über diese Kluse, mit welchem Namen viele dergleichen Stellen in den Alpen, wie sie Ann. Saxo uns hier beschreibt (quippe ex una parte excelsissimo monte, ex altera parte profundissimo flumine currente, vis in medio quatuor seu quinque simul itinerantium spatio patente), bezeichnet wurden, bei Mascov. in den annotat. ad res Loth. Nr. IV, p. 334, wo die Angabe der Ann. Bosov. Clusas, quae Brixiam ducunt, als von Deutschland aus gerechnet, nachgewiesen wird. Doch ist durch jene Untersuchungen der Ort noch nicht genau ermittelt.

2) Wol möglich, daß dies derselbe war, von dem Chron. Ursp. ad 1106 berichtet, daß er die Gesandten Heinrich's V., die dieser an den Papst schickte, gemishandelt habe. Quidam Adalbertus adolescens partium illarum quodam insignis comitatu summo mane super ipsos, utpote inermes et peregrinos concivibus armatis irruit, spoliat eos, capit, custodiae tradit. Der gleiche Name, den wir zwar nicht bei Ann. Saxo, doch in den Ann. Bosov. (Adalbertum quendam tyrannum) angegeben finden und die jener ähnliche Vermessenheit, dieselbe Gegend (in valle Tridentino) bestärken darin, beide Personen für identisch zu halten.

3) Ann. Saxo ad 1133: Cum ibidem transitus Regi ab incolis negaretur, ipse miro eventu et perspicuo Dei auxilio eundem locum celeriter irrumpendo fugatis hostibus cum suis pertransit et urbem in supercilio ipsius excelsissimi montis positam repentino adsultu cepit, et principem ejusdem urbis, auctorem hujus rebellionis secum captivum abduxit. Ann. Bosov. nennen die Veste Lodrin und geben die Zahl der Feinde 10,000, was, da es meist rohe Bergbewohner waren, nicht übertrieben sein möchte. Geübten Kriegern konnten sie nicht Stand halten, sobald der Vortheil der Stellung ihnen entzogen war.

 

 

____

253 Heinrich von Baiern als Reichsverweser.

 

Anzahl der Gegner, die Schwierigkeit der eigenen Lage, die Schnelligkeit der Ausführung und der so glänzende Erfolg ließen den Deutschen das Unternehmen wie durch Gottes Beistand allein ausführbar erscheinen. Auf ihren Führer und Kaiser warf es neuen Glanz, und der Ruf dieser That lief seiner Ankunft in Deutschland voraus. Ende August traf er hier ein, und schon zum 8. September am Tage vor Mariä Geburt, berief er die Fürsten zu einem Reichstage nach Würzburg. Während der gerade ein Jahr langen Abwesenheit des Kaisers hatte Heinrich von Baiern als Reichsverweser den Erwartungen ganz entsprochen, welche sein Schwiegervater in dem vertrauten Schreiben an ihn ausgedrückt hatte. Denn Deutschland war in der Weise fortregiert worden, die Lothar für die zweckmäßigste gehalten; keine neuen Störungen des Friedens, oder doch nur unbedeutende, hatten sich ereignet, und die Liebe, die Hochachtung, ja die Verehrung, die der König sich erworben, wurde dem neuen Kaiser gleich bei seinem Empfange ausgedrückt. Ob Heinrich die Bedenken, die ihn von dem Kampfe mit seinem Schwager Friedrich von Hohenstaufen abhielten, fahren gelassen und den Weg, der hier allein einzuschlagen war, auch eingeschlagen hatte, melden die Chronisten nicht. Vermuthlich fanden keine großen Kampfe statt, und nahm der Reichsverweser nur gegen Friedrich und Konrad, die seit des Letztern Rückkehr aus Italien wieder gemeinschaftliche Sache machten, eine Stellung ein, die beide Brüder von Versuchen abhielt, über Schwaben und Elsaß, soweit es ihrem Herrscherworte noch gehorsam verblieben, Uebergriffe zu wagen. Andererseits blieb auch Friedrich gewiß seinem Kriegsplane getreu, sich in keine entscheidende Schlacht einzulassen. Hiezu nöthigte er auch den von seiner Gnade lebenden Bruder, der außer dem Titel eines Königs nichts besaß, das er frei und des Namens würdig beherrschte. So mochten denn wol beide Theile sich mehr wachsam beobachtet haben, als feindlich auf einander getroffen sein. Da der mit geringer Macht unternommene Römerzug des Königs Furcht auf der einen, Hoffnung auf der anderen Seite erregte, da Heinrich gewärtig sein mußte,

 

 

____

254 Vierter Abschnitt.

 

daß sein Schwiegervater aus Deutschland neue Streitkräfte nöthig haben werde, und die Hohenstaufen in gleicher Erwartung dem günstigen Zeitpunkt ihrerseits kühner aufzutreten entgegen sahen, so hing denn auch in Deutschland Alles von dem Ausgange ab, den die Sachen in Italien nehmen würden, und Lothar's wohlbedachtes Verfahren nöthigte diesseits der Alpen die Schwerter in der Scheide zu halten, während er jenseits der Alpen gleichfalls jeden Anlaß zum Kampfe vermied. Sobald er gegen Verona, Mailand oder Rom Gewalt gebraucht hätte, wäre er genöthigt gewesen, um nicht von den italienischen Städten oder Staaten abhängig zu werden, aus Deutschland Streitkräfte zu ziehen, die dort einen Feind bewachten, an dessen Demüthigung ihm mehr gelegen war, als an Mailands oder Roms Ueberwältigung.

 

Den Triumph seines überaus weisen Verhaltens in Italien wollte er in Deutschland feiern. Und hier ging er ihm sicheren Schrittes entgegen. Sein Erscheinen löste auf einmal die Spannung, in der alle Gemüther geschwebt. Sie war für seine Gegner ein vernichtender Schlag, für seine Anhänger eine belebende Hoffnung, daß nun Deutschlands Macht und Größe, die so tief von ihrer Höhe herabgesunken waren, glänzender sich erheben und im Innern wie nach Außen ihre segenreichen Strahlen verbreiten werden. Als der Kaiser zum 7. September einen Hoftag in Würzburg ausschrieb, strömten freudig aus allen Theilen des Reichs Geistliche und Fürsten herbei 1). Mit erhöhter Würde, im kaiserlichen Schmuck, trat der würdige Greis unter die Versammelten. Noch umgaben ihn die getreuen Waffengefährten, die auf dem kühnen, gefahrvollen Zuge ihn begleitet hatten. Sie konnten berichten, durch welche klugen Maßregeln das fast Unglaubliche ihrem Herrscher gelungen, wie er sein Wort dem Papste gelöst, wie das schönste Einverständniß beide hohen Häupter verbunden, wie die Segnungen Innocenz's ihm und allen seinen Begleitern zu Theil geworden seien. Norbert, der das Kanzleramt so würdig bekleidet hatte, stand da, von Kaiser und

 

1) Ann. Saxo 1133: Imperator Lotharius transcensis Alpibus Nativitatem sanctae Mariae Wirceburg celebravit habuitque gloriosum occursum ad Curiam suam ex principibus diversarum provinciarum tam ecciesiastici ordinis sublimitate quam et seculari dignitate praefulgentibus. Wenn auch die Zuneigung, die Lothar schon früher besaß, bei seiner Rückkehr die Gemüther freudig stimmte, so ist doch der allgemeine Zudrang zu dem Würzburger Reichstag nur aus der vorausgehenden Spannung, die sich über ganz Deutschland verbreitet hatte, zu erklären.

 

 

____

255 Hoftag in Würzburg.

 

Papst gleich hochgeehrt und von Beiden mit Vorrechten und Machterhöhung für sein Erzbisthum bereichert; denn für sich bedurfte der Mann Nichts, der längst schon sein ansehnliches Vermögen um den Ruf der Wohlthätigkeit und Demuth verschenkt hatte. Albero von Bremen pries, wie er durch Lothar's Fürsprache die Bisthümer der Nordreiche, ja bis Island und Grönland hin, vom Papste zu kirchlicher Verwaltung erhalten habe. Bernhard von Hildesheim, der Vertraute des Kaisers, brachte Insignien mit, welche denen eines Erzbischofs gleichkamen und ihm auch erzbischöfliche Funktionen gestatteten 1). Wol keiner der hohen Geistlichen war ohne neue Ehre, ohne Ruhm zurückgekehrt, und allen in Würzburg Versammelten erschienen sie schon wegen des bestandenen Unternehmens bewundernswürdig. Doch auch manchem der Anwesenden brachte der Kaiser eine Belohnung, eine Rangerhöhung oder sonst etwas Erfreuliches mit. So bestätigte Lothar den Bischof Heinrich von Regensburg, der nun im besten Vernehmen mit ihm wie mit seinem Schwiegersohne stand, und Walter, den Nachfolger des bald nach den traurigen Ereignissen in Augsburg gestorbenen Bischofs Hermann, hier auf dem würzburger Reichstag in ihren Würden. Dagegen erfuhr der baseler Bischof Heinrich, daß er von Innocenz seines Amtes für unwürdig erklärt sei, und Albero, bisher Abt von Nienburg, ward auf des Kaisers Empfehlung von Klerus und Volk an des Entsetzten Stelle erhoben 2).

 

Nicht minder gnädig als gegen die Geistlichen zeigte sich Lothar den weltlichen Fürsten. Leider hatte ein ihm werther und durch

 

1) Die Beweisstellen sind in früheren Anmerkungen beigebracht. Hier noch zur Erklärung des Rationale, womit Bernhard beehrt wurde, eine Bemerkung Schaten's in seinen Ann. Paderbrun. p. 732: Id sacrum ornamentum ex indumentis Pontificum veteris Ecclesiae traductum, quae fuere Tiara, Tunica, Hyacinthina, Ephod seu Epomis et Superhumerale, quod a Josepho stola hieratica dicitur, praeter haec Rationale, quod graeca voce λόγιον, latina pectorale dixere. Rationale ab Innocentio datum opus ex auro, serico et gemmis elegantique contextu, formae quadrangularis, quod insertum collo humeros et pectus tegit, dependentibus a tergo et pectore quatuor fasciis limbisque haud multum Epomidi dissimile, unde et Superhumerale aliis dicere placuit. Non tamen Pontificale fuit, quod Patriarchis Primatibus, Archiepiscopis proprium est.

2) Ann. Saxo ad 1133: Ibi confirmantur electiones Episcoporum Heinrici Ratisponensis et Walteri Augustensis, et quia Heinricus Basiliensis Episcopus a Papa omnino degradatus fuit, Adalbero, Nienburgensis Abbas, antea prior Monasterii sancti Blasii de Nigra silva eidem canonica electione Cleri et populi per consilium Imperatoris successit.

 

 

____

256 Vierter Abschnitt.

 

Verwandtschaft mit der Kaiserin Richenza ihm nahestehender Mann auf dem Römerzuge seinen Tod gefunden. Konrad von der Nordmark, ein Jüngling in der Blüte geistiger und körperlicher Kraft, ein Muster der Sittlichkeit, den Italiens Schönen, so sehr sie um seine Gunst buhlten, in seiner Liebe zu der ihm verlobten Braut, einer polnischen Fürstin, nicht wankend machen konnten, wurde, noch ehe er Rom erreichte, von einem Pfeilschuß an des Kaisers Seite getödtet. Seine Leiche wurde nach Deutschland geschafft, damit er in vaterländischer Erde ruhe 1). Die markgräfliche Würde dieses ihm so theuren Mannes übertrug nun Lothar an einen, der ehemals von ihm nicht minder geschätzt als geehrt worden war, der sich dann durch Trotz und Ungebühr ihm abgewandt, neuerdings aber auf dem italienischen Feldzuge durch Eifer und Ergebenheit wieder seine Achtung und Zuneigung erworben hatte. Es war Albrecht der Bär, der sehr richtig erkannt, daß nur die Gnade des Kaisers ihn emporheben könne, wie dessen Ungnade ihn um die Markgrafschaft Lausitz gebracht hatte. Jetzt ward durch die Nordmark sein kluges Verfahren belohnt 2). Dies Beispiel mußte ein Sporn für viele andere Reichsfürsten werden. Daß Lothar die zurückgebliebenen, wofern sie in Deutschland ihm Treue und Diensteifer bewiesen hatten, Denen, die ihm nach Italien gefolgt waren, nicht nachsetzte, zeigte er bald. Auch mit Heinrich's von Baiern Verfahren während seiner eigenen Entfernung aus Deutschland war er zufrieden; für Beider ferner bestehendes inniges und ergebenes Verhältniß zeugt die rastlose Thätigkeit, die der Herzog fortan in Deutschland und endlich auf der zweiten Heerfahrt in Italien an den Tag legte. Ob zu Würzburg schon über den Krieg gegen die Hohenstaufen ein Beschluß gefaßt wurde, erfahren wir nicht. Dieser Hoftag scheint nur mehr ein Fest des Wiedersehens, der Begrüßung und der Gnadenbezeigung gewesen. Der Kaiser mußte erst selber im Reiche sich umsehen, bald hieher, bald dorthin sich wenden, um das Nothwendige und Zunächst-Erfoderliche

 

1) Ann. Saxo a. a. O.: Conradus de Ploceke post festivos dies in obsequio regis pergens sagitta transfigitur, sicque egregius juvenis heu immatura morte obiit. Huic desponsata fuit filia Ducis Polonorum, sed antequam duceret eam, ut fama est, impollutus ut patruus illius Conradus de mundo migravit, cujus corpus in patriam delatum commendatum est terrae in Kokelinge cum parentibus suis.

2) Ann. Saxo ad 1134: Marchiam Conradi videlicet septentrionalem Adalberto pro studioso sibi exhibito obsequio in Romano itinere concessit. Gewiß war schon auf dem Feldzuge ihm zugesagt, womit er später in Deutschland belehnt wurde.

 

 

____

257 Rückkehr des Kaisers nach Deutschland.

 

zu beginnen. Wie sehr es ihn auch nach Sachsen, dem lieben Heimatlande, ziehen mochte, nach dem Rheine sich zu begeben, erheischte die Pflicht. Von Basel bis nach Köln den Strom hinabziehend, feierte er das Weihnachtfest in letzter Stadt 1). Leider ward sein Aufenthalt durch einen tumultuarischen Auflauf des Volks, dessen Ursache man nicht erfährt 2), gestört, weshalb er die Stadt, die ihn sonst immer freudig und ehrenvoll empfangen hatte, verließ und ihr seine Gnade so lange entzog, bis sie demüthig darum bittend sich wieder seine Gewogenheit und alte Gunst erwarb. Er begab sich nach Aachen 3) und verweilte bis gegen die Mitte Januars 1134 in den nordwestlichen Gegenden.

 

Außer den Reichsangelegenheiten, die seine Gegenwart erfoderten, und der Pflicht als Kaiser in den Hauptstädten des Reichs sich zu zeigen, rief ihn auch wol ein Ereigniß, das ihn als Familienhaupt näher berührte, an die holländische Grenze. In dieser Provinz führte Dietrich, der Sohn von Lothar's Stiefschwester Petronella, seit erlangter Großjährigkeit ein kräftiges Regiment, und erwarb sich ein besonderes Verdienst durch Bekämpfung der Friesen, welche früher Holland oft beunruhigt hatten 4). Sein jüngerer Bruder, Florentius, suchte durch eine reiche Erbtochter zu Macht und größerem Besitz zu kommen; doch fand er unerwartet an deren Oheimen Widersacher und mußte auf die Hand der Dame Verzicht leisten. An einem jener, dem Bischofe Andreas von Utrecht, rächte sich Florentius durch einen verheerenden Einfall in dessen Kirchensprengel; doch zwei

 

1) Ann Saxo ad 1133: Lotharius Imperator Natale Domini Coloniae celebravit, ubi temerarius tumultus urbanorum coram Imperatore exoritur, quo nondum sedato inde discessit. Mehr weiß auch Chron. S. Pant. nicht. Früher noch als in Basel (8. November) treffen wir ihn in Mainz (23. October). Doch um nach Köln zu gelangen, zog er wieder stromabwärts. S. Raumer II, S. 523.

2) Luden kennt freilich die Gründe. Köln, ja alle Städte Deutschlands haßten Lothar, weil er sich den Thron erschlichen, den Hohenstaufen feindlich bewiesen, mit dem Papste in Freundschaft lebte, Augsburg in Flammen gesteckt, in Italien zum Gespött der Städte geworden, und weil die Geistlichkeit und die Fürsten ihn ehrten!! Gesch. des deutschen Volkes X, S. 94 und 95.

3) Vom 1. Januar ist die Urkunde bei Miraeus op. I, p. 279.

4) Ueber Dietrich's Feldzug gegen die Friesen berichtet Corner ad 1134 (statt 1133): Cum esset hyems valida, Comes Hollandiae Tidericus filius Florentii contra Frisones proficiscens cum venisset Algmare Frisones impetum ejus ferre non valentes fugerunt. Omnes autem per glacies Frisiam vagatus villas incendit quam plurimas captivosque multos cum praeda magna abducens ad propria reversus est.

II. 17

 

 

____

258 Vierter Abschnitt.

 

Brüder, Gottfried und Hermann von Kuk, vergalten Gewaltthat mit Gewaltthat und erschlugen Florentius auf der Jagd 1). Als naher Verwandter lag es dem Kaiser ob, den Frevel zu strafen. Doch diesmal entzogen die Mörder sich noch seinem Arm. Lothar überließ die Rache dem nächsten Verwandten des Erschlagenen, dem Grafen Dietrich, der dabei nicht säumig war.

 

Nun erst begab sich der Kaiser in sein Stammland Sachsen. Mit unbeschreiblicher Freude ward er hier begrüßt, da seit den Ottonen kein Herzog, kein Eingeborener ihres Landes zu der höchsten Würde im Abendlande gelangt war; und da es meist sächsische Fürsten, geistliche wie weltliche, gewesen waren 2), die mit Lothar den Römerzug gemacht hatten, so war die Ehre ihres Namens durch und mit ihrem verehrten Landes- und Reichsoberhaupte gehoben. Denn keiner unter den Theilnehmern der Heerfahrt kehrte ohne neue Würden, Ehrengeschenke oder Belohnungen vom Papste oder vom Kaiser erhalten zu haben in die Heimat. Von den bedeutendsten Fürsten ist dies schon erwähnt; nach Verhältniß ihrer Verdienste hatten gewiß Alle von dem freigebigen, wohlwollenden Kaiser einen Beweis der Gunst erhalten. Der Rückkehrende beschied die Großen des Landes zuerst nach Goslar 3), der Hauptstadt ganz Sachsens, dann zog er von Ort zu Ort und übte überall Handlungen der Herrscherpflicht oder der Milde gegen Fürsten, Geistliche und Bürger. Doch nicht Deutschland allein, auch die dem Reiche lehnspflichtigen Länder beeiferten sich, dem neuen Kaiser ihre Huldigungen darzubringen. Nikolaus von Dänemark und sein schlauer, ebenso arglistiger als geschmeidiger Sohn Magnus beeilten sich um so mehr Beweise ihrer Demuth und Unterwürfigkeit zu geben, als sie während

 

1) Ann. Saxo, Chron. S. Pant ad 1133: Consobrinus Imperatoris, Florentius filius Florentii comitis de provincia Hollandiae occiditur Trajecti a Godefrido et fratre ejus Herimanno de Kuch. S. Mascov. comm. p. 78.

2) Dies erhellt aus Unterschriften in des Kaisers Brief aus Rom. Außer den Erzbischöfen von Magdeburg und Bremen werden genannt die Bischöfe von Osnabrück, Paderborn, Brandenburg, die Aebte von Fulda, Naumburg und Lüneburg. Dazu kommt noch Bernhard von Hildesheim, unter den weltlichen Fürsten die Markgrafen Albrecht, Heinrich von der Lausitz, dazu der früher gestorbene Konrad von Plotzke. Auch die Grafen Otto und Siegfried, von denen Letzterer des Kaisers Fahnenträger heißt, sind wol aus Sachsen gewesen.

3) Hier schon am 25. Januar. S. Raumer II, zweite Beilage ad 1134. Die danach angeführten Hoftage des Kaisers zu Altstädt, Quedlinburg, Halberstadt können noch vermehrt werden. Auffallend fehlen Merseburg zu Pfingsten, Magdeburg am Feste Petri und Pauli.

 

 

____

259 Verhältnisse in Dänemark.

 

Lothar's Römerzug gegen Deutsche sich schwer vergangen hatten und der Züchtigung dafür zuvorzukommen suchten. Bereits früher ist erwähnt, daß auf dem Feldzuge des Kaisers gegen Dänemark wol das Verhältniß dieses Landes und seiner Fürsten zu Deutschland geordnet, keineswegs aber eine Versöhnung zwischen Erich, dem Bruder und Rächer Kanut's, und Magnus, der diesem das Leben, jenem die Krone geraubt hatte, herbeigeführt war. Lothar, nur vom Standpunkte des Oberlehnsherrn Dänemarks Beherrscher vom Reiche abhängig zu machen bemüht, überließ dem Volke selbst, mit dem er allein auch den Lehnsvertrag geschlossen hatte, wen es als seinen Herrn anerkennen wolle. Wie nach Erich's III. Tode Nikolaus, der Reichsverweser und Vormund Kanut's, diesem rechtmäßigen Erben von den Großen des Landes vorgezogen wurde, so beharrten auch nach Kanut's Ermordung Letztere bei ihrem Beschlusse, und Erich, Erich's III. unechter Sohn, behauptete sich nur in dem Theile des Landes, den einst sein Stiefbruder Kanut von Nikolaus und dem Kaiser zum Lehen erhalten hatte, ohne jedoch, wie wir gesehen, Kanut's slavische Besitzungen damit zu verbinden, wo die Nation selbst Niclot und Pribislav zu Fürsten in getheilter Herrschaft erkoren und Lothar bestätigt hatte. Erich war dem Kaiser zwar beim dänischen Feldzuge als Bundesgenosse willkommen gewesen, aber dadurch hatte er kein besonderes Anrecht an dessen Gunst, oder gar die Zusicherung der dänischen oder der slavischen Königskrone erlangt. Letztere war überhaupt nur eine ganz besondere Auszeichnung, die den Fürsten Heinrich und Kanut ausnahmsweise zu Theil geworden, wie auch wol andere Fürsten, z. B. die Herzoge von Böhmen zuweilen den Ehrentitel eines Königs vom deutschen Kaiser empfingen. Alles was Lothar für Erich ausgewirkt hatte, beschränkte sich darauf, daß er ihm den Besitz Schleswigs zusicherte, und ihn darin zu erhalten und zu schützen dem Grafen Adolf von Holstein, dem bestallten Wächter Sachsens gegen Dänen und Slaven, empfahl. Erich aber, nicht zufrieden mit der Herzogswürde, nannte sich König von Dänemark, und setzte nach Lothar's Abzug den Krieg gegen Nikolaus und Magnus fort 1). Doch mehr als abenteuerliche Züge

 

1) Broderi Boissen, Chron. Slesw., Mencken III, p. 580: Ericus igitur solus de fratris caede ulciscenda (das war der Vorwand seiner ehrgeizigen Unternehmungen) cogitare coepit, qui licet per omnes regni partes de nefaria caede fratris conquestus aliquem exercitum collegisset, victus tamen aliquoties pedem referre coactus fuit, unde cognomen Hasenfut est adeptus. Helm. I, cap. 51 sagt: Quia refriguit Caesaris ira, coepit armari in ultionem fraterni sanguinis, currensque terra et mari congregavit multitudinem Danorum execrantium impiam caedem Kanuti. Sumptoque regio nomine coepit frequentibus bellis incursare Magnum sed superatur, sed fugatus est.

 

 

____

260 Vierter Abschnitt.

 

bald nach dieser, bald nach jener Provinz, Verheerungen der dänischen Küste zu machen gelang ihm nicht, zumal da sein eigener Bruder Harald, der als der ältere Sohn Erich's III. gegründetere Ansprüche an die Krone zu haben glaubte, und der König Magnus von Norwegen, der Gemahl seiner Nichte gegen ihn feindlich und treulos verfuhren. Geneigter als die Großen und die Geistlichkeit scheint ihm allerdings das Volk gewesen zu sein, weil bei diesem der Unwille über Magnus' so schnöde und arglistig an Kanut verübten Mord nicht die politischen Gründe der höheren Stande oder die größeren Herrschertalente Nikolaus' und Magnus' anerkannte. Vornehmlich mochten es die im Lande angesiedelten Deutschen sein, welche dem Könige und seinem Sohne wegen ihrer Abneigung gegen sie und ihrer Begünstigung Erich's gefährlich schienen. Ein Gewaltstreich sollte die Gefahr beseitigen. Eine große Anzahl dieser deutschen Ansiedler wurde getödtet oder verstümmelt 1). Dies hatte Lothar, wenn er noch in Deutschland gewesen wäre, nicht ungestraft hingehen lassen. Doch weil Nikolaus und Magnus ihn fern und lange abwesend wähnten, wagten sie, was augenblicklich ihnen heilsam war. Erich hatte sein einziges Heil noch von der Treue und Tapferkeit der Schleswiger zu erwarten. Schon aber zog das dänische Heer gegen seine Hauptstadt, die von einer neuen Belagerung bedrängt wurde. Da sandten die Schleswiger zu Adolf von Holstein, boten ihm 100 Mark, wenn er ihnen seinen Beistand leisten wolle, und erhielten ihn auch, obgleich Nikolaus und Magnus dem Grafen eine gleiche Summe versprachen, wenn er fern vom Kampfe bleibe. Ob Adolf und seine Vasallen mehr durch die Handelsvortheile, welche Holstein von Schleswig hatte, oder durch die an den Deutschen in Danemark verübte Grausamkeit zur Hülfleistung der bedrohten Stadt bewogen wurden, mag unentschieden bleiben; daß er nicht um Erich's willen den Zug unternommen, ist kaum zu bezweifeln, da er dessen leidenschaftliches, ehrgeiziges Streben gegen Fürsten, die vom Kaiser die dänische Krone zu Lehen trugen, schwerlich als Lehnsträger dieses billigen konnte. Uebrigens nahm seine Heerfahrt zur Befreiung Schleswigs einen unglücklichen Ausgang.

 

1) Ann. Saxo ad 1133: Rex Danorum pluribus advenis Teutonicis terram suam incolentibus trunculationes membrorum intendit. Vergl. Ann. Bosov. 1134.

 

 

____

261 Magnus liefert sich in des Kaisers Gewalt.

 

An der Eider zog Magnus mit einer erlesenen Schar ihm entgegen und schlug ihn gänzlich 1). Erich mußte nun auch aus Schleswig entweichen, obschon die Stadt sich gegen die Belagerer mit beispielloser Tapferkeit bis gegen den Winter vertheidigte, wo dann Magnus genöthigt war, unverrichteter Sache abzuziehen. Diese Ereignisse fallen in die Zeit, als Lothar nach Deutschland zurückkehrte, was sogleich jenen eine andere Wendung gab. Der Schrecken, welcher sich nach Adolfs Niederlage der Nord-Elbbewohner bemächtigt hatte 2), weil nun Deutschland den dänischen Waffen keinen augenblicklichen Widerstand zu leisten vermochte, wenn die Sieger ihren Vortheil benutzten, wich dem Vertrauen auf des Kaisers Hülfe, dem die Fürsten in Würzburg so bereitwillig entgegengekommen waren. Magnus und Nikolaus wurden gleichfalls durch die Nachricht von Lothar's Rückkehr überrascht. Sie hatten an Deutschen sich schwer vergangen, hatten den Lehnsträger und Freund des Kaisers geschlagen. Beides mußte dieser rächen, und es war, als er 1134 nach Sachsen kam, sein fester Wille, für die Frevelthat, welche die Sachsen noch greller darstellten, da zu deren Brüdern und Stammverwandten die Unglücklichen in Dänemark gehörten, die Dänenfürsten zu züchtigen 3). Eine Heerfahrt war bereits zum Frühjahr angesetzt, als Nikolaus und Magnus die drohende Gefahr durch eine glänzende Genugthuung, die sie dem Kaiser gaben, von sich abwandten. Als Lothar das Osterfest in Halberstadt, begleitet von der Kaiserin, umgeben von sächsischen Großen jedes

 

1) Ausführlich bei Helm. a. a. O., kürzer in Broderi Boissen Chron. Slesw., p. 580: Ericum tandem Dania ejectum Sleswicenses ejusdem miserti susceperunt, qui obidionem Nicolai et Magni toto autumno sustinuerant inque magnas angustias redacti fuere. Quibus etsi Adolfus Comes Holsatiae subsidio venit, nihil tamen effecit, sed a Magno victus trajecta Eidora evasit. Als Adolf die majores provinciae befragte, wem er Gehör geben solle, da beide Theile ihm Gleiches geboten hätten, illi consuluerunt civitati subveniendum eo quod mercibus ejus saepe potirentur. Die Beutesucht seiner Soldaten veranlaßte die Niederlage, die Magnus mit 1000 loricati, die er ausgewählt hatte, ihm beibrachte.

2) Helm. a. a. O.: Fugatus est Comes percussique populi Nordalbingorum attritione maxima. Er setzt zwar hinzu: Comes autem et quot fugerant de acie reversi per Egdoram salvati sunt. Hätte Magnus indeß sie verfolgt, so war die Niederelbe immer gefährdet, zumal da auch die Slaven, den Deutschen abgeneigt, leicht die Hand bieten konnten.

3) Ann. Saxo a. a. O. nach Bericht der trunculationes Teutonicorum. Qua de causa Imperator super eum (Regem Nicolaum) expeditionem movere intendit.

 

 

____

262 Vierter Abschnitt.

 

Standes und Geschlechtes 1) feierte, erschien Magnus vor ihm und lieferte sich ganz in des Kaisers Gewalt. Dieser mochte anfangs über Den, der an seinen Landsleuten grausame Strafe für kein anderes Vergehen als weil sie eine ihm abgewandte Gesinnung gezeigt, genommen hatte, mit Zorn und Unwillen blicken. Die Klugheit aber gebot, was sich nun ohne neues Blutvergießen ausgleichen ließ, nicht erst durch einen Feldzug erzwingen zu wollen. Zeigte sich doch Magnus zu Allem bereit und brachte Vollmacht dazu von seinem Vater mit. Für die getödteten oder verstümmelten Deutschen versprach er eine sehr große Summe Goldes und Silbers, bezeugte eine große Reue über die That, sodaß der Kaiser und die Kaiserin von Mitleid ergriffen ihm Verzeihung gewährten. Und gern gaben alle Anwesenden ihre Zustimmung. Doch damit Magnus, was er zugesagt, nicht wiederum breche, mußte er Geiseln stellen. Das früher festgestellte Lehnsverhältniß zwischen den dänischen Königen und dem deutschen Reiche wurde in noch bestimmtere Grenzen der Abhängigkeit jener von diesem gefaßt und also ausgedrückt: „Jeder König der Dänen dürfe nur mit Erlaubniß des deutschen Kaisers sein Reich in Besitz nehmen.“ Um aber den Sachsen, die im Blute der Dänen das Rachegefühl wegen der gemordeten oder verstümmelten Brüder zu befriedigen gehofft hatten, eine öffentliche Genugthuung zu gewähren und zugleich des Kaisers Oberhoheit recht augenfällig darzuthun, ward Magnus von Lothar auf dem Reichstage zum Könige ernannt und mußte dann bei dem feierlichen Umzuge, der am Ostersamstage stattfand, mit der Königskrone auf dem Haupte dem mit den Kaiserinsignien geschmückten Oberlehnsherrn das Schwert vortragen, ein Schauspiel, das man noch in Deutschland nicht gesehen, und das die Sachsen wol mit der höchsten Freude und dem größten Nationalstolze erfüllen mußte 2).

 

1) Chron. Halberst. 1134: His festis Paschalibus intervenerat Imperatrix, illustris Rigenza Augusta, Otto ejusdem loci Episcopus, Adalbero Bremensis Archiepiscopus, Bernardus Hildeshemensis Episcopus, Sivarius Mindensis, Odo Cizensis Episcopus, Volkmarus Corbejensis Abbas, Gerburgis Quedlinburgensis Abbatissa et alii quam plures honorabiles et magnae autoritatis viri et maxima multitudo cleri, religiosi Principes multique nobiles utriusque sexus solemnitatem Paschalem fructuoso devotionis affectu debitis laudibus celebrantes.

2) Ann. Saxo, Chron. Mont. Ser., Chron. S. Pant., Chron. Big. u. a. m. Am vollständigsten fassen Alles die Ann. Bosov. ad 1134 zusammen: Lotharius Imperator Pentecosten (wofür die andern richtig Pascha geben) Halberstati celebravit, ubi Magnus filius Nicolai Regis Danorum ob gratiam ejus immensum pondus auri et argenti eidem obtulit eo quod suas injurias a Rege sibi illatas vindicando multos Teutonicorum in suis partibus comprehensos occiderat, truncaverat aliisque mortibus affectos Dania expulerat Rege interim in Italia agente. Quem tamen Imperator pius super hoc poenitentem et satisfacientem recepit, diademate coronatum Regem esse decrevit suumque spatarium in ipso sacro die constituit. - Ann. Saxo hat noch: Magnus se in potestatem ejus tradidit, obsides dedit, juramentum fecit se successores suos non nisi permissu Imperatoris regnum adepturos atque ipso sancto die Paschae regia more coronatus coram coronato Imperatore gladium ejus portavit. Was die andern ähnlich berichten.

 

 

____

263 Magnus im Kriege mit Erich.

 

Dem Kaiser brachte diese Art der Genugthuung ebenso viel Ehre als Gewinn; sie überhob ihn eines kostspieligen, mühevollen Feldzuges und gestattete ihm, im Reiche seine Kraft gegen die immer noch trotzigen Hohenstaufen zu wenden. Magnus aber war nur der Züchtigung des irdischen Gebieters entgangen. Die Strafe des Himmels konnte er nicht abwenden, ja er beschleunigte sie selbst durch Ungestüm und Verschmähung bessern Raths. Wie wir vorhin erzählt, war der in Schleswig bedrängte Erich nach der Niederlage des Grafen Adolf aus jener Stadt entflohen, um anderwärts Hülfe zu suchen. Wirklich gewann er in Schonen die tapfern kriegerischen Bewohner durch seine Klagen über des Bruders Ermordung und seine eigenen Leiden. Sie zeigten sich entschlossen, für ihn das Schwert zu erheben 1). Dies blieb Nikolaus und Magnus nicht lange verborgen, doch da von Deutschland keine Gefahr zu befürchten war, hofften sie den unruhigen Erich endlich ganz zu unterdrücken. Auf zahllosen Schiffen setzte Magnus mit einem großen Heere im Ausgange des Frühjahres nach Schonen und stand am Tage vor Pfingsten dem Feinde gegenüber. So begierig war er auf den, wie er hoffte, letzten Kampf mit Erich, daß er die Mahnungen der Geistlichen verachtete, Gott die Ehre zu geben und an dem heiligen Festtage nicht statt frommen Gebetes und Lobgesanges Waffenklang und Schlachtruf anzuheben. Doch auch nicht einen Tag wollte der Ungestüme die Schlacht verschieben 2). Mögen immerhin noch andere Ursachen ihn dazu bestimmt haben. Das Verhängniß

 

1) Helm. a. a. O.: Laxata hyeme pariter et obsidione Ericus elapsus venit in maritimam Sconiae regionem, conquerens ubique innoxiam fratris caedem et proprias calamitates.

2) Ebendaselbst: Cum Magnus in sacro die Pentecostes aciem urgeret ad congressum, dixerunt ad eum venerabiles Pontifices: da gloriam deo coeli et habe reverentiam diei tantae et quiesce hodie pugnaturus in crastinum. Qui contemnens aggressus est proelium. Nach anderen Nachrichten war Erich der Angreifende.

 

 

____

264 Vierter Abschnitt.

 

hatte diesen Tag (den 4. Juni) zu seinem Verderben bestimmt. Obwol an Zahl viel geringer, hatte doch Erich ein Uebergewicht durch seine Reiterei gegen die meist zu Fuße fechtenden Dänen. Bald entstand unter diesen Unordnung; die vielen geistlichen Herren verstanden das Kriegshandwerk schlecht; bald wurde die Flucht allgemein. Vergebens suchte man sein Heil in den Schiffen zu finden; man konnte oder wollte die große Zahl der Fliehenden, die zu den nächsten Fahrzeugen drängten, nicht aufnehmen. Nur Wenige hielten tapfern Widerstand, und wie heldenmüthig auch Magnus den Seinen vorankämpfte, sein Beispiel beseelte eine zu kleine Schar, die dem Ungestüm der schottischen Reiter weichen mußte. Nicht weniger als 5 Bischöfe und 60 andere Geistliche fanden ihren Tod mit Magnus und zahllosen Kriegern. Erich, der bisher Hasenfuß, d. h. der Flüchtige, genannt worden war, hieß seitdem der Glorreiche, Emum. An dem Kampfe hatten auch viele von jenen verstümmelten Deutschen Theil genommen und mit den noch erhaltenen Gliedmaßen für den Verlust der grausam geraubten sich an Magnus und den Seinen gerächt 1). König Nikolaus entkam aus dieser Niederlage noch mit dem Leben, fand aber drei Wochen später seinen Tod. Scheinbar freundlich hatten den Flüchtigen die Bürger Schleswigs aufgenommen; da stürmte das Volk seinen Palast, schrie um Rache für Kanut's vergossenes Blut und erschlug ihn sammt seinen Begleitern (25. Juni) 2). Noch lange sollte Dänemark im blutigen Bürgerkriege verharren. Denn auch Erich, obschon er sich nun nicht blos König der Dänen, sondern auch als Erbe Kanut's sich betrachtend, König der Wenden nannte 3), hatte mit dem Siege bei Flotwich und dem

 

1) Die Schlachtberichte der dänischen und deutschen Chronisten s. bei Langenbeck scrpt. rer. Dan. Pars I, 381 sqq. Helm. I, cap. 51 fügt nach der Erzählung der Schlacht hinzu: Factus est Ericus ea victoria insignis et creatum est ei nomen novum, ut Ericus Emum h. e. memorabilis appellaretur. Ann. Saxo ad 1134 (Magnus) occiditur a quodam Henrico (Erico) et fratre illius (sollte Harald, sein früherer und späterer Nebenbuhler, an der Schlacht Theil genommen haben? Es ist wol Erich's Schwestersohn, David, gemeint, dem die Ann. Bosov., Chron. Samp., Cont. Pegav. u. a., große Heldenthaten in dieser Schlacht nachrühmen) cum V Episcopis et LX Clericis adnitentibus advenis Teutonicis, quos truncatione membrorum damnaverat. Nach Corner p. 681 Magnus cecidit et cum eo sex Episcopi, quatuor ex Jutia, unus ex Scandia, unus ex Suedia et multi nobiles. Den Ort der Schlacht bezeichnet er juxta Fothswik (Flotwich bei Land).

2) Ann. Bosov., Ann. Saxo, Chron. Samp., Helm., Langenbeck a. a. O.

3) Krantz. Wandaliae lib. III, p. 76: Is cum in Dania succederet Regi, fratris quoque jura ad se devoluta arbitratus primus se in titulo praeterebat Regem Wandalorum.

 

 

____

265 Vicelin's Bemühungen, das Christenthum zu verbreiten.

 

Tode Magnus' und Nikolaus' keinen dauernden Gewinn erfochten, da sein älterer Bruder Harald ihm die Krone streitig machte. Und als es ihm durch einen Sieg bei Scypetorp gelang, Harald und dessen Söhne gefangen zu nehmen, die er alle grausam ermorden ließ, blieb er doch nur drei Jahre im Besitz des durch so viel Blut errungenen Thrones. 1137 traf ihn die Vergeltung durch einen von ihm beleidigten Edlen.

 

Lothar hätte durch eine Heerfahrt gegen die Dänen nur das Unglück des Landes noch vermehrt, ohne weder den inneren Fehden und Bruderkriegen ein Ende zu machen, noch in so anarchischen Zuständen die Rechte, welche Nikolaus und Magnus ihm eingeräumt, zu behaupten. Zu einem solchen Zuge ließen ihm überdieß Verhältnisse, die ihn näher in Anspruch nahmen, keine Zeit. Das Nationalgefühl der Sachsen, wie sehr auch durch die Genugthuung Magnus' zu Halberstadt es beschwichtigt und ihnen geschmeichelt war, fand an dem Untergange Magnus' und Nikolaus' gewiß Wohlgefallen, zumal als die Kunde herüberkam, daß ihre deutschen Brüder die erlittene Schmach an den Urhebern gerächt hätten.

 

Ehe Lothar Sachsen verließ, wo er diesmal länger als ein halbes Jahr verweilte, gab er den durch der slavischen Fürsten Christenhaß gestörten kirchlichen Verhältnissen an dieser Grenze Deutschlands neue Festigkeit. Mit Betrübniß sah der fromme Eiferer für die Verbreitung des Christenthums, Vicelin, das schöne Werk seiner Bemühungen, das er unter Heinrich begonnen, selbst unter dessen rauhem Sohne Swentopolk fortgesetzt, unter Kanut zum glücklichsten Gedeihen gebracht hatte, durch Pribislav und Niclot nicht nur gestört, sondern fast ganz vernichtet. Auch sie hatten während des Kaisers Abwesenheit des Vertrages vergessen, wonach sie die christliche Lehre, wenn sie auch selber zu ihr sich nicht bekennen wollten, doch ungekränkt in ihrem Lande dulden sollten. Wie übertrieben gewiß auch die Grausamkeiten sind, deren sie und die heidnischen Slaven beschuldigt werden 1), der Haß einer lange Zeit von den eigenen Herrschern unterdrückten Volksreligion kannte keine Schranken, seit die Fürsten selbst dem heidnischen Gottesdienst zugethan,

 

1) Helm. I, p. 52: Quanta mortium genera Christicolis intulerint relatu difficile est, cum his quidem viscera extorserint palo circumducentes, hos cruci affixerint, irridentes signum redemptionis nostrae. Sceleratissimos enim cruci affigendos autumant: eos autem, quos custodiae mancipant, pecunia redimendos tantis torturis et vinculorum nodis plectunt, ut ignoranti vix opinabile sit.

 

 

____

266 Vierter Abschnitt.

 

die Altäre der Götter mit dem Blute der Feinde zu tränken gestatteten, und das Wort christlicher Priester solchen Greueln ohne den Nachdruck, welchen bisher die weltliche Macht ihm gegeben, sich vergebens widersetzte. Adolf von Holstein vermochte kaum die Grenze Nordalbingiens gegen die Einfälle der wilden Nachbarn zu schützen, da die Veste Alberg, von der aus Kanut mit holsteinischen Männern das Land der Wagner in Zaum hielt, nun entweder in der Gewalt Pribislav's war, oder doch ohne Befestigungen dalag, sodaß sie den Holsteinern keinen festen Stützpunkt gegen die Slaven gewährte 1). Sehr richtig erkannte Vicelin die Wichtigkeit Albergs, und hoffte, wenn eine starke Veste daselbst erbaut würde, für sich und seine Missionsbrüder einen Schutz und festen Anhalt gegen die Wagrier zu erhalten. Als der Kaiser und die Kaiserin bei ihrem Umzuge durch ganz Sachsen zu Bardewich, einer damals blühenden, angesehenen Stadt Niedersachsens, verweilten, erschien vor ihnen der Priester Christi Vicelin und beschwur das hohe Herrscherpaar bei ihrer Liebe und Sorge, die sie allezeit für die Religion bewährt hätten, dem Slavenvolke die Wohlthat dieser vermöge ihrer von Gott erhaltenen Herrschermacht zuzuwenden und das Heil, welches einmal schon diesen Ländern zu Theil geworden, von Neuem und fester zu begründen, was nur von Deutschland aus und von des Königs Arm ausführbar sei 2). Und Vicelin zeigte nun das Mittel, wie mit der festen Begründung des Christenthums zugleich ein Stützpunkt für den deutschen Einfluß gewonnen werden könne. Es bedürfe nur der Befestigung des Albergs, der von der Natur selbst wie zur Grenzwehr Holsteins geschaffen sei. Des Priesters kluger Rath verschaffte seinem Gesuche, das ihm vornehmlich am Herzen lag, Eingang, den es nicht so leicht gefunden, wenn durch einen Heereszug gegen die Slaven die christliche Lehre hätte geschützt und gefördert werden müssen. Als sachkundige Männer, durch die Lothar die Gegend untersuchen ließ, Vicelin's Angaben bestätigten, säumte

 

1) Was Helm. I, p. 53 berichtet: Miles illic positus immisso noctu latrone captus est dolo senioris Adolphi metuentis se a Kanuto, si forte invalesceret, facile posse premi, mag wahr sein, beweist aber nicht, wer nach Kanut's Tode im Besitz und Herr von Alberg war.

2) Helm a. a. O.: Cum ergo inclytus Caesar Lotharius et reverentissima conjux ejus Rikenze plenam erga divinum cultum devotionis curam gererent, adiit eum sacerdos Christi Vicelinus Bardewich consistentem et suggessit ei, ut Slavorum genti secundum datam sibi coelitus potentiam aliquod salutis remedium provideret.

 

 

____

267 Die Veste Sigeberg auf dem Alberg.

 

der Kaiser nicht lange mit Ausführung des Werkes. Er selbst begab sich an Ort und Stelle. Die Holsteiner und ihr Fürst Adolf empfingen ihn freudig, und die Bewohner der Niederelbe waren bereit, zum Bau der Veste alle Kräfte aufzubieten 1). Aber damit die Slaven nichts Feindseliges darin erkennen möchten, beschied Lothar ihre Häupter zu sich 2) und erneute den Vertrag, welchen er 1131 mit ihnen geschlossen hatte, und da in demselben zwei Hauptpunkte Sicherstellung der Grenzen und Duldung der christlichen Lehre waren, so durften sie dem Willen des Kaisers sich nicht ungehorsam widersetzen, als er von ihnen die Abtretung Albergs foderte und dessen Befestigung ankündigte. Unfreiwillig, nur dem Gebot und der überlegenen Macht des Kaisers nachgebend, leisteten sie hülfreiche Hand bei einer Befestigung, von der sie voraussahen, daß sie einst eine Zwingburg für Wagrien und das Land der Obotriten werden und ihrer Nationalität den Untergang bereiten werde 3). Jhr Haß fiel vornehmlich auf den Mann, der dem Kaiser das Werk gerathen. Lothar und Vicelin hatten in der That ohne blutige Schlacht einen Sieg erkauft, und bedeutungsvoll nannte man die starke Veste, die hoch auf dem Alberg durch Mauern und starke Besatzung vor jedem Ueberfall und Sturm gesichert das Land überragte, Sigeberg. Ein deutscher Ritter und Dienstmann des Kaisers, Hermann, ward zum Befehlshaber derselben ernannt und so von Lothar ein neues Allodium auf fremdem Gebiete gewonnen. An dem Fuße des Berges gestattete man Vicelin, sein Kloster zu errichten, wozu sechs Städte im

 

1) Helm. a. a. O.: Imperator ergo audito Sacerdotis prudenti consilio transmisit viros idoneos, qui specularentur aptitudinem montis. Certior ergo factus verbis nuntiorum transmisso amne venit in terram Slavorum ad locum destinatum. Praecepitque omni populo Nordalbingorum ut occurrerent ad aedificationem.

2) Helm. a. a. O.: Sed et Principes Slavorum aderant in obsequium Imperatoris facientes operationem, sed cum grandi tristitia eo quod sentirent clam sibi suscitari pressuram.

3) Helm. a. a. O. drückt dies sehr treffend durch ein Gespräch zweier slavischen Fürsten aus: Dixit ergo guidam Principum Slavorum ad alterum: Vides hanc structuram firmam et praeminentem? Ecce vaticinor tibi, quia hoc castrum erit jugum universae terrae. Hinc enim egredientes primum effringent Plunen, deinde Aldenborg atque Lubeke, deinde transgressi Trebenam, Raveburg et omni Polaborum terra abutentur. Sed neque Obotritorum terra effugiet manus eorum. Cui ille respondit: Quis nobis malum hoc paravit, aut Regi montem hunc quis prodidit? Ad quem princeps: Vides, inquit, homuncionem illum calvum stantem prope regem? Ille induxit super nos universum malum hoc.

 

 

____

268 Vierter Abschnitt.

 

Lande der Slaven eine Beisteuer und den künftigen Unterhalt hergeben mußten 1). Zum Schirmvoigt ward Adolf von Holstein ernannt. Zweien Kämpfern wie Vicelin und Adolf konnte das Slaventhum nicht widerstehen, seine politische Abhängigkeit wie die Vernichtung seines Kultus war durch Anlegung Sigebergs auf immer entschieden; doch nicht ohne blutige Kämpfe, die noch den Boden tränkten, sollten die Deutschen erringen, was Lothar bedeutungsvoll ihnen vorverkündet hatte.

 

Wie dem Kaiser ein so folgenreicher Vortheil fast nur durch den Schrecken seines Namens, durch Androhen seiner Ungunst 2) über die slavischen Fürsten zu Theil geworden, so errang er einen andern in Sachsen selbst - freilich erst nach dem Verlust eines ihm theuer und gewichtigen Mannes - allein durch die Liebe, durch das Vertrauen, das seine Landsleute und die Kirche ihm zugewendet hatten. Norbert von Magdeburg, nachdem er sich nur kurze Zeit der erweiterten kirchlichen Macht, der Verbreitung seines nun weniger angefochtenen Ordens und der größern Zuneigung der Bürger und des Volkes erfreut hatte, war im Frühjahr 1134, wahrscheinlich in Folge der Anstrengungen auf dem Römerzuge, die seinen schwachen Körper zu sehr erschüttert, in ein Siechthum verfallen und schied vier Monate danach, am 6. Juli, aus einem bis zum letzten Augenblicke thätigen Leben 3). Der Kaiser, der das Pfingstfest in Merseburg

 

1) Perfectum ergo est castrum et numeroso milite communitum vocatumque Sigeberg, posuitque in eo quendam satellitem suum Hermannum qui castro praeesset. Nec his contentus ordinavit fundationem novae ecclesiae ad radices ejusdem montis deputans in subsidium divini cultus et stipendia fratrum illic adunandorum sex vel eo amplius oppida juxta morem privilegiis constabilita. Porro dispensationem ejusdem basilicae commisit Domino Vicelino, ut aedificiis suberigendis et personis coadunandis instaret propensius. Corner p. 680: Monasterium quoque, quod sub castro situatum est pro eodem tempore fundatum ab eodem Principe (Lothario) cooperante Adolfo Comite Vicelino vero Sacerdoti Falderensi commissum est ad perficiendum.

2) Helm. am Schlusse des angeführten Kapitels: Idem quoque fecit de Lubecensi Ecclesia praecipiens Pribislavo sub obtentu gratiae suae ut memorati Sacerdotis vel qui vicem ejus egisset, plenam gereret diligentiam. Es kann nur aus vorgefaßter Meinung dies Alles von Luden X, S. 99 für Nichts gehalten werden. Raumer I, S. 372 ist gerechter und erkennt die Bedeutsamkeit Sigebergs.

3) Vita S. Norb. cap. 50: Cum autem ab Italia reversus esset in civitatem suam Parthenopolim non diu post gravi aegritudine correptus est, eaque per aliquid tempus, i. e. spatio quatuor mensium laboravit Episcopatuque sapienter et fideliter annis octo administrato plenus spiritu sancto cum omni integritate sensus astantibus benedictione data beato fine quievit - feria quarta Pentecostes octavo Idus Junii. So auch Ann. Saxo und Chron. Mont. Ser.

 

 

____

269 Lothar in Magdeburg.

 

gefeiert hatte, begab sich nun sogleich nach Magdeburg 1), theils um der Bestattung des werthen Freundes und Dieners beizuwohnen, theils um die Wahl seines Nachfolgers zu leiten, damit nicht abermals, wie vor Norbert's Erhebung und wie bei den meisten Wahlen hoher Prälaten, ein Zwiespalt ausbreche, der nicht nur die betreffende Diöcese, sondern die ganze Provinz, ja das Reich höchst nachtheilig erschüttern konnte. Unter den Bewerbern des Jahres 1126 sahen wir einen Verwandten des Kaisers, Konrad, gebornen Grafen von Querfurth 2), den damals Lothar dem schon durch den Ruf der Frömmigkeit und Heiligkeit ausgezeichneten Norbert nachsetzte oder nachsetzen mußte, weil die magdeburger Kapitelvorsteher auch in Speier, wohin er sie beschieden, nicht hatten einig werden können. In Sachsen waren mehr als in jeder anderen Provinz Männer von fremder Abstammung unbeliebt, auch wenn sie übrigens von noch so redlichem Streben Zeugniß gaben. Auch Norbert hatte die Ungunst der Nation erfahren. Bei der neuen Erzbischofswahl in Magdeburg konnte wol nur ein einheimischer die Zustimmung Aller erhalten. Die Gegenwart des Kaisers wirkte ebenfalls ein. Sein Wunsch und der der Wahler vereinigten sich bald und ohne Schwierigkeit oder Widerspruch in der Person Konrad's, dem diesmal nicht mehr eine kanonische Satzung, wie 1126, entgegenstand 3). Einstimmig gewählt, vom Kaiser mit dem Weltlichen belehnt, hätte der neue Erzbischof von Magdeburg des Papstes Genehmigung gefunden, auch wenn nicht zwischen Lothar und Innocenz das alte Freundschaftsband fortbestanden hätte. Mehr jedoch als je war der Papst dieser Freundschaft, ja der Hülfe des Kaisers benöthigt; denn bald nach dieses

 

1) Ann. Saxo ad 1134: Imperator Pentecosten Mersburg celebravit et in feria quarta ejusdem hebdomadae Nortbertus Magd. Arch. obiit et II feria sequentis hebdomadae in Monasterio S. Mariae (wo seine Congregation) est sepultus.

2) Seine Genealogie s. Thl. I, Abschn. 1, S. 12.

3) Chron. Mont. Ser. ad 1134: Imperator festum Apostolorum Petri et Pauli celebrat Magdeburgi et Conradus ejusdem Ecclesiae Canonicus omnium electione Imperatore consentiente Archiepiscopus constituitur, qui etiam post Rutherum electus Episcopatum obtinuisset, nisi quod Abbas S. Johannis de Monte et major Praepositus restiterunt, dicentes non esse subdiaconum eligendum. Gewiß hatte schon damals Rücksicht für Lothar die anderen geleitet, was jedoch der König selbst nicht misbrauchte und für Norbert sich entschied.

 

 

____

270 Vierter Abschnitt.

 

Rückkehr nach Deutschland hatten in Italien die Sachen eine für beide Männer unerfreuliche und nicht erwartete Wendung genommen. Roger von Sicilien hatte eine neue Landung in Italien versucht und glücklich ausgeführt. So gewann er wieder festen Fuß auf dem Festlande und die Sieger von Nuceria, die leider nur allzu sorglos keine gehörigen Vertheidigungsmaßregeln ergriffen, sahen sich der Früchte jenes Sieges beraubt und sogar hart vom Gegner bedrängt, der eine Stadt Apuliens nach der andern eroberte und durch die fürchterlichsten Verheerungen und Grausamkeiten, die sein meist aus Saracenen bestehendes Heer verübte, seinen Weg bezeichnete 1). Robert von Capua suchte statt durch mannhafte Gegenwehr durch den Beistand des Papstes Innocenz dem Siegeslaufe Roger's Einhalt zu thun. Für Innocenz selbst war seine Ankunft höchst unerfreulich. Von Neuem hob sich Anaclet's Muth, der noch in den festesten Theilen Roms Stand hielt; die Römer wankten, ihnen war nicht zu trauen, Beistand nur von den oberitalienischen Städten, die durch Freundschafts- oder Lehnsbande Innocenz anhingen, zu erwarten. Um Mitte Septembers begab sich der Papst, begleitet von Robert, nach Pisa, wo es Beiden im folgenden Jahre gelang, die Pisaner, Genueser und Venetianer zu einem Kriege gegen den König von Sicilien zu bewegen 2). Die größte Hoffnung setzten indeß der Papst wie die bedrängten Fürsten Unteritaliens auf Lothar. Schon jetzt wurde dieser dringend aufgefodert, seine versprochene Rückkehr nach Italien zu beschleunigen. Der Kaiser aber erkannte sehr richtig, daß zu einem zweiten Zuge über die Alpen eine ganz andere Macht erfoderlich sei als bei dem ersten, wenn er mit Erfolg und der

 

1) Chron. Benev. bei Baron. p. 280: Ex improviso Rex Rogerius Siculorum exercitu Saracenorum congregato Pharum transivit, deinde in Apuliam cursu rapido acceleravit. Continuo Civitatem Venusiam et alias civitates comprehendens igni ferroque consummavit, viros quoque et mulieres parvulosque vario mortis genere necavit etc.

2) Baron. p. 285 berichtet sehr kurz nach Falco Benevent.: Ipsum (Robertum) octavo Kal. Julii reversum Romam ad Innocentium. Die Abreise von Rom noch ad 1133: Pontifex Innocentius et Robertus Capuanus Princeps salutis accepto consilio mense Septembri mediante navem ingrediuntur, et ventis secundis Pisas transfretavere. Nam sicut accepimus, exercitus navium et armatorum virorum et Imperatoris Lotharii virtutem quaerentes cordi proposuere, ut Domino favente civitatem Beneventanam - a gutture nefandi Regis Rogerii eripiant. Baron. a. a. O.: Qui operi (die Hülfebewerbung) eodem Innocentio favente factum est posthaec, ut adversus eundem Rogerium pararetur classis foedere simul junctis Venetis ac Genuensibus. Von dem Antheil des Abtes Bernhard von Clairvaux an diesen Bemühungen später.

 

 

____

271 Unterwerfung der Hohenstaufen.

 

kaiserlichen Würde angemessen die Sache des Papstes und der bedrängten Fürsten führen wolle. Einer großen Heeresrüstung stand aber noch Vieles entgegen, vornehmlich der unbeendete Kampf gegen die Hohenstaufen.

 

Nach Ordnung der Angelegenheiten des Westens, Nordens und Ostens, nach Beseitigung aller Gefahren, die im übrigen Reiche oder von Außen drohten und bald nach Besetzung des Erzbischofsstuhles von Magdeburg berief Lothar die Fürsten nach Würzburg, der Stadt, welche zur Berathung allgemeiner Reichssachen in diesem Jahrhundert, und vornehmlich unter Lothar's Regierung, am liebsten gewählt und wol wegen der Lage in der Mitte des Reiches am geeignetsten gehalten wurde. Am 15. August ward der Reichstag eröffnet und bereitwillig von den Fürsten ein Heereszug gegen die Hohenstaufen beschlossen, ja mehr noch: die dazu nöthige Mannschaft schon mitgebracht, sodaß der Kaiser sogleich von Würzburg nach Schwaben aufbrechen konnte 1). Schon früher hatte sein Schwiegersohn die Weisung erhalten, von Baiern aus gegen den Reichsfeind einen Angriff vorzubereiten. Aber auch die hohenstaufischen Brüder waren ihrerseits nicht unthätig gewesen und hatten die Stadt Ulm sehr stark befestigt, sowol um der Vereinigung des Kaisers mit dem Herzog Heinrich von diesem Punkte aus zu wehren, als auch deren weiteres Vordringen in das Land zu verhüten. In eigener Person leiteten Friedrich und Konrad die Befestigungsanstalten sowie die Vertheidigung. Dies Zusammenhandeln mochte aber auf den Rath wie auf die Ausführung des Beschlossenen nachtheilig wirken; denn während der eine Bruder bedächtig jeden Kampf, jede offene Schlacht vermieden wissen wollte, gedachte der andere, der überdies nichts zu verlieren hatte, kühn Alles auf einen schnell auszuführenden Streich zu setzen. Genug, alle ihre Vorkehrungen und Vertheidigungsmaßregeln in Ulm wie an anderen Punkten waren fruchtlos. Jene Stadt wurde von Herzog Heinrich im Sturme eingenommen, ehe noch der Kaiser mit dem Reichsheere herankam. Plünderung, Feuer und Schwert vernichteten die bedeutendste Stadt Schwabens. Die hohenstaufischen Brüder hatten vorher durch die Flucht sich entzogen,

 

1) Ann. Saxo ad 1134: Imperator Assumptionem S. Mariae Wirceburg celebravit et inde cum exercitu Sueviam intravit super Fridericum Ducem et fratrem ejus Conradum, qui quoddam oppidum Ulma dictum contra eum munierant, et cives ad resistendum invitaverant. Dies Letztere geschah vornehmlich, als sie selbst den Widerstand aufgebend durch die Flucht sich dem Gegner entzogen.

 

 

____

272 Vierter Abschnitt.

 

entweder weil sie zum Widerstande auch gegen den einzigen Feind, der ihnen bisher entgentrat, sich zu schwach fühlten, oder weil dieser sie beide oder Konrad allein vor der Stadt geschlagen hatte. Um diese zu nachdrücklicher Gegenwehr zu zwingen, hatten sie zwölf der vornehmsten Bürger als Geiseln mit sich genommen, was indeß der Uebergabe, so tapfer sich auch die Besatzung wehrte, nicht vorbeugte, sondern nur die Erbitterung der stürmenden Baiern vermehrte und der Stadt größeres Elend brachte 1). Hievon sollte bald das ganze Land heimgesucht werden. Als das kaiserliche Heer sich mit dem baierischen verbunden, fiel eine Veste nach der andern; keine Besatzung hielt Stand, die Mauern wurden niedergerissen, die Aecker verwüstet, die Menschen sielen durchs Schwert; nie zuvor war Schwaben so gänzlich bekriegt worden als jetzt 2). Gnade fanden nur Diejenigen, welche auf des Kaisers Auffoderung sich zu diesem begaben, von dem Herzog Friedrich sich lossagten, und Lothar den Eid der Treue leisteten 3). Bald erkannten die meisten Grafen, Edlen und Ritter im Lande dies als das Heilsamste, und die Hohenstaufen, die sich nun von Allen verlassen sahen, dachten endlich gleichfalls daran, um des Kaisers Gnade zu bitten. Ihr Stolz mochte sich noch streuben, so ohne alle Bedingung, wie es von ihnen gefodert wurde, sich zu unterwerfen. Konrad namentlich mußte des Hartesten gewärtig sein, da er nicht blos rebellirt, sondern nach der Krone die Hand ausgestreckt hatte. War es seine größere Furcht oder sein noch ungebeugter Trotz, oder wollten die Brüder abermals ihre Sache getrennt führen, genug Friedrich allein nur suchte des Kaisers Vergebung nach, und wandte sich, um eine milde und einflußreiche

 

1) Ann. Saxo und Chron. Mont. Ser. ad 1134 schreiben die Eroberung Heinrich zu: Henricus Dux Bavariae Imperatorem praeveniens oppidum expugnavit, depraedavit incendit absque ecclesiis, Duce et fratre suo inde fugientibus et XII de praestantioribus captivos abducentibus. Das Verfahren Heinrich's war nöthig, um nicht beim weitern Vordringen in Schwaben an Ulm einen gefährlichen Gegner im Rücken zu behalten.

2) Ann. Bosov., Chron. Samp., Cont. Peg. ad 1134: Castella, munitiones plurimae evertuntur, tantaque clade tota Suevia atteritur, ut nihil antea simile factum a cunctis regibus memoretur.

3) Ann. Saxo ad 1134: Postea (nach der Einnahme von Ulm) plures provincialium ad Imperatorem confluxerunt (danach zu schließen, kann die Anhänglichkeit und Treue der schwäbischen Großen sehr in Zweifel gezogen werden. Sie mochten nur aus Furcht vor dem Herzog, ihrem nächsten Dränger, früher nicht zum Kaiser übergetreten sein, und längst auf diesen geharrt haben, um nach dem Beispiele anderer Provinzen ihm zu huldigen) quibus et gratiam suam dedit, ipsique fidelitatem ei promiserunt.

 

 

____

273 Unterwerfung der Hohenstaufen.

 

Fürsprecherin zu gewinnen, an die Kaiserin Richenza, als diese mit ihrem Gemahl nach Beendigung des Feldzuges (im Anfange November) zu Fulda verweilte 1). Nur ihr konnte allein und nur jetzt gelingen, was Herzog Heinrich 1132 noch nicht vermocht hatte. Aber wie gebeugt, wie verlassen von den Seinen, oder von den wenigen Getreuen, die noch zu ihm hielten, selbst zu dem schweren Schritte gemahnt, stand der Herzog da! Er, der dem Kaiser Foderungen gestellt, als er Reichsgut für Eigenthum einzog, der Bedingungen und Friedensvorschläge gemacht, als er Lothar zur Romfahrt von Papst und Geistlichkeit gedrängt sah, der bei des Kaisers Rückkehr allein Gruß und Huldigung demselben versagt hatte, erschien nun in schlechtem Gewande, mit entblößten Füßen, in demüthiger Stellung, dringend um Gnade bittend, nur allein durch der Kaiserin Fürsprache aufrecht erhalten. Mußte Lothar nicht des Zeitpunktes aus seinem eigenen Leben sich erinnern, wo auch er vor Friedrich's Oheim in Mainz um Gnade gebeten, als ein Kampf für Freiheit und Recht ihm misglückt, ein Kampf, den alle Fürsten Deutschlands unterstützt oder gebilligt, die Kirche für rühmlich erklärt hatte? Den, der jetzt vor ihm stand, hatten die Fürsten geächtet, die Geistlichen des Reichs, dann zwei Päpste nach einander aus der Gemeinschaft der Kirche gestoßen. Aber je schuldiger, je verlassener Friedrich dastand, um so edler, reiner und großmüthiger war die Verzeihung. Lothar gedachte der kalten Strenge in Blick und Wesen, mit der ihn Heinrich V. in Mainz empfangen. Er wollte nicht die gleiche Härte üben, er wollte, was bei ihm stand, verzeihen. Doch da er in Gemeinschaft mit den Fürsten gehandelt, da der Papst und die Geistlichkeit ihre Waffen zu seinem Beistande gebraucht, mußte die Vergebung dieser Allen neben der kaiserlichen Gnade nachgesucht werden. Zu Fulda wies ihn Lothar an den anwesenden päpstlichen Legaten, damit dieser den Bann aufhebe. Auf dem nächsten allgemeinen Reichstage sollte der Herzog dann vor Reich und Fürsten seine Schuld bekennen und um Gnade bitten, die

 

1) Chron. Mont. Ser. ad 1134: Postmodum Dux a pluribus sibi faventibus derelictus necessitate coactus nudis pedibus Imperatorem adiit et per Imperatricem gratiam ipsius obtinuit. Ann. Saxo a. a. O.: Devastata autem plurima parte regionis Fuldam divertit. Fridericus videns se a pluribus derelictum et adhaerentes sibi afflictos, adiit Imperatricem Fuldae cum Imperatore degentem satis humiliter nudis pedibus flagitans ejus gratiam. Die Worte: simulque sperans se per illam in gratiam Caesaris deventurum, die Luden aus Mascov. abgeschrieben, fehlen in der Ausgabe von Eccard corp. scrpt. med. aevi.

II. 18

 

 

____

274 Vierter Abschnitt.

 

er, der Kaiser, ihm nicht verweigern wolle. Friedrich gelobte eidlich zur Zeit sich einzustellen und bis dahin Treue zu bewahren 1).

 

Ueber vier Monate vergingen noch darüber, während welcher Zeit Lothar noch andere Händel zu schlichten und Auflehnungen oder Vergehen gegen seine Person zu strafen hatte. Ueberall zeigte er Milde, wo die um Verzeihung Bittenden demüthig der kaiserlichen Majestät nahten. Als er das Weihnachtsfest zu Aachen feierte, erschienen Abgesandte von Köln und suchten seine Gnade für den im vorigen Jahre, wenn auch nicht gegen ihn, so doch während seiner Anwesenheit ausgebrochenen, Tumult in ihrer Stadt. Seltsam aber! Auf demselben Hoftag zu Aachen entzweite sich der Erzbischof Bruno mit dem Kaiser 2), und es scheint fast, jene Vergebung habe diese Feindschaft hervorgerufen, sodaß die Vermuthung Raum gewinnt, der Aufstand im verflossenen Jahre sei durch einen Zwiespalt Bruno's und der Bürger von Köln entstanden, und der Kaiser habe, weil er Bruno in Schutz nahm, die Kölner, und dann, als er diesen verzieh, den Erzbischof gegen sich gehabt.

 

Gegen Mitte März 1135 3) versammelten sich Kaiser, Prälaten und Fürsten zu Bamberg. Wenige waren ausgeblieben, entweder weil der Kaiser dringend eingeladen hatte, oder weil Jeder an dem Ausgange des Kampfes zwischen den Neffen Heinrich's V. und

 

1) Ann. Saxo a. a. O. läßt es zweifelhaft, ob Friedrich zu Fulda nur der Kaiserin oder auch dem Kaiser danach in Person sich vorstellte. Er fährt nach den vorhin angegebenen Worten fort: Quae (Richenza) fecit eum absolvi per Legatum Apostolici, qui praesens erat, ab excommunicatione, qua per septem annos continuos separatus fuit a communione Ecclesiae primo in Teutonicis partibus a tribus Archiepiscopis, postea Romae, dehinc in Leodiensi Concilio obligavitque semagnis sacramentis Imperatori fideliter adhaerere et ad proprium placitum coram principibus gratiam petere. Nach Chron. Samp. ist der Kaiser selbst, wenn auch durch Vermittlung der Kaiserin angegangen, daher folgt hier: qui etiam per Legatum Apostolici ibi praesentem ab excommunicatione septem annorum eum absolvi fecit praestito juramento quod gratiam Imperatoris omni in posterum devotione mereretur.

2) Ann. Saxo ad 1135: Lotharius Imperator Natale Domini Aquisgrani celebravit, ubi Colonienses gratiam Imperatoris obtinent. - Ibidem Imperator et Coloniensis Archiepiscopus abinvicem discordati discedunt. Mehr sagt auch Chron. S. Pant. nicht, und wir erfahren nur noch die Aussöhnung zwischen Kaiser und Erzbischof zu Bamberg.

3) Ann. Hildesh., Chron. Saxo, Ann. Bosov., Ann. Saxo, Chron. Mont. Ser. geben Media Quadragesima oder Dominicam ante mediam Quadragesimam, scilicet XVI. Kal. Aprilis. Lothar muß einige Zeit in Bamberg verweilt haben. S. Raumer II, S. 524, Beilage 2.

 

 

____

275 Unterwerfung der Hohenstaufen.

 

Lothar, den Sprößlingen der alten und dem Begründer einer neuen Dynastie, oder wie man ihn auch bezeichnen kann, zwischen Waiblingern und Welfen, lebhaften Antheil nahm. Der Kaiser erschien mit einer auserlesenen Schar von seinen Rittern, nicht um Gewalt zu üben, sondern um solche zu verhüten. Denn auch den Herzog Friedrich umgab ein großes Gefolge der Seinen 1). Zugegen war aber auch ein Mann, der, weil er auf die Gemüther durch seine Rede, durch sein ganzes Wesen einen mächtigen Eindruck ausübte, vom Papste nach Deutschland gesandt worden war, um endlich den Zwiespalt im Reiche, der Lothar von der neuen Heerfahrt nach Italien, worauf Innocenz sehnlich harrte, abhielt, durch seine Vermittlung dauernd zu heben und Deutschlands vereinte Kräfte für Italien in Anspruch zu nehmen. Es war Bernhard von Clairvaux 2).

 

Friedrich, der zu Fulda gelobt hatte, vor Kaiser und Reichsfürsten seine Schuld zu bekennen und Beider Begnadigung nachzusuchen, fühlte noch einmal den alten Stolz und Trotz erwacht und wollte zwar die Verzeihung empfangen, nicht aber die Demüthigung erdulden. Bernhard von Clairvaux und andere weise Manner wiesen ihn zurecht, stärkten indeß zugleich auch sein Vertrauen zu des Kaisers Milde. Da beugte er vor diesem sein Knie, bat an den Stufen des Thrones um Gnade und erhielt sie in reichem Maße. Ja der Kaiser ließ ihm sein Herzogthum Schwaben und alle Besitzungen seines Hauses, foderte nur, daß er in allen seinen Landen, wie es vorgeschrieben sei, den Frieden und die Treue der Schwaben gegen das Reichsoberhaupt aufrecht erhalte, und im nächsten Jahre mit ihm an dem Zuge nach Italien Theil nehme 3). Indem er durch diese letzte Bedingung das Interesse der Kirche mit dem seinigen

 

1) Ann. Saxo ad 1135: Imperator, sicut promiserat, cum totius fere Principum regni conventu Babenberg cum valida manu electorum militum et armorum venit, et Fridericus cum suis.

2) An Bernhard's persönlicher Vermittlung könnte man freilich noch zweifeln, da Urkunden, in Bamberg gegeben, ihn nicht unter den Zeugen nennen; doch ist interventu Bernhardi Clarevallensis bei Otto Fris. VII, cap. 19, Chron. Ursp. p. 290, Mon. Weing. p. 788 wol auf seine Anwesenheit zu deuten.

3) Ann. Saxo a. a. O.: Fridericus licet aliquamdiu reniteretur, gratiam Imperatoris publice provolutus pedibus illius humiliter exquisivit et mox impetravit. Qui etiam se profecturum cum Imperatore in Italiam proximo anno spopondit et pacem per totam Sueviam, sicut decretum fuit, firmiter observari praecepit. Noch nicht alle Grafen und Ritter in Schwaben mochten auf des Kaisers Mahnung Unterwerfung und Treue gelobt haben. Sie konnten an Konrad sich schließen und ferner Trotz bieten. Beides wurde durch den Eid Friedrich's verhindert.

18*

 

 

____

276 Vierter Abschnitt.

 

verknüpfte, zwang er den Herzog durch doppelte Bande der Verpflichtung gegen ihn nachzukommen. Er wagte Nichts, als er ihm Schwaben zuerkannte, und übte diese Großmuth auf durchaus freie Weise. Selbständiger und edler zugleich steht Lothar bei der Aussöhnung mit den Hohenstaufen da, als späterhin Friedrich Barbarossa auf dem Reichstage zu Erfurt, wo denselben die deutschen Fürsten und die eigene Politik zwangen, Heinrich dem Löwen alle Macht zu nehmen, ohne daß dadurch etwas anderes als die größere so verderbliche Zerstückelung Deutschlands bewirkt wurde 1).

 

Noch eine zweite Aussöhnung kam auf dem bamberger Reichstage und wol ebenfalls durch die Vermittlung der geistlichen und weltlichen Großen zu Stande. Der Erzbischof Bruno von Köln bekannte sein Unrecht, das er zu Aachen begangen, als er in Unfrieden vom Kaiser geschieden war, gab die gefoderte Genugthuung und erhielt Verzeihung 2).

 

So waren denn bis auf Konrad von Hohenstaufen alle Glieder des Reichs mit dem Oberhaupte ausgesöhnt. Jener konnte, auch wenn er es gewollt hätte, nicht länger im Trotze verharren. Ob er früher selbst Lothar's Gnade nachgesucht, ob dieser sie verweigert, und gegen den, der ihm die Krone zu entreißen gedroht, auf die ganze Strenge der Acht und des Bannstrahles gedrungen habe, wird nirgends gemeldet. Daß zu Bamberg aber auch an der Ausgleichung dieses letzten noch fortbestehenden Zwiespaltes im Reiche eifrig gearbeitet sei, unterliegt keinem Zweifel. Und nicht nur der Abt Bernhard war dafür thätig, auch Friedrich und viele geistliche wie weltliche Fürsten hegten den Wunsch und sprachen ihn unumwunden aus. Der Kaiser, dem es um den Frieden so ernst zu thun war, der den italienischen Feldzug aus eigenem und der Kirche Antrieb im nächsten Jahre antreten wollte, schenkte den Vorstellungen

 

1) Ich habe dies ausführlich dargestellt in der Abhandlung: „Friedrich Barbarossa, Heinrich der Löwe und die deutschen Fürsten in ihren Verhältnissen zu einander.“ S. die neuen Jahrbücher der Gesch. und Politik von Fr. Bülau, 1839, in den Heften April, Mai, Juni.

2) Ann. Saxo ad 1135: Ibidem Bruno Coloniensis Archiepiscopus interventu Principum et satisfactione sua veniam delicti sui in Imperatorem promeruit. - Chron. regia S. Pant. stellt beide Aussöhnungen zusammen und nennt für beide den gleichen Vermittler. Postea ipse (Bruno) et Fridericus Dux Alsatiae interventu Principum Imperatori reconciliantur. Gewiß war Bernhard nur der Wortführer der Kirche und auch der weltlichen Fürsten. Welche sonst noch eifrig für die Aussöhnung gewesen, dies läßt sich wol errathen, nicht aber historisch nachweisen.

 

 

____

277 Unterwerfung Konrad's.

 

und Bitten ein geneigtes Ohr. Aber wie Friedrich sollte auch Konrad vor ihm und den Fürsten erscheinen, sich schuldig bekennen und Verzeihung nachsuchen 1). Da keine Weigerung von Seiten Konrad's zu erwarten stand, Friedrich die Bürgschaft für den Bruder leistete, der Abt Bernhard, um den Kaiser zur Milde zu stimmen, all' seine Beredtsamkeit und Thätigkeit verwendet hatte, so gedachte man zu Bamberg ernstlich der Heerfahrt nach Italien, von der kein Fürst sich ausschließen durfte, sei es nun, daß er persönlich mitzog oder mit Truppen und Geld dazu beisteuerte. Der päpstliche Legat Kardinal Dietwin, und noch mehr der Abt Bernhard unterstützten des Kaisers redliches Bemühen, Deutschland zu der Ruhe und Einigkeit zu bringen, die Lothar's Hauptziel während seiner ganzen Regierung gewesen war. Nur unter diesen Umständen war ein Zug mit gesammter Reichsmacht über die Alpen nicht nachtheilig, ja sogar heilsam, denn er richtete die verschiedenen deutschen Völkerstämme auf ein gemeinschaftliches Ziel, das mit Wetteifer von Allen erstrebt und doch nur zum Ruhme des Kaisers und Derer, die mit ihm dahin zogen, erreicht werden konnte.

 

1) Dies mochte als Beschluß in Bamberg ausgesprochen sein. Daher Otto Fris. Chron. VII, cap. 19, Mon. Weing. p. 788 und Chron. Ursp. p. 290 berichten: Imperator in generali curia Babenberg habita Conradum et Fridericum. Duces interventu Bernardi Clarevallensis Abbatis in gratiam recepit, ac ita renovata pace expeditionem in Italiam secundo indixit. Den Verfassern oder ihren Quellen konnte nicht unbekannt sein, daß Konrad erst zu Mühlhausen vor dem Kaiser erschien. Aber Fürsprecher und Vermittler hatten zu Bamberg die Aussöhnung vorbereitet und ausgemacht.

 

 

____

278 Fünfter Abschnitt.

 

Fünfter Abschnitt.

 

Höchstes Ansehen des Kaisers im Innern des Reiches und im Auslande. Reichs- und Landfrieden. Lothar's Verhältniß zur Kirche, zu den Fürsten, zu den Städten und dem Volke. Vorbereitungen zur zweiten Heerfahrt nach Italien.

 

Seit der Bewältigung der Hohenstaufen, oder, wollen wir einen bestimmtem Zeitpunkt festhalten, seit dem Reichstage zu Bamberg erscheint Lothar auf einer Höhe der Macht, und das Reich in einem Zustande der Einigkeit und Festigkeit, wie beides seit Karl dem Großen kaum jemals unter den ausgezeichneteren Beherrschern Deutschlands stattgefunden hatte, und in der Folgezeit nur selten wieder gefunden wird, wie glänzend und ruhmvoll auch ein Otto I., Heinrich III. oder ein Friedrich Barbarossa im Ausgange, Friedrich II. beim Beginn seiner Regierung, oder wen man sonst anführen will, dastehen. Bei Lothar II. ist es nicht die Gewalt seiner Herrschaft, nicht die unwiderstehliche Kraft seines Armes im Kriege, nicht die Strenge seines Herrscherwortes, dem Niemand ungestraft widersprechen darf, im Frieden, sondern die Freiheit der Stände in friedlichem Verhältniß zueinander, das gute Vernehmen zwischen Kirche und Staat, zwischen weltlichen und geistlichen Fürsten, des Kaisers wohlgegründete Hausmacht, die er einem Erben zweier Herzogthümer zu hinterlassen hofft, sodaß ein Uebergehen oder Zurückweisen dieses Erben bei der künftigen Königswahl unmöglich oder doch unklug erscheint; es ist endlich das Bestreben des Kaisers, seine Person und seine Würde im Reiche und bei den Nachbarvölkern, die ein Lehnsverband mit dem Reiche anerkannten, und selbst bei Denen, die nur dem Kaisernamen eine höhere Bedeutung zuerkannten, so erhaben und ehrfurchtgebietend darzustellen, daß nicht erst das Schwert sein Ansehen geltend zu machen braucht, sondern sein Wort, sein Rath, seine geistige Ueberlegenheit sofort Achtung und Folgsamkeit hervorzurufen vermögen. Kurz, Das, was die päpstliche Gewalt bisher als Alleinbesitz errungen zu haben schien, gelang Lothar in seiner rein weltlichen Stellung sich zu erwerben, und was er mit dem Schwerte nicht ganz oder nicht auf einmal zu erzwingen vermochte,

 

 

 

____

279 Höchstes Ansehen Lothar's.

 

weil dessen Ueberlegenheit nach Heinrich's III. Tode den deutschen Königen verloren gegangen, erlangte er durch die Vereinigung mit Gewalten, die bisher dem Throne feindlich entgegengestanden, ohne daß er sie entwaffnete, oder ihren Wirkungskreis beschränkte und ihren Einfluß schmälerte.

 

Will man es nur günstigen Umständen, glücklichen Verhältnissen und nicht dem Verdienste des Kaisers beimessen, daß er Deutschlands Ruhe und Einheit herstellte, daß er alle Gegner im Reiche zur Unterwerfung zwang, daß er den Nachbarstaaten und selbst den entferntern, die nur von ihm vernahmen, ehrwürdig und mächtig erschien? Als Lothar den Thron bestieg, als er widerstrebend die Krone annahm, waren Macht, Ansehen, Würde des Königs tief gesunken. Die Kirche von der einen, die Reichsfürsten von der andern Seite hatten das Königthum zum Schatten gemacht, dem auch Heinrich's V. unermüdliche Thätigkeit und Herrschsucht innerhalb der Reichsgrenzen weder Glanz noch Kraft zu geben vermochten. Seine Unternehmen nach Außen waren an der inneren Schwäche gescheitert und für Lothar war keine Aussicht vorhanden, außerhalb der Reichsgrenzen einen Stützpunkt zu gewinnen, um die alte Macht des Thrones herzustellen. Noch ungünstiger waren die innern Verhältnisse. Zwar in dem Herzogthume Sachsen besaß er eine Hausmacht, wie die fränkischen Kaiser keine gleiche gehabt hatten, und welche Diese, von Konrad II. bis auf Heinrich V., nicht vermögend gewesen zu brechen, doch Sachsen hatte nur zur Abwehr von Bedrückung und Willkür keine Anstrengung gescheut, über seine Grenzen hinaus, zumal nach dem Inneren des Reiches war es zu jeder Unterstützung seiner Fürsten abgeneigt. Selbst Lothar, ihr verehrter und im Innern Alles vermögender Herzog, hatte am Rhein mit den Sachsen erfolglos, ja unglücklich wider die Gegenpartei gekämpft. Die Hauptstärke des Reiches beruhte auf den Städten und Ländern am Rhein. Noch unter Heinrich IV. hatten diese Großes geleistet und mit aller Anstrengung, mit großer Aufopferung sein Ansehen aufrecht zu erhalten sich bestrebt. Gegen Heinrich V. waren sie minder hingebend, einige Städte, wie Mainz, Köln, zuletzt auch Worms widerspenstig, nur das von dem fränkischen Kaiserhause begünstigte Speier blieb jedem Sprößlinge desselben treu. Lothar gehörte der Nation an, die einst von den rheinischen Reichsstädten wiederholentlich und mit Erbitterung bekämpft worden war. Zwar der Niederrhein von Mainz ab hatte mit ihm oft gegen Heinrich V. im Bunde gestanden, doch einerseits durch die Erzbischöfe von Mainz und Köln, jenes Kaisers unversöhnliche Gegner, dazu

 

 

____

280 Fünfter Abschnitt.

 

bewogen, andrerseits nur geleitet von dem gefährlichen Trotze gegen das Reichsoberhaupt, den sie im Gefühl ihrer eigenen Macht und aus Gewohnheit freier Unabhängigkeit jedem Könige entgegensetzten. Dieses Streben mit Gewalt niederzuhalten war schwer, ja unmöglich, wie Kaiser Heinrich zweimal vor Köln, Herzog Friedrich, sein Stellvertreter, ebenso oft vor Mainz es erfahren hatten, obgleich sie mit großer Heeresmacht die Widerspenstigen bedrängten. Die Milde statt der Strenge walten zu lassen, Ausbrüche augenblicklich erhitzter Leidenschaft oder der Parteienwuth nicht sogleich zu ahnden, sondern die Rückkehr der Besonnenheit, die nicht lange ausblieb, abzuwarten, war von Lothar eine ebenso kluge als ersprießliche Maßregel. Nur Speier, das, sowie Nürnberg, den Schwestersöhnen Heinrich's ergeben, dem Kaiser den Eid der Treue verweigerte, mußte zum Gehorsam gezwungen werden. Daß es Lothar mit beiden besser als Heinrich mit Köln und Mainz gelang, und daß er ihre Unterwerfung als eine Ehrensache auch mit Ehre durchsetzte, bewies zuerst, wie er, der sonst so Milde, Nachsichtige, Das, was mit der Würde der Majestät unverträglich war, nicht ungestraft hingehen ließ und daran Alles setzte. Um aber gegen widerspenstige Städte wie gegen rebellische Fürsten und aufsätzige Prälaten Nachdruck zeigen zu können, mußte er die geschwächte Macht des Reichsoberhauptes durch ein kluges Verfahren von andern Seiten her zu stärken suchen.

 

Gefährlicher als das Streben nach Unabhängigkeit, das die rheinischen Städte an den Tag gelegt hatten, und selbst als der offene Widerstand Speiers und Nürnbergs, die mehr von den Hohenstaufen aufgereizt als aus eigenem Antrieb handelten, war die unter Heinrich V. unleugbar hervorgetretene Trennung von Nord- und Süddeutschland, die bei den Völkern wie bei den Fürsten sich in schroffer Weise kund gab und kaum durch das gleiche Interesse der Kirche in beiden Theilen, durch den engern Verband der Geistlichkeit, namentlich der vier Erzbischöfe von Köln, Magdeburg, Mainz und Salzburg 1) gemildert werden konnte. Die mächtigen Herzoge von Baiern und Schwaben, wenn auch nicht in gleicher Stärke und gleichem Interesse dem Kaiser Heinrich zugethan, standen durch Heirathsbande einander nahe. Lothar würde gewiß standhaft die Krone zurückgewiesen haben, wenn sich nicht auf dem Wahltage in Mainz, sei es aus eigenem Antriebe, sei es durch Ueberredungskünste

 

1) Friedrich von Bremen zeigte sich in dem deutschen Parteienkampfe theilnahmlos, und Bruno von Trier verfolgte unabhängig von der Politik der vier genannten deutschen Metropolitanen einen eigenen Weg.

 

 

____

281 Höchstes Ansehen Lothar's.

 

Adalbert's von Mainz, der Herzog Heinrich der Schwarze von Friedrich dem Hohenstaufen auf seine Seite gewendet und eine Verbindung seines Sohnes mit Lothar's Tochter für ihn gewinnvoller geschienen, als die schon geschlossene Ehe seiner Tochter mit Friedrich von Schwaben. Die Vermählung Heinrich's des Stolzen mit Gertrud gab dem Throne Lothar's eine Basis, worauf allein eine Erhebung des königlichen Ansehens durch das ganze Reich möglich wurde. Denn Friedrich, wenn er die Krone erhalten hätte, würde im Bunde mit Baiern immer nur wie die Heinriche Süddeutschland vereint haben, in Norddeutschland den Geist des Widerstandes durch diese Verbindung nicht gebrochen haben. Seit der Verkettung Sachsens und Baierns, wenn auch nicht sogleich unter einem Herrscher, doch durch ein festes Familienband und durch heilsame Politik, blieb Schwaben und allenfalls noch der Elsaß isolirt stehen. Die Reichsstädte im Stammherzogthume der Hohenstaufen zeigten sich diesem geneigt, im Elsaß waren Städte und Fürsten in ihren politischen Ansichten getheilt, doch weil Straßburg und Basel für Lothar sich entschieden, gewann dieser zwei so wichtige Anhaltpunkte für die Oberrheingegenden, daß Friedrich, zumal nach dem Falle Speiers, seine Vertheidigung auf Schwaben beschränken mußte.

 

Freilich gewährte nicht sogleich Heinrich von Baiern seinem Schwiegervater einen so erfolgreichen Beistand, als dieser erwartet hatte, weil eines Theils die Widerspenstigkeit der baierischen Großen und der mächtigste Vasall des Herzogs, der Markgraf von Oestreich, Heinrich in seinem Lande zu schaffen machten, anderen Theils, wie er es frei dem Kaiser erklärte, ein Vertilgungskampf gegen den ihm früher brüderlich zugethanen Friedrich von Schwaben ihm allzuhart bedünkte. Wozu er sich seinem Schwiegervater verbindlich gemacht und was dieser von ihm fodern konnte, leistete er zwar nach Umständen, aber das meiste blieb Lothar selbst auszuführen. Und hätte dieser noch auf die andern großen Reichsfürsten zählen dürfen! Aber in Burgund und Lothringen verweigerten die Landesherrn die schuldige Ergebenheit und Achtung. Der Kaiser mußte sie nach seinem konsequent befolgten Grundsatze ihrer Würden und Lehen entsetzen und wie wackern Männern er auch dieselben übertrug, sie konnten nur mit Mühe ihre und des Kaisers Gegner überwältigen. Aus jenen Ländern also war zum Kriege gegen die Hohenstaufen kein oder nur ein geringer Beistand zu erwarten. Es blieb außer seinen Sachsen ihm nur der Beistand der geistlichen Fürsten; diese waren noch nicht so kriegserfahrene, zu Feldherrn geschickte Männer, wie später die Prälaten unter Friedrich Barbarossa, und die sächsischen

 

 

____

282 Fünfter Abschnitt.

 

Fürsten, außerdem daß sie fernen Kriegen abhold waren, zeigten wol wie Markgraf Albrecht auch Abneigung, oder verfuhren willkürlich, feindselig, wie Hermann von Winzenburg, und nöthigten den König zur Strenge gegen sie, von denen er kräftigen Beistand und willigen Gehorsam erwartete, anstatt daß er mit ihnen verbunden gegen Friedrich von Schwaben, den Reichsfeind, sich wenden durfte.

 

Sehen wir nun trotz all dieser Hindernisse Lothar im zehnten Jahre seiner Regierung auf einer Höhe der Macht, und das Reich, das sich aufzulösen drohte, einiger, kräftiger als je unter den letzten Heinrichen, so werden wir dem Kaiser nicht den Ruhm versagen können, daß er, was unerreichbar schien, meist durch seine eigene Kraft errungen habe. Seinem Anschlusse an die Kirche verdankte er allerdings mit, daß er siegreich über alle Gegner triumphirte. Erkaufte er aber dieses Bündniß mit der Kirche durch Opfer, die seiner Ehre, seiner Würde als Kaiser Eintrag thaten? Mit Nichten! Was das wormser Concordat als kaiserliche Rechte sanktionirt hatte, davon ließ er nichts fahren. Wir haben gesehen, wie er auf alle Wahlen wichtiger Prälaten einwirkte, oft die zu Wählenden vorschlug, wie Norbert und Konrad von Magdeburg, Bruno von Köln, Adalbert von Basel; wie er auf der Belehnung mit dem Scepter vor der kirchlichen Investitur bestand 1), und nur, nachdem die nöthige

 

1) Ein schlagendes Beispiel hievon gab Lothar zu Lüttich im Beisein des Papstes. Brevis. hist. Episc. Virdun bei d'Achery II, p. 252. Als der schwache Bischof Ursio von Verdun auf seine Würde vor Papst und Kaiser Verzicht leistet, werden ii, qui capita Virdunensis Ecclesiae et populi, qui in conventu Leodii celebrato reperti sunt, ab Imperatore jussi, ut de tanto conventu quem meliorem nossent, eligerent et praesentarent sibi. Illi Alberonem elegerunt, electionem ejus Curia laudavit, Principum coetus acclamavit. Imperatoria majestas confirmavit datis ei per scriptum (wol per sceptrum) temporalibus Episcopii Apostolicus et ipse approbavit atque omnia communione canonice procederent, electam personam ad Virdunensem Ecclesiam mox remisit, ut cum ipsius ecclesiae et potissimum Abbatis Laurentii assensu et testimonio sibi Parisiis occurreret imperavit. Dies Beispiel beweist, wie Lothar seine Rechte wahrnahm, zugleich aber auch, wie einmüthig und verträglich König und Papst in Lüttich bei der Wahlordnung verfuhren. Innocenz zeigt sich sogar aus Rücksicht für Lothar, der Albero's Wahl genehmigt hat, nachgiebig gegen diesen. Albero ist erst Archidiaconus. Zu Paris macht ihn Innocenz zum Presbyter, weiht ihn dann zum Bischof. Gewiß that dazu viel des Mannes Stand. Er heißt filius Comitis Arnulfi Chisnecensium. Eine besondere Ehre erweist ihm auch Herzog Heinrich von Baiern. Redeunti (Alberoni) fere octo Comites sub specie peregrinorum se in itinere adjunxerunt. Eines ist der Herzog, der erkannt wird und nun vorgibt: se sub specii peregrini loca Sanctorum et ritus Tyrannorum et populorum invisisse, ac nunc inde redire. Nun erwiedert Albero die Höflichkeit, er begleitet ihn post celebratam susceptionem usque Treverim, quo tunc Imperator erat. Der Herzog beschenkt seine Begleiter sehr reich und nimmt des Bischofs Günstling Petrum Clericum nach Baiern. Venienti (Petro) quaedam ecclesiastica insignia contradidit. Aus dem Nachfolgenden erhellt Albero's gutes Regiment in geistlichen und weltlichen Dingen. Daß er, um das Leben der Mönche in seiner Diöcese strengern Regeln zu unterwerfen, Norbert bat, ihm einige Prämonstratenser zu schicken, ist vorhin schon erwähnt worden.

 

 

____

283 Höchstes Ansehen Lothar's.

 

Rechtfertigung erfolgt, dem Erzbischofe Albero die Uebertretung des wormser Concordats verzieh, weil weder dieser noch der Papst selbst ihm das zukömmliche Recht wegen dieses Ausnahmsfalles absprachen. Sehen wir, was unter der Regierung des der Kirche so feindlichen Heinrich V. ein Adalbert von Mainz, Friedrich von Köln, selbst ein Konrad von Salzburg gegen das weltliche Oberhaupt zu unternehmen keine Scheu trugen, und betrachtet man dagegen, wie nachgiebig, folgsam, lenksam dieselben Prälaten unter Lothar sich zeigen, oder wenn sie gegen diesen etwas unternehmen, nur den eigenen Nachtheil davon haben und des Kaisers Gnade wieder suchen müssen, so erkennt jeder Unbefangene, daß der Grund dieser Veränderung in dem festen aufrichtigen Zusammenhalten des Papstes und Kaisers liege.

 

Und keiner von Beiden brauchte dem andern ein Opfer zu bringen; ein wechselseitiges Interesse machte ihre Freundschaft, ihren Anschluß aneinander nöthig, was schon Heinrich V. und Calixtus II. richtig eingesehen hatten. Wie seit Heinrich IV. die deutschen Fürsten eine überwiegende Macht gegen das Reichsoberhaupt gewannen, so erhoben sich unter dem schwachen Paschalis die Kardinäle und Erzbischöfe über den Papst, dem von Gregor's VII. absolutistischen Herrschaft ebenso wenig verblieben war als dem deutschen Könige von Heinrich's III. unbeschränkter Gewalt. In Deutschland drohten Fürsten und hohe Geistlichkeit sich zu verbinden, und wäre Adalbert's Plan, alle Reichsfürsten, weltliche wie geistliche, unter sich zu verbinden, gelungen, so hätte er nicht nur eine dem Kaiser überlegene Gewalt, sondern auch eine vom Papst unabhängige Kirche in Deutschland, der keine andere an Länderbesitz gleichkam, hervorgerufen. Sein Vorhaben scheiterte allein - an dem Widerspruch seiner eigenen Verbündeten. Die deutschen Fürsten, zumal die norddeutschen und an ihrer Spitze Herzog Lothar vereitelten auf dem Reichstage zu Würzburg 1121, daß die deutschen Prälaten nicht alle kirchliche und politische Gewalt an sich rissen; des Kaisers Ansehen wurde

 

 

____

284 Fünfter Abschnitt.

 

durch sie, seine vorigen Gegner, gerettet, die anmaßlichen Foderungen der Kirche zurückgewiesen. Vergebens schloß sich Adalbert wieder enger an den Papst. Auch dieser hatte ihn durchschaut und suchte in dem wormser Concordat mit Heinrich V. mehr seinen als der deutschen Prälaten Vortheil, der unfehlbar diesen aus einer gänzlichen Trennung der Kirche vom Staate erwachsen wäre. Indem Calixtus im Weltlichen die Geistlichen dem Könige untergeordnet ließ und für sich nur die kirchliche Investitur foderte, beschränkte jene ein weltlicher Arm, was der Papst nicht mehr vermocht hätte. Doch die Gefahr vor der übermächtig aufstrebenden deutschen Geistlichkeit war nur dann erst ganz abgewandt, wenn sich der Papst dem Kaiser aufrichtig anschloß, damit nicht die Geistlichkeit an Letzterm einen Verbündeten gewänne, der ihr die Unabhängigkeit von Rom erringen helfe. Und der Papst konnte glücklicher Weise dem Kaiser einen Gegendienst leisten, den dieser nicht abweisen durfte.

 

Damit die Reichsfürsten, so weltliche als geistliche, nicht das kaiserliche Ansehen beschränkten, den Gehorsam verweigerten, der nöthigen Hülfleistung bei Heerfahrten sich entzögen, war schon der Friede mit dem Papst und der Kirche willkommen, weil, da nur der Krieg gegen beide bisher eine Weigerung der Fürsten, ihr Auflehnen gegen den Kaiser entschuldigt hatte, dieser Vorwand nun benommen war. Sahen die Völker vollends Papst und Kaiser vereint gegen die Anmaßungen der Geistlichkeit und Fürsten dastehen, so wuchs ihr Vertrauen zu jenen, sie erkannten, daß sie vorhin statt des einen Herrschers, statt des einen Papstes in der Menge der Fürsten, in der Menge von Geistlichen Tyrannen erhalten, deren Vielherrschaft weit drückender als der Wille und das Gebot jener beiden war. Gegen Papst und Kaiser vereint wagten noch Fürsten und Prälaten den Kampf nicht. So waren sie genöthigt, sich beiden anzuschließen, zunächst die Prälaten, da sie vom Papste wie vom Kaiser abhängig geblieben waren. Minder freiwillig fügten sich die Fürsten, die eine dritte Macht zwischen der bisher im Streite begriffenen päpstlichen und kaiserlichen geworden, und es eben in Folge des Zwiespaltes unter den höchsten Gewalten geworden waren. Heinrich V. hatte sie aber auch im Bunde mit Calixtus II. noch nicht gebrochen, noch nicht gefahrlos gemacht. Dies blieb seinem Nachfolger auf dem Throne vorbehalten.

 

Als Lothar, der unbezwungene Gegner Heinrich's V., der Verfechter der Fürstenrechte, der ehemalige Verbündete der deutschen Prälaten, zum Throne berufen worden, foderte seine Person ganz von selbst zu einem guten Vernehmen sowol den Papst als die

 

 

____

285 Höchstes Ansehen Lothar's.

 

deutsche Geistlichkeit auf. Adalbert von Mainz hoffte einen doppelten Sieg über die Fürstenmacht wie über das Königsthum davon getragen zu haben, weil er den Repräsentanten jener zu diesem erhoben und, wie er meinte, von sich abhängig gemacht habe. Doch der Papst Honorius überholte ihn, bot seine Freundschaft und seinen Beistand dem neuen Könige noch bereitwilliger, uneigennütziger, ohne Bedingungen und Beschränkungen zu machen, an, unterwarf die deutsche Kirche im Weltlichen ganz dem weltlichen Herrscher, versprach diesem seine kirchlichen Waffen ebenso gegen widerspenstige Prälaten als trotzige Fürsten. Was war natürlicher, als daß Lothar mit ganzem Vertrauen, mit ganzer Liebe sich an ihn schloß? Adalbert mußte zum bösen Spiele gute Miene machen, wenn er es auch an geheimen Ränken nicht fehlen ließ, um an Lothar sich zu rächen, um Honorius' Plan zu vereiteln. Dieser war kein anderer, als durch den König die Macht der hohen Geistlichkeit zu beschränken, damit sie nicht von Rom unabhängig in Kirchensachen auf ihren Synoden Beschlüsse faßte, nicht die kirchliche Weihe erwählten Bischöfen nach Willkür ertheilte oder versagte und solche zu den Kirchenämtern beförderte, die mehr ihnen als dem Papste ergeben waren 1). Dies zu verhüten, gab es kein anderes Mittel, als dem Könige, dem Honorius ganz vertraute, die Macht in Kirchensachen ungeschmälert zu lassen, welche das wormser Concordat ihm zugestand, und ihm seinen kirchlichen Beistand zu gewähren, wenn die Erzbischöfe des Reichs sich dem Könige widersetzten. Adalbert wagte dieses offen nie und suchte den Schein der Ergebenheit vor Lothar - vielleicht oft täuschend für diesen selbst - zu bewahren. Der minder besonnene Friedrich von Köln mußte es erfahren, als er Lothar widerspenstig sich zeigte, wie einmüthig Papst und König auch gegen die geistlichen Reichsfürsten zu handeln nicht Anstand nahmen.

 

1) Die Angelegenheit Gebhard's von Würzburg, der, von Adalbert verworfen, an Honorius sich wandte, bot diesem eine Gelegenheit, gegen die Anmaßungen und Willkür des mainzer Erzbischofes aufzutreten. Hart genug drückt er sich in seinem Schreiben an Adalbert aus. Cod. Udalr. Nr. 330: Scimus quidem zelum Dei vos habere, quem tamen salva caritate condire debetis, ut nihil indiscrete, sed omnia rationabiliter et secundum Deum agere valeatis. Dann folgen die von Gebhard erhobenen Beschwerden, wonach Honorius bemerkt: Quod si ita est, fraternitatem vestram a canonicis regulis divinitus inspiratis liquido constat deviasse. Im Folgenden weist er ihm die Verstöße nach. Wider den vom Könige eingesetzten Bischof Embricho hat Honorius keinen Einwand gemacht.

 

 

____

286 Fünfter Abschnitt.

 

Noch wirksamer und erfolgreicher mußte diese Verbindung dem Könige werden, wenn die Fürsten die durch ihn selbst errungene Macht misbrauchten. Eine größere Verbindung, wie solche einst gegen Heinrich V. aufgetreten war, hatte Lothar nicht zu befürchten, auch wenn nun ein anderer seine Stelle an der Spitze jener eingenommen hatte. Denn mit Heinrich's Tode hörte aller Grund zu der frühern Opposition gegen das Reichsoberhaupt auf. Lothar foderte von den Reichsvasallen Nichts als den Lehnseid und die dem Reiche schuldigen Dienste; nur wo diese Pflichten versäumt wurden, traf die Schuldigen Acht und Entsetzung. Einen ganz anderen Grund hatte die Opposition der Hohenstaufen; sie war nicht sowol gegen die Rechte als gegen die Person des Königs gerichtet, weil dieser nach ihrer Meinung den Thron ihnen entrissen. Wider sie bedurfte Lothar des Beistandes, den ihm Kirche und Papst boten, und wiederum erheischte das Interesse des Papstes und der Kirche, den Beistand bereitwillig darzubieten, damit der Thron Dem verbleibe, der durch seine wohlwollende Gesinnung und das gleiche Interesse an sie geknüpft war, während die Hohenstaufen den Geist ihres Oheims früher so wie jetzt bekundeten.

 

Ein größerer Gegensatz, als ihn der unter den letzten beiden fränkischen Kaisern vorwaltende Zustand, verglichen mit dem jetzt unter Lothar eingetretenen, darbietet, kann nach den das Mittelalter bewegenden Principien kaum gedacht werden. Ein Gegenkönig war zwar nichts Neues, nichts Unerhörtes. Aber nur eine Fürstenpartei, die mit der Kirche im Bunde stand, hatte es gewagt, Rudolf von Schwaben, Hermann von Luxenburg, gegen Heinrich IV. zu erheben, und der Papst suchte damals den Schiedsrichterspruch über das von Fürsten und Geistlichen anzuerkennende Reichsoberhaupt geflissentlich im Schwanken zu erhalten. Als Konrad sich zum Gegenkönige aufwarf, hatte er keine Fürstenpartei für sich, und die Kirche verhängte, in Deutschland wie in Rom den Bannstrahl über ihn und erklärte offen vor aller Welt, daß nur Lothar als rechtmäßiger König von ihr jetzt und immerdar anerkannt werde. Gewiß hätte Konrad das tollkühne Wagniß unterlassen, wenn ihm die enge Verbindung Lothar's und Honorius' bekannt gewesen wäre. Er urtheilte nur nach dem bedrängten Zustande des Königs in Deutschland, hoffte von Adalbert von Mainz, er werde gegen ihn, den Bruder Friedrich's, der unlängst des Erzbischofs Nichte geheirathet, nicht auftreten, ja wol die Hand reichen, um an ihm gut zu machen, was er gegen Friedrich arglistig verbrochen. Ob Adalbert zu Würzburg aus freiem Entschluß mit Konrad von Salzburg und Norbert

 

 

____

287 Höchstes Ansehen Lothar's.

 

von Magdeburg den Bann über die hohenstaufischen Brüder ausgesprochen, ob jene beiden Erzbischöfe, die ebenso ergebene Diener des Papstes als Freunde des Königs waren, oder Lothar ihn dazu genöthigt habe, könnte in Zweifel gestellt werden; daß Honorius frei den Fluch der Kirche über den Gegenkönig und dessen Bruder verhängte, von keiner anderen Rücksicht geleitet als der, mit Lothar einig und fest zusammenzuhalten, ist nicht zu leugnen. Da mußte Konrad Deutschland räumen und dem einzigen Abtrünnigen von der Kirche, dem Erzbischof Anselmus von Mailand, sich in die Arme werfen. Lothar kümmerte um ihn sich wenig; nur Friedrich, der im Besitz zweier Herzogthümer stand, war ein gefährlicher Gegner, den zu vernichten die Ehre der Majestät erfoderte, weil jede friedliche Ausgleichung Schwäche verrathen hätte.

 

Schnell ausführbar wäre die Bezwingung Friedrich's von Schwaben nie gewesen, auch nicht, wenn den Kaiser sein Eidam Heinrich und die übrigen Reichsfürsten kräftiger unterstützt hätten, als sie es thaten. Früher aber wäre sie unfehlbar gelungen, wenn nicht das Kirchenschisma zwischen Innocenz und Anaclet dem Könige den nöthigen Beistand entzogen hätte. Für wen er sich auch entschied, immer war ihm, dem Schutzpatron des römischen Stuhles, die Verpflichtung auferlegt, den verworfenen Papst zu bekämpfen. Es erheischte dies schon sein Grundsatz: nur im Vereine mit der Kirche die Königsgewalt zu handhaben. Beide Päpste kamen ihm mit dem Anerbieten entgegen, seine Feinde als die ihrigen zu betrachten, ja, Anaclet hatte schon über Konrad, den Gegenkönig, den Bann ausgesprochen, ehe er Lothar's Entscheidung kannte. Er hoffte, wie Honorius, durch einen so zuvorkommenden Beweis von Dienstgefälligkeit und Eifer den deutschen König zu gewinnen. Gleichwol entschied Lothar, wie die Geistlichkeit Deutschlands und Frankreichs, für Innocenz, und zog durch sein Beispiel die Fürsten und Völker fast der ganzen Christenheit nach sich. Auf Innocenz's Dankbarkeit und Liebe konnte er auch ohnedies rechnen, da derselbe schon als Kardinal Gregor ein vertrauter Freund Honorius' II. gewesen war und bei seiner Erhebung in des Vorgängers Fußtapfen zu treten erklärt hatte. Viel aber foderte Innocenz auch vom Könige, und dieser sollte es erfüllen, ohne daß die Kirche etwas von ihrer früheren Errungenschaft, von den Rechten, die sie dem Kaiser Heinrich V. entzogen hatte, herausgebe. Ob Lothar auf Zurückgabe der Investitur sicher gerechnet, oder ob er sie nur als einen Beweis des päpstlichen Vertrauens und Wohlwollens beanspruchte, mag unausgemacht bleiben; daß er sich bald davon überzeugen mußte, wie

 

 

____

288 Fünfter Abschnitt.

 

Innocenz kein so wesentliches Vorrecht der Kirche aufopfern dürfe, wie er eher auf die päpstliche Würde als auf das Investiturrecht verzichten werde, liegt klar am Tage, und eine ganz unerwiesene Behauptung ist es, daß zu Lüttich über jene Foderung, die nach dem Zeugniß selbst solcher Schriftsteller, die für Lothar wenig Neigung verrathen, nur als bescheidene Bitte geäußert wurde, Papst und König einander entfremdet oder gar erzürnt geschieden seien. Gemeinschaftlich ihre Zwecke zu verfolgen, mit vereinten Waffen das Königthum und Papstthum gegen Widersacher und feindlich ankämpfende Gewalten zu vertheidigen, erheischte die Lage, in der Beide sich befanden. Aber das Schwierigere blieb Lothar zu thun übrig; es hätte einen anderen in seiner Lage abgeschreckt, oder doch die Ausführung lange Jahre hinauszuschieben bewogen. Dann wäre aber auch der Ruhm, das Schwierige unternommen und zu Ende gebracht zu haben, den Lothar durch und nach der Romfahrt erlangte, seinen spätem Unternehmungen nicht zu statten gekommen. Ohne in Deutschland die Consequenz seines Strebens zu unterbrechen, ohne den Hohenstaufen seiner Ehre nachtheilige Zugeständnisse zu machen, an der Spitze eines kleinen tapferen Heeres dringt er besonnen und umsichtig bis Rom vor, führt den Papst nach dem Lateran, und kehrt, mit der Kaiserkrone geschmückt, auf dem gefahrvollen Wege zurück, bei dessen Ausgang er noch eine kühne Heldenthat vollführt. Daß er in Italien keine Gewaltthat verübt, in Rom selbst Kirchen und andere Meisterwerke der Baukunst schonend, ohne Blutvergießen sechs Wochen verweilt, ist den Italienern und Römern so neu, daß der Name der Deutschen ihnen nicht mehr so schreckenvoll und barbarisch klingt. Kaum in Deutschland angelangt, strömen von allen Seiten Prälaten und Fürsten begrüßend und glückwünschend zu ihm nach Würzburg. Von jetzt ab glückt ihm Jedes und Alles, nicht etwa weil er mit großer Heeresmacht, die ihm gewiß bereitwillig die Fürsten zugesagt hätten, die ihn aber nur abhängig von ihnen gemacht haben würde, das Reich durchzieht, Feinde straft, Rebellen züchtigt, die Nachbarvölker mit Krieg überzieht. Vielmehr sieht er den Kölnern einen unbesonnenen Aufstand nach, aber sie erkennen ihren Fehltritt, bitten um Verzeihung und erhalten seine alte Gunst wieder; darüber grollt ihm der Erzbischof Bruno, doch in Furcht, wie sein Vorgänger Friedrich den Bann der Kirche für seinen Trotz gegen den Kaiser auf sich zu laden, sucht er die Vermittlung der Fürsten und des Abtes Bernhard von Clairvaux und gibt vor der glänzendsten Fürstenversammlung, die schon einen Gedemüthigten, mit schwerer Schuld Beladenen, des Kaisers Gnade

 

 

____

289 Ansehen des Kaisers im Innern des Reiches.

 

erbitten gesehen, die Genugthuung, welche ihm noch außer dem Eingeständniß seines Vergehens auferlegt ist. Als Lothar in Sachsen erscheint, empfangt ihn nicht nur der Jubel des Volks, die Huldigung der Großen, die Liebe der Städte; auch der Dänenkönig naht demüthig und gewährt für einen an Deutschen verübten Frevel eine Genugthuung, wie sie kaum der glücklichste Sieger in Feindesland ausgedehnter fodern kann. Die slavische Grenze wird durch Anlegung einer Veste, die sich mit Recht die Sigeburg nennen darf, gesichert, der christliche Glaube der bisher erduldeten Verfolgung entzogen, die Großen der Nation erscheinen vor dem Kaiser und geloben und erfüllen ihrerseits, was mit Recht der Oberlehnsherr fodert. Magdeburg, das den fränkischen Kaisern überhaupt nur ungern, Heinrich V. nie seine Thore öffnete, gestattet ihm einen längern Aufenthalt, und erhebt auf seinen Vorschlag und Wunsch seinen Verwandten zum Erzbischof. Nur nach einer Seite hin zeigt Lothar unnachgiebige Strenge, weil es die Ehre des Reiches, wofür er Alles nur gethan wissen will, so erfodert. Schwaben fühlt schwer den langgereizten Zorn des Kaisers. Doch Denen, die sich auf seine Auffoderung unterwerfen, ist er auch jetzt noch milde und gnädig. Der Herzog Friedrich kann nur durch der Kaiserin Fürsprache für sich und durch des Abts Bernhard Vermittlung für seinen Bruder Vergebung erbitten. Die Kirche, die des Kaisers Verbündeter gewesen, wird hiebei ebenso berücksichtigt als das Reich. Die Lösung vom Banne muß der Herzog zuerst nachsuchen, dann in demüthigem Aufzuge vor den zahlreich versammelten Reichsfürsten erscheinen und an den Stufen des Thrones niederknieen. Das aber genügt. Großmüthig läßt Lothar ihm, der Treue und Gehorsam gelobt, ohne andere Bürgschaft als sein Mannes- und Fürstenwort zu fodern, alle Reichslehen und Privatbesitzungen. Die einzige Verpflichtung ist Theilnahme an der nächsten Heerfahrt nach Italien.

 

Erblickt man Lothar am erwünschten Ziel, das er in bedrängten Zeiten sich gesteckt und trotz aller Störungen und Hindernisse im Innern des Reiches wie von Außen, nie aus den Augen verloren hatte, so erweckt nicht sowol seine Errungenschaft selbst, - die jeder Sieger dem Glücke verdankt, mag er noch so viel eigenes Verdienst dabei haben, - als vielmehr die Art, wie er dazu gelangt, gerechte Bewunderung. In einem Jahrhundert, wo nur Waffengewalt die Herrschaft zu behaupten, und selbst die Kirche ihre geistige Vermittlung durch jene geltend zu machen sucht, erblicken wir einen deutschen Kaiser, der nicht nur der Kirche das ihr zukommende Feld geistiger Wirksamkeit zuweist, sondern auch diese ihre geistige Macht

II. 19

 

 

____

290 Fünfter Abschnitt.

 

zum Hauptverbündeten wählt, um die ihm entgegenstehenden Kräfte, Willkür, Anmaßung, Trotz, Waffengewalt, zu überwältigen. Was mildere, durch erhöhte Intelligenz gebildetere Jahrhunderte kaum erreichen, gelingt ihm auf dem eingeschlagenen Wege vollkommen. Und wie er den durch geistiges Uebergewicht starken Verbündeten sich gewählt, so sind seine selbstangewandten Mittel fast nur von gleicher Art. Alle seine Feldzüge tragen den Charakter der vorhin beleuchteten Romfahrt. Nicht die Massen, nicht der Sieg durch das Schwert unterwerfen ihm die Böhmen, Dänen, Slaven, Italiener und die Feinde im Innern des Reiches, sondern durch Unterhandlung, Verständigung, durch die Gewalt seiner Persönlichkeit und die Scheu vor der Majestät des deutschen Königs weiß er sie an sich zu ketten, und, wenn sie während seiner Abwesenheit der Treue, des Gehorsams, der Verträge vergaßen, durch sein bloßes Erscheinen zur Pflicht, ja zu demüthiger Unterwerfung zurückzuführen. Das ist es, warum die Chronisten seine Regierung, obschon sie eine fast ununterbrochene Reihe von Kriegen bildet, eine friedvolle nennen, weil nicht Verheerung, blutige Schlachten, Brand und Plünderung seine Heerfahrten bezeichneten, weil er mit kleinen Heeren Feldzüge unternahm, wozu frühere Kaiser die ganze Reichsmacht aufzubieten pflegten. Wollte man dies Schwäche, Mangel an Theilnahme von Seiten der Reichsfürsten oder gar gesunkenes Ansehen der königlichen Macht nennen, so widersprechen Dem die jedesmaligen Erfolge feiner Unternehmungen,'und vor Allem der Glanz, die Macht, die Einheit des Reiches im Innern und gegen das Ausland hin, die am Ende der Regierung Lothar's so unleugbar sich kund geben und, wenn man nicht aus vorgefaßter Meinung es abstreitet, als sein Verdienst anerkannt werden müssen.

 

Das Eigenthümliche, Seltsame, fast Räthselhafte der von ihm angewandten Mittel und des endlich errungenen Resultats findet seinen Aufschluß in anderen Erscheinungen jener Zeit. Ein gläubiger Sinn, Scheu vor dem Ehrwürdigen und Heiligen, ein Erwachen und Fortschreiten der Intelligenz, deren Pflege die Klosterschulen und die Städte übernahmen, sind unverkennbare Charakterzüge derselben. Zwar noch nicht vom Volke, nicht von einem durch höhere Bildung ausgezeichneten Bürgerstande, sondern von der Kirche geht die geistige Kultur aus. Auf höhere Sittlichkeit, strenge Zucht, gläubige Andacht und Thaten zu Ehren Gottes, auf Anerkennung der Verdienste früherer Diener der Kirche, die zu Heiligen erhoben werden, ist das Bestreben der geistlichen Reformatoren gerichtet. Der Willkür, Sittenlosigkeit, Rohheit und Bosheit suchen sie überall

 

 

____

291 Aufrechterhaltung des Gottesfriedens.

 

Schranken zu setzen und deren Ueberschreitung zu ahnden 1). Die Verordnungen des Papstes Innocenz auf verschiedenen Concilien hatten nicht nur das Kirchliche im Auge, sondern griffen tief in das Bürgerliche und Politische ein. Auf Sicherheit aller Stände, zumal Derer, die sich selbst keinen Schutz gewähren konnten, war er eifrigst bedacht. Neben den Geistlichen und Mönchen wollte er auch den Kaufmann und Landmann sammt ihrem Eigenthume zu Hause und in der Fremde geschützt wissen 2). Für die Aufrechterhaltung des Gottesfriedens sollten die Bischöfe sorgen, die Uebertreter mahnen und strafen ohne Ansehen der Person oder des Standes. Die Tage der Woche und die Zeiten im Jahre, wo jede Waffe ruhen mußte, wurden nach alter Bestimmung aufs Neue festgesetzt 3). Die zu allen Zeiten weit verbreiteten Brandstiftungen wollte Innocenz als eine Barbarei, die jede Kriegsverheerung weit übertreffe, bis auf die Wurzel vertilgt wissen, bot dagegen sein ganzes päpstliches Ansehen auf, und befahl die Verhütung und die Bestrafung dieses Frevels nicht nur den höchsten Geistlichen, den Erzbischöfen und Bischöfen in ihren Sprengeln, sondern bat auch die Könige und Fürsten,

 

1) Compend. Chronol. bei Pistor. I, p. 737 hebt folgende Verordnungen des Papstes Innocenz II. hervor: Prohibuit autem balistarum et sagittariorum exerceri contra Christianos et hoc sub anathemate. Constituit, ut sacerdos, qui corpus Domini in missa conficit et immolat, omnibus modis debeat sumere corpus Domini - ut moniales cum clericis et monachis in uno choro non conveniant ad psallendum - violentos injectores manuum in clericos vel religiosos ipso facto esse excommunicatos.

2) Kurz faßt ein Kanon der rheimser Kirchenversammlung zusammen, was auf frühern und spätern Concilien weitläufiger festgestellt ward. S. Mansi XXI, p. 460: Praecipimus etiam, ut presbyteri, clerici, et mercatores, rustici euntes et redeuntes et in agricultura persistentes et animalia, cum quibus arant, et oves omni tempore sint securi. Alle Fremde (peregrini) werden zu Clairmont als Schützlinge empfohlen. Anders noch ist der Synodalbeschluß von Rheims zu Gunsten des Landvolkes gefaßt, p. 465 Nr. XI: Banno confirmatum est rusticos habere pacem quotidie in corpore et in rebus suis, dum eunt vel redeunt, vel commorantur in agricultura vel in aliquo corpore manuum. Und für die Frauen Nr. XII am Schlusse: Clericis et monachis et mulieribus pax perpetua banni confirmatione data est.

3) Mansi XXI, p. 439 zu Clairmont: Treguam autem ab occasu solis quarta feria usque ad ortum solis in secunda feria, et ab adventu Domini usque ad octavas Epiphaniae et a quinquagesima usque ad octavas Pentecostes ab omnibus inviolabiliter observari decernimus. Si quis autem treguam frangere tentaverit post tertiam commonitionem, si non satisfecerit, Episcopus suus excommunicationis in eum sententiam quisque confirmet.

19*

 

 

____

292 Fünfter Abschnitt.

 

Denen ihren Arm zu leihen, die für eine Brandstiftung der Schadenleidenden gerächt zu werden suchten. Ja jene Geistlichen sollten, wenn sie saumselig in Verfolgung der Uebelthäter befunden würden, selbst den Brandschaden ersetzen und auf ein Jahr ihres Amtes entsetzt werden 1).

 

Diese und andere für die bürgerliche Gesellschaft wohlthätigen Verordnungen der Kirche, wie dringend sie auch den Dienern der Kirche anempfohlen wurden, konnten keinen festen Grund gewinnen, wenn nicht von Seiten des Staats, und zwar von oben her, vom Kaiser und den Landesfürsten die Hand geboten und vornehmlich zur Vermeidung der den Unterthanen so nachtheiligen Uebel durch das eigene Verfahren der Hohen und Höchsten der Anlaß, die Gelegenheit entzogen wurde. Die Bedrückung der Niedern Stände, die Verletzung des Gottesfriedens, die Ausübung aller Gewaltthaten und Frevel hatten während der Bürgerkriege unter Heinrich IV. und V. in Deutschland den höchsten Grad erreicht. Wir sahen den Stand der Ritter fast in allen Provinzen ein Gewerbe aus der Uebertretung und Verhöhnung jener kirchlichen Verbote treiben, und der Krieg, der solche Räuberscharen zuerst zu den Waffen gerufen, war auch die Hauptursache der nach seiner Beendigung verübten Greuel. Die Söldlinge, Besatzungen und entlassenen Aufgebote des Kaisers waren es vornehmlich, die oft in seinem Namen das Kriegshandwerk zum schnöden Druck der Landbewohner, Handelsleute, Pilger und Reisenden fortsetzten. Dadurch war die Person des Kaisers noch verhaßter geworden als durch Härte und Willkür, die er wirklich verübt hatte. Wenig nützte es einer Provinz, wenn zur Aufhebung von Raubrittern, zur Zerstörung der Raubschlösser der Kaiser mit großer Heeresmacht heranzog. Kaum war dieses kaiserliche Heer entlassen, so raubte und plünderte es selbst. Heinrich's V. Regierung stellt den Barbarismus des Mittelalters in

 

1) Nur Einiges von dem langen Kanon Mansi XXI, p. 440 und 462 stehe hier: Pessimam siquidem et depopulatricem et horrendam incendiorum malitiam auctoritate Dei et beatorum apostolorum Petri et Pauli omnino detestamur et interdicimus. Haec etenim pestis, haec hostilis vastitas omnes alias depraedationes exsuperat, quae quantum populo Dei sit damnosa, quantumque detrimentum animabus et corporibus inferat, nullus ignorat. Assurgendum est igitur, et omnimodis laborandum, ut tanta clades tantaque pernicies pro salute populi eradicetur et extirpetur etc. Zum Schlusse: Si quis autem Archiepiscopus vel Episcopus hoc relaxaverit, damnum restituat et per annum ab offcio episcopali abstineat.

 

 

____

293 Lothar's Verhältniß zur Kirche und zu den Fürsten.

 

grellem Lichte dar. Aber unrecht thäte man, dem Mittelalter diesen Charakter als einen nothwendigen beizulegen, und Lothar's Regierung gibt einen Beweis, wie nur der Misbrauch der Gewalt abgestellt zu werden brauchte, um auch der Humanität in jenen Zeiten Eingang und Wirkung zu verschaffen, und wie auch der Krieg, der freilich nicht vermieden werden konnte, hiezu Gelegenheit bot, wenn er mehr mit den Waffen des Geistes als mit denen der Krieger geführt wurde.

 

Wenn Lothar es vermied, große Kriegsscharen um sich zu versammeln und die wenigen Tausende, die ihn auf seinen Heerfahrten begleiteten, nur dann zu blutiger Waffenthat gebrauchte, wenn kein anderer Weg der Entscheidung und Ausgleichung übrig war, oder wenn ein wilder Gegner, allein dem Schwerte trotzig vertrauend, vor der Würde, der Person des Königs keine Scheu trug. Wenn meistens diese genügten, um Vergleich, Frieden, Unterwerfung und Anerkennung der Oberlehnshoheit den Feinden abzugewinnen, um Vortheile zu erringen, die viele seiner Vorgänger, selbst Heinrich III. durch Schlachten und wiederholte Feldzüge nicht erlangten, so ist darin nicht blos die Schonung von Menschenblut, die Vermeidung von Verheerung, Brand und Plünderung zu ehren; sondern es offenbart sich auch eine kluge Maxime des Herrschers darin, die ihn vornehmlich die Erhöhung des königlichen Ansehens, die feste Wiedervereinigung Deutschlands, die Ausbreitung des Reichs über die Nachbarvölker, den Ruhm seines Namens auch in den entferntesten Ländern erreichen ließ. Berief Heinrich V., dessen ganzes Streben auf Unbeschränktheit seines Willens ging, die Prälaten und Fürsten nur dann zu Reichstagen, wenn er ihres Beistandes, ihrer Vasallen und Dienstmannen zu seinen Kriegen bedurfte, die Ehrgeiz, Habsucht, Willkür angefacht hatten, so hielt Lothar häufige und zahlreiche Versammlungen in allen Theilen des Reiches und vornehmlich in der Mitte desselben, - weil es für jeden der Landesherzoge bei gleicher Entfernung eine minder beschwerliche Reise war, - nicht sowol um ihre Mannschaft, als um ihren Rath, höchstens ihre Beisteuer für einen bevorstehenden Feldzug zu erhalten. Von den Sachsen und seinem Eidam konnte er mehr fodern, weil sie durch nähere Verpflichtungen an ihn gekettet waren. Dadurch gewann Lothar seinerseits größere Unabhängigkeit und von Seiten der Fürsten Vertrauen, Neigung und Ehrerbietung. Ueberall aber sank die Bedeutung, welche bisher die rohe Gewalt der Waffen gehabt hatte; und als der Papst Innocenz in gleichem Geiste wie der König in allen christlichen Reichen die Schaukämpfe und Tourniere

 

 

____

294 Fünfter Abschnitt.

 

bei festlichen Gelegenheiten verbot 1), trat das Ritterwesen nicht mehr so hemmend den anderen Elementen, und nicht der Ritterstand den übrigen Standen im Reiche entgegen.

 

Den größten Einfluß hatte und behielt die Kirche. Seit Gregor VII. das Gebäude der Hierarchie für Leben und Staat gegründet, sodaß auch die Königsgewalt nicht hinreichte, es umzustoßen, bedurfte es der größten Klugheit von Seiten der Herrscher, um die schädliche Gewalt der Kirche abzuwehren, damit nicht eine Priestermacht die ihrige und jede andere aufhebe. Heinrich's V. Bestreben, das Kaiserthum zur alten Höhe hinauf, die Hierarchie herabzuziehen, war gänzlich mislungen. Nur die Mittelsmacht der Fürsten hatte den Thron gerettet. Zwischen dieser und der Hierarchie die Bahn zu seinem Ziele verfolgend, eignete sich Lothar von beiden Gewalten dasjenige Princip an, das ihre Uebermacht befördert hatte. Es war bei den Fürsten das feste Zusammenhalten gegen die Gewalten, welche sie minder zu drücken bestrebt waren, bei der Kirche die geistige Kraft, womit sie Ehrfurcht und Scheu den Völkern und Herrschern einzuflößen gewußt. Stand erst die Macht des Reiches wieder vereint unter dem Könige, und flößte seine Würde, seine Person Allen Hochachtung und Scheu ein, so war der Kirche kein Sieg, den Fürsten kein Widerstand mehr möglich. Um das erstrebte Ziel zu erreichen, war es nicht nöthig, den beiden bezeichneten Gewalten etwas zu entziehen oder sie zu bekämpfen. Es genügte, sie sich so zu verbinden, daß sie nur vereint mit dem Königthum nicht wider dasselbe ihre Macht geltend machten.

 

Wie keines der Rechte, die der Papst oder die Kirche besaß, so wollte auch Lothar weder ihren Wirkungskreis noch irgend eine der von ihnen ausgehenden Einrichtungen behindern. Es fällt gerade unter seine Regierung wenn nicht die Entstehung so doch die Verbreitung mehrer geistlicher Orden. Des von Norbert gestifteten

 

1) Zu Clairmont und Rheims ward verordnet nach Mansi XXI, p. 439 und 460: Detestabiles autem illas nundinas vel ferias, in quibus milites eo condicto convenire solent et ad ostentationem virium suarum et audaciae temerarie congrediuntur, unde mortes hominum et animarum pericula saepe proveniunt, omni modo fieri interdicimus. Quod si quis eorum ibidem mortuus fuerit, quamvis ei poscenti poenitentia et viaticum non negetur, ecclesiastica tamen careat sepultura. Man sieht, wie die später so gangbaren, von Königen und Fürsten geduldeten oder gar veranstalteten Tourniere damals noch als unehrliches Handwerk verdammt wurden. Zwar wurden auch unter den Hohenstaufen von Päpsten und Bischöfen die Verbotgesetze erneut, doch blieben sie wirkungslos, wenn nicht vom Thron her dem nutzlosen Waffenspiel Einhalt geschah.

 

 

____

295 Stiftung geistlicher Orden.

 

Prämonstratenserordens ist schon gedacht worden. Er überbot an Strenge der Regeln, an Einfachheit, Enthaltsamkeit, ja Dürftigkeit der Lebensweise alle anderen in Frankreich und Deutschland verbreiteten Orden. Daher er Anfangs heftigen Widerspruch fand, ja Norbert selbst, als er baarfuß und in armlichem Kleide 1119 auf der Versammlung zu Köln erschien, mit Spott von seinen früheren Genossen aus den Tagen des Luxus empfangen und behandelt wurde. Nichts aber konnte den festen Willen des Mannes beugen. In einer der rauhesten Gegenden zu Premontre bei Laon legte er mit 13 Genossen das erste Kloster an (1120) 1), und erlangte bald den großen Ruf, der ihm endlich 1126 die erzbischöfliche Würde verschaffte. Ohne Lothar's Gunst wäre ihm weder diese hohe Stellung, noch die Anlegung so vieler Klöster gestattet gewesen, da man in Sachsen namentlich seiner rigoristischen Strenge, die auf die kleinsten Versehen schon Kirchenstrafe und Büßung setzte, abgeneigt war. Gleichwol entstanden bis zu seinem Tode (1134) nicht nur eine Menge Mönchs- und Nonnenklöster seines Ordens, sondern selbst die Stifte Magdeburg, Havelberg und Brandenburg wurden durch ihn reformirt. Nach seinem Tode beharrten freilich nicht alle bei seiner Regel, und im Jahre 1245 nahm diese eine mildere Gestalt an. In den Grundsätzen und auch in vielen Einrichtungen schloß sich der Prämonstratenserorden an den vor ihm (1098) von Abt Robert aus der Champagne gestifteten der Cistercienser 2) an. Denn erst 1119 entwarf Robert's Nachfolger Stephan das Grundgesetz, die sogenannte charta caritatis, die auf die Regeln des heiligen Benedict basirt ist, und außer den Lebensregeln genaue Bestimmungen über die Wahl der Aebte, die Rangordnung der Klöster und Aebte, die jährlichen Generalversammlungen, über die Zahl der mitzubringenden Diener und Pferde, die Dauer des Aufenthalts, die Bestreitung der Kosten u. dgl. festsetzt. Diese Vorschriften und auch die größere

 

1) Albericus setzt die Stiftung schon 1119. Magd. Chron., Torquati ser. Archiep. Magd., Chron. Ursp.: Hugo vie de Norbert. Chron. Citiz. Petri Langii, Chron. Guil. de Nangis bei d'Acheri III, p. 1, setzen die Stiftung 1120.

2) Vom Kloster Citeaux unweit Dijon benannt. S. Albericus p. 172 ad 1098: Hoc anno ordo Cistertiensis coepit modo per quendam Robertum Abbatem et quosdam alios Monachos, qui exierant a Molismo, qui invenientes locum saltuosum cujusdam horroris et vastae solitudinis resederunt et ipsum locum Cistertium vocaverunt. Pauli Langii Chron. Citiz. bei Pistor I, p. 779 sagt von Robert mit Recht: qui maximus et secundus reformator ordinis S. Benedicti fuit, qui multas curiositates et abusiones abdicavit instituens fratres suos simpliciter pure et rigide secundum regulam vivere.

 

 

____

296 Fünfter Abschnitt.

 

Gleichstellung der Aebte untereinander, die mehr aristokratische Verfassung nahmen die Prämonstratenser auch zu ihrer Norm, und unterscheiden dadurch beide Orden sich von den Cluniacensern 1), die den Abt von Clugni an die Spitze aller Klöster, die nur als Filiale jenes angesehen wurden, stellten und ihm eine große Gewalt einräumten, die dadurch noch erhöht wurde, daß Clugni unmittelbar unter dem Papste stand und somit von keinem Erzbischofe und Bischofe abhängig war, ja der Abt von Clugni selbst bischöfliche Abzeichen und Rechte erhielt, nur seinem Kapitel einige Rechenschaft abzulegen verpflichtet blieb, und sogar die Berufung an den Papst zu erlauben oder zu verweigern das Recht behielt.

 

Die drei genannten Orden waren es vornehmlich, die in jener Zeit einen außerordentlichen Einfluß übten. Zeichneten die erstern beiden durch Strenge und Einfachheit der Lebensweise sich vor andern Congregationen aus, die an manchen Orten in Luxus, Ausschweifenheit und Zügellosigkeit ausgeartet waren, so gehörten die Cluniaeenser zu den gebildetsten ihrer Zeit, und wurden nicht nur von dem Papste Innocenz, sondern auch von Königen und Fürsten geehrt und geschätzt. Als die Repräsentanten der drei Orden in damaliger Zeit dürfen Norbert, Bernhard von Clairvaux und der Abt Peter von Clugni betrachtet werden, die, wie sie miteinander in nahe Berührung kamen und auf den gleichen Zweck, strengere Kirchenzucht und wahre Frömmigkeit hinarbeiteten, so auch zu dem Papst und dem Kaiser in wechselseitiger Beziehung bei Förderung von Beider Absichten standen. Norbert's oft allzu große Strenge, Bernhard's Feuereifer wußte Peter der Ehrwürdige durch seine Milde und Ruhe auszugleichen 2), sodaß sich die drei Männer gegenseitig

 

1) Ihre Stiftung durch den Herzog Berno aus dem Geschlechte der Grafen von Burgund fällt schon in das Jahr 910, wiewol erst dessen Nachfolger Odo eine Congregation bildete. Es erschien zur Zeit der Stiftung dieser Orden, der auch auf den Regeln Benedict's basirte, sehr strenge, nur weil einerseits er manches wirklich nachgegeben, andererseits die Strenge der Mönche zugenommen hatte, und auch bei der Ausschweifenheit, die sich vieler Orten kund gab, nothwendig war, glaubten Bernhard von Clairvaux und Norbert bei ihren Orden noch mehr Strenge fodern zu müssen. Ueber die Regeln von Clugni s. die consuetud. bei d'Achery I, p. 670 ff. Plank, Gesch. der Gesellschaftsverf. III, 1, S. 700.

2) Als Bernhard den Cluniacensern Willkür, zu große Unabhängigkeit, ungeziemende Prachtliebe und eine das Heilige zu sehr hintansetzende Liebe zu den Wissenschaften vorwarf, rechtfertigte sich Peter, obwol er die Misbräuche seines Ordens nicht verkannte, und ermahnte Bernhard, über kleine Abweichungen solle er nicht streiten oder sie verketzern. In Liebe müßten alle Geistliche zusammenhalten, bedenkend, daß Alle Kinder eines Vaters, Diener eines Herrn wären.

 

 

____

297 Die Orden der Johanniter und Templer.

 

ergänzten, keiner aber selbstsüchtigem Ehrgeiz den höheren Lebensberuf opferte. Obwol Petrus Leonis, der Papst Anaclet, in frühern Jahren dem Orden zu Clugni angehört hatte und darauf hin den Beistand dieses Klosters durch seinen Legaten, den Kardinal Gregor, in Anspruch nahm, entschied sich der Abt Peter für den würdigern Innocenz, und war eifrig bemüht, dessen Sache zu vertheidigen und zu fördern 1). Wie viel derselbe Papst den Bemühungen Bernhards verdankte, wie er diesen bei allen Unternehmungen, bei allen Kirchenversammlungen um Rath fragte, ihn nie, es sei denn in seinen Geschäften, von sich ließ, braucht hier nicht noch einmal nachgewiesen zu werden. Auch wie Norbert und Innocenz sich gegenseitig durch Diensteifer und dankbare Anerkennung verpflichtet blieben, haben wir mehrmals erkannt. Als Lothar Ersteren zum Erzbischofe von Magdeburg erhob, verpflichtete er sich einen Mann zur Dankbarkeit und Treue, der acht Jahre hindurch (1126-34) mit kirchlichen Waffen den Thron des Königs vertheidigte, den Gegnern desselben, den Hohenstaufen, Verderben brachte, auf dem Römerzuge die Bande der Freundschaft und Liebe zwischen Papst und König fester zog und endlich Letzterm die Kaiserkrone verschaffte, ohne daß Ersterer ein längeres Verweilen des Kaisers in dem noch nicht völlig eroberten Rom foderte. Wie Bernhard von Clairvaux es war, der den trotzigen Konrad von Hohenstaufen als demüthig Abbittenden zu des Kaisers Füßen brachte, ist schon bemerkt, bald werden wir ihn noch an anderen Orten für Lothar's Sache, für des Reiches Ehre thätig sehen. Ob Peter der Ehrwürdige zu diesem in eine nähere Beziehung durch irgend eine besondere Handlung getreten, erfahren wir nicht; daß aber ein so milder, wahrhaft ehrwürdiger Mann während des Papstes Anwesenheit in Frankreich und auch später wohlthätig auf das gute Verhältniß der beiden christlichen Häupter eingewirkt, läßt sich denken.

 

Noch muß hier zweier Orden gedacht werden, die zwar fern von Deutschland, selbst außerhalb Europa und für ganz besondere Zwecke errichtet, dennoch den Charakter des Zeitalters am deutlichsten an sich tragen. Die Johanniter und Templer, ursprünglich in Jerusalem nur zur Pflege und zum Schutz der Pilger, die zum Grabe Christi wallfahrteten, sich verpflichtend, erhielten um das Jahr 1130 2)

 

1) S. Baron. p. 247-49 das Schreiben Anaclet's an die Cluniacenser und Peter's Aeußerungen über Innocenz.

2) 1113 ward der Johanniterorden von Paschalis II., 1128 der der Tempelherren von Honorius II. bestätigt; jene hatten noch gar nicht, diese nur in geringem Maße das Ritterthum mit ihren anderweitigen Zwecken der Wohlthätigkeit gegen Pilger verbunden. Beide Orden erhielten im Laufe der Zeiten manche Veränderung. Die ritterliche Tendenz der Johanniter ward 1130 von Innocenz II. unter großen Lobsprüchen genehmigt.

 

 

____

298 Fünfter Abschnitt.

 

eine mehr militärische Verfassung, ohne das Mönchische ihrer Regeln, die bei den Johannitern den Augustiner Chorherrn, bei den Templern den Benedictinern entlehnt waren, zu verleugnen. Es ist sehr erklärlich, wie in einer Zeit, wo der Staat sich der kirchlichen Institutionen, der geistlichen Orden und der hierarchischen Waffen bediente, um seine weltlichen Zwecke, Vernichtung seiner Feinde, Erhebung und Kräftigung seiner Verfassung, zu erreichen, wo andrerseits die Kirche des Schutzes der Könige und Fürsten, der Papst ihres Armes zu seiner Rückkehr nach Rom bedurfte, die Idee: Kirchliches und Weltliches mit einander in einem Orden zu verbinden, zur Ausführung gelangte. Während wir unter der Regierung Heinrich's V. noch Ritterthum und Mönchthum, Staat und Kirche in heftigem Kampfe gegeneinander stehen sahen, die sich mit weltlichen und kirchlichen Waffen voll Erbitterung bekämpften, verbinden sich nun beide in Eines, und der frühere Gegensatz ist ebenso aufgehoben, wie der frühere Zwiespalt von Reich und Kirche, der Haß, die Feindschaft, die gegenseitige Bekämpfung von Kaiser und Papst. Als später in Deutschland unter den Hohenstaufen, in dem Königreich Jerusalem unter den letzten Balduinen und in andern Reichen der Kampf zwischen den weltlichen und geistlichen Machthabern sich erneute, trennten sich in jenen gemischten Orden nicht die Elemente, aus denen sie gebildet waren; dadurch erhielten sie in dem großen Weltschisma ein so bedeutendes Uebergewicht und konnten mit Wirksamkeit die Vermittler zwischen den weltlichen Machthabern und dem kirchlichen Oberhaupte werden, was ihnen bei Beiden erhöhtes Ansehen, immer größere Vorrechte und vornehmlich immer größere Reichthümer verschaffte, bis am Ausgange jenes Kampfes der mächtigste der Orden, die Tempelherren, dem Papstthum und Kaiserthum gleich gefährlich erschienen und von Beiden vereint den Todesstreich empfingen.

 

Wenn alle geistlichen Orden mit so schnellem und glücklichem Erfolge sich ausbreiteten, wirksam der eingerissenen Sittenverderbniß unter den Geistlichen Einhalt zu thun und den Laien, Hohen wie Niederen, Wohlgefallen zu erwecken vermochten, so hatte dies zum Theil seinen Grund darin, daß sie wirklich ein lobenswerthes Streben zur Verbreitung von Religion, Sittlichkeit und Intelligenz an

 

 

____

299 Zweck der Orden.

 

den Tag legten, und noch weit entfernt waren, einem Parteiinteresse im Staate Vorschub zu thun. Leugnen aber läßt sich nicht, daß das gute Verhältniß zwischen dem Kirchenhaupte und den meisten weltlichen Herrschern, namentlich dem Kaiser, und der Schutz, welchen dieser jenem gewährte, das Gedeihen der Mönchsorden förderte 1).Es wäre ungerecht, Lothar und anderen Herrschern daraus einen Vorwurf zu machen, weil diese Mönchsorden später ein so fester Anhalt, eine so wesentliche Stütze für die Hierarchie im Kampfe mit der weltlichen Macht wurden. Zu jener Zeit dienten alle Orden noch ebenso sehr und fast mehr den Zwecken, welche die weltlichen Machthaber erstrebten; der Rohheit des Volks, der Entartung aller Stände, der Zügellosigkeit in allen Lebenskreisen, welche die innern Kriege besonders in Deutschland hervorgerufen hatten, wirkte nichts so kräftig entgegen als die Bildung der Cluniacenser, die Strenge der Cistercienser, Prämonstratenser und Karthäuser, das Beispiel der Ordensritter im heiligen Lande. Die Nonnenklöster boten der weiblichen Erziehung und Ausbildung die beste, ja fast einzige Gelegenheit. Daß hohe Sittlichkeit in denselben herrsche, war noch kein vergebliches Bemühen der Päpste und der oberen Geistlichen. Alle diese Bestrebungen hätte, ohne den Vorwurf der Härte und Willkür auf sich zu laden, keine weltliche Macht hindern können, und wenn sie es etwa, die nachtheiligen Folgen, die das Ueberhandnehmen der Klöster herbeiführte, voraussehend, gethan hätte, würde nicht sogleich die Waffe derselben sich gegen sie gekehrt haben? Würden nicht die segensreichen Einwirkungen, nach denen die vorausgegangenen Zeiten der Willkür, Zügellosigkeit und Barbarei ein heißes Verlangen rege gemacht hatten, ganz ausgeblieben sein? - Dem Geiste der Zeit entgegenzustreben, zumal wenn dieser Balsam für geschlagene Wunden, eine Zuflucht für geängstete Gemüther bietet, hat noch keinem Herrscher gefrommt. Diesen Zeitgeist zu überwachen, seinen Strom in das auch ihnen wohlthätige Bette zu leiten, ist die einzige Aufgabe der Regenten, die in einer heftig aufgeregten, von einem sittlichen

 

1) Robert de Monte ad 1131 p. 623 und wörtlich übereinstimmend Guil. de Nangis bei d'Achery III, p. 4: Erat circa haec tempora pulchras et decora facies ecclesiae diversorum ordinum et professionum circumdata varietate; dum hinc Praemonstratenses (et regulares Canonici) hinc Cistertienses, inde Cluniacenses monachi tum et diversi habitus et professionis sanctimoniales et mulieres deo devotae in continentia atque paupertate sub obedientiae jugo regulariter viventes fervore religionis se invicem provocarent. Cum his etiam Monachi Carthusienses - qui prae ceteris continentes pesti avaritiae terminos posuerunt. Adhaec milites templi Hierosolymitani etc.

 

 

____

300 Fünfter Abschnitt.

 

Elemente getragenen Periode die Völker leiten. Daß Lothar diese Aufgabe, wie wenige Kaiser Deutschlands, gelöst hat, beweisen seine Thaten und das durch dieselben so glücklich erreichte Ziel seines Strebens.

 

Der Kirche seine Ehrfurcht durch Anlegung und Unterstützung geistlicher Stiftungen zu beweisen, der Kanonisation verdienter Priester früherer Zeiten seinen Beifall und, wo es nöthig war, seine Verwendung, seinen Beistand zu leisten, diesen beiden Anfoderungen durfte ein König, der nach den damaligen Anfoderungen für fromm und religiös gelten wollte, sich nicht entziehen. Im Uebermaße verschwenderisch gegen Kirchen und Klöster war aber Lothar keineswegs. Unter letztern lassen nur zwei mit Sicherheit sich als Stiftungen desselben nachweisen, das Kloster Chemnitz in Meißen und Lutter in Sachsen, welches letztere, auf eigenem Erbe errichtet, dereinst seine Begräbnißstätte werden sollte 1). Daß andere von ihm erneuert seien, daß er vielen Kirchen und Abteien reiche Güter und Geschenke verliehen habe, ist wol zu vermuthen. Unter den Heiligen, die unter Lothar's Regierung kanonisirt wurden, nimmt der ehemalige Bischof Gothard von Hildesheim den ersten Platz ein. Seine Translation machte in ganz Deutschland großes Aufsehen, und Lothar unterstützte gewiß bei Innocenz das Gesuch seines vertrauten Rathgebers, des Bischofs Bernhard von Hildesheim. Mit besonderem Eifer betrieb der Papst selbst auf der rheimser Kirchenversammlung die Kanonisation,

 

1) Langii Chron. Citiz. p. 787: Nonnulla fundavit monasteria et magnifice dotavit, pleraque pene collapsa instauravit et in melius reformavit, ex quibus duo praecipua sunt fundationis ejus coenobia, Kemnitz videlicet in Misnia et Lutern in Saxonia. Von letzterm sagt Otto Fris. de gest. Friderici I. lib. I, cap. 22: Lutre, quod in ejus (Lotharii) proprio fundo situm est. Ob zu den nonnulla monasteria außer den zwei angegebenen die von Corner angeführten zu rechnen sind, ist auf das Zeugniß dieses so unzuverlässigen Chronisten nicht mit Gewißheit zu bestimmen. Es heißt bei ihm p. 672 ad 1130: Coenobium Ursicampi fundatur a Lothario Rege (secundum Egghardum) et dotatur bonis multis. Vielleicht ist nur Letzteres wahr, denn Robert de Monte ad 1129 berichtet: Coenobium Ursicampi fundatum est a nobilissimo praesule Noviomensi Domino Simone, qui Hugonis Magni filius fuit, frater autem Rudolphi Comitis et Regis Ludovici fratruelis. Ferner heißt es bei Corner p. 672 ad 1131: Abbatia in Walkenred Cistertiensium ordinis fundatur a Lothario Rege ultra Montem Hartonis (secundum Egghardum, seines oft wiederkehrenden, schlechten Gewährsmannes). Daß Lothar die Stammburg Suplingenburg 1130 den Tempelherrn gegeben (denen sie allerdings später gehörte), steht bei Mascov. comment. de reb. gest. sub Henrico V. p. 140 in der Note ohne Beweis.

 

 

____

301 Lothar's Verhältniß zur Kirche.

 

worauf denn im Mai 1132 im Beisein einer zahlreichen Menge von Geistlichen und Laien die Aussargung der Gebeine des Heiligen und deren Beisetzung in die Krypta des Domes erfolgte. Ein frommer Mönch des Stiftes Hildesheim berichtet die großen und seltsamen Wunder, die durch die Kraft des Heiligen vollführt worden seien 1).

 

Daß die Kaiser ihre Rathgeber und Vertraute aus den Geistlichen wählten, war zu allen Zeiten gewöhnlich, und Diejenigen, welche mit der Kirche im Kriege lebten, fanden darum nicht minder in diesem Stande getreue Anhänger, mitunter aber auch solche, die unter der Maske der Freundschaft sie verriethen. Daß Adalbert von Mainz sich als einer letzterer Art gegen Heinrich V. ausgewiesen, konnte Lothar nicht unbekannt sein. Aber dem Manne, der früher in bedrängter Lage sein Verbündeter, bei der Königswahl sein Hauptbeförderer gewesen, wollte und durfte er nicht seine Gunst und sein Vertrauen entziehen. Wie weit Adalbert letzteres wahrhaft erwiedert und nicht durch Arglist getäuscht hat, ist schwer zu sagen. Die Warnung des Herzogs Heinrich war gewiß keine ungegründete und überflüssige, Lothar aber, durch reiche Erfahrung und durch Besonnenheit gegen Ränke, die der erste Reichsprälat schmieden konnte, auf der Hut. Da nur Verhältnisse und Personen einem Adalbert Gelegenheit boten, seiner Arglist und Herrschsucht den Zügel schießen zu lassen, so mußte eine gänzliche Veränderung jener auch eine veränderte Aeußerung seiner Handlungsweise bei ihm hervorrufen. Ueberdies mag auch das Alter ihn von Plänen früherer Jahre abgehalten und seine Leidenschaftlichkeit abgekühlt haben. Daß er den Kaiser auf keinem der Heereszüge, außer etwa am Rhein, begleitete, scheint dafür ein Beleg zu sein. Einen Kreis von durchaus würdigen Männern um sich zu versammeln oder doch ihres Rathes stets gewärtig zu sein, war ebenso sehr Lothar als seine Gemahlin Richenza, die getreueste und vertrauteste Genossin und Mitregentin, bemüht. Otto von Bamberg, der schon Heinrich V. so große Achtung eingeflößt, daß kein Argwohn, keine Verläumdung, keine Anklage den sonst leicht gereizten Kaiser zu einem gewaltsamen Schritt verleiteten, stand bei Lothar in hohem Ansehen. Wir sahen, wie ohne ihn der König auf der Versammlung zu Würzburg, wo über die Hohenstaufen Acht und Bann verhängt, über das Schisma der Kirche entschieden werden

 

1) S. Hist. canonis. S. Godehardi et translat. ejus Leibn. I, p. 505 sqq.

 

 

____

302 Fünfter Abschnitt.

 

sollte, nichts beginnen und beschließen wollte, wie erst Konrad von Salzburg im Namen der ganzen versammelten Geistlichkeit, dann Lothar eigenhändig an ihn schrieb und um die persönliche Anwesenheit des würdigen Bischofs bat. Seine Zustimmung in Betreff des Bannes gegen die Hohenstaufen war um so gewichtiger, als er früher mit diesen, namentlich Konrad, in freundschaftlichem Vernehmen gestanden. Ob er das frühere Verfahren der drei Erzbischöfe von Mainz, Salzburg und Magdeburg durchaus zurückgewiesen und den Mahnungen, Drohungen und harten Worten Adalbert's keine Folge geleistet, erfahren wir nicht, gewiß gab er nie seine freie, von jedem Parteiinteresse unabhängige Stellung, die er unter Heinrich behauptet hatte, unter Lothar auf. An ihn wandte sich daher noch 1132 der hohenstaufisch-gesinnte Bischof Hermann von Augsburg mit seinen Klagen über das Unglück dieser Stadt, und hoffte, die Schilderung von des Königs hartem, grausamen Verfahren werde bei Otto ein geneigtes Ohr sinden, wenn nicht gar einen Abfall vom Reiche, einen Uebertritt zu der hohenstaufischen Partei zur Folge haben. Doch Otto war weit entfernt, den Zwiespalt im Reiche nähren zu wollen; nirgends tritt er als Vertheidiger der Hohenstaufen auf, so lange Lothar lebt, steht er zum Reiche. Friedrich von Schwaben fand nicht einmal an ihm einen Fürsprecher und Unterhändler, als er dem Könige vor dessen Römerzug Vertrag und Bündniß antrug. Als der Kaiser in Bamberg, Otto's Bischofssitze, die Unterwerfung Friedrich's in Person, die Konrad's durch sichere Bürgschaft foderte, that Otto Nichts zur Milderung einer Strenge, die ihm wol gleich den übrigen Anwesenden unerläßlich schien. Ob er aber nicht zu der versöhnlichen Gesinnung Lothar's, mit welcher dieser die hohenstaufischen Brüder nach ihrer Demüthigung im Besitze ihrer Güter und Lehen ließ, beigetragen? - Daß er für Konrad die alte Zuneigung bewahrte, bewies er, als ein seltsamer Wechsel des Geschicks auf dem nächsten Reichstage, der wieder in Bamberg gehalten wurde, den jetzt des Königstitels beraubten Hohenstaufen als neuen König der Deutschen triumphirend über die von Lothar gegründete Macht erscheinen ließ.

 

Neben Otto von Bamberg verdient in anderer Beziehung als einflußreich auf Lothar's Regentenhandlungen Vicelin genannt zu werden. Wie Otto das Christenthum unter den heidnischen Pommern zu verbreiten suchte, verfolgte den gleichen Zweck Vicelin bei den Wenden, die im heutigen Mecklenburg wohnten. Wenn Otto sein Werk mehr durch den Beistand der polnischen als der deutschen Fürsten gefördert sah, bedurfte Vicelin eine Hülfe aus Deutschland,

 

 

____

303 Vicelin.

 

aus Sachsen, wenn sein Werk gefördert werden sollte. Darum stehen seine Bekehrungsversuche in viel unmittelbarerer Berührung mit den Ereignissen in Deutschland als Otto's, die ein polnischer Geschichtschreiber jener Zeiten nicht übergehen dürfte 1). Vicelin war von armen, frommen Eltern zu Querhameln geboren, wurde ein Zögling der Stiftsschule zu Paderborn, welche damals einen großen Ruf erlangt hatte, und später nach Bremen geschickt, um das dortige Unterrichtswesen zu verbessern 2). Mit großer Strenge verfuhr er gegen die verwahrloste, mehr zu Lustbarkeiten, Trinkgelage, Ausschweifungen als zu ernsten Studien geneigte Jugend, oft freilich allzustreng, sodaß die Mehrzahl der Schüler sich entfernte. Es ward deshalb von dem Propste Adalbert wol ebenso sehr aus Rücksicht auf das verfehlte Wirken, als auf die belauschten Wünsche Vicelin's diesem eine Reise nach Frankreich gestattet. Der lernbegierige Mann hörte in Paris die Vorträge ausgezeichneter Lehrer und kehrte in seinem Wissen bereichert, nach der Heimat zurück. Ein ihm angebotenes Kanonikat in Bremen lehnte er ab, weil er zu einem höheren Wirkungskreise im Dienste des Herrn sich berufen fühlte 3). Noch in demselben Jahre begab er sich zu Norbert von Magdeburg, der ihm ganz der geeignete Mann schien, um zu seinem Vorhaben die nöthige Vorbereitung zu erhalten. Er ließ sich von ihm zum Priester erheben 4), und als er vernahm, daß der Slavenfürst Heinrich zu der Bezwingung der heidnischen Völker seines Stammes und zu der Verbreitung der christlichen Lehre so ernsten Willen zeige, glaubte Vicelin bei ihm den rechten Platz für sich gefunden zu haben. Bereitwillig ertheilte der Erzbischof Albero von

 

1) Das Bekehrungswerk selbst schildert die Vita Ottonis in Canisii lectiones antiquae Tom. III, lect. 35. Eine kurze Zusammenstellung des Wichtigsten s. in Raumer's Hohenstaufen, Band VI, S. 305 ff.

2) Ausführlich ist über ihn Helm. I, cap. 42 ff.: Vicelinus Mindensi Parochia oriundus in villa publica, cui nomen Quernhamele, quae sita est in ripa Wiserae, genitus est, parentibus morum magis honestate quam carnis et sanguinis nobilitate ornatis. Nach mancherlei harten Schicksalen: abiit Paderburnen, ubi tunc forte studia literarum florebant sub nobili magistro Harthmanno. Hier bleibt er: quousque vocatus Bremam curandis scholis magister ibidem praeditus est. Fuitque in regendis scholis vir valde idoneus, curator chori, eruditor juvenum, forma honestatis, denique discipulos, quos antea mos praecipitatus agebat, reddidit, artibus ingenuis etc.

3) Helm. I, cap. 45 schildert die Reise nach Frankreich, wo er zwei berühmte Lehrer, Rudolph und Anselm, hört, und die Rückkehr nach Bremen. Oblatam (Canonicam) recusavit, ordinatione dei ad opus aliud destinandus.

4) Helm. a. a. O.: Ad sacerdotii gradum promoveri meruit.

 

 

____

304 Fünfter Abschnitt.

 

Bremen ihm das Amt und die Weihe eines Heidenbekehrers 1), und begleitet von zwei Presbytern, Rudolf von Hildesheim und Ludolf von Verden, trat Vicelin die Reise an. Freudig empfing die drei Männer Heinrich in Lübek, und wies ihnen diese Stadt zum Mittelpunkte ihrer Wirksamkeit an. Während sie aber zu Anordnung ihrer häuslichen Angelegenheiten noch einmal nach Sachsen zurückkehrten, erfuhren sie von dem Tode Heinrich's und den Bruderkriegen zwischen Zwentobold und Kanut. Währenddessen fand der Eifer Vicelin's als Vorsteher des Klosters Faldern eine neue Thätigkeit bei den Nordelbbewohnern, die zwar das christliche Glaubensbekenntniß angenommen hatten, aber in Aberglauben versunken waren. Durch enges Zusammentreten mit anderen Geistlichen jener Gegenden förderte er die Reinigung und Kräftigung der christlichen Lehre. Immer aber blieb sein Sinn auf Bekehrung der Slaven gerichtet 2). Als er Zwentobold nach dem Tode Kanut's milder gegen die christlichen Unterthanen seines Reiches verfahren sah, begab er sich zu ihm und erinnerte den Fürsten an seines Vaters Heinrich Zusagen. Zwentobold zeigte sich willfährig, und Vicelin sandte zwei Seelsorger Ludolf und Volkward, nach Lübek, wo die Kaufleute, wahrscheinlich eingewanderte Deutsche und Holländer, sie freundlich aufnahmen. Doch Einfälle der wilden heidnischen Rügen, die bald nach einander folgenden Ermordungen Zwentobold's und Zwinike's, mit denen Heinrich's Nachkommen erloschen, drohten abermals Vicelin's Bestrebungen gänzlich zu vernichten 3). Da förderte Lothar, der ebenso sehr aus politischen als religiösen Beweggründen die Erhebung Kanut's, des dänischen Prinzen, zum König der Obotriten und Herzog von Schleswig veranlaßte, das Werk des frommen Eiferers. Denn

 

1) Helm. a. a. O: (Adalbero) non modice laetificatus approbavit consilium deditque ei legationem verbi Dei in Slavorum gente vice sua idolatriam extirpandi.

2) Helm. cap. 47: Comperta sanctitatis ejus fama multi tam de clero quam de laicali ordine convenerunt ad ipsum. Hi ergo sacris connexi foederibus statuerunt amplecti coelibatum vitae, perdurare in oratione et jejunio, exerceri in opera pietatis, visitare infirmos, alere egentes, tam propriam quam proximorum salutem curare. Super omnia vero pro Slavorum vocatione solliciti orabant Dominum, ostium fidei quantocius aperiri.

3) Helm. cap. 48: Non longum tempus (nach der Ankunft Ludolf's und Volkward's) effluxit et ecce Rugiani urbem vacuam navibus offendentes oppidum cum castro demoliti sunt. Sacerdotes inclyti barbaris unam ecclesiae januam irrumpentibus per aliam elapsi beneficio vicini nemoris salvati sunt et ad Falderensem portum refugerunt. Zwentepolch non longe post interfectus est, etc.

 

 

____

305 Lothar's Verhältniß zur Kirche.

 

Kanut, selber Christ und auf die Bekehrung zum Christenthum die Bezwingung und Entwilderung der Slavenvölker bauend, folgte den Rathschlägen Vicelin's und versprach dem Kloster Faldern reiche Güter und allen daselbst lebenden Geistlichen eine ausgebreitete Wirksamkeit in seinem slavischen Königreiche, wenn ihm mit Gottes Beistand dasselbe sich zu unterwerfen gelänge. Gewiß hätte Kanut sein Versprechen gehalten. Was für eine dem Christenthum nachtheilige Veränderung für die Slavenländer seine Ermordung durch den Prinzen Magnus hervorbrachte, wie nur auf dem Wege des Vertrages die heidnischen Fürsten Niclot und Pribislav zu einer Duldung des Christenthums in ihren Reichen, nicht zu einer Annahme und Förderung bewogen werden konnten, wie endlich Lothar durch Anlegung der Veste Sigeberg die Hoffnung eines künftigen Erfolges begründete, haben wir bereits erkannt. So lange der Kaiser lebte, schritt das begonnene Werk mit gutem Erfolge vor, und unter seinem Schutz und durch Vicelin's Bemühungen erhob sich eine neue Pflanzschule für Lehrer und Bekenner Christi. Wie mit seinem Tode auf lange Zeit die gehegten Wünsche, die erweckten Hoffnungen daniedersanken, werden wir später betrachten 1).

 

Wenn Otto von Bamberg und Vicelin für das Wohl des Reiches und der Kirche entfernt vom Reiche und Kaiser Sorge trugen, und nur aus des Letztern politischen Maßregeln oder bei besondern Ereignissen seine Gunst und Theilnahme erfuhren, so standen in engerer Verbindung mit ihm und hatten an allen seinen Unternehmungen bedeutenden Antheil der Erzbischof Norbert und Bischof Bernhard. Der Bann, welcher zu Würzburg gegen die Hohenstaufen von der deutschen Kirche ausgesprochen wurde, die Bestätigung desselben durch Innocenz auf der lütticher Versammlung, der glückliche Erfolg des Römerzuges, vor Allem die Kaiserkrönung sind hauptsächlich Norbert's eifrigen Bemühungen beizumessen, wie er denn als der Vermittler erscheint, der die Interessen des Staates und der Kirche, des Königs und des Papstes auf das Geschickteste zu verbinden wußte. Geheimer muß die Wirksamkeit des Bischofs

 

1) Helm. cap. 54: Dominus Vicelinus legationis sibi creditae solers curator, idoneas Evangelio personas ad opus ministerii conscivit, ex quibus venerabiles sacerdotes Ludofum, Hermannum, Brunonem in Lubeke constituit, Luthmundum cum caeteris Sigeberg esse mandavit. Factumque est misericordia Dei et virtute Lotharii Caesaris seminarium novellae plantationis in Slavia. Sed accredentibus ad servitutem Dei non desunt tentationes. Dann folgt der Umsturz, der durch Lothar's Tod veranlaßt wurde.

II. 20

 

 

____

306 Fünfter Abschnitt.

 

Bernhard gewesen sein, wenigstens bringen die historischen Ereignisse ihn weniger in den Vordergrund. Da sein Einfluß auf den Kaiser, die Kaiserin und den Herzog Heinrich als überaus groß angegeben wird 1), so gab er wol vornehmlich den Mittler in Lothar's Hause ab und fand als Seelsorger der drei genannten und aller Mitglieder desselben ein großes Feld seiner Wirksamkeit. Auch bediente sich seiner wol Lothar bei Unterhandlungen mit den Reichsfürsten, bei denen gleichfalls Bernhard einen großen Einfluß übte. Die Gunst, deren der Abt Bernhard von Clairvaux bei dem Kaiser und der Kaiserin sich erfreute, müssen wol mehr seiner bedeutenden Stellung bei dem Papste und der allgemeinen Verehrung, die dem frommen, beredten, unwiderstehlichen Manne gezollt wurde, beigemessen werden, als daß sie auf einer persönlichen Neigung beruhten 2). Mögen immerhin zu dieser Verehrung übertriebene Gerüchte von Bernhard's Geistesschärfe, zu der Gläubigkeit, mit der man seine zahllosen Wunder aufnahm 3), die Redekünsteleien, womit er seine Vorträge wie seine Briefe überlud, mitgewirkt haben, eine seltene Erscheinung bleibt immer dieser Mann, der in einem schwachen und durch strenge Lebensweise und fast unausgesetzte geistige Thätigkeit noch mehr geschwächten Körper 4) einen Geist besaß, der Päpste, Kaiser, Hohe und Niedere, alle Völker und alle Stände, indem er Jeden an der rechten Seite und nach den Umständen zu behandeln verstand, über ein halbes Jahrhundert beherrschte, durch seine Ideen bewegte und durch seine Begeisterung mit sich fortriß. Im 22. Lebensjahre (1113) in den Cistercienserorden tretend 5), ward er zwei

 

1) In der schon angezogenen Stelle Chron. Stederb. Leibn. I, p. 854.

2) Der Gipfel seiner Wirksamkeit gehört den Zeiten nach Lothar an. Daher hier seiner nur, wo er mitwirkend auftritt, erwähnt wird. Vergl. über ihn Neander: der heilige Bernhard und sein Zeitalter; Raumer und die von ihm angegebenen Citate I, S. 522.

3) Daß diese Wunder dem wunderthätigen Manne nie in zahlreicher Versammlung zu Gebote standen, bemerkt Raumer I, S. 523 sehr richtig. Kurz und treffend sagt dies Chron. Andrensis bei d'Acheri, II, p. 802: Dominus Bernardus Abbas Clarevallensis quasi stella matutina Monachicum ordinem illustrat et sanctitate, doctrina, miraculis etiam claret in Gallia, cujus vita in tantum excellit, ut parum sit omne, quod in ejus laudem dictum vel scriptum fuerit.

4) Guil. de Nangis bei d'Achery III, 1. Ab ingressu suo (in den Cistercienserorden) tanta distractione corpus suum affligere studuit, quod tota deinceps vita sua infirmitate multiplici laboravit.

5) Guil. de Nangis a. a. O. ad 1113: Eodem anno sanctus Bernardus cum sociis suis triginta et amplius sub Abbate Stephano Cistertium est ingressus anno aetatis suae XXII. Auch sein Vater Tecelin und seine fünf Brüder wurden Mönche. Seine Mutter Aloysia von Montbarry lebte wie eine Nonne, und eine mehr weltliche Schwester wurde von Bernhard zu gleichem Lebenswandel bekehrt.

 

 

____

307 Lothar's Verhältniß zur Kirche.

 

Jahre danach Abt in dem von ihm gegründeten Kloster Clairvaux 1). Lesen und Forschen in der heiligen Schrift blieb seine Hauptbeschäftigung , bis ihn das Kirchenschisma und die in Folge dessen veranlaßte Flucht Innocenz's aus seiner Waldeinsamkeit hervorrief, und dieser Papst ihn seitdem ganz in seine Nähe und in den vielseitigsten Geschäftskreis zog, wodurch Bernhard mit fast allen Ländern der Christenheit in Verbindung trat. Noch mit großer Schüchternheit hatte er auf der Versammlung zu Etampes, aufgefodert von König Ludwig und den Fürsten, von Erzbischöfen, Bischöfen und allen Anwesenden, seine Entscheidung für Innocenz ausgesprochen 2). Aber sein schwaches Wort hatte schon eine starke Gewalt, weil der Ruf, den er bereits erlangt, hier Anerkennung fand. Seitdem bot er unermüdlichen Eifer für die Sache Innocenz's, die nun zur seinen geworden war, auf, und seine Gewandtheit und Beredtsamkeit wußte jeden Widerstrebenden zur Anerkennung des von ihm für rechtmäßig erklärten Papstes zu bewegen. Uebrigens aber blieb er bei aller Ergebenheit gegen Innocenz, bei aller Strenge in kirchlichen Grundsätzen, doch weit entfernt, den Papst als die einzige Macht auf Erden anzuerkennen, dem Jedes zustände, der über Jeden sich überheben dürfe 3). Vielmehr empfahl er Demuth dem Hochgestellten als die erste Pflicht, denn er herrsche nicht um sein selbst, sondern um der Untergebenen willen, und damit die Welt eines Glaubens und in Frieden lebe. Eine andere Gewalt stehe ihm nicht zu Gebot, und irdische Herrschaft sei mit seinem bischöflichen Amte unverträglich. Wer die Sünden vergebe, dürfe nicht nach dem weltlichen Gute trachten und es den Fürsten entziehen wollen. Durch weltliche Geschäfte werde der Papst ein Sklave, der aller Heiligkeit vergißt.

 

1) Guil. de Nangis a. a. O. ad 1115: Clarevallis autem non longe est a fluvio Albe, qui antiquitus fuit spelunca Latronum et vallis Absintialis (Wermuthsthal) dicebatur propter amaritudinem incidentium in latrones.

2) Vita Bern. lib. II, cap. 1: Cum de eodem verbo tractaturi Rex et Episcopi cum Principibus consedissent unum omnium consilium fuit una sententia, ut negotium Dei, Dei famulo imponeretur, et ex ore ejus tota causa penderet. Quod ille timens licet et tremens monitis tamen virorum fidelium acquiescens suscepit etc.

3) Das Folgende ist ein Auszug aus dem Briefe Bernhard's an Papst Eugenius II., den Raumer VI, S. 57 mittheilt.

20*

 

 

____

308 Fünfter Abschnitt.

 

Nicht minder aber fliehe er Müßiggang, Possen, Kleinigkeiten, Angeber, Schwätzer, schlechte Rathgeber; er zügle die Anmaßung, den Geiz und die Habsucht seiner Diener, und ahme nur das Beispiel seiner lobenswerthen Vorgänger nach. „Er sei ein Inbegriff der Gerechtigkeit, ein Spiegel der Heiligkeit, Muster der Frömmigkeit, Redner der Wahrheit, Vertheidiger des Glaubens, Lehrer der Völker, Anführer der Christen, Ordner der Geistlichkeit, Hirt der Herde, Führer der Schwachen, Zuflucht der Unterdrückten, Vorsprecher der Armen, die Hoffnung der Elenden, der Vormund der Unmündigen, Richter der Witwen, das Auge der Blinden, die Zunge der Stummen, der Stab der Alten, der Rächer der Frevel, ein Schrecken der Bösen, Vorbild der Guten, eine Ruthe der Mächtigen, ein Beschränker der Tyrannen, Vater der Könige, Bildner der Gesetze, das Salz der Erde, das Auge der Welt, der Priester des Höchsten, der Stellvertreter Christi.“ Wenn Bernhard so den Papst an seine Pflichten zu mahnen sich herausnahm, so durfte der Kaiser wol nicht argwöhnen, der Eifer des Abtes für die Kirche werde dem weltlichen Regiments Abbruch thun. Seinen Rathschlägen, Mahnungen und Bitten Folge zu leisten, brachte Niemandem Schaden, und wo er auftrat, war es ihm um Nichts als um das Rechte, Löbliche, Schickliche zu thun. Auf seine Vorstellungen konnte Lothar den Hohenstaufen Gnade zuwenden, und diese mußten vor dem Kaiser die schuldige Demuth zeigen, weil jenes Jenem, dieses Diesen geziemte. Nicht verbarg Bernhard den Zweck, der ihn zu der Aussöhnung des Reichsoberhauptes und aller Reichsglieder nach Deutschland führte. Vereint sollte die ganze Reichsmacht sich nach Italien wenden, um dort auch dem Papst zum vollen Besitze seiner kirchlichen Macht zu verhelfen.

 

Auf Lothar's zweiter Heerfahrt nach Italien werden wir noch zwei Geistliche kennen lernen, die Jener mit seinem Vertrauen beehrte und die desselben sich würdig bewiesen. Es waren der Abt Wibald von Stablo, der unter drei Herrschern Deutschlands Das werden sollte, was Norbert früher unter Lothar gewesen, und der Mönch und zugleich Chronist des Klosters Monte Cassino, Peter Diaconus.

 

Wer unter den weltlichen Fürsten außer Heinrich von Baiern ein besonderes Vertrauen bei Hofe genoß, läßt sich weniger bestimmt angeben 1); doch scheint, was freilich erst spätere Chronisten von

 

1) Was es mit jenem Burchard von Luckenheim auf sich hat, den Hermann von Winzenburg ermorden ließ, und der amicus Regis (bei Ann. Saxo) consecretalis Lotharii (Ann. Bosov.) und Regis consiliarius (lib. de fund. Monast. Gozec. bei Hoffmann scpt. Lusat. IV, p. 215) genannt wird, und welche Rolle er bei Hofe gespielt, ist schwer zu errathen. Da Burchard nur der Vasall eines eben nicht sehr mächtigen Fürsten war, so konnte sein Einfluß auf die Reichsangelegenheiten wol kein bedeutender sein. Er mochte durch treue Anhänglichkeit an den Herzog wie an den König Lothar dessen Vertrauen erworben haben, und von diesem zu manchen Geschäften und Aufträgen in Sachsen gebraucht worden sein. Wichtig war es für Lothar immer, in ihm einen Mann zu besitzen, der ihm über Alles, was in der Provinz vorging, benachrichtete.

 

 

____

309 Lothar's Verhältniß zu den Fürsten.

 

dem Landgrafen Ludwig von Thüringen melden 1), daß er am Hofe großen Einfluß besessen, sehr wahrscheinlich, da Ludwig, der mit einer Verwandten der Kaiserin vermählt war, mit der landgräflichen Würde ein Amt und eine Stellung erhielt, die, wie wir gesehen, das höchste Vertrauen des Kaisers voraussetzen läßt. Denn mochte Thüringen zur Verbindung oder zur Trennung Baierns und Sachsens, die Heinrich, der Schwiegersohn Lothar's, einst vereint besitzen sollte, einem reichsunmittelbaren, an Rang den Herzogen wenig nachstehenden Fürsten zugewiesen worden sein, ihn selbstständig zu machen war jedenfalls die Absicht dabei. Der wackere Ludwig wirkte im Innern seines vielherrigen Landes mit ganzer Kraft für die Erhöhung seiner Macht, die aber, wie sie vom Könige geschaffen war, auch vom Könige abhängig blieb, sodaß nur ein Festhalten der Landgrafen an den jedesmaligen Reichsbeherrscher ihre Unabhängigkeit von andern Reichsfürsten sicherte. Als nach Lothar's Tode wider Erwarten desselben nicht Heinrich von Baiern, sondern das hohenstaufische Haus auf den Thron gesetzt ward, erwies sich, daß der Kaiser auch wider seine Absicht anstatt eine Stütze seines Thrones und seiner Hausmacht ein verderbliches Werkzeug aus dem thüringer Landgrafen gemacht hatte. Doch abgesehen davon, daß die Folgen von Lothar's Verfahren in Thüringen ganz außer aller Berechnung lagen, war es eine durchaus kluge Maßregel in einem Lande, das durch seine Lage, seine natürliche Beschaffenheit und seine getheilte Herrschaft unter vielen Grafen und Dynasten der Schauplatz der inneren Kriege, und bei Einfällen der östlichen Nachbarvölker, die

 

1) Doch schon der Verfasser der Chronik des goseker Klosters bei Hoffmann scpt. Lusat. a. a. O. sagt: Cujus Principatu (nämlich Hermann's von Winzenburg Landgrafenwürde) Comes Ludevicus sublimatur, quippe qui Regi ut fidelis et prudens carissimus habebatur. Der Zusatz: Sed et Reginae propinquus fuisse narratur, hebt das persönliche Vertrauen, in dem Ludwig bei Hofe stand, nicht auf, sondern motivirt nur die Angabe, warum er dem Könige so werth gewesen. Treu, verständig und verwandt mußte der Mann sein, dem Lothar in Thüringen eine so bedeutende Macht übertrug.

 

 

____

310 Fünfter Abschnitt.

 

minder abhängig vom Reiche erhalten werden konnten, ein Stützpunkt, um in Deutschland festen Fuß zu fassen, gewesen war, Einheit, Festigkeit und zugleich einen nahen Anschluß an das Herrscherhaus zu bewirken. Wir haben hierin ein Abbild im Kleinen von dem Verfahren, welches Lothar im ganzen Reiche beobachtete.

 

Wenn es zur Herstellung des königlichen Ansehens Lothar ersprießlich und heilsam schien, jeden Zwiespalt mit der Kirche zu vermeiden, ihrer Institutionen zum eigenen Vortheil sich zu bedienen, mit dem Papste in friedlicher Gemeinschaft, in aufrichtiger Liebe stets die gleichen Zwecke, Fesselung der rohen Gewalt, Gehorsam der Völker, Friede und Eintracht in Kirche und Reich, zu verfolgen sich gegenseitig die Waffen, die Jedem zu Gebote standen, zu Schutz und Trutz zu bieten, damit die Verehrung, die Hochachtung, welche die Welt wie der Einzelne seit Gregor VII. dem Kirchenhaupte allein gezollt, auch dem ersten weltlichen Beherrscher der Christenheit zu Theil werde: so erfoderte es, um die zweite Gewalt, welche neben und wider König und Papst in Deutschland sich erhoben hatte, die der Fürsten, unschädlich für den Thron, zu einer Stütze desselben zu machen, ein Verfahren, das dem der fränkischen Kaiser ganz entgegengesetzt war. Diese hatten, von Konrad II. bis auf Heinrich V., die Macht der Landesherzoge zu beschränken gesucht, die erledigten Reichslehen entweder unbesetzt gelassen, wie dies unter Konrad und Heinrich III. häufig geschah, oder nur nach eigener Willkür an ergebene, ihnen verpflichtete Männer verliehen, die trotzigen mit Absetzung bedroht und die Acht, wenn es gelang sie zu bewältigen, auch vollzogen; dagegen waren sie bestrebt gewesen, durch das zuerkannte Recht der Erblichkeit die kleinen Grafen, Herren und Edlen mehr an das Reichsoberhaupt als an die Landesherren zu fesseln.

 

Für ein Herrschergeschlecht, das geringe Hausmacht besaß, das nur mit Widerwillen von ganzen deutschen Völkerschaften anerkannt, von vielen Reichsvasallen gehaßt und fast ohne Unterlaß bald hier bald dort im Reiche selbst angefeindet wurde, darf jenes Verfahren als eine wirksame Maßregel betrachtet werden. Eine heilsame Politik kann es aber nicht genannt werden; denn sie führt bei überlegener Macht des Königs zu unbeschränkter Monarchie, bei kraftloser Schwäche jenes zu Anarchie oder einem Parteikampf, in welchem auf der einen Seite die Willkür des Herrschers, auf der anderen die Unabhängigkeit der Landesfürsten das Feldgeschrei ist. Erhebt sich dann noch die Kirche zu ungebürlicher Gewalt, und droht eine Hierarchie, alle weltliche Herrschaft sich unterzuordnen, so kann, da keines dieser Principe, folglich auch nicht seine Kraftäußerung jemals

 

 

____

311 Lothar's Verhältniß zu den Fürsten.

 

aufgehoben wird, ein feindliches Zusammenstoßen nur allgemeine Auflösung herbeiführen, und das war es, dem Deutschland unter Heinrich V. unverkennbar entgegenging, als das Zusammentreten der Fürsten das Verderben abwandte, dadurch aber wiederum gegen König und Kirche eine Gewalt hervorrief, die augenblicklich eine Verbindung jener wider sie hervorrief. Bei diesem Moment politischer Umwälzung war Heinrich V. angelangt, als sein Tod das Herrschergeschlecht, welches alle jene Kämpfe und deren Folgen hervorgerufen, von der Erde nahm.

 

Auf Heinrich's zuletzt eingeschlagener Bahn zu verharren, gebot Lothar weniger die Nothwendigkeit als die Klugheit. Denn mit ihm bestieg den Thron ein König, der ein bedeutendes Herzogthum, große Hausgüter und eine überwiegende Fürstenpartei sein nannte, zumal da Baiern sich enge an ihn schloß, das vorhin mehr der Gegenpartei sich zugewandt hatte. Zugleich löste sich die bisher dem Throne und der Kirche gleich drohende Gewalt, als Lothar, ihr früheres Haupt, den Thron selber einnahm, dagegen Friedrich und bald auch Konrad eine Gegenpartei bildeten. Eine neue politische Umwälzung war hiemit entstanden: Der im Besitz der Reichsgewalt, welcher sich früher der Willkür derselben widersetzt hatte, und Die in der Opposition zum Throne, die vorhin dessen Vertheidiger gewesen waren. Die Kirche, welche im Zwiespalt des Reiches unter den beiden letzten Heinrichen über ihre Schranken hinausgegangen war, diesmal mit dem Throne zu verbinden, konnte nur dem Manne gelingen, der früher ihr Verbündeter gewesen war. Erschien dieser Bund zunächst gegen die Hohenstaufen gerichtet, so beschränkte sich des Königs Politik doch keineswegs auf Bekämpfung dieser beiden Fürsten, und wiederum sah er Letztere nur als seine persönlichen Widersacher an, die ihm die Krone beneideten, die aber als Reichsglieder im rechtlichen Besitze der ererbten Güter und Lehen standen. Darum sprach Lothar den Hohenstaufen, deren Demüthigung sein unabänderlicher Wille war, niemals die Reichslehen, nie die Allodien ihres Hauses ab, und ernannte keinen Fürsten zum Herzog von Schwaben und vielleicht 1) nur seinen Stiefbruder Simon zum Herzog von Elsaß, weil dieses Land mehr eigenmächtig als durch kaiserliche Belehnung an Friedrich gekommen und überdies der

 

1) Denn die einzige Unterschrift in der Urkunde Martene coll. ampl. I, p. 704, wo Dux Alsatiae Simon steht, gibt wenig Ausschluß über den wahren Zusammenhang der Sache und die Bedeutung des Titels.

 

 

____

312 Fünfter Abschnitt.

 

Herzogstitel hier nur misbräuchlich von dem Herzogthum Schwaben übertragen war, sodaß es fast wie Ironie erscheint, wenn Simon sich nicht Herzog von Lothringen, sondern Herzog von Elsaß unterzeichnete.

 

Dieses Verfahren, so ganz von dem der fränkischen Kaiser abweichend, erhält seinen Aufschluß in dem Bestreben Lothar's, die von seinen Vorgängern verfolgte Politik durch eine ganz entgegengesetzte abzulösen. Die Festigkeit des Thrones, die Einheit Deutschlands durch Verkettung der landesherrlichen Interessen mit denen des Reichsoberhauptes zu bewerkstellen, sodaß Deutschland damals schon mehr einem Bundesstaate glich, dessen Haupt der König oder Kaiser war, als einer absoluten Monarchie, in welchem nur ein Wille als alleingebietend sich geltend machte. Wie vergebens Letzteres von den fränkischen Kaisern erstrebt worden war, wie die Anerkennung der Erblichkeit der kleinem Fürsten dahin nicht geführt hatte, sondern nur der Anlaß gewesen, daß auch die Herzoge die Erblichkeit foderten, und, da sie verweigert wurde, zu Empörung, Abfall der Fürsten und endlich zu einer Verbindung Aller gegen Jenen sich veranlaßt sahen, war für Lothar eine unabweisliche Lehre der Erfahrung. Der freien Verfügung des Königs über die großen Reichslehen widersprachen längst die Wählbarkeit des Reichsoberhauptes selbst und das Recht der Fürsten, den König absetzen zu dürfen, falls alle oder die meisten unzufrieden mit ihm waren. Sollten Die, welche das Reichsoberhaupt zur höchsten Würde förderten und bei überwiegendem Misfallen entsetzen durften, sich gefallen lassen, daß er über sie nach Willkür verfüge und ihren Nachkommen Besitz und Würde, die sie diesem zugedacht, entreiße und an Günstlinge vergebe? Diese Politik konnte nicht anders als gehässig erscheinen, nicht blos Denen, gegen welche sie angewendet war, sondern auch Allen, gegen die sie angewendet werden durfte. Dazu kam, daß die geistlichen Fürsten nicht mehr von der Wahl des Königs abhängig waren, daß nur die Belehnung mit dem Weltlichen diesem zustand. Die Laienfürsten unter den Wählern des Königs durften aber in ihren Verhältnissen zum Reichsoberhaupte nicht abhängiger sein als die geistlichen, ihre Ein- und Absetzung nicht mehr vom Könige allein ausgehen. Die Anerkennung der Erbfolge, die nur durch die einzuholende Zustimmung der Landesvasallen und der höheren Geistlichen bedingt sein sollte, war somit eine nothwendige politische Maßregel für den deutschen König geworden, die er nur dann mit einer absolutistischen Entscheidung vertauschen konnte, wenn ihm die Erblichkeit des Thrones, die Einsetzung

 

 

____

313 Lothar's Verhältniß zu den Fürsten.

 

der Bischöfe und die entschiedene Uebermacht im Reiche zu Theil wurden. Zu keinem von allen dreien bot die damalige Reichs- und Kirchenverfassung eine Aussicht. Besser also der König begab sich von selber eines Rechts, das er nicht zu behaupten vermochte, und begnügte sich mit dem Eid der Treue und der Dienstverpflichtung der Reichslehenträger, als daß er durch willkürliche Verleihung und Absetzung die Hauptstützen des Thrones von sich abwendig machte. Darauf aber zu wachen, daß die Landesfürsten ihrer Verpflichtung gegen ihn und das Reich nachkamen, im Unterlassungsfalle dieselben mit Acht und der gesetzlichen Entfernung vom Amte zu bestrafen, durfte ihm nie entzogen werden und er die Zustimmung und Unterstützung der Gesammtfürsten, so der Laien wie der Geistlichen, dazu fodern.

 

Für diesen scheinbaren Verlust der königlichen Gewalt, - der in der That keiner war, weil er die nachtheiligen Folgen früherer Gewalt in sich schloß - war es ein positiver Gewinn, wenn die Reichsfürsten als Glieder sich enge an den König als Haupt anschlossen, um verbunden nach Außen gegen Feinde und im Innern gegen jede Gewalt, die sich misbrauchlich geltend machte, oder trotzig wider Haupt und Glieder auflehnte, anzustreben. Nicht auf einmal ließ dies sich erreichen. Unter den vorigen Herrschern war Mistrauen, Widerspenstigkeit, Parteiung gegen den Thron fast zur Politik der Fürsten geworden. Ob Lothar, der ihre Sache bisher verfochten, als König nicht gleich den Heinrichen mit Gewalt und Willkür gegen sie verfahren werde, mußte man abwarten. Sein Anschluß an die Kirche konnte gegen sie alle, nicht blos gegen die Hohenstaufen abzielen. Diese standen schon feindselig da. Konnte nicht Lothar die alte Unterdrückung der Fürsten mit der Bekämpfung Friedrich's und Konrad's beginnen? Die Verbindung mit Heinrich von Baiern erregte vollends Besorgniß. Man sah also besser von fern dem Kampfe zu, und leistete keinen oder geringen Beistand. Bald aber fanden sie die Grundlosigkeit ihres Mistrauens. Deutlich und ohne Arglist sprach der König aus, was er fodere, nämlich: von den Gütern der Hohenstaufen nur Die, welche sie dem Reiche entzogen hatten; ihre Lehen und Allodien sollten nicht an andere vergeben werden. Verzichtung auf jene, Anerkennung des Königs, den Eidschwur der Treue und Unterwerfung unter den Beschluß der Reichsversammlung war Alles, was Lothar verlangte. Jene aber, in keckem Uebermuthe, foderten die Krone, und Konrad maßte den Titel König sich an. Auch danach wurde nichts wider sie als Reichsfürsten, sondern nur als Feinde des Königs und der Kirche unternommen.

 

 

____

314 Fünfter Abschnitt.

 

Keiner der Fürsten trat ihnen bei, viele aber bewiesen sich thätiger und vertrauensvoller gegen den König. Da empören sich Rainald von Burgund und Gottfried von Niederlothringen, der König erklärt, dieser sei durch Willkür Heinrich's V. zum Herzogthume gelangt, Heinrich von Limburg ohne Genehmigung der Fürsten entsetzt, dem Sohne Heinrich's, dem tapfern und in jeder Beziehung berechtigteren Walram komme das väterliche Erbe zu; Rainald aber suche der deutschen Oberhoheit sich zu entziehen und entehre dadurch das Reich. Konrad von Zähringen, der Sohn des wackern Herzogs Berthold von Schwaben, dem der Herzogtitel mit einem verhältnißmäßig kleinen Gebiete geblieben, dürfe durch Burgund entschädigt werden. Auch die Rheinpfalz kehrte an den rechtmäßigen Besitzer Wilhelm 1) zurück. Solches Streben, die Ungerechtigkeiten der fränkischen Kaiser zu tilgen, die Fürsten nirgends zu beeinträchtigen, überall mit Zuziehung ihres Rathes zu handeln, die Würde des deutschen Namens, das Ansehen der Majestät im Innern und nach Außen zu heben, konnte nicht ohne Erfolg bleiben. Wir können dem Fortschritt im Einzelnen nicht folgen, der in dem gegenseitigen Vertrauen zwischen Haupt und Gliedern des Reichs sich kund gab. Betrachten wir aber, wie nach dem Römerzuge um den Kaiser die Fürsten sich sammeln, wie von nun ab das Ansehen Lothar's zu einer nie gekannten Höhe emporsteigt, wie die Hohenstaufen ihm sich beugen, so kann kein Zweifel entstehen, daß die Vereinigung des Reiches ihm völlig gelungen, daß er über dessen Gesammtkräfte gebot, wie nur ein Herrscher es vermag. Haben wir die Erreichung dieses Ziels seiner geschickten Benutzung der Kirchengewalt und der Fürstenmacht beizumessen, so wird hier der Ort sein, auch des Kaisers Verhältniß zu den emporringenden Städten, zu dem vom Drucke befreiten Volke ins Auge zu fassen. Ein Wohlthäter Beider wurde er schon dadurch, daß er der Wuth des Parteienkampfes, der unter den letzten fränkischen Kaisern ganz Deutschland verwüstet hatte, Einhalt that. Denn

 

1) Wilhelm war der zweite Sohn des bei Warnstedt gefallenen Pfalzgrafen Siegfried, der ältere, gleichfalls Siegfried, war 1124 gestorben. Beide Brüder hatten die orlamündischen Güter ganz oder doch theilweise aus dem Kampfe gegen Heinrich V. gerettet, und dies vornehmlich Lothar zu danken. Der König gewann demnach an Wilhelm einen ihm dankbar verpflichteten Fürsten, der am Rhein ihm doppelt werth war. Wilhelm überlebte Lothar um mehre Jahre und starb 1140. Mit ihm erlosch die Linie Siegfried's, und die Nachkommen Otto's von Ballenstedt erhielten die orlamündischen Güter.

 

 

____

315 Lothar's Verhältniß zu den Städten u. dem Volke.

 

wenn auch der Krieg zwischen ihm und den Hohenstaufen in gewissem Sinne eine Fortsetzung des früher zwischen den Sachsen und den beiden Heinrichen geführten war, so beschränkte er sich doch nur auf einen Belagerungskrieg im Elsaß, auf einige Einfälle in Schwaben oder in Baiern oder in Franken, die von kurzer Dauer waren und fern von jener fanatischen Zerstörungswuth blieben, welche vorher eine Folge der Beimischung des kirchlichen Elements in den Parteienkampf gewesen war. Zwischen den Herzogen Heinrich und Friedrich wurde, wenn wir des Erstern Feldzug vom Jahre 1134 ausnehmen, der von kurzer Dauer war, der Krieg weder anhaltend noch lebhaft geführt, und Lothar selbst baute stets mehr auf die Wirkung des Bannstrahles, auf den zunehmenden Anschluß der Fürsten, wodurch Friedrich alle Verbündeten verlor, auf die er gewiß hätte rechnen können, wenn der Kaiser ungestüm ihn bedrängte.

 

In Speier, in Nürnberg, überall wo Lothar als Sieger einzog, übte er Milde; das Unglück von Augsburg hatte die Stadt selbst sich zuzuschreiben. Die rheinischen Städte, welche unter Heinrich IV. und V. ihre Kräfte für und gegen sie aufgeboten und unsägliche Kriegsnoth ausgestanden hatten, blieben unter Lothar's Regierung von Anstrengung und Noth gleich frei, und konnten der Entwicklung ihrer Handelsinteressen im Inlande und nach Außen ihre Sorge zuwenden. Vollends Sachsen, das den Zorn der fränkischen Kaiser durch tapfere Vertheidigung der Freiheit zwar abgewendet, aber auch alle Lebensgüter für diesen Preis eingesetzt hatte, erfreute sich einer Ruhe, der auch die Aeltesten im Lande bei Lothar's Regierungsantritt sich nicht mehr zu erinnern wußten, und der Fürsorge des eingeborenen Kaisers verdankten sie die Sicherheit gegen Böhmen, Dänemark und die slavische Grenze; der Nationalhaß der Sachsen und Thüringer fand weder in religiösen noch in politischen Streitigkeiten Nahrung, und war, seit letzteres Volk wieder einen kräftigen Landesfürsten besaß, der im engsten Verbande mit dem Kaiser und der Kaiserin stand, dem wechselseitigen Austausch im Handel und Verkehr gewichen. Daß die Städte Sachsens aber sogar in der fremden Ausfuhr mit den rheinischen wetteifern konnten, verdankten sie unmittelbar der Vorsorge und Gunst Lothar's. Im Jahre 1134 ertheilte der Kaiser auf Verwendung seiner Gemahlin, der Aebtissin Gerburg, des Markgrafen Albrecht und anderer Fürsten 1) der Stadt Quedlinburg Privilegien, die dieselbe den Städten

 

1) Wir entlehnen die Urkunde aus Mantissa diplom. bei Mencken III, p. 1017: Nos ob interventum dilectissimae Consortis nostrae Imperatricis Richinsae ac venerabilis Abbatissae Gerburgis, suggerente Marchione Adelberto ceterisque curiae nostrae fidelibus etc. Concedimus eis, ut per omnes nostri imperii mercatus ubique suum libere exerceant negotium et tali deinceps lege et justitia vivant, quali usi sunt et utuntur Negotiatores de Goslaria et Magdeburgo Imperiali ac Regali nostrorum antecessorum traditione et confirmatione omnino ex ista parte Alpium in omnibus locis theolonei exactionem ipsis remittentes et indulgentes exceptis tribus, Colonia, Thilone etc.

 

 

____

316 Fünfter Abschnitt.

 

Goslar und Magdeburg, die einst von den Ottonen und selbst Heinrich III. und IV., um die Nation zu gewinnen, mit großen Handelsprivilegien ausgestattet waren, gleichstellten, den Kaufleuten freie Ausfuhr und Verkehr im ganzen Kaiserthume gestatteten. Diesseits der Alpen sollten sie nirgends einen Zoll zu entrichten haben, außer in Köln, Thiele und Bardewik 1). Unter andern Rechten gestattete er den Bürgern von Quedlinburg eine freie Gerichtsbarkeit des Marktes, bei Vergehen sollten drei Viertel des Strafgeldes der Kommune, ein Viertel dem Richter zufallen 2). Jeder, der die Kaufleute in ihren Handelsinteressen beeinträchtigte oder kränkte, sei er ein Herzog, ein Erzbischof oder von welcher weltlichen oder geistlichen Würde immer, sollte zu einer Strafe bis auf 100 Mark Goldes verurtheilt werden dürfen 3).

 

1) Thile in Holland auf dem rechten Ufer der Waal, 5 Meilen von Norwegen, 4 von Utrecht, im 9. Jahrhundert erbaut, schon 972 in einer Urkunde Otto's des Großen gleich den Städten Bardewik, Köln und Mainz mit großen Privilegien beschenkt. Sie heißt abwechselnd Tiel, Thiel, Thiele, Thielt, Tielt. Lateinisch Tila, Tiela, Thiela, Tilea, Tiloea, Thilo, Thilone (so in der Urkunde). S. Martieniere's Lex. geogr. Tom. XI, p. 608. Bardewik gehörte zu den ältesten Städten Sachsens, ja nach einigen ist sie geradezu die älteste des Landes. 1189 zerstörte sie Heinrich der Löwe gänzlich; von acht Kirchen blieb nur der Dom stehen; von den Steinen der Mauer wurde eine Stunde davon Luneburg, das bisher nur eine Veste war, zu einer bedeutenden Stadt erweitert.

2) Cives etiam de omnibus, quae ad cibaria pertinent, inter se judicent et quae pro his a delinquentibus pro negligentia componuntur, tres partes civibus, quarta pars cedat in usum Judicis.

3) Jubemus, ut nullus Archiepiscopus Dux, Comes, Vice-Comes, Schuldassio, nulla denique Imperii nostri magna parvaque persona praedictos negotiatores audeat in his concessis inquietare, divestire vel molestare. Si quis vero temerarius contra hoc praeceptum conatus fuerit aut infregerit, sciat se compositurum C libras auri, medietatem Camerae nostrae et medietatem praefatis mercatoribus. Es sind gegen die Aechtheit der Urkunde Zweifel erhoben worden, doch ohne genügende Gründe. So lange nicht das Original einen erweislich macht, ist an den Abdrücken, deren viele vorhanden sind, nicht Anstoß zu nehmen. Nach der Angabe datae Anno Incarnationis Domini MCXXXIV. VII. Maji Indict. XI. Anno vero Regni Lotharii VIII, Imperii I. ist 1134 nicht in 1135 zu ändem, wie Mascov. und Luden thun.

 

 

____

317 Lothar's Verhältniß zu den Städten u. dem Volke.

 

Wenig aber nützten Quedlinburg die neuerhaltenen, Goslar, Magdeburg, Bardewik und anderen Städten die alten Privilegien, wenn nicht die Sicherheit der Handelsstraßen, der Friede im Reiche dauernd erhalten wurden, wenn nicht das Volk der Willkür der Großen, den Händen der Räuber, der Bedrückung der Voigte und Gemeindeverwalter entzogen, zu Freiheit des Lebens und des Besitzes, zu Wohlstand und Genuß der Lebensgüter berechtigt wurden. Daß all dieses schon in hohem Grade gewährt werden konnte, war unmöglich, da die Zerrüttung, die im Gefolge der Bürgerkriege fast ganz Deutschland heimgesucht hatte, sich nicht auf einmal in gemächliche Ordnung, die Raubritter in gesittete Krieger, die Eigenmächtigkeit, mit der Landesherren und ihre Vasallen gegen die Volksmasse verfahren waren, in Milde und Freigebigkeit umwandeln ließ. Doch daß die Gegenden, welche am meisten gelitten hatten, unter Lothar sich des Friedens erfreuten, hob ihren Wohlstand; daß die Kirche im Verein mit dem weltlichen Herrscher der Grausamkeit im Kriege, dem nutzlosen Gebrauch der Waffen auf Turnieren und bei Festtagen, der schlechten Beachtung des sogenannten Gottesfriedens, überhaupt dem bisher so verderblichen Kriegshandwerke zu steuern suchte 1), verschaffte anderen Ständen von friedlicherer Thätigkeit und Betriebsamkeit wieder Bedeutung und Ansehen. Daß Lothar nicht mit großen Kriegsheeren auszog, die aus zusammengelaufenem Raubgesindel, aus Scharen Schlechtbewaffneter oder Troßknechte bestanden, sondern mit auserlesenen Kriegern und Rittern, die durch ihre Selbstausrüstung, durch die gute Ordnung und Zucht, durch ihre Kriegskunst die Feinde schreckten und oft, ehe es zum Treffen kam, zum Fliehen brachten, erweckte einerseits den edlern Rittergeist, wie er im Ende des Jahrhunderts zur Blüte kam, und wie ihn in seiner Vollendung die Dichtkunst verherrlichte; andererseits zog nun der Krieg nicht mehr fleißige Bürger, friedliche Landleute, die bisher auf Gebot oder aus Noth dem Kaiser, Prälaten und Fürsten in den Kampf folgten, von ihrem stillen Wirken ab. In den gemeinsamen Berathungen des Kaisers und der Fürsten, die häufig in jedem Jahre sich wiederholten, waren gewiß nicht blos kirchliche und politische Angelegenheiten der Gegenstand, der ihre Beachtung und Sorge erheischte. Auch die Bedürfnisse und Interessen des Landes und der auf den Reichstagen noch nicht vertretenen Stände des

 

1) Was aus früher angeführten Synodalbeschlüssen und Verordnungen Innocenz' II. erhellt.

 

 

____

318 Fünfter Abschnitt.

 

Volkes, blieben nicht unerörtert, und vor Allen suchte die milde, fromme, umsichtige Kaiserin ihren Gemahl und die Fürsten auf die allgemeine Wohlfahrt des Reiches zu lenken, wobei jener und viele von diesen gern ihr geneigtes Ohr gaben. Wenn der Landfriede, den Lothar seit Bekämpfung der Hohenstaufen mit allem Eifer betrieb, auch zunächst eine politische Maßregel war, die für die bevorstehende Heerfahrt nach Italien unerläßlich schien, so springt doch die wohlthätige Wirkung desselben auf Handel, Verkehr, Glück und Wohlstand aller Stände und Volksklassen von selbst ins Auge.

 

Nach diesem Abriß, den wir von der Stellung Lothar's zu Kirche und Staat, zu Fürsten, Städten und Volk gegeben haben, begleiten wir nun den Kaiser auf seiner unveränderten Bahn des Glückes und Ruhmes vom bamberger Hoftage, wo Friedrich von Schwaben sich beugte und dessen Bruder, der Gegenkönig Konrad, Unterwerfung durch sichere Bürgschaft erwarten ließ, nach anderen Gegenden des Reiches, zunächst nach Sachsen, wo er das Osterfest in dem von ihm und noch mehr von Richenza begünstigten Quedlinburg feierte 1). Innere Angelegenheiten der Provinz beschäftigten ihn bis Pfingsten. Da erschienen zu Magdeburg auf frühere Ladung die Reichsfürsten und gelobten auf des Kaisers Geheiß einen allgemeinen Landfrieden 10 Jahre sowol im eigenen Lande als außerhalb ihres Gebietes zu halten und zu bewahren. Zum erstenmal seit undenklichen Zeiten gelang es einem Kaiser, diese frohe Verkündigung durch alle deutsche Gauen ergehen zu lassen. Und nicht blos die Fürsten sollten den Frieden wie eine politische Aktion beschwören. Schon zu Magdeburg selbst wurde die Bürgerschaft, das Volk und das zahlreiche Gefolge der zum Reichstag Erschienenen zum gleichen Gelöbniß angehalten; dann aber durch ganz Deutschland Gemeindeversammlungen berufen, um sie zur Versöhnung unter sich und mit den Nachbarn und zur Anerkennung des magdeburger Beschlusses zu bewegen 2).

 

1) Auch darin könnte man eine politische Maxime, die des Kaisers abweichende Gesinnung von der seiner Vorgänger darthun sollte, suchen, daß er nicht Goslar, das von Heinrich III. und IV. begünstigte und zum Lieblingsaufenthalt gewählte, sondern Quedlinburg, Magdeburg, Merseburg, Bardewik bevorzugte; doch vernachlässigte er auch Goslar, die Hauptstadt des Landes, nicht.

2) Ann. Saxo ad 1135: Imperator Pascha in Quidelingeburg celebravit, Pentecosten vero Magadeburg ubi primo principes regni coram ipso firmissimam pacem domi forisque ad decem annos juraverunt et deinde cetera multitudo plebis tam ibi quam per singulas regni partes haec eadem facere suadetur et compellitur. Daß unter der multitudo plebis nicht blos, wie Luden X, S. 106 annimmt, die kleineren Vasallen, sondern auch Bürger und Volk zu verstehen sei, zeigt wol der Zusammenhang mit den folgenden Worten: tam ibi quam per singulas regni partes. Oder sollten hier auch nur Grafen, Ritter und Edle, nicht das Volk, die Gemeinden verstanden sein? Eine so wichtige Sache, wie ein allgemeiner Reichsfriede, mußte doch wol allen Ständen wichtig sein und allen verkündigt werden, schon weil alle dazu mitwirken mußten. Dies sagen auch die Ann. Bosov. ad 1135: Ex sententia Imperatoris et unanimi consensu Principum pax esse decernitur X annos per regnum universum conjurantibus cunctis. Nicht zu übersehen ist das primo (bei Ann. Saxo) oder primum (Ann. Hildesh.). Wie die Chronisten müssen auch wir ein Gewicht auf diesen Reichsfrieden legen.

 

 

____

319 Reichs- und Landfrieden.

 

Zu ganz besonderem Ruhm und Erhöhung des kaiserlichen Ansehens hatte Lothar den magdeburger Reichstag sich ersehen. Nicht blos deutsche Fürsten waren erschienen, um ein für Deutschland würdiges Werk zu beschließen. Auch, die Reiche, welche die Oberhoheit des Kaisers anerkannten, mußten ihre Gesandten herschicken und Lothar's Schiedsspruche ihre äußeren und inneren Angelegenheiten unterwerfen. Die Herrscher der Dänen, Ungarn, Böhmen, Polen und Slaven bezeugten ihre Ergebenheit und fügten sich Dem, was Lothar ihnen als Pflicht auferlegte. Und keineswegs handelte es sich hier um Beobachtung leerer Formen. Seit 12 Jahren hatte der Polenherzog den schuldigen Tribut nicht an den Oberlehnsherrn entrichtet. Wol oft mochte er von Heinrich und Lothar daran gemahnt worden sein. Erst jetzt leistete er Folge, und zu Magdeburg erschienen Gesandte, um diese Angelegenheit aufs Reine zu bringen, doch wo möglich Erlaß der Schuld von Lothar zu erbitten. Sie erhielten aber den Bescheid: der Herzog von Polen solle die Nachzahlung des Tributs, der für jedes Jahr 500 Pfund betrug, nicht länger als bis zum nächsten Reichstage verschieben, auf diesem in Person erscheinen, um für Pommern und Rügen, die er seiner Herrschaft unterworfen, dem Kaiser den Lehnseid zu leisten und auch Polens Abhängigkeit vom Reiche durch den Schwur der Treue zu erhärten 1). Unter den auswärtigen Reichslehnsträgern Friede zu

 

1) Was Otto Fris. Chron. VII, cap. 19 berichtet, ist nur als Bescheid Lothar's zu Magdeburg zu verstehen: Inde (von Bamberg) in Saxoniam divertens Polonorum Ducem cum multis muneribus obviam habuit, quem tamen non ante dignatus est suo conspectui praesentari quam tributum XII annorum h. e. quingentas libras ad singulos annos persolveret et de Pommeranis et Rugis homagium sibi faceret, subjectionemque perpetuam sacramento confirmaret. Dies war die Weisung, die die polnischen Gesandten zu Magdeburg erhielten. Ann. Saxo weiß nur von legati Bolizlai Ducis Polonorum neben andern, quos omnes cum dignis responsis remisit.

 

 

____

320 Fünfter Abschnitt.

 

stiften, war auch hier wiederum Lothar's Hauptbestreben, und er ließ insgesammt den polnischen, böhmischen und ungarischen Fürsten gebieten, dem verderblichen Kriege ein Ende zu machen, in den sie seit mehren Jahren schon wegen eines Kronstreites in Ungarn verwickelt waren und verheerende Einfälle bald in Polen und Schlesien, bald auf der anderen Seite in Mähren und Böhmen gemacht hatten 1).

 

Daß in Dänemark nach dem Tode Magnus' und Nikolaus' Erich IV., der erbitterte Gegner Jener, den Thron bestieg, konnte Lothar nicht verwehren; auch wollte der Kaiser ihm wegen der früher geleisteten Dienste wohl und bestätigte gern seine Erhebung, wenn Erich nur der Verpflichtung, welche die dänischen Könige zu erfüllen hatten, nachkäme. Dazu nöthigten diesen schon die inneren Verhältnisse; denn noch war er des kaum errungenen Thrones nicht gewiß; nur Lothar's Gunst und Schutz konnten ihn darauf erhalten. Doch entweder ließen die Gegner im Lande ihn dieses nicht verlassen oder er glaubte seiner Lehnspflicht zu genügen, wenn er durch Gesandte dem Kaiser seine Unterwürfigkeit bezeige. Ob Lothar damit zufrieden war, oder ob er von Erich foderte, er solle in eigener Person erscheinen und dasselbe leisten, wodurch Magnus im vorigen Jahre zu Halberstadt seine Unterthänigkeit gegen ihn, den Oberlehnsherrn, bewiesen habe, ist nicht mit Gewißheit anzugeben 2).

 

Was zu Magdeburg die Gesandten der Slavenfürsten gewollt, was Lothar ihnen an ihre Herren aufgetragen, erfahren wir gleichfalls

 

1) S. Palacky, Gesch. von Böhmen I, S. 409. Ann. Saxo nennt nur den Böhmen- und Ungarnherzog: Ibidem Dux Bohemiae et Dux Ungariae inimicitias ad invicem habentes confoederantur. Für Dux Ungariae, was überdies für den König von Ungarn (falls nicht Borwich, der Schützling Bolislav's von Polen, gemeint ist) ein ungewöhnlicher Titel, ist wol besser Dux Poloniae zu verstehen.

2) Von einer Huldigung in Person spricht Otto Fris. a. a. O.: Regemque Daciae in signum subjectionis ad decorem Imperialis reverentiae gladium sibi sub corona deferre fecit. Es scheint aber, Otto von Freisingen verwechsele einmal die Huldigung Erich's mit der Magnus' im Jahre 1134 zu Halberstadt, andererseits den König von Dänemark mit dem Herzog von Polen, der zu Merseburg denselben Dienst wie Magnus leistete. Daß Erich aber die Bestätigung seiner Thronbesteigung bei Lothar eingeholt, wie es der Vertrag von 1131 und die abermalige Bestätigung desselben von 1134 vorschrieb, ist nicht zu bezweifeln. Nur wenn Lothar sich für ihn entschied, war ihm sein Stiefbruder Harald nicht gefährlich. Der dänischen Gesandten in Magdeburg erwähnt Ann. Saxo a. a. O. ohne nähere Angabe ihres Auftrages und Bescheides. Ebenso der slavischen Gesandtschaft.

 

 

____

321 Lothar's Verhältniß zu den Fürsten.

 

nicht. Doch ihr Erscheinen und der glückliche Fortschritt, den die Deutschen von Sigeberg in kirchlicher und politischer Beziehung machten, beweisen hinlänglich, daß auch Pribislav und Niclot den schuldigen Gehorsam gegen den Kaiser nicht aus den Augen setzten und wol, um ihre Huldigungen darzubringen, seine Befehle zu vernehmen, stellten die Gesandten neben denen der anderen lehnspflichtigen Nationen sich ein.

 

Endlich erfahren wir, zu Magdeburg habe neben den genannten Fürsten aus den Ost- und Westreichen auch einer aus dem westlichen Theile von Deutschland selbst dem Kaiser durch Gesandte seinen Gehorsam bezeigen lassen, und zwar einer, der lange als widerspenstiger Rebell mit Waffengewalt bekämpft worden war. Gottfried von Löwen, der Exherzog von Lothringen, mochte erkennen, daß er vergeblich dem Kaiser und dem von diesem eingesetzten Herzog Walram von Limburg seinen Trotz entgegenstelle, und daß er Erstern versöhnen müsse, wenn er nicht an Letztern auch noch seine reichen Erbgüter und die früher schon seinem Hause zustehenden Erblehen einbüßen wolle. Obschon der Krieg der beiden Gegner in Lothringen selbst durch einen Vertrag beendet worden war, hatte Gottfried noch immer nicht der schuldigen Verpflichtung eines Reichsvasallen entsprochen. Auf keinem Reichstage war er erschienen, nicht einmal den Lehnseid hatte er geleistet. Daß seine Gesandten zu Magdeburg ihres Herrn Unterwerfung und Ehrfurcht gegen Lothar versichert, des Letzteren Befehle entgegengenommen, und daß Gottfried denselben entsprochen habe, geht aus der gänzlichen Beilegung jedes Kampfes und Zwiespaltes, aus des Kaisers Verkündigung eines allgemeinen Reichsfriedens, den er auch von Walram und dessen Gegner anerkannt wissen wollte, unzweifelhaft hervor 1).

 

Noch längere Zeit verweilte Lothar in Sachsen, und um durch ein frommes Werk der Nachwelt sich zu verewigen, beschloß er, zu Lutter das bisherige Nonnenkloster in eine Abtei zu verwandeln und es Benedictinern aus dem Kloster St. Johannis in Magdeburg zu überweisen. Er selbst und seine Gemahlin legten den Grundstein zu dem Bau, der zugleich als ihrer beider Begräbnißstätte geweiht

 

1) Ann. Saxo ad 1135 gibt alle Gesandtschaften: Insuper Legati Bolislavi Ducis Polonorum et Godefridi de Lovene Ducis Lotharingiae (den Titel Herzog behielt Gottfried und seine Nachkommen) Ungarorum etiam et Danorum nec non et Slavorum illic adfuere, quos omnes cum dignis responsis remisit.

II. 21

 

 

____

322 Fünfter Abschnitt.

 

werden sollte 1). Wol in Begleitung Richenza's stattete er auch ihrem Verwandten und seinem vertrauten Freunde, dem Landgrafen Ludwig von Thüringen, in dessen Stadt und Veste Naunburg 2) einen Besuch ab. Dann kehrte er zu dem neuen den Fürsten des Reichs wie den Gesandten der auswärtigen Herrscher angekündigten Reichstage zurück nach Sachsen. Am Feste, das der Himmelfahrt der heiligen Jungfrau geweiht ist, fand derselbe zu Merseburg statt und übertraf an Glanz und Herrlichkeit, soweit des Kaisers alle Anwesenden überragende Hoheit solches zu verleihen vermag, noch den von Magdeburg. Nicht nur die Großen des Reichs strömten zahlreich von weit und breit zusammen, auch die Herzoge von Böhmen und Polen erschienen in Person, wie ihnen geheißen worden, und eine ganz neue Erscheinung waren die Gesandten des griechischen Kaisers 3). Für die Würde und Majestät des deutschen Gebieters zeugte nicht nur die Zahl und das Ansehen der ihn umgebenden Fürsten, sondern mehr noch sein Benehmen, das Milde und Huld wie Strenge und gewichtigen Ernst in gleicher Weise offenbarte. Mit reichen Geschenken hoffte auch jetzt Bolislav von Polen des Kaisers Tributfoderung zu beschwichtigen 4). Doch nicht eher ließ dieser ihn vor sich treten, als bis er die Schuld von zwölf Jahren entrichtet, den Lehnseid wegen Pommern und Rügen zu leisten und die Abhängigkeit Polens anzuerkennen versprochen hatte, und auch danach mußte der Herzog, um allen Anwesenden einen Beweis seiner Unterwürfigkeit zu geben, dem Kaiser beim Kirchgange das Schwert als Reichsvasall vortragen. Zum zweitenmal sah Sachsen, sahen die Fürsten ein Schauspiel, das auch den griechischen Gesandten eine

 

1) Ann. Saxo ad 1135: Congregatio Sanctimonialium Canonicarum in Luttera commutatur ab Imperatore in regularem vitam S. Benedicti et Eberhardus de Monasterio S. Johannis in Magedaburg illuc cum monachis missus primus ibi ordinatur Abbas et eodem anno ab Imperatore et Imperatrice positis in fundamento primis lapidibus novum monasterium incipitur.

2) Ebendaselbst: Imperator commemorationem S. Petri ad Vincula Nienburg celebravit.

3) Ann. Saxo a. a. O.: Imperator - - festivitatem S. Laurentii et Assumptionem S. Mariae Mersburg celebravit. Illuc confluebant cum primariis regni Poloniae et Boëmiae Duces et Legati Graecorum Imperatoris. Vergl. Chron. Mont. Ser., die Ann. Bosov., Chron. Samp. und Cont. Pegav. setzen den Reichstag ad Vincula S. Petri, doch ist Ann. Saxo wol in der Angabe genauer.

4) Otto Fris. a. a. O. Den Schluß von der Schwertvortragung berichtet er nun vom König von Dänemark, die anderen Chronisten von Bolislav.

 

 

____

323 Reichstag zu Merseburg.

 

hohe Meinung von des deutschen Kaisers Majestät geben mochte 1). Für Bolislav war die Demüthigung um so größer, als er wie seine Vorgänger auf die Ladung früherer Kaiser nie zu Hofe erschienen war, der Lehnspflicht sich ganz überhoben geglaubt, und einer bedeutungslosen Form der Dienstbarkeit durch Versprechungen, Gesandtschaften und Geschenke nachzukommen gehofft hatte 2). Milder, freundlicher empfing Lothar seinen alten Kampfgenossen, Sobislav von Böhmen, der, wie er bisher jedem Begehren des Kaisers Folge geleistet hatte, auch nun in Person erschienen war, weil der in Magdeburg bereits vermittelte Frieden zwischen Polen und Böhmen durch die Anwesenheit der beiden lange gegen einander mit Erbitterung kämpfenden Gegner dauernd befestigt, sodann aber auch Sobislav zur Theilnahme an dem italienischen Feldzuge gewonnen werden sollte. Die Aussöhnung der beiden Herzoge gelang vollkommen nach Lothar's Wunsch 3). Ob Sobislav in Person nach Italien zu ziehen oder gleich nur eine Hülfsschar zu senden versprach, bleibt dahingestellt.

 

Mehr als sonst schon wurde Lothar durch die Gesandten vom byzantinischen Hofe, denen noch venetianische und andere italienische sich angeschlossen hatten, an die Heerfahrt über die Alpen gemahnt. Bittere Klagen über Roger von Sicilien schütteten sie vor dem Kaiser aus und boten reiche Geschenke, um ihn zu einem Bündnisse mit dem griechischen Kaiser und zu einem baldigen Aufbruch nach Italien zu bewegen. Lothar versprach nur, was längst beschlossene Sache bei ihm war, und woran der Papst, Robert von Capua und Alle, die von Roger Unbilden erlitten oder beraubt große Summen eingebüßt hatten, gleichfalls ihn dringend mahnten. Um den griechischen Herrscher sich zu verbinden, seines versprochenen Beistandes sich zu versichern, entließ er nicht nur die Gesandten desselben ehrenvoll und mit reichen Gegengeschenken, sondern gesellte

 

1) Ann. Saxo: Dux autem Poloniae Bolizlaus in die sancto manibus applicatis miles ejus efficitur et ad ecclesiam processuro gladium ejus ante ipsum portavit. Chron. Samp. ad 1135: Ubi etiam Bolislaus gladium Imperatoris reportavit.

2) Ann. Bosov., Chron. Samp., Cont. Pegav. ad 1135 sagen: Ubi ex ejus (Lotharii) praecepto Dux Polonorum affuit, qui saepenumero anteriorum Imperatorum impetibus bello, saepe rogatus saepe suasus promissionibus nunquam tamen ad eorum curiam venire consensit vocatus.

3) Ann. Bosov.: Affuit etiam Dux Boëmorum Udalricus (d. i. Sobislav) qui cum esset Ducis Polonorum infestissimus inimicus, Imperator reconciliavit eos.

21*

 

 

____

324 Fünfter Abschnitt.

 

ihnen auch den gelehrten und gewandten Bischof Anselm von Havelberg und andere Männer zu, die als Unterhändler wegen des Bündnisses jene nach Byzanz begleiten sollten 1).

 

Auf die Menge wie auf die Fürsten machten die kostbaren und seltenen Geschenke der Polen, Böhmen, Ungarn, Venetianer und Griechen einen großen Eindruck, und mit freudigem Stolz sahen sie auf ihren Kaiser, den die Völker weit und breit zu ehren sich bemühten. Gold, Edelsteine, Purpurdecken, Gewürze, Salben, Spezereien und andere in Deutschland nie gesehene Luxusartikel des Ostens hatten die griechischen Gesandten hergebracht, die Herzoge von Böhmen und Polen die schönsten Pelzwerke und kunstvolle Arbeiten aus Gold, Silber und Edelsteinen, und in solcher Masse, daß keiner der anwesenden Fürsten ohne reiche Gabe von den Gästen oder vom Kaiser erhalten zu haben, heimwärts kehrte 2). Auch der König von Ungarn blieb hinter den beiden genannten Fürsten nicht zurück, weder in Beweisen seiner Ergebenheit, noch im Darbringen kostbarer Geschenke für den Kaiser und die Reichsfürsten, selbst das Volk erhielt von dieser Fülle, von diesem Ueberflusse noch gespendet, und glänzende Feste mögen der ernsten Feier des Gottesdienstes gefolgt und die Berathungen der Versammlung durch Lust

 

1) Ann. Saxo a. a. O.: Legati Graecorum Imperatoris honorifica secum munera ferentes pacem ab Imperatore et amicitiam ac auxilium contra Rokkerum tyrannum poscentes, qui partem Romani Imperii et terram Graecorum nimis vexaverat. Dies führen die Ann. Bosov. weitläufiger aus. Es klagen die Gesandten, an deren Spitze ein Herzog und ein Bischof stehen: eo quod (Rogerius) Regi Graeciae Africam paganis auxiliantibus abstulerat, quam suo Dominio suodens Regium sibi nomen usurpaverat, insuper Venetiam spolians mercium diversarum XL millium talentorum pretium abduxerat. De Imperio quoque Romano totam Apuliam atque Calabriam subtraxit aliaque perplura contra jus fasque perpetravit. Contra haec promittuntur Imperatori a Legatis ad supplementum Teutonici exercitus naves copiosae, militum legiones innumerae, auri et argenti sufficientia. Das ist ganz die griechische Großsprecherei. Was sie hielten, werden wir später sehen.

2) Ann. Bosov., Chron. Samp., Cont. Pegav. a. a. O.: Quantis et qualibus eo tempore adeo Imperator donis diversarum gentium honoratus fuerit, quis explicare possit? Aurum, lapides pretiosos legati Graeci attulerunt cum diversorum colorum purpurea, aromata multa nimis et in hac terra hactenus incognita. Set et Dux Poloniae Duxque Boëmiae pelles griseas et mardelinas cum variis auri et argenti et pretiosarum rerum muneribus tanta afferebant copia, ut nullus superesset Principum, qui et Ducum illorum et Imperatoris muneribus se non gauderet honoratum. Nec minus Regis Ungariensis nuntii Imperatorem cum caeteris Principibus laetificaverunt, qui Dominum suum ad omnem ejus voluntatem paratissimum nuntiarunt.

 

 

____

325 Heinrich's Belehnung mit Sachsen.

 

und Spiel unterbrochen worden sein, doch nur jener, die man mit redlichem Eifer betrieb, gedenken die Chronisten. Noch einmal wurde der Reichsfriede beschworen 1), jeder Zwiespalt in Deutschland, jeder Krieg unter den Nachbarvölkern geschlichtet, jeder Friedensstörer mit schwerer Strafe bedroht.

 

Nun, nach Herstellung völliger Ruhe, nachdem namentlich in Sachsen Alles aufs Bestimmteste angeordnet, über kein Erbe, über kein Lehen Streit zurückgelassen, die Grenzen gegen Polen, Böhmen und die Slavenlander gesichert waren, übertrug Lothar noch einmal und förmlich unter Zustimmung der anwesenden Reichsfürsten und der auswärtigen Reichslehentrager an den theuren Eidam, der so tapfer als klug, so strenge den Feinden als milde den Freunden als Stütze des Thrones, als Erbe seiner Macht ihm zur Seite stand, das Herzogthum Sachsen 2). Gewiß war jetzt Niemand mehr dem Wunsche des Kaisers entgegen. Auch die Liebe der Sachsen gewann sich Heinrich bald. War er doch durch seine Schwiegereltern, das allgeliebte Herrscherpaar, ihnen aufs Beste empfohlen, durch Gertrud, die bereits ein Söhnlein dem Gatten, einen eingeborenen Erben dem Lande geschenkt, ihnen kein Fremder mehr, und durch seine eigenen trefflichen Eigenschaften ihnen willkommen. Ein für die Landesverhältnisse wie für Lothar's eigene Hausangelegenheiten bedeutsamer Todesfall des Jahres 1135 muß hier erwähnt werden. Jener Graf Friedrich, der Angle zubenannt, der in dem stadischen Hause, unter den sächsischen Fürsten, ja im ganzen Reiche unter Heinrich's V. Regierung mancherlei Aufregungen veranlaßt hatte, der durch Ehrgeiz und Arglist ebenso viel verschuldet, als er durch Gewaltthätigkeiten der Markgrafen Rudolf und Heinrich geduldet

 

1) Dies sagen die eben angeführten Schriftsteller; nachdem sie des in Magdeburg verkündigten Landfriedens gedacht haben, fahren sie fort: In id ipsum Imperator Lotharius curiam suam apud civitatem Merseburg habuit.

2) So ist allein die abweichende Angabe von Heinrich's Belehnung mit Sachsen zu verstehen. Helm. I, cap. 54 gibt in seinem Bericht deutlich zu erkennen, wie nun erst die Uebertragung Sachsens an den Schwiegersohn ohne Bedenken des Kaisers, ohne Schwierigkeit der Fürsten, ohne Gefahr für die Provinz geschehen konnte: His ita peractis Imperator ordinatis rebus tam Slavorum quam Saxonum dedit Ducatum Saxoniae Henrico genero suo, Duci Bavariae. So auch Alb. Stad. ad 1136: Ordinatis rebus dedit Ducatum Saxoniae Henrico genero suo. Ob zu Merseburg oder auf einem späteren Hoftage dies geschehen, bleibt gleichgültig. Die Anwesenheit der benachbarten Fürsten läßt erwarten, daß Lothar ihnen den Schwiegersohn als künftigen Herzog von Sachsen vorgestellt und empfohlen habe.

 

 

____

326 Fünfter Abschnitt.

 

hatte, der früher ein gehaßter Gegner Lothar's, später dessen Schutzbefohlener gewesen, hinterließ bei seinem Ableben nicht nur die Grafschaft Stade, die ihm zuerst von Udo II. zur Verwaltung, dann von Heinrich V. als Reichslehen und zuletzt von Lothar als sächsisches Afterlehen übertragen war, sondern auch einen bedeutenden Schatz, den er jedoch - vielleicht zur Sühne früherer Sünden - kurz vor seinem Tode dem Kloster Harzfeld vermacht hatte. Weil Lothar nach früherem Uebereinkommen sich als Erben der Güter und Reichthümer Friedrich's betrachtete, so nahm er keinen Anstand, jenen Schatz, 600 Mark, dem Kloster abzufodern, die Grafschaft Stade seinem Schwiegersohn als ein zum Herzogthum Sachsen gehörendes Lehen zu übertragen 1), obwol einerseits das Erzstift Bremen, andererseits die Sprößlinge des stadischen Hauses als näher Berechtigte Ansprüche erheben durften, die sie zwar jetzt, wie es scheint, gegen Lothar nicht geltend machten, wol aber nach dessen Tode gegen Herzog Heinrich, woraus diesem und dessen Sohne, Heinrich dem Löwen, viele Ungelegenheiten entstanden.

 

Vom merseburger Reichstage begab sich Lothar, wol in Begleitung der Kaiserin und vieler Reichsfürsten nach Hildesheim, wohin damals der Ruf von den Wunder wirkenden Gebeinen des h. Gothard von weit und breit Fürsten und Volk, Geistliche und Laien herbeizog. Der Auffoderung seines Freundes und Seelsorgers, des Bischofs Bernhard, der auf dem Reichstage zu einer Pilgerfahrt ermahnte, konnte das kaiserliche Paar sich nicht entziehen, mit vielen Fürsten, zum Wohlgefallen der gläubigen Menge, brach er nach Hildesheim auf.

 

1) Alb. Stad. ad 1135: Fridericus Comes Stadensis obiit Idibus Aprilis. Ad 1136: Lotharius Hersenfelde veniens pecuniam, quam Fridericus Comes Stadensis eidem monasterio contulerat scilicet DC marcas argenti, de altari S. Mariae abstulit. Krantz Sax. lib. VI, cap. 7 fügt hinzu: astruens intestati bona fisco deberi. Doch läßt sich ein früherer Erbvertrag zwischen Lothar und Friedrich kaum bezweifeln. Selbst Alb. v. Stade, der gegen Lothar eingenommen ist, sagt von Friedrich, er habe in der Zeit, als er Lothar's Schutz gesucht: Ipsi (Lothario) et quae potuit et quae non potuit (weil er aus seinem Besitzthum vertrieben war) dedit. Was will das anders sagen, als daß er ihn als Oberlehnsherrn und Erben erkannte. Catal. Archiep. Brem. in Mencken III, p. 788 fügt zu den aus Alb. Stad. und Helm. entlehnten Worten der Belehnung Heinrich's mit Sachsen noch hinzu: et cum Comitatu Stadensi. Zwar ist dieser Katalog Johannis Ottonis eine späte Quelle, doch benutzte der Verfasser alte Chronisten. Daß beide Heinriche, Sohn wie Vater, im Besitz Stades waren, ist außer Zweifel.

 

 

____

327 Lothar's Verhältniß zu dem Volke.

 

Wie man Lothar wegen seiner Frömmigkeit und wegen des Schutzes, den er den Kirchen und Geistlichen verlieh, in Sachsen liebte, beweist seine Rückkehr vom Grabe des heiligen Gothard nach Magdeburg. Auf seinen Wunsch ward er mit Ehren empfangen, die seit Jahrhunderten nur einmal zur Zeit des ersten Erzbischofs Albrecht von diesem dem billunger Herzog Hermann, einem klugen Fürsten und frommen Beschützer der Kirchen erwiesen war, was damals nicht wenig den Neid Kaiser Otto's I., des Gründers von Magdeburg, erregt hatte 1). Unter Läuten der Glocken holte die Klerisei den Kaiser ein und begleitete ihn in festlichem Aufzuge in die Stadt. So bestrebten sich wetteifernd die weltlichen und geistlichen Fürsten, den Wünschen des Kaisers nachzukommen. Nur einer fehlte noch bisher, und dieser durfte nun nicht länger auf sich warten lassen.

 

Ob Konrad sich gesträubt, auf den glänzenden Hoftagen in Magdeburg und Merseburg in Gegenwart fremder Fürsten und Gesandten den Kaiser fußfällig um Gnade zu bitten, oder ob Lothar selber ihn dieser öffentlichen Demüthigung vor Fremden entziehen wollte; genug mehr zurückgezogen, nur im Beisein weniger Fürsten, erwartete dieser den Exkönig in der Pfalz Mühlhausen (um Michaelis 1135). Richenza machte abermals die Fürsprecherin, Erzbischof Konrad von Magdeburg, in Ermangelung eines päpstlichen Legaten, löste den Schuldigen vom Bann. Dieser trat, nicht in königlichem Schmuck, sondern in Demuth, vor den Kaiser, that einen Fußfall, worauf Lothar ihm völlige Gnade versprach, wenn er jedes freventlichen Unternehmens in Zukunft sich enthielte, ihm, dem Kaiser, mit Treue und Ergebenheit diene. Gleich Friedrich von Schwaben behielt Konrad seine Besitzungen und kehrte noch obendrein mit reichen Geschenken vom Hofe heimwärts 2). Nicht unwahrscheinlich

 

1) Ann. Saxo ad 1135: Postea causa orationis pergens ad S. Godehardum, indeque rediens Magedeburg pro petitione Imperatoris festive suscipitur, quod nullus meminit factum, nisi tempore Adalberti primi Archiepiscopi, qui Herimannum virum prudentem et defensorem ecclesiarum ibidem simili modo suscepit, in quo Ottonem Imperatorem fundatorem ejus loci nimis offendit et vix tandem placavit, licet ille majoris reverentiae esset quam hic Slavus et alienigena.

2) Die deutschen Nachrichten ergänzen sich aus Ann. Saxo und Ann. Bosov., denen spätere nachschreiben. Ersterer: Imperator post festum (Ann. Bosov. circa festum) S. Michaelis Malehusen venit, ubi Conradus usurpator regii nominis frater Friderici Ducis coronae ac totius regalis ornamenti oblitus humiliter per Conradum Archiepiscopum Magedaburgensem ab excommunicatione solvitur, ac per intercessionem Imperatricis provolutus gratiam illius promeretur. In Mühlhausen fand wol kein eigentlicher Reichstag statt. Die Ann. Bosov. sagen zwar: Rursum Imperator curiam suam in Mulehusia villa regis habuit, doch das gilt von jedem Hoftage, der auch nicht in pleno gehalten wurde. Später heißt es hier: Cui (Conrado) cum omnia sua restituisset, regiis donis honoratum ad sua remisit. Die Ann. Hildesh., welche für Lothar's Regierung von den Ann. Saxo an Ausführlichkeit und Genauigkeit der Nachrichten weit übertroffen werden, geben nur kurz: In festo S. Michaelis in loco qui dicitur Mulenhusen Conradus frater Friderici Ducis Imperatori reconciliatur.

 

 

____

328 Fünfter Abschnitt.

 

ist, was freilich nur italienische Schriftsteller, nicht die deutschen berichten, daß der Kaiser dem Manne, der ihm die Krone zu entreißen getrachtet, auch jetzt noch über allen Herzogen des Reichs einen Platz unmittelbar neben sich eingeräumt und ihn zum Fahnenträger des Reichs für den italienischen Feldzug ernannt habe 1). Durch diese Huld gegen den früher ihm verhaßten Gegner gewann Lothar Alle, die noch aus Anhänglichkeit für die Hohenstaufen ihm abgeneigt sein mochten, ohne daß er einen der anderen Fürsten kränkte. Denn der einzige, der sich hätte nachgesetzt fühlen können, Herzog Heinrich von Baiern, hatte ja selbst der Aussöhnung mit dem Brüderpaare bei dem Kaiser das Wort geredet, und da er überzeugt war, wie hoch er in der Liebe des Letztern stände, wie dieser auf ihn alle Macht, die er dereinst hinterlasse, zu vererben bemüht sei, so lag in der Auszeichnung, die Konrad zu Theil geworden, für den Schwiegersohn Lothar's keine Zurücksetzung. Wen der Kaiser sich aber außer den deutschen Fürsten durch seine Aussöhnung mit den Hohenstaufen vornehmlich verbunden hatte, war sein bisheriger Bundesgenosse gegen dieselben, der Papst Innocenz, der schon ungeduldig auf Lothar's Ankunft in Italien mit der Gesammtheit der Reichsfürsten harrte. War doch Bernhard von Clairvaux von ihm nach Deutschland gesandt, um der langjährigen Zwietracht nicht mit Bann und Interdikt, sondern mit Mahnungen der Liebe und Worten des Friedens ein Ende zu machen. Zur Befriedigung des Papstes konnte nun an Innocenz der Kaiser schreiben 2): „Oft mahnte und bat mich Deine väterliche Liebe, daß, so viel es unsere kaiserliche Ehre gestatte, ich in der Strenge gegen die Feinde des Reiches

 

1) Landulf jun. hist. Mediol. cap. 41: Conradus princeps Lotharii Imperatoris vexillifer factus est. Otto von Viterbo Chron. Pars XVII: Conradus amicus habetur

Summus et Imperii signifer ipse fuit

Fit prior in Ducibus semper primusque sedebat.

2) Ann. Saxo ad 1135 gibt das Schreiben des Kaisers, dessen Eingang wir übersetzen.

 

 

____

329 Otto's Entfernung vom bischöfl. Stuhle in Halberstadt.

 

nachlassen und ihnen aus Rücksicht der Bedrängniß, in der sich die Kirche befindet, Verzeihung gewähren solle. Um dies ins Werk zu richten, bedurfte es weniger meiner als der göttlichen Anordnung, die denn jetzt Alles, wie Du es wünschtest und wolltest, durch ihre Langmuth zur Ehre der Kirche und des Reiches gefügt hat. Mit weltlichen und' geistlichen Waffen bekämpft und überwunden, hat Friedrich zu Bamberg, Konrad auf einem unlängst gehaltenen Hoftage meine Gunst wiedererlangt, und Beide haben sich mir eidlich zum Beistande der Kirche verpflichtet, da ich ihnen allein unter der Bedingung, daß sie Deine völlige Absolution erhalten hätten, meine Verzeihung angedeihen ließ.“

 

Nach diesem Bericht von der Beilegung der Reichsfehde geht der Kaiser zu einem anderen Ereigniß über, das nicht minder seiner wie der päpstlichen Entscheidung bedürfe. Der Bischof Otto von Halberstadt nämlich, der einmal schon der Simonie beschuldigt von Honorius II, entsetzt, auf Lothar's und vieler Geistlichen Verwendung aber zu Lüttich von Innocenz begnadigt worden war, muß abermals zu großen Beschwerden und gegründetem Makel Anlaß gegeben haben; genug, auf die Anklage gewichtiger Männer sprach Innocenz II. zu Pisa Otto's Entfernung vom bischöflichen Stuhle aus, und befahl, eine neue Wahl in Halberstadt zu veranstalten 1). Diese hatte denselben Ausgang wie jene nach Otto's erster Absetzung. Das Volk und ein Theil des Kapitels erwählten den Propst Martin, die Anderen bestanden auf der Erhebung des Propstes Gerhard, wogegen die Gemeinde protestirte und an den Papst appellirte, mit der Erklärung, daß sie von der anderen Partei, bei weitem der kleineren, sich keinen Bischof würde aufdringen lassen. Diesen Vorgang berichtet nun Lothar an den Papst 2), beklagt, daß Zwiespalt

 

1) Ann. Saxo ad 1135 faßt, was mit Otto geschehen, kurz zusammen und schließt: Secunda vice per Legatos supradictos, qui eum Pisis acousaverant, ab eodem Papa Innocentio legitime deponitur. Es muß dies nach dem Reichstage von Halberstadt 1134 geschehen sein, da Chron. Halberst. bei Leibn. II, p. 135 den Bischof Otto unter den Umgebungen des Kaisers aufführt. Dieselbe Chronik gibt die Zeit der Absetzung also: Otto Halberstadensis Episcopus 4. anno postquam restitutus fuit sedi suae, 10. vero ordinationis suae anno (was beides auf 1134 etwa Ende desselben geht), in Pisano concilio (30. Mai 1134 s. Mansi XXI, p. 485) e Papa Innocentio, Patriarcharum et multorum, qui aderant, Pontificum judicio et consilio irrecuperabiliter jam secundo Episcopali destitutus est dignitate.

2) Gleichzeitig wandten sich aber auch der Dekan Erpo und die Wähler Gerhard's an Innocenz. S. epist. hinter der Lothar's. Natürlich weichen in Angabe des Wahlaktes beide Berichte ab. Lothar sagt: Canonici matricis Ecclesiae electionem de Martino Praeposito factam aliquando proponebant, hancque omnes exceptis quatuor unanimiter affirmabant. - Aufschub bis Tags darauf. Interim regulares advocatis quatuor de majori ecclesia Gerhardum Praepositum elegerunt Clero et Populo alterius partis invito et reclamante et appellante Apostolicam audientiam sub testimonio Canonicae censurae, quae jubet nullis invitis dari Episcopum vel Pastorem. - Erpo dagegen: Prima quidem die a mane usque ad vesperam laborantes nihil profecimus. In secunda vero die - - post multa consilia tandem in personam Domni Gerhardi Praepositi S. Johannis in Halberstad - - quam electionem nostram, quibusdam confratribus nostris contradicentibus et ne fieret omnino impedire cupientibus et inter alia electionem in Domnum Martinum factam, sed coram legatis vestris cassatam praetendentibus ad extremum et per inordinatam appellationem Apostolicae sedis nos incoepto opere deterrere cupientibus nos divinum timorem et praecepti vestri auctoritatem et temporis brevitatem pensantes, quod incepimus cum consensu multorum clericorum et Laicorum perfecimus.

 

 

____

330 Fünfter Abschnitt.

 

in der halberstadter Diöcese abermals seiner Heerfahrt Hindernisse in den Weg lege, und ersucht Innocenz, ihm und den Diöcesanbischöfen die Wahl anheimzustellen, damit ein solcher das Bisthum erhalte, der sowol für die Kirche als für den Staat am geeignetsten erscheine. Es sei dies um so nöthiger, als in Sachsen und gerade in der Diöcese Halberstadt seine kaiserliche Würde und Macht einen Stützpunkt habe, der nun Gefahr laufe, durch den ausgebrochenen Streit erschüttert zu werden 1). Am Schlusse ersucht der Kaiser den Papst um Absendung eines Kardinals, der sich von dem Stande der Dinge überzeugen und ihm mit Rath und That zur Hand gehen möge.

 

Es war keine leere Ausflucht und absichtliche Verzögerung, die der Kaiser suchte, um dem Verlangen des Papstes sich zu entziehen. Eine zwistige Bischofswahl in Sachsen, in Halberstadt, drohte wirklich Gefahr und durfte nicht unerledigt bleiben, ehe Lothar Deutschland verließ. Abermals mußte Innocenz zur Beruhigung, zur Einigung im Reiche die Hand bieten, und wie mag man verkennen, daß solches Zusammenwirken von Papst und Kaiser nachtheiligen Folgen besser vorbeugte, als wenn der eine oder der andere eigenmächtig

 

1) Epist. Loth. a. a. O.: Quia vero in partibus Saxoniae maxime in praefata Ecclesia Imperialis dignitas consistit, saltem adhuc paternitas tua nobis adquiescat et audita utraque parte ita nobis eos remittas, ut salva libertate electionis nos pro consilio Archiepiscopi et Suffraganeorum adhibitis religiosis personis talem provideamus, qui Ecclesiae et Imperio expediat. Talis enim necesse est ut eligatur, qui in exequendis his, quae Dei et Caesaris sunt, vires habeat et scientiam.

 

 

____

331 Wiederbesetzung des bischöfl. Stuhles zu Halberstadt.

 

verfahren wäre? Dem Kapitel, der Gemeinde, allen bei der Wahl Betheiligten freie Hand zu lassen, so lange es mit dem Wohl des Reiches sich vertrug, darf als eine lobenswerthe Rücksicht des Kaisers angesehen werden. Doch einzuschreiten, wenn Friede und Eintracht bedroht waren, erkannte er für ebenso nothwendig. Gewann jenes dem Kaiser die Liebe und Neigung aller Stände, so hob dieses sein Ansehen, seine Würde. Aber über die streitenden Parteien mußte zugleich der Kaiser sich stellen und nur auf Tüchtigkeit und erforderliche Eigenschaften der Person, für die er entschied, sehen. Allzuoft hatten die fränkischen Kaiser durch Willkür, Laune, ja noch schlimmer durch Bestechung sich bestimmen lassen. Um auch den Schein von dem Allen zu vermeiden, gestattete Lothar gern der Kirche, dem Papste zu seiner eigenen Rechtfertigung bei streitigen Wahlen eine Mitwirkung, ohne dadurch im geringsten sein kaiserliches Recht der Entscheidung zu vergeben. Wie es ihm gelungen, jede Collision mit den kirchlichen und päpstlichen Interessen zu vermeiden, beweisen die meisten Wahlen während seiner Regierung. Auch über die in Halberstadt erfahren wir, daß nach der Ankunft des Kardinals Gerhard Lothar eine völlige Uebereinstimmung aller Betheiligten herbeizuführen wußte. Weder Martin noch Gerhard gelangten zum Bisthum, sondern Rudolf, der Vizedom der Kirche, wurde zu Goslar in Mitte der Fasten 1136 1) vom Kaiser, dem päpstlichen Legaten, dem Erzbischofe Adalbert von Mainz, Bernhard von Hildesheim und anderen Geistlichen zur Zufriedenheit des Klerus wie des Volkes gewählt, mit den Regalien belehnt und bald danach zu Erfurt geweiht 2).

 

In dieser ganzen Zeit ist Lothar's Thätigkeit auf Schlichtung aller und jeder Zwistigkeiten, die seiner Vermittlung oder seines Einschreitens bedurften, auf Bestrafung solcher Frevler, die seine Gnade

 

1) Ann. Saxo ad 1136 gibt Ort und Zeit: In media Quadragesima Goslariae. Chron. Halberst. fälschlich 1137, doch richtig Indictione 14 regni Lotharii undecimo, imperii tertio - Imperator Lotharius, Gerhardus Cardinalis, Apostolicae sedis legatus, Adalbertus Moguntiacae sedis Archiepiscopus, Bernardus Hildesheniensis Episcopus cum multis religiosis viris conveniunt ad electionem et invocata spiritus sancti gratia Dominus Rudolfus (Ann. Saxo: Halberstadensis Ecclesiae Vicedominus) vir patiens et quietus et vita honestus pari voto totius Cleri et unanimi consensu populi in Episcopum est electus in Dominica Laetare VI. Non. Martii.

2) Chron. Halberst. a. a. O.: Idibus Aprilis a praedicto Archiepiscopo Mogontino Herpesfordae benedictionem Episcopalem rite accepit. So auch Ann. Saxo ad 1136.

 

 

____

332 Fünfter Abschnitt.

 

verwirkt hatten, und auf den letzten Zweck aller dieser Bestrebungen, die Heerfahrt nach Italien, gerichtet. Zur Feier des Weihnachtsfestes hatte er wol nicht ohne besonderen Grund Speier gewählt, die Stadt, welche vormals seine Hoheit verachtend den Hohenstaufen sich zugewendet hatte, und nun diese an des Kaisers Thron als ergebene und dienstfertige Reichsvasallen erblickte. Ueber die Fahrt nach Italien wurden hier mit den Fürsten des Westens und Südens die nöthigen Verabredungen getroffen, wer dem Kaiser folgen, wer zurückbleiben, was an Truppen, Geld und anderen Erfodernissen der Ausrüstung zu leisten habe, bestimmt. Die Beitreibung zu fördern, hatte Lothar dem Papst, dessen Interesse ja vornehmlich dabei im Spiele war, gerathen, daß derselbe durch seine Gesandten Schreiben nach Speier überschicken möchte, worin er ernstlich die Erzbischöfe und Bischöfe ermahne, zum Dienste der Kirche und des Reiches sich nicht saumselig, sondern durchaus bereitwillig zu zeigen 1). Ohne Säumen befolgte Innocenz den Rath, sandte nicht nur den Kardinal Gebhard, sondern bewog auch Robert von Capua und Richard, den Bruder Rainulfs, zum Kaiser sich zu begeben 2), und gab dadurch den Rüstungen in Deutschland Nachdruck, damit, wie bereits festgesetzt war, im nächsten Herbst der Zug über die Alpen angetreten werden könne. Eine Trauerkunde aber gelangte auch in Speier zu Lothar's Ohren. Der wackere, treue, in allen Feldzügen thätige Markgraf Heinrich von Groitsch, der sich durch seine redliche Dienstfertigkeit aus einem Feinde, einst vom Herzog Lothar seiner Lehen Beraubten zu des Königs und Kaisers Lothar Freunde, der in alle seine väterlichen Besitzungen und Würden wieder eingesetzt war, emporgebracht hatte, war auf der Reise zum Hoftage in Mainz erkrankt und gestorben. Auf seine Mitwirkung hatte Lothar so sicher gezählt; um so schleuniger mußte er Heinrich's, des kinderlos Verstorbenen,

 

1) Epist. Loth. a. a. O.: Scire autem te volo, quia Natale Domini Spirae celebraturi convocatis Principibus de Romana expeditione tractabimus. Ad quam curiam legatos et literas tuas mitti desideramus, per quos Archiepiscopos et Abbates qualicunque comminatione ad tuum et nostrum servitium commoneas.

2) Falco ad 1135: Robertus - - cum Domino Girardo Cardinali et Riccardo Comitis Rainulfi germano ad gloriosum Lotharium Imp. festinavit, qui honorifice ab ipso Imperatore suscipiuntur, et ei qualiter Principatum suum perdidisset lacrymis multis intimavit. - Imperator muneribus multis ei datis promisit se ipso anno venturum ad Romanae sedis libertatem et ejusdem Principis restitutionem. Et sic Princeps ipse reversus Domino Papae Innocentio cuncta narravit.

 

 

____

333 Vertheilung der Erbgüter des groitscher Hauses.

 

erledigte Lehen und Allodialgüter in eine zuverlässige und starke Hand geben, ehe ein Erbstreit darüber sich erhebe. Weit entfernt, nach dem Grundsatz feiner Vorganger sich als den Erben zu betrachten, vergab Lothar die Markgrafschaft Lausitz an den eben nur mit Ruhm aus dem gelobten Lande zurückgekehrten Konrad von Meißen, sodaß durch die Wiedervereinigung der östlichen Marken eine kräftige Grenzmacht im Osten entstand. Mit der Burggrafenwürde von Magdeburg wurde Burchard von Querfurth, der Bruder des Erzbischofs Konrad, belehnt 1). Diese Vereinigung zweier Brüder in einer Diöcese und Stadt gab auch hier größere Festigkeit, ohne daß der Kaiser wegen beider Verwandten Besorgniß zu hegen brauchte, vielmehr verband er sich beide Brüder durch diese Begünstigung noch mehr. Die Erbgüter des groitscher Hauses kamen zum größeren Theil an Konrad von Meißen, doch auch einem früheren Vertrage gemäß ein Theil an Herzog Sobislav von Böhmen, dem nächsten Verwandten des Verstorbenen von Mutterseite 2). Durchaus friedlich ging die Vertheilung der groitscher Hinterlassenschaft vor sich, die zu anderer Zeit und unter einem minder geachteten und gefürchteten Herrscher leicht Anlaß zu einem Kriege wie der orlamünde-weimarsche gewesen, hätte geben können.

 

Von Speier begab sich Lothar erst nach Sachsen, um mit dem Kardinal Gerhard die halberstädter Bischofswahl zu leiten, dann nach dem Niederrhein, überall ordnend und zum bevorstehenden Unternehmen des ganzen Reiches die Fürsten, Prälaten und Städte

 

1) Ann. Saxo ad 1136 faßt Alles kurz zusammen: Lotharius Imperator Natale Domini Spirae celebravit, et Heinricus Marchio Magdeburgensisque Comes filius Wicberti Marchionis ad curiam pergens Moguntiae obiit. Cui in comitatu Magdeburgensi Burchardus frater Conradi Archiepiscopi successit. Marchia vero concessa est Conrado Marchioni. S. die sächsischen Chronisten , Chronogr. Saxo, Chron. Mont. Ser , Annal. Vet.-Cell. p. 385 u. a. m.

2) Ann. Vet.-Cell. a. a. O.: Redeunte Conrado Marchione Misnensi de terra sancta et sepulchro Dominico, dono et infeudatione Imperatoris Marchiam Lusatiae et comitatum Groitz nec non totam Heinrici proprietatem obtinuit. Chron. Mont. Ser. ad 1136: Qui etiam totius proprietatis haeres factus est, quia alium haeredem non habuit. Dagegen gibt Chron. Bohem. Anonymi p. 1698 ad 1128: Lotharius - - devolutionem omnium bonorum feudalium Wiliberti (Wicberti) infanti baptizato (Sobislav's Sohn Wladislav) contulit in praesentia Principum Saxoniae. Es gilt dies nur von den Gütern, die Judith ihrem Gemahl Wiprecht brachte, und auch sie konnten nur erst nach Heinrich's Tode an Böhmen zurückfallen. Dubravius hist. Boh. p. 86 irrt, wenn er sagt: Ibidem donationem de Lusatia, quam eidem Wladislao Vigberti filius a liberis orbus faciebat autoritate Caesarea confirmavit.

 

 

____

334 Fünfter Abschnitt.

 

antreibend. Zu Ostern 1136 treffen wir ihn in Aachen. In diesen Gegenden war noch der 1133 begangene Mord des Grafen Florentius von Holland an den Thätern, dem Grafen Gottfried von Arenberg und dessen Bruder, Hermann von Kuck, zu ahnden. Beide hatten sich bisher jeder Ladung des Kaisers entzogen. Jetzt stellten sich zwölf ihrer Lehnsmänner als Geiseln vor Lothar; dieser sprach das Todesurtheil über Gottfried und seinen Bruder, erklärte sie für vogelfrei, und ließ nach altgermanischem Brauch in ihrem ganzen Lande, welches im ehemaligen Gebiet der salischen Franken lag, die Geächteten verdammen 1).

 

Zum letztenmal wandte sich nun Lothar von den Rheingegenden nach Sachsen, verweilte einige Zeit in seinem Lieblingsorte Quedlinburg, feierte das Pfingstfest zu Merseburg, die Geburt der Apostel Petri und Pauli zu Goslar, und war nirgends müßig in Anordnung der Reichs- und Landesangelegenheiten 2). Und wie er im vergangenen Jahre durch die Grundsteinlegung des Klosters Lutter auf seinem väterlichen Erbgut sich ein geweihtes Andenken gesetzt, gedachte er auf dem Grund und Boden, wo seine mütterlichen Ahnen entsprossen, sich gleichfalls durch eine fromme Schenkung zu verewigen. Sie wurde dem Kloster Formbach in Baiern zugewiesen 3) und darüber zu Merseburg in Gegenwart der Erzbischöfe von Mainz, Salzburg und Magdeburg, der Bischöfe Embricho von Würzburg, Rudolf von Halberstadt, Megengot von Merseburg, Godebald von Meißen, Bernhard von Hildesheim und der weltlichen Fürsten,

 

1) Ann. Saxo und Chron. S. Pant. ad 1136: Hoc anno obsides numero duodecim Godofridi Comitis de Kuc se in potestatem Imperatoris tradunt. Ipse Godefridus cum fratre suo Herimanno ab Imperatore proscribitur in terra ipsorum scilicet Salico more antiquorum.

2) Ueber den wechselnden Aufenthalt gibt Ann. Saxo ad 1136 Aufschluß. Nachdem der Kaiser Natale Domini zu Speier, in media Quadragesima zu Goslar gewesen, Imperator Pascha celebravit Aquisgrani, Pentecosten Mersburg, Natalitia Apostolorum Petri et Pauli Goslariae. Was bald darauf von der Aechtung der Mörder Florentius' angegeben wird, ist doch wol in die Zeit des Aufenthaltes in Aachen zu setzen. Lothar's Verweilen in Quedlinburg erhellt aus den Ann. Bosov. ad 1136: Per idem tempus Imperatore in Quidlingeburg civitate existente visum est desuper civitatem in aëre quiddam in modum scalae transvolare niveo corpore, rubro rutilans capite. Der Wunder und Himmelserscheinungen werden zu diesem Jahre von den Chronisten viele berichtet. Der Heereszug nach Italien regte die Gemüther auf, erfüllte sie mit Hoffnung oder Furcht. In solchen Zeiten findet der Wunderglaube reiche Nahrung.

3) Die ausgestellte Urkunde in Hundii Metrop. Salisb. Tom. II, p. 221 ist unterschrieben von den genannten Fürsten und datum Mersburgi. Pridie Id. Maji.

 

 

____

335 Vorbereitung zur zweiten Heerfahrt nach Italien.

 

Konrad von Meißen, Albrecht von der Nordmark, der Pfalzgrafen Friedrich von Sommerschenburg und Otto von Wittelsbach und mehrerer anderer Fürsten eine Urkunde ausgestellt.

 

Auf den erwähnten sächsischen Reichstagen wurden sowol die innere Landesverwaltung, die für die Zeit der Heerfahrt nach Italien die geistlichen Fürsten, und der kaiserliche Stellvertreter der Pfalzgraf Friedrich übernehmen sollten, als auch die Verhältnisse zu den Nachbarländern ein Gegenstand der Berathung. Da Sachsen und überhaupt Norddeutschland in keiner Opposition und Trennung mehr zu den Südprovinzen stand, so bedurften die Grenzen nach dem Innern des Reiches keiner Bewachung. Auch nach Böhmen zu war völlige Sicherheit, und Konrad, der Markgraf von Meißen und der Lausitz, konnte ohne Besorgniß den Kaiser nach Italien begleiten. Dagegen mußte Adolf von Holstein zum Schutz der Nordgrenze zurückbleiben, damit die Slaven nordöstlich von der Elbe das deutsche Gebiet nicht aufs Neue gefährdeten. Die Befestigung von Sigeberg war bereits ausgeführt und gewährte nicht nur Schutz gegen Wagrien, sondern gestattete sogar, die weltlichen und kirchlichen Waffen mit Erfolg gegen die heidnischen Nachbarn zu gebrauchen. Neuerdings mehr gefährdet waren die Nordmark und die Bisthümer Havelberg und Brandenburg, die eine ganz slavische Bevölkerung hatten, wo noch keineswegs die christliche Lehre tief gewurzelt und von der Nachbarschaft heidnischer Stammgenossen Kirche und Staat gleich bedroht waren. Die Abwesenheit des Bischofs Anselm bot Letztern eine günstige Gelegenheit, an den christlichen Kirchen und Stiftern ihre Wuth auszulassen. In großen Massen brachen sie in das Bisthum, eroberten Havelberg und zerstörten die Kirche 1). Zum Kampfe gegen diese Slaven erwählte Lothar den rechten Mann, Albrecht den Bären, für dessen Ehrgeiz und Herrschsucht hier sich ein weites Feld öffnete, auf welchem er sich in der That für alle Zeiten Ruhm erworben hat, und wo er der Begründer eines Staates wurde, der heute das Slaventhum gänzlich absorbirt und sich zum Mittelpunkt deutscher Bildung gemacht hat 2).

 

1) Ann. Saxo ad 1136: Havelberga capta est a filiis Widikindi et ecclesia destructa. Es ist eine eigene Bezeichnung für die Slaven, sie filii Widikindi zu nennen, doch drückt sie sehr charakteristisch aus, daß die Bewohner jener Gegenden, wie einst Witekind gegen die Franken, ihre politische und Glaubens-Freiheit gegen die Deutschen zu vertheidigen strebten.

2) Ann. Hildesh. und Ann. Saxo ad 1136: Adalbertus Marchio propter irruptionem Slavorum in partes Saxoniae factam exercitum movens terram eorum non semel hostiliter invasit et depopulatus est.

 

 

____

336 Fünfter Abschnitt.

 

Zu Goslar war es, wo der Kaiser seine von Konstantinopel zurückkehrenden Gesandten empfing 1). Anselm von Havelberg, ein Mann von der größten Gelehrsamkeit für jene Zeiten, mit dem Alterthum wie mit den Kirchenlehren sehr vertraut, in weltlichen Geschäften erfahren und über den Zustand Italiens unterrichtet, da er den Römerzug mit Lothar gemacht hatte, war am byzantinischen Hofe nicht nur als Gesandter des deutschen Kaisers, dessen Beistand man bedurfte, willkommen, sondern hatte auch in kirchlichen Disputationen, die er zweimal öffentlich zu Konstantinopel gehalten 2), den Beifall der griechischen Geistlichkeit, ja ihre hohe Bewunderung sich erworben, ohne im geringsten den Zwiespalt der römischen und griechischen Kirche zu steigern, obgleich gerade die abweichenden Lehren und Gebräuche Beider der Gegenstand der gelehrten Unterredungen gewesen waren. Ja man hatte sogar nach Beendigung derselben den Beschluß gefaßt, zu einem gemeinsamen Concil Geistliche beider Confessionen zu berufen, um die Einheit in der christlichen Kirche herzustellen. Daß ein solches Unternehmen damals, wie zu allen Zeiten erfolglos blieb, ist natürlich. Was den eigentlichen, den politischen Zweck der deutschen Gesandtschaft betraf, so brachten sie die glänzendsten Versprechungen mit, die zwar nie zur Ausführung kamen, doch gegenwärtig auf dem Hoftage zu Goslar die Lust und Bereitwilligkeit der deutschen Fürsten zu dem italienischen Feldzuge erhöhten.

 

Zum letzten großen Reichstage, begleitet von Kriegsscharen und mit allem zur Heerfahrt Nöthigen ausgerüstet, zogen die Fürsten

 

1) Ann. Saxo a. a. O.: Ibique Anselmus Havelbergensis Episcopus rediens a Constantinopoli, quo missus fuerat, ad eum venit.

2) Anselm selbst schrieb später auf Geheiß des Papstes Eugenius III. die Disputationen nieder. S. Dialogorum tres libros, herausgegeben in Dacherii Analecta Pars I, p. 161 sqq. Lib. II, cap. I schreibt er: Cum essem constitutus in urbe regia et crebro varias a Graecis quaestiones susciperem et itidem alias illis proponerem placuit Imperatori piissimo Kalo Johanni, placuit etiam Patriarchae civitatis Nicomediae viro religioso, ut publicus conventus fieret, et statuta est dies, ut in audientia omnium ea sonarent, quae hinc et inde dicerentur. Die erste Disputation wurde in der Kirche St. Irene im pisanischen Stadtviertel, die zweite in der Sophienkirche gehalten. Außer den griechischen Geistlichen waren auch viele berühmte Italiener zugegen, unter denen von Anselm hervorgehoben werden: Jacobus nomine Venetinus natione, Burgundio nomine Pisanus natione, tertius inter alios praecipuus Graecarum et Latinarum literarum doctrina apud utramque gentem clarissimus Moyses nomine, Italus natione ex civitate Bergamo. Iste ab universis electus est, ut utrimque fidus esset interpres.

 

 

____

337 Vorbereitung zur zweiten Heerfahrt nach Italien.

 

und der Kaiser um Mitte August nach Würzburg. Ort und Zeit waren dieselben wie vor vier Jahren 1), aber die Heeresmacht, die Lothar diesmal aus Deutschland mit sich nahm, übertraf die frühere bei weitem, sowol weil er jetzt allen Reichsfürsten und Provinzen ganz nach seinem Willen und Wünschen gebieten konnte, als auch weil Kampf, Eroberung, imponirender Glanz diesmal in seinem Plane lag. Wie bereitwillig indeß die Fürsten, wie kampfbegierig die aufgebotenen Streiter waren, wie dringend die Auffoderungen des Papstes, der Venetianer und der unter-italienischen Fürsten mahnten, nichts durfte übereilt, die Ernte mußte erst abgewartet werden und jeder Theilnehmer, auch der entfernteste, wohlgerüstet zum Hauptlager des Kaisers gestoßen sein. So standen denn schon vor dem würzburger Hoftage die meisten Scharen, die dort nun zu einem Heere verschmolzen wurden, in ihrer Heimath gerüstet da. Keine Landschaft war von den Kriegsleistungen ausgeschlossen, wenn auch nicht alle Truppencontingente stellten. Wer von den Fürsten mitziehen, wer zurückbleiben solle, bestimmte der Kaiser. So hatten beide Hohenstaufen bei ihrer Unterwerfung eidlich versprechen müssen, an der Heerfahrt Theil zu nehmen; gleichwol zog nur Konrad mit, Friedrich blieb in Deutschland, was nur mit Lothar's Bewilligung, nach seiner Anordnung geschehen sein kann, sei es nun, daß er nicht beide Brüder um sich, nicht beide beisammen haben wollte, oder daß Friedrich ihm nicht mehr, selbst während er selber fern von Deutschland einen neuen Kampf begönne, gefährlich schien, oder daß er auf ihn sich mit ganzem Vertrauen verließ. Die Scharen, welche Konrad befehligte, waren gewiß aus Friedrich's Ländern und repräsentirten eine der Hauptnationen Deutschlands. Daß diesmal Heinrich von Baiern nicht fehlen durfte, verstand sich von selbst. Er nahm in der That die erste Stelle im Heere ein, wenn zum Scheine auch Konrad als Reichsbannerträger die Ehre genoß, nächst dem Kaiser den ersten Platz zu erhalten. Dadurch glich Lothar die Eifersucht,

 

1) Annal. Hildesh. ad 1136: Circa Assumptionem S. Mariae expeditio Imperatoris in Italiam. Ann. Saxo wieder genauer: Imperator Lotharius Assumptionem S. Mariae Wirceburg habita generali curia gloriose celebravit, unde in Italiam proficisci destinavit ad componendum illic statum Imperii maxime vero adversus Rokkerum quendam Siciliae tyrannum qui plerasque Apuliae civitates invaserat et eas turribus et diversis munitionibus in suam ditionem firmaverat. Convenientibus ergo diversarum provinciarum principibus cum suis sequacibus longe ante praefatam expeditionem conjuratis grandia satis et fortis exercitus coadunatur.

II. 22

 

 

____

338 Fünfter Abschnitt.

 

die zwischen Beiden entstehen konnte, aus, oder hintertrieb doch, daß Konrad über Zurücksetzung klagen durfte. Für Heinrich war noch ein besonderer Beweggrund, von der Heerfahrt nicht fern zu bleiben, daß er die vom Papst Innocenz schon 1133 ihm zugesagte Belehnung mit Thuscien und den anderen mathildischen Gütern selber von Papst und Kaiser entgegennehmen wollte. Mit großem Eifer und Aufwand hatte er daher seine Rüstung betrieben. Um aber ohne Nachtheil für seine deutschen Länder über die Alpen ziehen zu können, bot er allen Großen, die vormals seine Gegner gewesen und von ihm hart gezüchtigt worden, seine Gnade und Geld zur Ausrüstung an, wenn sie mit ihm den Feldzug theilen wollten. Vor Allen mußte Otto von Wolfrathausen mit ihm ziehen 1). Groß war die Macht, welche der Herzog aus Baiern und Schwaben sammelte, 1500 meist ganz Gewaffnete führte er seinem Schwiegervater zu, und ebenso viel sein Bruder Welf 2). Wem er während seiner Abwesenheit die Verwaltung seiner Länder, den Schutz seiner Gemahlin und des am Pfingstfeiertage 1136 getauften Söhnleins 3) des nachmals so berühmten Heinrich's des Löwen, übertragen habe, erfahren wir ebenso wenig als wer zum Reichsverweser von Lothar bestellt worden. Denn auch diesmal begleitete Letztern seine Gemahlin nach Italien. Fast scheint es, jede Provinz sei besonders von einem zurückbleibenden Fürsten oder Prälaten verwaltet worden. Bei der Ruhe, die im Innern herrschte, bei dem Frieden mit den Nachbarn, bei dem von allen Ständen gelobten Reichsfrieden, schien ein einziger oberster Reichsverweser überflüssig. Wichtige Dinge wurden dem Kaiser gemeldet, oder auf Versammlungen, die die zurückbleibenden Fürsten halten sollten, berathen. Unter den sechs Erzbischöfen blieben

 

1) Mon. Weing. bei Leibn. I, p. 788: Quam expeditionem Henricus Dux perfecturus Ottonem saepe dictum Comitem et alios de Bavaria, quibus initio infestus erat, in gratiam recepit et stipendia condigna offerens ad expeditionem illexit.

2) Mon. Weing. fährt fort: Similiter et alios ex utraque provincia ita, ut per vallem Tridentinum mille quingentos milites in Italiam duceret. p. 792 heißt es: In secunda expeditione Lotharii Imperatoris soceri sui per Italiam in Apuliam mille ducentas loricas duxit. Entweder war bis Apulien die Macht zusammengeschmolzen, oder der Herzog hatte außer den loricati noch 300 leichtbewaffnete Krieger oder so viel Troß. Wenn Arenpeck's Nachricht (Leibn. III, p. 663) Welfo vero frater ejus duxit MD milites wahr ist, so überwog die Macht der Welfen auf der Heerfahrt bei weitem jede andere.

3) Mon. Weing. p. 792, Arenpeck 663: Anno 1136 Heinricus filius Ducis Heinrici in Pentecoste baptizatus est.

 

 

____

339 Vorbereitung zur zweiten Heerfahrt nach Italien.

 

drei, Albert von Mainz, Albero von Bremen und Konrad von Salzburg zurück, wogegen Bruno von Köln, Konrad von Magdeburg und Albero von Trier den Kaiser begleiteten. Letzterer mochte sich dagegen gesträubt haben, wenigstens bewies er Eigennutz und Unredlichkeit dabei 1). Zwischen Bruno und Konrad scheint Anfangs Eifersucht geherrscht zu haben, die nur des Kaisers gebieterisches Einschreiten von einem gefährlichen Ausbruch in offenen Kampf zurückhielt. Da Konrad's Vorgänger auf dem ersten italienischen Zuge das Reichskanzleramt in Italien verwaltet hatte und der nächste nach dem Kaiser gewesen war, so hatten auch seine Scharen einen Ehrenplatz behauptet, und sein Fahnenträger zur Rechten des kaiserlichen sich aufgestellt. Dieselbe Ehre wollten auch diesmal die Magdeburger, die auf ihre Ausrüstung viel verwandt, genießen, und rechneten darauf um so sicherer, als sie wußten, daß ihr Erzbischof bei Lothar in hoher Gunst stände 2). Allein da Bruno von Köln, wie es ihm zukam, das Reichskanzleramt verwalten sollte, so foderten seine Leute den Ehrenplatz, den die Magdeburger nicht einräumen wollten. Schon kam es - wahrscheinlich bald nach dem Aufbruch des Heeres - von Scheltworten zu trotzigen Auftritten; der magdeburger Fahnenträger pflanzte sein Banner neben dem kaiserlichen auf; die Kölner, des ihrigen Ehre zu retten, griffen zum Schwert, auf beiden Seiten mehrt sich die Zahl der Krieger und zwei Schlachtreihen stehen sich feindlich gegenüber; da hört der Kaiser, der sich eben zu Tische gesetzt, den Auflauf und Lärm, bewaffnet tritt er zwischen die Streitenden, und trennt mit Hand und Worten die Rasenden 3). Die Strafe blieb gewiß nicht aus, da der Kaiser schon

 

1) Gest. Arch. Trevir. Eccard II, 2197: Quotidie succrescens quaedam magna, quae mente gerebat, praeparationem faciebat. Abbatiam enim S. Maximini ex antiquis privilegiis ecclesiae suae in fundo B. Petri sidtam et de jure antiquitus ad suam pertinere dispositionem intelligens omnino animum apposuit, quomodo eam de potestate Regis eriperet et suae ecclesiae restitueret, propter quod in expeditionem Italicam cum Rege Lothario profectus est cum centum militibus secundum aestimationem, sed secundum veritatem cum sexaginta septem.

2) Es hatte Konrad Alles zum Heereszuge aufgeboten. Torpuati ser. Arch. Magd. p. 382: Cum Imperatore ad Italiam perrexit secum ab ecclesia LII libras auri quadrantem et pondus octo denariorum auri deferens pro usibus suis et impensa, de consensu tamen Cleri et Comitum Rodulfi et Bernardi caeterorumque laicorum nobilium et ministerialium ea conditione, ut haec summa aequali aestimatione restitueretur.

3) Ann. Saxo ad 1136: Motis autem de loco ad locum castris cum erectis signis pergerent, repente dissensio magna oritur inter milites Colonensis et Magdeburgensis Archiepiscopi contendentibus amborum signiferis uter coram regio signifero latere dextro incederet. Unde decurrentibus utrinque pluribus adeo lis increvit, ut nudatis ensibus hostiliter concurrerent et nisi audiens Imperator, ut forte tunc ad mensam epulaturus consederat, prosiluisset et armatus interveniens furentium animos manu minisque sedasset, profecto magna clades in illa die accidisset. Gewiß waren die Erzbischöfe nicht ohne Schuld.

 

 

____

340 Fünfter Abschnitt.

 

vor dem Aufbruch die strengste Disciplin geboten und sogar Plünderung in feindlichem Gebiet untersagt hatte 1).

 

Unter den Geistlichen höheren Ranges begegnen wir auf dem zweiten italienischen Heereszuge noch dem Bischof Heinrich von Regensburg, Ulrich von Konstanz, Mengold von Merseburg, Albero von Basel, Albero von Lüttich, Andreas von Utrecht, Anselm von Havelberg, Heinrich von Toul, den Aebten Konrad von Fulda, Otto von Reichenau, Reinold von Morbach, Anno von Lüneburg. Zu den ersten weltlichen Fürsten nach den Herzogen Konrad und Heinrich gehörten Ulrich von Kärnthen, Otto von Rheineck, Otto von Wittelsbach und Konrad von Wettin 2). Wie stark sich die ganze Heeresmacht belaufen, wird nicht angegeben 3). Ansehnlich und erlesen war sie gewiß, wenn auch nicht übermäßig groß, was nur den Italienern zur Last und dem Kaiser von keinem Nutzen gewesen wäre. Nach der Anzahl von Albero's Mannen, die er noch unter der Schätzung von 100 auf 67 beschränkt hatte, zu urtheilen, müssen die Geistlichen ein geringes Contingent, wie, nach Heinrich's und Welf's Scharen zu schließen, denen doch wol Herzog Konrad nicht allzuweit nachstehen mochte, die weltlichen Fürsten ein viel bedeutenderes gestellt haben, und das wäre die rechte Maßregel für einen Kaiser, der auf weltliche Macht seine Würde gründet.

 

1) Ann. Saxo a. a. O.: Compositis pro tempore Teutonici regni negotiis Imperator cum praedictis (Principibus) iter inchoabat, nec praedari exercitum sinebat.

2) Ann. Saxo a. a. O. und Urkunden zeugen für die angegebenen.

3) Otto Fris., Chron. VII, cap. 19: Exercitum non ut prius parvum sed copiosum et electum - in Italiam duxit. Ann. Saxo a. a. O.: Grandis satis et fortis exercitus. Chron. Samp. und Cont. Peg. ad 1136 verwechseln wol diesen Zug mit dem vorigen: Divina fretus gratia cum paucis quaqua versum victor progreditur.

 

 

____

341 Innocenz in Pisa.

 

Sechster Abschnitt.

 

Innocenz in Pisa. Bernhard's von Clairvaux unermüdliche und wirksame Thätigkeit. Roger's Fortschritte in Unteritalien. Lothar's zweite Heerfahrt. Sein Verfahren in Oberitalien. Eroberung Thusciens durch Heinrich von Baiern. Kampf in Apulien. Belagerung von Salerno. Rainulf's Belehnung mit dem Herzogthum Apulien durch Kaiser und Papst. Anaclet's Bedrängniß. Innocenz in Rom. Lothar's Rückkehr und Tod.

 

Während der Kaiser in Deutschland die Rüstungen zu der großen und allgemeinen Heerfahrt nach Italien mit redlichem Eifer betrieb, war Innocenz in Pisa nicht weniger thätig gewesen, um seine Sache nicht nur aufrecht zu erhalten, sondern sie auch zu kräftigen und vornehmlich die Rückkehr nach Rom vorzubereiten. Den Gegner Anaclet, der wieder in vollem Besitz von Rom war, zu bekämpfen und zu vernichten, konnte nur dann gelingen, wenn dessen Verbündeter und einzige Stütze, der König Roger, auf seiner Siegesbahn, die er mit Feuer und Schwert gegen die abgefallenen Fürsten und Städte Unteritaliens sich geöffnet, gehemmt wurde. Dazu reichten die kirchlichen Waffen nicht aus. Einer Heeresmacht bedurfte es wider den wilden Krieger, dem kein Vasall, keine Burg, keine Mauern in Apulien lange Widerstand zu leisten vermochten, der 1133 und 1134 seine Schrecken erregenden Landungen mit günstigstem Erfolg wiederholte und jedesmal mit reicher Beute nach Sicilien zurückkehrte 1). Woher aber sollte der Papst die Hülfe für sich und die zu ihm geflüchteten Fürsten aus Unteritalien nehmen, wenn der Kaiser sie nicht gewährte? In Oberitalien waren wol die Städte reich und mächtig genug und meist auch Innocenz ergeben, aber Eifersucht und Zwietracht ließ sie zu keinem gemeinschaftlichen Unternehmen

 

1) S. Falco Benev. ad 1134, Muratori Annali d'Italia ad 1133 und 1134, p. 437 ff. Rainulf von Avellino, der Schwestermann Roger's, hatte sich unterworfen; sein Bruder Richard aber und Robert von Capua waren zum Papste geflüchtet, weil ihre Vasallen, von Roger's Gold gewonnen, diesem keinen Widerstand leisteten. Nur Sergius hielt sich noch in Neapel.

 

 

____

342 Sechster Abschnitt.

 

zusammentreten, und Roger verabsäumte nicht, diesen Geist der Uneinigkeit zu nähren und namentlich Genua von der Verbindung mit Pisa, die Innocenz bewirkt hatte, abzuziehen, damit nicht der Plan, gemeinschaftlich ihre Flotte nach Unteritalien gegen die sicilianische auszusenden, zur Ausführung käme. Des Königs Absicht wurde aber durch den wachsamen, unermüdlich thätigen Abt Bernhard vereitelt. „Bewahret (schrieb er den Genuesern 1)) den Frieden den Pisanern, euren Brüdern, die Treue dem Papste, die Unterthanenpflicht dem Kaiser, und euch selber die Ehre. Wir haben erfahren, daß bei euch Gesandte des Herzogs Roger verweilen; was sie wünschen und wollen, ist uns nicht verborgen, aber, um es euch frei herauszusagen, nach jenem Dichterwort: „„Ich fürchte die Danaer, auch wenn sie Geschenke bringen““. Wenn ihr Einen unter euch in einem ehrlosen Handel ertappt, der die Hand nach schnödem Gewinn ausstreckt, so strafet ihn sogleich und verdammt ihn als Feind eures Namens, als Verräther eures Staats, als feilen Verkäufer eurer gemeinsamen Ehre und Tugend. Gefällt euch indessen der Krieg, wollt ihr aufs Neue euren Muth und eure Tapferkeit bewähren, und die Waffen nimmer ruhen lassen, so bin ich der Meinung, ihr richtet diese nicht wider Freunde und Nachbarn, sondern besser gezieme es sich, die Feinde der Kirche zu bekämpfen und die von den Sicilianern angemaßte Krone Italiens zu verfechten 2). Dabei werdet ihr mit mehr Ruhm euch Beute erwerben und mit besserem Recht das Erworbene behaupten.“ Und wie er Genuas Kriegslust gegen die Feinde des Papstes zu spornen suchte, schmeichelte er der Eitelkeit der Pisaner, als ob ihre Stadt einer von Allen beneideten Ehre dadurch gewürdigt worden sei, daß der Papst sie mit Rom vertauscht und ihr sein Heil anvertraut habe 3).

 

1) Epist, Bern. 129.

2) Regni vestri invasam a Siculis defensare coronam. Der von Roger angenommene Königstitel beleidigte nicht nur den deutschen Kaiser als König von Italien, sondern auch die Lombarden, die die alte longobardische Krone durch keine zweite auf der Halbinsel verdunkelt sehen mochten. Auf die Sicilianer sahen die Italiener stets mit Verachtung herab. Diesen Haß und Stolz benutzten die Freunde Innocenz's, die es am meisten verdroß, daß Roger von Anaclet die Bestätigung seines Königthums erhalten hatte.

3) Epist. Bern. p. 130: Assumitur Pisa in locum Romae, et de omnibus urbibus terrae ad Apostolicae sedis culmen eligitur. Nec fortuitu sive humano contigit istud consilio sed coelesti providentia et Dei benigno favore fit etc. Auch in Pisa mochte Roger versuchen, sich Freunde zu erkaufen, was Bernhard mit schlauen Worten zu verhüten sucht: Me autore tyranni Siculi malitiae Pisana constantia non cedit, nec minis concutitur (Roger drohte wol, ihnen allen Handel in Sicilien und Unteritalien zu verbieten) nec donis corrumpitur, nec circumvenitur dolis.

 

 

____

343 Roger's Fortschritte in Unteritalien.

 

Wenn die Städte sich auch durch die schönen Worte Bernhard's nicht bestechen ließen, so lag es doch zu sehr in ihrem eigenen Interesse, den Sicilianern nicht die Handelsvortheile, die aus der Herrschaft Roger's in Unteritalien diesen erwuchsen, einzuräumen, und da der wilde, habgierige König auch ihrer Niederlassungen nicht schonte, und als Vertheidiger der Sache Anaclet's die Beschützer von dessen Gegner Innocenz für seine Feinde erkannte, so mußten sie mit starker Hand den Beeinträchtigungen begegnen, die weiteren Fortschritte des Siegers hemmen, ja ihn ganz vom Festlande zu vertreiben suchen. Auf des Papstes Veranlassung schlossen also Pisa, Genua und Venedig ein Bündniß gegen Roger. Mit einer pisanischen Flotte kehrte im April 1135 Robert von Capua nach Neapel zurück, wo nun die Bürger mit neuem Muth zur Vertheidigung gegen den zu erwartenden Angriff Roger's sich vorbereiteten. Denn trügerisch war das Gerücht von Roger's Tod, welches sich zur Freude der bedrohten Städte verbreitet hatte, weil der König allerdings, von einer schweren Krankheit kaum genesen, durch den Tod seiner innigstgeliebten Gemahlin Alberia in neue Hinfälligkeit, ja in Schwermuth und Lebensüberdruß versunken war, sodaß man in der Ferne glaubte, er sei gestorben und seine Umgebungen suchten nur durch ein falsches Vorgeben, daß er lebe, zu täuschen. Plötzlich erschien der vom Jubelgeschrei seiner Feinde aus der Betäubung Erwachte schrecklicher als je (Anfangs Juni) an der italienischen Küste. Schon hatte eine neue Flotte der Pisaner das reiche Amalsi, die Städte Scala, Ravello, Atrani und andere erobert 1), als sie Roger

 

1) Falco Benev. ad 1135: Populus Pisanorum cum aliis viginti navigiis (vorher heißt es von Robert: Princeps septimo die stante mensis Aprilis cum viginti navigiis Neapolin venit et comprehendit Aversam et Cuculum) quae supervenerunt civitatem Amalphitanam pergunt et eam comprehendunt et ejus universa bona diripiunt, sicque divitiis multis locupletati Pisas redeunt, simul cum Principe (Robert). Daß sie nicht weniger schrecklich gehaust als Roger, sagt der Abt Alexander Telesinus (der Begleiter des sicilianischen Königs und auf Verlangen der Herzogin Mathilde von Avellino Geschichtschreiber jenes entsetzlichen Krieges), de gest. Rogerii lib. III, cap. 20): Venientes Pisani subito inchoante aurorae luce invaserunt urbem (die er vorher pene omnibus evacuata belligeris viris genannt) nulloque resistente eam funditus impieque depopulantur. Cumque urbe tota depopulata, universa ad classem spolia deportata fuissent mox Scalae oppido caeterisque Amalfae munitionibus invasis novissime quoddam munimentum, quod dicitur Fracta, oppugnare nituntur. Bernhard in epist. p. 139 erwähnt, natürlich seine Pisaner nur rühmend, des Feldzuges also: Nonne hi sunt, qui nuper regni illum unicum et potentissimum hostem ab obsidione Neapolis fugaverunt? Nonne hi sunt, qui etiam (quod pene incredibile dictu est) uno impetu suo expugnaverunt Amalfiam et Rebellum et Scalam atque Atturinam, civitates utique opulentissimas et munitissimas omnibusque, qui antehac tentaverunt, usque ad hoc tempus, ut ajunt, expugnabiles? Aus Amalfi sollen damals die Pandekten von den Pisanern nach ihrer Stadt mitgebracht sein. S. Mascov. p. 74 und die Citate. Doch reichen die Zeugnisse nicht über das 14. Jahrhundert. 1406 kam der Codex nach Florenz.

 

 

____

344 Sechster Abschnitt.

 

bei Frotta überfiel und zu eiliger Rückkehr nach Pisa nöthigte, wohin auch Robert mit ihnen wieder flüchtete.

 

Nach diesem erfolglosen Versuche der Pisaner und ihrer Verbündeten, die dem immer weiter vordringenden Könige von Sicilien keinen Einhalt zu thun vermochten, blieb wieder der Kaiser die einzige Hoffnung, und ihm in Deutschland freie Hand zu verschaffen, war des Papstes aufrichtiges Bestreben, das jedoch nicht so schnell, als er wünschte, zum Ziele führte. Zwar hatte Lothar bald nach seiner Rückkehr vom Römerzuge den Sohn des Herzogs Engelbert von Kärnthen, gleiches Namens wie der Vater, einen jungen, rüstigen, tapfern Mann, zum Markgrafen von Toskana bestellt und ihm neben der Verwaltung der mathildischen Besitzungen aufgetragen, dem Papste aus allen Kräften Beistand zu leisten. Allein anstatt diese Hülfe zu gewähren, sah sich Engelbert bald selbst genöthigt, Innocenz's und der Pisaner Schutz zu suchen, weil die Bewohner von Lucca von ihrem eigenen und anderen Bischöfen, die Anaclet's Partei ergriffen hatten, aufgereizt, ihn mit Uebermacht bedrängten und sogar nöthigten, aus Thuscien zu weichen. Es läßt sich nicht leugnen, daß Innocenz selber diesen ihn so nahe berührenden Verlust Thusciens, des dem päpstlichen Stuhle zuerkannten Lehens, durch allzugroßen Eifer und nutzlose Strenge gegen die Schismatiker, wie Anaclet's Anhänger genannt wurden, veranlaßt hatte. Denn auf dem mehrmals erwähnten Concil zu Pisa (im Mai 1134) waren von ihm die Bischöfe von Aretium, Bergamo und Tortona, weil sie ihn nicht als den allein rechtmäßigen Papst ohne eine neue Untersuchung der Papstwahl anerkennen wollten, ihrer Bisthümer entsetzt und da auf dem gleichen Concil Engelbert von ihm als Verweser Thusciens investirt und unmaßgeblich mit der Vertreibung des Bischofs von Lucca und aller widerspenstigen Geistlichen innerhalb seiner Markgrafschaft beauftragt worden war, so blieb den Gebannten und Entsetzten Nichts als die Nothwehr übrig, die ihnen unerwarteter

 

 

____

345 Bernhard's von Clairvaux Thätigkeit.

 

Weise zum glänzendsten Sieg über Engelbert verhalf 1). An Lucca freilich rächten sich die Pisaner, deren Hülfsheer die Niederlage mit dem Markgrafen getheilt hatte; Engelbert aber blieb von Thuscien ausgeschlossen, bis der Kaiser in Italien erschien und dessen Eidam Herzog Heinrich sein künftiges Lehen Petri mit bewaffneter Hand eroberte. Ein Ersatz für diesen Verlust wurde dem Papste und zugleich dem Kaiser dadurch zu Theil, daß die bisher der römischen Kirche so widerspenstigen Mailänder auf Innocenz's Seite traten, den bisher sie fast unumschränkt beherrschenden Erzbischof Anselm, der unlängst sich an Anaclet geschlossen und von diesem das Pallium erhalten hatte, aus der Stadt trieben 2), und wie dem rechtmäßigen Kirchenhaupte, so auch dem alleinigen weltlichen Oberherrn Genugtuung gaben. Dieser günstige Erfolg war vornehmlich das Werk Bernhard's von Clairvaux, der sich hier - mag auch immer das Interesse der Kirche ihn bestimmt haben - ebenso sehr für den Papst als den Kaiser thätig und Beider Rechtsame aufs Entschiedenste wahrnehmend, bewährte. An ihn, der das Zutrauen der Fürsten wie des Volkes sich erworben, wandten sich bittend die Mailänder, daß er sie mit dem Papste Innocenz aussöhnen möchte. Wol schon vor dem pisanischen Concil mochten sie ihre geänderte Gesinnung kund geben, denn bald nach Beendigung desselben erhielten die Kardinäle Guido von Pisa und Mathäus von Alba, der Bischof Gottfried von Chartres und Bernhard selbst den Auftrag, die Mailänder öffentlich vom Banne zu lösen, der wegen ihrer früheren Anhänglichkeit an Anselm sammt diesem über sie verhängt worden war. Von ihrer Sinnesänderung hatte bereits auch der Kaiser und dessen Gemahlin Kenntniß erhalten, doch wie es scheint nicht durch eine demüthige Gesandtschaft der Mailänder selbst, wie es sich für diese geziemt hätte, sondern wahrscheinlich durch Bernhard, den sie vielleicht auch um eine Fürsprache beim Kaiser oder wiederum zuerst bei der Kaiserin ersucht hatten. Diese Vermuthung erhält, da nähere Nachrichten fehlen,

 

1) Annal. Pisan. bei Muratori rer. Ital. Tom. VI ad 1135 (1134): In quo concilio Ingilbertus de Marchia Thusciae investitus est. Qui postea defensus a Pisanis et a Lucensibus ubique offensus et victus apud Ficecchium in campo Pisas cum lacrymis fugiens a Pisanis vindicatus est.

2) Anselm wollte sich nach Rom zu Anaclet begeben, was ihm die Mailänder vielleicht freistellten, wurde aber bei Ferrara gefangen und nach Pisa gebracht. Innocenz ließ ihn ins Gefängnis werfen, in welchem er 1135 starb. S. Landulf junior hist. Mediol. cap. 42.

 

 

____

346 Sechster Abschnitt.

 

dadurch einigen Grund, daß Richenza es war, die Bernhard erinnerte, die Mailander zu einer Genugthuung und Abbitte gegen Lothar zu mahnen 1). Die päpstlichen Gesandten, und vornehmlich er, dessen Worte das meiste Gewicht hatten, erklärten in Mailand, daß die Stadt nicht eher die Gunst des Papstes und die Lösung vom Banne erlangen könne, bis sie förmlich und öffentlich den König Konrad verworfen, Lothar als ihren Herrn und König anerkannt 2) und auf das heilige Evangelium den Eid abgelegt hätten, diesem für alle früher angethanen Beleidigungen in Worten und Thaten die Genugthuung zu geben, welche der Kaiser nach seiner Würde fodern werde. Den vorhin oft in Freiheitsschwindel über die Schranken der Mäßigung hinausgehenden Städten, die in Konrad nur ein Werkzeug ihres Eigennutzes, einen Schattenkönig ihrer Selbstherrschaft erblickt hatten, mochte die Bedingung hart erscheinen, und sie wußten, daß es nun um keine leere Form sich handle, da Lothar nächstens mit ganz anderer Macht als im Jahre 1133 in Italien erwartet wurde; indessen zwischen harter Ahndung, der sie im Weigerungsfalle von des Kaisers Strenge zu gewärtigen hatten, und der oft bewiesenen, also auch von ihnen zu hoffenden Nachsicht eines milden Gebieters konnte die Wahl nicht lange schwankend bleiben. Wie sehr man von Seiten des Papstes nicht weniger als der Mailänder bedacht war, Lothar sich gefällig zu zeigen, bewies die neue Bischofswahl (am 29. Juli 1135), die auf einen ganz ergebenen Anhänger des Kaisers, Roboald, den frühern Bischof von Alba Pompeja 3), fiel, der überdies noch das bisher verwaltete Bisthum beibehalten durfte, wahrscheinlich um ihn dadurch für die

 

1) Auch das erfährt man nur aus Bernhard's Antwortschreiben an die Kaiserin epist. 136: In reconciliatione Mediolanensium non obliti sumus, unse a vestra Excellentia praemoniti fueramus. Seine Ergebenheit gegen die Kaiserin drückt besonders Folgendes aus: Quod, et si non monuissetis, nihilominus honori vestro et regni utilitatibus intenderemus, sicut ubique et semper fideliter, quantum possumus, facimus.

2) Epist. Bern. a. a. O.: Non ante sane Mediolanenses in gratiam Domini Papae et Ecclesiae unitatem recepti sunt, quousque palam Conrado refutato et abnegato Dominum nostrum Lotharium in suum Regem et Dominum receperunt et Romanorum Imperatorem Augustum una cum toto orbe confessi sunt, et de injuria transacta juxta consilium et mandatum Domini Papae digne vobis sese satisfacturos esse tanto sacrosancto Evangelio spoponderunt.

3) Am Flusse Tanaro in Montferrat, sieben Meilen von Chierosco, zwölf von Asti, seit dem Frieden zu Chierosco 1631 zu Savoyen gehörend. S. Martiniere's Lex. geogr. I, p. 450.

 

 

____

347 Lothar's zweite Heerfahrt.

 

bereits geschmälerte Ausdehnung des mailander Sprengels zu entschädigen.

 

Keineswegs hörten mit dem Uebertritte Mailands die Wirrnisse, Fehden und verheerenden Bürgerkriege in Oberitalien auf, und aus jenem Anschlusse selbst entsprangen für den Papst und Kaiser neue Schwierigkeiten, weil nun aus Eifersucht und Haß gegen Mailand manche früher ihnen ganz ergebene Städte Kälte und Abneigung, und endlich offene Feindschaft blicken ließen. Des Papstes Ohren aber bestürmten unablässig die Bitten und Klagen der vertriebenen Fürsten, der bedrängten Städte, des beraubten grausam gemishandelten Volkes von Unteritalien, wogegen nur ein Mann als Retter betrachtet wurde, der endlich im Herbste des Jahres 1136 wirklich erschien.

 

Lothar's Weg über die Alpen war nicht gefahrlos, da für ein so zahlreiches Heer die Straße, die er das erste Mal schon mit Beschwerden zurückgelegt hatte, noch größere Schwierigkeiten bot 1), indem bald die Engpässe ein rasches Vordringen verboten, bald abgetragene Brücken angeschwollener Bäche den Fortschritt ganz hemmten, auch wol Raubgesindel die Klausen besetzt hielt oder auf die Nachhut und Nachzügler sich warf, sodaß das Schwert erst Bahn brechen und Sicherheit verschaffen mußte. Nachdem über Trident durch das Etschthal und das veronesische Gebiet 2) der Kaiser bis zum Mincius in der Nähe von Mantua gelangt war, hielt er am 22. September eine große Versammlung der italienischen Reichsstände, die ihm freiwillig entgegengeeilt waren oder, seiner Ladung folgsam, sich eingestellt hatten und ihm, der sie mit der Krone auf dem Haupte seiner Herrscherwürde gemäß empfing, Treue und Gehorsam gelobten 3). Politische und kirchliche Angelegenheiten wurden berathen, alle Streitigkeiten seiner Entscheidung, die vorgebrachten

 

1) Ann. Saxo ad 1136: Cum Tridentinae civitati applicuisset, quidam Athasis fluvii pontibus interruptis transitum prohibebant, sed reperto et superato vado hostes repulsi fugerunt. Similiter habitatores Clusae ingressum negantes valida manu expugnati sunt, ex quibus pauci, qui procedendo nostris insultaverant conviciando ungulis equorum protriti, reliqui vero capta munitione et principe illius occisi et capti sunt.

2) Ann. Saxo fährt fort: Igitur prospero cursu transcensis Alpium jugis Imperator Veronam honorifice susceptus adiit inde secus Mintam fluvium castra metatus est.

3) Ann. Saxo a. a. O.: Ubi occurrentibus Longobardorum principibus et debitam subjectionem spondentibus Curiam maximam in festo Beati Mauricii coronatus procedens gloriose celebravit.

 

 

____

348 Sechster Abschnitt.

 

Beschwerden seinem Spruche anheimgestellt. Im Glanz der äußeren Hoheit, als ein weiser, gerechter, milder und, wo es sein mußte, strenger Gebieter, stand er unter ihnen. Daß er den Fürsten gebot, war in der Ordnung, daß auch Geistliche, die bisher ihm Unterwürfigkeit in weltlichen Dingen versagt oder die Belehnung mit dem Scepter, wie das wormser Concordat es vorschrieb, nicht eingeholt hatten, vor seinem Richterstuhle erscheinen und seine Gnade nachsuchen mußten, bewies abermals, welche erhöhte Gewalt das gute Einverständniß mit dem Papste seiner königlichen Würde gab, der sonst die Diener der Kirche zum Nachtheil des Staats die schuldige Achtung zu versagen sich erlaubten. Ein strenges Urtheil wurde hier namentlich gegen den früher so trotzigen Bischof von Mantua ausgesprochen und derselbe zu demüthiger Abbitte vor dem Kaiser gezwungen 1). Damit sogleich die weltlichen Großen der Lombardei einen Beweis geben könnten, daß ihre Huldigung nicht leere Form gewesen, entbot sie Lothar gegen die Stadt Guastalla, die, wie Garda, im Vertrauen auf ihre festen Mauern und die auf hohen Felsen gelegene Citadelle dem deutschen Heere den Durchzug verweigert hatte. Beide Vesten mußten ihren Trotz büßen, und um sie in ganz zuverlässige Hände zu übergeben, belehnte er seinen Eidam damit, zugleich wol auch in der Absicht, diesen wie in Deutschland so auch in Italien als künftigen Herrscher den Völkern zu bezeichnen 2).

 

1) Ann. Saxo a. a. O.: Ubi et Mantuanus Episcopus antea Imperatori subjici nolens judicio superatus ad requirendam ejus gratiam se humiliavit. Er gehörte nicht zu Anaclet's Partei, sondern war nur dem weltlichen Oberherrn ungehorsam gewesen. Innocenz II. schützte solches Vergehen ebenso wenig als Honorius II.

2) Ann. Saxo a. a. O.: Inde protecti cum Imperatore iidem Longobardi jussu ipsius oppidum munitissimum Warstal nomine impugnantes ceperunt et castellum supereminens oppido nihilominus firmissimum obsederunt. Die nächsten Worte verrathen den Augenzeugen dieser Nachricht. Tali siquidem more in plerisque Italiae civitatibus et majoribus oppidis castello vel pro coercendis vel defendendis habitatoribus condita habebantur a possessoribus eorum maxime a praedicto Roziero (Rogero) etc. Otto Fris. in seiner kurzen Darstellung Chron. VII, cap. 19 hebt diese Eroberung gleichfalls hervor: Lotharius ad Padum progrediens Caristallium cepit. Chron. Ursp.: In citeriore Italia Gardam et Haristallum castra cepit, quae etiam in beneficio suscepit, nämlich Heinrich, der wol an die Spitze der italineischen Hülfstruppen gestellt wurde und die Belagerung leitete, oder nach Einnahme der Stadt zur Eroberung der Citadelle vom Kaiser den Belagerern zur Hülfe geschickt wurde. Denn Ann. Saxo fährt fort: Alia autem die post destructionem praedicti oppidi, ut auditum est in castris Imperatoris, quae fuerant ex altera ripa Padi fluminis mox quingenti ex his armati milites contra castellum elevata voce cantantes processerunt. Unde et Castellani divino nutu territi deditionem fecerunt Der wilde Schlachtlärm bezeichnet die Deutschen und bewirkte, wie einst beim Erscheinen der ersten Deutschen, panischen Schrecken.

 

 

____

349 Lothar's Verfahren in Oberitalien.

 

Nachdem diese erste rühmliche Waffenprobe von Italienern und Deutschen abgelegt worden, verfolgte im Siegeslauf der Kaiser den Weg durch die ronkalische Ebene zu beiden Seiten des Po. Der Schrecken des deutschen Namens, vor dem diesmal alle Spötter verstummten, überwand fast ohne Schwertschlag Städte, Festungen und Burgen. Cremona, das allein hartnäckigen Widerstand wagte, büßte mit Zerstörung seiner Weinberge, Felder und mehrer Vesten umher, da mit langwieriger Belagerung der Stadt selbst, die nur aus Eifersucht und Haß gegen Mailand, das nun des Kaisers Gunst besaß wie vormals Cremona sie besessen, fehlte und Gehorsam verweigerte, Lothar sich nicht aufhalten konnte. Den Italienern, die bei Entscheidung über den vieljährigen Zwist der beiden Städte das größere Unrecht auf Seiten Cremonas erkannt hatten 1) und vor allen der mächtigen Nebenbuhlerin selbst konnte Lothar die Bestrafung um so eher überlassen, als er keinen Gewinn davon gehabt hätte und doch auch nichts Nachtheiliges von einer Stadt erwarten durfte, gegen die sich so einstimmig die ergebenen Fürsten erklärten 2). Wirklich unterließen auch die Mailänder nicht, mit einem starken Heere gegen das verhaßte Cremona ins Feld zu ziehen; erobern konnten sie es freilich nicht, doch zerstörten sie mehre Burgen umher, schleppten Gefangene fort und fanden darin vorläufig eine Genugthuung für das gleiche Schicksal, das viele ihrer Burgen von den Cremonensern erduldet hatten 3).

 

1) Chron. Ursp.: Causam gwerrae coram Imperatore exponunt. Cremonenses vero a Principibus Italiae tanquam habentes injustam causam hostes juricantur etc.

2) Otto Fris. a. a. O.: Cremonam civitatem rebellem ad alia festinans interim declinabat, sed destructis vineis eorum et possessionibus pertransiens Casalam, item Cincillam oppugnavit, cepit et destruxit interfectis et captis pluribus. Worin ihr Vergehen gegen den Kaiser bestand, sagt Landulf junior cap. 43: Quia non reddiderunt Imperatori Mediolanenses Cremonensium vincula et captionem sustinentes. Der Erzbischof von Mailand sprach den Bann über sie.

3) Land. a. a. O.: Mediolanensium igitur exercitus confortatus praesentia Imperatoris et vinculo excommunicationis Sonzinum Sanctumque Bassanum et alia multa castella Cremonensium destruxerunt. Quibus destructis multitudo Mediolanensium ad civitatem rediit.

 

 

____

350 Sechster Abschnitt.

 

Lothar, der nicht gekommen war, um den tiefgewurzelten Haß der lombardischen Städte zu versöhnen, was eitle Mühe oder doch nur von vorübergehender Wirkung gewesen wäre, sondern nur Rom und Unteritalien im Auge behielt, achtete es für hinreichend, Oberitalien von einem Ende bis zum andern zu durchziehen und bald mit Milde, bald mit Waffengewalt das leicht zu gewinnende und leicht zu schreckende Volk wenn nicht an sich zu ketten, doch zu Ergebenheit und Unterstützung seiner und der Sache des Papstes zu bewegen. Das bei Lothar's Römerzuge so trotzig spottende Mailand zeigte sich jetzt über die Maßen zuvorkommend und diensteifrig. Mit nicht weniger als 40000 Mann stellten sie sich in der roncalischen Ebene ein, wo nach altem Brauch der deutschen Kaiser auch diesmal eine Heeresmusterung der mitgebrachten deutschen und der einberufenen italienischen Kriegsscharen gehalten wurde. Mehre Wochen saß Lothar zu Gericht, schlichtete die Händel der Städte, soweit dies nöthig und möglich war, nicht etwa durch lange Untersuchungen, sondern nach der ihm zustehenden Machtvollkommenheit und seinem gesunden Urtheil, und bestimmte, was ferner rechtskräftig bleiben, was als Gesetz gelten, was als ihm schuldiger Dienst geleistet werden sollte 1). So sehr dieses Verfahren einer Willkür und Despotie gleich sieht und an die Zeiten der fränkischen Heinriche erinnert, so muß doch zugestanden werden, daß es der einzige Weg war, um die zahllosen Wirrnisse zu hemmen, die zum Theil durch die verschiedenartigen Verfassungen, durch die oft sich ganz widersprechenden Gesetze und durch die angemaßte Herrschaft eines Standes oder einzelner Machthaber innerhalb ein und derselben Commune entstanden waren. Angehört mochte man die Gründe haben, welche Kläger und Angeklagte vorbrachten, Vergleichungen mochten vorgeschlagen sein, selten aber wiesen jene das Rechte aus oder fanden diese bereitwillige Annahme. Da blieb der apodiktische Ausspruch des über allen Gewalten, Gesetzen und Parteien stehenden Kaisers die einzig mögliche Entscheidung, die freilich nur dann auch Gültigkeit erhielt, wenn der Kaiser selbst oder eine von ihm aufgebotene Macht die Vollstreckung des Schiedsspruches übernahm. Um jeden Haß von

 

1) Land. cap. 44: In Roncalia super Padum castra metati sunt. Ibique per plures dies et hebdomadas Imperator curiam potestative habuit et leges dedit. Ann. Saxo a. a. O.: Sicque Runcaniam (Roncaliam) scilicet antiquam Imperatorum repausationem, utpote amoenam et lautissimam planitiem ingressus Placitum habuit, ubi Mediolanenses cum XL millibus occurrerunt illum laeti suscipientes.

 

 

____

351 Lothar's Verfahren in Oberitalien.

 

sich abzuwenden, beobachtete er das Verfahren, welches ihn in Deutschland so glücklich zum Ziel geführt hatte; er zog die Fürsten, Geistliche und Rechtsgelehrte des Landes, auch bei den Angelegenheiten der Städte, zu Rath, und überließ scheinbar ihnen die Entscheidung, sodaß durch ihre Zustimmung erst sein Urtheil Rechtskraft erhielt und somit nicht mehr als tyrannische Willkür, sondern als Beschluß der vornehmsten, weisesten und unterrichtetsten Manner erschien 1). Sehr zu Statten kamen ihm hiebei sein aufrichtiges Einverständniß mit dem Papste und mit dem Erzbischof Roboald von Mailand wie die völlige Aussöhnung mit Konrad von Hohenstaufen und allen diesem früher zugethanen Fürsten. Ueber den Zweck seiner diesmal so großen Heeresmacht, über die Absicht seines auf schnelle Entscheidung dringenden Verfahrens, über die Nachsicht, die er in dem einen, über die Strenge, die er in dem andern Falle zeigte, konnte kein Argwohn entstehen, und wenn er diesem und jenem, namentlich den Mailändern, mehr einräumte als man erwartet hatte, so war auch dabei ihm nicht Eigennutz vorzuwerfen, denn der Dienstwillige, Ergebene, zu kräftigem Beistand Gerüstete mußte ihm der liebste sein und durfte auf seine Gnade zählen, wie er es unverholen verkündet hatte, und worin Jedem, sei es Fürst oder Prälat oder selbständige Stadt, freie Wahl gelassen war.

 

Mailand gab ihm nicht nur durch die zahlreich aufgebotene Kriegsmacht einen Beweis seiner Anhänglichkeit 2), sondern zeigte auch durch Thaten, daß es bereit sei, seinen Befehlen nachzukommen. Einem so kräftigen Verbündeten mußten freilich die lässigen Gegner Mailands preisgegeben werden. Was Cremona schon erfahren, stand Pavia, jenes alter Nebenbuhlerin, bevor. Als der Kaiser sich in durchaus friedlicher Absicht der Stadt näherte und bereits in der Vorstadt sein Lager bezog, erklärten die Bürger den kaiserlichen Abgesandten auf beschimpfende Weise, daß sie den Beschützer ihrer verhaßten Feinde nicht in ihre Mauern aufnehmen würden. Ihre

 

1) Schon cap. 43 sagt Land.: Imperator Lotharius cum Principibus cujuscunque dignitatis venit in Longobardiam, in cujus castris iste Mediolanensis (Archiepiscopus) cum suis suffraganeis ad nutum Imperatoris circumferebatur. Die literati viri werden bald bei einer anderen Gelegenheit zu nennen sein.

2) Ausdrücklich sagt Ann. Saxo a. a. O.: Qui (Mediolanenses) pro devotione, quam circa honorem ipsius (Imperatoris) haberent, ostendenda castrum munitissimum Samassem (wol richtig vermuthet Mascov. p. 82, Anmerk. 4 darunter das von Land. angegebene St. Bassano) oppugnantes ejus tandem adjutorio ceperunt, gladio et igni plurima consumentes, reliqua vero captiva ducentes.

 

 

____

352 Sechster Abschnitt.

 

Gegenanstalten waren aber nicht ihrer Keckheit gleich. Noch an demselben Tage wurde durch List und Gewalt, indem die Mailänder hier abermals in ihrem Haß, womit sie zu Werke gingen, eine große Schnelligkeit und Kühnheit bewiesen, Pavia so enge eingeschlossen, daß es zur Uebergabe sich entschließen mußte, um nicht gänzlich der Wuth der mit Feuer und Schwert heranstürmenden Mailander preisgegeben zu werden 1). Eine Procession von Geistlichen und Mönchen mit Kreuzen und heiligen Reliquien zog aus den Thoren der Stadt ins Lager der Deutschen, mit Thränen und Klagen warfen sie sich dem Kaiser zu Füßen und baten um Gnade und Schonung. Lothar verschloß seine Milde ihnen nicht, und gebot, nachdem er die verlangte Genugthuung von den Bürgern erhalten, des Volks und der Stadt zu schonen 2). Bei dieser Nachsicht des Kaisers war es um so tadelnswerther, wenn Tags darauf der schon aus den Bürgerkriegen in Baiern bekannte Otto von Wolfrathausen und mit ihm noch einige kriegslustige deutsche Ritter aus dem Lager an die Thore der Stadt ritten und zum nutzlosen Waffenspiel die Bürger mit stolzen, übermüthigen Worten herausfoderten. Eingedenk des kaum geschlossenen Friedens weigerten sich alle Bürger, die Herausfoderung anzunehmen. Da ergriffen der übermüthige Baier und ein sonst unbekannter Sachse, Adalbert, Beile, und versuchen damit die Thore zu sprengen; die gerechte Vergeltung blieb nicht aus. Die verhöhnten Bürger fielen über sie her und sühnten mit

 

1) Ann. Saxo a. a. O.: Cum ipsis (den Mailändern) ergo Imperator Papiam adiens in suburbio ejusdem civitatis castra metatus est. Cujus habitatores non solum suscipere illum, ut par erat, contempserunt, sed etiam remissis contumeliosis verbis inhonoraverunt, sed contra spem et opinionem ipsorum eodem die a parte exercitus civitate capta insidiis circumventi sunt et ad deditionem compulsi et gravi vastantium oppressione afflicti adnitentibus maxima invidia Mediolanensibus ob antiquas discordiae et bellorum inimicitias, quibus populus utriusque civitatis Mediolani scilicet et Papiae alterutrum se prosequens exagitabatur. Offenbar war diese Feindschaft allein der Grund, warum Pavia dem Kaiser die Thore schloß. Mailand würde im entgegengesetzten Falle das Gleiche gethan haben, aber nicht so schnell erobert worden sein, was Friedrich Barbarossa wiederholentlich erfahren hat, der endlich der Stadt nach vieljährigem Kampfe den Frieden gewähren mußte.

2) Ann. Saxo: Cumque victores undique caedibus et incendio baccharentur, Cleri et Monachorum coetus assumptis crucibus et sanctorum reliquiis urbem egressus lugubri voce et habitu Imperatoris prosternitur vestigiis deposcens ejus clementiam cum interventu bonorum donec pius Imperator suscepta poenitentium satisfactione, pepercit populo et civitati eorum. Landulf a. a. O. legt dem Herzog Konrad das Verdienst der schnellen Besiegung Pavias bei.

 

 

____

353 Lothar's Verfahren in Oberitalien.

 

dem Blute der Frevler die erlittene Schmach. Aber freilich konnte der Kaiser den Mord zweier deutscher Fürsten nicht ungeahndet hingehen lassen. Auf die Nachricht von dem Vorgefallenen befiehlt er einen neuen Sturm gegen die Stadt und dieser droht nun gänzlicher Untergang. Doch entwaffnet seinen Zorn das Verhalten der Pavienser, die nicht um Widerstand zu thun ihm entgegenziehen, sondern unbewaffnet, in demüthiger Stellung, nur um ihre Unschuld zu beweisen und die That, welche sie schuldig erscheinen läßt, nicht als freie Wahl, sondern als bloße Nothwehr ihm darzustellen. Sie mochten dies hinlänglich erhärten können, doch die Ehre der Majestät, die Kränkung, welche die Deutschen in der Ermordung zweier Fürsten erblickten, foderten eine Genugthuung, die zwar nicht mit Blut, aber mit schwerer Geldbuße von den Bürgern geleistet werden mußte 1).

 

Nachdem der Friede vollständig abgeschlossen, von den Paviensern die gefangenen Mailänder ausgeliefert, sowie ihnen selbst die Kriegsgefangenen freigegeben waren, zog Lothar, um nicht länger der Stadt lästig zu fallen, von dannen und nahm zunächst bei der Stadt Abbiate Crassum sein Lager. Hier entließ er das mailändische Heer, das ihm bisher so große aber blutige Dienste geleistet hatte, nach der Heimat 2), wandte sich selbst jenseits des Po gegen Vercelli, Castellazzo, Turin und andere Städte, die, weil seit undenklichen Zeiten kein deutscher Kaiser bis zu ihnen gedrungen, Gehorsam gegen denselben also ihnen neu und ungewohnt erschien, erst mit Gewalt zur Unterwerfung gezwungen werden mußten 3). Und nicht nur die

 

1) Ann. a. a. O. berichtet den Vorfall, und schließt mit den Worten: Sic illum (Lotharium) rationi cedentem data pecunia XX millium talentorum placaverunt, doch hat Talent im Mittelalter eine sehr vage Bedeutung.

2) Land. cap. 45: Imperator commotus pietate maxima Papienses eadem die a sua custodia solvit et ad locum, qui dicitur Abbiate Crassum pervenit. Et omnis multitudo Mediolanensium cum suis militibus a captione Papiensium liberatis rediit Mediolanum. De caetero Imperator Ticinum atque Padum ad suum commodum transivit.

3) Ann. Saxo ad 1136: Inde castra movens Imperator Vercellis, deinde Gamundi et Thurin civitates pertransiit, quarum habitatores sibi rebellantes oppugnans, capiens et interficiens humiliavit. Sic fecit castello, quod dicebatur Rokkepandolf (?). Gamundum ist der lateinische Name von Castellazzo am Zusammenfluß der Bormida und Orta. - Wenn die Urkunde echt ist, die Franz Maria Ferrer in seiner hist. Aug. Taurinorum Pars II, lib. I, p. 107 sqq. angibt, so hatte Turin sich freiwillig dem Kaiser unterworfen. Dieser ertheilt der Stadt eandem, quam ceterae civitates Italicae libertatem habeant - salvo tamen in omnibus jure nostro seu Comitis illius, cui vicem nostram commisimus, und diese Gunst erweist er: fidelibus Taurinensibus ob devotionem et meritum ipsorum und zwar interventu dilectae consortis Richencae.

 

 

____

354 Sechster Abschnitt.

 

Städte, auch die Fürsten jener westlichen Gegenden der Lombardei verschmähten die deutsche Oberhoheit, wie der Markgraf Amadäus von Savoyen erst nach der Einnahme vieler Städte und Burgen Lothar sich unterwarf 1).

 

Weit genug schien nun dem Kaiser seine Herrschaft im Westen ausgedehnt, er kehrte in östlicher Richtung zurück, mußte auch hier noch einen Kampf mit Piacenza, das mit Cremona verbündet war, bestehen, dann fand er in Parma, das einst seinem Gegenkönige Konrad als Zufluchtsort gedient, vielleicht durch eben dieses jetzt seines Bannerträgers Vermittlung, einen ehrerbietigen Empfang, den er dadurch lohnte, daß er der Stadt eine wohlgelegene Veste mit starker Besatzung überließ, von wo aus sie ihren und des Kaisers gemeinschaftlichen Feinden, den Cremonensern, empfindlichen Schaden zufügen konnten 2). Unterdessen war der Winter herangekommen, der in jenem Jahre selbst die südlichen Gegenden mit ungewöhnlicher Strenge heimsuchte.

 

Großes war dem Kaiser während der kurzen Zeit seines Aufenthaltes in der Lombardei gelungen. Die meisten Fürsten und Städte hatten seine Oberhoheit anerkennen müssen. Die Wenigen, welche wie Cremona in Widerspenstigkeit verharrten, waren von seinen Verbündeten rings umstellt, sodaß sie sich auf ihre Stadt beschränkt sahen und vor den Thoren die Zerstörung ihrer Vesten, die Verwüstung ihrer Besitzungen nicht abzuwenden vermochten. Hätten aber nur Strenge und Gewalt seine Herrschaft begründet, so wäre sie für ihn von kurzer Dauer und für die Italiener ein Unsegen, eine Tyrannei gewesen. Doch nach Jahrhunderten pries man noch seine Anordnungen und hielt seinen Namen in dankbarer Erinnerung fest. Mitten im Geräusch der Waffen, die er nur, gezwungen durch den wechselseitigen und unversöhnlichen Haß der vielen kleinen Staaten, verbunden mit den Einen zum Kampfe gegen die Andern gebraucht hatte, war er bemüht, der allgemeinen Zerrüttung durch

 

1) Ann. Saxo a. a O.: Post haec ingressus est terram Hamadan (worunter Muratori wol mit Recht Amadäus erkennt) Principis suae Majestati contradicentis, quem destructis innumeris urbibus et locis munitis subjici sibi compulit.

2) Ann. Saxo a. a. O: Unde reversus Placentinam urbem expugnavit, deinde Parmam adiit, cujus cives illum devote susceperunt, quibus et castrum quoddam et praesidium concessit contra Cremonenses illorum adversarios.

 

 

____

355 Lothar's Verfahren in Oberitalien.

 

Erneuerung alter in Vergessenheit gerathener Gesetze Einhalt zu thun, den Beschwerden der Stände wie einzelner Beeinträchtigter 1) Abhülfe zu gewähren, vornehmlich aber seinem italienischen Königthume Kraft und Festigkeit zu geben. Als ein Haupthinderniß für Letzteres erkannte er die große Zersplitterung der kleinen Lehngüter, die es beim besten Willen den größern Landesherren unmöglich machte, eine kräftige Stütze zu gewähren, ja auch nur eine mäßige Anzahl Krieger für ihn ins Feld zu stellen 2). Darum berief er in die roncalische Ebene nicht nur die hohe Geistlichkeit, Herzoge, Markgrafen, Pfalzgrafen und Grafen, kurz nicht blos die Stände des Reichs, sondern auch rechtskundige und in praktischer Ausübung rechtserfahrene Männer zu sich 3), um mit ihrem Beistande und nach ihrem Rath den Uebelständen abzuhelfen, über die bald klagend, bald bei der mangelhaften Ausrüstung sich entschuldigend, die Lehnsherren jener fast besitzlos gewordenen Ritter und Vasallen schon vielfache Anzeige gemacht hatten,

 

1) Ein Beispiel, wie auch Privatsachen zu des Kaisers und der Fürsten Entscheidung gelangten und von ihnen keineswegs abgewiesen wurden, gibt Landulf von sich selbst cap. 44: Tunc ego quoque ibi per tres dies affui et licentiam lamentandi ad Imperatorem a Domino meo Conrado Rege praesente (Landulf's große Anhänglichkeit für diesen, dem er auch den frühern Würdetitel läßt, ist ein seltenes Beispiel bei den Italienern) Sigifrido (?) filio ejus interprete suscepi et Principibus cujuscunque dignitatis circumsedentibus et vocem meam audientibus sub tentorio Imperatoris querelam de Andrea Sugaliola feci. Quam querelam Archiepiscopus Trevirensis (wie richtiger für Taurinensis zu lesen ist) cum caeteris Archiepiscopis et Episcopis aliisque literatis viris intellexit et me sicut vir prudens et sapiens interrogavit et post meam responsionem Domino Imperatori causam meam per verba mihi barbara revelavit (Lothar verstand italienisch nicht, Albero machte den Dolmetscher; daß der Kaiser des Lateins unkundig gewesen, ist nicht zu glauben, da er im römischen Rechte so erfahren sich bewies) et Dominus Imperator secundum petitionen meam prout Pontifices mihi fidem fecerunt, imperavit Consulibus Mediolanensibus, ut Mediolani causam meam juste et paterne tractarent.

2) In der Verordnung de feudis vom 7. November II, tit. 52 gibt Lothar diesen Umstand als Grund seines Verbots an: Per multas interpellationes ad nos factas comperimus milites sua beneficia passim distrahere ac ita omnibus exhaustis suorum seniorum servitia subterfugere: per quod vires Imperii maxime attenuatas cognovimus, dum proceres nostri milites suos omnibus beneficiis suis exutos ad felicissimam nostri numinis expeditionem nullo modo transducere valeant.

3) Ebendaselbst: Hortatu et consilio Archiepiscoporum, Episcoporum, Ducum, Comitum, Marchionum, Palatinorum caeterorumque nobilium similiter etiam Judicum hac edictali lege in omne aevum Deo propitio valitura decernimus.

23*

 

 

____

356 Sechster Abschnitt.

 

sodaß die Ursache der geschwächten Reichsmacht ihm nicht länger verborgen bleiben konnte. Nach demselben Grundsatz wie in Deutschland verfuhr Lothar in Italien, weil hier wie dort die Maximen seiner Vorgänger, der fränkischen Kaiser, das Staatsverband gelöst, die Reichskraft untergraben hatte, indem den kleinen Fürsten, Rittern und Edelleuten durch das Recht der Vererbung eine allzugroße Losgebundenheit von den Landesherren, eine willkürliche Vertheilung, Benutzung und Veräußerung der Lehngüter gestattet worden war, sodaß Vasallen und Landesherren zugleich dadurch in Ohnmacht versanken und der allgemeinen Auflösung des Feudalsystems, das noch durch kein anderes ersetzt war, nicht zu steuern vermochten. Lothar gebot nun, daß ohne den Willen und Rath der Lehnsherren deren Vasallen die Lehen weder zerstückeln noch veräußern durften. Indem er durch dieses Edict dem verarmten und niedern Adel zu Wohlstand verhalf, gab er der Lehnsoberhoheit der Landesherren neues Ansehen, und indem er als Ordner dieses Lehnsverbandes die größern Fürsten um sich versammelte, sie an sein Interesse knüpfte, gewann er mittelbar schon größeres Ansehen, aber auch unmittelbar größere Streitkräfte, weil nun der frühere Entschuldigungsgrund der italienischen Fürsten wegen Mangelhaftigkeit ihrer Contingente beseitigt wurde. Jenes Edict vom 7. November 1136 spricht mehr für Lothar's erhöhte Macht in Italien als alle seine Eroberungen; denn diese, vom Glück, von der Stellung der Parteien abhängig und überdies ihm nirgends eine unumschränkte Gewalt gewährend, waren keine dauernden Stützpunkte, sondern schwächten und zerstückelten oft die Streitkräfte. Jenes Feudalgesetz aber war, wie er richtig erkannte 1), für die Wiederherstellung des königlichen Ansehens in Italien der wirksamste Hebel. Wenn er selbst auch noch nicht die Früchte der Anordnung erlebte, wurde doch durch die freudige Anerkennung des so naturgemäßen Gesetzes bei allen Fürsten Italiens das Bestreben derselben, dem Kaiser sich dankbar, gefällig, dienstfertig zu erweisen sehr erleichtert und der Hauptzweck des Letztern, Einheit und Festigkeit auch diesem Theile des Kaiserthums zu geben, gefördert.

 

1) In der Verordnung de feudis vom 7. November, im Eingange: Cum apud Roncalias secundum antiquorum Imperatorum consuetudinem pro justitia ac pace Regni componenda consideremus omnia, quae ad honorem Imperii Romani spectare videntur, sollicite indagantes perniciosissimam pestem et Reipublicae non mediocre detrimentum inferentem resecare proposuimus.

 

 

____

357 Lothar's Verfahren in Oberitalien.

 

In Betreff der Städte mußte er freilich bei der Politik aller frühern Kaiser verharren und im Bunde mit den Einen den Trotz der Andern brechen. Selbst Bologna, dessen hohe Schule von ihm beim ersten Römerzuge Beweise der höchsten Gunst erhalten und noch auf dem letzten roncalischen Hoftage, wo wahrscheinlich bononische Rechtsgelehrte bei der neuen Feudalordnung mitgewirkt hatten, oder doch das Gutachten der damals ersten Rechtsschule eingeholt worden war, neue Ehren und die Anerkennung ihres verdienten Rufes davon getragen hatte, verschloß dem Kaiser die Thore, was dieser während der rauhen Jahreszeit noch ungeahndet, das Heer in der Ebene überwintern, doch zugleich auch die Stadt von jeder Verbindung mit andern widerspenstigen Städten abschneiden ließ 1). Er selbst brachte wol den Winter oder einen Theil desselben in Reggio zu, wohin er früher schon seine Gemahlin in Begleitung mehrer deutschen und italienischen Prälaten und Fürsten gesandt hatte, um dort an seiner Stelle öffentliche und Privatsachen, kirchliche und weltliche Angelegenheiten zu entscheiden. Die würdige Genossin seines Thrones erfüllte mit Klugheit, Umsicht und Gerechtigkeit den Auftrag, und verstand es, die Beisitzer ihres Gerichtshofes trotz der verschiedenartigen Nationalitäten in völliger Eintracht und gleicher Wohlwollenheit gegen sie zu erhalten 2). Während das Herrscherpaar und ihre Räthe die Zeiten zwischen den Kriegsereignissen zu Ausübung friedlicher Geschäfte benutzten, führte auch das Heer vor Bologna, mehr von den Gegnern gereizt als auf Befehl der Führer

 

1) Ann. Saxo ad 1137: Lotharius Imperator castra fixit in campestribus Boloniae civitatis, quam propter asperitatem hiberni temporis statim expugnare non valens aliquamdiu obsedit. Chron. Mont. Ser. ad 1137 gibt: Imperator Nativitatem Domini celebrat in campestribus Boloniae. Um diese Zeit mochte er in die Winterquartiere des Heeres zurückgekehrt sein und in Gemeinschaft der deutschen und vieler italienischen Fürsten das Fest des Herrn gefeiert haben.

2) Zwei Urkunden der Kaiserin s. bei Ughelli Italia sacra Tom. II, p. 288 sqq. Die eine vom 7. Nov. beginnt: Cum resideret Domna Richenza Imperatrix uxor Serenissimi Imperatoris Lotharii in civitate Regio ad justitiam faciendam et cum ea Domnus Anselmus Avelbergensis Episcopus et Adelmus Regiensis Episcopus et Domnus Bruno Episcopus, Federicus quoque et Garnerius Marchiones. Tunc Domna Imperstrix a supradictis et Teutonicis et Latinis, quibus intererant, etiam Puganellus de Corsena, Cordalius petiit, quod illi faciendum esset super hanc quaerimoniam. At illi omnes communiter consilio habito unanimiter dixerunt etc. Es betrifft die Wiedereinsetzung eines Abts. Lothar's Anwesenheit zu Reggio erhellt aus dem Diplom bei Ughelli Tom. V, p. 1599 vom 16. December 1136.

 

 

____

358 Sechster Abschnitt.

 

ein Unternehmen aus, das bald die Einnahme der Stadt herbeiführte. In der Nähe dieser lag nämlich eine Burg, die man für uneinnehmbar hielt, weil nur ein einziger schmaler Weg einen Zugang bot, sonst ringsum steile Felsen sie abschlossen, weshalb viele Bologneser sich mit ihrer Habe dorthin begeben hatten und in Sicherheit zu leben wähnten. Es versuchten nun aber auch einige kaiserliche Soldaten, auf jenem Wege die Burg zu überrumpeln. Der Versuch misglückte, weil ein Geistlicher, der unten Wache hielt und die Absicht der Deutschen errathend, davon die Besatzung benachrichtigte. Ein Ritter und Dienstmann des Kaisers, Bernhard, nebst zweien Andern wurden getödtet, die Uebrigen retteten sich kaum in das Lager. Da nun aber brach, um den Tod ihrer drei Kameraden zu rächen, eine größere Heerabtheilung zum Sturm gegen das Felsenschloß auf, das sie auch wirklich einnahmen. Mehr als 300 Menschen fanden durch das Schwert oder in den Flammen oder herabgestürzt von der steilen Höhe ihren Tod. An dem verrätherischen Geistlichen nahmen die Sieger eine grausame Rache, indem einige Ritter ihn an den Hufen ihrer Pferde zu Tode schleiften 1). Nach Eroberung jener für unbezwinglich gehaltenen Burg mußte auch Bologna sich bald ergeben, doch großmüthig verzieh ihnen der Kaiser um des Ruhmes halber, in dem die Hochschule stand, ja er erwies den Lehrern derselben neue Ehre 2).

 

Man könnte glauben, der Papst Innocenz möchte mit Lothar's langem Verweilen in Oberitalien, mit den nur dem kaiserlichen

 

1) Ann. Saxo ad 1137: Erat abhinc non longe castellum, ad quod multi ob firmitudinem confugerant, quis uno tantum praeangusto aditu patente mons in altum vergens et scopulosus horrendus undique praecipitium minabatur. Huc ergo quidam ex castris forte venerunt, sed repulsi sunt. Bernhardo quodam regni ministro cum duobus aliis perempto a quodam Presbytero aditus observante horum amici reversi ad castra et assumpta parte exercitus castrum ceperunt et amplius trecentis gladio incendio et praecepitio interemerunt. Presbyterum vero miserabili caede mulctatum ungulis equorum protriverunt.

2) Wenn Otto Fris. Chron. VII, cap. 19 berichtet: Bononienses quoque ac Aemilienses, qui in priori eum expeditione despexerant, supplices ac multum servitium offerentes ultro occurrunt, so ist er wol in beiden Fällen im Irrthum. Das erste Mal empfing Bologna den Kaiser friedlich, das zweite Mal feindlich, denn Ann. Saxo's ausführliche Erzählung rührt wol von einem Augenzeugen her. Das Kalend. Academiae Bonon. ad 1136 gibt: Apud Roncalias hoc studium confirmavit et summis privilegiis auxit insuper per Bononiam transiens, Collegii Doctores Equites creavit aureo torque decoravit et indumentis Palatinis pretiosissimis honestavit. Die Historiker wissen davon freilich nichts, und ist die Aechtheit jenes Kalend. noch in Zweifel zu ziehen.

 

 

____

359 Lothar's Verfahren in Oberitalien.

 

Ansehen dienlichen, nicht die Sache der Kirche fördernden Anordnungen, mit den Eroberungen so vieler Städte und Burgen, die eine nie zuvor gekannte Uebermacht der deutschen Waffen und eine so feste Einigkeit zwischen dem Reichsoberhaupte und den zahlreich dieses umgebenden Reichsgliedern kund gaben, nicht sehr zufrieden gewesen und in seinen Erwartungen, schnell in den Besitz Roms zu gelangen, getäuscht worden sein. War es nicht aber auch ein Gewinn für ihn, wenn der Zerrissenheit und den Wirrnissen in der Lombardei endlich einmal durch eine starke Hand Einhalt gethan und den übermüthigen Städten, die nur der Leidenschaft in den unaufhörlichen Kämpfen untereinander gefolgt waren, die Pflicht des Gehorsams auferlegt wurde? Herrschte nicht auch unter den Geistlichen Oberitaliens eine Willkür und Ungebundenheit, die dem römischen Stuhle in so nahe gelegenen Gegenden einen viel geringern Einfluß gestatteten, als bei den entferntern Völkern jenseits der italienischen Grenzgebirge? Hatte nicht der Erzbischof Anselm von Mailand bewiesen, wie unabhängig von Päpsten und Kardinälen eine Kirche der römischen gegenüber Rechte und Gewalt, die bisher nur dieser zuerkannt worden, ungehindert ausüben dürfe? Nicht Bannstrahl noch Interdikt waren hier von der Wirkung wie außerhalb Italiens. Nur wenn erst eine größere politische Einheit bestand 1), durfte auch die Kirche eines größeren Einflusses gewiß sein. Und jetzt war ja der Gewaltige, der die Zügellosen bändigte, der vertrauteste Freund und Verbündete des Papstes; darum durfte Letzterer unbesorgt jenes Verfahren ansehen und ihm weder Hindernisse in den Weg legen, noch ihn der Saumseligkeit beschuldigen.

 

An Mahnungen und dringenden Bitten ließen es freilich Innocenz und die von Roger vertriebenen Fürsten nicht fehlen. Auf die Nachricht von des Kaisers Zug über die Alpen war Robert von Capua ihm entgegengeeilt und hatte ihn oberhalb Cremona schon im Lager aufgesucht und zu seinen Füßen flehentlich um Wiedereinsetzung der ihm entrissenen Herrschaft gebeten 2). Lothar erklärte, daß Wiederherstellung der alten Ordnung, Bekämpfung eigenmächtiger Tyrannen,

 

1) Otto Fris., nachdem er die Zerstörung der offenen Flecken, die Eroberung der Burgen im cremonesischen Gebiet, die Unterwerfung Pavias, Bolognas, angegeben , schließt mit dem kurzen Bericht: Post usque ad Taurinum progrediens totam citeriorem Italiam perlustrans in provinciam redegit.

2) Falco Benev. p. 120: Continuo ad Imperatorem festinans invenit eum montes descendisse et super civitatem Cremonam castra sua posuisse. Illico pedibus ejus advolvitur lacrymis rogans ut sibi exhaeredato subveniret.

 

 

____

360 Sechster Abschnitt.

 

Züchtigung der Widersacher der Kirche, der Zweck seines Kommens sei! Um mit Erfolg dieses Alles zu bewerkstelligen, mußte er mit der Lombardei den Anfang machen. In dem Zeitraum vom Anfang des Herbstes 1136 bis zum Beginn des Frühjahrs 1137 war, soweit es möglich und fürerst hinreichend schien, der nächste Zweck erreicht. Vor Cremona sich beim Eintritt in Italien aufzuhalten oder noch einmal dorthin zurückzukehren, wäre Kraft- und Zeitverschwendung gewesen. Gab ihm doch der Haß der Mailänder gegen das widerspenstige, die Vereinigung aller oder doch der mächtigsten oberitalienischen Fürsten eine ganz sichere Bürgschaft, daß die eine Stadt, die überdies der frühern hülfreichen Verbündeten, Pavia, Bologna, Vercelli, Turin und anderer beraubt war, weder lange trotzen noch ihm im Rücken nachtheilig wirken werde. Der mächtigste Staat im Nordosten der Halbinsel hatte schon von Deutschland her des Kaisers Bündniß und Freundschaft nachgesucht. Der Doge Petrus Polano entsandte an Lothar, als dieser im parmesischen stand, eine glänzende Gesandtschaft unter seinem eigenen Bruder Johann Polano in Begleitung von Petrus Donodei und Aurius Aurio, die zu Corregio die alte den deutschen Herrschern stets bewahrte Ergebenheit durch neue Versicherungen und Verträge bekräftigen sollten 1). Zu Anfang des Jahres 1137 bald nach der Eroberung Bolognas fand sich im kaiserlichen Lager der Herzog von Ravenna ein, um seine schuldige Ehrerbietung zu bezeigen und der Treue und Dienstfertigkeit seiner Untergebenen zu versichern 2). Gleichzeitig erschienen vor Lothar viele andere Fürsten in Person oder von entfernteren Gesandte wie auch von den Städten und, wie kaum zu zweifeln, vom Papste. Der Kaiser besprach mit ihnen den Feldzug, der nun nach dem Innern und nach dem Süden der Halbinsel eröffnet werden sollte. Die Heeresmacht zu theilen und auf der einen Seite durch Thuscien gegen Rom, auf der andern durch Ravenna und die östlichen Marken von Ancona und Firmium in Apulien vorzudringen,

 

1) Dandolo Chron. in Tom. XII, rerum Italic. p. 278: Dux (Venetorum) itaque anno septimo per suos legatos Johannem Polano ejus fratrem Petrum Donodei Capellanum et Aurium Aurio a Lothario Augusto in Viridi Corregia districtus Parmae approbationem soliti foederis obtinuit.

2) Ann. Saxo a. a. O.: Imperator capta tandem Bologna venit Cassan (wol nicht oppidum S. Cassiani, wie Mascov. p. 86 nota 4 meint, sondern Cassano an der Adda. S. Martiniere's Lex. geogr. u. A. Cassano) pacifice. Ubi et celebravit Purificationem S. Mariae occurrente illic sibi Duce Ravennae cum debita veneratione.

 

 

____

361 Eroberung Thusciens durch Heinrich von Baiern.

 

schien Allen das Beste 1) und vermied zugleich, daß unmittelbar der Kaiser und der Papst in Gemeinschaft kamen, was mancherlei Conflicte voraussehen ließ.

 

Innocenz verweilte jetzt nicht mehr zu Pisa, sondern war bereits bis Viterbo vorgeschritten und erwartete dort, wie früher verabredet sein mochte, den Kaiser zu einer Unterredung und Besprechung der ferneren Unternehmung 2), die, wenn Lothar sich eingefunden hätte, gewiß unmittelbar gegen Rom gerichtet worden wäre, was dem Kaiser aber nicht rathsam schien, weil einmal nicht ohne blutigen Kampf und Zerstörung Rom dem Gegenpapst entrissen werden und dieser dann noch immer nach Unteritalien zu Roger entweichen konnte. Letzteren erst zu bekriegen und so Anaclet den einzigen Beschützer zu entziehen, nach dessen Vernichtung ihm ein längerer Widerstand gegen die Uebermacht der deutschen Waffen auf der ganzen Halbinsel fruchtlos und unmöglich geworden wäre, hielt der Kaiser und seine Raths für zweckmäßiger. Um aber dem Papst den nöthigen Schutz zu gewähren, erhielt Herzog Heinrich den Oberbefehl über 3000 Ritter und zugleich den Auftrag, Thuscien, das den Markgrafen Engelbert vertrieben, wieder zu unterwerfen 3). Die Wahl Heinrich's war aus doppeltem Grunde geeignet, weil er als Schwiegersohn des Kaisers diesen selbst am Besten vertrat, sodann aber auch als vom Papste designirter Nachfolger Lothar's in den mathildischen Besitzungen für diese ein unmittelbares Interesse hatte, und sein Regiment wie in Baiern so dort mit kräftiger Hand begründen konnte. Sein Unternehmen hatte, wie wir später näher sehen werden, den besten Fortgang. In kurzer Zeit wurde Thuscien unterworfen, als dessen Markgraf sich Heinrich in demselben Jahre unterzeichnet hat, sodaß Engelbert, dessen nirgends mehr Erwähnung

 

1) Falco Benev. Chron. ad 1137: Imperator Henricum generum suum cum tribus millibus equitum ad Pontificem destinavit Innocentium addens se facturum ut Romanos fines teneat et Principi Roberto Principatum suum restituat. Ipse vero Marcas adire disposuit.

2) Falco Benev. Anno MCXXXVII. et VIII. anno Pontificatus Domini Innocentii mense Martio quinta decims Indictione praefatus Apostolicus Innocentius, qui tunc Pisis morabatur, consilio communicato de civitate Pisana ad civitatem Viterbium advenit praefatum Imperatorem allocuturus.

3) Während die italienischen Schriftsteller die kirchlichen Verhältnisse im Auge behalten, heben die deutschen Chronisten die politischen hervor. Ann. Saxo a. a O.: Inde Henricum Ducem Bavariae misit ut Engelbertum Marchionem a suis expulsum priori dignitati restitueret et urbes, quas ipse pro taedio divertendi itineris adire non poterat, subjiceret.

 

 

____

362 Sechster Abschnitt.

 

geschieht, entweder gar keinen Antheil an der Verwaltung behielt oder nur als Stellvertreter Heinrich's dort blieb, ohne den markgräflichen Titel zu führen. Wie der Kaiser seinerseits die mathildischen Besitzungen dem Schwiegersohne ganz abtrat 1), so fehlte diesem auch die Investitur des Papstes sicher nicht. War doch der Dienst, den der Herzog nun Innocenz erwies, indem er das römische Gebiet bis vor den Thoren der Stadt dem Papste unterwarf, solcher Gefälligkeit werth. Rom selbst anzugreifen, waren seine 3000 Ritter eine zu geringe Macht und der Kaiser wollte dazu ihm auch keinen Befehl ertheilen, weil noch Unteritalien in Roger's Gewalt war. Das Hauptheer, welches unterdeß auf der östlichen Seite den Weg von der Lombardei nach Apulien durch rauhere Gegenden und kriegerische Völkerschaften zurückzulegen hatte, war gleichwol in seinem Erfolge nicht minder glücklich. Als Lothar der Stadt Ravenna sich nahete, zogen ihm die Geistlichkeit und der Adel, an der Spitze der ihm schon aus Deutschland als päpstlicher Legat wohlbekannte Erzbischof Gualter, einst der Freund Norbert's und gleich diesem ein treuer Mittler zwischen Papst und Kaiser, entgegen und führten ihn festlich in ihre Stadt 2), wohin die Fürsten und die Städte

 

1) Chron. Ursp.: Porro Heinricus per Thusciam exercitum duxit, quam et ab Imperatore in beneficio obtinuit. In einer Urkunde vom 22. September bei Miraeus oper. diplom. Tom. I, p. 687 steht: Heinricus Dux Bavariae et Thuscaniae. Gewiß erbat und erhielt Heinrich das apostolische Lehen auf diesem Feldzuge, auf dem ihn der Papst begleitete. Chron. Benev. in Baron. Annales ecclesiast. XII. p. 322 citirt: Apostolicus post congressum cum Imperatore habitum Viterbii (der wol nicht in Person von Seiten des Kaisers, sondern durch Abgesandte, vielleicht durch Herzog Heinrich beschickt worden war) ad Romanorum fines advenit et civitatem Albanum et provinciam totam Campaniae suae obtinuit fidelitati.

2) Ann. Saxo: Imperator vero veniens secus Ravennam honorifico ritu Archiepiscopi, Cardinalium, Cleri et Principum longe obviam procedentium susceptus est. Wenn für Cardinalium nicht Cardinalis (nämlich Gualteri) zu lesen ist, so muß man annehmen, daß mehre Kardinäle von Innocenz's Partei damals in Ravenna verweilten oder als Abgesandte ihres Herrn zum Kaiser geschickt waren. Ann. Saxo bemerkt später: Difficile vero est enarrare, quanta ambitione et studio principes harum regionum suis stipati agminibus obsequio ferventes Imperatorem comitabantur alii autem copioso navium apparatu pro commeatibus et aliis, quae bello usui forent deportandis vel maritimis civitatibus expugnandis sequebantur. Da schon vor Ancona diese Heeresmacht lagerte, muß sie vorhin schon zusammengezogen sein. Ravenna war als Sammelplatz einer Land- und Seemacht der geschickteste Ort. Daß der Kaiser dort eine Reichsversammlung, mit der wol eine Heeresmusterung verknüpft war, gehalten habe, berichtet Chron. Cosin. lib. IV, cap. 104.

 

 

____

363 Kampf vor Ancona.

 

von Ober- und Mittelitalien mit ihrer Mannschaft und wohl ausgerüsteten Flotte zu ihm stoßen sollten. Manche der Städte, durch die er zunächst den Zug zu nehmen gedachte, zeigten sich wie in der Lombardei und meist aus demselben Grunde wie dort abgeneigt, beschickten den Hoftag zu Ravenna nicht mit Gesandten, verweigerten ihr Contingent und mehre rüsteten sich zum feindlichen Widerstande. Schon bald nach dem Aufbruche von Ravenna mußte ein fester Ort, den frühere Kaiser oft vergeblich belagert hatten, mit Gewalt genommen werden. Dieser ruhmvolle Sieg erhöhte und übte die Kraft seiner Mannen, die nun bald auch Fanum und Sinigaglia nach kurzer Belagerung eroberten 1).

 

Hartnäckiger wurde der Kampf vor dem durch die Natur festen, von starken Mauern umgebenen und von entschlossenen Bürgern vertheidigten Ancona. Ja hier erwartete man nicht erst den Feind, sondern zog ihm kühn mit einem Heere, das aus allen den Deutschen abgeneigten Städten und Landschaften Mittelitaliens zusammengezogen und gewiß auch durch Roger's gesandte Unterstützung verstärkt worden war, entgegen. Konrad von Magdeburg und Konrad von Weltin, die den Vortrab des kaiserlichen Heeres führten, vermochten kaum ihrem ersten Angriff zu widerstehen, doch eine wohlgewählte Stellung, die Besonnenheit der Führer und der Muth ihrer sieggewohnten Scharen ließen sie nicht schimpflich zurückweichen, bis der Kaiser selbst mit dem Kern des Heeres herankam. Der Ungestüm der Feinde ließ nach, sie wichen vor der wachsenden Uebermacht zurück, doch zu spät, denn ein schneller Angriff der Deutschen erreichte, durchbrach, löste sie, mehr als 2000 Tode deckten das Schlachtfeld, viele wurden auf der Flucht gefangen, und nur ein kleiner Theil erreichte glücklich die Mauern Anconas, die ihren Muth von Neuem belebten und keinen vergeblichen Widerstand hoffen ließen. Ob Lothar, der die Stadt zu Land und Wasser einschloß, sie zur Uebergabe genöthigt oder durch Unterhandlung zum Beitritt und schuldiger Dienstleistung auf seinem ferneren Heereszuge bewogen habe, ist bei dem Widerspruch der deutschen und italienischen Nachrichten nicht ausgemacht, doch daß er nicht ohne Ehre von Ancona abgezogen, bewies die der Stadt auferlegte Bedingung, 100 Schiffe

 

1) Ann. Saxo gibt über den Heereszug von Ravenna ab folgende Nachricht: Posthaec aggressus est Lutizan (welcher Ort mit diesem Namen bezeichnet sein soll, ist schwer zu sagen) quam prioribus satis rebellem et inexpugnabilem Imperatoribus primo impetu cepit. Inde Vanam (Fanum) deinde Sinegalla civitates obsedit et expugnavit.

 

 

____

364 Sechster Abschnitt.

 

zum Feldzuge gegen Roger auszurüsten, und daß der Markgraf Friedrich von Ancona und dessen Bruder Werner den Kaiser auf seinem Heereszuge in Unteritalien begleiteten, was sicherlich nicht geschehen wäre, wenn die Stadt und die ganze Landschaft sich nicht unterworfen hätten 1).

 

Da nun diese und die südlicher gelegene firmische Mark sich fast ohne Schwertschlag dem Kaiser unterworfen, war es nicht mehr nothwendig, - und schien dies zugleich für die Provinzen minder drückend, - das Heer auf einen Punkt zu concentriren und auf einer Straße weiter zu führen. In kleinern Abtheilungen breitete man sich gleichzeitig an den Küstenstrichen und im Innern des Landes aus, doch so, daß eine Verbindung stets unterhalten wurde und auch dem gesonderten Heere unter Herzog Heinrich, im toscanischen und römischen Gebiete, leicht die Hand geboten werden konnte, wenn es auf zu hartnäckigen Widerstand stieß. In dieser Beziehung war

 

1) Ann. Saxo a. a. O.: Sicque (Avennam) Anconam civitatem adiit, cujus habitatores contradicentes sibi cum magna multitudine occurrerunt et primos exercitus, qui tunc fuerunt Conradus Magdaburgensis Archiepiscopus et Conradus Marchio, actu impugnantes molestaverunt, quos tamen illi valida manu resistentes propulsaverunt. Imperator autem haec cognoscens facto impetu in eos peremptis amplius duobus millibus reliquos fugavit et civitatem hinc exercitu circumdatam, hinc navali bello coartatam ad deditionem compulit et centum naves stipendiis oneratas in suum servitium ducere jussit. Gegen diese sehr bestimmte Nachricht wird, was mehre neuere Geschichtschreiber geltend gemacht haben, von Boncompogna in seinem Buch de obsidione Anconae (durch Friedrich Barbarossa) rer. Ital. Tom. VI. angeführt, daß ein hochbejahrter Anconiate seinen Mitbürgern gesagt: Fui eo tempore vir consularis, quo Rex Lotharius in manu valida nos obsedit credens civitatem servituti perpetuae subjugare. Recessit tandem spe propria frustratus et oneratus proprio labore. Auf den Ausspruch eines Redners ist indeß im Mittelalter so wenig als im Alterthume Gewicht zu legen. Dieser will seine Mitbürger zum Widerstande gegen Friedrich Barbarossa ermuthigen, rühmt die Tapferkeit früherer Zeiten und gibt dazu Beispiele. Sie sind wol nicht auf die Wagschale historischer Treue gelegt. Gleich danach fährt er fort: Nam ante ipsum (Lotharium) et postea quidam Imperatores idem facere tentaverunt, qui suum similiter propositum nequiverunt ducere ad effectum. Welche Kaiser nach Lothar und vor Friedrich Barbarossa wären denn das gewesen?! - Neben dieser großen Unwahrheit wäre die Entstellung über Lothar's Erfolg eine sehr kleine. Nimmt man an, daß Lothar durch Unterhandlung zu seinem Zwecke gelangt, so ist die Ehre der Anconiaten möglichst gerettet. Die Ausrüstung von 100 Schiffen ist keine harte Bedingung; versprachen sich diese doch Ruhm und Beute. Fredericus Marchio de Ancona et frater ejus Warnerus lesen wir als Zeugen in der kaiserlichen Urkunde datum Aquini X. Kal. Octobris. S. Miraeus opera diplom I, p. 687.

 

 

____

365 Kampf in Apulien.

 

das in der Mitte Italiens gelegene Spoletum ein wichtiger Punkt, dessen der Kaiser sich bemächtigte 1). Von hier aus war auch mit den gegen Roger noch Stand haltenden Städten und Fürsten Unteritaliens eine Verbindung möglich. Jetzt sich schon mit der Hauptarmee gegen den König von Sicilien zu wenden, ehe die Provinzen der West- und Ostküsten ganz in seine Gewalt gebracht seien, schien noch nicht gerathen, doch entsandte Lothar von Spoletum Boten nach Neapel, wo der Herzog Sergius, nach wie vor, den Angriffen Lothar's trotzte, und ließ ihm seine baldige Ankunft in Apulien melden, was nicht wenig den Muth und die Hoffnung dieser unglücklichen Provinz aufrecht erhielt 2). Der Kaiser mochte bald bei der einen, bald bei der andern seiner Truppenabtheilungen verweilen, um ihre Unternehmungen gegen einzelne noch Widerstand wagende Vesten und Flecken, deren Zahl in diesem Lande sehr groß war und die oft mehr zu Schlupfwinkeln den Räubern und Freibeutern als einem Landesherrn oder einer herrschenden Stadt zur Vertheidigung dienten, zu beleben und jeder nutzlosen Gewaltthat, sei es der Seinen oder der Italiener zu steuern 3).

 

Während die Flotte die Küstenstädte unterwarf, das Meer von Piraten und Sarazenen reinigte, drang das Landheer selbst in die wilden Abruzzen vor, jeden Widerstand bekämpfend. Größere Städte gab es hier nicht mehr zu bezwingen. Aber manches Felsenschloß, manches Raubnest zu erstürmen oder durch Aushungern zur Uebergabe zu zwingen. Nachdem Lothar zu Fermo oder schon zu Piscara das Osterfest gefeiert hatte 4), näherte er sich der apulischen Grenze. Ueber die Beute, die in den eroberten Flecken und Burgen gemacht

 

1) Otto Fris. Chron. VII, cap. 19: Inde Apeninum transiens ac interiorem Italiam perlustrans Anconam, Spoletum cum aliis urbibus seu castellis in deditionem accepit.

2) Falco Benev. ad 1136 (1137): Haec inter Imperator literas suas signatas propriis legatis suis Magistro militum et civibus suis destinavit consolationis verbo describens, ut fidelitatem propositum teneat, quia favente Domino in proximo ad ejus liberationem festinaret. Legati vero illi coram omnibus juraverunt Imperatorem illum ad civitatem Spoletum dimisisse.

3) Die Ausdehnung der Eroberungen gibt Chron. Cosin. lib. IV, cap. 106: Imperator Umbriam, Aemiliam, Flaminiam, Picenumque provincias sub sua jura redegit civitates obedientes sub Romani imperii jura redegit, contradicentes ad solum usque prostravit.

4) Ann. Saxo ad 1137 hat: Imperator Pascha Firmae celebravit. Dagegen Falco Benev.: Flumen Piscariae adveniens Pascha Domini ibi celebravit. An beiden Orten verweilte wol Lothar. Falco verwechselt vielleicht Ostern mit einem spätern Festtage.

 

 

____

366 Sechster Abschnitt.

 

wurde, scheint es öfters unter den Führern nicht weniger als unter den Soldaten zu Händeln gekommen zu sein, wobei denn Nationaleifersucht nicht blos unter Deutschen und Italienern, sondern auch unter den Völkerschaften gleichen Stammes die Flamme schürte, da der Kaiser nicht überall durch seine Gegenwart beschwichtigend oder strafend dazwischen treten konnte. Die Zwietracht der Italiener steckte auch die ruhigern Deutschen an. So kam es einmal zwischen Baiern und Sachsen bei der Ausplünderung einer rebellischen Stadt, die der Kaiser, um andern ein abschreckendes Beispiel zu geben, mit Vertreibung der Bürger züchtigte, zu einer so heftigen Reibung, daß eine Abtheilung der erstern dem Erzbischof von Magdeburg und dessen Leuten die ganze gemachte Beute abnahm und nur mit Beistand des Markgrafen Konrad von Meißen, der stets mit Jenem die Vorhut des ganzen Heeres bildete, gelang es den Beraubten, Jenen den Raub abzujagen, sie mit blutigem Schwerte zurückzutreiben, wobei ein vornehmer Baier sein Leben einbüßte 1). In einem Heere, das aus so verschiedenen Völkerschaften zusammengesetzt war, überdies in einem Lande, das an Händel, Zwietracht, Verachtung aller Ordnung und Gesetze gewöhnt war, hielt es schwer, die Kriegsdisciplin mit aller Strenge aufrecht zu erhalten, und wenn nicht die Fürsten selbst über ihren Völkern wachten, selber mit löblichem Uneigennutz vorangingen, waren, zumal bei der jetzigen Trennung in kleine Abtheilungen, solche Auftritte nicht zu vermeiden. Wir werden bald sehen, daß auch die Höchsten und dem Kaiser die Nächsten der augenblicklichen Leidenschaft nicht immer zu gebieten verstanden, da die Privatinteressen mit dem allgemeinen Zwecke der Heerfahrt sich hier nur zu oft durchkreuzten. Kirchliche und weltliche, päpstliche und kaiserliche Ansprüche, die allmälig bei dem glücklichen Fortgange der Kriegsereignisse wieder auftauchten, drohten später

 

1) Ann. Saxo: Inde castra movens Fir . . (der Ort ist nicht zu erkennen; man möchte auf Firmium, das kurz vorher genannt ist, rathen, wenn nicht eben dies der Ort wäre, von welchem das Heer aufgebrochen, und aus der Hauptstadt der Provinz weder so leicht die Bewohner verjagt noch ein so hartes Beispiel gegeben werden konnte) habitatores illius rebellare paratos de civitate expulit. Ibi orta est seditio inter Saxones et Bavarios. Auffallend ist, daß diese nicht mit ihrem Herzog gezogen; doch trennte wol absichtlich Lothar die Völkerschaft, welche an Zahl die andern überwog, und ordnete seinem Eidam andere Nationen zu) in qua spoliatus est Conradus Archiepiscopus cum suis fidelibus. Sed auxilio Conradi Marchionis victi, depraedati ac fugati sunt Bavari, occiso quodam nobili Nitardo (man möchte in diesem Namen fast nur eine Bezeichnung für den Anstifter des Zwistes erkennen).

 

 

____

367 Kampf in Apulien.

 

Alles zu verwirren. Nur einem Herrschergeiste wie Lothar konnte es gelingen, die gefährlichen Folgen abzuwenden.

 

Als das deutsche Heer die apulische Grenze betrat, berief der Kaiser wie in den nördlichen und östlichen Provinzen, die Fürsten des Landes zu sich, einmal um Diejenigen kennen zu lernen, auf die er sich verlassen könne, dann aber auch um ihr Vertrauen dadurch zu stärken, daß er nichts ohne ihren Rath und Willen zu unternehmen schien. Unter den Fürsten, die sich nun zu einer allgemeinen Berathung in seinem Lager am Tronto einfanden, werden drei hervorgehoben, die Markgrafen Thomas und Mathäus und ein mächtiger Gebieter Wilhelm, unter dem wol mehr selbst beigelegten Titel eines Pfalzgrafen aufgeführt, der wie die meisten Bezeichnungen der italienischen Großen damals keine Bedeutung hatte. Alle drei schwuren dem Kaiser den Lehnseid und erhielten dagegen von diesem das Versprechen seines Beistandes 1). Sich nach allen Seiten hin der wichtigsten Plätze und der von Roger mehr zum Druck als zum Schutz des Landes besetzten Burgvesten zu bemächtigen, scheint der Beschluß jener Fürstenversammlung gewesen zu sein.

 

Durch das Gebiet des obenerwähnten Pfalzgrafen Wilhelm zog Lothar ungehindert hin und besetzte Termoli an der Küste unweit dem Ausflusse des Biferno, dann aber kam das Heer in feindliches Land, insofern Roger sich bereits zum Herrn desselben gemacht hatte. Allein verhaßt war überall seine Herrschaft, und gern boten die Einwohner dem Kaiser die Hand, der sie von dem Joche des Tyrannen zu befreien kam. So ward eine der bedeutendsten jener Burgen, durch deren Besitz Roger sich das Land zu sichern gehofft, und die zu erstürmen auch die tapfersten Deutschen verzweifelten, durch den Beistand der Eingebornen zur Uebergabe gezwungen. Zwar bahnte sich der Befehlshaber der Besatzung, Richard, mit seiner kleinen Schar den Weg bis zu seinem Könige. Was aber war der Lohn dieser Treue? Roger ließ ihn blenden! Ein böses

 

1) Ann. Saxo a. a. O.: Ita compositis in Italia rebus Imperator Apuliam ingressus secus Truntam fluvium (am nächsten liegt doch der Tronto, doch kann es auch der Trontino sein, Mascov. p. 88 will den Tronto, der freilich der Grenzfluß des alten Apuliens war, doch ist der Name Apulien im Mittelalter ein viel ausgedehnterer, und die Angelegenheiten des Landes konnten immer schon am Tronto besprochen sein. Auch liegen die Orte, die erobert wurden, diesseits des Tronto.) placitum habuit, ubi Thomam et Mathaeum Marchiones cum Domno eorum Wilhelmo Palatino, illustri valde viro in gratiam et hominium suum suscepit. Falco Benev.: Inde flumen illud transiens civitatem Termulensem et illius Provinciae Comites obtinuit.

 

 

____

368 Sechster Abschnitt.

 

Geschick waltete über den Befehlshabern jener Veste. Richard's Nachfolger gleiches Namens, vom Kaiser als ein Eingeborner des Landes für einen mildern und den Umwohnern willkommenern Beschützer gehalten, ließ durch Roger's Gold später sich verleiten, zum Verräther zu werden, ward aber, nachdem er sich und die Besatzung überliefert, zu gerechter Strafe von dem Könige vor der von ihm treulos übergebenen Burg aufgehängt 1).

 

Um auch die südöstliche Spitze Apuliens zu erobern, sandte Lothar den Herzog Konrad von Hohenstaufen, der sich auf dem Feldzuge ebenso ergeben als tapfer bewies, mit einer Heeresabtheilung voraus. Schon von dem Ruhme der deutschen Waffen geschreckt, ergibt sich auf bloße Auffoderung eine feste Burg; der im Alterthume schon berühmte Berg Garganus, jetzt durch eine Höhle des Erzengel Michael geheiligt, will mit seiner schroffen Höhe, die durch ein Kastell verwahrt wird, noch den Siegern widerstehen. Nachdem der Herzog mit seiner kleinen Schar drei Tage darum gelagert, erscheint der Kaiser mit dem Hauptheere und bringt Stadt und Veste nach unblutigem Kampfe, in dem nur ein verwegener Feind das Leben einbüßt, in seine Gewalt 2). Reiche Beute ist der Lohn dieses Sieges; denn oberhalb der Veste in einer Kirche, die im Gebirge versteckt liegt, entdeckt man große Schätze, bestehend in Gold, Silber, Edelsteinen und kostbaren Gewändern, die angeblich ein Herzog Simon von Dalmatien daselbst niedergelegt hatte 3). Der fromme

 

1) Ann. Saxo a. a. O.: Per terminium ejusdem Palatini venit civitatem Castelpagan (?) oppidum scilicet cum castello ob altitudinem natura et opere munitissimum, humanis viribus insuperabile. Cujus adquirendi cum desperatio cunctis esset oppidani ob odium Rozieri graviter illos de praedicto castello opprimentis deditionem coacti fecerunt. Quorum praefectus Richardus non multo post ad Rozierum reversus ab ipso coecari jussus est. Alius autem quidam Richardus, qui post illum ab Imperatore idem Castellum susceperat, Roziero illud se proditurum spe pecuniae spopondit, qua persoluta juxta eandem suspendi ab illo non inconvenienter ob perfidiam jussus est.

2) Ann. Saxo a. a. O.: Imperator autem Ducem Conradum cum parte exercitus misit ad oppugnandum castellum Rigian (vielleicht Arignano) cujus habitatores venientium sola vociferatione territi deditionem fecerunt. Unde Dux Conradus profectus Montem Garganum obsedit tribus diebus donec veniente cum exercitu Imperatore villamque et castrum impugnante uno ex ipsis interfecto, qui virtute et audacia ceteris praestabat, se omnes tradiderunt.

3) Ann. Saxo a. a. O.: Super ipso autem castello et in Ecclesia prope Montem occultius sita magnam supellectilem auri et argenti, lapidum ac vestium ceperunt, quam Simon Dux Dalmatiae ibi collocaverat.

 

 

____

369 Kampf in Apulien.

 

Kaiser unterließ nicht, das Heiligthum des Erzengels zu besuchen und ein Dankgebet ihm darzubringen. Dann drangen unaufhaltsam seine tapfern Scharen in die Ebenen Apuliens. Das alte am Fuße des Garganus gelegene Sipontum, von dessen Trümmern später König Manfried die noch heute nach ihm benannte Stadt Manfredonia erbaute, ward im Sturm genommen. Vereint hofften Troja, Cannae, Barletta den deutschen Waffen Widerstand zu leisten; in einem blutigen Treffen aber wurden sie mit großem Verlust an Todten und Gefangenen geschlagen und kehrten mit geringen Ueberresten in ihre Städte zurück, die jedoch Lothar, um sich nicht an kleinen Gegnern zu rächen und mit ihrer Züchtigung aufzuhalten, verschonte und nur den Schrecken seines Namens ihnen zurückließ, vor dem sie später noch, als er auf dem Rückwege ihnen nahte, in der Flucht ihr Heil suchten 1).

 

Als er Trani, einer der bedeutendsten Städte am adriatischen Meere sich nahte, begrüßten ihn nicht nur freudig die Einwohner, sondern ermuthigt durch seine Gegenwart und im Vertrauen auf seine milde Herrschaft, legten sie selbst Hand an, um die ihrer Stadt nahe gelegene Zwingburg Roger's zu zerstören. Sie hieran zu hindern, nahte zwar eine Flotte von 33 sicilianischen Schiffen, aber auch die dem Kaiser verbündete Flotte erschien auf der Rhede, und nachdem acht von jenen in Grund gebohrt und deren Führer getödtet worden, suchten die übrigen in der Flucht ihr Heil und wurden nicht mehr gesehen 2). Nicht lange durfte der Kaiser in einer Stadt, deren Bewohner so unverkennbare Zeichen ihrer Ergebenheit gegeben hatten, verweilen, da noch Bari, die wichtigste Stadt

 

1) In falscher Reihenfolge berichtet Falco Benev.: Inde (von Termuli) amoto exercitu Apuliam ingreditur et civitatem Sipontum et Montem sancti Angeli octavo die intrante mensis Maji comprehendit. Ann. Saxo a. a. O.: Adorato humiliter Beato Michaele Archangelo Imperator Trojam, deinde Rannas (vielleicht Cannas zu lesen) posthaec Barlit (Barletta) transiit, quarum civitatum habitatoribus causa ostentandae virtutis temere contra exercitum egressis multi capti sunt, plures interempti, multorum vero naribus et aliis membris detruncatis reliqui fugientes in oppida vix evaserunt. Imperator autem hac eorum clade contentus civitates ipsas ad alia festinans obpugnare destitit, quas tamen eo postea redeunte cives ob metum sponte deserentes in diversa fugerunt.

2) Ann. Saxo a. a. O.: Inde venit Tranam, quem incolae cum gaudio susceperunt, illoque primum adpropinquante animati ejus fiducia Castellum Rozieri subverterunt, ubi et occurrentibus Rozieri XXXIII navibus in praesidium suorum ab eo missis octo ex eis submersis et ductoribus eorum peremptis aliae vix fuga elapsae non comparuerunt.

II. 24

 

 

____

370 Sechster Abschnitt.

 

Apuliens, nicht in seiner Gewalt war. Das Pfingstfest in dieser zu feiern, brach er wenige Tage zuvor dahin auf. Nicht mehr folgte ihm der Erzbischof Bruno von Köln dahin nach. Das ungewohnte Klima hatte ihn wie so Viele aufs Krankenlager geworfen. Vergeblich suchte er zu Trani durch einen Aderlaß sich zu retten; Tags danach, drei vor Pfingsten, starb er 1); seine Leiche brachte man nach Bari, wo sie im Kloster St. Nikolaus feierlich beigesetzt wurde. Der schwerste und blutigste Kampf auf dem ganzen Zuge entspann sich in Bari. Zwar die Stadt schloß sich, gleich den meisten des Landes, freudig an den Kaiser und hoffte von ihm Befreiung von dem Joche Roger's. Aber dieses Joch war hier nicht so leicht zu brechen als in Trani, weil eine sehr feste Burg mit einer starken Besatzung, die bisher die Stadt und das Land umher tyrannisirt hatte, den hartnäckigsten Widerstand leistete. Vergebens liefen die Deutschen Sturm, sie verloren viele tapfere Krieger und unter ihnen auch den Grafen Siegfried, vielleicht denselben, der auf der ersten Romfahrt des Kaisers Bannerträger gewesen war. Wie bereitwillig und eifrig auch die Barenser Alles zum Unterhalt des Heeres und zu den Belagerungsmaschinen herbeischafften, die Gegenanstalten der Belagerten, ihre Tapferkeit, ihre Ausdauer hielt wochenlang die Einnahme der Veste auf 2). Erst als die ganze Heeresmacht der Deutschen sich hier versammelt, Herzog Heinrich von dem heiligen Vater begleitet eintraf, wurde nach den bisherigen Siegen des Kaisers und seines Eidams durch die Eroberung der stärksten Veste Apuliens, auf die Roger seine ganze Hoffnung gesetzt hatte, die Eroberung Apuliens vollendet.

 

Im Verhältniß zu seiner kleinen Heeresmacht hatte Herzog Heinrich von Baiern fast Unglaubliches in der kurzen Zeit von Anfang Februar bis Ende Mai verrichtet. Durch einen glänzenden

 

1) Ann. Saxo a. a. O.: Illic feria quarta ante Pentecosten Bruno Coloniensis Archiepiscopus sanguinem sibi minui fecit et tertio die repentina morte obiit. Später heißt es, nachdem ein Wunderzeichen bei St. Nikolaus zu Bari erzählt worden ist: Ibi etiam honorifice sepultus est Bruno Coloniensis Archiepiscopus. Wenn es noch zweifelhaft bleibt, ob das Kloster oder Bari unter ibi zu verstehen sei, so sagt Chron. Regia S. Pant. unzweideutig: in ecclesiam beati Nycholai ibidem honorifice tumulatur.

2) Ann. Saxo a. a. O., nachdem er Heinrich's Thaten erzählt, schließt: Cum Papa Imperatorem petiit, qui eo tempore id est ante solemnitatem Pentecostes Barum ingressus castra metatus fuerat circa Castellum Rokkeri munitissimum contra ipsam civitatem positum, quod diu vi magna exercitus impugnatum est machinis bellicis et multis ex utraque parte cadentibus capi non potuit, ubi etiam Sigefridus Comes sagitta percussus interiit.

 

 

____

371 Eroberung Thusciens durch Heinrich von Baiern.

 

Sieg bei Mugello vernichtete er das Heer des Grafen Guido, der vornehmlich zur Vertreibung Engelbert's, des kaiserlichen Statthalters von Toscana, mitgewirkt hatte, und zwang nach Einnahme dreier Burgen jenen selbst zur Unterwerfung 1). Noch leistete Florenz, das mit Quido früher gemeinschaftliche Sache gemacht, Widerstand, doch da nun Letzterer gezwungen war, gegen die Bundesgenossen die Waffen zu führen, konnte es nicht lange trotzen, mußte dem Kaiser Lothar und dem Papste Innocenz Gehorsam geloben, den früher vertriebenen Bischof wieder aufnehmen und ihm Genugthuung für die erwiesenen Gewaltthaten geben 2). Ueber Pistoria nahm dann der Herzog seinen Weg gegen Lucca, den Hauptsitz der Gegenpartei im Lande, nachdem er zuvor mehre Burgen, die theils von Feinden, theils von Raubgesindel inne gehabt, zerstört, aber in der rauhen, ihm unbekannten Gegend auch viele seiner Krieger eingebüßt hatte 3), ein Verlust, der um so bedenklicher war, als noch eine starke Gegenpartei im Lande dastand, und den meist durch Gewalt gezwungenen Verbündeten wenig zu trauen war. Vielleicht wäre ihm auch die Einnahme von Lucca nicht leicht geworden; doch schon hatte sich Bernhard von Clairvaur in seinem Lager eingefunden, um ihn zu Beschleunigung des Zuges zu bewegen, weil schon der Papst seiner Ankunft sehnsüchtig harrte. Der Abt und mehre Bischöfe beschwichtigten ebenso Heinrich's Zorn als die Eifersucht der Pisaner, die bereits Alles beim Herzoge aufgeboten hatten, um die mächtige Nebenbuhlerin zu vernichten, und die dieses Triumphes wie des daraus erwachsenden Gewinnes schon gewiß zu sein glaubten. Mit einer allerdings sehr bedeutenden Summe mußte Lucca das Verderben, das Heinrich, durch die pisanische Hülfe verstärkt, ihm zu bereiten

 

1) Ann. Saxo ad 1137 beginnt den Bericht über Heinrich's Thaten: Interea Heinricus Dux Bawaricus, quem superius diximus a Cassan causa Eggelberti Marchionis ab Imperatore directum, veniens in planitiem Musellae Widonem Comitem eidem Marchioni rebellantem devicit et destructis tribus ejus castellis ipsum Domino suo reconciliari coegit.

2) Ann. Saxo a. a. O.: Sic cum ipso (Widone) Florentiam adiens obsedit et ad deditionem compulit ac ejusdem civitatis Episcopum injuste expulsum sedi suae restituit.

3) Auf die Namen bei Ann. Saxo ist kein Verlaß, doch zeigen die Fakta überall den Theilnehmer an der italienischen Heerfahrt, Unde transiens Pistoriam venit ad Sanctum Genesium ejusque incolas, sed et Wicik Castelli (vielleicht Lizzano) rebellantes expugnando subdidit turrimque Capian (Catigliano ?) destruxit domicilium scilicet latronum et transeuntes injuste expoliantium. Inde duro et aspero itinere multis amissis laboriose Luccam adire tentavit quam et obsidere paravit.

24*

 

 

____

372 Sechster Abschnitt.

 

gedachte, von sich abwenden und durch Dienstleistungen des Kaisers und des Papstes Gnade wieder zu erwerben suchen 1).

 

Auf dem Wege nach Grossetto, wo Innocenz sich zu ihm zu begeben dachte, eroberte der Herzog noch einige trotzige Vesten und rächte sich für die Widerspenstigkeit der Landeseinwohner durch Plünderung und Verwüstung ihrer Besitzungen 2). Auch Grossetto theilte die feindselige Gesinnung der meisten Städte Thusciens, denen die zwiefache Herrschaft von Papst und Kaiser, wozu nun noch der Herzog als zukünftiger Lehnsträger der Kirche und als ein, wie sich zeigte, strenger Gebieter kam, um so weniger willkommen war, als sie seit dem Tode der Großgräfin Mathilde ihre eigenen Herren gewesen waren, und nun auch ferner gleich den lombardischen Städten eine wenig abhängige Stellung gegen jeden auswärtigen Machthaber zu erlangen hofften. Als Heinrich Gesandte nach Grossetto schickte, um die dem Kaiser schuldige Dienstleistung in dessen Namen zu fodern, drohten die Einwohner Steine auf sie zu werfen und die Deutschen mit gewaffneter Hand zu empfangen. Je trotziger das Benehmen der Italiener, besonders in Worten, sich ausdrückte, um so strenger glaubte Heinrich sich zeigen zu müssen, damit von vorn herein die Furcht seiner Herrschaft Achtung und Ansehen verschaffe. Alles kam wieder darauf an, der die Stadt beherrschenden Burg Meister zu werden. Sogleich wurden die Sturmmaschinen gegen diese gerichtet, und der Belagerungskunst, der kühnen Tapferkeit und Beharrlichkeit der Deutschen widerstand nicht leicht eine Veste. Auch die hier so trotzig vertheidigte erlag den wiederholten Angriffen, und nun ergab sich Grossetto aus Furcht vor harter Züchtigung dem Sieger. Durch die Ankunft des Papstes ward wol ein härteres Geschick von der Stadt abgewandt. Mit großer Ehrerbietung empfing ihn der Herzog 3) und erhielt wahrscheinlich für die bisher geleisteten

 

1) Ann. Saxo: Sed mediantibus quibusdam Episcopis et Abbate Clarevallensi data magna pecunia Ducem placaverunt. Cogente etiam ad hoc eos timore Pisensium, suorum videlicet adversariorum, quos modo inventa opportunitate audierant petere ducis auxilium ad destructionem sui et Montis Sanctae Mariae in quo se refugium habere sperabant. Daß die Pisaner erst den Herzog gegen Lucca aufgereizt, ist nicht wahrscheinlich, daß sie mit ihm gemeinschaftlich die Stadt bedrängten, unzweifelhaft.

2) Ann. Saxo. His ita compositis Dux castra movit. Hunsiem (?) quam expugnavit, exusta omni circumjacentia, aliud quoque castrum huic vicinum destruxit, sicque ad civitatem Grosset iter tetendit.

3) Ann. Saxo a. a. O. fährt fort: Qui missis nuntiis cum debitum Imperatori servitium exigeret, illi cum despectu lapides se missuros minitabantur, quapropter civitatem obsidione circumdedit, ubi et castrum quoddam munitissimum sibique plurimum resistens bellicis tandem machinis expugnatum cepit eoque timore praedictae civitatis habitatores deditionem fecerunt. Dann geht er gleich zur Zusammenkunft mit Innocenz über: In ipsa autem Papam Innocen tium honorifice suscipiens. Mit einer Heeresmacht verstärkte wol der Ankommende den Herzog nicht, doch vermehrte dieser selbst seine Streitkräfte aus Thuscien, welches er als sein Land betrachten konnte.

 

 

____

373 Heinrich von Baiern u. Innocenz vereinigen sich.

 

und noch zu leistenden Dienste die Belehnung, welche bei dem ersten Römerzuge ihm in dem Vertrage zwischen Papst und Kaiser zugesichert worden, da Letzterer noch bei Lebzeiten gern dem Eidam Alles bis auf die Kaiserkrone zuwenden wollte. Innocenz aber, dem auch im römischen Gebiete sich keine oder wenige Städte gehorsam gezeigt, mußte, um Heinrich's tapferen Arm zu seinem Schutz und zur Erkämpfung irdischen Besitzes zu erlangen, mit Bereitwilligkeit demselben entgegenkommen. Verbunden zogen beide weiter, der eine im Glanze seines Waffenruhmes, der andere vom Nimbus seiner kirchlichen Würde umstrahlt, denen vereint die Städte bis Rom hin nicht zu trotzen wagten, zumal da auch des Kaisers Annäherung mit der Hauptarmee ganz Mittel- und Unteritalien mit Schrecken erfüllte. Von Stadt zu Stadt führte Heinrich den heiligen Vater wie in einem Triumphzuge vorwärts. Nur Viterbo, wo gleich wie in Rom die Reichen und Vornehmen sich für Anaclet erklärten und in ihren festen Thürmen den frühern Auffoderungen Innocenz's keine Folge geleistet, ja gegen die offene Stadt, die für Letztern sich erklärt, die Umgegend und die dem Kaiser oder Papst unterthänigen Plätze feindliche Ausfälle gemacht hatten und noch erneuten, ergab sich erst nach wiederholten Drohungen und Mahnungen und mußte eine Genugthuung von 3000 Talenten entrichten. Dieses Strafgeld gab zu einer, wenn auch vorübergehenden Störung des guten Vernehmens zwischen Heinrich und Innocenz Anlaß, indem Beide die Summe, jener als Kriegssteuer, dieser, weil sie von einer ihm unterthänigen Stadt eingetrieben sei, für sich in Anspruch nahmen 1). Sie zu theilen, schlichtete wol den Streit am

 

1) Ann. Saxo: Contra adversarios potentes per civitates circumducens venit Biterviam (Viterbium) cujus major pars Innocentio, firmior autem favebat Petro Leonis, qui et prius urbem Sancti Valentini adjacentem et forum Imperatoris destruxerant, qui tandem Papae monitis et terrore Ducis impulsi se tradiderunt cum tribus millibus talentis, ubi et dissensio magna facta est inter Papam et Ducem, illo eandem pecuniam ex proprietate suae civitatis vendicante, isto vero jure belli eam obtinente. Ob Innocenz schon früher in Viterbo gewesen oder ob er jetzt erst den Kaiser hieher zu einer Zusammenkunft einlud, wird aus den widersprechenden Nachrichten der Chronisten nicht klar. Wenn letzteres der Fall war, schlichtete wol der Kaiser durch seine Gesandten den Zwist wegen des erhobenen Strafgeldes. Anhaltend, nachtheilig für die ferneren Unternehmungen Heinrich's, scheint derselbe nicht gewesen, doch gab er wol den ersten Anlaß, daß Innocenz dem Herzog später bei der Königswahl in Deutschland entgegen war. Der Hohenstaufe Konrad dagegen gewann auf diesem Zuge des Papstes Zuneigung.

 

 

____

374 Sechster Abschnitt.

 

besten. Gemeinsam drang man dann bis Sutri vor, wo Innocenz den dortigen Bischof, einen Anhänger des Gegenpapstes, absetzte und an seine Stelle einen Deutschen, Johann, bisher Kaplan bei dem Abte von Fulda, zu der Würde erhob. An dieser Handlung nahm auch der Herzog Heinrich, wie es scheint als Stellvertreter des Kaisers, Theil, ja er mochte wol auf die Ernennung Johann's hingewirkt, den Papst dazu bestimmt und die Ertheilung der weltlichen Regalien vollzogen haben 1). Jedenfalls war es sehr klug von beiden Männern, daß sie vor den Augen der Italiener nichts mehr von einem Zwiespalt, sondern die engste Gemeinschaft in all ihren Handlungen zeigten. Von diesem Gesichtspunkte ist es denn auch erklärlich, daß der Papst in Bezug auf sein Hauptziel, Rom, den Anordnungen Heinrich's oder vielmehr Lothar's sich fügte und - so schmerzlich es ihm auch sein mochte - auf einen Angriff der Stadt jetzt noch Verzicht leistete, ja sogar erklärte, er wolle noch nicht nach Rom gehen, um den Einwohnern keine Ungelegenheir, Bedrängniß und Kriegsnoth zu veranlassen und dadurch sich nur Schwierigkeiten zu bereiten, die, wenn erst das übrige Italien ihm und dem Kaiser unterworfen sei, von selbst sich lösen würden 2). Ueber Alba im römischen Gebiet, das einigen Widerstand versuchte, aber diesen mit Zerstörung seiner Vorstädte büßte, zogen die Sieger nach Campanien, das gleichfalls mit leichter Mühe zum Gehorsam gebracht wurde 3).

 

1) Ann. Saxo a. a. O.: Inde venientes Lutheren Episcopum Petri Leonis fautorem deposuerunt, et loco ejus Johannem Abbatis Vuldensis Capellanum subrogaverunt. Noch mehre deutsche Geistliche gelangten in Italien zu erledigten Würden. Ohne Lothar's und Heinrich's Zuthun geschah das wol nicht. Es war eine kluge Politik, zuverlässige Deutsche in Italien einzusetzen.

2) Falco ad 1137: Romam quidem ingredi noluit, ne in Romanorum negotiis impediretur.

3) Falco a. a. O.: Apostolicus continuo Romanos fines advenit et civitatem Albanam (Chron. Ursp. sagt: Suburbia Albae civitatis sibi resistere nitentis expugnavit ac destruxit) et provinciam totam Campaniae suae obtinuit fidelitati. Chron. Cass. lib. IV, cap. 106: Eodem tempore Heinricus Dux, gener Imperatoris, intravit Campaniam una cum Papa Innocentio ab Imperatore transmissus.

 

 

____

375 Das Kloster Monte Cassino muß sich ergeben.

 

Von der höchsten Wichtigkeit nicht blos für die römischen Päpste, sondern auch für die weltlichen Machthaber war in jener Zeit das Kloster Monte Cassino, unweit der Stadt St. Germano hoch auf einem Berge gelegen, ebenso berühmt durch seinen ersten Stifter 1) Benedict, den Patriarchen der Mönche des Abendlandes, als durch die Naturschönheiten, die es zu einem der herrlichsten Punkte der Welt machen. Die Aebte des Klosters gehörten zu den angesehensten Geistlichen und ihre Entscheidung wurde bei kirchlichen Streitigkeiten sehr beachtet. Anaclet, der auf Unteritalien seine Macht stützte, hatte in Gemeinschaft mit König Roger dafür gesorgt, daß ein ihnen ergebener Mann die Abtwürde erhielt. Rainald, der Thuscier, blieb auch beiden getreu, so lange nicht eine überlegene Macht und allzulockende Zusagen und Versprechungen der Gegenpartei ihn wankend machten. Bei der Annäherung des deutschen Heeres zeigte er noch viel Entschlossenheit und erklärte, als Innocenz seinen Kaplan nach Monte Cassino schickte, um die Mönche auf friedlichem Wege zu gewinnen, daß er Anaclet und Roger nie verlassen und eher seine Würde niederlegen als seinen Eidschwur brechen werde. Heimlich wußte er zur Vertheidigung der Befestigungen, die das Kloster umgaben, eine dem Könige von Sicilien ergebene Schar herbeizuziehen 2). Innocenz's Anträge wurden nur von dem am Fuße des Berges gelegenen St. Germano angenommen, während das Kloster sich eilf Tage vertheidigte und von keiner Uebergabe wissen wollte. Zum Aeußersten mochte aber auch Herzog Heinrich es nicht kommen lassen. Er ließ, da er die Bedrängniß und Hungersnoth in Monte Cassino erfahren hatte, den Abt noch einmal zur Ergebung auffodern, versprach ihm gegen Auslieferung eines prächtigen goldenen Pokals, 400 Pfund Silber und Geiselstellung im Namen des Kaisers, nicht nur Schonung seiner Person und des Klosters, sondern auch die

 

1) Später stellte das von den Longobarden zerstörte Kloster der heilige Petronax unter Papst Gregor II. wieder her.

2) Chron. Cassin. IV, cap. 106 sehr ausführlich über die Verhandlungen und die Vertheidigung. Innocenz's Gesandte versprachen den Mönchen: Si se suscipere velint et Innocentio Papae obedire, se illos ut filios et fratres ut socios dilecturos, monasteriumque sub custodia et protectione Imperatoris habituros. Rainald erklärt im Convent: Abbatiam se ab eis (Anacleto et Rogerio) accepisse eamque pro illorum arbitrio sive tenere sive dimittere paratum. Haec ille. Jam vero Gregorium Adenulphi filium cum exercitu clam advocaverat, cujus ope monasterium contra Papam Ducem atque monachos retinere posset. Ei advenienti foederatus Abbas monasterii munitiones tradit impetuque facto Pontificis nuntios fugat.

 

 

____

376 Sechster Abschnitt.

 

Beibehaltung seiner Würde, wofern er von Anaclet sich lossagen und mit ganzer Treue Innocenz und Lothar dienen wolle. Diese Zusicherung in Betreff seiner selbst wirkte auf Rainald wol am meisten, da das Beispiel so vieler entsetzten Geistlichen von Anaclet's Partei ihn das gleiche Schicksal befürchten ließen, und er nur zu seiner Selbsterhaltung bisher die Vertheidigung für nothwendig erkannt hatte. Dem Worte des Herzogs vertrauend, öffnete er die Zugänge des Klosters den Deutschen. Diese bewiesen auch alle die Schonung, welche Heinrich dem Abte zugesichert. Nur die Besatzung wurde vertrieben, kaiserliche Fahnen in der Klosterkirche des h. Benedict und auf der nahe liegenden Burg aufgepflanzt, daß sie weit umher im Lande die neue Herrschaft verkündeten und die Anwohner zu Unterwerfung und Gehorsam mahnten 1). Um aber Denen, die etwa noch Widerstand zu leisten gedachten, zuvorzukommen, brach Heinrich schon Tages darauf weiter vor, nicht nur von Innocenz, der während der Belagerung Monte Cassinos sich in St. Germano verweilt hatte, auch von Robert, dem Fürsten von Capua, begleitet, der nun sein jahrelang ersehntes Ziel, die Wiedererlangung seiner Herrschaft, erreichen sollte.

 

Schon weit entgegen kamen den beiden Fürsten Gesandte aus Capua, die ihrem vertriebenen Herrn, dem Herzog Heinrich und dem Papste Innocenz den Gehorsam und die Unterwerfung des ganzen Fürstenthums verkündeten, und bald strömten von allen Seiten Laien und Geistliche in das Lager der Deutschen, theils aus wahrer Anhänglichkeit und Diensttreue gegen Robert, dessen Fürsprache und Gold jede Plünderung der Deutschen abwandten, theils in Erwartung reichen Lohns und großer Beute auf dem fernem Kriegszuge, auf dem sie die Deutschen begleiten sollten 2). So ging abermals eine

 

1) Chron. Cas. a. a. O.: Jam fere undecim transierant dies, cum Dux monasterii consumi bona perspiciens simulque pugnae praeterire tempus Rainaldum evocat acceptoque aureo calice et quadiringentis libris argenti et obsidibus datis, Abbatiam illi, si in ejus fide permaneat, ex Imperatoris parte confirmat et eum a se suisque securum reddens, Imperatoris vexillum intra beati Benedicti ecclesiam induci ac demum in arce, quae ecclesiae imminet, ingenti cum laude praecepit imponi. Allerdings konnte Heinrich nur im Namen des Kaisers, nicht in dem des Papstes den Vertrag schließen. Er darf keiner Hinterlist beschuldigt werden, wenn später der strenge Innocenz auf des Abts Entsetzung drang.

2) Chron. Cas. (nach der Anführung bei Baron. p. 322): Altero die movens castra exercitum contra Capuam dirigit. Ibi Raho Rahelis filius et Goffridus Aquillanus venientes se suosque Pontificis et Roberti Principis et Henrici Ducis imperio subdunt. Hoc facto Capuanus omnis Principatus Rogerii jussa linquentes Papae vestigiis advolvuntur, omnia imperata facturos. Peter Diaconus eigene Worte sind: Capuam cernentes Barones catervatim ad Papam et Ducem confluere solo prostrati veniam poscunt. Qua impetrata et se suaque una cum civitate illorum dominio subdunt. Henricus - - una cum Papa Innocentio Roberto Principi Capuanum principatum restituit. Kurz drängt Alles Ann. Saxo zusammen: Per Romanam intrantes Campaniam aditum Montis Cassini Dux obsedit et ad deditionem compulit, deinde veniens secus Capuam, cum de obsidione ejus tractaret princeps pro incolumitate civitatis datis quatuor millibus talentis cum ipso in expeditionem profectus est. Daß Robert Gold an die Deutschen zahlte und mit seinem Heere sie verstärkte, verschweigen die Italiener.

 

 

____

377 Capua unterwirft sich.

 

Provinz für Roger verloren, und wenn dieser auch auf der südlichsten Halbinsel sich noch behauptete, gab doch der freiwillige Anschluß Capuas, die Wiedereinsetzung Robert's den Deutschen und dem Papst Innocenz ein solches Uebergewicht, daß Herzog Heinrich ein weiteres Vordringen einstweilen für unnöthig erachtete und seinen Zug östlich nahm, eines Theils um nicht feindliche Städte im Rücken zu lassen, anderen Theils um mit dem Hauptheer und dem Kaiser in Verbindung die Eroberung Italiens zu vollenden. Benevent, außerhalb des römischen Gebiets für die Päpste die wichtigste Stadt, weil sie in unmittelbarer Lehnsabhängigkeit vom apostolischen Stuhle stand, war nach dem Abzuge des Kaisers aus Italien (1133) und bei dem Eindringen Roger's in die von demselben abgefallenen unteritalienischen Provinzen wieder in die Gewalt Anaclet's gekommen, ein großer Theil der Anhänger Innocenz's aus der Stadt vertrieben und abermals der Kardinal Crescentius zum Statthalter eingesetzt 1). Hätte jetzt eine starke Besatzung oder gar ein Heer Roger's bis Benevent vordringen können, so wäre der Herzog Heinrich vom Kaiser abgeschnitten gewesen und jene Stadt wäre nicht mit so leichter Mühe von Innocenz zum zweitenmal dem Gegenpapst entrissen worden. Das gemeinschaftliche Interesse Heinrich's und Innocenz's, wenn nicht ein Befehl des Kaisers, foderte zu einem Zuge gegen Benevent auf. Während des Zuges wurden noch manche trotzige Vasallen Robert's von Capua, manche Burgen und Städte überwältigt und hart gezüchtigt 2). Am 23. Mai lagerte das Heer vor Benevent

 

1) Falco Benev. Chron. p. 119: Pontifex autem sub Anacleti nomine coloratus cursu rapido Beneventum venit et civitatem illam ipsius Regis (Rogerii) virtute suae obtinuit voluntati.

2) Ann. Saxo a. a. O.: Transeuntes circumquaque castella vel oppida, quae rebellare tentassent, subruentes tandem Beneventum petierunt.

 

 

____

378 Sechster Abschnitt.

 

an der Brücke St. Valentin hinter dem Berge St. Felix 1). Ehe man Gewalt brauchte, versuchte der Papst den Weg friedlicher Ueberredung und sandte in dieser Absicht den gewandten und milden Kardinal Gerhard in die Stadt. Wirklich ließ ein Theil der Bürgerschaft sich mit diesem in Unterhandlungen ein, die einen friedlichen Ausgang erwarten ließen. Doch kaum war Gerhard am folgenden Tage mit der erfreulichen Nachricht ins Lager zurückgekehrt und das deutsche Heer in die Ebene vorgedrungen, als die Einwohner aus Furcht vor einem Ueberfall zu den Waffen griffen und von ihrem Erzbischofe Roscemanus, einem heftigen Gegner des Papstes, aufgereizt, zum hartnäckigsten Widerstande sich rüsteten 2). Wol ohne Grund suchten die Beneventaner oder doch die Anhänger Anaclet's eine Arglist Innocenz's in dieser vorgerückten Stellung, vielmehr scheinen sie solches nur zum Vorwande benutzt zu haben, um die zum Frieden Geneigten davon abzuschrecken. Doch auch dies gelang ihnen nicht einmal. Auf Gerhard's Auffoderung kamen diejenigen, mit denen er Unterhandlungen angeknüpft hatte, in das deutsche Lager, schlossen hier einen förmlichen Vertrag ab, wonach sie dem Papst im Namen ihrer Partei Folgeleistung der gemachten Foderung gelobten, und kehrten mit der Nachricht, daß Innocenz der Stadt den Frieden gewähren, vor jeder Gewaltthat sie bewahren wolle, nach Benevent zurück 3). In dieser Nachgiebigkeit mochte die Gegenpartei eine Schwäche des Feindes erkennen und während der Unterhandlungen das Heer Heinrich's für unvorbereitet zum Kampfe halten. Sie beschlossen also, durch einen kühnen Ausfall

 

1) Chron. Cas. sagt: Ad pontem S. Valentini juxta Beneventum. Falco Benev.: Apostolicus decimo Kal. Junii Beneventum venit et retro montem S. Felicis prope Beneventum cum Henrico Duce - - castra metatus est.

2) Falco Benev. a. a. O. nach dem Bericht über Gerhard's Unterhandlungen: Alio autem die adveniente Apostolicus consilio arrepto castra inde amovit, die videlicet sabbati et ex ea parte dicti montis S. Felicis transivit cum exercitu Henrici Ducis ad planitiem Petri juxta flumen Sabettum. Beneventanus autem nihil ex his, quae fiebant, agnoscere poterat (wol weil der Berg bisher den Feind ihnen verdeckte) quod ubi Beneventani noverunt, timore admodum percussi sunt. Tunc Roscemanus intrusus ab Anacleto Beneventanus Archiepiscopus Romanae sedis adversarius cives fere universos movit, ut contra Apostolicum venientem insurgerent et ad eorum posse resisterent.

3) Falco Benev. a. a. O.: Tunc absque mora praedictus Gerardus Cardinalis vocari fecit Landulphum Judicem Beneventanum et Ludovicum Medicum et Malfredum de Grimoaldo Abbatem, ut de pacis foedere loquerentur, et civitatem Domino Papae Innocentio redderent. Exierunt itaque illi vocati et petitionibus Apostolici faventes ad civitatem revertuntur.

 

 

____

379 Eroberung von Benevent.

 

ihrer Sache den Sieg zu verschaffen. Allein dem Herzog blieb dies nicht verborgen, insgeheim ließ er waffnen. Anstatt aber seine Scharen zum Treffen hinauszuführen, legte er sie in einen Hinterhalt. Die zum Ueberfall Heranziehenden wurden nun selber überfallen, und nachdem sie viele Getödtete und Gefangene verloren, flohen die Uebrigen, kaum Einer ohne Wunden, zur Stadt, wo nun die Bestürzung so groß war, daß man Tags darauf, an einem Sonntage, eine Gesandtschaft zu Innocenz abschickte, die demüthig um Frieden und Auslieferung der vielen Gefangenen bat. Der Papst versprach beides, sobald die Uebergabe erfolge, zu gewähren. Diese ward von dem Theil, der ihm anhing, sogleich bewilligt, der Eid der Treue geschworen, ja sogar die Gegenpartei mit Gewalt zum Gehorsam gegen den rechtmäßigen Papst gezwungen und der Statthalter Anaclet's, Crescentius, gefangen ausgeliefert. In Furcht eines gleichen Schicksals ergriff der Erzbischof die Flucht. Unterdeß drangen die einmal zum Kampf begierigen und von einem vornehmen Beneventaner noch mehr gereizten Deutschen im Sturme vorwärts, und die prächtige Stadt wäre ihrer Wuth preisgegeben worden, wenn nicht noch zu rechter Zeit der Papst zum Herzog sich begeben und durch diesen die wilden Krieger gebändigt hätte 1).

 

In Benevent hatte nur Innocenz als Herr zu gebieten, und der Herzog pflichtete seinen Anordnungen bei. Mit der höchsten Milde und seiner Würde angemessen, foderte Jener Nichts als den Eidschwur der Treue von allen Bürgern und die Zurückberufung der um seinetwillen Verbannten. Durch den Kardinal Gerhard ließ

 

1) Falco Benev. a. a. O. Nachdem er Ausfall, Hinterhalt und Schlacht berichtet, fährt er also fort: Die Dominico quidam de civibus veniunt ad Apostolicum petentes suppliciter captivos, quos statim ipse Apostolicus jussit absolvi reddique liberos suis, quibus acceptis facta est ex parte deditio civitatis. Nam exhibita sunt juramenta fidelitatis eidem Innocentio Papae abiis, qui ad Innocentium ipsum venerunt. Cumque interea Teutonici provocati a quodam Beneventanorum primario civitatem ingredi et perdere festinarent, occurrit Innocentius Papa et per Ducem ipsorum Henricum compescuit eos, sicque opera Papae liberata est civitas et praeda Teutonum. Dann folgt die Auslieferung Crescentius' und die Flucht Roscemanus'. Ann. Saxo a. a. O. berichtet manches Abweichende: Cives hostilia minantes Dux superavit pluribus occisis, innumerabilibus captis ibique Papam sedi suae restituit, cujus judicio duos Cardinales pro schismate Petri Leonis depositos claustro Monachorum imposuit. Von diesen zwei Kardinälen wissen die Italiener nichts. Sollten etwa Crescentius und Roscemanus, der dann auf der Flucht hätte eingeholt sein müssen, die beiden sein?

 

 

____

380 Sechster Abschnitt.

 

er auch diese Befehle ausrichten 1), er selber betrat die Stadt nicht, was die Bürger fast wie eine Strafe und Entehrung ansahen, weshalb sie, als er schon am 25. Mai mit dem Herzoge zum Kaiser den Zug fortsetzen wollte, vor dem Thore, bei welchem sein Weg vorbei ging, sich in großen Massen aufstellten und ihn erwarteten. Innocenz erwiederte auf die Huldigungen und die Zeichen der Ergebenheit, welche ihm das Volk bezeigte, in der ihm so ganz eigenen Aller Herzen gewinnenden Sprache: „Ich danke euch, daß ihr einmüthig und mit lauterer Willfährigkeit mir Treue gelobt habt. Ich bitte euch, geliebte Brüder und wackere Bürger, bewahret stets Frieden und Gerechtigkeit unter einander. Schenkt Gott mir längeres Leben, so werde ich eurer Handlungen nach Verdienst gedenken. Jetzt schon eure Stadt zu betreten, erlauben die vielfachen Geschäfte nicht, die ich mit dem Kaiser abzumachen habe. Aber wenn ich diese mit Gottes Hülfe glücklich beendet, kehre ich zurück und will dann über die Wohlfahrt eurer Stadt mit euch zu Rathe gehen. Einstweilen lasse ich euch meinen Bruder, den Kardinal Gerhard, zurück, der, seid versichert, auf euer Bestes denken und Eintracht unter euch zu erhalten bemüht sein wird.“ Nachdem er dies und anderes noch zu den Beneventanern gesprochen, setzte er die Reise zum Kaiser fort, die er so schnell als möglich zurückzulegen beabsichtigte 2).

 

Es war durchaus nothwendig, daß beide hohen Häupter, Papst und Kaiser, die, seit dieser im Jahre 1133 Rom verlassen, sich nicht von Angesicht gesehen und gesprochen hatten, eine mündliche Abrede über die fernere Unternehmung trafen, ja daß sie gemeinsam an den Kriegsereignissen Theil nahmen, weil diese mehr als je und als in irgend welchen anderen Gegenden der Welt beider Rechte, beider Machtansprüche, beider Würde nahe berührten. Die Staaten

 

1) Falco Benev. a. a. O: Tunc exhibita est ab Innocentio ea huma nitas, ut exules in civitatem reverti liberos sineret (Falco selbst gehörte dazu). His peractis rebusque bene dispositis rursus tertio (d. h. am dritten Tage nach der Ankunft vor Benevent) idem Apostolicus Gerardum Cardinalem mittit in civitatem, qui a civibus juramentum fidelitatis exigeret, quod et factum est.

2) Diese Rede des Papstes gibt der Zeitgenosse und geborene Beneventaner Falco a. a. O. Dem Inhalte, der Gesinnung nach ist sie gewiß als authentisch zu betrachten. Er leitet sie ein: Innocentius consilio habito iter arripuit octavo Kalendas Junii ad Imperatorem. Veniens autem ante portam Summam cognominatam invenit ibi populum ipsum exspectantem, ad quos ista locutus est. Nach der Rede des Papstes bemerkt Falco: His et aliis dictis Innocentius coeptum prosecutus iter ad Imperatorem Lotharium venit, quem odsidentem Barensem civitatem invenit.

 

 

____

381 Unteritalien.

 

und Städte Unteritaliens, die bereits schon erobert waren oder noch dem bisherigen Beherrscher Roger entrissen werden sollten, gehörten einerseits zu dem Königreich Italien in der Ausdehnung, wie jenes einst von Gothen, Longobarden und dann wieder unter den Ottonen wirklich als ein Ganzes behauptet und von Allen, die sich den Würdetitel beilegten, wenigstens angesehen worden war. Andererseits hatte im Widerspruche damit der römische Papst die Eroberungen der normannischen Fürsten im wechselseitigen Interesse mit diesen als Lehen der Kirche betrachtet und sie als solche den fremden innationalen Herrschern übergeben. Zwar die einzelnen kleinen Fürsten erkannten, seit Robert Guiskard sie von sich abhängig gemacht, in jenem und dessen Nachfolgern, und so in König Roger, ihren Oberlehnsherrn, bis die Schlacht bei Nuceria auf eine Zeitlang dieses Verband löste. Wenn Letztgenannter mit Gewalt wieder in den völligen Besitz von Unteritalien gelangt wäre, hätte das bisher übliche Verhältniß fortbestanden, da auch Roger die nominelle Anerkennung des Papstes als des Verleihers der Oberherrschaft über die Theilfürsten nicht zurückwies. Denn er hatte von Anaclet sowol den Königstitel als die Belehnung angenommen. Daß sich Innocenz als den rechtmäßigen Papst und somit als den Verleiher der Würden und Rechte, die Roger von Anaclet erhalten, ansah, war ganz in der Ordnung. Da er aber Roger's Entfernung von der Halbinsel selbst mit dem größten Eifer betrieben und zum Vollstrecker dieses Urtheils den Kaiser herbeigerufen, so hätte nach apostolischer Berechtigung Lothar erst vom Papste die Belehnung mit der Oberherrschaft von Unteritalien einholen müssen. Dem widersprachen aber die ältern Berechtigungen und Ansprüche, welche die deutsch-römischen Kaiser an die ganze Halbinsel machten. Nie war von Seiten der Letztern das Recht der Päpste, die unteritalienischen Staaten zu verleihen, anerkannt, vielmehr dagegen laut protestirt oder die Anmaßung stillschweigend übersehen worden. Jetzt stand ein deutscher Kaiser wieder mächtig wie keiner seit Karl dem Großen auf italienischem Boden, und gerade Unteritalien war das Ziel seiner Wiedereroberung. Der Papst selbst hatte dazu die Hand geboten und dorthin zu ziehen ihn aufgefodert.

 

Es wäre lächerlich gewesen, über die beiderseitigen Ansprüche des Papstes und des Kaisers zu rechten und Bestimmungen zu treffen, so lange der furchtbare Gegner Beider, wider den die mächtigsten Städte und Fürsten Italiens, der Papst selbst und der oströmische Kaiser den deutschen Herrscher flehend um Schutz gebeten, unbezwungen und ungedemüthigt dastand. Jeder der Hülfsbedürftigen hatte nur

 

 

____

382 Sechster Abschnitt.

 

die Noth und Bedrängniß im Auge gehabt, und richtete sehnsüchtig den Blick auf Lothar. Diesem Bedingungen, Beschränkungen im Voraus aufzuerlegen, hätte bei ihm wenig Lust zum Beistande, zur zweiten Heerfahrt nach Italien erweckt. Andere Rücksichten, Bedenken und Ansprüche traten nun hervor, als Unteritalien zum größern Theil den deutschen Waffen unterlegen und die Bezwingung des übrigen Theiles keinem mehr zweifelhaft schien. Daß der griechische Kaiser seine hochtrabenden Versprechen und eidlich zugesicherten Hülfsleistungen mit Heer, Flotte und Geld nicht hielt, wunderte wol Keinen. Seine Absicht war bereits erreicht, er wußte Roger in Italien beschäftigt, erhielt gegen ihn freie Hand in Afrika und auf dem Meere. Was man dem Könige in Italien wegnahm, war früheres Besitzthum der Griechen, das diese nun aus der Hand des einen Räubers, wie sie meinten, in die des andern fallen sahen. Gewiß wenn sie Antheil an der Bekämpfung Roger's nahmen, erfoderte es die Ehre, auch ihre Ansprüche an das Eroberte zu erneuen, und eine ältere Berechtigung als die Lothar's und die Innocenz's trat dann den beiden letztern entgegen. Diese bedurften weder der griechischen Hülfe, noch konnten sie sie wünschen; zwischen ihnen beiden nur entstand ein Streit über Berechtigungen, die freilich gleich nichtig waren, so lange Roger sich ihrer beider Oberhoheit entzog. Nur ein Recht gab es ihm gegenüber, das Recht der Gewalt!

 

In neuern Zeiten tritt dieser Macht eine andere, die Politik genannt, hemmend entgegen und weiß durch Vereinigung mehrer schwächerer oder bisher parteiloser Staaten ein Gegengewicht hervorzurufen, das im Anfange des 19. Jahrhunderts einen ganzen Welttheil in zwei kriegführende Parteien schied und dereinst wol ganze Welttheile im Kampfe zu scheiden haben wird. Im Mittelalter, wo Das, was wir Politik heißen, noch so gut als gar nicht vorhanden war, vertrat eine andere moralische Gewalt deren Stelle und verfuhr mit wirklicher Consequenz (während die heutige Politik in einem unbegrenzten Raume umherschweift, einen Gegendruck gegen jede weltliche Macht, die einen Umsturz alter bestehenden Verhältnisse wagt, so lange übt als die Gefahr obschwebt, dann sich in sich selbst zurückzieht und nach neuer Thätigkeit bald hier bald dort, bald diesem bald jenem zum Vortheil hinauslugt) gegen jede weltliche Uebermacht; es war die Kirche. Wir haben gesehen, wie sie gegen Heinrich IV. und V. aufgetreten war, als diese die Königsgewalt über jede andere innerhalb des römisch-deutschen Kaiserreichs unumschränkt zu erheben gedachten, wie sie dann sich mit Heinrich V. gegen die Macht geistlicher und weltlicher Fürsten vereinte, wir sehen,

 

____

383 Innocenz, Heinrich und der Kaiser in Bari.

 

wie sie jetzt sich gegen Lothar erhob, als derselbe nahe daran war, ganz Italien unter sein Scepter zu beugen, und jedesmal erkennen wir in ihrem Verfahren das konsequente Bestreben, sich die Vortheile, die Andere errungen, anzueignen. So behauptete sie jetzt, daß ihr gehöre, was der Kaiser als sein Eigenthum in Besitz zu nehmen gedachte. Erst mit und nach dem Siege des Mächtigen über Andere gewann sie ein Alles überragendes Dasein. Je höher Jener stieg, um so mehr Bedeutung erhielt ihre Anfoderung. In Betreff Unteritaliens waren die Ansprüche des päpstlichen Stuhles keine neuen, bisher unerhörten. Sie durften nicht erst durch Kampf Gültigkeit erhalten, sondern konnten unter zwei so besonnenen Männern wie Innocenz und Lothar auf dem Wege gegenseitiger Verständigung, des Nachgebens von beiden Theilen ausgeglichen und begrenzt werden. Dazu war aber gemeinschaftliches Handeln nöthig. Papst und Kaiser erkannten dies in gleicher Weise und waren zu einer Zusammenkunft bereit. Die hartnäckige Vertheidigung der Veste bei Bari gestattete dem Letztern nicht, diesen Ort zu verlassen. Die leichte Besitznahme Campaniens, die rasche Bewältigung Benevents gaben dem Papste freie Hand, und darum stand er nicht an, sich so schnell als möglich nach Bari zu begeben. Dem Herzog Heinrich war es eben so erwünscht, dem Kaiser sich wieder anzuschließen, da er bisher als dessen Vertreter den Ansprüchen Innocenz's entweder gehässig hatte entgegentreten oder nachgiebig sich fügen müssen, was ihm beides wenig erfreulich gewesen war. Der Kaiser endlich gewann eine Verstärkung sehr kampferprobter Krieger, in dem Eidam einen erfahrenen Beistand im Rath wie im Felde, einen Vertrauten, wie er ihn jetzt mehr bedurfte als je, und einen geliebten Sohn, für den er ja Alles, was er noch in seinen hohen Lebenstagen vollendete, that und mit dem er darum auch in engster Gemeinschaft handeln mußte, sei es, daß er dem Feinde Roger neue Landstrecken, Städte und Vesten abgewinnen, sei es, daß er seinem Verbündeten, dem Papste, Zugeständnisse machte oder dessen zu weit gehende Ansprüche zurückweisen wollte.

 

Ohne sich mit Eroberungen aufzuhalten oder durch widerspenstige Feinde aufgehalten zu werden, langten Innocenz und Heinrich gegen Pfingsten vor Bari an 1), wo am ersten Feiertage der heilige Vater

 

1) Ann. Saxo ad 1137: Hinc praefatam transiens Trojam illamque quibusdam captis despolians (also zeigte sich wol die Stadt immer noch abgeneigt, wenn sie auch keinen offenen Widerstand weder jetzt Heinrich noch später dem Kaiser auf dessen Rückmarsche that) cum Papa Imperatorem petiit, qui eo tempore i. e. ante solemnitatem Pentecostes Barum ingressus castra metatus fuerat etc. Daß auch der Papst und Heinrich noch vor dem Feste eintrafen, geht daraus hervor, daß Innocenz am Pfingstsonntage zu Bari in Gegenwart Lothar's Messe las.

 

____

384 Sechster Abschnitt.

 

in der glänzendsten Versammlung, vor dem Kaiser, den ersten Fürsten und Geistlichen des Reichs feierlich die Messe las, eine Handlung, die der Menge so erhaben schien, daß sie dieselbe noch durch ein besonderes bedeutsames Himmelszeichen verherrlicht zu sehen glaubte 1). Jetzt wurde wol auch erst die Leiche des in Trani verstorbenen Erzbischofs Bruno von Köln bestattet, jedenfalls dessen Nachfolger Hugo, früher Dekan des kölner Erzstiftes, auf des Kaisers Anordnung erwählt und vom Papste geweiht und mit dem Pallium beschenkt. In Hugo's Erhebung, so fern von seiner Diöcese, lag gewiß eine Abweichung von der üblichen Wahlform, da weder das Gesammtkapitel noch das Volk, die einst bei Bruno's Wahl auf ihre Rechte so hartnäckig bestanden hatten, zugezogen werden, höchstens einige vornehme Mitglieder jenes und die Kriegsmannschaft Kölns als Repräsentanten des Volks einen Antheil nehmen konnten. Doch als Kanzler von Italien war ein Erzbischof von Köln dem Kaiser fast unentbehrlich, eine Uebertragung der Würde an einen anderen Prälaten schon darum mißlich, weil leicht wie beim Antritt der Heerfahrt die kölnischen Scharen, die zu den bedeutendsten gehörten, sich von Neuem gekränkt und zurückgesetzt wähnen mochten. Die Anwesenheit des Papstes zeigte sich hier dem Kaiser von großem Vortheil; denn Wahl und Weihe des Erzbischofs Hugo konnten nun rasch und einmüthig von dem Reichs- und Kirchenhaupt vollzogen werden 2), und da ein würdiger, ein dem kölner Kapitel angehöriger Mann erhoben ward, hatte wol kein Wahlberechtigter Einspruch gethan, auch wenn Hugo länger als wenige Wochen in der erhaltnen Würde verblieben wäre.

 

An die für Papst und Kaiser wichtigere Entscheidung wegen der Oberhoheit der dem König Roger abgenommenen unteritalienischen Besitzungen ward zu Bari wol noch nicht gedacht, da nicht nur hier

 

1) Ann. Saxo a: a. O.: Apud Barum quoque in die sancto Pentecostes Papa Missarum solemnia celebrante astantibus Imperatore, Episcopis et principibus visa est super Monasterium Sancti Nicolai corona aurea de coelo descendens, super quam columba subtus vero thuribulum cum incenso ferebatur, quam et praecedentes duo cerei ardentes videbantur.

2) Ann. Saxo a. a. O.: Ibi etiam honorifice sepultus est Bruno Coloniensis Archiepiscopus, pro quo Hugo ejusdem Ecclesiae Decanus constitutus ibidem pontificalem benedictionem et pallium a Papa suscepit.

 

 

____

385 Einnahme der Veste bei Bari.

 

sondern auch auf andern Punkten der gemeinsame Feind in schwer einzunehmenden Vesten sich behauptete. Trotz der verstärkten Kriegsmacht des Kaisers, trotz der thätigen Unterstützung der Barenser, die ihnen verhaßte Zwingburg zu erstürmen, gelang dies doch erst nach 40tägiger Belagerung durch Anwendung der größten Sturmmaschinen und Untergraben der Festungswerke 1). Im höchsten Grade erbittert waren die Italiener gegen die Besatzung, welche zum Theil aus Sarazenen bestand, sodaß hier Religionshaß noch die Kriegswuth steigerte. Nicht begnügte man sich mit den Opfern, die beim Einsturz der Mauern ihren Tod gefunden. Als die Uebrigen nach heldenmüthiger Gegenwehr sich ergaben, hieb man Hände und andere Gliedmaßen den Unglücklichen ab, stürzte sie dann von steilen Felsen ins Meer oder hängte sie an Pfosten auf, nur Wenige fristeten in harter Gefangenschaft ihr Leben 2). Daß die Burg selbst verbrannt, der Erde gleich gemacht und so zu ferner Benutzung unbrauchbar gemacht wurde, war Lothar den Einwohnern von Bari schuldig, da sie von jeder Besatzung, die in dieselbe gelegt worden wäre, eine Beeinträchtigung ihrer Freiheit befürchteten.

 

Die Einnahme der für unbezwinglich gehaltenen Veste verbreitete in den noch von Roger's Tyrannei bedrückten Städten Unteritaliens die größte Freude. Die ganze südöstliche Küste bis Tarent erkannte in dem Kaiser ihren Befreier und sandte Boten in

 

1) Ann. Saxo: Denique multis machinationibus elaborantes tam milites Imperatoris quam Barenses tandem muros turrium suffodientes ruere fecerunt. Falco Benev.: Barensis populus castellum civitatis, quod pro eorum afflictione Rex Rogerius fabricari jusserat valde terribile et munitum expugnaverunt. Sicque per quadraginta dies illud obsidentes cum Teutonicorum auxilio virtute multa castellum illud comprehenderunt et terratenus prostraverunt. Auch Chron. Ursp. erwähnt der Einnahme, legt das Verdienst aber Heinrich bei, dessen Erscheinen allerdings neues Leben in die Belagerung bringen, und dessen erprobte Geschicklichkeit im Belagern von Festungen sich hier abermals bewähren mochte: Imperatori non longe a Barra cum summo Pontifice obviam venit ibique castrum quoddam ubi praesidia Rogerii fuerant, artificiose valde expugnavit.

2) Falco a. a. O.: Custodes castelli, quia jam amplius illud defendere non poterant, capti et trucidati et in mare praecipitati sunt. Ann. Saxo a. a. O.: Ingressi omnes interemerunt exceptis paucis, quos captivos duxerunt. Chron. Ursp.: Milites in eo repertos et praecipue Saracenos patibulo suspendit (nämlich Heinrich). Chron. Reg. S. Pantal. nennt sie: Praedones, qui terra marique inauditis calamitatibus regiones opprimebant; - - suspensi sunt circa turrim exustam numero quingenti, vel eo amplius.

II. 25

 

 

____

386 Sechster Abschnitt.

 

sein Lager, um ihre Ergebung und Treue ihm zu versichern 1). In demselben Maße, wie bei ihnen die Hoffnung, stieg bei dem Könige von Sicilien die Besorgniß. Auch er schickte Gesandte zu Lothar nach Bari, ließ ihm eine große Summe Geldes und einen seiner Söhne als Geisel anbieten, wenn er Apulien einem anderen Sohne abtreten wolle, und unterließ Nichts, um die Gunst des Kaisers, die er bisher so stolz verschmäht hatte, zu gewinnen 2). Lothar hätte es gleich gelten können, wen er mit den eroberten Fürstenthümern belehnte, da er weder selbst sie unmittelbar beherrschen noch einem seiner deutschen Großen und nahestehenden Personen sie übertragen konnte, sondern nur den angestammten Fürsten eine so schwer zu lenkende Nation wie die Italiener zu überlassen als Grundsatz festhielt. War aber schon die Abneigung des Volkes, die Erbitterung des Papstes Innocenz gegen Roger eine unabweisliche Rücksicht, aus der er den Mann, welchen er mit der ganzen Reichsmacht bisher bekämpft hatte, selber sowie jeden seiner Söhne zurückweisen mußte, so konnte er auch mit Gewißheit voraussehen, daß Roger's Versprechungen und Eidschwüre nicht länger gehalten werden würden, als er selber mit überlegener Macht in dessen früheren Staaten verweilte. Den Sohn statt des Vaters über Apulien zu setzen, gewährte auch keine größere Garantie, selbst wenn er einen anderen Sohn als Geisel mit sich nach Deutschland nehme; denn um so leichter konnte jede Willkür des Bruders der Rechtfertigung sich entziehen, als nicht er, sondern der Vater die Bürgschaft geleistet hatte. Roger's Unterhandlungen mußten daher wol vom Kaiser durchaus zurückgewiesen werden, ohne daß Lothar hiebei den Ruhm verdient: den Frieden der Kirche dem Erwerb großer Geldsummen vorgezogen zu haben 3). Sie erscheinen auch nur von Seiten Roger's als ein verzweifelter Versuch oder als eine Arglist, um Zeit zu gewinnen und den raschen Fortschritt der deutschen

 

1) Falco p. 122: Sicque de tali tantaque victoria tota Italia et Calabria Siciliaque intonuit, et Regi Coelorum gratias agens de tanti tyranni gutture eripi gaudebat. Inde maritima omnis ora usque ad Tarentum et Calabriam ad Imperatoris fidelitatem alligari satagebat. Chron. Pantal.: Quo terrore omnis civitas et omnis munitio regiae se potestati tradidit.

2) Ann. Saxo a. a. O.: Rozierus etiam missis illuc nuntiis gratiam Imperatoris quaesivit et infinitam pecuniam filiumque suum obsidem illi promisit, si Apuliae principatum alteri filio traderet.

3) Ann. Saxo a. a. O. hebt dies hervor: Imperator autem paci Ecclesiae magis consulens quam pecuniae semipagano tyranno tradere provinciam omnino recusavit.

 

 

____

387 Kampf in Apulien.

 

Waffen zu hemmen. Allein statt für sich einen Vortheil zu erreichen, that er allein dem Kaiser dadurch Vorschub. Denn wie wenig dieser auch seinen Anträgen Gehör zu geben sich geneigt zeigte, immer waren ihm für Ablehnung derselben die bedrängten Fürsten Unteritaliens, die nach Befreiung von der sicilianischen Tyrannei schmachtenden Landschaften und Städte, vornehmlich aber der Papst zum Dank verpflichtet, und Letzterer mußte vorerst, mit seinen. Ansprüchen an die Eroberungen der Deutschen, an die Oberlehnshoheit des apostolischen Stuhles zurückhalten und dem Kaiser freie Hand bei den weiteren Unternehmungen lassen. Den deutschen Kriegern freilich, die so viel Mühe und Beschwerden für fremde Fürsten, und, wie sie meinten, mehr für den Ruhm des Papstes als des Kaisers schon bestanden hatten, neue voraussahen und überdies jetzt von der heißen Jahreszeit, dem ungewohnten Klima und den dadurch veranlaßten Krankheiten entsetzlich litten, war es unwillkommen, daß die beiden Häupter den Krieg dem Frieden vorzögen, doch, da Lothar mehr dem Dringen Anderer als der eigenen Nothwendigkeit zu folgen schien, so wandte sich bald ihr Unmuth und Haß auf den Papst und die Geistlichkeit, die den Rath dem Kaiser gegeben, nicht gegen diesen und die deutschen Fürsten, die in der That wol schon lieber in der Heimat als auf fremdem Boden gestanden hätten. Doch das einmal begonnene und bisher so ruhmvoll ausgeführte Werk durfte auch von ihnen nicht unvollendet gelassen bleiben. Einige Wochen gestattete der Kaiser seinem Heere zur Erholung 1). Dann brach er auf, aber nicht vorwärts gegen den Hauptfeind Roger, sondern erst rückwärts nach dem befreundeten ihm so treu anhängenden Trani. Die Absicht des Kaisers war zunächst, die innerhalb der Apenninen gelegenen Gegenden sich zu unterwerfen. Widerstand fand er bis Melfi keinen oder geringen; schon um Mitte Juni lagerte er

 

1) Ann. Saxo a. a. O. sagt: Post quatuor vero hebdomadas apud praefatam civitatem (Barum) exactas Imperator reversus est Tranum. Da die Belagerung der Veste 40 Tage gedauert, so ist mit der hier angegebenen Zeit nicht die der Belagerung zu verstehen, sondern wol die, welche man nach derselben in Bari zubrachte. Ganz unthätig blieb man auch wol in dieser nicht, sondern nahm Besitz vom südlichen Apulien bis Tarent, was indeß bei der freiwilligen Unterwerfung der Einwohner keine große Anstrengung erfoderte und wol nur von einzelnen Heeresabtheilungen ausgeführt wurde, während die Hauptarmee bei Bari im Lager verweilte. Für Unterhalt und Verpflegung desselben beizusteuern, ward unfehlbar dem Lande auferlegt. Für die Besatzungen der Städte mußten diese sorgen. Ohne Mishelligkeiten von beiden Theilen lief das gewiß nicht ab.

25*

 

 

____

388 Sechster Abschnitt.

 

auf den Höhen, die diese Stadt umgeben. Daß sie feindlich gesonnen sei, hatte er erfahren, darum sollte sie seine Strenge fühlen. Noch ehe er ihre Mauern erreichte, war ihr Schicksal entschieden. Vierzig vorgeschickte Kundschafter wurden auf einem Berge von den Deutschen umzingelt, zu spät erkannten sie die Gefahr, und nur sehr Wenigen gelang es, durch die Flucht sich zu retten. Zwar zogen zu ihrem Beistande die Scharen der Bürger aus der Stadt herbei, aber nur, um den eigenen Verlust zu vergrößern; 300 fielen durch das Schwert, viele geriethen in Gefangenschaft; schon am folgenden Tage mußte Melfi sich dem Sieger ergeben 1). Dieser feierte hier das Fest der Apostel Petri und Pauli und gestattete abermals dem Heere, das auf den die Stadt beherrschenden Anhöhen sein Lager aufgeschlagen hatte, einige Tage der Ruhe. Doch auch damit war den schon von Unmuth und Misvergnügen Erfüllten nicht gedient, und einige Aufwiegler hatten bereits eine Verschwörung gegen den Papst, mehre Kardinäle und den mit Innocenz im vertrautesten Umgange lebenden Erzbischof Albero von Trier, angestiftet, als die Kunde davon noch zu rechter Zeit dem Kaiser hinterbracht wurde, der sogleich ein Pferd bestieg, zu den Meuterern ins Lager ritt und die Schuldigsten mit dem Tode bestrafte 2). Noch ein anderes betrübendes Ereigniß sollte ihn in Melfi treffen. Der kaum zum Erzbischof von Köln erhobene Hugo starb ganz in derselben Weise wie sein Vorganger Bruno. Abermals war nun der Kaiser ohne Kanzler. Sah man in dem Tode zweier Erzbischöfe von Köln einen Fingerzeig des Himmels, nicht mehr in Italien einen dritten zu erwählen oder war kein

 

1) Ann. Saxo a. a. O.: Inde (von Trani) adiit Melphiam, unde XL milites armati in montem speculatum egressi ab exercitu circumventi sunt et aliquot ex eis interemptis reliqui fugerunt, quod videntes oppidani ad subveniendum suis exierunt, sed amplius trecentis occisis, aliis autem captis terga verterunt.

2) Ann. Saxo: Imperator Lotharius Natale Apostolorum Melphiae celebravit, ubi Hugo Coloniensis Archiepiscopus sanguinem sibi minui faciens quarto die i. e. secundo Kal. Julii obiit, et in Abbatia sepultus est. Imperator autem castra fixit super montana Melphiae ubi quorundam instinctu seditio magna exorta est Papam et alios Cardinales et Episcopum Trevirensem necare volentium illisque imputare volentium consulto eorum tempora mansionum in singulis locis protelari et idcirco reditum ad propria prolongari. Hoc tumulto excitus Imperator ascenso equo intervenit et severe in noxios vindicavit. Daß man bei Melfi länger verweilte, erhellt aus dem Vorwande der Empörer und aus den Zeitangaben von der Feier St. Petri und Pauli wie von dem Tode Hugo's, und gewiß war jener Festtag nicht der erste und der Sterbetag dieses (der 30. Juni) nicht der letzte Tag des Aufenthalts.

 

 

____

389 Erfolge der Flotte während dieses Feldzuges.

 

geeigneter Mann für diese Würde vorhanden? Genug, man verschob die Wahl bis zur Rückkehr nach Deutschland, und zum Kanzler für Italien ward einstweilen der Bischof Heinrich von Regensburg ernannt. Dies geschah aber bereits zu Potenza 1), wohin der Kaiser seinen Zug genommen und wol darum genommen hatte, um den Seinen im Vordringen nach dem Süden den Argwohn eines nutzlosen Verzögerns, wofür sie die letzten beschwerlichen Märsche durch das, rauhe Gebirge gehalten hatten, zu benehmen.

 

Doch um Roger nachdrücklich zu bekämpfen, mußte dieser aus drei Hauptpunkten an der Westküste vertrieben werden, aus Salerno, Amalfi und Neapel. Ersteres hielt Roger mit Recht für den Stützpunkt seiner Macht, für treu ergeben und den Hafen für den geeignetsten, seine Flotte aufzunehmen, so oft er von Sicilien herüberkäme. Diesen Platz ihm zu entreißen, sollte nun eine See- und Landmacht davor sich lagern.

 

Die dem Kaiser zu Gebote stehende italienische Flotte hatte sich während des bisherigen Feldzuges nicht minder thätig bewiesen und nicht minder entscheidende Fortschritte gemacht als die Kriegsheere, welche von Lothar selber und seinem Eidam unter Siegen und Eroberungen bis in das Herz des Landes, das dem Gegner abgenommen werden sollte, geführt worden waren. Die pisanischen und genuesischen Schiffe machten den Kern derselben aus, doch stellten auch andere Städte und Staaten Ober- und Mittelitaliens freiwillig oder auf Gebot des Herrschers Schiffe zu dessen Unternehmungen im Süden der Halbinsel. Als Leiter dieser Seemacht treffen wir nun den Mann, dessen früher schon als eines getreuen Rathgebers und Freundes des Kaisers gedacht worden ist. Wibald, ein geborner Lothringer, hatte von früher Jugend im Kloster Stablo gelebt und in allen den Wissenschaften, die man damals als höchste Blüte der Intelligenz betrachtete und mit den Namen Grammatik, Dialektik, Rhetorik, Geometrie und Astronomie bezeichnete, die vollständigste Ausbildung erhalten. Neben dieser Gelehrsamkeit entwickelte er einen äußerst praktischen Sinn, der ihn in der Folge nicht minder geeignet zum Staatsmann und Feldherrn machte, als er in geistlichen Dingen erfahren war. Schon von Heinrich V. hatte er die Abtei Stablo

 

1) Ann. Saxo ad 1137: Descendens a Montanis Fuldam Regalem Abbatiam (der Name ist gewiß entstellt. Mascov. comment. p. 94 will Kloster S. Vincentii ad Volturnum) honorifice susceptus adiit, ibique tradttis donariis suis Potentiam petiit, ubi Ratisponensem Episcopum pro Coloniensi Archiepiscopo Cancellarium instituit.

 

 

____

390 Sechster Abschnitt.

 

erhalten 1) und bei deren Verwaltung zuerst sich so geschickt in geistlichen und weltlichen Dingen gezeigt, daß er die Aufmerksamkeit Lothar's schon in dessen ersten Regierungsjahren auf sich zog. Vor dem zweiten italienischen Feldzuge finden wir ihn noch in keiner öffentlichen Stellung. Hier aber erscheint er als Kanzler des Kaisers 2), und dieser, der militairische Kenntnisse und Anlagen zu würdigen verstand, übertrug ihm die Leitung der Flotte, welche von der See her die Angriffe der Landarmee gegen die drei Hauptplätze Salerno, Neapel und Amalfi unterstützen sollte. Zuerst hatte er ihn nach Neapel gesandt 3), das Roger bedrängte, das aber von Herzog Sergius tapfer vertheidigt wurde. Als es nun dem Kaiser zur schnellen Beendigung des Krieges und zu wirksamerer Bekämpfung Roger's das Gerathenste schien, diesen in Salerno zu bedrängen, wodurch der Feind zugleich von Neapel abgezogen werden sollte, beschloß er eine See- und Landmacht vor jener Stadt zusammenzuziehen. Erstere dort so kräftig als möglich wirken zu lassen, erhielt Wibald die Weisung, vor den Hafen von Salerno sich zu legen. Das Heer, welches zu Lande die Stadt einzuschließen von Potenza vorausgeschickt wurde, stand unter dem Oberbefehl Herzog Heinrich's von Baiern, wozu nach und nach andere Fürsten mit deutschen und italienischen Kriegsscharen stießen und endlich der Kaiser selbst in Begleitung des Papstes herbeizog, sodaß vor Salerno sich alle Streitkräfte, die der Krieg in Bewegung gesetzt hatte, concentrirten, da auch Roger zur Vertheidigung seiner wichtigsten und

 

1) Chron. Cas. lib. IV, cap. 124: Hic igitur natione Lotharingus et a pueritia in monasterio Stabulensi monachus factus Grammaticam, Dialecticam, Rhetoricam, Geometriam et Astronomiam ad plenum eruditus atque a quinto Henrico Imperatore ejusdem coenobii Stabulensis Abbatiam regendam suscepit. Der Berichterstatter Peter Diaconus, den wir ebenfalls als einen Mann, der damals in öffentlichen Geschäften auftrat, kennen lernen werden, mußte über Wibald, der eine Zeitlang Abt des Klosters Monte Cassino war, wo Peter Diaconus lebte, unterrichtet sein.

2) Lothar selbst nennt ihn in einem Briefe, den Chron. Cas. lib. IV, cap. 125 mittheilt, Romani Imperii cancellarium.

3) Chron. Cas. IV, cap. 124: Eo vero tempore quo Imperator Lotharius cum Papa Innocentio intravit Italiam, idem Guibaldus super navalem expeditionem ab Imperatore constitutus et Neapolin est transmissus. Der Zeitpunkt, wann dies geschehen, ist daraus nicht genau zu erkennen. Vielleicht geschah es schon, als Lothar Ancona zur Ausrüstung von 100 Schiffen zwang und bald danach von Spoleto aus dem Herzog Sergius, dem Vertheidiger von Neapel, seine baldige Hülfe versprach.

 

 

____

391 Fürstenversammlung.

 

letzten Stadt Alles aufbot, damit in ihrer Uebergabe nicht jede Hoffnung, die Herrschaft über Italien wiederzugewinnen, schwände 1).

 

Daß der Kaiser nicht gleich selber und mit der ganzen Heeresmacht gegen Salerno aufbrach, geschah um innerer politischer und kirchlicher Anordnungen willen, die er, indeß sein Eidam und andere Fürsten den Kampf zu Ende führten, zu treffen gedachte. Schon vor Melfi am Lago Pesole hatte er auf Peter-Pauls-Tag eine große Fürstenversammlung angekündigt, um über die Verwaltung des Landes, namentlich über Ernennung eines Herzogs von Apulien mit Papst, Geistlichkeit und Fürsten zu Rathe zu gehen 2). Obwol der Tag festlich begangen und von den Baronen des Landes, soweit nicht der Kampf gegen Roger sie fern hielt, besucht wurde, unterblieb doch die wichtige Verhandlung wegen der Herzogswahl, wahrscheinlich, weil der Papst, die Kardinäle, der die Kircheninteressen mehr als die des Kaisers vertretende Erzbischof Albero von Trier und andere Geistliche die Angelegenheit nicht dem Kaiser überlassen, sondern allein entscheiden wollten. Die Verschwörung gegen die genannten Kirchenhäupter, welche wenige Tage danach im Lager der Deutschen entstand, mochte in der Anmaßung Jener, in den Verzögerungen, welche sie der Beendigung des Feldzuges in den Weg legten, vornehmlich ihren Grund haben. Um so uneigennütziger und edler erscheint dann des Kaisers Einschreiten zum Heil der Bedrohten, als ihm durch die Ermordung Jener freiere Hand in Apulien gegeben worden wäre.

 

1) Chron. Cas. lib. IV, cap. 127: Idem vero Imperator Lotharius exercitum congregans navalemque expeditionem super quam Stabulensis Abbas Guibaldus ordinatus erat, supra Salernum direxit. Ann. Saxo a. a. O.: Inde quoque (nämlich von Potenza) Henricum Ducem et Albertum Marchionem cum aliis strenuis viris ad obsidionem Salernae praemisit. Statt Adalbert ist wol Konrad von Wettin oder Rainulf oder ein anderer italienischer Fürst zu verstehen , keineswegs an Albrecht den Bären zu denken, der in Sachsen zurückgeblieben war.

2) Ein Brief Lothar's, hinter Chron. Cas. p. 621, an Abt Rainald von Monte Cassino bestätigt dies: Quia in festo Apostolorum Petri et Pauli curiam pro statuendo Duce apud Melphiam condiximus, omnesque terrae barones eo convocavimus, mandamus tibi etc. Weder die deutschen noch die italienischen Schriftsteller wissen etwas von der Ernennung eines Herzogs von Apulien auf der Reichsversammlung bei Melfi, doch vermerken sie alle die spätere Zwistigkeit darüber zwischen Papst und Kaiser, als die Belehnung wirklich erfolgen sollte. Albero von Trier mochte noch zu Melfi die Verhandlungen unterdrücken.

 

 

____

392 Sechster Abschnitt.

 

Noch eine andere Differenz trennte damals die Ansichten des Papstes und Kaisers. Den Abt Rainald von Monte Cassino haßte Ersterer als früheren Anhänger Anaclet's und wollte seine Absetzung, wie überhaupt eine Umgestaltung der Verhältnisse jenes Klosters vornehmen. Da Herzog Heinrich aber bei der Einnahme von Monte Cassino nicht nur Rainald im Namen des Kaisers die Beibehaltung seiner Würde zuerkannt, sondern auch das Kloster in kaiserlichen Schutz gestellt hatte, weil es von Alters her den deutschen Herrschern unmittelbar unterworfen, nicht vom römischen Stuhle abhängig gewesen war, so widersetzte sich Lothar jeder willkürlichen Verfügung Innocenz's, und befahl, daß der Abt und die Mönche ihre Sache vor ihm und den versammelten Reichsfürsten zu Melfi gegen die Anklagen und Ansprüche des Papstes rechtfertigen, wobei es ihm vornehmlich ankam, seine eigenen kaiserlichen Rechte über das Kloster aus ältern Privilegien des letztern darzuthun 1). So unlieb es Innocenz sein mochte, daß der Kaiser eine Sache entscheiden wollte, die er gern nur selber mit den Kardinälen und dann gewiß ganz anders entschieden hätte; die abgeneigte Stimmung im deutschen Lager, die nicht nur bei den geringern Kriegern, sondern auch bei den Fürsten und meisten deutschen Geistlichen bemerkbar wurde, nöthigte ihn hier nachzugeben, dem Abt Rainald den Fußkuß zu gestatten und die Absolution wegen seiner frühern schismatischen Gesinnung zu ertheilen 2). In der Nähe von Melfi am Lago Pesole wurde in Gegenwart des Kaisers, des Patriarchen von Aquileja, vieler Erzbischöfe, Bischöfe und Aebte der Streit in bester Form und mit allem Anstande geführt. Der Papst hatte als seinen Rechtsanwalt den Kardinal Gerhard, als Beisitzer des Gerichts die Kardinäle Guido, Balduin, den Kanzler der römischen Kurie Haimericus, den Abt Norbert von Clairvaux 3) und mehre vornehme Römer

 

1) Epist. Loth. a. a. O.: Mandamus tibi (Rainaldo) ut assumptis tecum sapientioribus eodem (nach Melfi) omnibus postpositis venias omniaque Imperatorum privilegia tecum deferas jus ecclesiae tuae ostensurus.

2) Gegen den ausführlichen Bericht in Chron. Cas. cap. 107 ff. des Abtes Angelus de Nuce von Monte Cassino, Excursus historico-juridicus ad cap. 108 des Chron. Cas., Sigonius p. 657 sind Baron. p. 382 erhobenen Zweifel zu geringfügig, wenn freilich die Zeitangabe des Chron. Cas. 1138: Indictione prima VII. Idibus Julii anno Imperii Domini Lotharii Caesaris VII. mehr als einen Fehler enthält. Doch in Zeitangaben irren die italienischen Chronisten vielfach.

3) An diesem Norbert nimmt Baron. Anstand, weil Bernhard Abt von Clairvaux gewesen. Entweder verwechselt Peter Diaconus wirklich Ort und Person, oder was immer möglich, Bernhard führte nur noch den alten Würdenamen, ein Anderer sein früheres Amt, das er bei so vielen Geschäften und seiner häufigen Abwesenheit nicht gut verwalten konnte.

 

 

____

393 Streit in Betreff des Klosters Monte Cassino.

 

dorthin gesandt. Von Seiten des Klosters Monte Cassino hatte der Kaiser zu Beisitzern ernannt: die Herzoge Heinrich von Baiern und Konrad von Hohenstaufen, seinen Verwandten Otto von Burcheisen, die Markgrafen Friedrich von Ancona, Malespina von Ligurien, die Bischöfe Heinrich von Regensburg und Albero von Basel, den Abt Anno von Limburg und den kaiserlichen Pfalzgraf Walfried 1). Lothar selbst eröffnete die Sitzung mit einer Anrede an die Versammlung, worin er bemerkte, daß der vorliegende Fall einen Gegenstand von viel allgemeinerer Bedeutung umfasse und sich keineswegs auf das Kloster Monte Cassino beschränke, sondern für alle Folge eine Feststellung, wie weit kirchliches und weltliches Recht in Kirchensachen überhaupt sich erstrecke, herbeiführen solle. Darum habe er nach dem Beispiel seiner Vorgänger im Kaiserreiche in Person zugegen sein und die Wage der Gerechtigkeit handhaben wollen. Als Vertheidiger beider streitenden Parteien seien seinerseits sehr angesehene und erfahrene Männer gewählt, die der Willkür und jedem ungesetzlichen Eingriffe in den Rechtsstreit zu steuern vermöchten, die indeß nur stillschweigend dem Gange der Verhandlung folgen und darauf achten sollten, daß nur Einer jedesmal das Wort führe, damit nicht durch Zwischenreden und Schreien Vieler die Wahrheit und Lauterkeit der Gründe und Beweise getrübt werde 2). Nachdem

 

1) Chron, Cas. IV, cap. 109 gibt diese Namen. Wenn es heißt: Causidicus pro Romana Ecclesia directus est Gerardus Cardinalis, und dann doch andere danach genannt werden, so sind diese wol ebenso Beisitzer als wie es nachher heißt: Ex parte Casinensis Ecclesiae Auditores exstiterunt Henricus Dux etc.

2) Chron. Cas. a. a. O.: Facto silentio Imperator dixit, non solum praesentium et temporalium, verum etiam futurarum et aeternarum in hoc conventu erit definitio rerum. Constat enim sanctos patres, qui diversa diversis locis egere concilia, et dum in unum ex una re tractaturi convenissent diversa occasione unius dilucidasse. Sic etsi in hoc Romanae Casinensisque Ecclesiae causa specialiter agatur, diversae tamen deo auxiliante, hic definientur quaestiones, sicque fit, ut causa unius sit salus omnium facta Ecclesiarum per totum orbem terrarum constitutarum. Nos quoque vestigia praedecessorum nostrorum sequi cupientes dignum duximus huic interesse Concilio judiciique stateram nostro sensu ponderare; defensores autem utriusque disceptantium partis magnificos a nostro latere dedimus viros, qui violentiam alterutrae partis prohibeant. Invocantes igitur summi Tonantis virtutem, sedeant, quibus Romanae non displicent leges, taciteque rerum expectans exitum, ne dum omnes confuse vel dicunt vel loquuntur, veritas annubiletur.

 

 

____

394 Sechster Abschnitt.

 

dies und anderes der Kaiser gesprochen, erhob sich der vom Kaiser ernannte Rechtsanwalt, der den ganzen Rechtsgang leiten sollte, der Herzog Konrad 1), und sprach: „Nach den erhabenen Worten des Kaisers werden die meinigen ein schwacher Nachklang sein, da jene ebenso gründlich als inhaltsvoll und überzeugend lauteten, sodaß sie nicht aus menschlichem, sondern aus göttlichem Munde zu kommen schienen. Doch haben die Herzoge, Markgrafen und Grafen, die mit mir zu Vertretern in diesem Prozeß bestellt worden sind, beschlossen, in der heutigen vorbereitenden Sitzung die Namen Derer bekannt zu machen, welche von beiden streitenden Parteien das Wort nehmen wollen, aber es auch nur Denen, welche die Erlaubniß dazu nachgesucht, zu gestatten. Denn jeder Rechtsstreit, zumal ein so heiliger, muß der Ordnung gemäß und mit Umsicht geführt werden, da nichts zur Entscheidung gelangt, wenn keine Reihenfolge, in der die Redner das Wort nehmen, stattfindet.“ Allen gefiel, was der Herzog Konrad gesprochen hatte; es ward gefragt, wer von jeder Partei reden wolle; es ward bestimmt, wer Dolmetscher sein sollte, damit jeder der Anwesenden den Vorträgen folgen könne, welchen Platz die Redner einzunehmen hätten, was sonst für Vorrichtungen nöthig wären. - Nun übernahm der Kardinal Gerhard, die Sache der römischen Kirche zu führen und die Abgeordneten von Monte Cassino übertrugen die ihrige einstimmig dem Diakonus Petrus. Zu Dolmetschern aber wählte man Bertulf, den Kanzler, Amfried, den Kämmerer, und Bertulf, den Quartiermeister des Kaisers 2). Peter Diakonus vertheidigte so geschickt die Rechte seines Klosters und zugleich die des Kaisers, daß dem Papste Nichts als die Bestätigung des von den Mönchen gewählten, vom Kaiser mit dem Scepter investirten Abte eingeräumt werden durfte und das Kloster durchaus in der unmittelbaren Abhängigkeit vom Kaiser verblieb 3). Der geschickte Vertheidiger Petrus erhielt die volle Gnade

 

1) Chron. Cas. a. a. O.: His et aliis quam plurimis ab Augusto profatis (ob so und in welcher Sprache Lothar geredet, muß freilich dahingestellt bleiben. Der gute Diaconus mag die Sache, bei der er selbst eine Hauptrolle spielte, sehr ausgeschmückt haben) Conradus Dux Sueviae ab Imperatore defensor datus inquit. Daß ein Italiener ihn Dux Sueviae nennt, ist erklärlich, bestätigt aber die Vermuthung, daß Konrad die Schwaben befehligte, da er kein eigenes Herzogthum besaß. In Urkunden unterzeichnete er sich Dux ohne weitern Beisatz.

2) Alles nach Chron. Cas. a. a. O.: Bertolfus Cancellarius, Amfridus Vestiarius et Bertolfus Mansionarius.

3) Dies werden wir bald aus der neuen Wahl eines Abtes erkennen.

 

 

____

395 Gesandte des griechischen Kaisers zu Melfi.

 

des Kaisers und ward noch an demselben Orte, wo er seine Gewandtheit im Disputiren an den Tag gelegt, zu einem zweiten ähnlichen Wettkampf in Worten erwählt.

 

Es hatten sich nämlich im Lager zu Melfi auch Gesandte des griechischen Kaisers eingefunden 1), die freilich statt der früher von Kalo-Johannes so fest zugesagten Hülfe an Truppen, Flotte und Geld jetzt nichts als höfliche Glückwünsche zu dem günstigen Erfolg der deutschen Waffen oder höchstens wiederum leere Versprechungen überbrachten. Es konnte aber auch jetzt Lothar an einer griechischen Hülfe nichts gelegen sein, ja er mußte wie die Mühe so auch den Ruhm und Vortheil seiner italienischen Heerfahrt für sich allein zu behalten wünschen. Wie einst in Konstantinopel der deutsche Abgesandte Anselm von Havelberg, so wurden jetzt die griechischen glänzend empfangen und auf den Wunsch der letztern wie dort vor Kalo-Johannes so hier eine Disputation in Gegenwart Lothar's veranstaltet und über die weltliche Macht des römischen Papstes, über Dogmen der griechischen und der lateinischen Kirche mehr zur Erbauung der Zuhörer als um ein erfolgreiches Resultat herbeizuführen, disputirt. Bei dieser Gelegenheit war es, wo Peter Diakonus abermals seine Dialektik glänzend bewährte, in des Kaisers Gunst sich befestigte 2) und auch, indem er diesmal für den Papst wie vorhin gegen denselben gestritten, sich wieder bei Innocenz in Gnaden brachte, der ihm sonst leicht hätte nachtragen können, daß er die wichtigste Abtei Unteritaliens dem römischen Stuhl entzogen habe. Die große Besonnenheit, die gute Ordnung, die friedliche Schlichtung, die sich bei den Streitfragen dort von sächlicher, hier von dogmatischer Wichtigkeit herausstellten, gaben ebenso sehr ein Zeugniß, daß der Friede zwischen Reich und Kirche trotz der entgegenstehenden

 

1) Auch die deutschen Chronisten erwähnen der griechischen Gesandtschaft, Annal. Hildeshem.: Imperator in Calabriam transivit. Ibi Legati Graecorum ad eum magnifice veniunt, quos ipse magnificentius suscepit et demisit. Chron. Regis S. Pant. p. 930: Imperator Calabriam ambulavit, ubi Legatos Graecorum obviam habuit.

2) Peter Diakonus selbst spricht davon weitläufig in Chron. Cas. lib. IV, cap. 115 und 116. So heißt es 116: Imperator etiam de litigio, quod Petrus Diaconus cum Graeco habuerat, ultra modum gavisus eundem Diaconum interventu Richizae piissimae Augustae et Henrici Ducis Bojoariorum et Conradi Ducis Suevorum Logothetam a secretis, Exceptorem, Auditorem, Cartularium ac Capellanum Romani imperii constituit. Was Lothar selbst durch ein Diplom (ebendas. cap. 125) und ein Schreiben an den Abt Wibald mit vielen Lobsprüchen über Peter bestätigte.

 

 

____

396 Sechster Abschnitt.

 

Anfoderungen in Einzelfällen, unerschütterlich fest in seiner Basis stand, und daß Lothar in kirchlichen wie in weltlichen Angelegenheiten sich das Vertrauen der höchsten weltlichen und geistlichen Fürsten erworben hatte.

 

Mancherlei Anordnungen, Geschäfte und Abhaltungen entzogen Lothar längere Zeit der persönlichen Theilnahme an dem Kampfe wider Roger. Doch darum ruhte dieser Kampf selber noch keineswegs, sondern war vielmehr in dieser Zeit aufs Heftigste entbrannt. Wir berichteten bereits, daß um Mitte Juli 1) von Potenza eine Heeresabtheilung unter Herzog Heinrich, dem der Schwiegervater eine immer größere Mitwirkung in allen Angelegenheiten zuwies, gegen Salerno abgesandt war, um den Gegner in seinem Hauptsitz auf dem Festlande zu bekämpfen. Es fehlte aber, wie überhaupt dem deutschen Heere, so auch dieser Abtheilung an Leichtbewaffneten, namentlich an Bogenschützen, woran Roger in seinen Sarazenen überlegen war. Dieser Uebelstand der Deutschen verhinderte Heinrich, sich Salerno in dem Grade zu nähern als es zur Einschließung der Stadt erfoderlich war, und er mußte warten, bis ihm die Pisaner eine Schar Bogenschützen sandten, welche denen Roger's entgegengestellt werden konnten 2). Pisa hatte während des ganzen Feldzuges dem Kaiser den lebhaftesten Eifer und unbedingten Gehorsam bewiesen, auf seinen Befehl 100 Schiffe gegen das von Roger bedrängte Neapel gesendet und wirklich diese Stadt von der höchsten Gefahr, der Sergius kaum noch entschlossenen Muth entgegenzustellen vermochte, befreit. Nach glücklicher Vollendung dieser That waren die pisanischen Schiffe, dem kaiserlichen Gebote Folge leistend, vor Amalfi gezogen, jene Stadt, die einmal schon von ihnen erobert und geplündert worden, und wo sie nun neue Beute zu machen hofften. Aber auch die Amalfitaner hatten die erlittenen Drangsalen nicht vergessen und hielten für gerathener, dem Kaiser Unterwürfigkeit zu zeigen als in der Pisaner grausame Hände zu fallen. Gegen Entrichtung einer großen Geldsumme erlangten sie Lothar's Gnade 3), dem Amalfis Uebertritt um so willkommener

 

1) Die Belagerung Salernos begann den 13. Juli. S. Mascov. comm. p. 97.

2) Ann. Saxo ad 1137: Inde Henricum Ducem - - ad obsidionem Salernae praemisit, quam petentes sed pro sagittariis eos graviter impetentibus angustum aditum transire non valentes, misso Pisensibus nuntio petierunt sagittarios, quibus praedictos ab aditu deterrerent.

3) Falco Benev. p. 221 setzt die Befreiung Neapels vor die Einschließung Amalfis: Haec inter Pisanorum exercitus, sicut juraverat, centum navibus armatis ad civitatem pervenit Neapolitanam. Nec mora, jussu Imperatoris super civitatem Amalfitanam festinat, excogitans igne ferroque eam depopulari. Cives autem Amalfitani consilio salutis invento multa pecunia data ad Imperatoris et Pisanorum transierunt fidelitatem. Ann. Saxo kehrt die Fakta um und kennt eine förmliche Einnahme Amalfis: Quo tempore Pisenses Amalphiam civitatem maximam et potentissimam causa Imperatoris expugnantes Imperio subdiderant sicque Neapolim aggressi fuerant ad liberandum eam a Roziero, qui longo tempore eamdem obsessam ad magnam famem et calamitatem compulerat. Sed audiens de adventu eorum (der Deutschen unter Heinrich) et obsidione civitatis suae ad succurrendum ipsi festinans praefatam Neapolim deseruit.

 

 

____

397 Belagerung von Salerno.

 

war, als er nun die ganze Land- und Seemacht, die ihm zu Gebote stand, gegen Salerno richten konnte. Nicht nur den Pisanern, die sich für die bei Amalsi verlustig gegangene Beute auf grausame Weise an kleinen Städten und dem offenen Lande zu entschädigen suchten 1), zeigte er in Salerno neue Hoffnung reicher Beute, um deretwillen sie so bereitwillig zu jedem Dienste waren, auch die Fürsten Robert von Capua, Rainulf von Avellino und Sergius von Neapel entbot er gegen Salerno, ließ zu den Erstgenannten noch 1000 Mann Deutsche stoßen, sowie zu der Pisanischen Flotte 80 genuesische und 300 amalfitanische Schiffe. Diese zahlreiche Seemacht schloß nun zu Wasser die Stadt enge ein, in der Ebene lagerte Herzog Heinrich, der mit Hülfe von 500 pisanischen Bogenschützen die auf den Höhen postirten Feinde vertrieben hatte; oberhalb der Stadt rückte Rainulf mit den italienischen und deutschen Scharen ganz nahe den Mauern. Am 18. Juli war bereits Salerno ringsum so enge eingeschlossen, daß von den 400 Mann, die Roger als Besatzung hineingelegt hatte, unmöglich langer Widerstand zu erwarten war, zumal da sie durch unbesonnene, tollkühne Ausfälle, wobei sie viele Todte und Gefangene einbüßten, sich vollends schwächten. Da nahte jetzt auch der Kaiser selbst von Potenza her über Avellino und St. Severino, welches letztere er im Sturm erobert hatte, und mit ihm Papst Innocenz 2). Den Bürgern von Salerno

 

1) Falco Benev.: Inde super Ribellum et Scalam properantes eas invadunt et universa earum bona diripientes in ore ignis et gladii eas consumunt. Viros quoque et mulieres cum eorum parvulis captivos perducunt sicque super tali vindicta gavisi ultra quam credi potest, insultant.

2) Falco a. a. O.: Mandavit Imperator ut Pisanorum exercitus Salernum obsideat; praecepit quoque Roberto Principi ut magistro militum Neapolitanorum, ut viribus totis et armis simul cum Pisanis eandem Salernitanam obsiderent civitatem. Quod et factum est XV. Kal. Augusti. Quin etiam Rainulfum Comitem, quem affectione multa secum retinebat mille Teutonicorum viris ei datis super civitatem ipsam Salernum destinavit, quibus ita convenientibus prope muros obsederunt. In civitate illa revera quadringenti milites aderant, qui civitati invigilantes Pisanos et Principem suosque omnes quotidie expugnabant. - Ann. Saxo: Pisenses ergo hanc suscipientes (er spricht von Neapel) miserunt Duci sagittarios VC. Ipsi vero assumptis suis et Genuensium LXXX simulque Amalphianorum trecentis navibus cum innumera multitudine Salernum a parte maris obsederunt. Dux autem cum suis castra fixit in campestribus contra civitatem. Unde hostium multitudo egressa saepius incursando eum propulsare nitebatur. Contra quos ille facto impetu pluribus occisis nec paucioribus captis in civitatem refugere compulit quam unita cum Pisensibus virtute hinc terrestri inde navali graviter impugnantes coartaverunt, donec Imperatore a Potenzia per Avellam transeunte et castro S. Severini expugnato sicque Salernam adeunte etc.

 

 

____

398 Sechster Abschnitt.

 

sank der Muth, als sie ihre verzweifelte Lage erkannten, zumal da sie von Roger selbst, der auf die Nachricht von der Belagerung Salernos die Einschließung Neapels aufgegeben und sich zum Beistande seiner Hauptstadt angeschickt hatte, wahrscheinlich aber durch die davor liegende feindliche Flotte geschreckt das weite Meer suchte, um in Sicilien erst neue Streitkräfte zu sammeln, sobald keine Hülfe und wol überhaupt gegen die siegreiche Macht der Deutschen keine Rettung zu erwarten hatten. Schon sahen sie die Pisaner, die mittelst einer Sturmmaschine die Mauern sammt den Thürmen niederrissen, von der Seeseite Meister der Stadt werden 1). Nur ein Schutthaufen wäre ihnen geblieben, wenn sie nicht eilig die Gnade des Kaisers erbeten hätten 2). Lothar, ein Feind nutzlosen Blutvergießens und einerseits über die wilde Plünderungssucht der Pisaner längst ungehalten, andrerseits sein Heer durch die vielen Schlachten wie durch Seuchen und Kriegselend aller Art bedeutend zusammengeschmolzen sehend, gab den Bitten der Salernitaner Gehör und gebot allen Heeresabtheilungen und Flotten, von fernerer Bestürmung der Stadt abzustehen. Darüber aber waren die Pisaner im höchsten Grade ungehalten, da sie sich für die Kosten und Mühen, durch die sie in der That alle Anderen übertroffen, endlich, nachdem ihnen in Neapel und Amalfi das Beutemachen versagt gewesen, auf die Schätze Salernos gewisse Hoffnung gemacht hatten. Im ersten Zorn zertrümmerten und verbrannten sie selbst ihre Belagerungsmaschine und wollten augenblicklich nach ihrer Heimat zurücksegeln.

 

1) Ann. Saxo a. a. O.: Pisenses magno sumptu machinam mira arte fabricati sunt quam factis lapsibus propulsantis muros civitatis cum turribus attrahentes subruerunt sicque illam ceperunt.

2) Chron. Casin. lib. IV, cap. 117: Pugna maxima facta multisque ab utraque parte cadentibus Salernitani dum civitatis suae statum alteratum perspicerent, habito consilio et se et civitatem Imperiali clementiae subdunt.

 

 

____

399 Streitfrage über Salerno.

 

Nur die Vorstellungen des Papstes und die Versprechungen einer Entschädigung, die der Kaiser ihnen bot, bewogen sie, letztern Entschluß aufzugeben 1), allein eine schlimme Folge hatte schon Ersteres, denn nun konnte nicht sogleich die Citadelle der Stadt, worin sich Roger's Besatzung zurückgezogen hatte, erobert werden; und da man um ihretwillen nicht einen blutigen Sturm wagen wollte, überließ man es den Salernitanern und etwa einer zurückgelassenen italienischen Mannschaft, die Burg durch Einschließen auszuhungern. Auch dies mochte, nachdem der Kaiser und seine Bundesgenossen abgezogen waren, lässig betrieben worden sein. Kurz, die Veste blieb unbezwungen und wurde, als Roger später mit neuer Macht in Italien landete, für ihn ein Anhaltspunkt, von wo aus ihm die Wiedereroberung der verlorenen Provinzen gelang.

 

Noch eine andere Widerwärtigkeit, die Anfangs gefährlicher erschien als jener tolle Unmuth der Pisaner, aber bald sich verzog, begegnete dem Kaiser bei der Einnahme Salernos. Der Papst Innocenz, an dem Grundsatze festhaltend, daß die Besitzungen der Normannen in Unteritalien mit größerm Rechte dem apostolischen Stuhle als dem Kaiserthrone unterthan seien, foderte Salerno für sich, vielleicht in dem gedrohten Abzug der Pisaner für sich einen Vortheil hoffend, daß nun in zwiefacher Verlegenheit Lothar ihm leichter Zugeständnisse machen werde, um nicht auch den zweiten, angesehensten seiner Bundesgenossen zu verlieren. Aber Lothar räumte Nichts ein, was er als sein Recht erkannte 2). Der Papst bewog nun zwar die Pisaner zum Bleiben, trennte sich aber selbst mit Unmuth vom Kaiser, nachdem man in der Stadt die Himmelfahrt Mariä gefeiert, und begab sich nach Avellino, während Lothar mit seinem deutschen Heere nach St. Severino zurückzog. Ja die Streitfrage über Salerno führte zu der über ganz Apulien. Längst hatte Lothar beschlossen, einen Fürsten über das ganze Roger abgenommene Gebiet unter dem Titel eines Herzogs von Apulien zu ernennen und

 

1) Falco Benev. a. a. O.: Audiens autem populus Pisanorum civitatem Salerni sine eorum consilio et voluntate ab Imperatore captam fuisse, mirabiliter contristati sunt et furore arrepto machinam lignorum factam combusserunt et paratis navigiis regredi disponebant, sed Apostolici Innocentii precibus et promissionibus coacti ad Imperatoris voluntatem reversi sunt. Sicque castrum illud Turris majoris pro eorum discordia dimissum est.

2) Chron. Cas. a. a. O.: Quae res (die Uebergabe Salernos) inter Pontificem et Caesarem dissensionem maximam ministravit, Papa dicente Salernitanam civitatem Romanae ecclesiae attinere, Imperatore contra non Pontifici sed Imperatori pertinere debere dicente.

 

 

____

400 Sechster Abschnitt.

 

glaubte in Rainulf von Avellino, der sich seiner besondern Gunst erfreute, den rechten Mann gefunden zu haben, wider den auch Innocenz nichts einzuwenden hatte. Nur, wer den neuen Herzog belehnen dürfe, war der Punkt, über den beide Häupter sich jetzt, wo nicht länger die Ernennung aufzuschieben, ernstlich entzweiten. Fast einen ganzen Monat dauerte der Streit und leicht hatte er die gefährlichsten Folgen haben können, wenn beide Männer minder besonnen gewesen wären. Denn noch war außer der Burg von Salerno manche Veste und Stadt im Innern des Landes unbezwungen, das deutsche Heer zusammengeschmolzen und des Feldzuges überdrüssig; den Italienern, die im Kriege von Feind und Freund gelitten, war nicht zu trauen und auch bei den Großen Eifersucht und Abneigung wegen der neuen Herzogswürde zu fürchten.

 

Bald erkannten Papst wie Kaiser und Beider Rathgeber das Unzeitige und Gefährliche ihres Streits. Sie beschlossen, diesen vorläufig ganz ruhen zu lassen und gemeinsam die Belehnung Rainulf's zu vollziehen 1), bis zu gelegener Zeit und an passenderem

 

1) Ann. Saxo ad 1137: Illic celebrata Assumptione S. Mariae et Imperatore ad S. Severinum revertente, cum ipse et Papa aliquamdiu dissiderent, utri eorum principatus quaesitae Apuliae cederet, communicato tandem consilio illum pariter Rainaldo Duci commiserunt. Falco Benev. gibt den Aufenthalt des Papstes und die Umstände, den wahren Streitpunkt, genauer. Cum autem Avellinum venisset Apostolicus ipse Innocentius Ducem ad defensionem Apuliae ordinare nomine suo satagebat. Imperator vero nomine suo contra voluntatem Apostolici ordinare volebat. Unde factum est, ut per triginta fere dies ad invicem ea de re fuerit discordatum. Sed sapientium consilio communicato discordia talis destructa est. Quid multa, divina favente clementia et ipso Imperatore annuente omnibusque suis praedictus Apostolicus suo nomine ad beati Petri fidelitatem Comitem Rainulphum virum utique prudentem et discretum (Otto Fris. Chron. lib. VII, cap. 20 sagt: Rainaldo viro forti ac nobili Ducatus Apuliae traditur) in Ducem elegit et eo electo vexillum ad honorem Ducatus Apostolicus et Imperator in conspectu omnium ei tradiderunt et confirmaverunt. - Romuald's von Salerno Chron. p. 189: Imperator civitate (Salerno) potitus acceptis ab ea pro pecunia obsidibus a civitate recedens apud S. Severinum sua castra locavit ibique habito Apostolici et Baronum consilio Comitem Rainulfum Ducem Apuliae ordinare disposuit. Propter quod inter Apostolicum et Imperatorem maxima contentio est oborta. Apostolicus enim asserebat investituram Ducatus Apuliae ad jus Romani Pontificis pertinere, et hoc a suis praedecessoribus fuisse longo tempore firmiter observatum. Imperator e contrario affirmabat, hoc ad jus pertinere Imperii et Ducatum Apuliae debere auctoritate Imperatoria ordinari. Sed quia uterque in procinctu itineris erat et deficientibus ad praesens utriusque partis instrumentis et rationibus controversia haec ad plenum definiri non poterat, communi consensu ad hunc finem concordiae devenerunt ut et Apostolicus et Imperator per vexillum Comitem Raynulfum de Ducatu Apuliae coinvestirent et postmodum habita opportunitate loci et temporis utriusque partis allegationibus plenius exhibitis et ostensis haec controversia mediante justitia finiretur.

 

 

____

401 Rainulf's Belehnung mit Apulien.

 

Ort Jeder die Beweise und Dokumente für seine Berechtigung, die ihnen jetzt, auf dem Marsche und noch im Kriege gegen einen gefährlichen Gegner begriffen, fehlten, vorzulegen vermöchte. Zu allgemeiner Freude und zu besonderer Ehre Rainulf's erhielt dieser aus den Händen des Papstes und des Kaisers, indem jener am oberen, dieser am unteren Theile angefaßt hatte, die Fahne, durch die er zum Herzog von Apulien erhoben wurde. Die Freude im Lager der Deutschen zu St. Severino, wo der festliche Akt vor sich ging 1), war um so größer, als sie mit der Erhebung Rainulf's nicht nur den gefährlichen Zwist zwischen Papst und Kaiser für ausgesöhnt, sondern den ganzen Krieg für beendet hielten. Was blieb nun noch zu thun übrig, als höchstens einige trotzige Vesten, die beim Hinzuge übergangen waren, nun auf dem Rückwege zu züchtigen?

 

Weiter aber sah der Kaiser. Zwar verlangte auch er sehnsüchtig nach der Heimat, aber gesichert sollten die Eroberungen, die er gemacht, auch in Zukunft bleiben. Wenn er in Rainulf wol den tapfern, umsichtigen, gegen Freunde wohlwollenden und herablassenden Mann, wie er für die schwierige Stellung eines zwar vom Kaiser abhängigen, doch in Italien souverainen Oberlehnsträgers erfoderlich war, erkannte, traute er doch den Italienern, die er nun genugsam kennen gelernt hatte, weder so viel Muth noch guten Willen zu, um das vom Feinde befreite Land nun auch ferner selbständig zu behaupten. Darum rieth er dem Herzoge von Apulien, deutsche Krieger, so viel deren sich bereit fänden, in seine Dienste zu nehmen. Diesen Rath befolgte Rainulf bald nach seiner Erhebung, und trotz dem Verlangen der meisten Deutschen, nach der Heimat zurückzukehren, fanden sich doch sogleich 800 Krieger, die bereit waren, unter Rainulf ferner in Italien zu dienen. Der Herzog stellte sie unter den Oberbefehl seines eigenen Sohnes Richard und eines

 

1) Romoald Chron. a. a. O.: Apostolicus accepto vexillo a superiori parte, Imperator ab inferiori Comitem Rainulphum de Ducatu Apuliae investiverunt. Falco a. a. O.: Nemo tempore isto viventium recordari poterit tali laetitia et honore Ducem aliquem fuisse electum. Nach Romoald und Ann. Saxo geschah die Belehnung im kaiserlichen Lager zu St. Severino; nach Sigonius zu Aquino, was falsch ist.

II. 26

 

 

____

402 Sechster Abschnitt.

 

anderen Prinzen, Alexander, der sogleich mit jenen Söldlingen Thaten ausführte, die ebenso seine italienische Schlauheit wie der Deutschen Tapferkeit an den Tag legten, Eigenschaften, welche in Verbindung dem Kaiser eine Bürgschaft zu geben schienen, daß auch nach seiner Rückkehr Das, was noch zu thun übrig geblieben, nicht verabsäumt und unausgeführt bleiben werde 1). Nur freilich ohne Arglist und Grausamkeit führten Italiener den Krieg nicht, und da Deutsche die Vollstrecker ihrer Befehle und Pläne waren, erwachte mit der Furcht vor diesen wilden Kriegern auch wiederum der Haß gegen die Deutschen überhaupt, der durch Lothar's Milde und Schonung eine Zeitlang in Zuneigung und Vertrauen umgewandelt war. So ließ Alexander in einer von ihm durch List zur Uebergabe bewogenen Stadt die ganze Besatzung von 300 Mann, deren Führer sammt dessen Frau, die auf der Flucht eingeholt wurden, und außerdem noch 200 Unglückliche, die er im Orte selbst gefangen nahm, aufknüpfen 2). Schrecken mochte ein solches Beispiel wol alle Städte, in denen noch Besatzungen Roger's lagen, aber empörend bleibt immer solches Kriegsgericht und nie ohne Wiedervergeltung. Wichtiger war es, daß eben jene deutschen Söldner unter Alexander, in Verdindung mit Bari und anderen benachbarten Städten, die südöstliche Spitze Italiens von Roger's Besatzungen räumten und vornehmlich Brindisi, einen Haupthafenplatz, dem Gegner entzogen. Grausam ließ man auch hier die Vertheidiger einer Burg ins Meer werfen; 25 sicilianische Schiffe wurden Beute der Sieger 3).

 

Sah Lothar durch diese Waffenthaten noch während seines Verweilens

 

1) Ann. Saxo a. a. O. läßt Kaiser und Papst dem Herzog den Rath ertheilen: Ut Teutonicorum militum utpote virtute animi et usu militiae fortitudinis et audaciae Latinis praestantium quoscunque posset contra Rozierum sibi adjungeret, quorum mox octingenti ad ipsum congregati reversi sunt Melphiam, Duce Richardo filio ipsius Reginhaldi et Alexandro.

2) Ann. Saxo a. a. O: Unde venerunt Gerennam (auf den Namen ist wieder nichts zu geben) quam ipse Alexander dolo cepit a Wilhelmo, scilicet fingens adventum Imperatoris (was er mit seinen deutschen Söldnern leicht konnte) quo prae timore abscedente milites ceperunt castrum et Wilhelmum fugientem persecuti captum suspenderunt cum uxore et aliis trecentis militibus Rozieri itemque ducentis, quos in urbe ceperunt.

3) Ann. Saxo a. a. O.: Auxilio Bariensium et vicinarum civitatum liberaverunt Manopolim (?) obsessam a Roziero et eodem exercitu Brundusium obsidentes, tradentibus se oppidanis, similiter et castellum impugnantes ceperunt submersis habitatoribus ejus et captis XXV navibus.

 

 

____

403 Die Kaiserin in Benevent.

 

in feindlichem Lande Roger vom Festlande so gut als ganz verdrängt, so trug er auch Sorge, mit Herzog Rainulf solche Vorkehrungen zu verabreden, welche die Ruhe und Ordnung in dem zerrütteten Lande, das immer nur die Furcht vor übermächtigen Gewalthabern, nicht aber eine selbständige Freiheit unter milden Herrschern gekannt hatte, fester begründeten. Zu dem Zwecke berief er den Herzog in sein Lager vor Benevent. Auch Innocenz befand sich wieder einträchtlich mit Lothar daselbst ein, und alle drei Männer beriethen das Wohl Apuliens. Der Kaiser that seinen festen Entschluß kund, nach Deutschland zurückzukehren. Um den Papst auf den Stuhl Petri zu setzen, bedurfte es nicht mehr einer Belagerung oder eines Sturmes, sondern nur einer Annäherung des deutschen Heeres gen Rom. Benevent gestanden Lothar und Rainulf dem Papste als apostolisches Lehen zu. Darum betrat auch der Kaiser nicht jene Stadt, sondern schlug vor derselben sein Lager auf, wo er einige Tage verweilte. Nur Richenza begab sich mit zahlreichem Gefolge von Rittern hinein, um in der Kirche des h. Bartholomäus ihre Andacht zu verrichten und Weihgeschenke auf dem Altare niederzulegen 1). Entzückt waren die Beneventaner, in deren Mauern seit undenklichen Zeiten kein Kaiser, noch weniger eine Kaiserin verweilt hatte, dieses seltene Schauspiel zu genießen. Von allen Seiten strömte das Volk herbei, die hohe Frau zu sehen, deren gefeierter Name noch die Würde der Majestät erhöhte; zahlreiche Scharen von Männern, Weibern und Kindern begleiteten ihre Schritte vom „goldnen Thore“ bis zur Kathedrale unter Jauchzen und Dankgebeten, und ebenso, als sie durch einen anderen Stadttheil zum „hohen Thore“ ihren Rückweg nahm 2).

 

1) Falco Benev. p. 122: Cum taliter in praedicto loco castra metati sunt triduo post, die videlicet Kalendarum Septembris Imperatrix, nomine Florida (die Uebersetzung von Richenza) militibus fere centum assumptis ad Ecclesiam beati Bartholomaei Apostoli venit, Portam auream ingrediens et Missarum solemnia ibi audiens, pallium quoddam super altare beati Bartholomaei et libram unam argenti obtulit.

2) Falco berichtet als Augenzeuge: Prae gaudio Beneventanus populus utriusque sexus, quia per innumera annorum curricula Imperatricem sive Imperatorem non vidimus cursu praecipiti ad ipsam intuendam Imperatricem ex omni parte civitatis festinavimus et gratias Deo agentes exultavimus, quia quod patres, avi, proavi videre non potuerunt, temporibus nostris vidimus. Ea autem Basilicam ipsam beati Bartholomaei egrediens per mediam plateam civitatis ascendit et per Portam Summam exiens ad exercitum suum remeavit.

26*

 

 

____

404 Sechster Abschnitt.

 

Auch der Kaiser bewies sich der Stadt huldreich. Sie hatte ihm Beschwerden wegen der Bedrückungen, welche sie von den benachbarten Baronen erleide, vorgetragen, und am 6. September erhielten sie von ihm die Zusicherung durch eine Bulle, daß alle jene Barone mit einem Eide bekräftigen sollten, nie wieder gegen Benevent und das zur Stadt gehörende Gebiet sich eine Willkür zu erlauben, noch Lasten und Dienstleistungen ihr aufzuerlegen 1).

 

Mit dem kaiserlichen Paare schien an Huld und Gnade auch der Papst wetteifern zu wollen. Als er in Gemeinschaft mit Herzog Heinrich im Mai dieses Jahres die Stadt der Herrschaft Anaclet's entrissen hatte, war ihm nicht die Zeit gegönnt, dort zu verweilen; er hatte aber dem vor den Thoren versammelten Volke die Zusicherung baldiger Rückkehr gegeben, um für ihr Wohl eifrig Sorge zu tragen. Jetzt erfüllte er sein Versprechen. Aus dem kaiserlichen Lager kam er am dritten Tage in die Stadt, stieg im päpstlichen Schlosse ab, und das Erste, was er vornahm, war eine neue Erzbischofswahl, da der entflohene oder gar auf der Flucht gefangen genommene Schismatiker Roscemanus der Würde verlustig erklärt wurde. Auf einen wackern und ihm willkommenen Mann sollte sie fallen, doch der Freiheit des Volkes auch keine Beschränkung auferlegt werden. Darum erklärte Innocenz laut, im Angesicht des Klerus und der versammelten Menge: daß Jeder, der gegen die Person oder gegen die Wahl, die er getroffen, aus kanonischen und vernünftigen Gründen Etwas einzuwenden habe, es ohne Scheu und unumwunden darthun möge. Da Alles schwieg, dankte er Gott, rühmte selbst die Verdienste Gregor's, des erwählten Erzbischofs, und foderte ihn auf, in Demuth vor Gott am nächsten Sonntage die Weihe zu empfangen, die er, der Papst, im Beisein des Patriarchen von Aquileja, vieler deutschen Erzbischöfe, Bischöfe und Aebte am festgesetzten Tage (den 5. September) ihm ertheilte 2).

 

1) Falco a. a. O.: Sexto die Septembris, quod petierunt Beneventani obtinuerunt ab Imperatore, nempe ut Barones omnes circumpositi jurarent relinquere Beneventanos immunes ab omnibus angariis, quas illi imponere consueverant eorum possessionibus sub eorum dominiis constitutis.

2) Auch dies berichtet weitläufig der Augenzeuge Falco: Altero die adveniente idem Apostolicus in sacro palatio sedens in conspectu cleri et populi Beneventani clamavit, ut si quis contra personam et electionem Gregorii Beneventani Electi canonice et rationabiliter opponere vellet, libera fronte opponeret. Sed clementia divina opitulante et quia Electus ipse vitam suam religiose custodierat, nemo civium contra ejus electionem aliquid objecit. Apostolicus vero hoc aspiciens gratias deo egit, ipse de persona Electi testificatus est, quod honeste ac religiose vixisset et eidem Electo praecepit, ut de peccatis suis confiteretur et die Dominico adveniente Spiritu sancto cooperante consecrationem acciveret. Quid multa? Die adveniente Dominico Apostolicus in Ecclesiam Episcopii descendit quinto die mensis Septembris et Electum ipsum consecravit etc.

 

 

____

405 Verhältnisse des Klosters Monte Cassino.

 

Wahrscheinlich blieb Innocenz noch einige Zeit in Benevent, wahrend der Kaiser, am 9. September sein Lager vor der Stadt verlassend, nach Campanien zog, in Capua noch verweilte, um hier wie in Apulien Anordnungen zur Sicherheit und zum Frieden der Provinz zu treffen, und dann den beschlossenen Rückweg nach dem Norden nahm 1). Nur die Verhältnisse in dem unter seinem kaiserlichen Schutze stehenden Kloster Monte Cassino hielten ihn noch einige Zeit zu St. Germano und in dem Kloster selbst auf. Der Abt Rainald nämlich war eines geheimen Einverständnisses mit Roger sowol und auch mit Anaclet verdächtigt worden. Die Sache wollten nun Kaiser und Papst, die hier wieder zusammentrafen, untersuchen 2). Bereits war Rainald aus dem Kloster entfernt und zu St. Germano unter Aufsicht gestellt. Die Geistlichkeit dieses Ortes und die Mönche von Monte Cassino zogen den hohen Herrschern in einer feierlichen Procession entgegen, Lothar, der nicht nutzlos Zeit verlieren wollte, befahl, sogleich das Verhör über den Angeschuldigten zu Monte Cassino zu beginnen, verbot den Mönchen aber, irgend etwas Unschickliches und Ungereimtes gegen denselben vorzubringen, da es genüge, dessen Schuld nachzuweisen, was in seiner, der Kardinäle, Erzbischöfe, Bischöfe und Aebte und aller weltlichen Großen Gegenwart geschehen solle. Werde der Abt seines

 

1) Falco a. a. O.: Quibus ita peractis praefatus Imperator de praedicto loco (Benevent) castra amovens viam Romam redeundi arripuit, qui ante Portam Summam cum toto suo exercitu transivit et praedictus Apostolicus cum illo festinavit nono die intrante mensis Septembris. Tunc ipse Imperator castra metatus est, ubi tres Sancti nominatur, deinde Capuam petentes Romam transierunt. Ueber den Aufenthalt und die Vorfälle in Monte Cassino schweigt Falco und ist auch über die folgenden Ereignisse nicht wohl unterrichtet. Da wir den Papst vor dem Kaiser in St. Germano finden, mochte Ersterer wol direkt dahin und der Kaiser allein in Capua gewesen sein, wie auch Ann. Saxo ad 1137 nur von Lothar berichtet: Imperator a Benevento Capuam et Campaniam transiens venit in Montem Cassinum.

2) Innocenz hatte bereits den Kardinal Balduin nach Monte Cassino geschickt: ut filium Petri Leonis (d. i. Anaclet) a Casinensibus monachis anathematizari faceret ac Papae ejusdem successoribus obedientiam ab ipsis exigeret. S. Baron p. 326.

 

 

____

406 Sechster Abschnitt.

 

Amtes unwürdig befunden, so wollte er ihn davon sogleich entfernen und dafür sorgen, daß ein besserer seine Stelle erhalte.

 

Schon Tags nach seiner Ankunft zu St. Germano (am 15. September), wo unter anderen Ehrenbezeugungen auch eine römische Gesandtschaft ihm die Patrizierkrone entgegen brachte 1), begab sich Lothar, und vor ihm, am frühen Morgen, Richenza mit dem angesehensten, zahlreichen Gefolge nach Monte Cassino. Das Kaiserpaar brachte reiche Weihgeschenke dem heil. Benedict, dem Schutzpatron des Klosters dar 2), und verweilte viele Stunden unter andächtigem Gebete in der Kirche. Diese Zeit benutzte Rainald, um auf listige Weise die Mönche zu gewinnen. Er berief das Kapitel, zeigte sich sehr demüthig und bereitwillig, auf deren Geheiß, die ihn gewählt hätten, auch wiederum die Würde niederzulegen. Man brauche deshalb keine so großen Anstalten, wie der Kaiser beabsichtige, zu treffen und sich von Seiten der Mönche nicht zu ereifern. Während er so redete, waren einige seiner Anhänger, Dienstmannen und Laien von Monte Cassino, hereingetreten und machten nun den Mönchen Vorwürfe, daß sie ihren Abt im Stiche lassen und der Schande Preis geben wollten. Doch der Zweck dieser ganzen List, die Rainald angestellt hatte, ward nicht erreicht. Die Mönche trieben vielmehr jene Eindringlinge mit Schlägen heraus und schwuren, von Zorn erhitzt, nicht länger einen Abt zu dulden, der das Kloster mehr den Händen von Laien als den geistlichen Brüdern anvertraue 3). Als gegen Abend desselben Tages noch ernste Mahnungen des Papstes von St. Germano anlangten mit dem Befehl, dem Abte nicht länger gehorsam zu sein, sondern ihn hinauszutreiben, und als am nächsten Morgen die Kardinäle Haimerich und Guido, auch der Abt Bernhard von Clairvaux

 

1) Chron. Cas. IV, 119: Ipse vero in civitate (S. Germani) coronam circuli Patricialis accepturus remansit. Nam tunc exaltationis S. Crucis agebatur celebritas (15. September).

2) Alles weitläufig in Chron. Cas. lib. IV, cap. 120. Wir heben nur daraus hervor: Cum illuxisset Richiza Augusta montem totum pedibus ascendit, Papa in civitate remanente. Lotharius quoque Imperator innumero vallatus exercitu Cassinum pervenit atque a fratribus maximo cum honore susceptus est. Obtulit autem ipso die S. Benedicto Pluviale optimum aureis listis ornatum et Planetam ejusdem operis, candelabra quoque argentea duo librarum fere tredecim, auri marcham unam et novemdecim marchas argenti. Richiza autem Augusta posuit super altare stolam Phrygiam cum manipulo suo et mitram auro decenter ornatam.

3) Chron. Cas. a. a. O.: Qui monasterium non monachorum sed laicorum praesidio tenere mallet.

 

 

____

407 Verhältnisse des Klosters Monte Cassino.

 

die Untersuchung einleiten oder vielmehr die Absetzung schnell vollziehen wollten, konnte nur des Kaisers Ansehen diesem ungerechten, übereilten Verfahren vorbeugen. Mit bewunderungswürdiger Geduld hörte Lothar zwei Tage lang von früh bis spät dem Gezänke der Gegner und der Vertheidiger Rainald's zu 1), bis er endlich beide Theile bewog, ihm und dem Papste die Entscheidung zu überlassen 2).

 

Aber wenig Dank hatte sich der Kaiser dadurch bei Innocenz erworben, ja empört war dieser, daß Lothar sich, während er, der Papst, in der Nähe verweile, mit den Großen des Reichs in Kirchensachen mische und das Verhör eines Abtes leite. Auch den Erzbischöfen, Bischöfen und Aebten, die dem Kaiser zur Seite gestanden, drohte Innocenz an, sie ihres Amtes zu entsetzen. Lothar hätte nicht Lothar sein müssen, um diesen Ausbrüchen des päpstlichen Zornes anders als mit Fassung und Würde zu begegnen. „Was ich gethan habe“, schrieb er an Innocenz, „habe ich nicht zu Deiner Kränkung, sondern zu Deiner Ehre gethan, und was Du mit Weisheit und Ueberlegung beschließest, werden Alle für gerecht erkennen 3).“ Wirklich wurde der Papst dadurch versöhnt, sandte die frühern Vollstrecker seiner Aufträge abermals nach Monte Cassino, wo nun Rainald auf deren Gebot am Altar des heil. Benedict die Würdeinsignien niederlegte und abdankte. Aber ein neuer Zwiespalt entstand bei Ernennung des neuen Abtes, als die päpstlichen Abgesandten den Mönchen Beschränkungen in der Form und in der Person des

 

1) Man muß dieses Hin- und Herreden, das oft des Kaisers ernstliches Einschreiten nöthig machte, in Chron. Cas. cap. 120-125 lesen, um des Verfassers Ausspruch zu würdigen: Jam vero quis tanti Imperatoris clementissimum animum non admiretur? Sederat ad sedendas dissensiones fratrum in Capitulo a prima diei hora usque ad vesperam absque cibo potuque perdurans dum paci unitatique consuleret, nempe enim sub Imperii clamyde coelesti militabat Regi.

2) Chron. Cas. cap. 121: Cum diu moras traherent, mandat Imperator his, qui ad discutiendum convenerant, ut Electo (Rainald) suaderent se ipsum in potestate Imperatoris ac Pontificis poneret, ut quidquid illi statuerent, hoc ipse absque dilatione sequeretur. Ad haec ille diu cunctatus tandem consensit seque illis libere ex toto permisit. Darein willigen auch alle Anwesenden: Ad omnia paratos Imperator invenit, sicque secundi diei conventus solutus est.

3) Quae gesta erant, simpliciter neque ad ejus injuriam, sed ad honorem magis facta esse omnia quippe ex ejus potestate pendere, quidquid ipse decerneret, id omnes pro rato haberent.

 

 

____

408 Sechster Abschnitt.

 

zu Wählenden auferlegen wollten. Abermals trat Lothar ins Mittel, schickte die würdigsten Manner an den Papst ab, die aus alten Privilegien des Klosters das freie Wahlrecht nachwiesen. Da mußte Innocenz nachgeben. Zu deutlich stellte sich heraus, daß stets die Abtwahl den Mönchen, die Bestätigung dem Kaiser, und dem Papste kein Recht in Monte Cassino zustehe als den Abt zu weihen und auf Durchreisen von Rom nach Benevent oder von hier dort zurück eine freie Mahlzeit zu halten 1). Wie sehr die Mönche dem Kaiser ergeben und dessen Wünschen geneigt waren, bewies ihre Wahl. Sie wurde auf den Mann, der Lothar in einer so wichtigen Stellung der erwünschteste von Allen sein mußte, auf Wibald von Stablo, gelenkt, den gelehrten, kriegserfahrenen und doch allezeit friedfertigen Kanzler, Kapellan und Flottenführer des Kaisers. Zwar weigerte sich der Mann selbst sehr lange, aber Lothar überwies ihn den Mönchen, die ihn trotz alles Sträubens zu ihrem Abte erhoben. Darauf investirte ihn der hohe Gönner mit dem Scepter, das er bisher selbst als Kaiser geführt hatte, und belehnte ihn mit allen Gütern, die von Justinian's Zeiten dem Kloster Monte Cassino zugewiesen waren 2). Daneben verblieb Wibald noch die Abtei Stablo, deren Privilegien Lothar bald danach zu Aquino erneuerte und erweiterte, sowie er ebendaselbst die Urkunde ausstellte, wodurch die bisherigen Freiheiten, Besitzungen und Rechte von Monte Cassino bestätigt und die mächtigen Lehnsträger des Klosters, darunter der neue Herzog Rainulf von Apulien, der Fürst von Capua und andere zum Schutz und Beistand Wibald's verpflichtet wurden 3).

 

1) Die Privilegien werden von Karl dem Großen, den Päpsten Benedict VII., Leo IX., Kaiser Heinrich dem Frommen, Konrad II. und Heinrich III. ertheilt genannt: Victus rationibus Pontifex Cassinensis Abbatis electionem fratribus ordinationem Lothario Imperatori ejusque successoribus concessit atque firmavit, sibi vero suisque successoribus, Abbatis confirmationem prandiumque in eundo Beneventum ac redeundo reservavit. Der Kaiser erwähnt dies ebenfalls in der Urkunde für Monte Cassino. S. Gattula hist. Abbatiae Cassin. Pars I, p. 251 und die hieher gehörige Stelle auch bei Mascov. comm. p. 193, nota 3.

2) Chron. Cas. lib. IV, cap. 124: Cernens Imperator Guibaldum modis omnibus reluctare fratribus illum tradidit, quem suscipientes in Casinensi Monasterio Abbatem ordinaverunt et ab Imperatore per Romani Imperii sceptrum, quod manu gestabat, de Casinensi Abbatia cum omnibus possessionibus suis, sicut a temporibus Justiniani usque ad illum diem Monasterio concessae fuerant, est investitus.

3) Chron. Cas. lib. IV, cap. 125: Ordinato Imperator Monasterio octavo postquam illuc advenerat die beato Benedicto se ac fratribus multum commendans - ad civitatem S. Germani una cum Guibaldo novo Abbate descendit, Abbatemque Papae commendans juxta veterem Aquinensem civitatem tentoria fixit. Die beiden Urkunden zu Aquino sind die angeführte bei Gattula in Betreff Monte Cassinos und die über Stablo bei Miraeus opera diplom. I, p. 687, besonders wegen der zahlreichen Zeugen wichtig, die wir als des Kaisers Begleiter später anführen, wie sie Mascov. p. 104 und 348 aus dieser und einer andern Urkunde gibt.

 

 

____

409 Lothar's Gefolge von Fürsten und Prälaten.

 

Auf seinen geliebten Wibald scheint Lothar die meiste Hoffnung gesetzt zu haben, daß der Zustand, in welchem er Unteritalien verließ, erhalten, daß Friede und Einheit im Lande befestiget, die Gefahr vor Roger's erneuten Eroberungsversuchen abgewendet und das Band zwischen Kirche und Staat fester geknüpft werden würde. Daß aber alles dies nur in Erfüllung gehen könne, wenn er, der kaiserliche Greis, die Seele, die Triebfeder in dem von ihm hergestellten römisch-deutschen Reiche bleibe und wenigstens so lange lebe, bis der Ruhm seiner Thaten in Italien ihm in Deutschland widerhalle, und daß mit seinem frühzeitigen Tode bald das festgeschlossene Reichsverband zerfallen werde, ahnete er nicht, auch selbst wenn er des nahen Endes sich bewußt war, weil er ja im Eidam den Vollstrecker Dessen, was er begonnen, zu erkennen glaubte. - Nach wenig Monaten schon erhielten die Dinge in Italien wie in Deutschland eine ganz geänderte Gestalt! -

 

In zahlreichem Gefolge von Fürsten, Prälaten und mit einem noch immer bedeutenden Heere aus Deutschen und Italienern nahm der Kaiser zu Aquino von seinem getreuen Wibald Abschied, und langte Ende Septembers auf römischem Gebiete an 1). Die bedeutendsten Geistlichen, die ihn bisher umgeben hatten, waren: der Patriarch Peregrinus von Aquileja, die Erzbischöfe Albero von Trier und Konrad von Magdeburg, die Bischöfe Heinrich von Regensburg, jetzt Erzkanzler von Italien, Ulrich von Constanz, Mengold von Merseburg, Albero von Basel, Albero von Lüttich, Andreas von Utrecht, Anselm von Havelberg, Heinrich von Toul, die Aebte Konrad von Fulda, Otto von Reichenau, Reinold von Morbach und Anno von Lüneburg. Unter den weltlichen Fürsten standen oben an: Heinrich, Herzog von Baiern und Markgraf von Thuscien, der Hohenstaufe Konrad, Herzog Ulrich von Kärnthen, die Pfalzgrafen Otto von Rheineck und Otto von Wittelsbach, Markgraf Konrad von Meißen, die italienischen Markgrafen Manfred aus Oberitalien,

 

1) Chron. Cas. lib. IV, cap. 125: Imperator Guibaldo Abbati valedicens et fratribus ac Patri Benedicto se commendans, comitante se jam dicto Papa Innocentio juxta auream urbem pervenit.

 

 

____

410 Sechster Abschnitt.

 

Friedrich von Ancona und des Letztern Bruder Werner, die Grafen Poppo und Berthold von Andechs, Gerhard von Burcheisen, Lothar's naher Verwandter, Werner und Ulrich von Lenzburg, Guido von Blandrode, Malespina u. a. m. Eine rühmliche That bezeichnete auch auf römischem Gebiet des Kaisers Weg. Bei Präneste 1) hob er ein Raubnest auf, das lange den frommen Pilgern den Weg nach Rom gefährdete und reiche Beute in sich schloß. Seine tapfern Bogenschützen und Leichtbewaffneten erstürmten das Raubschloß, und die Pränestiner dankten ihm nicht nur die Sicherheit der Straße, sondern empfingen auch die ihnen abgenommenen Schätze und Besitzthümer wieder zurück. Doch auch ein betrübendes Ereigniß traf ihn zu Präneste, da ein Verwandter seiner Richenza, der Graf Giso von Gudensberg, gleich vielen Andern dem ungewohnten Klima, der um sich greifenden Seuche erlag 2).

 

Die Sache Innocenz's gewann sehr viel durch den Uebertritt jenes Grafen Ptolomäus von Thusculum, der einst als Heinrich's V. Verbündeter gegen Paschalis II. den Ausschlag gegeben hatte. Dieser schlaue Politiker, jetzt römischer Konsul und Diktator von Thusculum, ergriff stets die Partei des Mächtigeren und durfte wegen seines Einflusses und seiner großen Reichthümer auch von dem Mächtigsten nicht zurückgewiesen oder um früherer Handlungen zur Rechenschaft gezogen werden. Er beeilte sich, bei Lothar's Annäherung vor dem Kaiser zu erscheinen, den Eid der Treue zu schwören und seinen Sohn Rainulf als Geißel zu stellen. Dafür überreichte ihm Jener den kaiserlichen Ring, den er vom Finger zog, und belehnte durch dieses mehr kirchliche als weltliche Symbol den Grafen und seine ganze Nachkommenschaft für ewige Zeiten mit den weit ausgedehnten Gütern, die schon von den Vätern her seinem Hause innerhalb des römischen Gebietes zuerkannt waren 3). Nach Ptolomäus' Uebertritt

 

1) Ann. Saxo 1137: Inde veniente Imperatore Praeneste oppidum quoddam sub iilo situm, scilicet domicilium latronum et peregrinos Apostolorum ad limina tendentes spoliantium, milites magna vi sagittariorum expugnatum ceperunt. Cum castello et civibus expulsis maximam praedam latrociniis congestam venientes tulerunt.

2) Ann. Saxo a. a. O.: Apud Praeneste quoque defunctus et sepultus est Giso Comes Hassiae. Wahrscheinlich ein Sohn jenes Giso von Gudensberg, dessen Tochter Hedwig Landgraf Ludwig zur Frau nahm, die eine Verwandte Richenza's genannt wird. Da der Landgraf Ludwig später als mächtiger Herr in Hessen erscheint, so mochte er jetzt etwa nach Giso's kinderlosem Tode in den Besitz der Güter seines Schwagers im Namen seiner Gemahlin sich setzen.

3) Chron. Cas. a. a. O.: Accepto a Tolomaeo Duce et Consule Romano et Dictatore Thuscularensium fidelitatis sacramento et Reginulfo filio ejus obside per annulum, quod manu gestabat, confirmavit ei et heredibus ejus in perpetuum totam terram, quam a parte parentum suorum jure hereditario possidebat.

 

 

____

411 Anaclet's Bedrängniß.

 

war bis Rom kein bedeutender Widerstand mehr zu erwarten. Zwar hielten noch mehre Burgen Anaclet's Anhänger besetzt, doch nach leichtem Kampf oder auch freiwillig ergaben sie sich und manche mit reichen Vorräthen und Schätzen dem Kaiser, der sie an Diejenigen zurückstellte, die gegründete Ansprüche daran hatten. Ueber Tibur, Farsi, den Weg nehmend, stand er bereits vor den Thoren Roms 1).

 

Die heilige Stadt noch einmal zu betreten, hielt Lothar nicht für gut, schon weil es ihm nur Zeitverlust gebracht hätte 2). Nicht kitzelte ihn die Eitelkeit, im Triumph durch dieselbe zu ziehen und hier das Schaugepränge früherer Kaiser zu wiederholen. Seiner Heeresmacht bedurfte es aber nicht mehr, um Innocenz in den Besitz des apostolischen Stuhles zu setzen, da Senat und Volk beiden Häuptern bereits solche Zeichen der Unterwürfigkeit und des Gehorsams bewiesen hatten, welche die Verdammung Anaclet's und seiner Anhänger deutlich ausdrückten, und auch, wenn Alles erheuchelt gewesen wäre, von Anaclet nichts zu befürchten war, weil diesem alle Macht fehlte, um sich noch trotzig dem Kaiser und dem von diesem und allen Herrschern der Christenheit anerkannten Papste zu widersetzen. Zwar hatte der Gegenpapst die Stadt noch nicht verlassen, aber nicht etwa, um sie dem übermächtigen Gegner vorzuenthalten, sondern nur weil nirgends anders ein sichrer Aufenthalt ihm erschien als die festen Thürme und Paläste der an sein Geschick geketteten Anhänger ihm vorläufig gewährten. Armselig aber war das Leben, welches er hier fristete. Seine Reichthümer waren verschleudert und versiegt, die Pracht seiner Hofhaltung verschwunden.

 

1) Ann. Saxo gibt den Weg von Präneste also an: Unde pertranseuntes Tiburtinam petierunt Farvam, cujus Ecclesiae Abbati castella multa cum praediis violentia Petri Leonis (weil Farsi an Innocenz und Lothar gehangen) et allorum ablata restituit, sed et oppidum quoddam magnum et opulentum (den Namen erfahren wir nicht; sie mußte nahe vor Rom liegen) cujus habitatoribus subdi cum contumelia contradicentibus exercitus captum cum castello oppidum igni tradidit, in quo et multitudo non parva hominum praecipicio et varia calamitate periit.

2) Zwar sagt Falco Benev. a. a. O.: Deinde Capuam petentes Romam transierunt. Quid multa? (Dahinter versteckt er, daß er nicht genau unterrichtet ist.) Imperii sui altitudinem et Palatia Imperator repedavit Apostolicus autem Innocentius Palatium Lateranense. Auch andere italienische Schriftsteller, selbst Baron. lassen Lothar nach Rom kommen. Doch ist Ann. Saxo hier genauer.

 

 

____

412 Sechster Abschnitt.

 

Seine Dienerschaft darbte, der Ueberfluß seiner Tafel war in schlechte Hausmannskost verwandelt, zu der nicht mehr zahlreiche Gäste sich einfanden, sein ganzes Hauswesen war ein Bild des Elends, und verkündete die baldige Auflösung. Nur die zu seiner Familie gehörten und nirgends eine Aufnahme fanden, nirgends vor Verrath sicher sein konnten, boten die letzten Kräfte für Den auf, der einst als ihr Haupt ihr Stolz gewesen war 1). Wider sie war Lothar nicht Willens, seine Deutschen, die nicht mehr Beute und Siege, sondern Rückkehr nach der Heimat verlangten, aufzubieten und in den Straßen Roms verzweifelte Kampfe, Pöbelaufläufe, Zerstörung prächtiger Paläste, Kirchen und Denkmäler zu veranlassen. Denn dergleichen war immer noch zu besorgen, da der zahlreiche römische Klerus nicht sowol aus Anhänglichkeit und Hingebung für Anaclet, als um nicht inkonsequent oder gar von des ehemals reichen Petrus Leonis' Geld bestochen und gewonnen zu erscheinen, auch jetzt noch die Papstwahl vertheidigte und für allein rechtmäßig ausgab, welche von ihnen ausgegangen wäre und, wie sie behaupteten, unumstößlich fest stände.

 

Solche Gegner zu bekämpfen, bedurfte es nicht Rosse, Streitwagen und Sturmmaschinen, die aus den bedrohten Priestern fanatische Aufwiegler des beutelustigen Pöbels gemacht haben würden; wider sie waren die Bernharde, Gerharde und ihres Gleichen in Innocenz's Gefolge geeignetere Streiter, die mit Worten fochten, überredeten, beschwichtigten, verführten und mit unermüdlichem Eifer nicht eher abstanden, bis ihnen der Sieg gelang und sie ihren Papst von den Widersachern als den bessern und kanonisch erhobenen anerkannt sahen. Der tapferste Vorkämpfer Innocenz's, der unermüdliche Bernhard von Clairvaux, war bereits in Rom und hatte das Feld ausgekundschaftet. Er erkannte, wie der Klerus, wie Anaclet's Verwandte, wie Volk und Senat, wie Feinde und Freunde dachten,

 

1) Vita S. Bern. lib. II, cap. 7 gibt ein anschauliches Bild von Anaclet und seiner Partei: Eorum, qui de Petri prosapia erant, haec erat responsio, quia jam credi eis a nemine posset, si demembrarent genus suum et eum relinquerent, qui cognationis suae caput esset et Dominus. Und später von Anaclet selbst: Ipsius quoque Petri animus tabescebat, quia se quotidie minui, Innocentium vero crescere minime dubitabat. Defecerant pecuniae, contabuerat curiae amplitudo, aruerant ministeria domus. Rarus mensam ejus frequentabat conviva, deliciae in plebeja cibaria commutatae, cultus obsequentium vetustate obscurus, macri et acuti stipendiarii, aere alieno oppressi et tota domus effigies pallida dissolutionem proximam indicabat.

 

 

____

413 Lothar's Rückkehr.

 

und wie sie zu behandeln seien 1). Gewiß war er es, der den Kaiser in dem Entschluß weiter zu ziehen, Rom nicht wieder zu betreten, eher bestärkte als davon abrieth. Schon um nicht Alles dem Kaiser zu verdanken und sein eigenes Verdienst verdunkelt zu sehen, mußte die Entwaffnung der Widersacher in Rom, die Vermehrung der Anhänger, der endliche Sieg der Sache Innocenz's sein Werk bleiben. Er, nicht Lothar, sollte Rom in des Papstes Gewalt bringen.

 

So schied denn, ehrenvoll vom Kaiser und den Fürsten entlassen, Innocenz und sein Gefolge aus dem Kriegslager der Deutschen, das fast ein Jahr lang sein Hort und seine Kirche gewesen war 2). Von nun ab gingen Lothar und Innocenz wieder in getrennten Wegen, wol Jeder froh, daß er des Andern nicht mehr bedurfte, daß er vom Andern in seinen Handlungen und Absichten nicht behindert und gehemmt wurde. Daß sie es verstanden, bei höchst verschiedenartigen Interessen, trotz vielfacher Reibungen und Spaltungen über kirchliches und weltliches, päpstliches und kaiserliches Recht neben einander die gleiche Bahn zu gehen; daß sie nicht in dauernde Feindschaft, Haß und Verfolgung gerathen, daß sie beim Scheiden noch in gegenseitiger Hochachtung und Anerkennung ihrer Würde wie ihrer Person verharrten, gereicht beiden Männern zur größten Ehre, ja es zeigt am deutlichsten, wie würdig beide die Stelle ausfüllten, die ihnen in der Christenheit, in der Welt zu Theil geworden war.

 

Lothar verfolgte die Straße, die ihn der ersehnten Heimat zuführte, aber es war eine neue, von ihm und seinem Heere noch nicht betretene. Sie mußte darum oft mit dem Schwerte gebahnt

 

1) Vita S. Bern. a. a. O.: Abbas nec in curribus, nec in equis spem ponens, sed colloquia quorundam suscipiens sciscitatur, quae sit eorum facultas, qui fautorum animi utrum errore an malitia seducti tantum scelus protrahant et protelent? Intelligit ex secretis Clerum, qui cum Petro erat, de statu suo sollicitum scire quidem peccatum sed non audere reverti, ne perpetua notatus infamia, vilis inter ceteros haberetur, et malle sub umbra honestatis interim sic esse quam expelli a sedibus suis et publicae mendacitati exponi. Dann folgt das über Anaclet's Verwandte Angeführte: Ceteri juramento fidelitatis excusabant perfidiam nec aliquis ex sana conscientia parti illi conferebat suffragia. Hiemit zu verbinden und richtig zu verstehen ist dann, was Albericus ad 1137 berichtet: Lotharius ab ingressu abstinuit urbis Romae, quia Petri Leonis de sede Apostolica contendentis proelia et seditiones nequivit compescere.

2) Ann. Saxo a. a. O.: Posthaec data et accepta honorifice ab Imperatore et Principibus licentia Papa remeavit in sua.

 

 

____

414 Sechster Abschnitt.

 

und von Feinden und Räubern gesäubert werden. Narni unterwarf er im Vorbeigehen; Amelia, dessen Bürger mit straffälliger Beleidigung seinen kaiserlichen Namen herabgewürdigt hatten, züchtigte er hart. Dann auf dem rechten Ufer der Tiber weiter ziehend, über Orvietro, Aricia, suchte er in Eilmarschen Bologna zu erreichen. Ohne Kampf und Verlust war auch diese Strecke nicht zurückzulegen. Zu Aricia starb ihm der wackere Bischof Albero von Basel; eine wilde Rotte in den gebirgigen Gegenden belästigte den Nachtrab des Heeres, wurde dafür aber mit Strafen, die nur Ehrlose treffen, gezüchtigt 1). In Bologna gönnte er seinen Deutschen einige Erholung und Ruhe von dem angreifenden Marsche, die Italiener entließ er, Jeden nach feiner Heimat, weil nun kein Feind von Bedeutung mehr zu erwarten war 2). Da aber langten Unglücksboten aus Unteritalien an, die von Roger's neuer Landung, von der Wiedereinnahme Salernos, in dessen Burg sich noch seine Besatzung gehalten hatte, von dem verheerenden Einfall in Campanien, von dem Uebertritt Sergius', der früher dem Sicilianer so tapferen Widerstand geleistet hatte, von der Zerstörung Capuas durch Feuer und Schwert verkündeten. Wie niederschlagend mußten diese Nachrichten auf Lothar wirken, der Alles gethan zu haben glaubte, was Campaniens, Apuliens und der anderen Südprovinzen Wohl und Unabhängigkeit zu bezwecken schien. Selbst Wibald, der das Band der Fürsten, das gute Vernehmen zwischen Papst und Kaiser aufrecht erhalten sollte, verließ seine Abtei Monte Cassino und eilte schnell zum Kaiser, um diesen noch in Italien anzutreffen und wo möglich zur Rückkehr oder doch zu einer Hülfeleistung zu bewegen. Aber selbst wenn er Lothar noch diesseits der Alpen antraf, war nicht bereits der größte Theil des Heeres entlassen? Ließ sich so

 

1) Ann. Saxo: Imperator autem Narnis pertransiens eamque subjiciens sicque Aemiliam (Ameliam) magnam urbem aggrediens et cives probrosa insultatione imperium ejus refutantes tandem victos pluribus captis aliis autem varia clade affectis humilians transito Tyberi Orvet (Orvietro) id est urbem veterem transcurrens venit Ariciam. In Betreff Amelias irrt Otto von Freisingen wol ebenso wie über Bologna, wenn er von beiden berichtet Chron. VII, cap. 19: Bononenses quoqoe atque Aemilienses, qui cum priori eum expeditione despexerant (von Amelia mag dies gelten) supplices ac multum servitium offerentes ultro occurrunt.

2) Ann. Saxo: Postquam Bononiam perventum est, exercitus accepta ab Imperatore licentia paulatim dilapsus et quisque in sua reversus est. Dies ist wol so zu verstehen, daß die Italiener entlassen wurden, die Deutschen mit ihm heimkehrten.

 

 

____

415 Roger's neuer Einfall in Unteritalien.

 

schleunig ein zweites sammeln? Waren die Deutschen so freudig und muthig wie vorher gefolgt, da ihr ganzer Sinn nach dem nahen Vaterlande stand? Ach, und den Kaiser selbst beugte Krankheit und in ihm wohnte seit einiger Zeit das vorahnende Gefühl des baldigen Todes 1), das ihn um so mehr nach der Heimat drängte, um das Nöthigste für Reich und Haus noch anzuordnen.

 

Herzog Rainulf hielt noch einmal das drohende Verderben Unteritaliens auf. Bei Ragnano schlug er (am 30. Oktober) Roger in einem blutigen Treffen und zwang den stets über Italiener Siegreichen zur Flucht 2); aber es war eine kurze Freude, die nur noch des Kaisers Blicke in der Scheidestunde verklären sollte; für Italien war sie ein vorübergehender Sonnenstrahl am gewitterschwangeren Himmel, der bald über das unglückliche Land mit allem Schrecken und Verderben einbrach. Der Uebermacht Roger's ließ sich dauernd kein Widerstand entgegensetzen, zumal da er seit der Niederlage vorsichtiger geworden, nicht blos mit dem Schwerte drein schlug, sondern durch schlaue Unterhandlungen mit dem Papste Innocenz, dessen Ansprüche an den Stuhl Petri er scheinbar mit dem größten Eifer prüfte, den gefährlichsten Gegner hinzuhalten wußte 3). Als am 30. April 1139 der wackere Rainulf starb, als Innocenz, der den Bann über den treulosen Ränkeschmieder verhängt und um diesem mit weltlichen Waffen Nachdruck zu geben, sich selbst an die Spitze eines Heeres dem Konige entgegengestellt hatte, von Roger's Sohn,

 

1) Nach Chron. Cas. soll er dies schon in Aquino zu Wibald ausgesprochen haben. Es heißt lib. IV, cap. 126: Imperator et Apostolicus festum S. Martyris Christi Mauritii Ecclesia beati Petri Apostoli celebrans Guibaldum Abbatem cum fratribus ad prandium evocat dicens: Puto, quia comedendi bibendique vobiscum his mihi erit ultimus dies, idque postea rei probavit eventus. Wenn Wibald IV. Nonas Novembris, wie Chron. Cas. lib. IV, cap. 127 sagt, Monte Cassino verließ, konnte er wol noch den Kaiser am Leben getroffen haben, doch nur um seinen Kummer über die Ereignisse in Unteritalien zu sehen, nicht um Hülfe zu finden. Er hatte Monte Cassino auf immer entsagt, den Mönchen eine neue Wahl des Abtes gestattet, und kehrte nach seinem geliebten Stablo zurück, wo er von Jugend auf gelebt hatte und sich am glücklichsten fühlte. An den politischen Ereignissen nahm er aber auch noch unter Konrad III. und Friedrich I. Theil.

2) Vita S. Bern. lib. II, cap. 7: Parato ad bellum innumerabili exercitu adversus Rainulphum Ducem, idem Rex in campum armatas produxerat acies, cum subito viso Duce audacter obviam procedente territus fugit, effusumque exercitum praedae et caedibus exposuit et innumeris militibus captis et interfectis invitus Ducem ditavit opibus, gloria sublimavit.

3) S. dies weitläufig bei Baron. p. 331 sqq.

 

 

____

416 Sechster Abschnitt

 

dem jüngern Roger, eingeschlossen und mit der ganzen Armee gefangen genommen wurde, gab zwar der König dem heiligen Vater die Freiheit und selbst Benevent zurück, doch Apulien, Calabrien und Capua mußten als Kirchenlehen ihm und seinen Nachkommen zugestanden werden. Nach diesem Vertrage mit dem Papste ward Roger der Sieg über die Barone, die nur aus Furcht noch widerstanden, leicht, und auch die tapfere Gegenwehr einiger Städte, wie Bari, konnten das harte Geschick Unteritaliens nicht abwenden 1).

 

Denn der vormalige Retter, der einzige Befreier von Roger's Tyrannei, der Kaiser Lothar, lebte nicht mehr. Mochte ihn auch der Sieg Rainulf's noch erfreuen; die Hoffnung, in Deutschland sein hochgesteigertes Ansehen zu fernerer Beglückung des Reiches, auch wol zu neuer Bekämpfung Roger's aufzubieten, sollte unerfüllt bleiben. Zu Trident, wo er das Fest des heiligen Martinus feierte, erkrankte er ernstlich, ließ dennoch aber sich nicht abhalten, die Reise durch das rauhe Gebirge fortzusetzen. Zu Breitenwang bei Hohenschwangau, in einer schlechten Hütte, ereilte den höchsten Beherrscher in der ganzen Christenheit der Tod (am 3. December) 2).

 

Deutschland verlor in ihm wahrhaft einen Vater des Vaterlandes, wie die gleichzeitigen Schriftsteller ihn nennen. Denn nicht

 

1) S. dies Alles bei den italienischen Schriftstellern, die Raumer I, S. 402 und 403 angeführt hat.

2) Ann. Saxo a. a. O.: Denique Lotharius Imperator Tridentinum veniens ibique festum S. Martini cum gaudio celebrans (die Nachricht von Rainulf's Sieg mochte die Freude erhöhen) infirmari coepit, quo languore quotidie ingravescente amore magno revisendae patriae nec ob hoc iter suum remorari patiebatur. Sed praevalenti mortali aegritudine desperans, cum episcopi, qui aderant, exitum ejus unctione sacri olei et vivificis sacramentis munissent, tandem apud Breduwam villam in faucibus Alpium constitutam ille heu multis lamentabilis utpote Pax Ecclesiae amator religionis et justitiae III. Nonas Decembris a saeculo migravit. Chron. Ursp. gibt den Ort inter Oenum et Lycum sub vilissima casa. Otto Fris. a. a. O. in ipsis montibus in vilissima casa und so Andere mehr. Den Tag Alb. Stad., Ann. Bosov. III. Nonas Decembris. Dodechin III. Kal. (wol nur statt Non.) Decembris apud castrum quoddam Bojoariorum Ducis. Chron. Saxo, Chron. Magdeb., Chron. Halberst. II. Non. Decembris. Arenpeck in die S. Nicolai Episcopi anno 1138, was um einen Tag zu spät, wie Pagi crit. ad 1136 nota b um ein Jahr zu früh, doch setzt er nach Vergleichung der Chronisten richtig nocte inter III. et II. Non. Decembris. Die aufgegrabene Tafel in Lothars Sarge hat III. Non. Die Italiener sind fast alle falsch berichtet. Chron. Cas. sagt: apud Clusam Liguriae, Falco Benev. p. 125 in partibus Thusciae. Vergl. über den Ort die Untersuchung bei Mascov. adnotat. VII, p. 337 sqq.

 

 

____

417 Lothar's Verdienste um Deutschland.

 

nur mit Kraft hatte er den gesunkenen Thron hergestellt, auch durch seine Milde und Herzensgüte ein Band zwischen Herrscher und Volk geknüpft, was unter den streng, willkürlich, oft despotisch verfahrenden fränkischen Kaisern niemals möglich gewesen war 1). Schon als Herzog von Sachsen hatte er zur Abwehr von Unbilden, zum Schutz ungerecht Bedrängter, zur Aufrechterhaltung der Rechte aller Stände, die von Heinrich V. bedroht waren, sein Schwert erhoben und für solchen Kampf Alles eingesetzt, Niemanden gescheut. Als König und Kaiser hielt er an den gleichen Grundsätzen fest, aber, um nicht in die Willkür zu verfallen, der er bisher gewehrt, sollte nicht an das Schwert, nicht an die Gewalt die Vollziehung seines Willens, die Geltendmachung seines Handelns geknüpft sein, sondern der Vermittlung durch das Wort des Herrschers, durch das Ansehen der Majestät, durch seine eigene Persönlichkeit gab er überall den Vorzug und brauchte nur die zu Gebote stehende Macht, wo Trotz, Anmaßung, Zügellosigkeit oder gar Frevel nicht anders gehemmt und gezüchtigt werden konnten. In einem Zeitalter, wo alle Leidenschaften ungestüm hervorbrachen, wo die gesetzlichen Schranken niedergerissen oder schwach gestützt waren, wo ein kaum beendeter Kampf zwischen Kirche und Reich die Verfassung untergraben, den Thron in Schwanken gebracht, die Majestät des Kaisers zum Schatten herabgesetzt hatte, war es eine schwierige Aufgabe: die Macht der Vernunft, die Verweisung auf das Recht, die Nothwendigkeit des Friedens und die Heiligkeit der Majestät als wirksame Hebel der Herrschaft über alle ihnen widerstrebenden Kräfte zu gebrauchen. Gleichwol gelang es Lothar, auf diesem einzig Heil bringenden Wege Deutschland vom gänzlichen Verfall zu erretten und es zu einer kaum mehr zu hoffenden Größe zu erheben. Es erscheint nach den zwölf Jahren seiner Regierung wie umgewandelt, und Lothar's zweite Heerfahrt in Italien zeigt die wildaufgeregten Elemente, die

 

1) Schön hebt dies Ann. Saxo hervor: Merito a nobis nostrisque posteris pater patriae appellatur, quia erat egregius defensor et fortissimus propugnator nihili pendens vitam suam contra omnia adversa propter justitiam opponere et ut magnificentius de eo dicamus, in diebus ejus populus terrae non pertimuit. Unusquisque enim sua liberaliter pacificeque possidebat. Alle Chronisten, auch Albert von Stade und Otto von Freisingen, stimmen beim Tode des Kaisers sein Lob an. Nur einige neueren deutschen Geschichtschreiber haben Lothar's Ruhm zu schmälern gesucht, Raumer, um die Hohenstaufen zu heben, Luden aus - man weiß wahrlich nicht, welchem Grunde? Die Widerlegung der älteren Scribenten sind Beide schuldig geblieben.

II. 27

 

 

____

418 Sechster Abschnitt.

 

bisher sich zu vernichten drohten, unter seiner Leitung so wirksam gegen einen äußern Feind vereint, daß auch das gemeinschaftliche Handeln, das Beisammensein der nach entgegengesetztem Ziele strebenden, vor Kurzem noch einander Vernichtung drohenden Gewalten den glücklichen Erfolg nicht aufheben.

 

Ohne diesen zweiten Zug nach Italien würde Lothar freilich noch viel zum Wohle Deutschlands haben wirken können, doch seinem vollen Ruhme, der hier das für unmöglich Gehaltene ausführte, würde der höchste Triumph gefehlt haben. Auf dem Wege, den er gebahnt, durfte, was er noch unvollendet gelassen, sein Nachfolger erringen und die Krone des Reiches zu der Bedeutung, die sie unter Karl dem Großen und Otto I. gehabt, zurückgebracht haben 1). Doch war es nicht leicht einem Andern möglich, mit dem Papste in Gemeinschaft ein Unternehmen glücklich durchzuführen, welches Papst und Kaiser beinahe auf jedem Schritt in neuen Zwiespalt zu stürzen drohte. Der feste Grundsatz: mit der Kirche nie brechen zu wollen und auch: dem eigenen Ansehen nichts zu vergeben, berührten sich hier wie auf der scharfen Schneide des Messers, und doch wurde Beides, wie jeder Unbefangene erkennen wird, nicht verletzt. Der feste, edle und fromme Charakter des Mannes erscheint uns hier in seinem vollen Lichte und verdient sein Verfahren dem Papste gegenüber nicht Tadel, sondern das höchste Lob. Nur fasse man ihn im Geiste jener Zeit auf, wie ein Petrus Diaconus ihn uns vorzeichnet 2). An Formen war die Frömmigkeit jenes Jahrhunderts -

 

1) Otto Fris. und nach ihm Albericus gestehen von Lothar: Futurus nisi morte praeventus foret, cujus virtute et industria corona Imperii ad pristinam dignitatem reduceretur. Und Otto ist wahrlich kein Lobredner der Regierung und Thaten Lothar's.

2) Chron. Cas. IV, cap. 125 gibt Petrus Diaconus an, wie Lothar zu Monte Cassino seine Frömmigkeit bekundet habe: Nam ut ipse testis sum, in expeditione constitutus summo diluculo missam pro defunctis, dehinc pro exercitu, tertiam postremo diei missam audiebat. Demum viduis et orphanis cum Augusta pedes lavans tergebat crinibus et osculabatur, cibumque illis ac potum large distribuens quaestiones et oppressiones ecclesiarum prius relevans ultimo in loco Imperii ponebat. Quamdiu vero in Cassinensi claustro remoratus est, ita omnes officinas monasterii ac si Abbas vel Decanus circuibat scire cupiens quomodo quisque sub Beati Benedicti magisterio viveret, factoque mane orans monasterii ecclesias nudis pedibus circuibat. Et haec agens numquam a corsortio Episcoporum et Abbatum avellebatur et cum sapientibus sermocinatio ejus. Erat profecto coecorum baculus, esurientium cibus, miserorum spes, lugentium consolatio atque ita in singulis eminebat virtutibus, ut omnes perfecte haberet. Sacerdotes honorabat ut patres, pauperes favebat ut filios, viduas ut matres. Erat orationibus pervigil, lacrimasque creberrimas contriti cordis Deo afferebat.

 

 

____

419 Lothar's Verdienste um Deutschland.

 

und welches wäre es nicht? - geknüpft; ihnen strenge zu entsprechen, durfte ein Kaiser nicht verabsäumen, der auch hierin der Welt als Beispiel vorangehen wollte. Wenn darum er und desgleichen seine Genossin in allen Handlungen, Richenza, neben den vielen weltlichen Geschäften und Sorgen, die sie in Anspruch nahmen, der Ausübung von Pflichten, wie die Religion und der damalige christliche Brauch sie vorschrieben, sich hingab, den Umgang mit Geistlichen liebte, den Armen, Kranken, Waisen und Witwen seine Aufmerksamkeit und Pflege überall zuwendete, beim Gottesdienste zu allen Stunden und Festtagen nie fehlte, so erhöhte dies sein kaiserliches Ansehen in den Augen Aller, die darauf Gewicht legten, und er erreichte hiedurch, was seine Vorgänger mit der unermüdlichsten Thätigkeit umsonst erstrebt, die Achtung vor der Majestät, die Befolgung seines Gebots, die Ehrerbietung vor seiner Person bei Laien wie bei Geistlichen. Vom Höchsten bis zum Niedrigsten unterwarfen sich Alle in Demuth vor ihm, und selbst die trotzigsten Gegner sehen wir zuletzt im Dienste für ihn, wetteifernd mit seinen ältesten Freunden und nächsten Verwandten, sich bemühen.

 

Daß Lothar in vorgerücktem Lebensalter den Thron bestieg und als Greis aus dem Leben schied, ist, auch ohne daß sich die Jahre, in denen beides geschehen, genau bestimmen lassen, außer Zweifel 1). Daß aber Schwäche des Körpers oder gar des Geistes ihn, auch nur in dem letzten Lebensjahre, untüchtig und unfähig gemacht habe, dagegen zeugen die Kriegsthaten und Anordnungen im Felde, die Strapazen und Anstrengungen, denen er im fremden Lande, unter einem ungewohnten Himmelsstrich, in den heißesten Monaten des Jahres sich unterzog, sodaß selbst eine gefährliche Krankheit weder bei seiner Vorahnung des Todes ein Bangen, noch in seinem Entschlusse: Deutschland sobald als möglich zu erreichen, einen Aufschub verursachte.

 

1) Chron. S. Pant. ad 1137: Tam senio quam infirmitate gravatus. S. noch die folgende Anmerkung. Eine Grabschrift zu Königs-Lutter, die jedoch nicht ächt und alt ist, nennt ihn erst 63 Jahre alt, womit aber nicht übereinstimmt, daß er 1089 bei Gleichen tapfer mitgefochten und Erzbischof Liemar von Bremen gefangen genommen. Ebenso wenig ist Chron. Cas. IV, cap. 124 wahr: Cum jam grandaevum, centenariam scilicet dierum suorum pervenisset aetatem, da er bei seines Vaters Tode 1075 erst vor Kurzem geboren heißt. Ihn für einen Siebziger oder wenig darüber zu halten, ist wol das Wahrscheinlichste. Vergl. Mascov. p. 110, cap. 33, nota 1.

27*

 

 

____

420 Sechster Abschnitt.

 

So rüstig zeigte er sich auf dem ganzen Feldzuge. Denn wenn er auch die Anführung einzelner Heeresabtheilungen, die Leitung der Anordnungen beim Einschließen, Bestürmen und Einnehmen der Städte und Vesten seinem Eidam oder dem Herzog Konrad oder sonst einem Fürsten übertrug, trat doch seine Alles belebende Thätigkeit, sein persönliches Einschreiten, wo es nothwendig war, so sichtbar hervor, und zeigte sein wohlüberlegtes, entschiedenes, wenn auch meistens mildes Urtheil bei Verhandlungen jeder Art, so sehr den an Geist und Körper kräftigen Herrscher, daß nur ihm allein der höchste Ruhm des Krieges beizumessen ist.

 

Welche Verordnungen er noch auf dem Sterbebette in Betreff des Reiches gegeben, ist nicht genau erweislich. Seine Gemahlin scheint schon mit einem Theil des Heeres ihm nach Sachsen vorausgeeilt zu sein, doch befand sich sein Eidam Heinrich bei ihm. Noch einmal mochte er ihm das Herzogthum Sachsen, das er sterbend erst aus seiner eigenen Hand gab, zugewiesen haben 1) und wol auch durch Uebergabe der Reichsinsignien ihn zu seinem Nachfolger auf dem Königsthrone bezeichnet haben. Doch in bestimmten Worten den Fürsten und Geistlichen, die ihn umstanden, eine Zusicherung in Betreff ihrer Wahl abzufodern, stritt wider seine Ansicht, womit er jedes Recht, also auch das der freien Wahl des künftigen Reichsoberhauptes ehrte. Der frommen Vorbereitung für jene Welt, wo er für sein Walten auf Erden Rechenschaft abzulegen hatte, waren die letzten Augenblicke seines Lebens gewidmet 2).

 

1) Chron. Cas. IV, cap. 126: Imperator morbo simul et senio fessus videns sibi jamjam finem vitae imminere - Henricum Ducem Bojoariae, generum suum de ducatu Saxoniae sibi haredem instituens gemmea Coeli palatia cum Christo sine fine regnaturus intravit.

2) Ann. Saxo und Chron. Cas. a. a. O. Ueber die Insignien Chron. Ursp.: Dux vero Henricus, in cujus finibus obierat, regalia reservavit, ut in generali conventu Principum - praesentaret. So weit nur durfte die Absicht und der Wunsch des Kaisers sich kund geben.

 

 

____

421 Deutschlands Lage bei Lothar's Tode.

 

Siebenter Abschnitt.

 

Deutschlands Lage bei Lothar's Tode. Des Kaisers Bestattung. Heinrichs und Richenza's Vorbereitungen zur Wahl. Albero von Trier bewirkt Konrad's III. Erhebung. Markgraf Albrecht von Salzwedel. Kampf zwischen Hohenstaufen und Welfen. Heinrich's und Richenza's Tod. Schluß.

 

Deutschland war während Lothar's Abwesenheit in dem glücklichen, politischen Zustande verblieben, den es den erfolgreichen Bemühungen des Kaisers zu verdanken hatte, und dieser durfte während seines fast anderthalbjährigen Aufenthaltes in Italien keine Besorgniß hegen, daß ein gefährlicher Reichsfeind seine Anordnungen umstoßen oder ein Auflehnen gegen die Verfassung, gegen den Thron von Neuem sich erheben werde. Weder der bekämpfte Gegner Friedrich von Schwaben, noch der arglistige Freund und Vertraute, Adalbert von Mainz, unternahmen etwas dem Kaiser Feindliches. Ersterer widmete seine Thätigkeit der Aufhülfe seines durch den langen Bürgerkrieg zerrütteten Schwabenlandes, und Letzterer schien in seinen hohen Lebenstagen von den Leidenschaften des Ehrgeizes und der Herrschsucht auszuruhen, bis endlich um die Zeit, wo mit dem Fall der Veste bei Bari die Eroberung Apuliens entschieden war, der Tod den ränkevollsten aller Prälaten zur ewigen Ruhe, die er in dem Kloster Erbach, seiner eigenen Stiftung, zu finden hoffte, führte (Ende Juni 1137). Wie zum Mahnzeichen an den Dahinscheidenden wüthete zu derselben Zeit in Mainz eine schreckenvolle Feuersbrunst 1),

 

1) Die Chronisten setzen den Brand bald vor, bald nach, bald auf den Tag seines Todes. Ann. Saxo ad 1137: Eodem tempore apud Germaniam obiit Adalbertus Mogontiacensis Archiepiscopus et magna pars ejusdem civitatis igne cremata est. Ann. Hildesh., Leibn. I, p. 741: Post cujus obitum civitas una cum principali templo igne concremata est. Chron. Engelh., Leibn. II, p. 1100: Eadem die, qua mortuus est, civitas Moguntina cum principali templo, quod ipse mirifice fecerat (andere Lesart texerat) crematur. Latomi catal. Archiep. Mogunt. Mencken III, p. 498: Praecessit obitum illius horrendum incendium Metropolitani templi anno 1137, quo Adalbertus ad IX. Kal. Junii vel Julii (utrumque enim legimus) in pace quievit sepultus in Erbachiano suo coenobio. Dodechin p. 472 gibt IX. Kal. Julii Monasterium principale in Mogontia cum aliqua parte civitatis combusta est. Die Ann. Bosov. p. 1012, Chron. Sampetr. und Cont. Peg. ad 1137: Monasterium S. Martini in Mogontia cum magna parte civitatis crematur.

 

 

____

422 Siebenter Abschnitt.

 

die einen Theil der Stadt und die Hauptkirche zu St. Martin, welche Adalbert wenn auch nicht erbaut, so doch erweitert und verschönert hatte, als ob der Himmel an seinen Werken kein Gefallen habe, in Asche legte. Aehnliche Brände in dem gleichen Jahre zerstörten die Münster von Speier, Straßburg, Salzburg und einen Theil der Stadt Goslar 1). Bei dem blühenden Wohlstande der Städte wurden diese Unglücksfälle leichter getragen, ja sie gaben der damals emporstrebenden Baukunst, die wir gewöhnlich die gothische nennen, eine Gelegenheit, jene Riesenwerke aufzuführen, die noch heutzutage als unübertroffen dastehen.

 

Zeigte hier die Wuth der Elemente ihre verderbliche Kraft, so erwuchsen aus eigener Schuld der Menschen die verderblichen Fehden, die hier und dort trotz dem beschworenen Landfrieden, und zwar diesmal weniger unter den bevorrechteten Reichsständen als unter den mächtigen, aber auch trotziger emporstrebenden Städten sich zeigten. So kämpften Soest und Arnsberg mit solcher Erbitterung gegen einander, daß Plünderung, Brand und Mord wie in den Zeiten der letzten Heinriche von beiden Theilen ohne Scheu verübt wurden 2). Doch diesen Verletzungen des Reichsfriedens brauchte nicht erst der Arm des Kaisers Einhalt zu thun; sie hätten vor seiner Rückkehr aufgehört. Bald aber drohten, weil er nicht wiederkehrte, ganz andere Kriege das blühende Reich von Neuem zu verheeren 3).

 

1) Ann. Saxo a. a. O.: Eodem anno multa incendio vastata sunt loca scilicet Mogontiense, Spirense, Strassburgenseque Monasteria et pars magna Goslariae. Chron. Engelh. a. a. O.: Similiter contigit Spirae et Salzeburg.

2) Ann. Saxo, Chron. S. Pantal. ad 1136: Inter Sosatienses et Arnosbergenses depraedationes, incendia, homicidia fiunt absente Imperatore.

3) Den blühenden Zustand Deutschlands schreiben die Chronisten mit Recht dem Kaiser zu. Ann. Saxo: Tempora ipsius jocunda fuerunt, nam bona aeris temperie omnigena terrae fertilitate cunctarum rerum copia non solum per regnum sed et per orbem exuberebant. Diesen Worten fügt Chron. Reg. S. Pant. noch hinzu: Hic pace affluebat, concordia regnabat, tranquillitate fulgebat. Pace belloque clarissimus erat. Und vorher die Klage: Quo decedente pax et tranquillitas et rerum copia, quae eo imperante vigebant, hactenus cessaverunt.

 

 

____

423 Lothar's Bestattung.

 

Auf die Nachricht, welche die voraus entlassenen Fürsten und Krieger verbreitet hatten, daß der Kaiser nächstens in Deutschland eintreffen werde, versammelten sich die Großen des Reichs wiederum zu Würzburg, um wie nach der ersten Romfahrt so auch jetzt den mit noch höherm Ruhm Gekrönten zu begrüßen. Da langte statt seiner die Trauerkunde an, daß er aus der Welt geschieden sei. Eine allgemeine und tief gefühlte Betrübniß erfüllte Aller Herzen und verbreitete sich über das ganze Reich und in die Nachbarlande; nirgends aber empfand man den Schmerz tiefer als in Sachsen, das durch Lothar's, des ihnen so ganz angehörenden Kaisers, Ruhm zugleich mitverherrlicht und wie einst unter den Ottonen auf kurze Zeit zur ersten Provinz im Reiche erhoben war 1). Gewiß eilte Herzog Heinrich vom Todtenbette seines Schwiegervaters dem übrigen Heere voraus und traf in Würzburg noch die Fürsten beisammen, um mit ihnen über den Wahltag und Alles, was dazu nothwendig war, zu berathen. Vielleicht erschien daselbst auch die tiefbetrübte Witwe Lothar's, und verabredete mit Heinrich, daß wie sie in Sachsen, er in Baiern die nöthigen Vorkehrungen und Vorberathungen mit den Landesfürsten anordnen möge, um dadurch seine Erhebung, an der wol sie und die meisten Reichsstände nicht zweifelten, in den beiden Hauptprovinzen, die nun unter einem Herzoge stehen sollten, vorzubereiten. Den Tag zur neuen Königswahl schob man ziemlich weit hinaus, bis auf Pfingsten des folgenden Jahres, wo zu Mainz, der alten Wahlstadt, die Fürsten und Prälaten des Reichs sich einfinden sollten, damit man gemeinsam und einträchtig Den zum Herrscher erküre, den Gott dazu vorherbestimmt habe 2). Ob man die schickliche Zeit der Trauer, die besonders die Kaiserin, deren Tochter Gertrud und ihr Eidam beobachteten, vorübergehen lassen und vor Allem daran denken wollte, die irdischen Ueberreste des verehrten Kaisers, die ein treuer Dienstmann desselben,

 

1) Ann. Bosov. ad 1137: Dum Principes apud Wirciburg ejus praestolantur adventum - - diem clausit - - omni regno de morte sua relinquens moestitiam. Alb. Stad. ad 1137 und Chron. Slav. lib. I, cap. 54 fast mit gleichen Worten: Conturbati sunt hac fama omnes Principes Imperii, virtus quoque Saxonum tanto principe illustrata penitus concidit et in Slavia res Ecclesiasticae labefactae sunt.

2) Otto Fris. Chron. VII, cap. 22: Conventus generalis Principum Moguntiae in proxima Pentecoste indicitur. Ann. Saxo ad 1138: Principes communicato consilio decreverunt generalem conventum in Pentecoste Moguntiae fieri, ut communiter regno praeficerent, quemcunque Deus ad id praeordinasset.

 

 

____

424 Siebenter Abschnitt.

 

der Graf Wittekind von Waldeck, über Augsburg durch Franken nach Sachsen führte 1), feierlich zu bestatten; oder ob Diejenigen, welche damals schon im Geheimen Heinrich entgegenarbeiteten, Zeit zu gewinnen suchten, um den sicher auf den Thron Rechnenden, wenn es irgend möglich, davon auszuschließen, mag dahingestellt bleiben; daß die nächsten Ereignisse für das Streben der Letztern sich günstig zeigten und ihre Hoffnung so weit steigerten, daß es nur einer kecken That zum Gelingen bedurfte, ist außer Zweifel.

 

Die Leichenfeier ordnete die Kaiserin Richenza an. Am letzten Tage des Jahres sollten die theuren Ueberreste, zu denen aller Orten, durch die sie geführt wurden, die Menge mit aufrichtiger Betrübniß und Liebe zusammenströmte, an der von Lothar selbst geweihten Stätte im Kloster Lutter bestattet und ihnen zugleich Denktafeln von Blei, um des großen Kaisers Thaten und deren Ruhm der späten Nachwelt zu verkünden, beigefügt werden 2). Mit kaiserlichem Pomp ward die Trauerfestlichkeit vollzogen. Doch daß außer Heinrich von Baiern und seinem Gefolge nur sächsische und thüringische Fürsten 3), keiner der rheinischen und keiner von den Hohenstaufen erschienen war, zeigte mindestens, daß diese das Gedächtniß Lothar's nicht sehr hochachteten oder mit den in Lutter versammelten Fürsten in keinem guten Vernehmen standen. Denn daß die Sachsen von dieser Ehre die Fürsten anderer Provinzen ausgeschlossen, daß Richenza sie nicht eingeladen habe, läßt sich kaum annehmen.

 

Doch wie wenig Einigkeit auch unter den zu Lutter Versammelten herrschte, zeigte sich bald danach. Der Markgraf Albrecht von Salzwedel, welcher seinen Trotz und Uebermuth schon einmal

 

1) Chron. Ursp.: Ac inde (vom Todesorte) per Augustam et Orientalem Franciam in Saxoniam deportatus. Den Grafen Wittekind nennt Chron. Waldec. bei Hahn Monum. I, p. 809.

2) Otto Fris. VII, cap. 20: Lotharius honorifice sepelitur actusque ejus, ut nulla possent aboleri oblivione in plumbis laminis descripti juxta eum reconduntur. Im Jahre 1620 wurde das Grab geöffnet; man fand aber nur eine Tafel, die nicht mehr als jede gewöhnliche Grabschrift enthielt. S. darüber Harenberg hist Gundersh. p. 310 und Rehtmeyer Braunschweig. Chronik I, p. 300.

3) Ann. Bosov. a. a. O.: Corpus ejus a Richenza Imperatrice in Saxoniam refertur et apud Lutterensem Abbatiam ab ipso constructam praesentibus Saxoniae atque Thuringiae Principibus II. Kal. Januarii regio more sepelitur. Andere berichten Gleiches oder Aehnliches.

 

 

____

425 Markgraf Albrecht von Salzwedel.

 

unter Lothar bewiesen hatte, doch zu seinem Nachtheil, den er nur dadurch zu ersetzen vermochte, daß er auf der Römerfahrt des Kaisers Gunst und in Folge dessen seine jetzt ausgedehnten Reichslehen erwarb, war während der zweiten Heerfahrt Lothar's nach Italien mehrmals glücklich gegen die Slaven gewesen, was ihm neuen Kriegsruhm und neuen Länderbesitz verschaffte 1). Auch hatte er mehre der daheim gebliebenen sächsischen Fürsten sich zu verbinden gewußt, sodaß er diese, zwar nicht gegen den noch lebenden Landesherrn, den Kaiser, doch gegen dessen bestellten Nachfolger im Herzogthume einnahm und aufreizte. Von seinen Ansprüchen an das ehemals billungische Reichslehen war er nur durch die Uebermacht und durch die Wohlthaten Lothar's abzubringen gewesen, aufgegeben hatte er sie keineswegs. Um jene Zeit kehrte er gerade von dem letzten der slavischen Feldzüge mit einer großen Kriegsmacht zurück, die er nicht sowol gegen die auswärtigen Feinde, als gegen den Mann, dem er nun keck entgegentreten wollte, zusammengezogen hatte. Auffallen mußte schon, daß er bei einbrechender Winterszeit sich gerüstet, noch mehr, daß er mit den überlegenen Streitkräften keine Eroberungen zu machen, sondern nur im Fluge das slavische Gebiet durchstreifend, was sich ihm auf dem Wege darbot, als Beute mitzunehmen Willens war, und daß er um Weihnachten schon wieder heimkehrte, ohne seine Mannen auseinander gehen zu lassen 2). Bald zeigte sich, daß er einen ganz anderen Gegner als die Slaven, - die er nur schrecken wollte, damit sie seinen Plan durch keinen neuen Einfall in Sachsen verdürben - im Auge habe. Kaum war die kaiserliche Leiche zur Gruft bestattet, als Albrecht ungestüm die Herzogswürde in Sachsen foderte und, als natürlich Heinrich seinem Ansinnen entgegentrat, die Fahne des Aufruhrs erhob und mit Gewalt zu ertrotzen strebte, was ihm gutwillig nicht eingeräumt wurde 3).

 

1) Ann. Saxo ad 1136: Adalbertus Marchio propter irruptionem Slavorum in partes Saxoniae factam exercitum movens terram eorum non semel hostiliter invasit et depopulatus est; und ad 1137: Marchio Adalbertus collecta manu valida hyemali tempore terram Slavorum praedabundus perambulavit.

2) Die Art des Feldzuges liegt in den so eben angeführten Worten des Ann. Saxo, die Absicht, warum er collecta valida manu hyemali tempore einen Streifzug (praedabundus perambulat) begann, wird aus dem Folgenden klar.

3) Helm. I, cap. 54, Alb. Stad. ad 1137: Statim ut corpus defuncti Caesaris perlatum est in Saxoniam et Luthurae tumulatum, ortae sunt seditiones inter Henricum regis generum et Adelbertum Marchionem contendentium propter Ducatum Saxoniae.

 

 

____

426 Siebenter Abschnitt.

 

Heinrich, der keine gewaffnete Macht, wie Albrecht, um sich hatte, mußte Sachsen verlassen und verdankte es wol nur dem Ansehen, in welchem die Kaiserin Richenza stand, daß er nicht in Albrecht's Hände gerieth. Doch dieser durfte, um sein Ziel zu erreichen, Niemanden schonen und nicht zugeben, daß die Kaiserin-Witwe wie zu ihres Gemahls Lebzeiten als Herrscherin im Lande gebiete, ihre Getreuen um sich versammle und den Fürsten Befehle ertheile. Die in Staatsgeschäften wohlunterrichtete Frau gedachte in der That bis zur Erhebung eines neuen Königs, den sie in keinem Andern als in dem Gemahl ihrer einzigen Tochter zu erblicken glaubte, ihr Ansehen in Sachsen wie vordem geltend zu machen und zum Vortheil des Eidams zu benutzen.

 

Zum Feste der Reinigung Mariä (2. Februar) hatte sie die Fürsten nach Quedlinburg beschieden, wol in keiner anderen Absicht, als sie für Heinrich zu stimmen, über die Wahl sich zu besprechen und vielleicht auch gegen Albrecht ihren Beistand zu suchen. Dieser aber legte sich mit seinen Kriegsscharen, die in seinem Solde und in seinem Interesse standen, den Ankommenden in den Weg, besetzte alle Zugänge der Stadt, erklärte, der Kaiserin in Nichts dienstbar und gehorsam zu sein, und verübte mit Feuer und Schwert Gewaltthaten, denen Niemand zu steuern vermochte 1); Ueberraschung und Furcht lähmte alle Großen des Landes. Unter den weltlichen war keiner an Macht dem Markgrafen gewachsen oder wenigstens jetzt nicht gerüstet; von den geistlichen, die einst an Lothar so treu gehangen, waren mehre wie der von Brandenburg und Merseburg, die einflußreiche Aebtissin Gerburg von Quedlinburg, nicht mehr am Lebens 2),

 

1) Ann. Saxo ad 1138: Imperatrix Richenza indixit conventum principum (ob nur der sächsischen, ist nicht ausdrücklich gesagt, doch wol nur an diese zu denken) in festo Purificationis Sanctae Mariae apud Quidelingeburg, qui conventus impeditus est ab Alberto Marchione et suis commanipularibus tollentibus omne servitium Imperatricis ad hoc praeparatum et introitum urbis ei prohibentibus et plurima damna tam rapinis quam incendiis ei inferentibus.

2) In Brandenburg war ein neuer Bischof zwar gewählt, aber weder belehnt noch geweiht. Ann. Saxo ad 1138: Lambertus ex Abbate Ilsineburgensi Brandeburgensis Ecclesiae electus Rodolfi Halberstadensis Episcopi rogatu Romam profectus est (wahrscheinlich um dort Bestätigung und Weihe zu erhalten) rediensque a latronibus interfectus est. Derselbe ad 1137: Meingotus Mersburgensis Episcopus de expeditione usque in Sueviam languens perductus obiit, cui successit Ekkilesus, Gerburch abbatissa Quidelingeburgensis obiit. Ad 1137: Pro Gerburga substituta est Beatrix Abbatissa Coenobii quod dicitur Herse.

 

 

____

427 Heinrich's u. Richenza's Vorbereitungen zur Wahl.

 

der Bischof Rudolf von Halberstadt, der Erzbischof Konrad von Magdeburg nun der Gefahr vor dem ungestümen Bären, der an ihren Grenzen hauste und mit einem Schlage sie niederzuwerfen drohte, wenn sie ihm Einhalt thun wollten, zu sehr ausgesetzt. Wol mochten sie und mancher Andere mit Worten ihn zu bedeuten suchen, aber Vorstellungen und Drohungen wich Jener jetzt am wenigsten, und bald werden wir sehen, wie gewaltig er um sich griff und die Stammgüter der Kaiserin, die Erbbesitzungen und Erwerbungen ihres verstorbenen Gemahls, vornehmlich aber den billungischen Antheil Heinrich's an sich riß.

 

Die bisherigen Vorfälle in Sachsen konnten nicht ohne Einfluß auf die Stimmung der Reichsfürsten bleiben, die Heinrich, den übermächtigen Besitzer zweier Herzogthümer vom Throne auszuschließen bemüht waren. Ob Heinrich wirklich auf der letzten italienischen Heerfahrt gegen die Fürsten ein stolzes, hochfahrendes Benehmen gezeigt, oder ob ihm dieses nur von seinen Feinden zum Vorwurfe gemacht, die es verdroß, daß er bei seinem Schwiegervater mehr als Alle galt, und daß er oft in dessen Auftrag mit Strenge und Kraft durchgriff, was ihm dann als eigenmächtige Anmaßung ausgelegt wurde, ist schwer zu beweisen 1). Das aber unterliegt wol keinem Zweifel, daß er in jeder Beziehung zum Throne der geeignetste der damaligen Fürsten war. An äußerer Macht übertraf er jeden anderen, da, ohne seine italienischen Besitzungen zu rechnen, die zwei größten Reichslehen in seiner Hand vereint waren, die dadurch, daß sie in getrennten Gegenden, das eine in Nord-, das andere in Süddeutschland, lagen, eine Vereinigung der immer noch sehr geschiedenen Reichshälften dem künftigen Herrscher sehr erleichterten. Nimmt man dazu noch, daß die Stammgüter in Schwaben nicht unbedeutend waren, die durch Heirath erworbenen Besitzungen seines Bruders Welf von dem reichbegüterten Pfalzgrafen Gottfried von Calwe am Rheine sich weithin ausdehnten, daß zu Baiern die östlich und südlich darangrenzenden Marken, zu Sachsen außer einer ebenso großen Anzahl Marken die Slavenländer im Osten und Norden gehörten; so erstreckte sich schon seine Landeshoheit über mehr

 

1) Otto von Freisingen ist es, der die Nachricht gibt. De gest. Frid. I, lib. I, cap. 22: Accessit etiam ad hujus negotii promotionem, quod Henricus Noricorum Dux pro nota superbiae pene omnium, qui in expeditione Italica cum Lothario Imperatore fuerant odium contraxerat. Heinrich ist vielfach gerechtfertigt worden. Seine damalige Stellung und sein sonstiges Handeln rechtfertigen ihn am Besten.

 

 

____

428 Siebenter Abschnitt.

 

als ein Drittheil des Reiches 1). Und ganz war er der Mann, diese Oberhoheit zu üben. In Baiern hatte er bewiesen, wie er der Willkür und Eigenmächtigkeit Zügel anzulegen vermochte; an Tapferkeit, Kriegserfahrenheit, Feldherrntalent stand er Keinem nach; niemals aber hatte er Kampf und Krieg ohne Noth gesucht, und Milde und Großmuth standen der Strenge und Kraft in allen seinen Handlungen zur Seite. Wenn im Ernst die Gegner Heinrich's Stolz und Ueberlegenheit für Deutschland fürchteten, seine Erhebung auf den Thron für nachtheilig und gefährlich hielten, so hatten sie, um nicht die Ruhe und den Frieden zu stören, noch weniger Grund, seinen Zorn durch Kränkung und Hinterlist zu reizen, sondern zu erwarten, daß sie ihm gegenüber nimmer einen Thron behaupten könnten, ohne die eigene Schwäche in viel größere Gefahr zu bringen, als in der sie jetzt stand. Waren ihre Kräfte aber hinreichend, Heinrich die Krone zu entreißen, so waren sie auch stark genug gewesen, seinen Uebergriffen als Herrscher Schranken zu setzen, zumal da er dadurch alle Diejenigen von sich abgewendet haben würde, die jetzt für ihn dastanden, und unter denen Viele sich befanden, die mit ihm den italienischen Feldzug getheilt, also durch sein Benehmen auf demselben keineswegs sich verletzt fühlten. Somit fallen die Gründe, die Einwendungen, die Vorwürfe, die gegen den Herzog Heinrich geltend gemacht werden konnten, in sich selbst zusammen 2), und dürfen wir dabei uns nicht länger aufhalten als sie, obendrein nach dem Zeugniß eines parteiischen Schriftstellers, hier anzugeben.

 

1) Abgeschmackt ist es, wenn Otto von Freisingen den Herzog selbst sich seiner ausgedehnten Macht rühmen läßt. Chron. lib. VII, cap. 23: Princeps potentissimus et cujus auctoritas (ut ipse gloriabatur) a mari usque ad mare, id est, a Dania usque in Siciliam extendebatur. Ausgelacht würde man ihn haben, wenn er so wirklich je im Ernst gesprochen haben sollte. Allein die Parenthese enthält nichts als einen der vielen Seitenhiebe, die Otto den Gegnern der Hohenstaufen, so bemüht er ist gegen sie gerecht zu scheinen, ja ihnen bisweilen Lob zu ertheilen oder vielmehr die anerkennenswürdigen Verdienste einzugestehen, austheilt.

2) Einige neuere Schriftsteller tragen die Ansichten der Chronisten, ja wol ihre eigenen, so vor, als wären es die in Deutschland zur Zeit der Wahl eines neuen Königs verbreiteten gewesen. Sie machen dadurch ein Raisonnement zum historischen Faktum, was wol dem Dichter eines historischen Dramas zu gestatten, für den Geschichtschreiber aber niemals schicklich ist. Wie man über Welfen und Hohenstaufen damals in Deutschland gedacht, wissen wir nicht; nur wie gewisse deutsche Fürsten handelten, erfahren wir und dürfen daraus auf ihre Absichten schließen. Die Urtheile der Schriftsteller, gleichzeitiger wie später lebender, gehören ihnen an, nicht, den Fürsten, den Prälaten, den Städten, dem Volke.

 

 

____

429 Konrad der Hohenstaufe.

 

Die wahren Ursachen, warum Heinrich um die Krone betrogen wurde, liegen viel offener da als jener Vorwand, aus dem man ihn glaubte verwerfen zu müssen. Konrad der Hohenstaufe, der nach langem Sträuben, nach mancher erlittenen Schmach in Italien und nach Bekämpfung seines Bruders Friedrich in Deutschland dem Kaiser Lothar sich unterworfen hatte, konnte nur mit schwerem Herzen den Ehrgeiz, der ihn zur Annahme einer Königskrone getrieben, durch Entsagung derselben verwinden. Als entsetzter König erschien er sich und Anderen immer in einer traurigen Gestalt, soviel der edle Lothar seine Schmach zu mildern gesucht hatte, indem er ihm als Reichsbannerträger den ersten Platz nächst sich gestattete. Nach dessen Tode es noch einmal zu versuchen, die verlorene Würde wiederzuerlangen und die deutschen Fürsten für seine Erhebung zu gewinnen, dieses Gedankens konnte der Ehrsüchtige, der Gedemüthigte sich nicht entschlagen. Wirkliche Verdienste um das Reich, sowie Künste, die ihm früher Abgeneigte versöhnten und zu Freunden machten, führten allein zum Ziel. Der italienische Feldzug hatte ihm Gelegenheit geboten, erstere zu zeigen und durch letztere Derjenigen sich zu versichern, die seinem Streben förderlich sein konnten. Durch seine persönliche Tapferkeit, durch geschickt und glücklich ausgeführte Belagerungen, Eroberungen und Kriegsthaten aller Art erwarb er sich des Kaisers und der Fürsten Beifall; daß er dem Kaiser sich überall dienstfertig, gehorsam und treu bewährte, ließ bei Vielen, die sein früheres Verhalten gemisbilligt und für sträflich erkannt, das Vergangene vergessen, und wenn sein Kriegsruhm auch dem des Herzogs Heinrich nicht gleich kam, so entschuldigte ihn einerseits, daß ihm nicht so viel Gelegenheit zum freien, selbständigen Handeln als diesem geboten war, andererseits blieb er dadurch im Vortheil. Denn während Heinrich oft zu Strenge und Härte genöthigt war, als Begleiter des Papstes Innocenz durch Städte und Provinzen, die dieser für sich in Anspruch nahm, in unangenehme Collision mit dem Kirchenhaupte kam, und allerdings neben des Kaisers Vortheilen auch die seinen wahrzunehmen für gut fand, konnte Konrad dem Papste wie dem Kaiser gefällig oft als Vermittler zwischen Beide treten, diesen von seinen strengen Foderungen zum Nachgeben bewegen und dadurch Jenes Gunst sich erwerben. Ganz besonders aber schloß er sich enge an einen Mann, der vom höchsten Range und größten Einfluß, Lothar unentbehrlich und doch nicht angenehm, mit dem Papste enge verbunden und ganz in dessen Interessen eingeweiht war, nämlich Albero von Trier, derselbe, der einst wider Lothar's Willen und Zustimmung allein durch Innocenz

 

 

____

430 Siebenter Abschnitt.

 

die erzbischöfliche Würde erlangt, und wenn auch des Kaisers Gnade doch nicht sein Herz gewonnen hatte 1). Der Papst zeichnete ihn vor allen deutschen Prälaten aus und übertrug ihm nach dem Tode Adalbert's von Mainz die Würde eines päpstlichen Legaten für Deutschland, wodurch er einen Vorrang über alle deutschen Erzbischöfe erhielt 2).

 

Der enge Anschluß Konrad's an Albero konnte den Fürsten, die Lothar und dem Herzoge Heinrich ergeben waren, nicht entgehen, und sie mochten mancherlei Besorgnisse hegen, ja die letzte Absicht jener Verbindung wol errathen, so sehr auch Konrad und Albero durch Ergebenheit gegen Lothar der Beobachtung der Freunde Heinrich's sich zu entziehen suchten. Auch diese ließen es damals an Intriguen nicht fehlen, da Albero's Schlauheit, Gewandtheit und

 

1) Neue Entfremdung entstand zwischen dem Kaiser und dem Erzbischof, als Letzterer des Papstes Interesse stets gegen den Kaiser verfocht. Gesta Archiep. Trev. Golscheri bei Eccard II, p. 2200: Qui (Albero) etiam pro Papa Innocentio Lothario regi in tantum se opposuerat in expeditione supradicta (Italica) quod ipse Archiepiscopus et Rex ab invicem non sereno animo discesserunt.

2) Das Diplom, wodurch der Papst Albero's Ernennung zum Legaten allen Erzbischöfen Deutschlands verkündet, gibt die Bedeutsamkeit der Würde und das Vertrauens, das er in Albero setzte, an. Es lautet nach Browen Ann. Trev. Tom. II, p. 33 ad Annum 1135: Innocentius Episcopus servus servorum Dei venerabilibus fratribus Archiepiscopis, Episcopis et dilectissimis filiis, universis Abbatibus, Clero, Principibus et Populo per Trevirensem, Moguntinam, Coloniensem, Salzburgensem, Bremensem et Magdeburgensem provincias constitutis salutem et Apostolicam benedictionem juxta sententiam doctoris gentium Beati Pauli Apostoli non tantum sapientibus, sed etiam insipientibus nec tantum vicinis, verum etiam longe positis, ex injuncto nobis a Deo Apostolatus officio existimus debitores, utpote quibus beati Petri vincula commissa et omnium ecclesiarum, quae per mundi climata sitae sunt, sollicitudo incumbit, quatenus ea, quae per locorum distantiam vel causarum multiplicitatem per nostram praesentiam terminare non possumus, haec eadem per Apostolicae sedis Vicarios auctore Domino exequamur. Cujus rei gratia venerabilem fratrem nostrum Adalberonem Trevirensem Archiepiscopum, virum utique sapientem, discretum et in ecclesiasticis necessitatibus ab ineunte aetate probatum in partem sollicitudinis nostrae assumsimus, eumque in partibus vestris Legatum sedis Apostolicae constituimus. Mandamus itaque vobis et praesentium auctoritate praecipimus, ut eidem fratri nostro obedientiam et reverentiam in talibus exhibere et ad ejus convocationem convenire non gravemini, quo vestro nimirum fretus consilio et auxilio corrigenda corrigere et quae electa sunt, aujudicante domino valeat stabilire. Datum in territorio Romano sexto Nonas Octobris, unfehlbar 1137, kurz ehe Innocenz das kaiserliche Lager verließ.

 

 

____

431 Albero von Trier.

 

große Geistesgaben auch in Deutschland ihnen gefährlich zu werden drohten. Um ihm hier gleich bei seiner Rückkehr zu schaffen zu machen, veranlaßte Otto von Rheineck, angeblich schon von Italien aus, zwei Brüder, die Grafen Werner und Johann von Nentersburg, in des Erzbischofs Gebiet einzufallen und ihm die Veste Arras wegzunehmen. Zu spät bekam Albero von dem Complott Nachricht, um durch Gegenvorkehrungen die Ueberrumpelung von Arras zu verhüten. Doch kaum in seiner Diöcese angelangt, glückte es ihm, nicht nur seine Veste wiederzugewinnen, sondern auch an den Friedensstörern durch Eroberung von Nentersburg sich zu rächen 1). Ueberhaupt führte Albero in seinem Erzbisthume ein so kräftiges Regiment, daß die Verluste, welche Trier unter seinen schwachen Vorgängern sich gefallen lassen mußte, durch ihn bald wieder ersetzt, ja bedeutende Erwerbungen gemacht wurden. Die Zuneigung der ihm früher abgeneigten Bewohner Triers wuchs noch insbesondere dadurch, daß er die Leiche des in Parma verstorbenen Erzbischofs Meginher, den König Konrad einst hatte auffangen und zur Abhülfe seiner Geldnoth den Parmensern als Bürgen einhändigen lassen, nach Deutschland zurückbrachte und in die Gruft der trierschen Erzbischöfe beisetzen ließ. Leichter verzieh man ihm nun seine Freundschaft mit dem Manne, der an Meginher so schnöde gehandelt hatte. Und wie das Erzstift selbst waren ihm die dazu gehörigen Bisthümer Metz und Toul und die meisten Fürsten in seinem Sprengel zugethan und mit Rath und That behülflich 2).

 

1) Gest. Arch. Trev. p. 2198: Ipse Dominus Arch. a Domino Papa legationis officio decoratus, cum reverteretur ad Montem Romari cum perveniens audivit fama referente, quod Comes Otto de Reinecca ex curia Regis ab Italia mandaverat fratribus duobus Wernero et Johanni de Nentirsburg, quod castrum suum Arras per insidias caperent et hoc effectui fore mancipatur. Cumque post multos labores quietem sperasset et nunc deo permittente videret tot tantasque sibi imminere curas animum viriliter contra adversa obfirmans per coronam suam juravit se nunquam barbam suam rasurum, nisi et suum castrum Arras prius recuperasset et illorum fratrum Werneri scilicet et Johannis Nentirsburg destruxisset. Colligens vero omnes Tullensis et Metensis terrae Principes cum militia magna Treverim pervenit et castrum Arras scilicet et Nentirsburg simul obsidione cinxit et Nentirsburg destructo atque Arras recuperato cum triumpho magno Treverim reversus.

2) Gest. Arch. Trev. p. 2197: Idem Archiepiscopus studium suum ad hoc omnino adhibuit, ut reditus episcopales absolutos faceret et curiam (curtem) Humbach pro trecentis marcis redemit, quam praedecessor ejus Dominus Meginherus infeudaverat et cetera fere omnia ad Episcopatum pertinentia redemit a Domino Godefrido (dem Vorgänger Meginher's) Episcopo aut infeudata aut in beneficium data. - - Stephanum Metensem Episcopum - - qui tribus antecessoribus suis Brunoni videlicet, Godofrido et Meginhero respuebat subjectionem exhibere coegit obedientiam sibi et subscriptionem facere. - Et quotidie succrescens ad quaedam magna, quae mente gerebat, praeparationem faciebat. Wie er die Reichsabtei St. Maximin, um deretwillen er sich schon Lothar geschmeidig und dienstwillig gezeigt, von Konrad endlich wirklich erlangte, wird später zu erwähnen sein.

 

 

____

432 Siebenter Abschnitt.

 

Einen schwereren Stand würde er gefunden haben, um seine Legatenwürde in Deutschland geltend zu machen, wenn damals nicht die beiden Erzstühle, die bisher einen Vorrang vor dem trierschen behauptet hatten, Mainz und Köln, erledigt gewesen wären. Dieser Umstand war auch den Absichten Konrad's ebenso förderlich, als dem Herzoge Heinrich daraus ein Nachtheil erwuchs. Vor der Ernennung eines Erzbischofs von Mainz, der bei der Königswahl die erste Stimme gab, und eines Erzbischofs von Köln, der die Weihe zu vollziehen hatte, konnte die Königswahl selbst nicht vorgenommen werden. Dabei hatte die Kirche schon den Vortheil, daß sie die beiden erwählten Erzbischöfe weihen durfte, ohne daß diese zuvor die königliche Belehnung einholten. Wen man in Köln und Mainz erhob, war den Parteien, die sich schon unverholen im Reiche zeigten, nicht gleichgültig. Keiner aber hatte größern Einfluß darauf als Albero, und er, als Gönner Konrad's, konnte solche begünstigen, die mit ihm für Dieses Erhebung zum Könige stimmten. In Köln gelang es auch mit geringer Schwierigkeit einen geeigneten Mann in der Person Arnold's, eines geborenen Grafen von Geldern, auf den erzbischöflichen Stuhl zu bringen. In Mainz dagegen entstand ein heftiger Zwiespalt, und erst nachdem Konrad zum Könige ausgerufen worden, wurde auch hier ein Erzbischof erwählt, der Anfangs wenigstens Ergebenheit für Albero's Schützling zeigte und überdies als Schwager Herzog Friedrich's von Schwaben auch an Konrad's Sache gekettet schien. Doch bald werden wir in ihm, Adalbert II., den seines Oheims und Vorgängers sehr würdigen Nachfolger erkennen.

 

Vorerst lag Konrad's Plan in den Händen Albero's und des mit ihm zu gleichem Zwecke wirkenden apostolischen Legaten Dietwin, der öfters schon in Deutschland diese Würde bekleidet hatte, und als geborener Schwabe für die Hohenstaufen mehr aus eigener Wahl als im Auftrage des Papstes sich thätig zeigen mochte 1). Ohne die

 

1) Chron. Lüneb. p. 1382: De Kardinal Didwin starf ok do; he was geboren van Suaven. Ob schon damals Innocenz gegen Albero eingenommen war, wie zu Ende des Jahres 1138 (S. gesta Arch. Trev. p. 2200) ist nicht ausgemacht, doch nicht wahrscheinlich, daß erst wegen des Patronats über St. Maximin und einer Propstwahl zu Coblenz der Papst dem Erzbischofe gezürnt. Das eigenmächtige Verfahren Dieses bei der Königswahl mußte Jener misbilligen, wenn auch Innocenz mit der Ausschließung Heinrich's im Herzen nicht unzufrieden sein mochte. Als der Herzog starb, erhielt Albero öffentlich des Papstes Gunst zurück.

 

 

____

433 Konrad's III. Erhebung zum Könige.

 

Vorfälle in Sachsen hätten sie aber wol nicht einen Schritt gewagt, der von den meisten deutschen Fürsten als höchst tadelnswerth zurückgewiesen wurde, doch, um so kühner er war, die erstaunten und tadelnden Anhänger der bessern Sache von jeder schnellen Gegenwirkung zurückhielt, bis diese entweder ganz erfolglos werden oder nur zum blutigsten Bürgerkriege führen mußte 1). Albero und Dietwin nämlich, die mit Konrad gewiß schon ihr Vorhaben verabredet hatten, beriefen nach Coblenz die beiden hohenstaufischen Brüder, den Bischof Burchard von Worms und endlich auch den erwählten Erzbischof Arnold von Köln, und bewogen diese genannten Reichsfürsten, nachdem sie deren Bedenklichkeiten mit allem Eifer und großer Beredtsamkeit überwunden hatten, Konrad zum Könige auszurufen (am 22. Februar 1138) und hiedurch der erst um Pfingsten nach Mainz ausgeschriebenen Fürstenversammlung vorzugreifen, ehe Heinrich, der gefürchtete Thronbewerber, nach Bekämpfung des Markgrafen Albrecht, wozu er sich anschickte, freiere Hand gewänne und durch seine größere Macht und den größeren Anhang bei den Fürsten das unmöglich machte, was jetzt durch ein kühnes Wagniß erreicht werden konnte. Sogleich zogen die in Coblenz Vereinten mit ihrem erwählten Könige nach Aachen, wo Dietwin an Stelle des noch nicht geweihten Erzbischofs Arnold, doch unter dessen und Albero's Beistand am 6. März die Salbung und Weihe Konrad ertheilte 2).

 

1) Gest. Arch. Trev. p. 2199 oder bei Martene und Durand coll. vet. scpt. tom. IV, p. 199: Idem nunc superpositus Rex - - Domino Alberoni Archiepiscopo, quia penes eum videbat robur et mentem existere, sese familiaritate magna et servitio adjunxit et tanta tunc conjuncti sunt amicitia, quod post obitum Lotharii Imperatoris omni studio Domnus Adalbero elaboraret, contradicentibus fere omnibus regni principibus eum in regem sublimari.

2) Otto Fris. Chron. VII, 22 sagt: Quidam ex principibus timentes ne forte in generali curia Henricus, Dux Noricorum, qui tunc praecipui et nominis et dignitatis in Regno fuit per potentiam praevaleret circa Mediam quadragesimam consilio habito in oppido Galliae Confluentiae conventum celebrant, ibique Conradum Imperatoris Heinrici sororium praesente Theodwino Episcopo Cardinali ac sanctae Romanae Ecclesiae legato summi pontificis ac totius Romani populi urbiumque Italiae assensum promittente (das konnte er auch, ohne Innocenz's Auftrag für Konrad oder gegen Heinrich zu haben) regem creant. Qui mox ad Palatium Aquis veniens a praedicto Cardinale (nam Coloniensis qui jure id facere debuerat noviter intronisatus pallio carebat) cooperantibus Coloniensi et Treverensi Archiepiscopis cum caeteris Episcopis in regem unguitur. Genauer geben den Hergang die gesta Archiep. Trev. a. a. O.: Effecit (Albero) magna sua industria, quod Dux Fridericus, frater Conradi Regis et Bacus (Bucco d. i. Burchard) Wangionum Episcopus cum ipso Conrado ad colloquium suum Confluentiam convenerunt. Ad quod colloquium Coloniensis Archiepiscopus Arnoldus occurrit et tandem post multa consilia domnus Adalbero Archiepiscopus Conradum in Regem elevatum et Aquisgrani cum magna deducens multitudine regali unctione confirmavit in Regnum. Ueber die Zeit Dodechin ad 1138: Conventus Principum apud Confluentiam urbem factus est in cathedra S. Petri. Ubi Conradum Henrici Imperatoris ex sorore nepotem Regem constituunt. Qui deinde mediae Quadragesimae Dominico die a Dietvino Cardinale Aquisgrani civitate constitutus est. Ann. Saxo ad 1138 sagt: Die Dominica Oculi mei.

 

 

____

434 Siebenter Abschnitt.

 

Nie war bisher eine Königswahl in Deutschland mit so großer Verletzung alles Herkommens, mit so großer Treulosigkeit und Arglist gegen Den, der der allgemeinen Zustimmung und der wenn auch stillschweigenden so doch gewissen Berufung zum Throne entgegensah, vollzogen worden als diese zu Coblenz. Gleich der früheren Erhebung Konrad's gegen Lothar fehlte auch seiner zweiten jeder Schein der Gesetzlichkeit und zeugte nicht minder von Verhöhnung der Reichsverfassung und der Reichsfürsten, als jene eine Verachtung des Reichsoberhauptes gewesen war 1). Ja die erste Selbsterhebung schien wenigstens verzeihlich, weil damals Krieg und Acht den hohenstaufischen

 

1) Ann. Saxo a. a. O. will uns bei der zweiten Erhebung Konrad's an die erste erinnern. Nachdem er von der Festsetzung eines allgemeinen Wahltages zu Mainz gesprochen, fährt er fort: Sed Conradus Suevus, frater Friderici Ducis, quondam usurpator regii nominis factione Adalberonis Treverensis Archiepiscopi et quorundam Principum Confluentiae (hier ist eine Lücke) successitque provectus in regnum Romanorum a Thietwino Cardinale Episcopo consecratus. Ob Konrad zu Aachen nur geweiht und gesalbt, nicht auch gekrönt, möchte man dahingestellt sein lassen. Unter den Insignien, die Herzog Heinrich später an ihn auslieferte, wird die Krone nicht genannt. Diese mochte also in Aachen oder in Trivels oder in Hammerstein sich befinden, kurz in Konrad's Gewalt gekommen sein. Und warum sollte bei so viel Willkür, die hier stattfand, nicht auch eine Krone, sei es die echte Karl's des Großen oder eine andere, herbeigeschafft worden sein? Ohne Krone möchte aber wol Konrad nicht in Aachen und auf den nächsten Reichstagen erschienen sein. Zu scharfsinnig sucht Luden X, S. 578, Note 17 aus den Ausdrücken der Chronisten: constitutus, consecratus, in regem unguitur und ähnlichen zu beweisen, daß keine Krönung Konrad's stattgefunden habe. - Nun gut, ich spreche auch von keiner und überlasse die Entscheidung Denen, - die es wissen!

 

 

____

435 Konrad's III. Erhebung zum Könige.

 

Brüdern erklärt worden war und den Bedrohten, Geächteten ein Gewaltstreich das einzige Rettungsmittel schien. Die jetzt verübte Willkür konnte wol von einigen Kirchenfürsten gut geheißen und gelobt werden, weil diese unter einem energischen, mächtigen Herrscher, wie Heinrich gewesen wäre, aller Anmaßungen und Uebergriffe in die Rechte des Kaisers sich hätten enthalten müssen und von dem Besitzer der mathildischen Güter in Italien selbst der Papst bewacht und gezügelt worden wäre. Aber Deutschland wurde durch die Herrschaft der Hohenstaufen, durch die Intriguen zweier Priester, die zu Coblenz die Wahl Konrad's bewirkten, auf länger als ein Jahrhundert, wenn nicht auf immer der Zerrüttung und Zerstückelung Preis gegeben. Der Erwählte selbst hatte kein bedeutendes Reichslehen, konnte nur auf des Bruders Macht gestützt im südwestlichen Deutschland zu einigem Ansehen gelangen. Wenn auch die beiden Erzbischöfe von Trier und Köln, der Bischof von Worms, ein Suffragan von Mainz, ihm die Hand boten, so mußte er nicht nur mit manchem Zugeständniß besonders an Albero ihren weltlichen und noch mehr ihren kirchlichen Beistand erkaufen, sondern sich zugleich auch in eine solche Abhängigkeit von der Kirche überhaupt geben, daß nur auf ihrer fernern Bereitwilligkeit, auf der Zustimmung des Papstes die Existenz des deutschen Königs beruhte. Wol lange mochte Herzog Friedrich, der besonnenere Bruder, dem Rath und Beschluß der drei Prälaten, dem heißen Verlangen Konrad's, der ihn einmal schon an den Rand des Verderbens gebracht hatte, welchem entgangen zu sein er nur der Schonung des Mannes, den er jetzt um den Thron bringen sollte, zu danken hatte, seine Zustimmung verweigert haben, allein der Ehre seines Hauses glaubte er schuldig zu sein, an dem Eidam Dessen, der nach seinem Dafürhalten vormals ihm selber die Krone entzogen habe, sich zu rächen.

 

Dieser Irrthum war einem Friedrich verzeihlich. Wenn aber auch in unsern Tagen die Ansicht sich geltend zu machen suchte, daß die Wahl Konrad's nicht weniger unrecht gewesen als die Lothar's, daß die hohenstaufische Partei nur das Vergeltungsrecht an Denen, die sie vom Throne ausgeschlossen, ausgeübt hätte, so zeigt dies Urtheil sicherlich nicht von historischer Treue und gründlicher Prüfung beider Falle. Lothar's Erhebung war der freie Entschluß der gesammten Wahlfürsten des Reichs gewesen, die mit Beobachtung aller herkömmlichen Gebräuche, in gesetzlicher Weise den Wahlakt vorgenommen und nach den Rücksichten, die ihnen die Verhältnisse zur Kirche, die Lage des Reiches, die Stimmung im Volke und die Wahrung ihrer eigenen Rechte auferlegte, verfahren waren. Wenn

28*

 

 

____

436 Siebenter Abschnitt.

 

dahinter Adalbert von Mainz und Herzog Heinrich der Schwarze von Baiern eigennützige Absichten verborgen hatten, so trat Ersterer doch den gemeinsamen Interessen nicht hemmend entgegen, und Letzterer bewirkte zum Heile des Reiches eine erhöhte Macht des Herrschers, an die nunmehr das Glück, der Friede und die Einheit Deutschlands geknüpft war. Konrad's Erhebung war nicht nur ein arglistiger Streich weniger Ehrgeizigen gegen den Gesammtbeschluß der Fürsten, gegen das Recht der Wähler, gegen das Jahrhunderte hindurch bewahrte Herkommen, sondern hob die Wohlthaten, die Deutschland dem Kaiser Lothar als unersetzliche Güter zu danken hatte, für jetzt und immerdar auf. Denn die übergangenen und betrogenen Fürsten, vornehmlich Heinrich, konnten, durften das Geschehene nicht gut heißen, nicht ungeahndet lassen. Sie waren zum Widerstande ebenso berechtigt als gereizt, was bei Friedrich und Konrad nach der Wahl Lothar's keineswegs der Fall gewesen war, wo vielmehr Ersterer durch seinen Stolz und seine Anmaßung verletzt, Letzterer ganz ohne Grund die Fahne der Empörung aufgepflanzt hatte. Der alte, von Lothar überwältigte Geist der Zwietracht mußte nun von Neuem sich erheben, und welch ein ungleicher Kampf stand dem eigenmächtig erkorenen Parteikönige bevor! Wie rasch und ungestüm er auch den eingeschlagenen Weg der Gewalt und Willkür verfolgte, eine Macht, wie die Heinrich's, konnte nicht so leicht vernichtet werden, auch wenn ihr Gebieter die Krone dem Hohenstaufen überließ. Vergessen konnten die Welfen nie, auf welche Weise ihnen von den Hohenstaufen der Thron vorenthalten worden, und gestanden diese dem beleidigten Gegner den Besitz Sachsens und Baierns zu, so war damit fast die Hälfte des Reiches Denen überlassen, die keinen zwingenden Herrscherwillen über sich anzuerkennen brauchten.

 

Ganz ein Anderes wäre es gewesen, wenn Heinrich Scepter und Krone auf der angesetzten Wahlversammlung zu Mainz, wie es wahrscheinlich war, erhalten hätte. Die Opposition der Hohenstaufen gegen etwanigen Misbrauch des Herrschers konnte im Bunde mit andern Fürsten wirksam und heilsam sein, weil sie dadurch die Welfen in Schranken der Mäßigung, nicht in Fesseln der Machtlosigkeit gezwungen hätten. Das war die Aufgabe, welche der Stand der Dinge den Hohenstaufen zuwies. Als sie, die Schwächeren, nach der Krone die Hand ausstreckten, mußten sie nicht nur einen verletzten, sondern auch einen überlegenen Gegner erwarten, der, selbst wenn die Fürsten ihnen beitraten, stark genug zum Widerstande blieb und aus dem Besitz zweier Herzogthümer nicht leicht

 

 

____

437 Konrad's III. Erhebung zum Könige.

 

zu verdrängen war. Als in Zukunft auch dieses durch besonderen Glückswechsel Friedrich Barbarossa gegen Heinrich's Sohn, den über die Schranken der Mäßigung und der Klugheit hinaustretenden Heinrich den Löwen gelang, waren bereits drei andere Gewalten wahrend des verderblichen Kampfes zwischen Hohenstaufen und Welfen in einem Grade mächtig geworden, daß durch dieselben der sinkende Glanz des Herrscherhauses und die Untergrabung der Herrschergewalt unabwendbar herbeigeführt wurden. Der Papst, die Fürsten und die Städte, durch Lothar's kluge Politik zu einem gleichen Interesse mit dem Reichsoberhaupte bestimmt, traten schrankenlos als eigene, unabhängige Mächte auf, nöthigten die Kaiser aus dem hohenstaufischen Hause, entweder durch feindliches Entgegentreten zu einer Erneuerung des verderblichen inneren Krieges, der die letzten Heinriche um die ererbte Herrschermacht gebracht hatte, oder durch bereitwilligen Anschluß zu einer Belohnung ihrer Dienste, die auch den großen Erwerb an Reichs- und Hausgütern, wie sie Friedrich I., Heinrich VI. und Friedrich II. an sich brachten, allmälig verzehrte und den Rest kaiserlichen Ansehens vernichtete. Diese Katastrophe vermochten nicht Friedrich Barbarossa's Kraft, nicht Heinrich's despotischer Geist, nicht des zweiten Friedrich's glänzende Anlagen abzuwenden. Mag man Jedem von ihnen die höchste Bewunderung zollen, die gestörte Ordnung der Dinge konnten sie nicht rückgängig machen. Gestört ward jene aber durch Konrad's eigenmächtige Erhebung.

 

Daß gegen den coblenzer Wahlakt die Anhänger Heinrich's und alle rechtlich Gesinnten heftigen Widerspruch erheben würden, hatten die Urheber und Theilnehmer Jenes erwartet, und darum suchten sie den Gegnern durch rasches Handeln und Anwendung aller Mittel zuvorzukommen. Kardinal Dietwin erklärte laut: Der Papst, das römische Volk, ganz Italien seien für Konrad, und dieser Ausspruch, so wenig begründet er auch sein mochte, machte doch als vom päpstlichen Legaten kommend, auf viele einen Eindruck, der nicht nur das schnöde Verfahren in einem besseren Lichte erscheinen ließ, sondern sogar zum Beifall des Geschehenen die Diener der Kirche und deren Freunde, Verwandte, Vasallen nöthigte. Die rheinischen Bischöfe, die Suffragane von Köln und Trier folgten dem Beispiele ihrer Oberen, der ersten Reichsprälaten, und auch mehre weltliche Großen gewann der beredte Albero, der tapfere Herzog Friedrich oder wol der König Konrad selber. Zwei der bedeutendsten rheinischen Fürsten, der Herzog Walram von Niederlothringen und Pfalzgraf

 

 

____

438 Siebenter Abschnitt.

 

Wilhelm bei Rhein, uneingedenk, daß sie Lothar ihre Erhebung zu verdanken hatten, traten auf der Hohenstaufen Seite.

 

So sah Konrad sich schon auf dem ersten Hoftage, den er um Ostern zu Köln feierte, von nicht wenigen geistlichen und weltlichen Großen umgeben 1), und um den ersten Kirchenstuhl Deutschlands nun gleichfalls mit einem ihm und seinem Hause zugethanen Geistlichen zu besetzen, begab er sich mit seinem Bruder Friedrich nach Mainz, wo Letzterer - in seltsamem Wechsel mit früheren Zeiten! - die Bürger und den Klerus für den Bruderssohn des Mannes, den er einst seinen verhaßtesten Gegner genannt, auf alle Weise zu gewinnen suchte, weil er von Adalbert II., seinem eigenen Schwager, eine treuere Gesinnung erwartete, als er von dessen ränkevollem Oheim erfahren hatte 2). Nun schien durch die drei ersten Geistlichen des Reichs Konrad's Königthum geheiligt, und wie auch Heinrich von Baiern, die sächsischen und andere Fürsten über die erschlichene

 

1) Folgende dort Anwesende gibt die von Mascov. p. 117 angezogene stabulenser Urkunde: Thidewinus Sanctae Rufinae cardinalis Episcopus et Apostolicae sedis legatus, Arnoldus Coloniensis Archiepiscopus, Albero Trevirensis Archiepiscopus (der hier nicht als Legat voransteht), Albero Leodiensis Episcopus, Andreas Trajectensis Episcopus, Embrico Wirceburgensis Episcopus, Warnerus Monasteriensis Episcopus, Udo Ossenbrugensis Episcopus, Nicolaus Cameracensis Episcopus. Walleramus Dux, Heinricus filius ejus, Wilhelmus Comes Palatinus, Godefridus de la Rotza, Heinricus frater ejus, Theodoricus Judex Aquensis. Datum III. Idus Aprilis. Ob Walram dem kecken Verfahren der hohenstaufischen Partei, weil er gern ebenso verfuhr, sich anschloß, oder ob er Heinrich von Baiern persönlich abgeneigt war, oder Lothar es nicht vergeben konnte, daß derselbe dem Herzog Gottfried von Löwen noch reiche Besitzungen und sogar den Herzogstitel gelassen hatte, ob Wilhelm den Hohenstaufen sich hinneigte, weil er durch Köln, Mainz, Trier und Lothringen dazu sich genöthigt sah, oder weil er den Herzog Welf ungern in dem Besitz der reichen Hausgüter des Pfalzgrafen Gottfried, seines Vorgängers, erblickte; ob andere Motive bei beiden Fürsien gewirkt, ist nicht zu bestimmen. Eine Urkunde bei Miraeus oper. dipl. I, p. 386 gibt noch als in Köln gegenwärtig den Bischof Rudolf von Halberstadt und (was besonders auffallend) Wibald von Stablo, die Grafen Gottfried von Namür, Otto von Reineck, Arnold von Cleve, Heinrich von Zütphen. Viele wurden von Albero, der ein gerüstetes Heer mit sich führte, gezwungen, Konrad anzuerkennen.

2) Otto Fris. Chron. VII, cap. 22: Proximum dehinc Pascha Coloniae celebrans Moguntiam, quae tunc forte pastore carebat, adiit ibique Albertum prioris Alberti fratruelem per electionem cleri ac populi Archiepiscopum constituit. Und von Herzog Friedrich de gest. Frid. lib. I, cap. 42: Omnes tam clericos quam laicos ad hoc, ut Albertum juniorem, uxoris suae quam secundo exceperat fratrem eligerent, induxit, principe ad hoc corroborandum adscito.

 

 

____

439 Papst Innocenz billigt die Wahl Konrad's.

 

und arglistige Erhebung des Königs ungehalten schmähten 1), nur durch blutigen Kampf konnte diesem die Krone entrissen, und da der Papst und die ersten Wahler für ihn entschieden hatten, auch dann nur die weltliche Macht ihm genommen, nicht mehr der Schutz der Kirche entzogen werden.

 

So ganz und gar hatte sich Alles geändert, daß Papst und Kirche nun den Mann als König begrüßten, der unter Lothar von ihnen als Usurpator verdammt und excommunicirt war, und das nur, weil sie jetzt sich von dem neuen deutschen Herrscher für die geleisteten und noch zu leistenden Dienste, die ihn allein aufrecht erhielten, neue Vortheile versprachen, die sie von dem mächtigen, auf seine Kraft sichern Heinrich nicht hoffen durften. Was Konrad dem päpstlichen Legaten für Zusicherungen gemacht, erfahren wir nicht, da sie sich weniger auf Deutschland als auf Italien bezogen haben mögen. Daß hieher nicht wieder eine solche Heeresmacht wie unter Lothar zöge, daß Unteritalien in keiner andern Abhängigkeit als der vom apostolischen Stuhle verbleibe, daß die mathildischen Güter nicht dem deutschen Herrscher ferner unterwürfig seien, was der Fall gewesen wäre, wenn Heinrich den Thron bestiegen; diese Rücksichten waren es vornehmlich, welche die römische Kurie, wenn nicht zur Mitwirkung an Konrad's eigenmächtiger Wahl, so doch zur Anerkennung des von Dietwin und Albero Erwählten bestimmten. Innocenz trifft kein Vorwurf, weil er nur das bereits Geschehene zu seinem Vortheil benutzte; daß Konrad aber auf Alles verzichtete, was Lothar zum höchsten Ruhme des Reiches, nach altem Rechte und mit der Kraft früherer deutscher Herrscher wieder errungen hatte; daß er auf immer Italien entsagte, nicht etwa weil er die Bemühungen der Kaiser um dieses Land für nutzlos, nachtheilig, ja verderblich erkannte, sondern weil er dafür die Krone vom apostolischen Stuhle und dessen Dienern erkaufte, das entehrt seinen Namen und ward von seinen Nachfolgern nicht wieder gut gemacht,

 

1) Otto Fris. Chron. a. a. O.: Saxones et Dux Henricus aliique, qui electioni non interfuerant, Regem non legitime sed per surreptionem electum calumniabantur. Quibus omnibus in proxima Pentecoste generalis Curia Babenberg indicitur. Auch Ann. Saxo's Worte ad 1138: Cujus electioni a nonnullis, praesertim Saxoniae principibus, contradicitur möchte ich auf Konrad, nicht auf Markgraf Albrecht beziehen; obschon von Beiden vorher die Rede ist, wird des Letztern doch nur im Zwischensatz erwähnt. Nur auf Konrad gehen die Worte, die er gleich nach dessen Wahl und Weihe gibt: Ad hujus tamen negotii honorem multorum magnorum Principum consensus est minime requisitus.

 

 

____

440 Siebenter Abschnitt.

 

als sie mit Aufbietung der Kräfte Deutschlands Italien wieder zu erobern suchten, was nur einem Welfen, nicht einem Hohenstaufen gelingen konnte, da nur Jener in der Lombardei und Thuscien bedeutende Lehngüter rechtlich in Anspruch nehmen und die Städte auf Verträge mit Lothar verweisen durfte, ein Hohenstaufe aber nur als Usurpator in Lothar's Fußtapfen treten konnte, um so mehr, wenn Konrad auf Italiens Herrschaft freiwillig verzichtete 1).

 

Wer möchte nur wähnen, daß die drei rheinischen Erzbischöfe ihre Bereitwilligkeit, ihren Diensteifer, ihre Entscheidung für Konrad und gegen Heinrich ohne Lohn Ersterem bewiesen haben? Albero erhielt nicht nur die reiche Abtei St. Maximin, auf die er sich unter Lothar als einen Lohn für seine Dienste Hoffnung gemacht und seitdem sein Augenmerk unablässig gerichtet hatte 2), sondern auch innerhalb seines Sprengels eine so ausgedehnte Gewalt sowol über die Bischöfe und Aebte als auch über die weltlichen Großen des Landes, wie sie bis dahin kein geistlicher Fürst besessen hatte. Arnold von Köln und Adalbert von Mainz verdankten den Hohenstaufen und deren Anhängern die Erhebung auf ihre Erzstühle, und wurden gewiß auch nach derselben von Konrad nicht vernachlässigt. Indeß mochten sie es nicht ohne Neid und Kränkung ansehen, daß dem

 

1) Daß dieses von Konrad förmlich ausgesprochen, ist freilich nicht erwiesen. Läßt sich's aber wol bezweifeln, daß er, der dort einst ein von Deutschland unabhängiges Königthum zu gründen beschloß, der dann später durch tapfere Thaten in Unteritalien sich Ruhm und Beifall erworben, niemals als König der Deutschen den italienischen Boden betrat und nicht einmal die Kaiserkrone sich holte, die ihm doch keineswegs gleichgültig oder als ein überflüssiger Schmuck erschien? Mag er stillschweigend oder vertragsmäßig Italien dem päpstlichen Stuhl überlassen haben, daß Letzterer unter Konrad's Regierung eine festere Herrschaft als je zuvor errungen hatte, zeigte sich, als Friedrich Barbarossa diese dem Papst entreißen wollte. Die lombardischen Städte waren der Wall, der Rom vor Deutschlands Kaisern schützte, und über Diese Machtsprüche und Bannflüche zu verhängen den Päpsten ungestraft gestattete.

2) Die gesta Arch. Trev. a. a. O. sagen erst von Albero p. 2198: Animum opposuit, quomodo eam de potestate Regis eriperet et suae Ecclesiae restitueret. Dann p. 2199 nach der geschickten Beilegung des Kampfes beider Parteien bei Hersfeld: Abbatiam S. Maximini pro his atque aliis servitiis (dazu gehörten vornehmlich Albero's Bemühungen bei der Erhebung Konrad's) a Rege Conrado recepit, patronatum praedictae Ecclesiae, quem Rex longo tempore tenuerat, ipse Rex restituit. (Einen schweren Kampf hatte Albero deshalb noch mit dem Grafen Heinrich von Namür zu bestehen.) Also nicht Lothar, sondern erst Konrad verzichtete auf die wichtige Reichsabtei, für die noch Heinrich V. in seinen letzten Lebenstagen so viel gethan, damit sie reich und unabhängig für alle Zeiten bleibe. Schon sein Neffe zerstörte sein Werk.

 

 

____

441 Herzog Heinrich's Gesinnung.

 

Erzbischofe von Trier, wie vom Papste die höhere Legatenwürde, so vom Könige ein größeres Vertrauen zugewendet wurde. Ein Adalbert ertrug am wenigsten solche Hintansetzung, darum er bald im Geheimen für sich eine andere Politik als die Albero's und Konrad's befolgte, Beider Feinde zu Kampf und Hartnäckigkeit aufmunterte und selbst in Rom eine Abneigung Innocenz's gegen Albero zu erwecken wußte, doch Alles, wie sein Oheim so schlau und versteckt, daß er noch als Anhänger der von ihm Hintergangenen galt, als er Beiden zu schaden thätig war.

 

Während der Vorgänge am Rhein, die Konrad in den Besitz des Thrones setzten, waren die Gegner der Hohenstaufen keineswegs unthätig gewesen, nur, um der Krone wegen einen verderblichen Bürgerkrieg zu beginnen, war Keiner, am wenigsten Der, welcher am meisten hintergangen worden, Herzog Heinrich, entschlossen. Vielleicht, wenn er von Baiern, von seinen schwäbischen Besitzungen her den Herzog Friedrich kräftig und schleunig angegriffen, wenn sein Bruder Welf von seinen Vesten am Rhein, wenn die ergebenen sächsischen Fürsten in ihrem Lande, Konrad von Zäringen in der Schweiz und in Burgund, der Herzog Simon in Oberlothringen, Alle, die den Hohenstaufen noch abgewandt, dem Eidam Lothar's, ihres Wohlthäters, Verwandten oder Stammgenossen zugethan waren, die Waffen erhoben hätten, wäre Konrad ein ebenso machtloser Schattenkönig geblieben, als im Jahre 1127.

 

Aber Heinrich trug nicht ein so großes Verlangen nach der Königskrone, daß er sie anders als durch freie Wahl aller Fürsten sich zu verschaffen gedachte, was ihm mit geringerer Verletzung des Herkommens als Konrad möglich gewesen wäre, da er im Besitz der Reichskleinodien stand und durch die Erzbischöfe von Salzburg, Magdeburg und Bremen, die ihm zugethan waren, durch die große Zahl ihm ergebener Reichsfürsten eine gültigere Wahl veranlassen konnte. Sprach nur Verleumdung, daß sein Stolz ihm den Haß Aller, die an dem italienischen Feldzuge Theil gehabt hatten, zugezogen, so verleugnete wenigstens der Herzog selber den Stolz nicht, der es verschmähte, sich mit Gewalt und List in den Besitz eines Thrones zu setzen, von dem er in Lothar's Tagen es hinlänglich erfahren, daß er nur dann Ansehen und Macht verleihe, wenn die eigene Kraft und Würde des Herrschers ihn stütze. Daß ein länderloser Fürst, wie Konrad, zum Spielball Derer, die ihn erhoben, werden müsse, sah er voraus; er konnte die eitle Ehrsucht des Mannes und die Verblendung der deutschen Fürsten, die einen schwachen König gern sahen, nur bemitleiden, ja er konnte es abwarten,

 

 

____

442 Siebenter Abschnitt.

 

daß man seinen mächtigen Arm auf dem Throne bald vermissen und ihn notgedrungen zum Oberhaupte berufen werde. Verachtung, nicht Haß gegen den neuen Herrscher zu zeigen, seine große Hausmacht zu sammeln, nicht um Konrad vom Throne zu stoßen, sondern dem Throninhaber gegenüber seine Größe ins Licht zu stellen, um die thörichte Wahl Jenes den Fürsten zu beweisen, war Heinrichs Entschluß. Ein Mann nur schien ihm in seinen eigenen Staaten gefährlich, der Markgraf Albrecht, weil dieser leicht zum Werkzeuge Konrad's sich darbieten konnte. Denselben zu bekämpfen, überließ er den sächsischen Fürsien, deren Anhänglichkeit für die Witwe Lothar's, für Gertrud, die Tochter, für ihn, den Eidam desselben, er kannte.

 

Bereits hatte Richenza den Markgrafen Konrad von Wettin, den angesehensten der sächsischen Fürsten, den Pfalzgrafen Friedrich von Sommerschenburg, der nach altem Brauch, während der Thron erledigt war, in Sachsen das Reichsoberhaupt zu vertreten hatte, den Grafen Siegfried von Bomeneburg, ihren nächsten Verwandten und Stammhalter des nordheimischen Hauses, den Grafen Rudolf aus dem stadischen Geschlechte und Beherrscher der Ditmarser, den Grafen Adolf von Holstein, den ergebensten Vasallen des verstorbenen Kaisers, und wol noch andere Getreue zu einem gemeinsamen Kampfe gegen Albrecht aufgefodert und dazu bereit gefunden. Ganz sicher bauten die Kaiserin und Herzog Heinrich auf den glücklichen Ausgang dieses Kampfes. Doch das Glück, das oft dem Mächtigen seine Launen zeigt und den Schwachen zu ungehoffter Höhe trägt, verwandelte auch hier den Stand der Dinge. Ob allzugroße Sicherheit, ob Fahrlässigkeit, ob Verrath die Schuld mittrugen: genug, Albrecht gelang es, bei Mimirsberg die Verbündeten zu überfallen, ihr Heer zu zersprengen und mehre seiner gefährlichsten Gegner gefangen zu nehmen 1). Durch diesen einzigen Schlag war Sachsen

 

1) Leider sind wir über den Gang der Ereignisse sehr spärlich berichtet. Von Heinrich erfährt man aus dieser Zeit gar nichts; doch, da er bald danach zu Augsburg mit einem dem Könige furchtbaren Heere erscheint, mußte er die Macht seiner südlichen Reichs- und Erblehen vorher gesammelt haben. Sie war vielleicht gegen Albrecht bestimmt gewesen, der ihm aber durch den kühnen und glücklichen Ueberfall der sächsischen Fürsten zuvorkam; als Konrad mit dem Heere seines Bruders, der rheinischen und transrhenanischen Bischöfe und Fürsten tief in Franken vordrang, ward er von einem Einbruch in Sachsen abgehalten, zumal da im Osten die österreichischen Markgrafen für die Hohenstaufen sich thätig zeigten. Die Schlacht bei Mimirsberg muß in ihren Folgen als höchst bedeutsam angesehen werden. Und doch lesen wir nur bei Ann. Saxo ad 1138: Animis accensis Conradus Marchio Fridericus Palatinus Comes, Sigfridus Comes de Boumeneburg, Rudolfus Comes de Stadhen instigante eos Imperatrice Richeza condixerunt, ut pariter venientes adversus Adalbertum Marchionem dimicarent. Anticipavit ille manum inimicam in loco, qui dicitur Mimirberch et inopinate victor existens plures adversariorum captivavit. Wie dieser Chronist nichts von dem zahlreichen Hoftage zu Bamberg weiß, so die andern Chronisten nichts von dem Siege Albrecht's, und doch ist jener nur als die Folge dieses anzusehen. Otto von Freisingen stellt Alles so dar, als ob vor Konrad's Uebermacht allein das ganze Reich sich unterworfen habe. Chron. lib. VII, cap. 22 heißt es von Denen, die des Königs Wahl widersprochen: Quibus omnibus in proxima Pentecoste generalis curia Babenberg indicitur, was wol erst nach den Ereignissen in Sachsen geschah; denn ohne deren Vorgang hätten sich wol wenige auf des Königs Gebot eingestellt. Cap. 23: Itaque Conradus Rex in Pentecoste curiam in praefata civitate, ut condictum erat, cum maximo regni fastigio et maximo conventu principum habuit, ubi omnes Saxones simul cum viduata Imperatrice Richinza venientes ultro se suae deditioni subdidere. Ultro geschah dies wol nicht, sondern eben weil die Niederlage bei Mimirsberg und die Gefangennehmung mehrer Fürsten Sachsen entwaffnet hatte. Der ganze Bericht der Ann. Bosov., die doch sonst manches Ausführliche von den innern Ereignissen Deutschlands geben, lautet vom Jahre 1138: Conradus Friderici Ducis Suevorum germanus, qui antea quoque regium sibi nomen usurpaverat, apud Confluentiam media Quadragesima in Regem eligitur et ad proximam Pentecosten ad curiam in Babenberc habitam a quam plurimis Regni Principibus confirmatur.

 

 

____

443 Hoftag zu Bamberg.

 

für Heinrich verloren und vorläufig für Konrad gewonnen. Denn natürlich schloß sich Albrecht, in Erwartung, daß ihn der König gern mit dem Herzogthume belehnen werde, an diesen an, und der Schrecken vor der vereinten Macht Beider zwang die geschlagenen und gefangenen Fürsten, ja die Kaiserin Richenza selbst auf dem Hoftage, den Konrad zu Bamberg auf Pfingsten allen Reichsfürsten angekündigt hatte, folgsam zu erscheinen.

 

Groß war die Zahl der geistlichen und weltlichen Fürsten daselbst. Von den Erzbischöfen des Reichs fehlten zwar drei, doch nur die von Salzburg und Magdeburg mit abgekehrtem Sinn, der von Köln wol mit Genehmigung des Königs, während außer den beiden von Trier und Mainz sich noch Albero von Bremen einfand, der jetzt und auch später, als der Waffenkampf von Neuem begann, mehr neutral zwischen den kämpfenden Parteien im Reiche verharrte und sich deshalb durch Entfernung aus Deutschland am Besten der Theilnahme zu entziehen glaubte, wodurch er indeß von seiner Diöcese keineswegs die Leiden und Schrecken des Krieges fern hielt. Von anderen Geistlichen treffen wir zu Bamberg vor Allen den ehrwürdigen Bischof Otto, der früher mit Konrad befreundet, als

 

 

____

444 Siebenter Abschnitt.

 

denselben die übrige deutsche Geistlichkeit sammt Kaiser Heinrich V. aus der Gemeinschaft der Kirche gestoßen hatte, jetzt um so weniger Anstand nahm, ihm zu huldigen, als er jeden Zwiespalt im Reiche verabscheute und die Macht auf einen Herrscher zu concentriren stets die Hand bot. Er erwies jetzt zugleich den Hohenstaufen und seinem Vorgesetzten, dem Erzbischofe Adalbert von Mainz, einen Dienst, indem er Letzterm die erzbischöfliche Weihe ertheilte 1), wie er dies einst dem ältern Adalbert - damals freilich gegen des Reichsoberhauptes und der hohenstaufischen Brüder Willen - gethan hatte. Der Bischof Embricho von Würzburg, ein ebenso gelehrter und be-. redter, als in weltlichen Geschäften erfahrener Mann, der bereits schon in Köln vor Konrad erschienen war, fehlte diesmal wol nicht aus Abneigung, sondern aus anderen Abhaltungsgründen. Zugegen waren aber wie dort so hier die Bischöfe Andreas von Utrecht, Werner von Münster und Udo von Osnabrück, wozu noch kamen: Siegfried von Speier, Burchard von Worms, der einer der ersten Anhänger Konrad's gewesen war, Bernhard von Paderborn und Udo von Zeiz, der Bruder des Landgrafen von Thüringen, wie dieser mehr aus politischen als kirchlichen Rücksichten dem jedesmaligen Reichsoberhaupte ergeben. Ja selbst aus Baiern fehlten sehr angesehene Geistliche nicht, wie Heinrich von Rcgensburg, Herzogs Heinrich ehemaliger Gegner und ihm im Herzen vielleicht immer noch gram, und der Bischof Gottfried von Eichstedt, sowie mehre weltliche Fürsten Süddeutschlands, die Vasallen oder doch nicht unabhängig von Baiern waren, in Bamberg anwesend genannt werden. Die wichtigsten unter diesen waren die Markgrafen Leopold und Engelbert, Herzog Ulrich von Kärnthen, die Grafen Gebhard von Sulzbach und Poppo von Andechs. Daß Herzog Friedrich von Schwaben, Pfalzgraf Wilhelm vom Rhein, Markgraf Albrecht von Salzwedel nicht fehlten, ist natürlich. Daß aber auch der Herzog Konrad von Zäringen und Burgund, Sobislav oder Ulrich von Böhmen und der Markgraf Konrad von Wettin erschienen waren, beweist, daß Konrad's Königthum auch von Denen nicht länger verschmäht werden konnte, die einst Lothar Freundschaft und Gehorsam gezeigt und dessen Lieblingswunsch, den Herzog Heinrich auf den Thron zu fördern, versprochen hatten 2). Der Vortheil oder die drohende Gefahr zwang sie, dem neuen Herrscher folgsam zu sein.

 

1) Trithemius in Chron. Hirsaug. 1138 gibt den nöthigen Nachweis.

2) Die im Text genannten Fürsten entlehnen wir den Zeugenunterschriften in der zu Bamberg für das Kloster St. Blasius ausgestellten Urkunde, wie sie Herrgott Tom. II, p. 159 gibt. Noch Andere mögen zugegen gewesen sein oder durch Gesandte ihre Unterwerfung erklärt haben. Ueber Sobislav's Erscheinen zu Bamberg berichtet nach Chron. Boh. ad 1138: Eo (Conrado Rege) in Bamberg solemnem Curiam celebrante, Sobieslaus ipsum accedit, et ut Wladislaus sibi is Regno Boëmiae succederet obtinuit, et reversus ad propria in castro Saczka Imperatoris collationem de successione Wladislai in Regno Boëmiae per Baronum ejusdem Regni sacramento firmabat. Diesem Wladislav, entweder einem Sohn oder Bruderssohn Sobislav's (S. Mascov. p. 120, nota 5), wurde wol schon zu Bamberg die Tochter Leopold's von Oestreich, Gertrud, vom Könige verlobt, um Böhmen enger an sein Haus (das seines Stiefbruders) zu schließen. - Der auswärtigen Verhältnisse kann in diesem Abschnitt, der nur die Veränderungen im Reiche bis zu Herzog Heinrich's Tode vorführen soll, nicht erwähnt werden. Sie hängen mit der Geschichte des hohenstaufischen Kaiserhauses enger zusammen.

 

 

____

445 Hoftag zu Bamberg.

 

Konrad III., dem bisher Alles so wider Erwarten und ohne eigenes Zuthun, nur indem Andere ihm in die Hand arbeiteten, sich glücklich gefügt hatte, wäre in der That auf dem Gipfel der Macht gewesen, wenn nicht der Hauptgegner, Herzog Heinrich, in Bamberg ausgeblieben ware. Es war nicht Trotz, nicht Auflehnung gegen den König, den als solchen bereits die Mehrzahl der Fürsten anerkannt hatte, sondern der ganz natürliche Stolz gegen den Mann, der ihn so arglistig hintergangen hatte, was Heinrich vor ihm zu erscheinen abhielt. Der Auffoderung des Königs und der Reichsfürsten, die Königsinsignien abzuliefern und der schuldigen Unterwerfung vor dem von den Fürsten anerkannten Reichsoberhaupte nachzukommen, zeigte der Herzog sich ganz bereit. Gewiß waren mit seinem Willen, vielleicht auf seinen Rath, die sächsischen Fürsten, welche von Albrecht besiegt worden, auch wol der Herzog Konrad von Zäringen, die genannten rheinischen Bischöfe und Grafen der Ladung des Königs folgsam gewesen und sollten auch für seine Ergebenheit Bürgschaft ablegen, falls der König nicht mehr begehre und ihm den unverkümmerten Besitz aller Reichslehen, die Kaiser Lothar ihm übertragen, zugestehe. Viel mag darüber zu Bamberg gestritten worden sein; Einige haben wol die Billigkeit der Bedingungen Heinrich's anerkannt, Andere aber sie Anmaßung genannt und die Beibehaltung Sachsens neben Baiern für gesetzwidrig und dem Reiche gefährlich dargestellt, vornehmlich aber Markgraf Albrecht die Belehnung mit ersterm für sich als Lohn der dem Könige geleisteten Dienste - denn das waren in der That seine glücklichen Unternehmungen in Sachsen, mögen sie auch mit Konrad's Plan anfangs in keiner Verbindung gestanden haben - gefodert. Genug,

 

 

____

446 Siebenter Abschnitt.

 

entschieden wurde zu Bamberg nichts, und der König erkannte für das Beste, mit dem Herzog über die strittigen Punkte zu unterhandeln. Noch ein neuer Hoftag wurde auf den 24. Juni nach Regensburg ausgeschrieben 1), wozu alle Diejenigen, welche zu Bamberg ausgeblieben waren, sich einstellen sollten. Die baierischen Fürsten und Prälaten ließ der König noch durch besondere Mahnungsschreiben dringend einladen und auffodern, die schuldige Pflicht gegen ihn zu erfüllen 2).

 

Große Versprechungen hatten die königlichen Abgesandten oder Friedensvermittler dem Herzoge gemacht, und dieser that seinerseits Alles, was er thun konnte. Weder hinderte er, in der Hauptstadt seines Herzogthums den ausgeschriebenen Hoftag zu halten, noch verweigerte er den Prälaten und Fürsten des Landes daselbst zu erscheinen, ja er mochte einige selbst aufgefodert haben, damit sie für ihn kräftig sprächen. Die Reichsinsignien, Kreuz, Speer und Krone, sandte er unweigerlich dem Könige entgegen 3). Gleichwol führte auch sein eigenes Erscheinen in Regensburg keine Aussöhnung herbei, sondern ohne des Königs Gnade zu suchen und zu erhalten, schied er von dannen 4). Nicht er, sondern Konrad oder dessen Gesandten

 

1) Otto Fris. a. a. O., Mon. Weing. p. 789, Chron. Ursp. ad 1139 u. a. m. geben schon Peter-Paulstag, wo auch der König schon erschienen, doch noch wenig neue Gehorsame, auch nicht den Herzog getroffen haben mag. Von Bamberg sagt Otto von Freisingen: Solus ex Principibus Dux Henricus regalia servans aberat, ad quae reddenda in festivitate apostolorum Petri et Pauli dies ei praefigitur. Aehnlich die andern genannten Chronisten. Auch Dodechin ad 1138: Rex curiam apud Babenberg in Pentecoste habuit, ubi Principes totius regni convenerunt, Saxones quoque omnes excepto Duce Bavariae Henrico defuncti Imperatoris Lotharii genero.

2) Ein solches Mahnungsschreiben an den Abt von Tegernsee enthält der Brief Konrad's, den Pez Codex diplomatico-epistolaris I, p. 326 mittheilt: Satis mirari non valemus et vehementer nostra Regia turbata est Serenitas, quod curiae praeteritae apud Bavenberg una cum aliis Principibus interesse neglexisti et hoc, quod jure Imperii ibidem nobis facere debueras, adhuc quasi inconsulte distulisti. Quapropter volumus et mandando firmiter praecipimus, quatenus omni posthabita occasione in festo S. Johannis in curia Ratisponensi obviam nobis venire studeas et debitum servitii ibidem plenarie persolvas.

3) Gotf. Viterb. Part. 17, p. 511 sagt freilich: Coactus vero tandem regalia, i. e. crucem et lanceam et coronam reddidit. Doch wie wenig Heinrich gedemüthigt war, zeigte er bald zu Augsburg.

4) Otto Fris. Chron. VII, cap. 23: Quo veniens regalia quidem multis illectus promissis reddidit, si tamen ea minime consecutus infecto pacis negotio sine gratia Regis discessit. Chron. Ursp. und Mon. Weing. a. a. O.: Sed ad ea, quae ulterius inter eos tractanda erant, dies ei in brevi post Augustae praescribitur. In Regensburg scheint Heinrich sich eingefunden, doch nicht die Versammlung selbst besucht zu haben.

 

 

____

447 Reichstag zu Regensburg.

 

trugen die Schuld. Letztere hatten zu viel versprochen, was der Konig nicht erfüllen wollte und konnte. Nicht wollte, weil er die Uebermacht Heinrich's fürchtete, nicht konnte, weil er dem Markgrafen Albrecht zu sehr verpflichtet war, als daß er die Foderung Sachsens ihm abzuschlagen wagte. Wer aber mochte es Heinrich verargen, daß, nachdem er ohne Weigern auf die Krone verzichtet, die Reichsinsignien ausgeliefert, die schuldige Ehrerbietung und den Gehorsam selber bewiesen und anderen Großen seiner Länder zu beweisen geboten, er den Besitz aller rechtlich erworbenen Lehen zur Hauptbedingung der Aussöhnung machte? Die Entgegnung, daß ein Fürst nicht zwei Herzogthümer verwalten dürfe, und daß Albrecht der Bär gleiche, wenn nicht größere Ansprüche an Sachsen habe, gab keinen Grund, ihm eines zu nehmen, da ja Friedrich von Hohenstaufen, des Königs Bruder, gleichfalls zwei große Reichslehen, Schwaben und Elsaß, besessen hatte, und die Entscheidung über Sachsen durch Lothar nach dem Rechte, das dem Reichsoberhaupte zustehe, unverletzlich sei, die Ansprüche Albrecht's aber weder gegründeter noch näher als die seinigen sich erwiesen 1). Wider den mächtigen Welfen gewaltsam zu verfahren, hielt Konrad noch für allzu gewagt, da auch viele Fürsten seiner Umgebung den Foderungen Heinrich's das Wort redeten. Nicht einmal geringere Fürsten durfte er wegen ihres bisherigen Widerstandes, wegen der Schmähungen, die sie gegen seine Erhebung ausgestoßen hatten, strafen oder von ihnen mehr als formelle Unterwerfung, die einem freiwilligen Anschluß ähnlicher sah, fodern. So waren zu Bamberg die sächsischen Großen, welche dort erschienen, ohne Demüthigung, ohne Verpflichtung und nur mit der Weisung, daß nächstens auf einem Hoftage zu Goslar die Landesangelegenheiten

 

1) Helm. I, cap. 35 und Ann. Saxo ad 1106, auch Anonymus de Guelfis nennen Wulfhild, die Mutter Heinrich's, eine ältere, Eilika, Albrecht's Mutter, eine jüngere Tochter Magnus', des letzten Billungen. Andere zwar kehren dies um, doch Heinrich gründete seine Ansprüche nicht sowol auf seine mütterliche Abstammung als auf seine Vermählung mit Gertrud und die Belehnung durch Lothar. Mit Albrecht's Ansprüchen stand es ebenso schlecht als mit Konrad's Behauptung, daß dem Könige das Recht der Entscheidung zustehe. Das hatte ja Lothar vor ihm geübt, und überdies Albrecht durch die Mark Salzwedel und Brandenburg so gut als möglich entschädigt.

 

 

____

448 Siebenter Abschnitt.

 

berathen werden sollten, entlassen, und an die ausgebliebenen, wozu namentlich Erzbischof Konrad von Magdeburg gehörte, keine Drohung und ernstliche Weisung, die zu fürchten gewesen wäre, ergangen. Zu Regensburg hatte unter andern auch der ehrwürdige Konrad von Salzburg sich eingestellt, nicht weil er minder freimüthig wie bisher die willkürliche Erhebung Konrad's gut hieß, sondern weil er nicht an dem verderblichen Zwiespalt im Reiche Schuld sein wollte. Darum leistete er auch nicht den Huldigungseid, sondern gab allein die Versicherung, daß der König von ihm nichts Feindliches zu besorgen habe, und Konrad begnügte sich damit 1).

 

So hing lediglich von dem guten Willen der Großen oder vielmehr von der Furcht vor einem neuen Bürgerkriege, wie er Allen noch aus Heinrich's V. Tagen als Schreckbild vorschwebte, die Anerkennung des Reichsoberhauptes ab. Wol keiner der Geistlichen dachte daran, den Eid der Treue, wie ihn Lothar noch hatte fodern dürfen, dem Könige zu schwören und vollends eine Lehnspflicht dem weltlichen Oberhaupte zu leisten waren auch Die nicht gesonnen, welche den König zu der Würde erhoben hatten. Wahrlich, ein solcher Schattenkönig war von Herzog Heinrich, der mit ganz andrer Hoheit die Krone getragen haben würde, wenig zu beneiden und noch weniger zu fürchten. Darum konnte er ganz ungestraft den Reichstag verlassen, ja man mußte ihm soweit nachgeben, daß noch ein neuer Tag zu gütlicher Vergleichung bei Augsburg festgesetzt wurde.

 

1) Vita Conr. Salisb. cap. 4: Cum Chunradus paucorum favore dignitatis regiae honorem rapuisset considerans Archiepiscopus, si ipse, ut coeperat, exaltationi illius obsistere pertinaciter voluisset, quanta inter illum et Ducem Bavariae Henricum, generum Lotharii, virum tunc potentia et divitiis praestantissimum per universum regnum mala fierent eorumque caput et causa ab omnibus ipse argueretur (demnach wäre Konrad eifrig für Heinrich's Sache thätig gewesen) cum Regi Ratisbonae occurrisset, Duci de Zaeringen, viro clarissimo dicenti sibi coram Rege cunctisque Principibus, quod homagium Domino suo Regi facere deberet (sollte Konrad von Zäringen so viel Eifer für den König bezeigt haben, von dem er bald abfiel? Entweder verwechselt der Biograph die Personen oder Konrad wechselte schnell seine politische Farbe) respondit intrepide: Videte Domine Dux, quia si plaustrum essetis, boves praecurrere non dubitaretis. Inter me et Dominum Regem sic causa determinabitur, ut nullum nostri in hac causa curam habere sentiatis. Unde Rex, ne Archiepiscopus indignatione motus in verbum asperrimum amplius erumperet et negotium omne turbaret, aversa manu os Ducis compressit et ab omni responsione compescuit, dicens se ab Archiepiscopo nihil prorsus expetere, nisi bonam voluntatem ipsius.

 

 

____

449 Reichstag zu Augsburg.

 

Diese neue Zusammenkunft stellte vollends die Schwäche Konrad's, die Ueberlegenheit Heinrich's heraus. In Augsburg selbst verweilte der König mit seinem Gefolge, oberhalb der Stadt auf dem andern Ufer des Lech lagerte mit zahlreichen Scharen der Herzog 1). Wer der Gebieter, wer der Reichsvasall war, hatte Denen, die Beide hier mehr wie zum Kampfe als zu friedlicher Unterhandlung herbeiziehen sahen, zweifelhaft scheinen können. Wol gingen die Unterhändler und Vermittler, die man eigens dazu voraus ernannt hatte, hin und her, drei Tage lang, ohne indeß etwas auszurichten 2). War Heinrich trotziger oder mistrauischer geworden,- denn für beides konnte seine große Kriegsmacht sprechen 3),- warf er Konrad die Erschleichung eines Thrones vor, den er doch bei so schwacher Hausmacht nicht mit Ehren zu behaupten vermöge, oder nannte er des Königs Versprechungen, die er vor dem regensburger Hoftage ihm habe anbieten lassen, eine Arglist, durch die er ihn nur hinzuhalten gesucht, bis er auf der Grenze Schwabens, von Friedrich's Macht gestützt, die gegebenen Zusagen zurücknehmen könne, genug, der Herzog erklärte, lieber Alles auf den zweifelhaften Ausgang eines Krieges zu setzen, als der ungerechten Foderung, die ihn um rechtlich zuertheilte Reichs- und Erblehen brachte, auch nur in Etwas nachzugeben 4). So sollte denn das Schwert entscheiden.

 

Wol mögen auch die Mittelspersonen, die herüber und hinüber die wechselseitigen Foderungen und Bedingungen aus einem Lager ins andere trugen, an dem endlichen Abbruch aller Unterhandlungen Schuld gewesen sein. Der besonnene Herzog Friedrich, die friedliebenden Bischöfe Otto von Bamberg und Konrad von Salzburg scheinen an den Vorgängen bei Augsburg keinen Theil gehabt zu haben, sonst wäre Heinrich nicht zum Aeußersten gebracht und Konrad

 

1) Chron. Ursp., Mon. Weing., a. a. O.: Quo ex condicto assumptis fidelibus suis et milite non modico venit ac super Licum ex opposito civitatis, Rege civitatem tenente, castra posuit.

2) Ebendaselbst: Internuntii autem et mediatores ad hanc causam praenominati per triduum huc atque illuc transmeantes nihil profecerunt.

3) Wie lächerlich aber ists, wenn Otto Fris. a. a. O. nach dem regensburger Hoftage, ohne die Verhandlungen in Augsburg zu erwähnen, fortfährt: Cumque multis modis homo praepotens et animosus, sed nutu dei humiliatus misericordiam peteret nec impetraret, tandem - proscribitur.

4) Chron. Ursp., Mon. Weing., a. a. O.: Rex non aliter compositionem fieri voluit, nisi Dux quaedam de his, quae a Lothario Imperatore susceperat, resignaret. Quod cum Dux renuisset ac se potius dubiae sorti supponi elegisset, colloquium infecto pacis negotio dissolutum est.

II. 29

 

 

____

450 Siebenter Abschnitt.

 

nicht von einem Mistrauen gegen seine nächsten Umgebungen erfüllt worden sein, das ihn sogar zu einer heimlichen Flucht aus der Stadt bewog.

 

Ein seltsames Dunkel schwebt über dieser Entweichung des Königs. Es heißt, er habe, Verrath fürchtend, nach dem Abendessen sich in sein Zimmer zurückgezogen, bei Nacht und Nebel, ohne Abschied von den Fürsten zu nehmen, mit wenigen Reitern die Stadt verlassen und seinem Heere dadurch die größte Besorgniß und Gefahr bereitet. Außer Zusammenhang mit den gepflogenen Unterhandlungen stand diese Flucht gewiß nicht, wofür auch die nächsten Schritte des Königs sprechen. Die Furcht vor geheimen Ränken wird als Grund angegeben, ohne daß wir näher erfahren, von wem die Nachstellungen, die seine Freiheit, sein Leben bedrohten, ihm bereitet worden. Hätte Heinrich einen Ueberfall beabsichtigt? Zwar zum Kriege war er entschlossen, und daß er die Schwäche des königlichen Heeres sogleich benutzen werde, konnte man in Augsburg befürchten. Doch wenn dies Konrad zur Flucht bestimmte, warum gab er die Seinen und die Fürsten seiner Partei dem Gegner Preis? Warum vertheidigte er sich nicht in der den Hohenstaufen zugethanen Stadt? Warum zog er nicht seinen Bruder aus dem benachbarten Schwaben hervor, bis zu dessen Ankunft er sich doch gewiß halten konnte? Warum täuschte er die eigenen Anhänger durch den Schein der Unbesorgtheit? Oder durfte er Letztern selbst nicht trauen? Es wird dies aus der Art und Weise, wie der König der ihm drohenden Gefahr entging, mehr als wahrscheinlich, und der Verdacht, ihn in so bedenkliche Lage gebracht zu haben, ruht vornehmlich auf den Unterhändlern. Denn waren beide Theile nach Augsburg gekommen mit dem ernsten Willen, die Sache nicht bis zum Aeußersten kommen zu lassen, bedurfte es von Seiten des Königs, wenn er der großen Heeresmacht Heinrich's mistraute, eher einer geschmeidigen, viel versprechenden Nachgiebigkeit, so sehen wir dagegen durch die Zwischenträger die Erbitterung, die Zwietracht und endlich das Kriegsfeuer angefacht und des Herzogs Entschluß, lieber mit dem Schwerte als mit Worten zu streiten herbeigeführt. Wer die Unterhändler gewesen, melden die Chronisten nicht, halten vielleicht mit Absicht die Namen zurück, die doch, als von eigens vorausbestimmten Personen, dem Gedächtniß der Zeitgenossen nicht entfallen sein konnten. Gewiß waren es Männer von Bedeutung und Rang. Wenn wir vorher schon den Herzog Friedrich, die Bischöfe Otto und Konrad als fern von diesem Geschäfte annahmen, so sind auch äußere und innere Gründe vorhanden, daß der für Konrad III. so thätige Albero von

 

 

____

451 Herzog Heinrich's Rückkehr nach Sachsen.

 

Trier damals nicht in des Königs Gefolge verweilte. Er würde es bis zum Abbruch der Unterhandlungen, zum Ausbruch des Kampfes nicht haben kommen lassen. Wahrscheinlich riefen ihn gleich nach dem regensburger Hoftage die Angelegenheiten seiner Diöcese, die er seit der coblenzer Wahlversammlung nicht wieder gesehen hatte, nach der Heimat, und erst später zog er mit einem zahlreichen Heere, das er für den König anwerben ließ, zu diesem 1). Ein anderer Einfluß, ein anderer Geist herrschte damals am Hoflager als der des vertrautesten Freundes und Rathgebers Albero.

 

Unfehlbar war dem Könige von Regensburg nach Augsburg der Erzbischof Adalbert von Mainz gefolgt, und dessen späteres mehr als zweideutiges Benehmen gibt der Vermuthung Raum, daß er auch bei der Unterhandlung zwischen Konrad und Heinrich in derselben Weise wie später durch Aufreizung beider Nebenbuhler gegen einander einen Bürgerkrieg in Deutschland zu entzünden gesucht, von dem er gleich wie sein Oheim unter Heinrich V. die Befriedigung seines Ehrgeizes, der auf nichts geringeres als auf den Supremat in Deutschland gerichtet war, erwartete. Wer seine Absichten sonst noch unterstützte, wer mit ihm das Geschäft des Unterhändlers bei Augsburg theilte, ist schwerer zu errathen. Wer sie aber auch gewesen, die durch geheime Intriguen den Argwohn Konrad's erweckten, Dieses Flucht machte dieselben für jetzt scheitern. Ob Herzog Heinrich in jene Intriguen eingeweiht gewesen, ob er wegen eines Ueberfalls oder gar wegen Gefangennehmung Konrad's sich mit den Umgebungen des Königs verständigt habe, bleibt dahingestellt; daß er aber auch von der Flucht Konrad's, von der Bestürzung im königlichen Heere Vortheil zu ziehen verstand, ist außer Zweifel. Für Baiern vorläufig unbesorgt, da der Hauptgegner seine Flucht nach Würzburg genommen, war sein Augenmerk zunächst auf Sachsen gerichtet, das Albrecht's Sieg bei Mimirsberg wenn auch nicht völlig entrissen, doch so sehr bedrängt hatte, daß keiner

 

1) Wir werden späterhin sehen, mit welcher Kriegsmacht und anderen Mitteln ausgerüstet er den König selbst überraschte. Zur Beitreibung derselben mußte er in seinen Kirchensprengel zurückgekehrt und dafür Sorge getragen haben. Bei Augsburg wie bei den folgenden durchweg misglückenden Unternehmungen Konrad's vermissen wir den schlauen, gewandten Prälaten, dem es wie einst Innocenz und Lothar, so auch jetzt Konrad und Heinrich zu bestimmen gelang. Wir setzen also wol am richtigsten seine Entfernung vom Hofe gleich nach dem regensburger Hoftage. Wann er sich wieder bei Konrad befand, werden wir später an dem Erfolg seiner Gegenwart sehen.

29*

 

 

___

452 Siebenter Abschnitt.

 

der Landesfürsten dem ungestümen Krieger zu widerstehen und für den Herzog das Schwert zu ziehen wagte, wie viele diesem auch im Herzen zugethan blieben. Seit der König in Franken und sogar in Baiern vorgedrungen war, schien es Heinrich schwierig, nach Sachsen sich den Weg zu bahnen, und auch bedenklich, sein südliches Herzogthum zu verlassen. Jetzt aber durfte er beides ungescheut wagen. In Baiern ließ er sein wohlgerüstetes Heer zurück, indem er Land und Kriegsmacht seinem Bruder Welf übertrug 1); er selber eilte nach Sachsen, und zwar nur von wenigen Getreuen begleitet, damit er unbemerkt durch Franken oder Thüringen den Weg nehmen und unerwartet dem Gegner dort erscheinen könne. In diesem wohlberechneten Aufbruch nach Sachsen, wegen der Art der Ausführung, eine Flucht, eine Selbstverbannung aus Baiern zu erblicken und darin Konrad's Ruhm zu suchen, ist nur einem Schriftsteller, der die Thaten der Hohenstaufen, des ihm nahe verwandten Geschlechtes, verherrlichen will, zu verzeihen, sollte aber von neuern Geschichtforschern nicht ihm nachgeschrieben werden, da es der Lage der Verhältnisse so gänzlich widerspricht 2), und nur, wenn man spätere

 

1) Chron. Regia S. Pant. ad 1138: Heinricus Dux fratri Welphoni Ducatum Bojoariae cum provincia committens valida manu Saxoniam tendit. Nur Ersteres, nicht Letzteres, dem die Nachrichten Anderer und die nächsten Ereignisse in Sachsen widersprechen, ist für wahr zu halten, Welf vertheidigte Baiern glücklich bis zur Niederlage bei Weinsberg, und auch nach dieser gab er es noch nicht auf, auch nicht, als die friedlichere Stimmung der Anhänger Heinrich's und Dieses Witwe Gertrud ihn zur Verzichtleistung bewegen wollten. Baiern wurde dadurch der Schauplatz der verheerendsten Kriege zwischen Welf und dem östreichischen Markgrafen Leopold und Heinrich Jasomirgott. Konrad III. vermochte diesem Kampfe, sowie andern im Innern des Reiches, nicht zu wehren.

2) Wie Otto von Freisingen die Vorfälle bei Augsburg entstellt und dem Herzog , der daselbst seine Ueberlegenheit eben so deutlich zu Tage legte, wie Konrad durch die Flucht den schlechten Stand seiner Sache, nutu dei humiliatus nennt, so läßt er und zwar sehr absichtlich auf Heinrich's Aufbruch nach Sachsen ein falsches Licht fallen. Chron. VII, cap. 23 heißt es, nachdem spätere Ereignisse vorausgestellt sind: Mirum dictu princeps ante potentissimus et cujus auctoritas (ut ipse gloriebatur) a mari usque ad mare, i. e. a Dania usque in Siciliam extendebatur, in tantum in brevi humilitatem venit, ut pene omnibus fidelibus et amicis suis in Bojoaria a se deficientibus clam inde egressus quatuor tantum comitatus sociis in Saxoniam veniret. Dieses selbe Ereigniß lautet bei dem auersberger und bei dem weingartner Mönch, an deren detaillirter Erzählung von den augsburger Unterhandlungen (die Otto freilich gar nicht berührt) wir keinen Grund haben zu zweifeln, folgendermaßen: Dux in subsequenti die post egressum Regis de Augusta suis prout poterat, probe dispositis, non multis comitatus in Saxoniam properat. Warum er das Heer zurückließ und mit Wenigen nach Sachsen eilte, ist erklärlich. Warum er damals aber von allen Getreuen und Freunden verlassen sein sollte, ist nicht begreiflich. Freilich läßt Otto die Aechtung Heinrich's zu Würzburg und Goslar vorausgehen, die erst später und auch da erfolglos verhängt wurde.

 

 

____

453 Herzog Heinrich in Sachsen.

 

Vorfälle in Baiern mit den so eben erzählten verwechselt, einen Schein von Wahrheit gewinnt. Heinrich's geheimer Aufbruch nach Sachsen war von Sieg, nicht von Schmach begleitet, kein demüthiges, sondern ein ruhmvolles Beginnen, wogegen Konrad vergebens die Reichsacht schleuderte.

 

Der König hatte zu Würzburg, wohin er aus der Umgebung der Seinen von Augsburg geflüchtet war, von Heinrich's Aufbruch nach Sachsen erfahren und mußte mit Recht besorgen, daß sein Gegner, der bereits den Kampf jeder friedlichen Ausgleichung vorgezogen, in Sachsen die Vortheile ihm entreißen werde, die der Sieg Albrecht's über Heinrich's Anhänger auch ihm verschafft hatte, ja daß die sächsischen Fürsten, die zu Bamberg nur ungern oder auf des Herzogs Rath erschienen waren, diesem sich abermals anschließen und den Markgrafen Albrecht bedrängen möchten. Hätte Konrad seinem Verbündeten mit einem starken Reichsheere sogleich zur Hülfe eilen können, so wäre Heinrich in Sachsen, wo seine Anhänger weder vereint noch gerüstet waren, der siegreiche Markgraf dagegen nach wie vor das Schwert in der Hand behalten hatte, in die bedrängteste Lage gekommen und von Baiern abgeschnitten worden. Doch des Königs Hauptstützen, Albero von Trier und Herzog Friedrich, waren fern und Letzterer sogar selbst von einem Gegner bedrängt, nämlich von Konrad dem Zäringer, der jetzt den Schein der Ergebenheit gegen den König abgeworfen hatte und im Westen den Herzog von Schwaben bedrängte 1), während die beiden welfischen

 

1) Aus Otto Fris. de gest. Frid. lib. I, cap. 26 läßt die Zeit des Krieges zwischen Konrad von Zäringen und Friedrich von Schwaben freilich sich nicht abnehmen. Mascov. comment. cap. XXIX, p. 175 setzt ihn erst kurz vor Konrad's III. Kreuzzug 1146, gestützt auf Otto von Freisingen, cap. 29, wo in einer Parenthese zusammengestellt wird: In Allemania inter praedictum adolescentem Fridericum (den nachmaligen Kaiser) et Ducem Conradum hoc dissensionis malum agitabatur, in Bojoaria inter Henricum Leopoldi Marchionis filium, ejusdem terrae Ducem et item Henricum Ratisponensem Episcopum gravissimum bellum excitatum in dies augmentabatur, in Belgica Gallia viris magnis et egregiis Alberone Treverorum Archiepiscopo et Henrico Namurcense comite debellantibus - - Polonia quatuor fratribus tribus cum quarto pro ducatu contendentibus maximam effusionem sanguinis minabatur. Die hier genannten Ereignisse sind keineswegs gleichzeitige, der Kampf zwischen den beiden Heinrichen 1142, der Bürgerkrieg in Polen von 1138 ab viele Jahre hindurch, die Fehden in Trier von 1139-1145. So möchte denn auch der Kampf zwischen Konrad von Zäringen und Friedrich von Schwaben in den Anfang der mit innern Kriegen angefüllten Regierung Konrad's III. zu setzen sein, wie Raumer I, S. 391 und Luden X, S. 156 und 158 annehmen. Daß Herzog Friedrich so gar keinen Beistand seinem Bruder gegen Heinrich den Stolzen leistete, spricht dafür, daß Jener in seinem eigenen Herzogthume zu thun hatte. Ein Dunkel ruht freilich auf dieser wie auf andern Begebenheiten des Jahres 1138.

 

 

____

454 Siebenter Abschnitt.

 

Brüder in Baiern und Sachsen die Hohenstaufen bedrohten. So auf einmal nahm Alles eine geänderte Gestalt an, als Heinrich ernstlich zum Kriege sich entschloß, und der Schatten der Macht, der Konrad's III. Thron umgeben hatte, war so schnell zerflossen, als er trügerisch den König umgaukelt und zu dem voreiligen Enthüllen seiner herrschsüchtigen Absichten gegen den Herzog Heinrich verbreitet hatte. Die Unredlichkeit, welche er bei den Unterhandlungen gezeigt, indem er Anfangs durch große Versprechungen die Reichskleinodien zu erhalten und dem Nebenbuhler ins Land zu dringen, dann diesen in dem rechtmäßigen Besitze seiner Macht zu beschränken suchte, strafte sich nun durch den Wankelmuth und die Intriguen seiner Anhänger, und der Kampf, den er selbst heraufbeschworen, drohte seine Krone vom Haupte herabzuschleudern, wenn nicht sein Bruder Friedrich und der Markgraf Albrecht sie und seinen Thron schützten, und mit ihrer jetzt noch überlegenen Macht die Gegner in Burgund und Sachsen bewältigten.

 

Um aber auch selber etwas gegen Heinrich zu unternehmen, sprach Konrad zu Würzburg in Gegenwart weniger Fürsten, die er dort um sich versammelte, die Reichsacht über ihn und entsetzte ihn des Herzogthums Sachsen, das er Albrecht zu übergeben versprach 1) Dieses abermals gegen alle Form verstoßende Verfahren kann nur durch die Bedrängniß, in welcher der König sich befand, entschuldigt werden. Was aber war damit gewonnen? Die Sachsen wurden dadurch nicht geschreckt, vielmehr erregte der Schmerz, daß nicht mehr ein Herrscher ihres Namens den Thron inne hatte, und die Furcht, daß unter Konrad, dem Schwestersohne Heinrich's V., eine fremde Gewalt in Sachsen willkürliche Eingriffe sich erlaubte, allgemeinen Unwillen gegen den Achtsvollstrecker und gegen Markgraf

 

1) Chron. Ursp. a. a. O.: Rex - - Herbipolim pervenit, ubi judicio quorundam Principum Dux proscribitur. Damit stimmt Otto Fris. Chron. VII, cap. 23 zusammen: Tandem judicio quorundam Principum apud Herbipolim proscribitur. Nur Mon. Weing. p. 789 fügt noch hinzu: Ducatusque ei abjudicatur. Wem es zugesprochen worden, gibt er erst später an. Albrecht war wol in Würzburg nicht zugegen, sondern stand in Sachsen.

 

 

____

455 Markgraf Albrecht's Feindseligkeiten gegen Heinrich.

 

Albrecht, der sich mit bewaffneter Faust zum Herrn des Landes machen und Konrad den Weg dahin bahnen wollte. Noch zwar blieb er der Gefürchtete, die von ihm Ueberwundenen wagten nicht, offen sich zu erheben und an Heinrich anzuschließen, der ohne Heer, allein im guten Vertrauen auf ihre Ergebenheit und ihren Beistand, hergekommen war. Er fand nur in seinen billungischen Erbbesitzungen einen Anhalt, und in seiner Schwiegermutter, der Herrin der nordheimischen und braunschweigischen Allodialgüter eine Stütze. Auf beide warf sich der ungestüme Gegner, der als Vollstrecker der in Würzburg verhängten Reichsacht und als designirter Landesherzog ein zwiefaches Recht zu haben vermeinte, Heinrich und Jeden, der dem Geächteten Beistand leiste, aus seinem Erbe zu vertreiben. Die Veste Lüneburg, der Sitz der alten Billungen, wurde erobert, die wichtigen Handelsstädte Bardewik und Bremen mußten ihm die Thore öffnen, die ganze westliche Hälfte der Provinz seiner Oberhoheit sich unterwerfen. Selbst die Nord-Elbländer, die Lothar dem Grafen Adolf anvertraut, der nun zu Herzog Heinrich und Richenza hielt, wurden bedrängt, und als Adolf, zu schwach gegen Albrecht's Uebermacht, aus dem Lande wich, setzte dieser den Grafen Heinrich von Badewid zum Statthalter ein. Auch Sigeberg, die Schutzwehr gegen die Slaven und die christliche Pflanzschule für die heidnischen Nachbarn, fiel in seine Hände, da der von Lothar gesetzte Vertheidiger Hermann nicht mehr am Leben war und die kleine Besatzung jetzt leicht verjagt wurde 1).

 

1) Von diesem Kriege Albrecht's und Heinrich's in Sachsen weiß nur Helm. I, cap. 54, doch hierüber gewiß eine zuverlässige Quelle: Conradus Rex - Adalbertum in Ducatu firmare nisus est, injustum esse perhibens quemquam Principem duos tenere ducatus. Nam Henricus duplicem sibi vendicabat principatum Bavariae atque Saxoniae (das waren etwa die Gründe, die man zu Würzburg, und später zu Goslar gegen Heinrich geltend machte). Bellabant ergo hi duo Principes duarum sororum sibi intestinis praeliis et commota est universa Saxonia. Et quidem Adalbertus praeripiens castrum Luneburg cum civitatibus Bardewich atque Brema occidentali Saxonia potitus est. Sed et Nord-Albingorum fines partibus ejus appliciti sunt. Quamobrem Comes Adolphus provincia pulsus est, eo quod fidem juratam Imperatrici Richenze et genero ejus temerare noluisset. Comitiam ejus, urbes et servitia Henricus de Badwide beneficio Adalberti assecutus est. Sed et castrum Sigeberg in custodiam accepit, mortuo scilicet Hermanno et caeteris exturbatis, quos Caesar (Lotharius) imposuerat. Daß Heinrich von Badwide später von Gertrud und Heinrich dem Löwen mit Ratzeburg belehnt und Stammvater dieses Geschlechtes wurde, s. bei Ann. von Lübek lib. IV, cap. 7.

 

 

____

456 Siebenter Abschnitt.

 

Bis zum Ausgange des Jahres 1138 währte dieser Krieg Albrecht's gegen Heinrich, Richenza und Beider Vasallen, während dessen die übrigen sächsischen Fürsten, wenn auch schon insgeheim für Heinrich sich rüstend, doch äußerlich eine Neutralität beobachteten. Die glücklichen Fortschritte Albrecht's hoben wieder die Lage Konrad's, zumal da unterdeß sein Bruder oder, wie Otto von Freisingen rühmt, Dieses Sohn, der junge Friedrich, nachmals als Kaiser den Namen der Hohenstaufen verherrlichend, den Herzog Konrad von Zäringen gänzlich überwunden, ihm nach kurzem Kampfe Freiburg, Zürich, die Veste Zäringen, den Breisgau, viele burgundische Besitzungen abgenommen und ihn zur Unterwerfung an Konrad gezwungen hatte 1). Das Weihnachtsfest in Goslar zu feiern und dort die Angelegenheit des Landes mit den Fürsten zu berathen, war nur unter Albrecht's Schutz möglich. Gelang es diesmal dem Könige, die Nation sich zu befreunden, so blieb Heinrich wenig Hoffnung, die Verluste des letzten Feldzuges in Sachsen wieder zu ersetzen und sich als Landesherzog zu behaupten. Doch gerade der Umstand, daß der König dem Markgrafen verpflichtet war die Würde des geächteten und entsetzten Herzogs zu übertragen, wurde ein Anlaß, daß die bisher unthätigen oder muthlosen Großen gegen Konrad und Albrecht in offnem Unwillen ausbrachen und Heinrich die Hand boten, daß er wider seine Verdränger vom Throne und vom Herzogthume kräftiger ankämpfen konnte als ihm bisher möglich gewesen. Konrad kannte das Misliche wol, das in seinem Verhältniß zu den sächsischen Großen lag. Er hatte diese zur Weihnachtsfeier insgesammt zu sich geladen und eine Nationalversammlung angekündigt. Daß Heinrich und Richenza nicht erscheinen würden, war vorauszusehen; daß aber Viele als eifrige Vertheidiger Jener und heftig gegen

 

1) Otto Fris. de gest. Frid. lib. I, cap. 26: Post haec Conrado Duci bellum indicit (Friedrich der jüngere, Barbarossa) captoque Alemaniae oppido Turego praesidia ibidem posuit. Dehinc junctis sibi etiam quibusdam de Bojoaria nobilibus (etwa abtrünnige Vasallen Heinrich's) praefati Ducis terram cum magna manu militum introivit atque ad ultima pene Alemaniae procedens ad Zaringen usque ejusdem Ducis castrum pervenit, nullo sibi obviante vel resistere valente. Non multo post etiam arcem ipsius quandam, quae cunctis adhuc cernentibus inexpugnabilis esse videtur, cepit et expugnavit ac contra multorum opinionem fortissimum et ditissimum Ducem tam acriter debellavit, ut ad patrem patruumque suum supplicem eum venire ac pacem petere cogeret. Da andere Nachrichten fehlen, weiß man nicht, wie viel von dem Lobredner Kaiser Friedrich's übertrieben ist. Daß Otto sich nicht verleugnet, sieht Jeder auf den ersten Blick.

 

 

____

457 Fürstenversammlung zu Quedlinburg.

 

Albrecht auftraten, mochte Konrad befremden. Sie nur bei guter Laune zu erhalten, nicht völlig zu erzürnen, hielt er für das Beste, die Hauptlandesangelegenheit ganz fallen zu lassen. Doch darüber entstand vollends erst Unwille und Unzufriedenheit; Einer nach dem Andern entfernte sich vom Hofe, und nach Verlauf eines Monats hatte er in Goslar nichts ausgerichtet, was ihm für Sachsen einen günstigen Erfolg seiner Absichten versprach 1), und Albrecht anerkannt zu sehen, gelang so wenig, daß er nicht einmal öffentlich die Belehnung vollziehen konnte, sondern demselben nur den Titel eines Herzogs von Sachsen sich beizulegen gestattete 2).

 

Bei der so unverholen kundgegebenen Stimmung in Sachsen hielt es Konrad für bedenklich, die Provinz zu verlassen. Schon mitten im Winter, und fast unter seinen Augen, rüsteten sich viele Fürsten; ein blutiger Kampf war vorauszusehen; leicht konnte dieser seinem Verbündeten Albrecht und ihm selber die kaum gewonnenen Früchte der Anstrengungen Beider entreißen. Noch eine Fürstenversammlung sagte er zu Quedlinburg an. Alle versprachen zu erscheinen, auch Die, welche in Goslar ganz ausgeblieben oder nach wenig Tagen unwillig abgezogen waren. Aber fast lag ein Spott in ihrer Zusage, denn wol erschienen sie, aber mit kriegerischem Gefolge, und hielten sich, namentlich Erzbischof Konrad von Magdeburg, feindlich oder mistrauisch in einiger Entfernung von Quedlinburg, sodaß der König nach der Feier von Maria Reinigung die Stadt verließ, im höchsten Zorne drohend, er werde im nächsten Sommer mit der ganzen Reichsmacht wiederkehren 3). Er hoffte

 

1) Ann. Saxo, Chronogr. Saxo ad 1139: Conradus Natale Domini Goslariae celebravit, ubi et publicum conventum habuit. Sed nihil de reipublicae utilitate tractatum est. Sicque nonnullis dedignantibus Curia defluxit, illo ibidem per integrum mensem inutiliter degente.

2) Otto Fris. sagt nur: In Palatio Goslariensi ducatus ei (Henrico) abjudicatur. Mon. Weing. und nach ihm Chron. Ursp. in Verbindung mit der spätern Verleihung Baierns an Leopold: At Rex ducatum Saxoniae Alberto Marchioni consobrino ejusdem Ducis - - tradidit. Vergl. Luden X, S. 581-583, Anm. 37. Eine Urkunde, wo beide Fürsten den Herzogtitel sich beilegen, s. bei Grashof Orig. Mulhus. docum. Nro. 2, p. 172.

3) Ann. Saxo a. a. O.: Intrante Februario Rex Quidelingeburch venit, ubi Purificationem S. Mariae peregit, Conradum Magdeburgensem Archiepiscopum ceterosque Principes Saxoniae, qui Goslariae deerant, et illuc venire se spoponderant, expectans. Quibus venientibus et prope ipsum locum hospitantibus ipse subito recessit et expeditionem suam fieri in Saxonium in proxima aestate firmiter jussit.

 

 

____

458 Siebenter Abschnitt.

 

nun wieder in Baiem während Heinrich's Abwesenheit auszurichten, was ihm in Sachsen mislungen war, und rechnete auf den Beistand der Geistlichen und der von Heinrich's Strenge ehemals gezüchtigten Vasallen.

 

Wahrscheinlich nahm der Bischof Heinrich von Regensburg ihn in dieser Stadt, die im Weltlichen zwar dem Herzoge unterthan, jedoch von jeher mehr durch den kirchlichen Einfluß des Diöcesanbischofs beherrscht war, bereitwillig auf. Der König übertrug das Herzogthum Baiern an seinen Stiefbruder, den Markgrafen Leopold von Oestreich, einen tapfern und klugen Fürsten 1). Dieser benutzte auch aufs Geschickteste die Abwesenheit Heinrich's, um in der neuen Herrschaft sich zu befestigen, und da ihm Regensburg die Thore öffnete, wirkte das Beispiel dieser Stadt auf ganz Niederbaiern. Denn bereitwillig zogen, entweder aus Abneigung gegen den frühern Landesherrn oder geschreckt durch des neuen Gebieters und des Königs Drohungen, oder, was wol bei den Meisten der Fall war, von der Hoffnung neuen Gewinnes und erhaltenen Versprechungen gelockt, von allen Seiten die Großen und Vasallen des Landes herbei und boten ihre Kriegsdienste wider Die, welche Widerstand leisten würden 2). Mit dieser und der eigenen Mannschaft brach Leopold nach Oberbaiern auf. Was sich ihm anschloß - und deren Zahl mochte auch hier nicht gering sein, - war willkommen, doch auch an Widerstand fehlte es gewiß nicht, nur hatte, diesen zu bewältigen, der neue Herzog weder Zeit noch Macht genug. Es galt nur sich als Landesherrn zu zeigen und die Menge zur Anerkennung zu bewegen. Zu dem Ende durchzog er die Provinz von einem Ende bis zum andern und hielt an der entgegengesetzten Grenze, am Lech, der Stadt Augsburg gegenüber, also am sichersten Punkte, eine Nationalversammlung, wo er drei Tage zu Gericht saß und mit

 

1) Wenn wir mit Luden angenommen, daß auch König Konrad in Regensburg aufgenommen und dort die Verleihung Baierns an Leopold vollzogen habe, so folgt dies wol aus Dem, was vom Anschluß der Stadt an Leopold berichtet wird. Otto Fris., Chron. VII, cap. 23, Chron. Ursp. und Mon. Weing. sagen nur ziemlich gleichlautend: Conradus Rex Bojoariam ingressus Ducatum Leopoldo juniori Leopoldi Marchionis (der 1136 gestorben) filio, fratri suo ex parte matris tradidit.

2) Otto Fris. a. a. O. ist von den drei vorher genannten Schriftstellern am ausführlichsten: Leopoldus Marchio suscepto a Rege Ducatu Norico omnibus pene Baronibus ad eum pertinentibus amoreque seu terrore ultro ad eum confluentibus, primo metropolim ac sedem Ducatus Ratisponam ditioni suae subdidit.

 

 

____

459 Rüstungen Heinrich's und Albrecht's in Sachsen.

 

Strenge Gehorsam foderte 1). Das war aber auch Alles, was er ausrichtete. Denn schon rüsteten sich die Anhänger und Getreuen des angestammten Herrn unter Führung oder doch unter Mitwirkung Welf's; Leopold mußte eiliger als er gekommen wieder vom Lech bis zur Ostgrenze zurückziehen und mit nicht geringem Verluste die kurze Herrschaft aufgeben, um außer Landes den Titel eines Herzogs von Baiern zu führen, war Alles, was ihm des Königs Gnade, wenn nicht Geheiß, zu gewähren vermochte 2). Heinrich brauchte nur nach Baiern zu kommen, um die wankelmüthigen, abtrünnigen Vasallen zur gewohnten Pflicht, zum Gehorsam gegen ihn zurückzubringen. Doch in Sachsen gab es noch Gefahren für ihn, die er mit seiner ganzen geistigen Kraft zu beseitigen streben mußte.

 

Wie sein Gegner Konrad ihm in Betreff der sächsischen Fürsten in die Hand gearbeitet, haben wir gesehen. Die Ernennung Albrecht's zum Herzog, die nutzlosen Berathungen zu Goslar, deren versteckte Absicht Jenen wol nicht entging und darum mit Unwillen erfüllte, das drohende Zornwort, womit Konrad III. von Quedlinburg und aus der Provinz schied, dazu die gesetzwidrigen Gewaltschritte in Baiern bewirkten, daß die bisher unthätigen Zuschauer des Kampfes zwischen zwei Verwandten, deren einer als Gemahl der Erbtochter Kaiser Lothar's das Herzogthum Sachsen erhalten hatte, und der andere wegen Ansprüche von seinem Großvater her von König Konrad zum Landesherrn ernannt worden war 3), sich in thätige Helfer für erstern verwandelte 4). Große Rüstungen fanden in ganz Sachsen,

 

1) Otto Fris. a. a. O: Collecto milite copioso totam Bojoariam pertransiens in ipso ejus termino juxta Licum fluvium contra urbem Augustensem negotia terrae per triduum tractans strenui judicis officium exercuit.

2) Anfangs fast wie bei Otto Fris., doch zum Schlusse ganz anders lautet der Bericht über Das, was Leopold in Baiern ausgerichtet, bei Mon. Weing. und Chron. Ursp., a. a. O.: Post collecto milite superiores partes Bavariae usque ad Licum pertransiens amissis aliquot de suis festinanter revertitur. Ein Vergleich dieser Stelle mit der bei Otto bietet den besten Maßstab für des Letztern historische Treue.

3) Ann. Saxo ad 1139 drückt dies so aus: Ita crescente odio propinquorum Heinrici et Adalberti, quorum unus Dux in Bavaria pro desponsatione filiae Lotharii Imperatoris etiam Saxoniae ab eo Ducatum acceperat alter eum avito beneficii jure vendicans apud Conradum Regem obtinuerat.

4) Weil jetzt erst die sächsischen Fürsten Theil nehmen, setzt Ann. Saxo erst in diese Zeit Heinrich's Ankunft: Eo tempore Dux Bavariae Henricus latenter Saxoniam introivit et obnitentes Regi in suum contubernium ascivit. Offenbar hat der Kampf zwischen den beiden Verwandten schon 1138 begonnen, und ist Luden's Ansicht, daß der König bei der Nachricht von Heinrich's Ankunft Quedlinburg verlassen habe, zurückzuweisen.

 

 

____

460 Siebenter Abschnitt.

 

auf beiden Seiten statt, doch zeigte sich nun, wo die Mehrzahl der Anhänger war. Heinrich's Heer übertraf an Stärke Albrecht's bei weitem, und in sehr kurzer Zeit gingen des Letztern Eroberungen verloren, ja er ward bald in seinen eigenen Erblanden bedrängt, eine Stadt, eine Burg fiel nach der andern, und endlich blieb dem Titularherzoge keine Zuflucht als der Hof des Königs 1). Auch Albrecht's Freunde und Vasallen wurden überall, wo sie als Herrn an Stelle der frühern eingesetzt waren, wieder vertrieben und den frühern Statthaltern und Befehlshabern ihre Länder, Städte und Burgen zurückgestellt. So mußte es besonders Bernhard von Plotzk schwer entgelten, daß er dem Markgrafen angehangen. Gleich bei Beginn des Feldzuges lagerten sich um seine Burg Herzog Heinrich, Erzbischof Konrad, Graf Rudolf von Stade, Pfalzgraf Friedrich von Sommerschenburg und die übrigen Verbündeten vor Plotzk an der Mulde, eroberten und zerstörten die Veste gänzlich 2). Die Furcht vor einem ähnlichen Schicksal bewog viele Vasallen und Verbündete, sich freiwillig den Siegern zu ergeben. Einer kurzen Herrschaft hatte sich Heinrich von Badewid in Holstein zu erfreuen gehabt. Höchst nachtheilig war auf dieses deutsche Grenzland der Wechsel der Statthalter, sowie der ganze Krieg der sächsischen Fürsten untereinander gewesen, da Pribislav sogleich die Gelegenheit benutzte und von Lübek aus mit seinen räuberischen Horden bis unter die Mauern von Sigberg brennend und verheerend vordrang. In Flammen ging der kaum vollendete Bau des Klosters, das am Fuße der Bergveste lag, auf 3), und bald lag der ganze Gau Faldern verwüstet da.

 

1) Ann. Saxo a. a. O.: Henricus militari copia praevalens Adelberto civitates ejus et castella expugnans delevit. Mon. Weing. p. 789: Henricus Dux Saxoniam ingressus, cum casum et miserias suas fidelibus et amicis suis exponeret ad rebellandum eos Imperatori et Alberto excitavit. Inde in brevi eundem Albertum auxilio eorum nec non et suorum, qui de Bavaria et Suevia eum insecuti sub specie peregrinationis terram intraverant, adeo humilivit, ut castris ejus dirutis, terris circumquaque vastatis Regem auxilii gratia ire compellerent. Letzteres gesteht auch Otto Fris. Chron. VII, cap. 25 fast mit den gleichen Worten. Alb. Stad. ad 1139: Henricus Dux auxilio socrus suae Rikenze Imperatricis castrum Luneburg obsedit cum Rudolfo Comite et cepit et Ducatum obtinuit et nepotem suum Albertum Saxonia deturbavit.

2) Ann. Saxo a. a. O.: Post Pascha Conradus Archiepiscopus cum Duce Henrico et aliis Principibus Plotzeken castrum Bernhardi Comitis eo quod fautor esset Marchionis obsedit, cepit, destruxit.

3) Helm. I, 55: His ergo turbulentiis per Saxoniam usquequaque concitatis Pribizlaus de Lubeke occasionem nactus assumpta latronum manu suburbium Sigeberg et omnia circumjacentia, in quibus Saxonum erant contubernia, penitus demolitus est. Ibi oratorium novum et Monasterii recens structura igne consumpta sunt.

 

 

____

461 Kampf zwischen Heinrich und Albrecht.

 

Zahllose Menschen wurden getödtet, Dörfer und Flecken in Asche gelegt und alle Banden, die bisher die Wuth der Slaven gefesselt, gelöst 1). Zwar war auch Heinrich von Badewid als ein tapferer thatiger Mann, der nur einer bessern Sache hätte dienen sollen, . mit einem Heere, das er schnell und unvermerkt zusammengezogen, noch im Winter 1138 in die slavischen Grenzländer gefallen, Alles, was seinen Holsteinern und Stormarn aufstieß, vernichtet, und der ganze Landstrich von Ploen, Luchtenburg, Aldenburg bis zur Trave und dem baltischen Meere verheert worden. Dadurch hatte aber kein bleibender Gewinn errungen werden können, da nur das flache Land unter Schwert, Brand und Plünderung erlegen, die Städte, die allein den Besitz des Landes sicherten, seinem Ungestüm trotzten, und sie ernstlich zu belagern die Jahreszeit nicht erlaubte 2). Als nun im Jahre 1139 der neue Kampf zwischen Heinrich und Albrecht den Grafen zum Beistande des Letztern abrief, war Holstein ohne Schirmherr und verdankte es nur der Tapferkeit seiner Bewohner, daß die Slaven keinen Vortheil errangen, doch war von nun an fast ununterbrochener Krieg zwischen beiden Völkern, die mit Mord, Brand und allen Kriegsübeln wechselseitig sich heimsuchten. Die Erbitterung, welche zwischen Heinrich von Badewid und Adolf von Holstein herrschte, steigerte noch die Greuel. Als Albrecht vor den Waffen seines mächtigen Gegners aus Sachsen entwichen war, erkannte auch sein Statthalter in Holstein, daß er Adolf nicht länger widerstehen könne; um sich aber für den Wechsel des Kriegsglückes zu rächen, zündete er selbst die Vestungen Sigeberg und Hamburg an und vernichtete so, was einst Graf Adolf der Aeltere und Kaiser Lothar zum Schutze Deutschlands wider die Slaven erbaut hatten 3).

 

1) Helm. I, 56 weitläufig darüber.

2) Helm. I, 56: Henricus, qui Cometiam administrabat, vir otii impatiens et strenuus in armis, congregato latenter de Holzatis et Sturmariis exercitu hyemali tempore intravit Slaviam aggressusque eos, qui prae manibus erant et quasi sudes defixae in oculis Saxonum percussit eos plaga magna omnem scilicet terram Plunensem, Luthilenburgensem, Aldenburgensem omnemque regionem, quae inchoata rivo Sualen et clauditur mari Baltico et flumine Trabena. Omnem hanc terram una incursione praeda et incendio vastaverunt, praeter urbes, quae vallis et seris munitae obsidionis propensius studium perquirebant. Selbst nach Entfernung Heinrich's erobern die Holsteiner Ploen.

3) Helm. a. a. O., und danach Alb. Stad. ad 1139: Postquam Heinricus gener Lotharii auxilio socrus Rikenze Imperatricis ducatum obtinuit et nepotem Adalbertum Saxonia deturbavit, Adolfus Comes rediit in Cometiam suam. Videns autem Henricus de Badewid, quia subsistere non posset, succendit castrum Sigeberg arcemque firmissimam Hammenburg, quam Comitis Adolfi mater murato opere construxerat, ut esset firmamentum urbi contra impetus barbarorum. Hanc ergo domum et quidquid nobile senior Adolfus construxerat, Henricus fugam meditans demolitus est.

 

 

____

462 Siebenter Abschnitt.

 

Herzog Heinrich allein an der Spitze der vereinten und siegreichen Sachsen erschien schon ein mächtiger Gegner, ihm waren aber auch seine südlichen Länder keineswegs verloren. Denn nicht nur machte sein Bruder Welf dem neuernannten Herzoge von Baien jede Gewalt im Lande streitig, sondern um ihrem angestammten Herzoge einen Beweis von Treue und Diensteifer zu geben, hatten sich viele baierischen und schwäbischen Vasallen nach Sachsen begeben und dort die Stärke und den Muth von Heinrich's Partei gehoben. Aber nur in Pilgertracht konnten sie den Weg zu ihrem Herrn machen 1), weil Niederbaiern, zumal das Erzbisthum Regensburg, Franken und auch Thüringen der königlichen Partei anhingen. In Letztgenanntem stand noch der verständige und tapfere Landgraf Ludwig an der Spitze der vielen Grafen und Herrn, die er an seine Oberhoheit durch kluge Maßregeln gewöhnt hatte. Nicht sowol Abneigung gegen Heinrich, den Eidam Lothar's, seines Wohlthäters und Gönners, als die zu seiner Selbständigkeit nothwendige Politik bewogen den Landgrafen, auf König Konrad's Seite zutreten. Denn zwischen Sachsen und Baiern gelegen hätte Thüringen einem Gebieter in beiden Herzogthümern unfehlbar unterwürfig bleiben müssen, wenn nicht von Außen her eine Stütze ihm geboten wurde, um gegen den Uebermächtigen seine Unabhängigkeit zu behaupten. Wie sehr willkommen aber gerade der Anschluß Thüringens dem Könige Konrad sein mußte, leuchtet ein. Dieser unterließ denn auch nichts, wodurch er den Landgrafen an sich fesseln konnte. Seines Bruders Friedrich Tochter, Judith, versprach er dem Sohne desselben 2), einem kühnen

 

1) Mon. Weing. a. a. O.: Sub specie peregrinationis terram (Saxoniam) intraverant.

2) Fälschlich machen viele Chronisten diese Judith oder Claritia zu einer Tochter Konrad's III. Otto Fris. de gest. Frid. I. lib. I, cap. 21 nennt unter Friedrich's von Schwaben Kinder zweiter Ehe ausdrücklich: Claritiam, Ludovici Thuringiae comitis uxorem, und Chron. Ursp. (alte Ausgabe von 1537, p. CCXCVI) von Herzog Friedrich's zweiter Gemahlin Agnes: ex qua genuit Conradum - - et filiam quandam, quam duxit in uxorem Landgravius de Thuringia. Judith wie Ludwig waren noch sehr jung, doch frühe Verlöbnisse, oft in der Wiege, waren damals sehr gewöhnlich. Wie sich Konrad III. des jungen Ludwig annahm, als dessen Vater schon im folgenden Jahre, 1140, starb, berichten Chron. Sampetr. ad 1140: Ludovigus filius Ludovici Comitis provincialis clementia Regis ac Principum Thuringiae adeptus est Principatum, und ähnlich die thüringischen Chroniken. Daß der junge Landgraf lange am Hofe Konrad's lebte, darauf weist noch die Erzählung vom Schmidt in der Ruhl hin.

 

 

____

463 Heinrich dringt in Thüringen vor.

 

Jünglinge, der nachmals wegen seines festen, männlichen Charakters den Namen des Eisernen erwarb, zur Ehe zu geben, und Ludwig selber zog er als Rath und Freund an seinen Hof.

 

Wie dem Könige Konrad lag aber auch ebenso sehr dem Herzoge Heinrich an Thüringen, schon damit von Baiern nach Sachsen ihm ein freier Durchzug bleibe, den Franken und das Bisthum Würzburg ihm verwehrten. Nur unter Verkleidung und Gefahren war er selber und dann seine Getreuen aus dem südlichen Herzogthum in das nördliche gelangt. Von Ludwig erschien es ihm überdies als Undank, daß er die Wohlthaten Lothar's, welche Befestigung der von diesem gegründeten welfischen Macht, nicht Schwächung und Lähmung derselben bezweckt hatten, an ihm, dem Tochtermanne des Kaisers, so übel vergelte. Darum beschloß er nach vollendeter Unterwerfung Sachsens Thüringen mit Waffengewalt zum Anschluß zu zwingen 1).

 

Mit zahlreichem Heere brachen der Herzog und seine Verbündeten (um Mitte August) in Thüringen ein und durchzogen es ohne Widerstand zu finden, bis Kreuzburg. Aber auch der König war unterdeß nicht müßig und hatte Alles aufgeboten, um seine Drohung, mit der er von Quedlinburg schied, zu erfüllen. Alle Anhänger wurden dringend zu einer Heerfahrt gegen den Reichsrebellen aufgeboten. Natürlich waren es wieder vornehmlich die rheinischen Bischöfe, Albero von Trier, Adalbert von Mainz, Siegfried von Speier, Bernhard von Worms, Embricho von Würzburg, die Aebte Heinrich und Konrad von Hirschfeld und Fulda, und aus Sachsen der einzige Bischof Udo von Zeiz, der, ein Bruder Ludwig's

 

1) Die Chronisten stellen die Sache dar, als wenn Heinrich gegen Konrad nach Thüringen gezogen wäre. Helm. I, cap. 56: Henricus coepit armari adversus Conradum Regem duxitque contra eum exercitum in Thuringiam ad locum, qui dicitur Cruciburg. Ann. Saxo und Chronogr. Saxo: Appropinquante festo Assumptioins S. Mariae Conradus Archiepiscopus cum Henrico Duce et praedictis Principibus apud Cruzeburg contra Regem convenit. Wenn jedoch der König auch hier mit Heinrich zusammentraf, so war Thüringen immer die Beute des Siegers, und da Heinrich dies zu werden hoffte, wollte er zwei Absichten zugleich erreichen, ja zugleich auch den Weg nach Baiern sich bahnen.

 

 

____

464 Siebenter Abschnitt.

 

von Thüringen, mit diesem die gleiche Politik beobachtete 1). Ob Ludwig sich früher schon zum Könige begeben und dadurch Heinrich zum Einfall in Thüringen Veranlassung geboten hatte, oder ob er vor dem übermächtigen Sachsenheer gleich Albrecht flüchtig geworden war, ist nicht erweislich; daß beide Fürsten dem Könige keine große Unterstützung gewähren konnten, vielmehr dessen Beistand suchten, bezeugt ihre Lage. Auf wessen kräftige Hülfe hatte aber Konrad überhaupt zu rechnen? - Zwei ihm nahestehende Fürsten werden in seinem Gefolge genannt, der eine sein Stiefbruder Leopold von Oesterreich, der andere Herzog Sobislav von Böhmen 2), dessen Sohne er im vorigen Jahre seine Stiefschwester verlobt hatte. Beide Fürsten trieb der eigene Vortheil zu kräftiger Unterstützung des Königs, da Leopold seiner neuen Würde nicht froh wurde, so lang Heinrich übermächtig blieb, die Böhmen aber der Sachsen Haß zu fürchten hatten, den bisher nur Lothar's Weisheit gezähmt und dadurch einem verderblichen Bürgerkriege gewehrt hatte. Von Sachsen und Baiern zugleich bedroht, fand Sobislav nur an den Hohenstaufen willkommene Verbündete, die ebenso seiner gegen den gemeinsamen Feind bedurften.

 

Der König hatte Anfangs, ebenso sehr vom eigenen Hasse als von Albrecht's Dringen bestimmt, in Sachsen einzufallen beschlossen 3), doch da ihm Heinrich mit seinen Rüstungen zuvorgekommen und in Thüringen siegreich vorgedrungen war, so wurde er nun von Ludwig und Leopold überredet, sich nach Thüringen zu wenden, ehe diese Provinz ganz verloren gehe und Heinrich in offener Verbindung seiner zwei Herzogthümer nach Baiern zurückkehre, dessen Wiedereroberung

 

1) Chron. Citiz. von Lang, p. 785 und Chron. Numburg. bei Mencken II, p. 20: Udo Ludovici Saltatoris Duringiae Comitis secundi filius - - Richwino defuncto canonice Anno MCXXVI in pontificatu Numburgensis (Citicensis) Ecclesiae successit, annis XXII laudabiliter praesidens, Lothario et post eum Conrado III. admodum fuit et carus et acceptus.

2) Alb. Stad. ad 1139: Conradus Rex Saxoniam petiit, habens in comitatu suo Ducem Boëmiae. Anonymi Chron. Boh. ad 1139: Conradus Saxones sibi resistentes cum potentia exercitus Sobislai ditioni suae subjecit, was nach böhmischer Schriftsteller Weise wieder die größte Unwahrheit enthält. Die andern im Text genannten Fürsten und Prälaten, zu erstem auch Gebhardus Comes Sulzae, stehen als Zeugen in einer Urkunde datum in loco Hersfeldensi in expeditione, quam habuit Rex adversus Saxones bei Grashof Orig. Mulhus, im Urkundenanhang Nr. 2, p. 172. Vergl. Mascov. comm. p. 124.

3) Ann. Saxo und Chronogr. Saxo: Qui Saxoniam hostiliter intrare ac devastare summis viribus conabatur. S. auch Alb. Stad. a. a. O.

 

 

____

465 Beseitigung des Reichszwiespalts.

 

ihm dann ein Leichtes gewesen, eine völlig concentrirte Macht aufzustellen und die drei Hauptverbündeten des Königs von Thüringen, Böhmen und Oestreich abzuschneiden gelungen wäre. Dies zu verhindern, mußte Konrad seinen Zug weiter südlich durch Hessen nehmen. Zu der Zeit, als Heinrich bis Kreuzburg an der Werra vorgedrungen war 1), traf das königliche Heer bei Hersfeld an der Fulda ein, und nur eine geringe Strecke Landes trennte noch beide Gegner. Die Kampfeslust der Führer wie der Soldaten, das Verlangen Vieler, ihr und ihres Landes Geschick sobald als möglich entschieden zu sehen, schien ein Treffen unvermeidlich zu machen. Doch eben weil zu Vieles, ja die Krone selbst auf dem Spiel stand, so hielten besonnenere Männer im Gefolge des Königs die Gefahr für allzugroß und suchten noch einmal durch einen Vergleich den Reichszwiespalt abzuwenden.

 

Albero von Trier, der nicht nur bei Konrad's Erhebung den größten Eifer bewiesen und Alles daran gesetzt hatte, die Anerkennung desselben gegen die Anhänger Heinrich's, ja gegen den natürlichen Lauf der Verhältnisse zu erreichen, sondern auch zu diesem so entscheidenden Feldzuge mit einem zahlreichen Heere und allem zu einem Kriegszuge nöthigen Bedarf herbeigezogen war 2), bestand vornehmlich auf einer friedlichen Beilegung, so sehr ihm auch der Erzbischof von Mainz, an dem schon die eigensüchtigen Absichten, ja

 

1) Gesta Arch. Trev. bei Mart. und Durand. IV, p. 200: Postea cum Saxones cum Duce Henrico Lotharii Regis genero diem et locum Conrado Regi Hersfelden praescripserunt, ut belli discrimine decernerent, utrum juste regnare incepit nec ne? Das scheinen die Gegner dem Könige gemeldet zu haben. Alb. Stad. ad 1139: Contra quem (Regem) Saxones strenue venientes circa Hamburg (wofür Cruceburg zu lesen) castra posuerunt Henrico Duce auctore. Chron. Sampetr. und fast wörtlich so Cont. Peg. ad 1139: Saxones propriam transgressi limitem in partibus Thuringiae super flumen Wirra castra metati sunt paribus atque ardentibus animis in utrumque parati aut fortiter vincere aut non inulte mori. Quorum Rex audaciam veritus sanguine judicium facere noluit, sed concilio cum Primatibus regni habito dextras dedit, accepit etc.

2) Gesta Arch. Trev. a. a. O.: Domnus Archiepiscopus (Albero) se venturum cum XX militibus cum promissiset (wollte er den König überraschen oder ihn zu größerer Ausrüstung eigener Mannschaft drängen, oder Adalbert von Mainz, der auf die Schwäche des königlichen Heeres seinen Plan baute, täuschen und zugleich überflügeln?) quingentos adduxit milites et XXX carratas vini et immensam victualium copiam secum adduxit. Schwerlich brachte er diese schon zu dem später angegebenen Gebrauch, sondern zum Bedarf für sich und das Heer Konrad's mit.

II. 30

 

 

____

466 Siebenter Abschnitt.

 

seine sehr zweideutige Stellung zwischen beiden Parteien unverkennbar hervorblickte, entgegenarbeitete und das unheilschwangere Gewitter, das über dem Reiche sich zusammenzog, zum Ausbruch zu drängen suchte 1). Albero hatte nicht nur für den König, sondern auch für sich das Schlimmste zu befürchten, wenn Heinrich den Sieg in der Schlacht davontrüge. Mit großer Mühe war Konrad's Heer zusammengebracht, nicht ein zweites war dem Sieger entgegenzustellen, der einen vernichtenden Schlag zu führen gedachte, nach demselben unaufhaltsam bis zum Rheine vorgedrungen, von dem treulosen Adalbert von Mainz leicht zum Könige ausgerufen und viel schneller und freudiger als der in seiner Schwäche geringgeachtete Konrad von den meisten Fürsten anerkannt worden wäre Er aber, der der Urheber von Konrad's Usurpation des Thrones gewesen war, mußte den Zorn Heinrich's vornehmlich fürchten, und da er damals auch bei Papst Innocenz durch Feinde und Neider in der frühern Gunst und Gnade gesunken 2), so stand ihm der schlimmste Wechsel seiner bisherigen Größe bevor. Denn Niemand vermochte, Niemand wollte ihn schützen als er sich selbst. Diese Besorgnisse für sein eigenes Glück hatten unfehlbar an seinem Friedenseifer den größten Antheil, aber ohne dieselben wäre auch der Thron Konrad's nicht aufrecht erhalten, die Herrschaft der Hohenstaufen nicht fest begründet, das künftige Geschick Deutschlands nicht auf immer den leitenden Händen der Welfen entrissen werden.

 

Alle Künste der Ueberredung, der Schmeichelei, und was nur den entbrannten – und vornehmlich gegen ihn gerichteten – Zorn

 

1) Gesta Arch. Trev. a. a. O.: Albertus junior, tunc Moguntinus Episcopus omnimodis laborabat ut ad majorem discordiam malum hoc excresceret.

2) Wol nicht erst wegen der Abtwahl zu St. Maximin und über einen Propst in Coblenz, den Albero eingesetzt, konnte Letztern eine Ungunst treffen, wie sie die Gest. Arch. Trev. a. o. O. schildern. Es heißt hier: Admiratae sunt turbae de tam subita rerum mutatione, quod Romana Ecclesia tantum talemque virum tam graviter molestavit, qui tot labores totque pericula pro ipso sustinuerat et qui tam nuper in tanta gratia Apostolicae sedis exstiterat. Wenn man bedenkt, daß Albero's Größe und sein Verfahren ihm nicht blos offene Feinde, sondern ihm ebenso gefährliche geheime Neider und Verleumder zuzogen, so darf man über des Papstes geänderte Gesinnung, eine Folge der geheimen Machinationen gegen Albero, sich nicht mehr wundern. Es mußte aber einem so gewandten, geistig überlegenen und beredten Manne auch gelingen, durch sein persönliches Erscheinen in Rom alle die Ränke und Kabalen zu vernichten und Innocenz's Gunst aufs Neue zu erwerben, wie es ihm denn auch (nach Gest. Arch. Trev.) gelang.

 

 

____

467 Waffenstillstand.

 

der Gegner beschwichtigen, ihre Sinne berauschen konnte, bot Albero auf. Letzteres gelang ihm im wahrsten Sinne des Wortes, und dadurch alles Andere. Er ließ von den 30 Fudern Wein und den Lebensmitteln, die er mitgebracht hatte, allen Fürsten, besonders aber den sächsischen, reichlich spenden, wohl wissend, daß die Kraft des Weines und leiblicher Genuß die Geister überwinde und Dem, der den Genuß bereitet, gefälliger und befreundeter mache 1). Wie viel an der Sache auch sein mag, genug, es gelang den jetzigen Unterhändlern, hier Das gut zu machen, was Die bei Augsburg verschuldet hatten. Ein Waffenstillstand, wenn auch nicht ein völliger Friede, wurde von beiden Seiten beschworen und zugleich den sächsischen Fürsten auf Mariä Reinigung des folgenden Jahres (2. Febr.) ein Tag zu Worms bestimmt, wo der Streit zwischen Albrecht und Heinrich entschieden werden sollte. Nach diesem Vertrage kehrte der König nach dem Rhein, der Herzog Heinrich nach Sachsen und so Jeder nach seiner Heimat zurück 2).

 

Daß hiemit der Kampf noch keineswegs beendet, sondern nur hinausgeschoben war, fühlte Jeder. Auch war wol über den Vertrag, den die Furcht vor dem verhängnißvollen Kampfe nicht weniger

 

1) Gest. Arch. Trev.: Domnus Albero dei adjutorio elaboravit, quod in pace divisi abinvicem sunt, cum tamen multa millia magno odio ad pugnandum convenissent. Ipse vero Archiepiscopus Albero omnibus in pace compositis singulis Principibus singulas misit vini carratas et maxime Saxonibus. Et notanda est in hac re subtilitas ingenii in domino Alberone. Perpendit enim plus conferre ad victoriam atque ad animos accendendos vini copiam et aliorum victualium quam multa millia virorum famelicorum. Wäre die Sache auch nur eine Anekdote, so charakterisirt sie doch ganz den schlauen, gewandten Albero.

2) Chron. Saxo a. a. O.: Ibi facta per internuntios conventione pax firmata est usque ad condictum tempus. Ann. Saxo legt den Geistlichen insgesammt das Verdienst bei: Sed Episcopi, qui perplures illo cum Rege convenerant, pugnaturis impedimento fuerunt; factaque compositione inter utramque partem usque ad condictum tempus singuli cum pace redierunt. Alb. Stad. ad 1139: Bello itaque per inducias protracto Rex proposito Principibus Saxoniae Placito Wormatiae in Purificatione S. Mariae (Chron. Sampetr. und Cont. Pegav. ad 1139 sagen usque ad proximam Pentecosten, wo jedoch schon die zweite Einberufung nach Frankfurt stattfand; beide auch nach Heinrich's Tode vergeblich) revertitur. Sed et Dux rediit Saxoniam. Für des Königs früheren und späteren Aufenthalt am Rhein im Jahre 1139 gibt Böhmer in s. Regesta p. 114 und 115 mehre Belege. - Ueber die Verleihung St. Maximins an Albero und den daraus entsprungenen heftigen Kampf s. die Gesta Arch. Trev., auch Otto Fris. de gest. Frid. lib. I, cap. 29 und eine Urkunde Konrad's III. bei Tolner hist. Palat. Probat. Nr. 52.

30*

 

 

____

468 Siebenter Abschnitt.

 

als priesterliche Künste herbeigeführt hatten, Niemand froh außer - Albero von Trier, der nun nicht blos von seinem Haupte eine große Gefahr abgewendet, sondern endlich sich in einem jahrelang gehegten Wunsche, dem Besitz der Reichsabtei St. Maximin, die der König ihm zum Lohne abtrat, befriedigt sah.

 

Am wenigsten zufrieden mit dem geschlossenen Waffenstillstand mußte Herzog Heinrich sein, der abermals die Hoffnung, welche die letzten Ereignisse, sein steigendes Glück, des Gegners sinkendes Ansehen, hervorgerufen hatten, schwinden sah: daß ihm, dem alleinigen Retter aus dem verderblichen Reichsschisma, die Königskrone angetragen werde. Wol mag er einer trüben Stimmung, einem düstern Unmuthe über die priesterlichen Künste Albero's, die Konrad vom Abgrunde retteten, ihn, den des Sieges Gewissen, hemmten, seine Verbündeten aus Kampfeslust und Erbitterung zu Versöhnlichkeit und friedlicher Gesinnung gegen den König und gegen den schlauen Ueberlister selbst umstimmten, sich hingegeben haben 1); aber die Thatkraft seines rüstigen Alters - er zählte erst 37 Jahre - war nicht gelähmt. Auch jetzt bot sich ihm in seinen ausgedehnten Ländereien noch vieles zu thun dar. Daß der Tag in Worms nichts entscheiden werde, sah er voraus; darum mußte er zu neuem Kampfe sich gerüstet halten, um so zu vollenden, was er, der allgemeinen Stimmung nachgebend, verschoben hatte. In Sachsen war auch durch den kreuzburger Vergleich der Krieg noch nicht beigelegt. Fast scheint es, Albrecht habe, als der König dem Herzog entgegenzog, sich mit einer kleinen Schar durch Sachsen den Weg bis Bremen gebahnt, den einzigen Punkt, der ihm von seinen früheren Eroberungen geblieben war, weil denselben die Gegner, um den entfernten, nach Rom gepilgerten Erzbischof Albero von Bremen nicht zu kränken und zu beeinträchtigen, bisher verschont hatten. Jetzt aber schien es gefährlich, die wichtige Stadt dem Markgrafen zu lassen, der minder rücksichtsvoll gegen den neutralen Prälaten handelte. Graf Rudolf von Stade und Pfalzgraf Friedrich von Sommerschenburg machten, um die Zeit der Unterhandlungen an der Werra, einen verheerenden Streifzug in das bremische Gebiet und plünderten die reiche Handelsstadt 2).

 

1) Vielleicht war's der Vorbote seines Todes. Ja das Auctuar. Gembl. (Fortsetzung der Chronik des Anselm. Gembl.) ad 1139 nennt diesen Trübsinn die Ursache seines Todes: Henricus Dux - - irremediabili morbo tristitiae pervenit ad extrema vitae.

2) Alb. Stad. ad 1139, nachdem er die Vorfälle bei Kreuzburg erwähnt: Interea Rodolfus Comes et Fridericus Palatinus adunata manu Bremam profecti totam depopulati sunt civitatem, Archiepiscopo Alberone Romam profecto. Für Albrecht's Aufenthalt in Sachsen spricht, daß er gleich nach Heinrich's Tode in Bremen einen Landtag beruft und dort auch erscheint.

 

 

____

469 Heinrich's Tod.

 

Wol um diesen verderblichen Fehden im Lande, die nur Verheerung und keine Entscheidung brachten, ein Ende zu machen, beschlossen die sächsischen Fürsten, eine gemeinsame Berathung zu Quedlinburg (in der zweiten Hälfte des October) zu halten. Auch Heinrich fand sich dazu ein; aber noch ehe dieselbe zu einem Resultate gediehen, starb er plötzlich (am 20. desselben Monats) 1). In der kaiserlichen Gruft zu Lutter, zur Rechten seines Schwiegervaters, ward die Leiche bestattet 2).

 

Das Plötzliche, das Unerwartete dieses Todesfalles, der die ganze Gestalt der Dinge in Deutschland veränderte, mußte auf Freunde und Feinde den tiefsten Eindruck machen. Kein Wunder, daß man damals und noch später von einer unnatürlichen Art seines Todes, von Vergiftung sprach 3). In der That, dem Könige wie dem Herzog Albrecht starb der Herzog sehr gelegen, um der höchsten Bedrängniß, in welcher sie, ja ihre ganze Partei steckte, nicht in Kurzem völlig zu erliegen und dem mächtigsten Fürsten des Reichs den Thron und das Herzogthum Sachsen anheimzustellen. Und wie er sein nördliches Reichslehen mit kräftiger Hand den Gegnern entrissen,

 

1) Den Todestag geben übereinstimmend XIII. Lal. Novembris Alb. Stad. Ann. Saxo, Chronogr. Saxo, Chron. Mont. Ser., das Kalendar. Monast. S, Mariae in Kemnitz.

2) Ann. Saxo ad 1139: Deinde facto colloquio in Quidelinburg Henricus nobilissimus Dux Bavariae atque Saxoniae veneficio ibidem, ut fertur, infectus XIII. Kal. Novembris vitam finivit. Corpus ejus Lutterae ad dextram Lotharii Imperatoris positum est. Dies berichten auch Chron. Ursp. und Mon. Weing.

3) Das ut fertur des Ann. Saxo läßt Chron. Saxo fort, und auch Chron. Mont. Ser. sagt: Henricus - - veneno occisus est. Otto Fris., Mon. Weing., Chron. Ursp. morbo correptus diem clausit extremum. Nach Jahrhunderten einen Verdacht gegen bestimmte Personen auszusprechen, welche die damals lebenden Schriftsteller nicht zu bezeichnen wußten oder wagten, steht dem Geschichtschreiber nicht zu. Auch den Leser möchten wir warnen und mahnen, jeden Gedanken, der ihm dabei kommen sollte, zurückzuweisen, da, je höher Die stehen, auf welche der Verdacht fallen könnte, um so größer das Verbrechen wird, weil den Mächtigen der Erde Thaten, für die der gemeine Verbrecher mit dem Tode büßt, ein Leichtes zu begehen sind, doch darum auch die unerwiesene Anschuldigung derselben leichter Glauben findet. Und dazu darf der Geschichtschreiber am wenigsten Veranlassung geben, der nur über erwiesene Verbrechen auch die Höchsten schonunglos geißeln darf.

 

 

____

470 Siebenter Abschnitt.

 

war auch in Baiern, wohin er eben aufzubrechen gedachte 1) das Gleiche zu befürchten, und dann nicht blos Thüringen und Franken, auch Schwaben, der Rhein und das ganze Reich von ihm bedroht, ohne daß ihn Jemand daran zu hindern vermochte. Die Anhänger des Königs mußten sich eingestehen, daß sie den gefährlichen Mann, der zum Heile des Reiches, zum Ruhme Deutschlands die Krone getragen haben würde, selbst bis aufs Aeußerste gereizt, nachdem er alles Billige dem Schattenkönige Konrad eingeräumt hatte, daß sie ihn, nicht er sie, zu dem Kampfe, der die größere Kraft auf seiner Seite zeigte, herausgefodert, und daß dieser Kampf zu ihrem Verderben ausschlagen, aber die Einheit und Kraft des Reiches herstellen werde.

 

Ein Anderes hatte das Schicksal beschlossen. Konrad III. sollte der Thron verbleiben, den Hohenstaufen eine länger als hundertjährige Herrschaft über Deutschland und über andere Reiche zufallen, eine Herrschaft, welche die meisten von ihnen durch große Herrschergaben, einige durch glänzende Herrschertugenden, keiner ohne rühmliche Herrscherthaten ausgezeichnet haben. Aber nach dem Stande der Dinge - wir sagen es noch einmal - war Deutschland, als Lothar es auf den Gipfel der Größe gehoben, an das von ihm mächtig hingestellte Haus der Welfen gewiesen. Die Geschichte des Reichs in dem nachfolgenden Jahrhundert läßt keinen Unbefangenen es verkennen, wie jenes Erschütterungen, Zerrüttung, Verfall trotz aller Kraft und Herrlichkeit der schwäbischen Kaiser in dem Verstoß gegen die natürliche Foderung, welche an die Fürsten erging, und die durch die Ränke einiger Eigennützigen und Selbstsüchtigen hintangesetzt wurde, ihren vornehmsten Grund haben. Um die Verhältnisse nach Lothar's Tode ganz zu würdigen, mußten wir die Geschichte bis zum Tode Heinrich's, seines von ihm bestimmten Nachfolgers, fortführen.

 

Von den Männern, die einst unter Lothar's Regierung zum Wohl des Reiches mitgewirkt hatten, waren nur Wenige noch am Leben. Im gleichen Jahre mit Heinrich ging auch der fromme und ehrwürdige Otto von Bamberg heim, ein Mann, der ebenso wenig einem Herrscher und einer Partei, als einem Papst und einem hierarchischen Interesse blind ergeben war, sondern dem Reiche und der Kirche überhaupt sein Streben gewidmet hatte. In ähnlicher Weise wie er, doch mehr Staatsmann und weniger uneigennützig, war Abt Wibald

 

1) Chon. Weing. und Chron. Ursp., Otto Fris.: Henricus Dux dum in Saxonia omnibus suis rite dispositis in Bavariam redire disposuisset, morbo correptus diem clausit extremum.

 

 

____

471 Richenza's Tod.

 

noch unter zwei Regierungen ein thätiger Vermittler zwischen Staat und Kirche. Noch viele Jahre verfolgte der Eiferer Vicelin sein Bekehrungswerk, aber für ihn war mit Lothar der Schutz und die feste Wehr gesunken, die der Kaiser durch Sicherstellung des Friedens, durch die auch den Slaven gezeigte Milde und durch die Anlage der Veste und des Klosters Sigeberg gewährt hatte; der wildeste Krieg war in den Gegenden entbrannt, die den Segnungen der christlichen Lehre bestimmt gewesen. Im Jahre 1141 starb auch Lothar's Gemahlin und Reichsgenossin Richenza und ruhte nach den letzten Jahren schweren Kampfes, harter Prüfungen und schmerzlicher Demüthigung lebensmüde an der Seite ihres Gemahls. Rastlos hatte sie auch nach Heinrich's Tode noch in Verbindung mit Gertrud und den getreuen Sachsen ihrem Enkel Heinrich das Herzogthum Sachsen, das Albrecht dem kaum zehnjährigen Knaben zu entreißen suchte, bewahrt. Eine Aussöhnung der hohenstaufischen und welfischen Partei kam aber erst zu Stande, als Gertrud, dem Wunsche des Königs nachgebend, sich mit Heinrich Jasomirgott, dem Bruder und Nachfolger Leopold's von Oestreich, der 1140 in der Blüte der Jahre kinderlos gestorben, vermählte und so mit dem zweiten Gemahl das Herzogthum Baiern theilte, das ihrem ersten Gatten und dessen Sohne abgesprochen war. Noch schwand ihr die Hoffnung nicht ganz, Letzterm auf friedliche Weise das väterliche Erbe zuzuwenden, war doch Sachsen vorerst ihm zugesichert. Es schien, die glänzende Hochzeitfeier zu Frankfurt, die der König auf seine Kosten 14 Tage lang ausrichtete, sollte ein dauerndes Versöhnungsfest der bisher streitenden Parteien werden, doch leider kurz, wie diese Ehe, war stets die Eintracht Beider, und der Kampf zwischen Hohenstaufen und Welfen entbrannte erst in Deutschland, dann in Italien zum Verderben beider Länder. Wenn Deutschland nach Lothar's Hintritt in Zwiespalt und fast in ein Schisma der Herrschaft gerieth, so war die Kirche in soweit glücklicher, als der Tod Anaclet's (25. Januar 1138) das verderbliche Schisma aufhob. Aber weder an kirchlichen, noch an politischen Kämpfen sollte es in Italien fehlen, die dieses Land mehr als jedes andere Reich zerstückelten. Sie hängen mit Deutschland's Geschichte nahe zusammen, dessen neues Kaisergeschlecht mehr dort als in der Heimat den Ruhm seiner Thaten suchte, aber leider dort das Grab seiner Größe fand!

 

____

472

 

 

 

Druck von F. A. Brockhaus in Leipzig.