Albert Fulda 1877: Die Kiffhäusersage

Die Kiffhäusersage.

 

Rede gehalten im Jahre 1877 in der Hauptversammlung des Harzvereins von Dr. Albert Fulda, weil. Gymnasialdirektor in Sangerhausen.

Nach dem von dem Verfasser hinterlassenen Manuskripte mit einer Karte und Anmerkungen herausgegeben von Dr. Julius Schmidt und E. Gnau.

Zum Besten der Fuldastiftung.

Sangerhausen und Leipzig. Verlag von Bernhard Franke.

 

 

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Vorwort.

 

Den Bitten um Veröffentlichung des folgenden Vortrages ist Herr Direktor Fulda deshalb s. Z. nicht nachgekommen, weil er die Sache noch nicht für spruchreif hielt. Gleichwohl wird, nachdem der Verfasser selber heimgegangen ist, das Manuskript vielseitigen Bitten zufolge dem Druck übergeben. Es hat freilich seit jener Zeit an neuen Impulsen in der Kiffhäuserforschung nicht gefehlt *), und vielleicht scheint in unserm Vortrage, obwohl

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*) Vgl. Zezschwitz (Lpz. Hinrichs 1877 u. 78), Völter (Ztschr. f. Kirchengesch. v. Brieger 1880), Koch (Progr. Grimma 1880 u. Festschr. f. d. Gymn. z. Zittau 1886), Bossert (Würtemb. Vierteljahrshefte 1882), Häussner (Progr. Bruchsal 1882 u. Virchow-Holtzendorff's Samml. 1884), Hartwig (Westermann's Monatshefte 1883/84), Jastrow (Mag. f. d. Lit. d. In- u. Auslandes 1883 u. Schriften des Berl. Allg. Vereins f. deutsche Lit. 1885), Gehrke (Blätter für Hdl. u. Gew. d. Magd. Ztg. 1884 Nr. 13 u. 14 , v. Bezold (Sitzungsber. d. bair. Ak. 1884 III.), Rudolf (Arch. f. d. Stud. d. neuern Sprachen v. Herrig 1885), Schrammen (Köln u. Lpz. bei Ahn 1888).

 

Unter Fulda's späteren Notizen findet sich in bezug auf solche Forscher, welche die für Bildung und Gestaltung der Sage bedeutsamen Momente nicht gleichmässig würdigen, sondern das eine oder das andere allzusehr begünstigen, folgende Bemerkung: „An jeder Ansicht ist so viel richtig, wie zu ihrer Begründung genügt, so viel falsch, wie zur Widerlegung der Gegner vorgebracht ist. Es ist zu fragen nicht nach dem Ursprunge, sondern nach den Quellen. Von Friedrich II. hiess es schon bei Lebzeiten, er werde nicht sterben. Nach seinem Tode erwartete Freund und Feind seine Rückkehr, beide in Anlehnung an vorhandene Sagen, einerseits von dem Antichrist, von Nero, Friedrich, andrerseits von dem letzten römischen Kaiser, dem fränkischen und dem deutschen. Die Kaiserlichen hielten fest an der Sage vom letzten Kaiser. Zuerst sollte er in fremden Landen sein, dann in wüsten Burgen, dann in Bergen, wo er Attribute erbte von den heidnischen Gottheiten, die in den hohlen Bergen sassen. Erst in den deutschen Sagen des 17. und 18. Jahrhunderts wurde wegen dieser Attribute dem Kaiser Friedrich der Name Rotbart beigegeben und der Kiffhäuser populär gemacht.“

 

 

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Riezler's und Brosch's Schriften dem Verfasser schon bekannt gewesen sind, der Einfluss der joachitischen Ideen auf die Bildung der Sage nach Voigt's Vorgang noch etwas zu sehr im Vordergrunde zu stehen. Indessen ist hier die Bedeutung der orientalischen und besonders der urgermanischen Traditionen bereits so entschieden gewürdigt, wie es hinsichtlich jener erst später und hinsichtlich dieser trotz der von Grimm gegebenen Anregung kaum in der letzten Zeit geschehen ist. In eigentümlicher und sachkundiger Weise wird besonders Aufschluss darüber gegeben, in welcher Weise die germanische Götter- und Heldentradition die sonst unerklärbare Lokalisation der Kaisersage an den verschiedensten Orten Deutschlands verursacht haben muss. Deshalb mag diese Veröffentlichung die Forscher der vergleichenden Mythen- und Sagengeschichte noch einmal zum Worte aufrufen und auch die Lokalforscher weiter zu kritischer Sammlung und Sichtung deutscher Sagen anregen, wobei aber die Mitteilung und Charakteristik der mündlichen und schriftlichen Quellen nicht vergessen werden darf.

 

Dem 1877 gehaltenen Vortrage ist i. J. 1873 ein z. T. mehr die historischen Momente der Sage betreffender Vortrag vorausgegangen, und diesem sind die Notizen entlehnt, auf welche sich die im Texte verstreuten Zahlen beziehen. Sie sind nicht überflüssig, weil die Ergebnisse der Kiffhäuserforschung trotz der Kiffhäuserbücher von Richter, Lemcke u.a. selbst in unsrer Gegend dem grossen Publikum meist unbekannt geblieben sind. Die unter Sternchen zugefügten Bemerkungen rühren von den Herausgebern her.

 

Frau Direktor Dr. Fulda gebührt für die gütige Ueberlassung des Manuskriptes und die Beschaffung verschiedenartiger Belege der beste Dank.

 

Sangerhausen, im Juli 1889.

 

 

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Die Stadt Sangerhausen, in der die 10. Hauptversammlung des Harzvereins abgehalten wird, kann sich nach keiner Richtung hin einer hervorragenden geschichtlichen Bedeutung rühmen. Aber um so mehr ist die Umgegend derselben geeignet, in mannigfacher Hinsicht das Interesse des Geschichtsforschers zu erregen. In den benachbarten südlichen Vorbergen des Harzes finden wir die Reste von drei in verschiedener Beziehung bemerkenswerten Burgen : Grillenberg, Morungen und Questenberg, in der Ebene der Helme und Unstrut die kaiserlichen Pfalzen Allstedt und Wallhausen, den Königshof Tilleda, das Kloster Memleben. In zahlreichen Urkunden sehen wir die Kaiser des sächsischen, des fränkischen und des staufischen Hauses auf diesen in der goldenen Aue gelegenen Besitzungen verweilen. In Wallhausen vermählte sich der nachmalige König Heinrich I. mit der Herzogin Mathilde. Bei dem am Einflusse der Helme in die Unstrut gelegenen Ritteburg scheint der Schauplatz seines Kampfes gegen die Ungarn gewesen zu sein; in dem benachbarten Memleben beschloss er wie sein Sohn Otto der Grosse ein thatenreiches Leben. Von Tilleda aus unternahm Friedrich Barbarossa seinen fünften unglücklichsten Römerzug, und ebendort versöhnte sich sein Sohn Heinrich VI mit dem greisen Heinrich dem Löwen.

 

Aber noch bedeutungsvoller als diese mannigfachen geschichtlichen Erinnerungen erscheint eine Sage, die in wechselnder Gestalt über ganz Deutschland und weiter verbreitet war, schliesslich aber vorzugsweise haften blieb an jenem trümmerbedeckten Berge, dessen Bild uns bei jedem Gange aus den Thoren unserer Stadt zunächst entgegentritt. Auch sie weist uns hin auf die glänzendste

 

 

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Zeit des alten Kaisertums, aber sie steht zugleich in nächster Beziehung zu dem neuen Reiche, welches erstehen zu sehen dem gegenwärtigen Geschlechte vergönnt war; und wenn Tilleda und Memleben dem Geschichtskundigen allerwärts wohl bekannt sind, so ist dagegen die Kiffhäusersage durch alle Schichten des Volkes hindurch gedrungen und im vollsten Sinne des Wortes zu einem Nationalbesitze geworden.

 

Es ist leicht begreiflich, dass eine so allgemein bekannte und so bedeutungsvolle Sage vielfach Gegenstand wissenschaftlicher Forschung geworden ist 1) und es könnte daher fast überflüssig erscheinen, vor dieser Versammlung über ein so viel behandeltes Thema nochmals zu reden; aber einerseits meine ich, der genius loci fordert seinen Tribut, und auch eine Erinnerung an bereits Bekanntes darf an dieser Stelle auf nachsichtige Beurteilung rechnen; andrerseits kann ich allerdings die Ergebnisse der umfassendsten und gründlichsten Untersuchung, welche die Kiffhäusersage bisher erfahren hat, der Abhandlung, welche Georg Voigt 1871 über die deutsche Kaisersage in der Sybel'schen Zeitschrift Bd. XXVI p. 131--187 *) veröffentlicht hat, nicht in allen Beziehungen billigen, sondern werde, obwohl im allgemeinen auf dieser grundlegenden Arbeit fussend, in einigen prinzipiell besonders wichtigen Fragen eine abweichende Ansicht zu begründen versuchen. 2)

 

Gestatten Sie mir auszugehen von dem so wichtigen und völlig gesicherten Ergebnisse aller neueren Forschungen auf diesem Gebiete, dass nämlich die Kiffhäusersage mit Friedrich I. Barbarossa ursprünglich nichts zu thun hat. Während Grimm und Massmann, wenn sie in den älteren Quellen offenbare Beziehungen auf Friedrich II. fanden, sich begnügt hatten, zu bemerken, dass auch Friedrich II. Züge

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*) Vgl. Voigt, die Kiffhäusersage. Vortrag, gehalten am 3. März 1871 im Gewandhause zu Leipzig, Hinrich's 1871.

 

 

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zum Bilde des entrückten Kaisers abgegeben habe, oder dass die beiden hohenstaufischen Friedriche für die Sage zu einer Heldengestalt zusammenfielen, wurde 1853 zuerst von Michelsen in Jena *) nachgewiesen, dass die Entstehung der Sage sich an den Tod Friedrich des Zweiten anknüpfe, und 1871 führte Voigt in umfassender Prüfung der Quellen den Beweis, dass erst seit dem 16. Jahrhunderte Friedrich Barbarossa in der Sage vereinzelt an die Stelle Friedrich des Zweiten tritt, dass es dem bekannten Gedichte Rückerts aus dem Jahre 1813 **) zuzuschreiben ist, wenn die irrtümliche, in keiner Weise in der Volkstradition begründete Beziehung der Sage auf Barbarossa in neuerer Zeit zu allgemeiner Annahme gelangte.

 

Somit sehen wir uns zunächst hingewiesen auf die historische Stellung Friedrich des Zweiten. Es ist bekannt, wie dieser, im fernen Sicilien aufgewachsen, 17 Jahre alt, durch den Papst Innocenz III. und einige von dem exkommunizierten Otto IV. abgefallene Fürsten auf den deutschen Königsthron erhoben wurde. Die päpstliche Gewalt hatte damals ihren Höhepunkt erreicht. Alle weltlichen Fürsten mussten sich dem Banne des Papstes beugen, die Könige von England, Portugal, Sicilien und Arragonien seine Lehnsherrlichkeit anerkennen. Gleichzeitig war auch Konstantinopel von den Franken erobert und so im Osten die Macht des römischen Oberhirten erweitert worden. Und mit dem Wachsen der äusseren Macht ging Hand in Hand das Streben, auch die Geister mehr und mehr in unbedingte Abhängigkeit von Rom zu bringen. Damals wurden die Orden der Franziskaner und

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*) Grimm, Deutsche Mythol. 4. Aufl. II p. 801, Massmann, Kaiser Friedrich im Kiffhäuser. Vortrag, gehalten am Stiftungsfeste der Berlinischen Gesellschaft f. deutsche Spr. den 17. Januar 1850, Quedl. u. Lpz. 1850 p. 11. S. auch dessen Bayerische Sagen, München 1831. Michelsen, Die Kiffhäuser Kaisersage, Vortrag geh. zu Jena a. d. Rose den 9. Febr. 1853, Zeitschr. des Thür. Vereins für Gesch. u. Alt. I 1854 p. 129–160.

**) Oder 1817. Vergl. Koch's Festschrift, S. 26 und 37.

 

 

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Dominikaner begründet, damals gelangte die Inquisition zu fester Organisation, und da kein Fürst es wagte, der Kirche die Hülfe des weltlichen Armes zu versagen, so fammten bald an vielen Orten die Scheiterhaufen auf. 3) Die Einkünfte der Kirche wurden in dieser Zeit ausserordentlich gesteigert, und mit dem Reichtume stieg die Ueppigkeit und die Sittenlosigkeit unter dem Klerus.

 

Als ein Werkzeug der Hierarchie war Friedrich zur Herrschaft gelangt, aber es dauerte nicht lange, so war aus dem Schützlinge Innocenz des Dritten der gefährlichste Gegner seiner Nachfolger geworden. Das Papsttum sollte die Sonne, das Kaisertum der Mond, also nur ein schwacher Abglanz seines Lichtes sein, das waren Pläne, mit denen ein so kraftvoller, in jeder Hinsicht hochbegabter Fürst auf dem deutsch-römischen Kaiserthrone, wie Friedrich II. es war, unmöglich auf die Dauer im Frieden leben konnte. So schleuderte denn Gregor IX, ein Bluts- und Geistesverwandter des dritten Innocenz, den Bannstrahl gegen ihn, als er in der Ausführung eines Kreuzzuges zögerte. Als Gebannter gewann er das heilige Grab, und als er wenige Jahre später Befreiung vom Banne erreicht und die lombardischen Städte bei Cortenuova besiegt hatte, erreichte er einen Höhepunkt kaiserlicher Macht, von dem aus er die Stellung des Papsttumes zu erschüttern anfing. Da wurde im Jahre 1239 vom Papste aufs neue mit allen Mitteln weltlicher und geistlicher Macht der Kampf eröffnet. Der Kaiser wurde wiederum gebannt, alle Unterthanen wurden ihres Treueides entbunden. 4) Und dieser neue gewaltige Kampf zwischen Kaisertum und Papsttum, zwischen Ghibellinen und Guelfen wurde von beiden Seiten mit unbeugsamer Konsequenz, mit immer steigender Härte und Grausamkeit fortgeführt. Deutschland und Italien wurden erfüllt mit allen Greueln des Bürgerkrieges, und immer rücksichtsloser trat Friedrich auch auf geistlichem Gebiete gegen die Kirche auf. Er erklärte allen Völkern eine weit bessere Weise des Glaubens und Lebens

 

 

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bieten und die entartete Kirche zur Einfachheit des apostolischen Zeitalters zurückführen zu wollen.

 

Und als der Papst Stütze Suchte in einem Concile, nahm der Kaiser auf der See die französischen, englischen und spanischen Prälaten gefangen und verbot den Deutschen den Besuch desselben. Innocenz IV., Gregors Nachfolger, floh nach Lyon und liess dort durch 150 romanische Prälaten den deutschen König aller seiner Würden entsetzen. Die mächtigsten weltlichen Fürsten sowie die Städte blieben trotzdem dem Kaiser treu, aber die geistlichen Fürsten sowie viele kleinere Herren fielen ab, und Heinrich Raspe von Thüringen wurde zum Gegenkönige gewählt. Eine allgemeine Auflösung aller gesetzlichen Ordnung entstand in Deutschland, das Faustrecht erreichte seinen Gipfelpunkt, und bis in das Innere der Familien drang der Parteihader ein. 5)

 

In einem solchen Elende der Zeit schien einem grossen Teile des Volkes in Deutschland die einzige Möglichkeit der Rettung zu beruhen auf dem Kaiser, der zwar nur selten nach Deutschland gekommen war, aber wenn er kam, stets Ruhe und Ordnung hergestellt und die Burgen der Raubritter gebrochen hatte; auf ihm, der so unermüdlich in Welschland mit dem übermächtigen Klerus und seinem Anhange stritt.

 

So etwa war die Signatur der Zeit, der die Friedrichssage ihre Ausbildung verdankt. Als mitten in den geschilderten Wirren und Kämpfen 1250 Friedrich plötzlich auf dem Schlosse Fiorentino bei Luceria in Unteritalien an der Ruhr starb, da fand die Botschaft von diesem unerwarteten Ereignisse in Italien wie in Deutschland vielfach keinen Glauben. 6)

 

In Italien hatte sich, wie Voigt hauptsächlich aus der Chronik Salimbene's von Parma nachgewiesen, unter den Anhängern des kalabresischen Abtes Joachim von Fiore ( 1202), den Joachiten, die Geheimlehre verbreitet, dass der gewaltige Kirchenfeind Friedrich II. der Antichrist

 

 

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sei, der die äussersten Schrecknisse über die Kirche bringen sollte. Diese Lehre, die in Zusammenhang zu stehen scheint mit ähnlichen über den Kaiser Nero in der kirchlichen Literatur weit verbreiteten Vorstellungen (Riezler. Histor. Ztschr. XXXII p. 64 sq) fand viele Gläubige, besonders unter den Minoriten, die gleich erbittert gegen den Kaiser wie gegen die verweltlichte Kirche, ein neues Zeitalter erst nach einem grossen, göttlichen Strafgerichte, das der Kaiser über die Kirche bringen sollte, erwarteten. Als daher Friedrich 1250 plötzlich verschied, ohne so gewaltiges Unheil angerichtet zu haben, liessen sich die Joachiten nicht von seinem Tode überzeugen, sondern glaubten auf Grund eines sogenannten sibyllinischen Spruches, dessen Hauptstelle lautete: „Vivit et non vivit“, dass er in irgend einer geheimnisvollen Weise fortlebe.

 

Und wie man in dem überwiegend guelfischen Italien nicht daran glauben konnte, dass der langjährige Gegner so plötzlich verschwunden sei, so wusste man in dem mehr ghibelliniscchen Deutschland noch viel weniger sich darein zu finden, dass der ersehnte Retter aus dem allgemeinen Elende gestorben sein sollte. So lesen wir denn in der Repgow'schen Chronik in einer während der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts an der mittleren Elbe verfassten Redaktion zum Jahre 1250 die Bemerkung: „Bî den tîden segede men, dar stürve Keiser Vrederîc. ên dêl des volkes segede, he levede. de twîvel werede lange tît.“ Aehnlich berichtet die gegen Ende des XIV. Jahrhunderts verfasste, vielfach aus guten älteren Quellen schöpfende Detmar'sche Chronik von Lübeck *) zu demselben Jahre: „Darna in Sante Lucien daghe starf de Keiser Vrederic van Stouphen gheheten, in Cicilia . . . . Umme dat de Keiser Vrederic in veren landen was unde so drade starf, dat he sic in dudeschen landen nicht werede weder sine wedersaten; des sprak dat mene volk, dat he

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*) Hsg. v. Grautoff, Hamb. 1829.

 

 

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were vordreven, unde dat nenman ne wiste, wor he na des bleve.“ In diesem letzteren Zeugnisse wird ein bemerkenswerter Versuch gemacht, die Entstehung des Glaubens an ein Fortleben des Kaisers zu erklären; es wird hingewiesen darauf, dass der Kaiser sich in fernen Landen aufhielt, dass er so plötzlich starb, und dass er sich nicht, wie man erwartet hatte, gegen seine Widersacher in Deutschland wehrte. Offenbar also ist Detmar (oder vielmehr der Verfasser der von ihm benutzten älteren Quelle) der Ansicht, dass jener Glaube nicht von Italien her sich verbreitet, sondern dass er in Deutschland sich selbständig gebildet habe. Aber man wird nicht umhin können, der entgegengesetzten von Voigt vertretenen Ansicht beizustimmen. So günstig auch die Umstände in Deutschland für die Entstehung eines solchen Glaubens waren, so würde doch die Annahme einer gleichzeitigen selbständigen Bildung desselben in Deutschland und Italien nicht den Gesetzen historischer Wahrscheinlichkeit entsprechen; wir werden daher annehmen müssen, dass die von Detmar angeführten Umstände zwar die Verbreitung und Festsetzung jenes Glaubens in Deutschland ausserordentlich begünstigten, dass aber die besonders von dem Minoritenorden verbreiteten joachitischen Ideen auch für Deutschland als die Quellen desselben anzusehen sind. *) So berichtet denn auch die aus der 2. Hälfte des XIII. Jahrhunderts stammende Weltchronik Jan Enenkel's **) von Wien, dass überall in welschen Landen ein grosser Streit herrsche, ob Friedrich gestorben sei oder nicht, und verweist also damit auch auf Welschland als den Ausgangspunkt jenes Zweifels. Und an die joachitischen Vorstellungen erinnert ebenfalls die Weissagung, von der Jordanus von Osnabrück in dem bald nach 1280 verfassten Buche über das

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*) Vgl. dagegen Brosch, die Friedrichsage der Italiener. Sybel's Zeitschr, Bd. 35.

**) Seine Weltchronik ist herausgegeben in Haupt's Zeitschr. f. deutsches Altertum V.

 

 

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römische Reich erzählt: quod de hujus Friderici germine radix peccatrix erumpet, Fridericus nomine, qui clerum in Germania et etiam ipsam Romanam ecclesiam valde humiliabit et tribulabit vehementer. (Dümmler in Sybel's Zeitschrift XXIX p. 491).

 

Das deutlichste Zeugnis für die allgemeine Verbreitung des Glaubens an ein Fortleben Friedrich des Zweiten legen die mehrfach in der 2. Hälfte des XIII. Jahrhunderts auftretenden falschen Friedriche ab; (Voigt p. 144). Wenn der bedeutendste derselben 7), Tile Kolup, 1285 von Rudolf von Habsburg in Wetzlar als Ketzer verbrannt wurde, so zeigt sich darin deutlich, dass man in Deutschland ebenso wie in Italien den vermeintlich fortlebenden Friedrich vor allem als einen Feind der Kirche auffasste; auch erzählt von diesem Pseudo-Friedrich der gleichzeitig lebende Verfasser der steirischen Reimchronik Ottokar, dass nach seinem Tode in der Asche nur ein kleines Bein gefunden sei, und dass man gesagt habe, er solle durch Gottes Kraft leibhaftig bleiben und die Pfaffen vertreiben.

 

Eine weitere Mythenbildung über den fortlebenden Kaiser ist aus dem XIII. Jahrhunderte in Deutschland nicht nachzuweisen. Dagegen hat Uhland in seinen erst nach seinem Tode bekannt gewordenen Vorlesungen (Uhlands Schriften z. Gesch. d. Dichtung u. Sage I p. 494) auf eine mutmasslich bereits vor 1370 entstandene italienische Novellensammlung aufmerksam gemacht, in welcher sich eine Erzählung findet über eine Gesandtschaft, die der Priester Johann aus Indien an Kaiser Friedrich geschickt habe. Die Gesandten brachten dem Kaiser drei wunderbare Edelsteine; da aber dieser nicht nach den Eigenschaften derselben fragte, sandte der Priester Johann heimlich seinen besten Edelsteinkundigen an den kaiserlichen Hof. Dieser bot andere Edelsteine zum Verkaufe an und wusste es dahin zu bringen, dass ihm zur Vergleichung die vom Priester Johann gesandten vorgelegt wurden. Er nahm sie in die Hand, schloss dieselbe und wurde

 

 

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durch die Kraft des köstlichsten Steines plötzlich unsichtbar. So konnte er mit den wiedergewonnenen drei Steinen ungehindert zu seinem Herrn zurückkehren.

 

Diese Erzählung spricht zwar noch nicht von einem Unsichtbarwerden des Kaisers, sondern nur davon, dass er im Besitze eines unsichtbar machenden Steines gewesen sei; sie gehört trotzdem, wie wir später sehen werden, zu den Quellen der Friedrichsage.

 

In wesentlich veränderter Gestalt tritt uns diese Sage im XIV. Jahrhundert entgegen. Unter Ludwig dem Baiern war der alte Kampf zwischen Kaisertum und Papsttum aufs neue ausgebrochen ; wieder wie zu Friedrichs Zeiten traf der römische Bannstrahl das Haupt des deutschen Volkes. Unter solchen Verhältnissen lebte die Erinnerung an Friedrich II. wieder auf, und aufs neue wurde die Sage von dem verlorenen Kaiser in weiten Kreisen des Volkes lebendig. Namentlich für Süddeutschland ist uns dies durch eine Reihe von wichtigen Zeugnissen überliefert.

 

So berichtet der Chronist Johann von Winterthur, ein Minorit, zum Jahre 1348, 8) dass viele versicherten, Kaiser Friedrich II. werde mit grosser Heeresmacht wieder kommen, um die entartete Kirche zu bessern. Er muss kommen, sagten sie, und wäre er in tausend Stücke zerschnitten, ja zu Staub verbrannt, denn Gott will es so in seinem unabänderlichen Ratschlusse. Er wird in die Herrlichkeit des Reiches zurückkehren und wird dem armen Weibe den reichen Mann zur Ehe geben, die Nonnen verheiraten und die Mönche zur Ehe anhalten, den Witwen und Waisen beistehen und alle Gerechtigkeit erfüllen. Die Pfaffen aber wird er furchtbar verfolgen und die Mönche, zumal die Minoriten, die meist seine Feinde waren, von der Erde vertilgen. Er wird mit einem grossen Heere über das Meer ziehen und auf dem Oelberge oder an einem dürren Baume sein Reich niederlegen. (Voigt, Vortrag p. 9).

 

Und derselben Zeit etwa gehört ein aus einer Münchener

 

 

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Handschrift von Aretin *) mitgeteiltes Meisterlied an. Es wird in demselben ein bevorstehender furchtbarer Kampf zwischen den zwei Häuptern der Christenheit geschildert. Wenn derselbe seinen Höhepunkt erreicht hat, dann soll Kaiser Friedrich erscheinen; er bringt der Welt allgemeinen Frieden und zieht mit grossem Volke über das Meer.

 

Er vert dort hin zem dürren boum ân allen widerhap.

Dar an sô henkt er sînen schilt, er grûenet unde birt

Sô wirt gewunnen daz heilege grap

Daz nimmer swert dar umbe gezogen wirt.

 

Er stellt sodann allgemeine Gerechtigkeit her

Und alliu heidenischiu rîch diu werdent dem selben keiser undertân.

 

Der Juden kraft leit er darnider

Sô gar ân alle wer

Daz Sie nimmer ûf bekumen,

Dar zuo ân allen strît,

Und aller pfaffen meisterschaft

Daz sibenteil wirt ouch kûm bestân

Diu klôster diu zerstoert er gar der vürste hôchgeborn.

Er gibt die nunnen zuo der ê, daz sage ich in vürwâr

Sie müezen uns bûwen wîn und korn.

Wan daz geschiht, sô kument uns gudiu jâr.

(Die Textstellen nach Massmann, Kaiser Friedrich p. 32.)

 

Sehr ähnlich lautet ein zweites süddeutsches Gedicht derselben Zeit, die sogenannte Sibyllenweissagung **) (Massm. p. 32.)

 

Ez kumt noch dar zuo wol

Daz got ein keiser geben soll,

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*) Aretin's Beiträge z. Gesch. und Lit. IV. 1134 a. d. J. 1807.

**) Hsg. v. Wackernagel. D. deutsche Handschr. d. Basler Universitätsbibl. Auch bei Riezler in d. Forschungen z. d. Gesch. X und bei Voigt, Hist. Zeitschrift XXVI (Häussner).

 

 

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Den hât er behalten in sîner gewalt,

Und gît im kraft manicvalt.

Er wirt genant Vriderîch,

Der vuzerwelte vürste rîch,

Und sament an sich der kristen her

Und gewint daz heilge grap über mer.

Dâ stât ein dürr boum und ist grôz

Und sol sô lange stân blôz,

z der keiser Vriderîch daran

Sîn schilt gehenken mac und kan.

Sô wirt der boum wider grüenen gar.

Nâch kument aber guotiu jâr

Und wirt in al der werlt wol stân.

Der heiden gloube muoz zergân.

 

An diese beiden Gedichte aus der Zeit Ludwig des Baiern schliesst sich noch ein drittes, um 1400 entstandenes an, welches von dem Schreiber Oswalt zu Königsberg in Ungarn gedichtet ist. *) Der erhaltene Teil dieses ziemlich umfangreichen Gedichtes beginnt mit der Erzählung von der Absendung eines Briefes des Priesters Johann an den Kaiser Friedrich. Mit diesem sandte er mehrere Kleinodien, darunter eine Flasche von dem Wasser des Wunderbrunnens; davon sollte der Kaiser ein Jahr und drei Monate täglich nüchtern trinken, so sollte er drei hundert Jahre und drei Monate leben; ferner einen Ring mit Edelsteinen, von denen der kostbarste den, welcher ihn in die Hand schloss, unsichtbar machte. Der Kaiser behielt diese Kleinodien sorgfältig bis zu der Zeit, da ihn Papst Honorius in den Bann that. Und als überall, wohin er kam, der Gottesdienst eingestellt wurde, ging er, damit der Christenheit das Osterfest nicht gestört würde, auf die Jagd mit dem Wunderwasser und dem Wunderringe, und verschwand plötzlich vor den Augen der Jäger. Für diesen

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*) Codex Palatin. Nr. 844. S. Jac. Grimm, Abh. der Berl. Akad. 1843 und Kleinere Schriften Bd. 3.

 

 

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Teil des Gedichtes wird ausdrücklich als Quelle bezeichnet die römische crônicâ. Es ist nun zwar die hier zitierte Chronik noch nicht ermittelt, indessen ist offenbar die oben erwähnte Novelle in dieser Erzählung benutzt, um das Verschwinden Friedrichs zu erklären. Vom grössten Interesse ist nun aber, dass Oswalt an diese aus italienischer Quelle stammende Version der Friedrichsage Erzählungen anschliesst, die er von alten Bauern vernommen hat:

 

Jedoch Sint worden geseit

Von bûren solhiu maere,

Daz er als ein wallaere,

Sich oft bi in hab lâzen sehen

Und habe in offenlîche verjehen,

Er sülle noch gewaltic werden

Aller roemischen erden,

Er sülle noch die pfaffen stoeren

Und wolde nicht ûf hoeren

Noch mit nihten lâzen ap,

Unz er bringe das heilege grap

Und dar zuo daz heilege lant

Wilder in der kristen hant

Und wolle sînes schiltes last

Hâhen an den dürren ast.

Daz ich daz vür ein wârheit

Sage, daz die bûren hânt geseit,

Des ennim ich mich niht an,

Wand ich sîn niht gesehen hân.

Ich hâns ouch ze keinen stunden

Noch niender geschriben vunden

Wan daz ichz gehoeret hân

Von den alten bûren âne wân.

 

(Massm. p. 37. Mich. p. 156.)

 

Im wesentlichen setzen offenbar die drei Gedichte wie der Bericht Johanns von Winterthur dieselbe Form der Sage voraus, als deren Hauptmomente nunmehr folgende

 

 

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hervortreten. Der Kaiser ist verloren worden und soll wiederkehren, eine Vorstellung, die ja auch schon im vorhergehenden Jahrhunderte bestand in dem Glauben, den die Pseudofriedriche fanden, sowie in den Ideen der Joachiten. Von dem wiederkehrenden Kaiser aber erwartete man zunächst und vor allem die Niederwerfung des Pfaffentums. Dieser Zug, der zuerst in dem Berichte Ottokars über die Hinrichtung Tile Kolups uns entgegentrat, steht offenbar in engstem Zusammenhange mit den joachitischen Ideen, die wir mit Voigt als die eigentliche Quelle der Vorstellungen von dem fortlebenden Kaiser ansehen. Wir finden sie daher auch gleichzeitig auf romanischem Gebiete wieder in den Prophetieen vom dritten Friedrich, die von Döllinger im Jahrgange 1871 des Raumer'schen hist. Taschenbuches eingehend behandelt sind. So bekannten 1321 französische Katharer vor den Inquisitoren ihren Glauben an das Erscheinen des dritten Friedrich, der ihre katharische Kirche erweitern und dagegen den römischen Klerus niederdrücken werde. Und in Oberitalien, in der Gegend von Vercelli, entzündete im Anfange des XIV. Jahrhunderts Dolcino, ein Prophet des dritten Friedrich, der ebenfalls ein allgemeines Blutbad unter dem Klerus voraussagte, einen blutigen Religionskrieg, in welchem er mit 1400 Anhängern sein Ende fand.

 

Sodann soll der wiederkehrende Kaiser die Ungläubigen, Heiden und Juden, überwinden und das heilige Grab befreien. Es ist das ein Gedanke, der den italischen Joachiten ganz fern liegen musste; sie wünschten zwar der entarteten Kirche ein Strafgericht, konnten aber nicht daran denken, dass der Feind der Kirche, der dieses vollzöge, das heilige Grab befreien sollte. Aber man würde irren, wenn man mit Voigt (p. 155) diesen Zug lediglich aus den Erwartungen, welche die Zeit an das Kaisertum knüpfte, sowie aus den Kreuzzügen der Staufenkaiser erklären wollte.

 

Unter dem Namen des Bischofs Methodius von Patara

 

 

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in Lycien, der einen Kommentar zur Apokalypse geschrieben hatte, traten im XI. Jahrhundert im byzantinischen Orient *) prophetische Offenbarungen zu Tage, denen zufolge die Ismaeliten viele christliche Länder zur Strafe für die Sünde der Geistlichen unterjochen sollten. Ein römischer Kaiser aber sollte ihnen, wenn sie sich am sichersten glaubten, alle eroberten Länder entreissen und ihnen ein Joch der Knechtschaft auflegen, hundertmal schlimmer als dasjenige, mit welchem sie die Christen gedrückt hatten. Endlich zieht der letzte der römischen d. h. griechischen Kaiser nach dem befreiten Jerusalem und legt dort seine Krone zu den Füssen Christi nieder. Und ebenso finden wir in einer 948 von dem Abte Adso von Moustier-en-Der verfassten Schrift die Vorstellung, dass der letzte und mächtigste Kaiser in Jerusalem seine Krone niederlegen werde. (Döllinger l. l. p.) So tritt uns also in der Kreuzzugsidee offenbar die Einwirkung eines andern Zweiges mittelalterlich-kirchlicher Prophetie entgegen.

 

Mochte auch die Erinnerung an den Kreuzzug des historischen Friedrich, wie das freilich im XIV. Jahrhunderte schon abgeschwächte Streben nach Befreiung des heiligen Grabes wesentlich dazu mitwirken, dass dieser Zug in die Friedrichsage Aufnahme fand, die eigentliche Quelle dieser Vorstellung liegt offenbar in jenen alten kirchlichen Prophetieen, nach welchen der letzte Kaiser nach dem heiligen Lande ziehen sollte. Nachdem einmal der erwartete Kaiser Friedrich aus dem Antichrist der Joachiten unter dem Einflusse ghibellinischer Vorstellungen vorzugsweise wenn auch nicht ausschliesslich in Deutschland der ersehnte Heilbringer der Zukunft geworden war, lag nichts

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*) Riezler S. 70. Ueber die Abfassungszeit und Tendenz dieser Prophetieen handelt Zezschwitz, Vom röm. Kaisertume p. 37 ff. Ueber den konstitutiven Einfluss der Methodiuslegende auf die deutsche Kaisersage vgl. bes. Häussner, Kaisersage S. 27. Dagegen s. Hartwig (Westermanns Monatshefte f. 1883/84 S. 406.)

 

 

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näher als die alten Prophetieen von einem letzten glänzenden Vertreter des Kaisertumes auf diesen Kaiser Friedrich zu übertragen.

 

Aber wie die Aufgabe des Kaisertumes nach mittelalterlicher Vorstellung zugleich eine religiöse und politische war, so sollte auch der erwartete Kaiser nicht nur auf kirchlichem, sondern auch auf politischem, ja auch auf sozialem Gebiete Heil bringen. An seinen Namen Friedrich knüpfte sich die Vorstellung von der Herstellung eines allgemeinen Friedens: er soll gewaltig werden in allen römischen Landen, ja sogar alle heidnischen Reiche sollen ihm unterthan sein, und Gerechtigkeit soll überall hergestellt werden. Er soll ferner nach Johann von Winterthur den reichen Mann dem armen Weibe zur Ehe geben und also auch der ungleichen Verteilung des Besitzes ein Ziel setzen. Und wenn der Kaiser den Witwen und Waisen beistehen soll, wenn Mönche und Nonnen, statt müssig zu gehen, Wein und Korn bauen sollen, so deutet dies ja ebenfalls darauf hin, dass man auch die Hebung sozialer Missstände von dem ersehnten Friedensfürsten erwartete.

 

Auch die Aufnahme dieser Elemente in die Friedrich-Sage ist jedenfalls wohl auf deutschem Boden erfolgt; nicht nur bieten die romanischen Quellen keine Spur von solchen Zügen, sondern es findet sich auch darin, dass die Grundbedeutung des Namens Friedrich in diesen Prophetieen benutzt ist, ein äusseres Zeichen des deutschen Ursprunges derselben.

 

Aber die Quellen des XIV. Jahrhunderts bieten uns nicht nur solche Züge, welche zwar vielfach an ältere kirchliche Traditionen anknüpfen, aber doch wesentlich die ihre Zeit bewegenden Ideen wiederspiegeln, sondern sie enthalten auch sämtlich eine Wendung, die allem Anscheine nach völlig anderen Ursprungs ist. Stets soll der Kaiser nämlich seinen Schild an einem dürren Baume, der meist als im Morgenlande stehend gedacht wird, aufhängen, und der Baum soll infolge dessen grünen und

 

 

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Früchte bringen. Voigt verweist zur Erklärung dieses eigentümlichen Zuges auf die Sagen über das Kreuz Christi. In der That berichtet bereits um 1300 Montevilla in seiner Reisebeschreibung von einem Eichbaume, der vor Anbeginn der Welt war und vor Gottes Marter grünte, aber da Gott am Kreuze starb, dorrete und erst wieder grünen soll, wenn ein Fürst aus Niederland mit vielen Christen kommt und unter ihm Messe lesen lässt. Dann sollen um des Wunders willen alle Juden und Heiden Christen werden. Dagegen hat Uhland bereits seit 1830 in seinen über die Geschichte der deutschen Poesie im Mittelalter gehaltenen Vorlesungen (die jedoch erst 1865 veröffentlicht wurden) behauptet, dass jener dürre Baum nichts anderes sei als die Weltesche der Edda, deren Zweige durch den Weltbrand der Götterdämmerung verdorren, in deren Holze sich aber Lif und Lifthrasir, Leben und Lebenskraft geborgen haben, so dass also neues Leben aus ihr hervorgeht. Dieselbe Ansicht stellte 1835 Grimm unabhängig von Uhland in seiner deutschen Mythologie auf.

 

Auch in dieser Frage eröffnet die Forschung Döllingers ein neues Gesichtsfeld. Er zeigt, wie der nachweisbare Ausgangspunkt für diese Vorstellungen in der oben erwähnten aus dem Jahre 948 stammenden Schrift des französischen Abtes Adso *) liegt; wie in Erweiterung dieser Vorstellung von der Niederlegung der Krone der Text des Methodius nach Engelbert von Admont die Angabe enthalten haben müsse, dass der letzte Kaiser, unfähig den Ismaeliten zu widerstehen, Scepter, Krone und Schild an einem dürren Baume jenseits des Meeres niederlegen und an derselben Stelle seinen Geist aufgeben werde. Diese pessimistische Auffassung muss später allerdings aus dem Texte des Methodius verschwunden sein,

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*) Adso nennt den nach Jerusalem ziehenden letzten römischen Kaiser einen Frankenkönig, während es bisher ein byzantinischer römischer Kaiser war. In dem „Drama vom römischen Kaisertum“ (ed. Zezschwitz) aus Barbarossas Zeit tritt zuerst ein deutscher König an die Stelle des fränkischen.

 

 

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wie sie sich ja auch bei Montevilla nicht findet, denn nach der gedruckten Ausgabe legt der letzte Kaiser die Krone auf das Kreuz nieder und übergiebt die Herrschaft über die Christenheit Gott dem Vater. *)

 

So finden wir denn allerdings die Vorstellung von dem Niederlegen des Schildes am dürren Baume einige Dezennien früher als in der Volkssage im Gebiete der kirchlichen Prophetie, und wenn auch die Volkssage sich den dürren Baum im Morgenlande denkt, so liegt darin ein sicherer Beweis, dass in der That auch hier die Volkssage aus der Tradition geschöpft hat. So müssen wir allem Anscheine nach Voigt gegen Uhland und Grimm Recht geben. Aber bereits Grimm kannte einen Teil jener kirchlichen Sagen vom Kreuze Christi, insbesondere den Bericht Montevillas; er wurde aber in seiner Grundauffassung nicht erschüttert, sondern erklärte, es könnten heidnische Sagen von dem Weltbaume nach der Bekehrung in Deutschland, Frankreich oder England leicht auf das Kreuz übertragen sein. Und in der That muss das wohl der Fall gewesen sein. Denn in der Apokalypse findet sich nirgendwo eine Stelle, aus welcher die Vorstellung von dem dürren und wiedergrünenden Baume sich hätte entwickeln können. Und wenn auch die Synoptiker eine Rede des Herrn enthalten, Math. 24, 32, Marc. 13, 28, Luc. 21, 29, in welcher nach Aufführung der Zeichen für das Herannahen des jüngsten Tages gesagt wird, wie man an dem Ausschlagen des Feigenbaumes merke, dass der Sommer nahe, so solle man an diesen Zeichen die Nähe des Reiches Gottes erkennen, so finden wir doch nirgendwo eine deutliche Anknüpfung an diese Stelle; es ist z. B. in keiner der mannigfachen Darstellungen, welche die Sage vom dürren Baume erfahren hat, von einem Feigenbaume die Rede. AndererSeits Stimmen die vielfach in Deutschland

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*) Der dürre Baum taucht erst wieder im „Entechrist“ im 12. oder 13. Jahrhundert auf. (Häussner.)

 

 

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auftretenden Sagen von einem dürren Baume und von einem gewaltigen Kampfe der Zukunft, welcher bei einem grossen Baume ausgefochten werden soll, in so schlagender Weise mit der Edda, dass sich ein Zusammenhang nicht abweisen lässt. 9) So finden wir z. B. in der holsteinischen Version dieser Sage den neu grünenden Baum geradezu als Esche bezeichnet *), und auch der westfälische Ortsname Schildesche, der bereits im Jahre 939 vorkommt, weist deutlich auf die gleiche Form der Sage hin. **)

 

Wir müssen also annehmen, dass infolge der frühen Vermischung der christlichen und heidnischen Eschatologie, wie sie uns so deutlich in dem altbairischen unter dem Namen Muspilli bekannten Gedichte entgegentritt, auch eine Vermischung der Vorstellungen vom Kreuze mit denen von der verdorrten und wiedergrünenden Weltesche stattfand, dass diese aus christlichen und heidnischen Elementen gemischten Vorstellungen in die Prophetie des Mittelalters eindrangen, und zwar zunächst in die kirchliche Literatur und aus dieser in die Volkssage. Der Standort des Baumes im heiligen Lande ist daher nicht mit Voigt als ein Beweis für seinen christlichen Ursprung anzusehen, sondern nur als ein Zeichen der Vermischung der ursprünglich heidnischen Vorstellung mit christlichen Elementen. ***)

 

So sehen wir denn, dass die Friedrichsage, so weit wir sie bisher kennen gelernt, zunächst ausgegangen ist von verschiedenen Zweigen kirchlicher Prophetie, dass aber einerseits diese kirchliche Prophetie schon früh Elemente des germanischen Mythus in sich aufgenommen

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*) Vergl. Henne-Am-Rhyn, Die deutsche Volkssage p. 525

**) Dort soll ein Baum stehen, der nirgends seines Gleichen hat (Simrock). Vergl. bes. Koch, die Sage vom Kaiser Friedrich. Festschr. S. 16.

***) Andere Ansichten s. Häussner, Progr. p. 22 u. 23. Uebrigens sieht man die Sage vom Baume auch da mit der deutschen Sage von der letzten grossen Schlacht verknüpft, wo keine Beziehung zur Kaisersage ist. Vergl. Henne-Am-Rhyn, Die deutsche Volkssage p. 518 -- 522.

 

 

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hatte, und dass andererseits in der Gestaltung des idealen Gehaltes der Sage sich eine sehr starke Einwirkung vornehmlich in Deutschland verbreiteter Vorstellungen erkennen lässt.

 

Die bisher betrachteten Quellen der Sage aus dem XIV. Jahrhundert beschäftigen sich fast ausschliesslich mit der Wiederkunft des Kaisers; sie geben aber keine Auskunft über den einstweiligen Aufenthalt desselben. Indessen gab es auch in dieser Hinsicht bereits in diesem Jahrhundert ausgebildete Sagen, die allerdings zunächst nicht so allgemeine Verbreitung fanden, wie die über die Wiederkunft des Kaisers. Der spätere hessische Chronist Gerstenberger berichtet zum Jahre 1286 im Anschluss an das Auftreten Tile Kolups: „Unde ist noch in Doringen, wie das er (Fried. II.) noch leben sulle uff syme slosse Kouffhussen. Dass beschribt Diderich von Engelhussin, auch Johan Rytessel in siner Chroniken.“ Die Chronik Riedesels war gegen die Mitte des XIV. Jahrhunderts geschrieben; sie ist verloren gegangen, indessen giebt der um 1500 lebende Gerstenberger zahlreiche und allem Anscheine nach zuverlässige Notizen aus derselben. So lässt sich also die Verbindung der Friedrichsage mit dem Kiffhäuser, wie dies zuerst Herr Dr. Julius Schmidt hervorgehoben *), bis in die erste Hälfte des XIV. Jahrhunderts zurückverfolgen. Weitere Nachrichten von der Kiffhäusersage erhalten wir jedoch erst ein Jahrhundert später, nämlich zunächst eine Notiz des schon erwähnten 1434 gestorbenen Engelhusius „Fridericum adhuc vivere in castro confusionis **) und sodann einen Bericht des thüringischen Chronisten Johannes Rohte. Derselbe hat in seiner um 1440 geschriebenen Thüringer Chronik ***) ein Kapitel „von den ketzern keisser Frederichs unde wie der

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*) Die Kaiser Friedrich- u. Kiffhäusersagen (Mitteilungen des Thür. Sächsischen Vereins Bd. XIII. 4. Heft p. 338 ff.)

**) Vgl. Anm. 18.

***) Hsg. v. R. von Liliencron, Jena, bei Frommann 1859 S. 426.

 

 

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uff der burgk Kuffhussen wandirte“, in welchem es nach einigen Notizen über den apulischen Pseudofriedrich vom Jahre 1262 heisst: „von diszem keiszer Frederiche dem ketzer erhub sich eyne nuwe ketczerey, die noch heymelichen under den cristen ist, unde die glouben des gentczlichen, das keiszer Frederich noch lebe unde lebinde bleiben sulle bis an den jungisten tagk, unde das keyn rechtir keiszer noch om worden sey adir werden sulle, unde das her wander 10) zcu Kuffhuczen yn Doringen uf dem wusten slosze, unde ouch uf andern wusten burgen, die zcu dem reiche gehören, unde rede mit den lewten unde lasze sich zcu geczeiten sehin. Disze buferey brenget der tufel zcu dor methe her die selben ketzer unde etczliche eynfeldige cristen lewte vorleitet. Man meynet wol das vor dem jungisten tage eyn mechtiger keiszer der cristenheit werden sulle, der frede machen sulle under den fursten, unde denne szo sulle von om eyne meerfart werden unde her sulle das heilige grab gewynnen, unde den nenne man Frederich umbe fredis willen den her machit, ap her nicht alszo getouffet ist.“ (Michelsen p. 135) 11).

 

Bemerkenswert ist, dass in diesen Berichten von Riedesel, Engelhusius und Rohte über die Art des Fortlebens des Kaisers nur sehr unbestimmte Angaben sich finden. 12) Der Kaiser soll auf dem wüsten Schlosse wandern, d. h. wohl als Gespenst umgehen. Erst aus dem Jahre 1537 erfahren wir aus einer zu Basel erschienenen Schrift, dass Friedrich in einem Berge bei Frankenhausen seine Wohnung habe, dass ein Schafhirt dort ihm zu Ehren gepfiffen und dann von dem hervorkommenden Kaiser aufgefordert sei, ihm zu folgen in einen schönen Saal mit vielen Rittern, und dass er dann mit einem güldenen Fusse eines Fasses belohnt sei. Die weiteren Züge der Sage, dass der Kaiser an einem Tische sitze und schlummere, dass sein grosser grauer Bart um den Tisch wachse, dass er einen Schafhirten gefragt habe, ob die Raben noch um den Berg flögen, finden wir bezüglich des Kiffhäusers erst im Berichte des

 

 

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Johannes Praetorius aus der zweiten Hälfte des XVII. Jahrhunderts.

 

Dagegen werden ähnliche Züge früher von mehreren anderen Orten berichtet, an denen ebenfalls die Friedrichsage sich lokalisiert hatte. So berichtet schon ein 1519 in Süddeutschland vielfach gedrucktes Volksbuch *): „Die Bauern und Schwarzkünstler sagen, er sey noch lebendig in einem hohlen Berg, solle noch herwieder kommen und die Geistlichen straffen und sein Schilt noch an den dürren Paum hengken.“ 13) Beiläufig ist dieses Volksbuch die erste Quelle, welche die Sage auf Friedrich I. bezieht.

 

Welches der hohle Berg sei, wird hier nicht gesagt, dagegen führt Voigt (p. 167) aus Georgii Sabini de caesaribus Germanicis libri duo, die etwa um 1532 erschienen, einige Hexameter an, nach denen der Kaiser in der Burg zu Kaiserslautern schlummert und nicht eher sterben soll, bis der getische Tyrann von Jerusalem vertrieben sei und die Türkei das Joch des Kaisers trage. Und in der 1537 erschienenen, schon vorhin erwähnten Basler Schrift wird eine ganze Reihe von Sagen erzählt, die sich ebenfalls an Kaiserslautern knüpfen. Wie in den italienischen Novellen hat der Kaiser durch wunderbare Edelsteine Unsichtbarkeit und Unsterblichkeit erlangt. In einen Weiher hat er einen Karpfen geworfen, dem er einen goldenen Ring angehangen hat. Dieser Karpfen soll ungefangen bleiben, bis auf Friedrichs Zukunft; beiläufig offenbar eine Erinnerung an den Ring Andvaranaut der Edda, den Loki dem fischgestaltigen Zwerg Andvari abnimmt, und den Odhin zur Einhüllung des Barthaares der Otter verwendet. Ferner hängt im Schlosse des Kaisers Bett an vier Ketten, und wenn man des Abends wohl gebettet hat, ist es des Morgens wiederum zerbrochen. Endlich findet sich in einem Felsen eine grosse Höhle;

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*) Auf Uhlands Anregung v. Pfeiffer herausgegeben in Haupts Zeitschrift für deutsches Altertum V.

 

 

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als sich einmal jemand hinabgelassen, hat er Kaiser Friedrich in einem goldenen Sessel sitzen sehen mit einem grausamen Barte und um ihn viele Leute.

 

Ein anderer berühmter Aufenthaltsort des verlorenen Friedrich ist der Untersberg bei Salzburg, und zwar berichtet Massmann, dass die älteste bekannte Fassung dieser Sage aus dem Jahre 1529 stamme. 14) Auch dort sitzt der Kaiser an einem Tische, um den sein Bart schon zweimal herumge- wachsen; erreicht er zum dritten Male die letzte Tischecke, so kommt es zur Schlacht auf dem Walserfelde, und das Blutbad wird so gross, dass den Streitenden das Blut in die Schuhe rinnt. Auf dem Walserfelde steht ein dürrer Birnbaum; wenn er zu grünen anfängt, wird die Schlacht bald eintreten, und der Baiernfürst wird seinen Wappenschild daran hängen.

 

Wir finden also bereits vom XIV. Jahrhundert ab kurze Nachrichten von einem Aufenthalte des Kaisers auf wüsten Burgen, insbesondere auf dem Kiffhäuser; erst seit dem XVI. Jahrhundert aber alle Hauptzüge der Sage von dem im hohlen Berge schlummernden Kaiser. Wie haben wir uns nun diese Wendung der Sage zu erklären? Voigt bemerkt: „Ganz nutzlos erscheint es, tiefer noch in den Sagenschacht eindringen zu wollen, auf die bergentrückten Helden Siegfried oder Dietrich oder gar auf Wodan einzugehen. Mögen dunkle Reden und Erinnerungen der Art immerhin dazu mitgewirkt haben, dass die wallende, auf den Reichsburgen spukende Kaisergestalt in der Phantasie des Volkes nach und nach dunkler werdend, in die Tiefe des Berges sank und dort festgezaubert erschien, so zeigt uns die Genesis der ganzen Sage doch eben den Kaiser, der wiederkehren soll, nicht einen entthronten Gott.“

 

Aber die eigentümliche Erscheinung, dass in den verschiedensten Gegenden Deutschlands der verlorene Kaiser Friedrich in einer zwar nicht in den Einzelheiten, aber doch in den Hauptzügen übereinstimmenden Weise im

 

 

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Berge schlummernd gedacht wird, scheint mir allerdings es sehr nahe zu legen, einer tiefer liegenden, für ganz Deutschland wirksamen, gemeinsamen Quelle dieser so ähnlichen und doch allem Ansehen nach von einander unabhängigen Sagen nachzuforschen.

 

Die sogenannte Bergentrückung, die uns in den Sagen des Kiffhäusers, des Unterberges und von Kaiserslautern entgegentritt, ist eine auch ausserhalb des Bereiches der Friedrichsage ausserordentlich weit verbreitete Vorstellung, deren Herkunft aus der deutschen Mythologie von Grimm zuerst eingehend erörtert und später von keiner Seite bestritten ist. In der uns leider allein in ausreichendem Masze bekannten nordischen Form des germanischen Mythus herrscht im allgemeinen die Vorstellung, dass die Götter ihre Wohnung im Himmel haben, dass dort der Saal Walhalla sich findet, in welchem Odhin mit allen gefallenen Helden die dereinstige Götterschlacht erwartet. Aber es ist namentlich von Kuhn in überzeugendster Weise nachgewiesen, wie Wolke und Berg in den mythologischen Vorstellungen der indogermanischen Völker identische Begriffe sind. *) Dieselben Mythen z. B., welche die Veden von dem Somatrank erzählen, der von Indra aus den Wolken geraubt wird, berichtet die Edda von dem begeisternden Meth Odrörir, den Odhin aus dem hohlen Berge gewinnt. Und zahlreiche Spuren weisen auch in der Edda darauf hin, dass Odhin, der Mann vom Berge, wie er in einem Liede heisst, einst im Berge wohnte. **) Die Vorstellung nun von dem Wohnen der Götter in heiligen

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*) Montanus, Die Vorzeit von Cleve-Mark, Jülich-Berg etc. p. 9: „Bei Grevenbroich an der Erft liegt der Welchenberg. Auf diesem Berge wurde der Gott Walchus (Walachius) verehrt und sein Bild 799 von Willibrord zerschlagen. Was den Namen betrifft, so scheint der Heilige den Namen des Heiligtumes, das Alah oder Wallah genannt zu werden pflegte, mit dem Namen des Gottes vertauscht zu haben.“

**) Die obige Auffassung der Bergentrückung ist selbst den neuesten Bearbeitungen der Kiffhäusersage fremd.

 

 

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Bergen scheint in Deutschland die allgemeine gewesen zu sein. 15) Wie aber im Laufe der Zeit und insbesondere nach Einführung des Christentumes die alte Göttersage in Heldensage überging, wie aus Baldur und Hödur der Edda Siegfried und Hagen des Nibelungenliedes wurden, so finden wir auch die alten Götterberge in der Volkssage mit wenigen Ausnahmen nicht mehr von Göttern, sondern von Helden bewohnt. Berge pflegte man ja auch allgemein aufzuhäufen über den Gräbern der gefallenen Helden; in den Berg zu gehen, wenn auch nur in den künstlich von allen Stammesgenossen aufgeschütteten Hügel, war der natürliche Abschluss des Heldenlebens. *) Um so näher lag es, auch auf die grossen Helden der Sage neben einer Menge anderer den alten Göttern entlehnter Züge auch den des Aufenthaltes in Bergen zu übertragen. So ist Kaiser Friedrich, wie schon erwähnt, keineswegs der einzige bergbewohnende Held. Siegfried und Wittekind schlafen im Schlosse Geroldseck im Elsass mit vielen alten deutschen Helden, die, wenn die Deutschen in den höchsten Nöten sind, zu Hülfe kommen werden. Karl der Grosse aber schläft in einer ganzen Reihe von Bergen, z. B. in einem Hügel zwischen Nürnberg und Fürth, im Desenberge bei Paderborn; auch im Untersberge bei Salzburg wird er neben Kaiser Friedrich genannt. Ferner sitzt ein Kaiser Heinrich im Sudmerberge bei Goslar, Karl V. im hessischen Odenberge. Ja selbst in diesem Jahrhundert hat die Volkssage noch Helden in den Berg ziehen lassen, so z. B. den Prinzen Karl von Oesterreich in das Fichtelgebirge und den Sandwirt Hofer in die Sarner Scharte oder den Iffinger. **)

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*) In der norddeutschen Tiefebene finden sich Sagen von den in Hügel entrückten Helden. S. z. B. Kuhn, Märkische Sagen Nr. 107, 209, 215.

**) Ausser bekannten deutschen und ausserdeutschen Beispielen von Bergentrückungen seien noch folgende zitiert:

„In dem Wolsberge bei Siegburg, tief unten in ungeheurer Felsenhöhle sitzt auf einem elfenbeinernen Stuhle ein gewaltiger König und Held; derselbe lehnt mit seinem Haupte auf einem vor ihm stehenden Steintische und hält mit beiden Händen den Griff eines gewaltigen Schwertes umfasst. Nebenan in anderen Höhlen stehen an vollen Krippen ungeduldig scharrende Rosse; in langen Reihen schlummern Krieger und Knappen auf ihren Waffen. Der Eingang zu dieser unterirdischen Burg steht in der Walpurgisnacht von 12--1 Uhr offen, und so soll sich einmal ein Jäger dorthin verirrt und alle diese seltsamen Dinge gesehen haben. Ihm gegenüber erhob sich der König und fragte halb im Traume, ob die Elster noch um den Berg fliege. Als er gehört, dass dieser schwarz und weisse Vogel noch fliege, soll der Held wieder eingeschlafen sein. Wenn dieser Vogel nicht mehr fliegt, wenn die schwarze Zeit die Oberhand gewonnen, alsdann soll der König aus der Kluft hervortreten, in sein Heerhorn stossen und eine neue Zeit begründen.“ Ausführlicher bei A. Müller, Siegburg u. d. Siegkreis, Siegb. 1858. Grässe, Sagenbuch des preuss. Staates, Glogau 1871. Montanus, die Vorzeit v. Cleve-Mark etc., Elberfeld 1870 1. Band. Herr Dr. Wirtzfeld in Siegburg teilt brieflich mit, dass Aegidius Müller nach den Schlussworten des 1. Abschnittes seines Buches die Sage den mündlich vererbten Vorstellungen des Volkes entnommen und dass er unter dem „mächtigen Könige“ der Sage den Gott Odhin verstanden habe. Er schreibt, die „Wolsberge“, die allein und ganz isoliert aus der Ebene der unteren Sieg aufragen, seien zweifellos Kultstätten des Lichtgottes gewesen. Mit der Kiffhäusersage sei die Sage erst verquickt worden in einem der kleinen Volksbücher, die im Verlage von Bagel (Düsseldorf und Mülheim) erscheinen. -- In dem Loosberge od. Loisberge nördlich von Aachen ruht Kaiser Ludwig d. Fromme von seinem drangsalvollen Leben in einem unterirdischen Schlosse aus. (Grässe, Sagenbuch ; poetisch behandelt v. Flecken). Weitere Beispiele finden sich in Henne-Am-Rhyn, Die deutsche Volkssage, Leipzig 1874 p. 517, p. 520--526. Montanus p. 5 etc. Häussner Progr. Gehrke, Blätter für Handel und Gewerbe. Urbas, Ueber Sagen u. Märchen, Progr. Triest 1885 etc. etc.

 

 

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In den meisten dieser Sagen kehren die Züge wieder, dass der Held mit gewaltigem, grauem Barte, von grossem Gefolge umgeben, dasitzt und einst mit diesem zum Kampfe hervorbrechen wird; Züge, die offenbar zurückgehen auf den Götterkönig Odhin oder Wodan, den man sich als Greis mit langem, grauem Barte vorstellte, und auf die ihn umgebenden Einherier, die mit ihm dereinst zum Kampfe hervorbrechen sollen. Wenn Voigt meint, man könne den Kaiser, der wiederkehren solle, nicht mit dem entthronten Gotte vergleichen, so scheint mir hier eine nicht richtige

 

 

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Auffassung der Bergentrückung vorzuliegen. Man hat nämlich wohl geglaubt, dass die heidniscchen Götter in den Berg gezogen seien, weil sie vom Christentume verdrängt worden. Aber der Berg ist nicht ein Verbannungsort, er ist die Walhalla, in der Götter und Helden des letzten Kampfes warten; der heidnische Gott ist in gewissem Sinne für den Volksglauben in der That niemals entthront worden; er hat allerdings die Stellung eines Gottes, aber niemals die königliche Herrlichkeit eingebüsst.

 

Und nicht nur an die äussere Herrlichkeit der Götterberge knüpfen die Entrückungssagen an. Auch ein innerer Zusammenhang dieser Sagen und namentlich der Friedrichsage mit dem altgermanischen Mythus ist meines Erachtens nachweisbar. Man verkennt die Bedeutung der grossartigen Sage von der Götterdämmerung, wenn man sie als Ausprägung einer pessimistischen Weltaufassung erklären will. Allerdings konnte das aus der Personifikation unbeseelter Naturkräfte hervorgegangene Göttergeschlecht wie der ganze gegenwärtige Zustand der Welt vor der dem Germanentum eigenen Schärfe der sittlichen Kritik nicht bestehen. *) Wurde das Licht zu einem Lichtgotte, so wurde seine im Wechsel der Jahreszeiten eintretende Abschwächung zu einem Verbrechen, zu einem frevelhaften Morde. Und ein solcher Frevel konnte nach germanischen Begriffen auch in der Götterwelt nicht straflos bleiben. So bildete sich die Sage von der Götterdämmerung, ein Denkmal der den Germanen eigenen Energie des sittlichen Bewustseins. Aber keineswegs sollte jener grosse letzte Kampf ein erfolgloser sein. Wie viele auch von Göttern und Menschen in ihm zu Grunde gehen, sie begründen durch ihren Kampf und Untergang eine neue, reine Götter- und Menschenwelt.

 

Das ist der ideale Grundgedanke des dem Germanentum

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*) Vergl. darüber den schönen Aufsatz Fulda's in den Jahn'schen Jahrbüchern 1871, 8. Heft.

 

 

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eigentümlichen Dämmerungsmythus, und dieselbe Idee liegt auch der Friedrichsage, wie sie sich auf deutschem Boden entwickelte, zu Grunde; auch Kaiser Friedrich soll ja nach schwerem Kampfe ein goldenes Zeitalter herbeiführen, in dem alles Elend und alle Schäden des kirchlichen, politischen und sozialen Lebens aufgehoben sind. *)

 

So ist es denn leicht verständlich, dass die Friedrichsage in die Bergentrückungssagen einmünden konnte. Nicht nur ein poetisches Bedürfnis, das für den dereinst wiederkehrenden Kaiser einen einstweiligen Aufenthalt suchte, sondern auch die Uebereinstimmnng der zu Grunde liegenden sittlichen Ideen konnte offenbar ein Zusammenfliessen beider Sagenbildungen sehr leicht herbeiführen. Und keineswegs fehlen die Beweise, dass dieser mögliche Vorgang auch thatsächlich stattgefunden hat, dass die Kaiser- und Heldenberge in der That in älterer Zeit Götterberge, insbesondere Wodansberge waren. So weist ja der hessische Odenberg bei Gudensberg schon durch seinen Namen auf Wodan hin; der Name Untersberg wird gedeutet Schlafberg **), der Iffinger in Tyrol erscheint in anderen Sagen ganz deutlich als Wodansberg. Bezüglich des Kiffhäusers ist dieser Nachweis allerdings bis jetzt nicht vollständig zu führen. Mancherlei, was man dafür angeführt, wie z. B. die Hünengräber, die Sie morgen an seinem Abhange sehen werden ***), oder die Auffindung von Werkzeugen aus der Steinzeit auf der Südseite des

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*) Vergl. Schrammen, Die deutsche Kaisersage 1888, S. 47.

**) Ueber Untersberg und Desenberg s. Rudolf, Kiffhäuser, Tannhäuser, Rattenfänger (Herrig's Archiv 1885.)

***) Ueber diese Hünengräber, welche von den Mitgliedern des Harzvereins besichtigt werden sollten, teilt Herr K. Meyer folgendes mit:

„Sie liegen in ziemlicher Anzahl am Ostfusse des Kiffhäuserberges, auf demselben Höhenzuge, dessen Ostgipfel den alten Königshof Tilleda getragen. Eins derselben ist geöffnet worden, wobei eine kleine Urne und etwas Bronzeschmuck und, wenn ich nicht irre, eine bronzene Speerspitze gefunden wurden. Das Skelett soll in dem Grabe in einem mit Steinen umsetzten und bedeckten Raume gelegen haben.

 

 

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Berges, in der Nähe angeblich heiliger Eichen 16), hat für diese Frage keine besondere Bedeutung; eher ist Gewicht darauf zu legen, dass die Kapelle im späteren Mittelalter ein vielbesuchter Wallfahrtsort war, da vielfach heilige Stätten der heidnischen Zeit zu christlichen geworden sind. 17) Leider ist der Name des Berges bisher noch nicht zu ermitteln gewesen. Wir nennen ihn nach der auf demselben gelegenen Burg Kiffhausen, in ältester Form Kufese, den Kiffhäuser-Berg, und allem Anscheine nach hat dieser abgeleitete Name den eigentlichen Namen des Berges verdrängt. Möglich ist es, dass der Bergname uns erhalten ist in einer Walkenrieder Urkunde von 1277. Kloster Sittchenbach tritt in derselben an Walkenried die Kirche in Mönchpfiffel ab, und zur Vermeidung von Streitigkeiten wird bestimmt, dass Walkenried wie Sittchen- bach auf Erwerbungen in einem gewissen Gebiete verzichten sollen. Walkenried soll nichts zwischen Pfiffel und Osfurt, dem Berge Vorst und der Unstrut erwerben. Osfurt ist nicht bekannt, Vorst vermutlich der Allstedter Forst, so dass also ein auf der linken Seite der Helme, in dem Winkel zwischen dieser und der Unstrut gelegenes Gebiet gemeint zu sein scheint, wie denn auch der ganze Zusammenhang darauf führt, dass Walkenried auf Erwerbungen in einem von Pfiffel aus nach der Seite von Sittchenbach gelegenen Gebiete verzichtete. Dagegen soll Sittchenbach nichts erwerben „ab illa parte Piffelde usque Walhusen inter montem, qui Wodansberg vocatur, et aquam Helmena.“ Pfiffel und Wallhausen, Helme und Wodansberg erscheinen also als Grenzen eines dem ganzen Zusammenhange nach auf der rechten Seite der Helme zu suchenden Gebietes. Der nächste Berg von Bedeutung, der auf der Strecke Wallhausen--Pfiffel der Helme gegenüber liegt, ist der Kiffhäuser, und so muss es nach den gegenwärtig bekannten Quellen wenigstens als möglich gelten, dass mit Wodansberg der Kiffhäuser gemeint ist. Mag nun aber diese interessante Frage durch weitere Quellenforschung

 

 

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entschieden werden wie sie will, schon die Vergleichung mit den übrigen Bergen, in denen Kaiser und Helden schlummern, berechtigt uns zu der Annahme, dass die Lokalisation der Friedrichsage am Kiffhäuser einfach in der Weise stattfand, dass Kaiser Friedrich die Stelle des seit alter Zeit in diesem Berge schlummernden Gottes Wodan einnahm. *) 18)

 

In welcher Zeit diese Verschmelzung der Friedrichsage mit der heidnischen Göttersage erfolgt ist, lässt sich schwer feststellen. **) Erst in den Quellen des XVI. Jahrhunderts fanden wir dieselbe vollzogen, und in weiterem Kreise kann diese neue Form der Friedrichsage unmöglich viel früher bekannt gewesen sein; insbesondere wussten von ihr die Verfasser der süddeutschen Gedichte des XIV.

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*) Die Lage des früheren Dorfes Ossfurd ist jetzt wohlbekannt: der sogenannte „Usfohrtsbrunnen“ (Ausfahrtsbrunnen!) auf der linken Seite der Unstrut zwischen Memleben und Wendelstein bezeichnet die Stelle, wo es einst stand. Werfen wir einen Blick auf das beiliegende Kärtchen, so erkennen wir sofort das dem Ziegelroder Forst entlang laufende Unstrutthal bis zu seinem Abschlusse durch die Steinklebe bei Memleben als das Gebiet, in welchem es nur Sittichenbach gestattet sein sollte, Erwerbungen zu machen. Auf der anderen Seite lehrt uns derselbe Blick, dass unter der Landstrecke, auf die sich die Erwerbungen Walkenrieds zu beschränken hatten, nichts anderes verstanden werden kann, als das rechte Thal der Helme bis zum Fusse des Kiffhäusergebirges. Zahlreiche Urkunden liefern uns den Beweis, dass gerade im Helmethale das Kloster Walkenried seine reichsten Besitzungen hatte, während Sittichenbach dort nichts besass. Es kann deshalb wohl kein Zweifel sein, dass der Wodansberg der Urkunde mit dem Kiffhäuserberge identisch ist; befindet sich ja doch auch, wie Dr. Fulda ganz richtig bemerkt, kein anderer nennenswerter Berg in der beschriebenen Gegend, der dem Kiffhäuser jenen Namen streitig machen könnte.

J. Schmidt.

 

**) Die Annahme einer solchen Verschmelzung ist um so ansprechender, da es für die Thatsache, dass die Sage von der Wiederkehr des Kaisers sich allmählich an bestimmte, meist historisch beziehungsarme Berge festgeheſtet hat, keine andere Erklärung giebt. Voigt selbst sagt: „Wie es geschah, dass die Sage sich hie und da festsetzte, an unzähligen anderen Orten aber nicht, das entzieht sich jeder Erörterung.

 

 

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Jahrhunderts offenbar noch nichts. Aber das schliesst nicht aus, dass in der Lokalsage diese Verschmelzung schon früher stattfand, und wenn Rytesel, Engelhusius und Rothe in ihren kurzen Notizen nur von einem Leben und Wandern auf dem wüsten Schlosse sprechen, so kann doch gleichzeitig im Munde des Volkes bereits eine umfassendere Sagenbildung bestanden haben, wie denn auch Rohte bereits davon spricht, dass der Kaiser mit den Leuten rede und sich zu Zeiten sehen lasse, also die Nebensagen des Kiffhäusers bereits zu kennen scheint.

 

Mit dem Uebergange in die Bergentrückungssagen hat die Friedrichsage der Hauptsache nach ihren Abschluss erreicht. Wohl sehen wir manche nicht unwesentliche Züge der Sage erst in späteren Quellen hervortreten, wie z. B. das Fragen des Kaisers nach den Raben; aber solche Züge, mögen sie nun neu sich gebildet haben oder, was ich für wahrscheinlicher halte, zufällig in den ja sehr dürftigen älteren Quellen nicht erwähnt sein, dienen offenbar nur dazu, das in den Hauptzügen feststehende Bild weiter auszumalen. 19) Dagegen sehen wir manche sehr wesentliche Züge der Sage im Laufe der Zeit allmählich verblassen. Wie mächtig trat in den Quellen des XIV. Jahrhunderts der Zug hervor, dass Friedrich die Geistlichen strafen, die Mönche und Nonnen zur Ehe zwingen solle. Das Volksbuch vom Jahre 1519 ist die letzte Quelle, die vom Strafen der Geistlichen spricht. Mit der Reformation war nach dieser Richtung hin die Sehnsucht des Volkes erfüllt.

 

Länger und allgemeiner erhielt sich die Idee, dass Friedrich das heilige Grab befreien sollte. Ein merkwürdiges Zeugnis dafür finden wir in einer Schrift Luthers vom Missbrauche der Messe. Gegen das Ende dieser 1521 erschienenen Schrift heisst es nämlich: »Ich hab oft in den Landen, als ich ein Kind war, eine Prophecey gehört, Keiser Friderich würde das heilige Grab erlösen, und wie denn der Propheceien Art und Natur ist, das sie ehe erfüllet denn verstanden werden, so sehen sie allezeit

 

 

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anderswohin, denn die Worte für der Welt lauten. Also deucht mich auch, dass diese Prophecey in diesem unserm fürsten hertzog Friderichen zu Sachsen erfüllet sey. Denn was können wir für ein ander heilig Grab verstehen, denn die heilige Schrift, darinnen die Wahrheit Christi durch die Papisten getöd ist, begraben gelegen, welches die Böttel, das ist die Bettelorden und Ketzermeister behüt und bewart haben, das kein Jünger Christi keme und stele sie. Denn nach dem Grab, da der Herr in gelegen hat, welches die Saracenen inne haben, fragt Gott gleich so viel als nach allen Küen von Schweitz. Nun kann Niemand . leugnen, das bey euch unter Hertzog Friderich, dem Churfürsten zu Sachsen, die lebendige Wahrheit des Evangelii erfür kommen. Wie, wenn ich ein Engel oder Magdalena bey dem Grabe gewest were? Und ob wol er jetzunder kein keyser ist, so ist das genug zur Erfüllung der Prophezey, dass er zu Frankfurt von den Churfürsten eintrechtiglich ein Kaiser erwelet ist und war auch wahrhafftig Kaiser, wenn er gewöllet het!“

 

Aus dieser Stelle, auf welche zuerst Herr Dr. Julius Schmidt aufmerksam gemacht hat, ergiebt sich, dass Luther zwar die Friedrichsage kannte, aber doch nur in sehr unvollkommener Weise. Er weiss nur von dem Kaiser, der das heilige Grab befreien soll, und nur durch eine symbolische Deutung dieses Zuges der Sage stellt er eine Beziehung zur Reformation her. Dass die Friedrichsage in direkter Beziehung zur Reformation stand, ist ihm offenbar unbekannt geblieben. In der That scheint dieser Zug trotz der Erwähnung im Volksbuche von 1519 in der letzten Zeit vor der Reformation keineswegs so allgemein bekannt gewesen zu sein, wie im XIV. Jahrhundert.

 

Auch die Kreuzzugsidee verschwindet aus der Sage mit dem Mittelalter, wenn auch die Luther'sche Auffassung derselben noch mehrfach im XVII. Jahrhundert wiederholt wird.

 

So ist denn nur der Gedanke, dass Kaiser. Friedrich

 

 

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sein verlassenes Kaisertum aufs neue antreten solle, lebendig geblieben, allerdings nicht etwa so, dass die Sage auch im XVII. und XVIII. Jahrhundert eine allgemein bekannte und ein Ferment gewesen wäre in den politischen Bestrebungen der Zeit. Eine unbefangene Prüfung der neueren Quellen führt vielmehr zu der Ueberzeugung, dass es lediglich Rückerts Dichterwort gewesen ist, welches die in der Sage schlummernde politische Idee zu frischem Leben erweckte und so die Sage aufs neue zum Ausdrucke der nationalen Hoffnungen erhob, wie sie es in anderer Weise in den Jahrhunderten nach Friedrich gewesen war. 20)

 

Wir sind Zeugen gewesen, wie diese Hoffnungen sich verwirklichten, und allem Anscheine nach ist damit der Entwickelung der alten Kaisersage endgültig ein Ziel gesetzt. So ist denn jetzt so recht die Zeit für eine historische Betrachtung derselben gekommen, und es ist nicht auffallend, dass uns vielfach wissenschaftliche wie populäre Darstellungen der Sage begegnen. Aber trotzdem hat sie noch lange nicht ihre volle Würdigung gefunden. Wir sind noch immer zu sehr geneigt, diese Sage als einen Gegenstand lediglich poetischen Interesses zu betrachten. Aber wenn eine Sage oder Prophezeiung, die zu den Lebensinteressen eines Volkes in engster Beziehung steht, in allen Schichten desselben allgemeine Verbreitung findet, so tritt sie ein in den Kreis der treibenden Mächte des geschichtlichen Lebens, und wie man in der neueren französischen Geschichte der Napoleonischen Legende *) eine nicht geringe Wichtigkeit beimisst, so wird man in der deutschen Geschichte noch viel weniger die grosse Bedeutung verkennen dürfen, welche die Friedrich- und Kiffhäusersage für die Vorbereitung der Reformation und des neuen Kaiserreiches gehabt hat. 21)

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*) Vgl. Schrammen, Die deutsche Kaisersage S. 9.

 

 

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1) Eine nach allen Seiten hin dem heutigen Stande der mythologischen Forschung entsprechende Darstellung existiert noch nicht.

 

2) Die Kiffhäusersage gehört zu den historischen Volkssagen. Bei dieser in unserm Vaterlande so zahlreichen Klasse von Sagen lassen sich durchweg drei Elemente unterscheiden, ein historisches, ein mythologisches und ein poetisches. *)

 

3) Wie in Südfrankreich 1229 die Albigenser, so wurde in Deutschland 1234 der friesiscche Stamm der Stedinger durch ein Kreuzheer ausgerottet.

 

4) Friedrichs alter Gegner, der 100jährige Gregor IX. erhob plötzlich Klage über angebliche Schädigung des Klerus in Sicilien. Vergebens erbot sich Friedrich, alle Beschwerdepunkte zu untersuchen und Abhülfe zu schaffen. Rom wollte den Krieg. Am Palmsonntage 1239 sprach der Papst den Bann über den Kaiser aus.

 

5) So entstand denn auch in Deutschland eine allgemeine Auflösung aller gesetzlichen Ordnung, die Blütezeit des Faustrechtes, in der jeder grosse und kleine Machthaber unter dem Vorwande des politischen Partei-Interesses zu rauben und an sich zu reissen suchte, so viel er konnte. Eine gewaltige Bewegung durchzog die Gemüter, sagt ein Historiker. Der Kampf zwischen Kaisertum und Kirche tobte nicht nur im Felde, wurde nicht nur mit Blut und Eisen durchgefochten, er war auch in das Innere der

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*) Vergl. Koch, Die Sage von Kaiser Friedrich.

 

 

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Wohnungen eingedrungen, er hatte die Familien und die Gewissen verwirrt.

 

6) Frohlockend wie eine Siegesbotschaft verkündigte Innocenz IV., der Nachfolger Gregors, Friedrichs Tod in alle Welt hinein: Freuen sollen sich die Himmel und die Erde hüpfen, dass der Sturm schrecklichen Ungewitters, womit der wunderbare und furchtbare Gott Euch alle so heftig betrüben liess, sich in rosenduftenden Windhauch verwandelt hat. *)

 

7) Es erhob sich 1261 ein falscher Friedrich in Apulien, sammelte ein Heer um sich, wurde aber von Manfred geschlagen und getötet; ein anderer trat um das Jahr 1287 in Lübeck auf und fand unter dem gemeinen Volk auch dort grossen Anhang; ein dritter wurde 1295 in Esslingen von Adolf von Nassau verbrannt. Bei weitem der bedeutendste unter den falschen Friedrichen aber ist ein rätselhafter Mann, der später auf der Folter als seinen eigentlichen Namen Dietrich Holzschuh oder Tile Kolup angegeben haben soll. Victor Meyer hat die Identität dieses Namens mit dem in einzelnen Quellen überlieferten Dietrich Holzschuh (ϰαλόπους calopus = Holzschuh) nachgewiesen. Wenn Johannes Rothe erzählt, dass er vor seinem Tode Diterich Stal als seinen wahren Namen bekannt habe, so liegt wohl hier eine Erklärung von Kolup aus dem griechisch-lateinischen chalybs zu Grunde. **) Er trat zuerst in Köln 1282 oder 83 auf, fand dort jedoch nur wenig Anklang, ging darauf nach Neuss und führte von dort aus eine Art Gegenregierung gegen Rudolf von Habsburg. Eine Menge von Städten und kleinen Herren, die mit Rudolf unzufrieden waren, schloss sich ihm offen an, auch die thüringischen Landgrafen nahmen seine Gesandten mit grossen Ehrenbezeugungen auf, und die

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*) Vergl. Häussner, Die deutsche Kaisersage.

**) Petry, Zeitschrift des berg. Geschichtsvereins 1865.

V. Meyer, Tile Kolup und die Wiedergeburt eines echten Friedrich, Wetzlar 1868.

 

 

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bedeutenden Geldmittel, über die er verfügte, weisen darauf hin, dass überhaupt mächtiger Einfluss ihn heimlich unterstützte. Als im Jahre 1285 über die Steuerauflagen Rudolfs grosse Unzufriedenheit herrschte, erklärten sich auch Colmar, Hagenau und andere oberrheinische Städte für Tile Kolup. Dieser zog nun von Neuss nach Wetzlar und sandte dem Könige Rudolf den Befehl, vor ihm als seinem rechtmässigen Kaiser zu erscheinen. Da zog Rudolf mit Heeresmacht vor Wetzlar, der falsche Friedrich wurde ihm ausgeliefert, gefoltert und dann als Ketzer verbrannt. In der dampfenden Asche fand man keine Gebeine, da ging die Rede im Volke, das sei aus Gottes Kraft; er sei der rechte Friedrich gewesen und werde wiederkommen, die Pfaffen zu vertreiben.

 

Hatte dieser Tile Kolup eine nicht unerhebliche politische Bedeutung erlangt, so ist dagegen ein späterer Pseudofriedrich sehr harmloser Natur. Es war am 15. Februar des Jahres 1546, als die Umwohner des Kiffhäusers plötzlich aus der alten verfallenen Kapelle Rauch aufsteigen sahen. Eine Menge Menschen eilten hinauf und fanden dort einen Mann beim Feuer sitzen mit bleichem Gesichte, weissem, verwirrtem Haare und langem, schwarzem Barte. Sein Kopf war so dürr und hager, dass man meinte, er müsse ganz hohl sein. Seltsame Waffen und Kleider vermehrten den sonderbaren Eindruck des Mannes. Er erklärte: „Ich bin Kaiser Friedrich und deswegen hier erschienen, um wieder Frieden in die Welt zu bringen; denn die jetzigen Fürsten werdens nicht ausmachen.“ Das Volk jauchzte ihm Beifall zu und wollte ihn sogleich mit sich führen, er wollte aber nicht folgen, da er erst die Antwort mehrerer Fürsten, an die er geschrieben, abwarten müsse. Durch ganz Deutschland erscholl die Nachricht von dem wieder erschienenen Friedrich, und schliesslich machte sich der schwarzburgische Landvoigt in Frankenhausen, ein Herr von Brüneck, mit dem Prediger, Bürgermeister und Rat auf, um die Sache zu untersuchen.

 

 

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Der Prediger hielt ihn für einen Wiedertäufer, indessen wusste er in Glaubenssachen sehr gut Bescheid zu geben. Schliesslich führten sie ihn heimlich bei Nacht nach Frankenhausen und von dort nach Sondershausen. Hier ergab denn eine genaue Untersuchung, dass der wiedererstandene Friedrich eigentlich Johannes Leupold hiess, aus Langensalza herstammte und seines Zeichens ein Schneider war, der zuweilen nicht ganz recht im Kopfe war. Beiläufg haben neuere Gelehrte wenigstens in diesem Schneider einen Pseudo barbarossa zu finden gemeint, die gleichzeitigen Akten und Quellen aber sprechen entweder lediglich von Kaiser Friedrich im allgemeinen oder geradezu von Friedrich II. (cf. Mich. p. 159). Herzog Albrecht von Preussen, der von der Geschichte gehört hatte und sich darnach erkundigte, schreibt ausdrücklich, es sei doch unbegreiflich und wider die Natur, dass Jemand in die 300 Jahre ohne Essen und Trinken sich erhalten möge. Rechnen wir nun von 1546 ab 300 Jahre rückwärts, so kommen wir ziemlich genau auf das Todesjahr Friedrichs des Zweiten, 1250, während Barbarossa 60 Jahre früher gestorben war. *) Wiederholt haben auch bedeutende Gelehrte in alter und neuer Zeit die ganze Kiffhäusersage von dem Auftreten dieses armseligen Schneiders herleiten wollen, eine Auffassung, die keiner Widerlegung bedarf.

 

8) Im Jahre 1347 war Kaiser Ludwig im Banne gestorben.

 

9) Hier begegnet uns eine Verbindung der Friedrichsage mit den im Volke fortlebenden Vorstellungen der alten heidnischen Mythologie. **) Die Isländer haben uns die ursprüngliche Sage erhalten von der gewaltigen Schlacht auf der Ebene Wigrid, in der Odhin mit allen Göttern und allen Helden der Walhalla, den Einheriern,

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*) Vergl. Lembcke p. 66 sq.

**) Fulda bezieht sich hier auf seinen 1872 im Harzvereine gehaltenen Eddavortrag, vergl. auch den Artikel in Jahn's Jahrbüchern.

 

 

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gegen Loki und sein Geschlecht, gegen die Riesen und alle Mächte der Finsternis kämpft. In der eigentlichen deutschen Mythologie müssen wir uns begnügen, die Nachklänge dieses dem Weltende vorausgehenden Kampfes in zahlreichen Sagen und Prophezeiungen nachzuweisen. So ist diese Friedrichsschlacht, die nach anderen Quellen auf dem Walserfelde geschlagen werden soll, nichts anderes als die nordische Götterdämmerung. Und wenn nach geendetem Streite der Kaiser seinen Schild an einen dürren Ast hängen soll, der dann ergrünt, so brauchen wir uns nur zu erinnern an die gewaltige Weltesche Ygdrasil des nordischen Mythus, die durch das Feuer des Weltbrandes entlaubt wird, in der sich aber Lif und Lifthrasir, Leben und Lebenskraft, verborgen haben. Wie also aus dem Stamme der Weltesche neues Leben hervorgeht, so grünt auch der Baum auf dem Walserfelde wieder, wenn der siegreiche Kaiser als Zeichen des Friedens seinen Schild an demselben aufhängt. So sehen wir also in der Friedrichsage die nationale Opposition gegen Rom in die engste Verbindung treten mit den Resten der nationalen Religion, und diese Verbindung ist keineswegs eine zufällige. Für eine tiefere Geschichtsauffassung ist ja das Werk der Reformation aufs innigste mit der germanischen Nation und den von Urzeiten her in ihr lebenden sittlichen und religiösen Ideen verknüpft, und wir können in diesem Sinne die Friedrichsage des XIV. Jahrhunderts auffassen als eine der merkwürdigsten Zwischenstationen zwischen Wittekind und Luther.

 

10) Der Historiker Voigt in Leipzig hat neuerdings aus dem in dieser Stelle gebrauchten Ausdrucke „her wander zu Kuffhusen“ folgern wollen, dass zu Rothe's Zeiten die Sage von dem im Berge sitzenden Kaiser noch nicht ausgebildet gewesen sei; indessen betrachtet der streng kirchlich gesinnte Hofkaplan Rothe offenbar die Sache als eine gefährliche und ketzerische Gespenstergeschichte,

 

 

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auf die näher einzugehen sich nicht lohnt, und begnügt sich deshalb mit dem allgemeinen Ausdrucke „Wandern“, wie wir ja „Umgehen“ auch für Gespensterspuk der verschiedensten Art brauchen.

 

11) Auch hier finden wir also die Meerfahrt nach dem heiligen Lande und die Friedensherrschaft des grossen Kaisers, während der Ingrimm, mit dem der geistliche Verfasser diesen Glauben an den vom Papste gebannten Friedrich als Ketzerei brandmarkt, deutlich genug zeigt, dass auch hier in Thüringen das reformatorische Element keineswegs fehlte.

 

12) Je mehr wir uns der neueren Zeit nähern, desto mehr tritt die grossartige kirchliche und politische Tendenz der Friedrichsage in den Hintergrund, wenn sie auch niemals völlig schwindet. Desto reicher entwickelt sich das mythische und poetische Element, z. B. in der noch wenig bekannten Erzählung, die in Basel 1537 in Form eines Gespräches zwischen einem Römer und einem Deutschen verfasst ist. (V. Meyer p. 67.)

 

13) In dem süddeutschen Volksbuche heisst es vorher: Und ist zuletzt verloren worden, dass Niemand weist, wo er hyn ist kommen, noch begraben. Die Pawern und schwarzen künstler sagen, er sey noch lebendig u. s. w.

 

14) Kaiser Friedrich soll auch in Trifels bei Anweiler in der Pfalz sitzen u. a. O. *)

 

15) Die Vorstellung von Götterbergen finden wir auch bei verwandten Völkern wieder z. B. im griechischen Olymp.

 

16) In einer Urkunde von 1434 finden sich auch die Bezeichnungen „heiliger Born, heiliges Holz.“ **)

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*) Vergl. S. 26 Anm.

**) Die Notiz entstammt C. Meyer's Beitr. z. Gesch. d. goldenen Aue; in Fulda's Vortrag vom Jahre 1877 ist auf diese Namen kein Gewicht gelegt. Herr Meyer teilt brieflich mit, dass der Schwarzburgische Lehnsbrief über Rothenburg für Fr. v. Tütcherode und der Lehnsrevers Fr. v Tütcherode's (beide von 1434) es seien, welche „das Heiligenholz“ und „den heiligen Born“ nennen. Er hält es für wahrscheinlich, dass sie dem wüsten Dorfe Lindesche angehören, während die dem Volke geläufige Bezeichnung „heilige Eichen“ nach seiner Vermutung auf die alte Kultusstätte des Kiffhäusers hindeutet.

 

 

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17) Es kommt hinzu, dass die Tage, an denen man besonders nach der Kapelle zu wallfahrten pflegte, zum Teil mit heidnischen Festzeiten übereinstimmen.

 

18) Ueber die historischen Beziehungen des Kiffhäusers zu den deutschen Kaisern sei folgendes bemerkt *): In der älteren Zeit hatten die Kaiser in allen Gauen Krongüter, Saalgüter genannt. Ein solches Krongut bildete schon zur Zeit Karls des Grossen Tilleda mit dem Kiffhäuserberge. Die Kaiser hatten auf einem südlich von Tilleda gelegenen Hügel, jetzt Pfingstberg genannt, eine Burg, die insbesondere zur Grenzverteidigung gegen die Wenden bestimmt war. So haben denn die deutschen Kaiser, die ja einen festen Wohnsitz nicht hatten, sehr oft in Tilleda am Fusse des Kiffhäusers residiert, wie das urkundlich feststeht von Otto II., Otto III, Konrad II, Heinrich III. Auch Friedrich I. Barbarossa war nachweislich zweimal dort, 1174 und 1180. Sein Sohn Heinrich VI. empfing 1195 in Tilleda Heinrich den Löwen, der hier nach zwanzigjährigem Kampfe mit dem Hause der Hohenstaufen sich versöhnte. Von späteren Kaisern, insbesondere auch von Friedrich II. ist eine Anwesenheit in Tilleda nicht nachzuweisen. --- Der häufige Aufenthalt der Kaiser in Tilleda muss den Gedanken an die Unterhaltung einer grösseren Reichsburg auf dem Kiffhäuser nahegelegt haben. Wann dieselbe erbaut ist, lässt sich nicht feststellen. Die thüringischen Chronisten behaupten, die Burg sei schon von Julius Caesar angelegt und Confusio von ihm genannt worden, weil er das Königreich Thüringen in Verwirrung gebracht habe. Andere setzen die Gründung erst in die Zeit Heinrichs IV. Sicher ist, dass in den Kämpfen, welche

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*) Vergl. u. a. Lembcke p. 3-27.

 

 

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aufständische sächsische und thüringische Fürsten gegen Heinrich V. führten, 1118 die kaiserliche Burg Kuphese oder Kyffhausen zerstört wurde. Sie scheint jedoch bald wieder aufgebaut zu sein, da die Trümmer der gegenwärtigen Ruine auf eine Erbauung im XII. Jahrhundert hinweisen, und auch ein Rittergeschlecht, welches sich nach der Burg nennt, im Laufe dieses Jahrhunderts mehrfach vorkommt. Abgesehen von diesen Herren „de Kufese“, die vermutlich Burgvögte waren, ist aus der ganzen Zeit der Hohenstaufen keinerlei Notiz über die Burg erhalten. Rudolf von Habsburg ernannte 1290 den Grafen Friedrich von Beichlingen-Rothenburg zum Burggrafen von Kuffese. Dieses auf der Rothenburg residierende Dynastengeschlecht sah sich jedoch durch Schulden genötigt, 1373 die Herrschaft den Landgrafen von Thüringen abzutreten, die sie 1378 an die Grafen von Schwarzburg verpfändeten, welche seitdem im Besitze derselben geblieben sind. Als Nebenbesitzung der Beichlinger und Schwarzburger zerfiel die Burg allmählich im XIV. und XV. Jahrhundert, nur die Kapelle wurde 1433 restauriert und neugeweiht und war bis zur Reformation ein vielbesuchter Wallfahrtsort. Das Recht, sich auf dem Kirchhofe derselben begraben zu lassen, wurde mit hohen Summen erkauft.

 

19) Die in späterer Zeit aus dem Munde des Volkes aufgezeichneten ausserordentlich zahlreichen Sagen würden gesammelt einen stattlichen Band füllen. Unzählige Male erhalten Knaben, Hirten, Bauern oder Musikanten im Kiffhäuser irgend einen scheinbar wertlosen Gegenstand zum Geschenke, Flachsknoten oder Steinchen oder eine Kette oder einen Kegel, der sich später in Gold verwandelt. Auch Wein wird nicht selten verzapft oder Korn gekauft und mit uralten Goldstücken mit dem Bildnisse des Kaisers Tiberius bezahlt. Wehe aber dem Habgierigen, der sich für Getreide mehr Geld genommen, als der Marktpreis in Nordhausen z. B. betrug; das Geld verwandelt sich in Blei, oder es erfolgen auch wohl von unsichtbarer

 

 

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Hand derbe Maulschellen. Auch sind oft Leute im Berge eingeschlafen, und wenn sie nach Sittendorf oder Tilleda zurückkamen, so waren 20 oder 100 Jahre vergangen. Auch in diesen Erzählungen stecken vielfach noch Spuren des alten Mythus, wie z. B. die 12 Gesellen, die zuweilen Kegel schiebend gesehen werden, wohl auf die 12 Götter und das Kegeln auf den Donner zu beziehen ist. *) Eine grosse Rolle spielt in diesen Sagen auch eine Tochter des Kaisers, Prinzessin Utchen, ein Name, der mit Wuotan oder Uten zusammenhängt, sowie die Schlüsseljungfrau, die der Todesgöttin Hel zu entsprechen scheint. Mag in solchen Zügen der Sage manches auf jüngeren Zudichtungen beruhen, sie erweist sich in jeder Hinsicht als ein echter Spross uralter Volkstradition. Die Raben sind es, die dem Kaiser anzeigen sollen, ob seine Zeit gekommen; so sitzen in der Edda auch zwei Raben auf Odhins Schultern, die fliegen täglich aus und flüstern dem Gotte ins Ohr, wie es in der Welt aussieht. **) Nur der Bart des Gottes macht eigentümliche Schwierigkeit, da die neueren Sagen ihn durchweg als rot bezeichnen, während Odhin doch einen grauweissen Bart hat. Man hat angenommen, dass die Gestalt Thors mit der Odhins zusammengeflossen sei, ***) aber da sonst alle Züge der Sage auf Odhin passen, ist diese Annahme doch sehr bedenklich. Ich erinnere hier noch einmal an den Langensalzaer Schneider von 1546, der sich graues Haar und schwarzen Bart zugelegt hatte. Der Rotbart ist in keiner älteren Quelle nachzuweisen,

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*) Diese Ausführungen sind aus Fulda's späterer Rede fortgeblieben, vielleicht unter dem Einflusse der durch Herrn Dr. Julius Schmidt den Akten des K. sächs. Hauptstaatsarchives entnommenen Mitteilung, dass im 16. Jahrhunderte Räuber sich in der Ruine aufgehalten haben. Immerbin bleibt es Aufgabe der vergleichenden Mythologie, auch die einzelnen Züge der Sage auf ihre Ursprünglichkeit zu prüfen, wenn nicht die Geschichte die spätere Entstehung unzweifelhaft nachweist.

**) Vergl. Schrammen S. 58.

***) Vergl. Lembcke p. 36. Dagegen: Häussner p. 6.

 

 

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und ich vermute daher, dass er sich erst in die Sage eingeschlichen, seitdem falsche Gelehrsamkeit der letzten Jahrhunderte die ganze Sage auf den Barbarossa bezog.

 

20) Was die Tendenz der Sage betrifft, so meinte Grimm noch, der Alte im Kiffhäuser sei nur gerichtet auf die Herstellung des Kaisertumes. Aber nach den Quellen, wie sie bis jetzt vorliegen, können wir in dieser Beziehung unmöglich einen Unterschied machen zwischen dem Friedrich der allgemeinen Friedrichsage und dem im Kiffhäuser. Rothe spricht ja noch ausdrücklich von der Eroberung des heiligen Grabes, und der heilige Zorn, mit dem er über die Ketzerei der Kiffhäusersage berichtet, zeigt ganz deutlich, dass zu seiner Zeit die Pfaffen auch vom Alten im Kiffhäuser nichts Gutes zu erwarten hatten. Nach der Reformation ist natürlich dieser Gedanke, dass ein wahres deutsches Kaisertum und der Kampf gegen Rom unauflöslich mit einander verbunden seien, ebenso wie die Kreuzzugsidee in den Hintergrund getreten.

 

21) Die Kiffhäusersage hat eine nationale Bedeutung wie keine andere Sage unseres Volkes, und diese Bedeutung erscheint uns um so grösser, je tiefer wir in ihr eigentliches Wesen eindringen. Zunächst birgt sie in sich die grossartigsten Ideen unsrer heidnischen Vorfahren, den frommen Glauben derselben, dass der Götterkönig, der greise Wodan, alle Heldenkraft des Volkes um sich sammele zu einem gewaltigen Entscheidungskampfe, in welchem schliesslich die Mächte der Finsternis überwunden und eine neue Welt des Lichtes errungen werden soll. Sodann stellt sie uns vor Augen die Ideale unsers Volkes in der Zeit des Mittelalters, das glänzende, alle Völker umfassende Kaisertum, die Vernichtung der Ungläubigen und das tiefe jahrhundertelange Sehnen nach Abschüttelung der geistlichen Fremdherrschaft Roms. -- Aber nicht nur ideale Interessen sind es, durch welche diese Sage Anspruch erhebt auf unsere besondere Achtung. Sie gehört vielmehr unzweifelhaft zu den treibenden Mächten des realen Lebens.

 

 

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Die Friedrichsage hat in ihrer älteren Gestalt offenbar mitgewirkt, in den tieferen Schichten des Volkes die Reformation vorzubereiten, und wer wollte leugnen, dass seit der Zeit, wo Rückert dem alten Golde der Sage durch sein Gedicht ein so herrliches neues Gepräge gab, diese Sage mitgewirkt hat, den Gedanken an eine Wiederherstellung des nationalen Kaisertumes im Süden wie im Norden in die weitesten Kreise des Volkes hineinzutragen. Von der gewaltigen Wirksamkeit der Napoleonischen Legende weiss jede Geschichte Frankreichs zu erzählen; eine wahrhaftige Geschichte unsers Volkes wird auch in alle Zukunft hinein berichten müssen von der Friedrichsage und vom Kiffhäuser.

 

 

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Kiffhäuser, alter, würd'ger Berg,

Seit meiner Kindheit mir vertraut,

Den ich bei jedem Gang ins Feld

Mit immer neuer Lust geschaut,

Dein waldumlocktes Haupt, es scheint

Viel höher jetzt emporzuragen,

Seit Deutschlands Krieger Dich erseh'n,

Des Kaisers Denkmal stolz zu tragen.

 

O Sprich, wie kam's, dass just von dir

Erging so wundersame Kunde,

Dass viele hundert Jahre lang

Du warst in allen Volkes Munde?

Wie kam's, dass just in deinen Schooss

Der alte Kaiser Friedrich stieg

Und schlummernd harrte, bis das Reich

Auf's neu' erstand aus Kampf und Sieg?

 

»» Wohl ragen schönere Berge in manchem deutschen Gau,

Ich stehe im Herzen von Deutschland, in lachender, goldener Au,

Weitab den grossen Strömen und fern dem Grenzgebiet,

So dass nicht fremder Schimmer mein Volk ins Weite zieht;

Getreu der Väter Sitte, mit schönem, schlichtem Sinn

Giebt nicht um leichte Ware es heimische Güter hin.

So hat durch alle Zeiten sich dieses Volk bewährt,

Hat Gutes hier und Edles auf meiner Höhe verehrt.

Willst Du die Sagen hören, daran es sich erquickt

In seiner Schmach und Schwäche, bis Gott den Sieg geschickt? --

 

 

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Ich stand schon hoch in Ehren zu altersgrauer Zeit,

Dem grossen Wodan war ich als Heiligtum geweiht.

Doch als die Christenboten einzogen in das Land,

Da wurden die alten Götter verleugnet und gebannt.

Und auch der starke Wodan, des Ringens müde, stieg

In meine Tiefen und harrte auf künftigen Streit und Sieg.

Nur seine Vögel, die Raben, liess draussen er zurück,

Ihm Kunde stets zu bringen, was scharf erspäht ihr Blick.

Einst gab der Götterkönig sein Auge willig hin,

Sein schönes, strahlendes Auge, der Menschheit zum Gewinn;

Jetzt war ein Grösserer kommen, der gab sein Leben dar,

Und machtlos schlief nun Wodan, bis er vergessen war.

Vergessen ward vom Volke Walhall, Walkür' und Zwerg,

Doch ich blieb ihm noch lange der heilige Wodansberg.

 

Das Neue verdrängt das Alte, vorbei rauscht Freud' und Leid,

Nur wenige Zeugen melden uns von der alten Zeit.

Die Burg auf meinem Scheitel, sie ward erbaut, zerstört,

Ich hab' im wechselnden Kriegsglück gar manchem Herrn gehört.

Es herrschten die Deutschen mächtig bis über die Grenzen weit,

Doch weh, sie vergassen der Heimat ob allem welschen Streit.

Drum kamen schwere Zeiten ins teuere Vaterland,

Da man nicht Kaiser, nicht Richter auf seinem Stuhle fand.

In seinem Schmerze klagend hat da mein Volk gedacht

An Friedrich, seinen Kaiser, einst gross an Mut und Macht.

Ihn hat im fremden Lande ein schneller Tod ereilt:

Ist's wahr? --- Ob er verborgen nicht noch hienieden weilt,

Um seiner Zeit zu kommen, zu festigen das Reich,

Den frechen Papst zu schlagen mit einem kühnen Streich? --

Ein unablässig Raunen drang so zu jedem Ohr,

Ein Fragen war's und suchen, wohin er sich verlor.

Da ward die halbverklung'ne, die Heidensage geweckt:

 

 

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»Ein mächtiger König, -- hat er im Berg sich nicht versteckt!?

»Im Berg dort, im Kiffhäuser, -- jawohl, dort sitzt ein Held,

»Das ist er, unser Kaiser, entrückt der argen Welt!

»Dort, wo die Pfalz des Kaisers lehnt an des Waldes Saum,

»Da träumt er mit seinen Recken vom neuen Reiche den Traum.

»Einst bringt er Macht und Grösse und stolzen Sieges Glück,

»Es währe noch so lange, dem Vaterlande zurück.«

 

Und dreimal hundert Jahre, Sie gingen hin ins Land,

In einem Bergmannssohne, mir nah', ein Recke erstand;

Den Streich gab er dem Papste nach echter, deutscher Art,

Darnach ein langes Kriegen im ganzen Reiche ward,

So schrecklich, dass Alldeutschland totwund zusammenbrach

Und dreimal hundert Jahre in seinen Schmerzen lag. --

War's nicht das grosse Ringen dort auf dem Walserfeld,

Davon dereinst die Väter weissagend schon erzählt?

»Es steht ein dürrer Birnbaum, der grünet über Nacht,

» Wer seinen Schild dran hänget, bekommt im Reiche die Macht,«

Der Birnbaum ist von Christus die unverfälschte Lehr',

Der Schild der Hohenzollern hängt dran als gute Wehr.

Es kehrte Kaiser Wühelm aus ruhmesreicher Schlacht,

Nicht Rom wollt' er gewinnen, noch römischen Kaisers Macht;

Das Reich hat er geeinet, frisch regt sich alter Saft,

Was Friederich geträumet, hat Wilhelm jetzt geschafft.

Des Vaterlandes Stärke sah ich durch ihn ersteh'n,

Und Kaiser Friedrichs Schatten braucht nicht mehr umzugeh'n.

Ist Wilhelm auch gestorben, es sitzt auf seinem Thron,

Um Volk und Reich zu schützen, sein junger Enkelsohn.

 

 

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Es grüne fröhlich weiter sein kaiserlich Geschlecht

Und schirme noch manch Jahrhundert des deutschen Volkes Recht!

Auf mir jedoch soll stehen des greisen Kaisers Bild,

Weil die Kiffhäusersage durch ihn sich stolz erfüllt.««

 

So klang des alten Kiffhäusers Wort;

Ich wurde nicht müde zu lauschen

Dort, wo um mosiges Trümmergestein

Die Eichen und Buchen rauschen.

 

M. F.

 

 

 

Druck von A. Schneider, Sangerhausen.

 

 

 

 

 

Die Wiederauferstehung des heiligen römischen Reichs

Die Wiederauferstehung des heiligen römischen Reichs.

 

Noch einmal sattelt mir den Hippogryphen, ihr Musen,

Zum Ritt in's alte romantische Land.

 

Der alte Barbarossa, der in seinem Kyffhäuser über dem langen Warten recht müde geworden und ernstlich eingeschlafen war, erlebte in unsern Tagen eine große Freude, Es ist etwa zwei Jahre her, daß sich ein ungezogener Poet mit ihm unterredete: Heinrich Heine, der letzte Ritter der alten liederlichen Romantik, der in seinen träumerischen Spaziergängen sich einmal in das alte Nebelreich des Mittelalters verirrte und im Anfang mit dem guten Kaiser ganz cordial verkehrte, bis die jung-deutsche Ungezogenheit dem alten Herrn vor den Kopf stieß. Damals wurde er sehr aufgebracht, der ehrliche Flachsbart, und nahm sich vor, auf lange mit den Deutschen nicht wieder zu verkehren; sein müdes Haupt sank wieder auf den Tisch von Marmorstein und es kümmerte ihn nicht, daß die Raben noch immer in langweiligem Flug um den Kyffhäuser kreisten und das alte Lied krächzten: der römische Kaiser hat abgedankt und der deutsche Bund besteht aus 38 souveränen Familien.

 

Da wallfahrtete vor ein Paar Tagen eine eigenthümliche Schaar Biedermänner durch das grüne Waldgebüsch dem Zauberschloß des Hohenstaufen zu, Sie waren befrackt, aber unter dem Pariser Frack schlug ein frisch fromm froh freies Herz; das Symbol des modernen Bewußtseins, die Brille, beschattete ihre von Gedanken gefurchten Züge, aber darunter leuchtete das biedere deutsche Träumerauge, die blaue Blume der Romantik; sie waren müde vom Wandern, denn ihre Chaussure gehörte dem Zeitgeiste an, aber unverdrossen schwangen sie eine große roth-schwarz-goldne Fahne über ihren Häuptern und brachen von Zeit zu Zeit in den Biercomment aus: „Es lebe Friedrich Rothbart, der constitutionelle Kaiser der vereinigten Deutschen!“

 

Als der Zug am Kyffhäuser angekommen war, trat ein Bedienter in der kaiserlich Hohenstaufischen Livree ihnen entgegen und fragte: „Zu wem wünschen Sie, meine Herren?“ -- „Wir wollen Sr. Majestät unsere unterthänige Aufwartung machen.“ -- „Wen habe ich die Ehre zu melden?“ -- Wir find 17 Hofräthe, Professoren des römischen Rechts und Vertrauensmänner des deutschen Bundes,

 

 

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und als solche mit einer wirklichen geheimen Mission an Se. Majestät bevollmächtigt.“ -- „Se. Majestät hält ihr Mittagsschläfchen, aber belieben Sie vorläufig in ein Seitenzimmer zu treten, sobald der Herr aufwacht, werde ich Sie sogleich einführen.“

 

Ich muß beiläufig bemerken, daß der Kammerdiener nicht in der alten Rüstung, von Kopf bis zu Fuß geharnischt erschien, er war Rokoko gekleidet; in seiner Jugend hatte er bei Herrn v. Gentz gedient und die Liebesbriefchen seines Herrn zu den schönen Füßen der europäisch-amerikanischen Tanznotabilität Fräulein Fanny Elsler niedergelegt. Er war Mitarbeiter am Berliner politischen Wochenblatt gewesen und war nur durch Kabale aus einem einträglichen Dienst entfernt; als die Gräfin von Landsfeld mit den Rittern der Legitimität, den Patres der Gesellschaft Jesu, in Conflict gerieth, kam er mit seinem eigenen Herzen in Collision; der chevalereske Sinn und die Loyalität stritten mit seinen aristokratischen Sympathien; die Gewohnheit der schönen Spanierin, mit der Cravache schnell bei der Hand zu sein, gab den Ausschlag; er verließ

verlassen und traurig wandernd“

den bairischen Hof und trat bei Kaiser Friedrich als Geheimsecretär in Dienst; seine Hauptaufgabe war, den Herrn durch Vorlesen des Fouquéschen Zauberrings allabendlich in sanften Schlaf zu wiegen.

 

Der alte Kaiser empfing die Deputation auf seinem Lehnstuhle. Er sah etwas aufgedunsen aus, er hatte sich in der tödtlichen Langeweile seines Kyffhäuser Aufenthalts das Trinken angewöhnt. Er konnte beim Eintritt der gelehrten Männer eine leichte Verwirrung nicht verbergen. Sie stellten sich vor als rechtskundige Vertrauensmänner der deutschen Nation, berufen, die Rechte und Privilegien der deutschen Stände festzustellen. Der Kaiser schmunzelte , er erinnerte sich zu seiner Zeit auf der Roncalischen Ebene eine ähnliche gelehrte Versammlung berufen zu haben; er wußte, was die Gelehrsamkeit in solchen Fällen zu bedeuten habe. Indeß fragte er nach den nähern Umständen, die diesem neuen Kaisergesez vorangegangen seien.

 

Man erzählte ihm zuerst von dem liberalen Papst, der in ganz Italien das nationale Bewußtsein wieder erweckt habe, dessen Name das Feldgeschrei der Mailänder Insurgenten wäre. -- Die Zeiten haben sich wenig geändert, bemerkte er darauf, es war in meinen Tagen gerade so. -- Man berichtete ihm dann weiter von dem vierzigjährigen Interregnum des römischen Reichs, von der bisherigen Unabhängigkeit der deutschen Fürsten, von den vielfältigen Kriegen, in die man zur Aufrechthaltung der deutschen Herrschaft verwickelt sei, von den Unruhen, welche die großen Kronvasallen in ihren eigenen Erblanden bedrohten und von der Nothwendigkeit, bei so dringenden Umständen die Reichseinheit wieder herzustellen.

 

Man habe sich zu diesem Behuf an sie, die gelehrtesten Männer der deutschen Hochschulen, gewendet, sie haben nun in alten Chroniken nachgeschlagen und gefunden,

 

 

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daß es einen römischen Kaiser gegeben, daß er in Frankfurt gekrönt sei; sie haben ebenso von einem Reichstag und einem Reichskammergericht gehört. Auf diese Grundregel hätten sie die gespannteste Aufmerksamkeit gerichtet.

 

Aus einem treulich fortgesetzten Bemühen ist uns endlich eine Arbeit erwachsen, die der besonnenen Pflege und einer zeitigenden Frühlingssonne gar sehr bedarf, wenn aus ihr etwas zum Heile des Vaterlandes erblühen soll. Dieses Deutschland, welches die viel hundertjährigen Strafen seiner Entzweiung getragen hat, muß seine Volks- und Staatseinheit jetzt erreichen. Allein in jener Zerstückelung, welche für unser Vaterland so traurige Früchte getragen hat, liegen dennoch zugleich vielfältige Keime verborgen, welche unzertreten bleiben müssen, wenn unsere Zukunft fröhlich gedeihen soll, Die Bedeutung unserer reichsfürstlichen Dynastien ist durch die Stürme weniger Wochen nicht entblättert An unsere Fürstenhäuser knüpft sich nicht blos die alte Gewohnheit des Gehorsams, welche sich durchaus nicht beliebig anderswohin übertragen läßt, sondern die einzige Möglichkeit, dieses weitschichtige, vielgestaltige Deutschland allmälig in die Staatseinheit einzuführen, die sich aus höheren Gründen nicht länger entbehren läßt. Einheit läßt sich auf deutschem Boden nur durch eine unabsehliche Reihe von Freveln erreichen und am Ziele würde das Gefühl völliger Verödung und Rathlosigkeit die Gemüther überwältigen; denn es wäre ein plötzlicher, leichtsinniger Bruch mit unserer ganzen Vergangenheit.

 

Es ist nun gänzlich nothwendig, daß Deutschland ein Reich werde, dies ist aber unmöglich, denn die deutschen Fürsten geben ihre Souveränität nicht auf. Man könnte sie allerdings beschränken, theils durch ihre Landstände, theils durch den vom deutschen Volk gewählten Reichstag; aber dadurch würde die Souveränität der Fürsten angetastet, die einzige Staatseinheit Deutschlands. Sie sind bisher immer uneinig gewesen, und es läßt sich erwarten, daß diese Uneinigkeit unter den schwierigen Umständen der Gegenwart sich noch vergrößern werden. Die Eigenthümlichkeit und Unabhängigkeit der meisten Staaten darf nicht verkümmert werden, es ist die Ursache von Deutschlands Ohnmacht, und die Treue zu den angestammten Fürstenhäusern, dieser edelste Zug des deutschen Wesens, die so weit gegangen ist, überall Barrikaden aufzuwerfen und den Soldaten heißes Wasser auf den Kopf zu gießen, wird sich nur befriedigen, wenn die Reichsstände das unumschränkte Recht haben, über Deutschland zu beschließen, was sie wollen; die Fürsten, diese Beschlüsse zu realisiren oder nicht; die Landstände, sich an diese Ratification zu kehren oder nicht. Die Souveränität der Fürsten wird auf diese Weise verdoppelt; den Reichsständen und den Landständen gegenüber. Eben so sind beide Classen von Ständen souverän. Je größer die Fülle der Souveränität ist, desto freier der Staat. Darum müssen wir zu dieser vielfachen Souveränität noch eine höchste Souveränität hinzufügen, die wie der Geist Gottes verklärend über den Wassern des deutschen Staatswesens schwebt, den Erbkaiser, der eben so

 

 

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geneigt ist, den Unabhängigkeitssinn der deutschen Fürsten als den demokratischen Geist des deutschen Volks zu choquiren,“ --

 

Barbarossa hörte aufmerksam zu, aber die Verwirrung in seinen Zügen mehrte sich mit jedem Worte. Endlich sagte er: warum erzählen Sie mir das alles, meine Herren?

 

Der Professor machte eine Pause. -- Es kommt bei dem Kaiser alles darauf an, daß er so legitim und so romantisch als möglich ist. Was das erste betrifft, so wird an der Legitimität der Hohenstaufen Niemand zweifeln. -- Was ist das, Legitimität? fragte der Kaiser. -- Ein Begriff, der sich mehr fühlen als beschreiben läßt, der aber jedenfalls sehr in's Ideale spielt. Es hatte sich seit dem Tod des guten Kaiser Konrad eine geheime Gesellschaft gebildet, die Kronenwächter, welche den doppelten Zweck hatten, für die Propagation jenes erlauchten Hauses, freilich durch Vermischung mit bürgerlichen Blut, in Prosa wie in Versen zu sorgen -- Hofrath Raupach und andere gehörten in unserer Zeit zu diesem Orden; theils die Krone der Hohenstaufen in einem gläsernen Schlosse auf einem hohen Berge in Tyrol aufzubewahren. Herr v. Arnim, königl. preuß. Edelmann und Gemahl der Bettine, hat die Geschichte dieses Ordens geschrieben, und wir selber haben die Ehre, Mitglieder desselben zu sein. Zur Ehrenwartschaft wurde in der Regel ein Hofrath genommen. Vor einigen Jahren hat der Ordensbruder Victor Hugo durch ein sehr grausliches Stück, les burgraves, die Aufmerksamkeit wieder auf Ew. Majestät gelenkt; er hat nachgewiesen, daß Sie nicht im Kalykadnus ertrunken seien. Anfangs hatten wir zwar, wir müssen es gestehen, die Augen auf einen andern Herrn geworfen; romantisch genug ist er, aber theils leidet sein Haus an zu rationalistischen Antecedentien, theils hat er selber zu viel Realität, er wird fett. Wir brauchen einen Kaiser, der nur Ideal ist, denn der Communismus greift fürchterlich um sich. Der Thron des römischen Reiches ist wieder aufgerichtet, möge Ew. Majestät geruhen, ihn zu besteigen, Die sieben Erzämter sollen demnach folgen.

 

Es entstand eine Pause; der Kaiser versank in Nachdenken. Man glaubte, er sei eingeschlafen, aber plötzlich erhob er das stattliche Haupt, fixirte scharf die 17 Hofräthe und sagte langsam: Meine Herren! Was Sie mir gesagt haben, verstehe ich nicht ganz. So viel scheint mir klar zu sein, daß Sie mir den Thron meiner Väter wiedergeben wollen; Sie scheinen selbst geneigt, die Erblichkeit, dieses unausgesetzte Streben meines Hauses, mir von freien Stücken einzuräumen. Ich spreche Ihnen meinen tiefgefühlten Dank aus, Aber haben Sie wohl überlegt, meine Herren, daß meine Existenz nur eine Fabel ist? daß diese ganze Kyffhäusergeschichte nirgend anders besteht, als in der Phantasie!

 

Die Professoren fuhren zurück. -- Ist es möglich, daß die destructive Philosophie auch in die Schattenwelt eingedrungen ist? auch die Legitimität gibt sich dazu her, diese herz- und gemüthlose Theorie jener trocknen Menschen, im Angesicht

 

 

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der roth-schwarz-goldnen Fahne, uns, den Männern des burschenschaftlichen Vertrauens, gegenüber zu proclamiren? Man begnügt sich nicht damit, uns den historischen Christus streitig zu machen, man will uns auch den Kyffhäuser rauben? Wo soll das deutsche Gemüth ein Asyl suchen, wenn auch die markige Heldengestalt eines Barbarossa sich in gemüthloses Traumwesen verflüchtigt?

 

Dem Kaiser schwoll die Kollerader. -- Gemach, meine Herren, vergessen Sie nicht, wo Sie reden, und mit wem Sie reden. Ich bin der Kaiser, und in meinem Hause, und was sind Sie bei Licht besehen, als gemeines Bürgerpack? Zwei, drei Edelleute unter ihnen, was will das sagen? Merket Euch, ihr Burschen, daß man Leute eures Gleichen wohl dazu gebraucht, um Manifeste auszuarbeiten, und auf roncalischen Feldern den Municipien Wind vorzumachen, aber nicht, um sich Sottisen sagen zu lassen. Wenn ihr so hungrig seid nach Realität, ihr meineidigen Vasallen, bei meinem Bart, ihr sollt sie haben! Heda! wo sind meine Büttel?

 

Der Haupthofrath erschrack, faßte sich aber bald wieder. -- Erstens sind wir immer liberal gewesen; wir haben Zeitungen gegen die Jesuiten wie gegen die Radicalen geschrieben, wir haben mehrmals protestirt, wir haben in den Kammern Reden gehalten, und vom Adel wollen wir nichts mehr wissen. Und zweitens -- wie kommst du mir vor, alter Bursche ? Hast du nicht selbst gesagt, daß du nirgend anders existirtest, als in unserer Einbildung? Was sollen wir uns vor unsern eigenen Träumen fürchten? Entweder du existirest, dann mußt du dich gebärden, wie wir es haben wollen, oder du existirest nicht, und dann hast du nichts mitzureden.

 

Der Kaiser pfiff, der Kammerdiener -- ehemals Mitarbeiter vom Jarcke'schen Wochenblatt und selbst Hofrath -- erschien mit einigen abenteuerlichen Knappen.

 

Werft diese naseweisen Burschen zur Thüre hinaus und laßt keinen wieder herein. Ich sehe, daß die Raben noch immer flattern, und will in meinem Schlafe nicht gestört werden.

 

Die Hofräthe sahen sich außerhalb des Gewölbes. Keine Spur von Thüren war wieder zu sehen, die Raben stimmten ein Spottlied an.

 

Was ist nun zu thun? sagte der Eine nach einer Pause.

 

Es bleibt uns nichts anders übrig; wir müssen nun doch nach Berlin gehn.

X. Y. Z.

 

 

 

Quelle:

Die Grenzboten: Zeitschrift für Politik, Literatur und Kunst: Jg. 7 (1848) I. Semester. II. Band. S. 218-223. Berlin

Der Artikel wurde durch die Staats- und Universitätsbibliothek Bremen eingescannt und ist unter folgendem Link zugänglich:

https://brema.suub.uni-bremen.de/periodical/pageview/276434

 

 

 

 

 

 

C. A. Braun 1806 über die "Güldene Aue"

Poetische Schilderung der Thüringischen Landschaft

die güldene Aue genannt

Von Caroline Friederike von Kamiensky.

Nebst Nachrichten von denen solcher und deren Nachbarschaft liegenden Oertern,

herausgegeben von Christian August Braun.

Mit einer Karte und Kupfern. Leipzig, 1806.

 

 

 

Vorrede.

Die Thüringische Landschaft, welche von der Unstrut und Helme bewässert wird, und die Benennung der güldenen Aue führt, zeichnet sich vor andern Gegenden des blühenden Sachsenlandes durch dieWichtigkeit der in der ältern Zeit darinnen vorgefallenen Begebenheiten, durch den ehemaligen Aufenthalt berühmter Fürsten und Helden, durch seine Fruchtbarkeit und paradiesische Schönheit dergestalt aus, daß eine berühmte Dichterin sie für erheblich genug gehalten, die Vorzüge dieser mit allen Geschenken der Natur begabten Gegend durch ihren mahlerischen Pinsel zu schildern, und dem Auslande bekannt zu machen. Der Herausgeber dieses dichterischen Gemähldes, welches dem Publikum vorgelegt wird, hat, um das Auge der Leser durch Darstellung der Ansicht der beschriebenen Landschaft zu vergnügen, solche Schilderung mit einer in Vogel-Perspektiv von dem geschickten Herrn Lieutenant Ernst Wilhelm Ludwig von Witzleben gezeichneten Karte, ingleichen einer Zeichnung

 

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der Ruinen des durch den Tod zweyer des größten Deutschen Kaiser berufenen Klosters Memleben, und der Residenz Hermanfrieds, Burgscheidungen, bereichert, nicht weniger zur Erneuerung der wichtigen Ereignisse, davon die benannte Landschaft der Schauplatz war, Auszüge aus denen von verschiedenen Gelehrten gesammelten topographischen Nachrichten, auch zur Bekanntmachung der in diesem Distrikt seßhaft gewesenen, auch noch blühenden Familien, und des daselbst bestehenden Flors der Wissenschaften, Anzeigen von den dasigen Ritterguths-Besitzern und Gelehrten beigefügt, und hofft, daß diese Beylagen zur Erhebung und Erklärung der poetischen Schilderung dienen, und solchen, die die Kenntniß des Lokals der Vaterländischen Geschichte mit der Erzählung der Begebenheiten zu verbinden bemüht sind, so wie auch denen, die sich um die Familien- und Gelehrten-Geschichte besonderer Landestheile bekümmern, angenehm seyn werden.

Geschrieben zu Naumburg im April 1806.

 

Der Herausgeber.

 

 

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Nachrichten von den im vorstehenden Gedicht erwähnten Oertern der güldenen Aue und einigen der umliegenden Gegend.

 

 

1) Allerstädt.

Als Dynasten dieses Ortes, der in den Schenkungsbriefen Alrestedt und beym Dithmar in seiner Chronik Elerstidi, oft auch ein festes Schloß, und eine Stadt genannt wird, kommen in Bünaus Leben Friedrich I., S. 431. Hartnidus und Hirinfridus i. J. 1180. vor. Das dasige Ritterguth, die Burg genannt, gehört zum Unterhaus Wiehe, Graf Wernher von Walbeck fand hier 1014. an den Wunden, die er bey der vorhabenden Entführung der Reinhild zu Beichling empfing, seinen Tod. 1273. ward der Ort vom Landgrafen Albrecht von Thüringen belagert. Die von Witzleben besaßen es im 15. Jahrh., da Kerst von dieser Familie die Hälfte davon an Graf Hansen von Beichlingen, und dieser solche wieder 1471. an seinen Schwager Bruno, edlen Herrn von Querfurt, verkauft. Dieser hat hernach seinen Antheil von Allerstädt nebst den Vorwerken und Dörfern, Zeisdorf, Rothenberge und Bernsdorf, an Hansen von

 

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Werthern verkauft, von dem ein Theil zu Wendelstein geschlagen worden, der andere bey der Wizlebischen Familie bis 1803 geblieben. Herr Advocat und Gerichtsdirector Friedemann Isaak Löw, der hier um 1763. lebte, schrieb Comment. de eo, quod iustum est principi fuccessori circa revocanda avulsa. Leipzig 1747., und ein lateinisches 1763. gedrucktes Gedicht, das einen Theil den güldenen Aue beschreibt, und davon einige Stellen in den Bemerkungen über einige Punkte der Thüringischen Geschichte, Leipz. 1805. S. 40. übersetzt sind.

 

2) Artern.

Der um 1766. in Artern lebende D. Johann Christian Hesse, Churs. Rath und Land-Physikus, schrieb in diesem Jahre das wiederauflebende Biebra und D. Johann Gottfried Flemming, der seit 1776. sich aufhielt, den Unterricht für Hebammen. Leipz. 1778.

 

3) Balgstädt.

Die ersten Besitzer, vielleicht auch Stifter des Ritterguths Balgstädt, welches 1032. eine Curtis regalis war, die K. Konrad II. 1032. dem Stifte Naumburg schenkte, waren die von Balgstädt, die im 13. und 14. Jahrh. blüheten. Von diesen nennt eine in Uichtriz Diplomat. Nachrichten 2, S. 9. aus einem Schreiben Pastor Kaysers von Plotha gezogene Urkunde Friedrichen von Balgstädt um 1287, der 4 Söhne, Hermann, Konrad, Ulrich und Friedrich hatte, und dessen Bruder Hermann von Balgstädt, der auch novum. Castrum (vielleicht Freyburg) besaß, 2 Söhne,

 

 

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Heinrich und Friedrich, zeugte. Von diesem Namen kommt auch Ulrich 1270. und Ulze 1375. vor. Diese Edelleute (die von Balgstedt) wurden wegen ihres unruhigen Betragens gegen ihren Landesherrn, den Landgrafen von Thüringen, auch wegen ihrer gegen ihre Nachbarn und Reisende verübten Räubereyen und Wegelagerungen angeklagt, und auf des letztern Befehl das Schloß Balgstädt belagert, eingenommen und zerstört. In der folgenden Zeit ist das Ritterguth Balgstädt an die Familie deren von Neustädt gekommen, welche mit der Balgstädtischen, die ihren Namen verändern mußte, um wieder zum Besitz ihrer verlornen Güther zu kommen, einerley gewesen seyn sollen. Diese Familie soll das erwähnte Guth bis auf die Zeiten der Reformation ruhig besessen haben, da einer von diesem Geschlecht die Lutherische Religion annahm, der andere aber, der ein eifriger Anhänger der katholischen Religion blieb, wegen der Glaubensveränderung seines Bruders sich von ihm trennte, und zu seiner Wohnung ein kleines Schloß im herrschaftlichen Garten erwählte, davon eine in der Wand befindliche Thorfahrt, die noch unterhalten wird, ein Ueberrest ist. Dieser letztere lebte in großer Armuth, und ward zur Belohnung seines Religionseifers vom Bischof Julius Pflug von Naumburg mit einem Stück Wald, einer Wiese, die Custodienwiese genannt, und einem Stück Acker (dem Wurmberg), welche Grundstücke dem Domkapitel gehört haben mögen, beschenkt. Zu Ende des 16. Jahrhunderts kam das Guth Balgstädt an die Familie derer von Ebeleben, die es

 

 

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wahrscheinlich nur kurze Zeit besessen. Um eben diese Zeit oder mit Anfang des 17. Jahrhunderts kam das Guth an die Familie derer von Hesler, von denen es Hans Heinrich besaß. Einer von diesen (vielleicht Rudolf Georg) verlor es, da es wegen seiner Schuldenlast zur Subhastation gelangte, und von dem Geheimen Rath Carl Dietrich Leberecht von Schik erstanden ward. Dieser behielt es nicht lange, und wurde dessen, wie der vorige Besitzer, durch Subhastation wieder verlustig: worauf es der Oberforstmeister von Sperling 1744. an sich brachte, der auch Ostramundra besaß; nach dessen 1769. erfolgtem Tode es an dessen adoptirten Sohn, den Herrn Amtshauptmann Hans Ernst Wilhelm von Sperling gelangte. Durch des erwähnten Oberforstmeisters von Sperling Verordnung ist dieses Guth sowohl als Ostramundra zum Fidei-Commiß in der Sperlingischen Familie gemacht und festgesetzt worden, daß, dafern es durch Beiheyrathung einer Tochter an eine andere Familie kommen sollte, diese den Namen von Sperling anzunehmen verpflichtet ist. Zu diesem Guthe gehören die Vorwerke Toppendorf und Rödel, und die Gerichte in den Dörfern Grösniz und Städten. Vor der Reformation befand sich in Balgstädt eine Capelle zu St. Ganglof genannt, wo ehedem Ablaß ausgetheilt ward, und zu dessen Andenken noch jetzo ein Ablaßfest gehalten wird. Aus des Herrn Amts-Hauptmanns von Sperling schriftliche Nachrichten gezogen.

 

 

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4) Baumersroda.

Gehörte 1507. Hansen von Breitenbauch. S. die Bischöflich Merseburgischen Lehnbücher. Nachdem es nach der Zeit verpfändet worden, lösete es Wolf der ältere von dieser Familie, der 1535. lebte, wieder ein; worauf es dessen Sohn Wolf der jüngere noch 1564. besessen. Um 1704. gehörte es dem General-Major von Winkel, der das dasige adliche Wohnhaus 1704-1708. erbauete; ferner kam es an den Obersten und Domherrn Marschall von Bieberstein, welcher solches 1744. an die Schulenburgische Familie verkaufte, davon es gegenwärtig Graf Friedrich Moritz besitzet.

 

5) Beichlingen.

Die Grafen, welche vom Schlosse Beichlingen den Namen führten, welches nebst Alten-Beichlingen ihr Stammguth war, und mit diesen Besitzungen Cölleda, Frohndorf, Neuhausen, Bachara, die Rotenburg, Kelbra, Brücken, Wallhausen, Frankenhausen und Sachsenhausen vereinigten, sind erst s. dem 12. Jahrhunderte bekannt. Im 11. Jahrhunderte besaß die Herrschaft Beichlingen Marggraf Otto II. von Thüringen und Orlamünde. Nach dessen Tode schenkte solche K. Heinrich IV. Marggraf Eckberten von Sachsen-Braunschweig, dessen Tochter Gertrud sie, nach dessen 1068. erfolgtem Tode, Graf Heinrichen von Nordheim oder Böhmerburg, dem Bruder Otto’s, zur Mitgift zubrachte. Von diesem erbte sie sein Bruder Kuno, der zuerst den Namen eines Grafen von Beichlingen führte, und durch seine Gelehrsamkeit berühmt war. Als dieser umkam, fiel sie an seinen Bruder, mit welchem

 

 

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das Geschlecht der ersten Grafen dieses Namens ausstarb, worauf diese Grafschaft an Herzog Heinrich den Löwen gelangte. Dieser verlieh sie einem Edelmann Friedrich 1144. Dessen Nachkomme, Graf Adam von Beichlingen, verkaufte Beichlingen nebst Cölleda 1519-1528. an Hans von Werthern, und nach dem Aussterben seiner Familie gelangten auch dessen übrige Güther an dieses Haus. 1069. eroberte Kaiser Heinrich IV. das Schloß Beichlingen und zerstörte das daran liegende Dorf: (S. Merians. Topogr. Saxon.) 1579. stellte das Schloß Wolfgang von Werthern aus seinen Ruinen wieder her. (Von dem Geschlechte der Grafen von Beichlingen s. Leukfeld in der Beschreibung des Klosters St. Georg zu Kelbra. S. 11-108. und Leonhardi S. 373.) 1014. entführte aus dem erwähnten Schloß Graf Wernher von Walbeck, Marggraf von Bernburg, eine sich dort aufhaltende Reinhild, welche insgemein als eine Gräfin des davon benannten Geschlechts angegeben wird, welche Angabe aber Leukfeld für ungewiß hält. Dieser Graf, ein naher Anverwandter Kaiser Otto III. von Seiten seiner Mutter Odila, bewarb sich 996 anfangs um des Marggrafen Eckhards von Meißen Tochter, Luitgard; Eckhard versprach sie ihm auch, änderte aber nachher seinen Entschluß, in der Erwartung, daß erwähnter Kaiser sich mit ihr vermählen würde. In dieser Hoffnung reisete Eckhard nach Italien, und vertraute indessen seine Tochter der Aufsicht der Aebtissin Mechthild zu Quedlinburg an. Während der Zeit diese auf dem Reichstag zu Dornburg sich befand, entführte

 

 

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Wernher seine Verlobte mit Beihülfe seiner Brüder, Heinrichs und Friedrichs, aus dem Stifte nach Walbeck. Ohngeachtet nun sich Luitgard geneigt bezeigte, bey ihrem Verlobten zu bleiben, mußte sie doch wieder nach Quedlinburg zurück kehren, und Wernher erhielt sie nicht eher, als nach ihres Vaters Tode, da sie ohne große Schwierigkeit die Verzeihung seines verübten Raubes in einer seinetwegen angestellten Tagesatzung erlangte. Nach der Luitgard Tode suchte er um die oben erwähnte Reinhild von Beichlingen an. Da diese aber gegen den Kaiser Heinrich II. sich verpflichtet hatte, ohne seinen Vorbewußt nicht zu heyrathen, unternahm er es, auch diese zu entführen. Er kam 1014. mit einigen Begleitern nach ihrem Wohnsitz, bestach daselbst die Wächter, und führte sie wider ihren Willen mit sich fort. Auf ihr Geschrey kamen ihre Unterthanen und Bediente ihr bewaffnet zu Hülfe; bey dem Handgemenge kam einer von Adel von Werthers Gefolge ums Leben. Wernher selbst ward eingesperrt, tödtete einen Knecht, der ihn verwundete, mit der Lanze und sprang hierauf zur Mauer herab. Hier ward er von einem Stein so hart beschädigt, daß er seine mit der Reinhild fliehenden Leute nur mit Mühe erreichen konnte. Sie trugen ihn in das Haus des Kaiserlichen Wirthschaftsverwalters, wo sie ihn mit wenigen von seinen Leuten zurück ließen. Die andern eilten mit ihrer Beute weiter. Der treulose Verwalter machte Wernhers Aufenthalt dem Kaiser bekannt, welcher die Grafen Bernhard, Guncelich und Wilhelm zu seiner Abholung nach Merseburg abschickte.

 

 

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Einer von ihnen, Wilhelm, der sein Freund war, ließ ihm seine Wunden verbinden, und brachte ihn, da er ihn wegen seines gefährlichen Zustandes nicht an den Ort seiner Bestimmung bringen konnte, in das Dorf Allerstädt (Elerstidi); hier ließ er ihn in einem festen steinernen Hause scharf bewachen, er selbst aber reisete mit seinen Gefährten zum Kaiser zurück. Dieser berief seine vornehmsten Räthe zusammen, um wegen der verdienten Strafe des Verbrechers ein Urtheil zu fällen. Solches fiel dahin aus, daß alle Güther Wernhers eingezogen, die Entführte wieder in Freyheit gesetzt, Wernher selbst nach wieder erlanger Gesundheit, wenn er schuldig befunden würde, den Kopf verlieren, wenn aber Reinhild in die Entführung eingewilligt hätte, diese ihm zur Frau überlassen werden sollte. Ehe aber der Vorfall untersucht, und das Urtheil ausgeführt werden konnte, starb er an seinen Wunden an dem Orte, wo er hingebracht worden war, und sein Leichnam ward von seinem Vetter, dem Bischof Dithmar, nach Merseburg, wo seine Eingeweide beygesetzt wurden, und von dannen nach Walbeck abgeführet, und dort neben seiner ersten Frau Luitgard begraben. S. Sagittarii Thür. Geschichte, S. 149. 161. Dithmars Chronik d. Uebers. S. 200. 438.

 

6) Biebra.

Von dem Ursprunge des dasigen Gesundbrunnens hat sich die Sage erhalten, daß bereits im 16. Jahrh. ein Domherr des dasigen Collegiatstifts zuerst durch einen Traum bewogen worden, dieses Wasser zur Heilung eines kranken Fußes

 

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zu gebrauchen. Die 1675. und 1680. durch dieses Wasser bewirkten Curen bewogen den Herzog von Weißenfels Johann Adolph, den Brunnen durch den Rath Siebold untersuchen und 1684. fassen zu lassen. Von dieser Zeit bis 1713. ward er stark besucht, gerieth aber wegen Ueberschwemmungen durch wilde Wasser in Verfall. 1727 kann er wieder in Aufnahme, und ward auf Anordnung Herzog Christians von Weißenfels von neuem gefaßt. Eine abermalige Zerstörung der Brunnenmauer und Feuersbrünste hemmten den Gebrauch des Brunnens von neuem, bis der Rath Hesse durch eine dem jetzigen Churfürsten 1766. gewidmete Schrift (das wieder auflebende Biebra) den Befehl des Hofes zu einer erneueten Untersuchung und einen Beytrag zur Wiederherstellung der eingefallenen Mauer veranlassete, durch welchen solche 1766. wieder hergestellt ward. Außer der gemeldeten Schrift handelt von den Bestandtheilen des Wassers und den dadurch bewirkten Curen D. Siebolds Schrift: Des renovirten Sauerbrunnens zu Biebra kurze Beschreibung 1694. und eine andere von R. Ziegler, die unter dem Titel: Kleine Aufsätze die Geschichte des Biebraischen Brunnens betreffend. Altenb. 1798. herausgekommen ist. Von diesem Brunnen handelt auch Herrn Acciss Commissärs Nietzschens (der sich um die neue Herstellung des Brunnens vorzüglich verdient gemacht hat) Schrift, welche in Fabri‘s geographischem Magazin, 1. B. S. 174. eingerückt ist, ferner die Nachricht in den Provinzialblättern, und im Mode-Journal 1798. Die dasige Stiftskirche ist von Gr. Herrmann Billing

 

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von Orlamünde gestiftet worden. Die älteste Nachricht davon ist von 1107. (S. Büschings Erdbes. 3. Thl. 2. B. S. 1825.) Von den dasigen Gelehrten hat der Adiunctus zu Biebra 1698--1704. Erdmann Neumeister, hernach Pastor zu Hamburg, ein scherzhaftes Gedicht auf Biebra, unter dem Titel: Poetischer Zeitvertreib bey der Brunnen-Cur zu Biebra 1697. geschrieben, welches nicht gedruckt worden ist. Seine übrigen Schriften s. in Zedlers Lexicon XXIV. Theil. Ein anderer Gelehrter dieses Orts war Paul Friedrich Achaz Nitsch, der daselbst 1793-1794 Adiunctus, vorher Pfarrer zu Oberwündsch war, und sich durch hülfreiche Besorgung der durch die Stadt geführten kranken Franzosen eine epidemische Krankheit zuzog; die ihm den Tod brachte. Er schrieb viele, die alte Geschichte und Geographie und Alterthümer erläuternde, und wohl abgefaßte Schriften, unter andern ein Mythologisches Wörterbuch. Leipz. 1793.; ein Wörterbuch der alten Geographie, welches M. Höpfner fortsetzte. Halle 1794.; Beschreibung des häuslichen Zustandes der Griechen; Einleitung in die Kenntniß des häuslichen Zustandes der Römer. Erf. 1791.; Handb. der Geschichte. I. Thl. Erf. 1784. Der oben erwähnte Herr Accis-Commissär Nietzsch hat außer dem erwähnten Aufsatz Antheil an verschiedenen Journalen.

 

7) Bretleben.

Der dasige Besitzer, Herr Oberberghauptmann Friedrich Wilhelm von Trebra, zu Freyburg, dessen Vorfahren Bretleben seit Balthasar von Trebra, der 1614. starb, besessen, schrieb Erfahrungen vom Innern der Gebirge. Klausthal 1785.

 

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Siehe von ihm die Schilderung der Güldenen Aue, in der National-Zeitung von 1800. 46. Stck. Die Trebraische Familie, deren Stammvater Albrecht im 15ten Jahrhunderte gewesen, theilte sich unter dessen Söhnen, Hans und Curt, in die Heldrungische und Gehovische Linie. Unter den Nachkommen Hansens ward Heldrungen (das Ritterguth in Schloß Heldrungen) von Ernst Sittich, der auch Bretleben besaß, das von den Grafen von Mansfeld der Familie in Lehn gegeben worden, gegen das Fürstliche Vorwerk Braunsrode an den Herzog August von Weissenfels 1667. vertauscht. Nach dem ehelosen Absterben seiner Söhne fiel Braunsrode an die Reinsdorfische Linie, und Bretleben kam durchs Loos an die Wolfenstädtische Linie. Hansens Bruder, Curt, gestorben 1499. stiftete die Gehovische Linie und sein Sohn Hans, gestorben 1552. besaß Artern und Reinsdorf von Reinsdorf bey Nebra verschieden. Von seinen Nachkommen gründete Hans Christoph die Reinsdorfische Linie. Hans Christoph, der bey seinem Aufenthalt in Italien zu Padua zum Haupt der deutschen Nation erwählt ward, und ein geistliches Lied (s. Königs Adels-Hist. 3. S. 1130) verfertigte, besaß nebst seinem Bruder den Haken- und Trebaischen Hof in Gehoven. Von der Reinsdorfischen Linie, welche nebst Reinsdorf, auch Braunsrode besitzt, ist von den Söhnen Christoph Friedrichs der gegenwärtige Besitzer von Reinsdorf Gottlob August, welcher auch mit seinen beyden Brüdern, Hans Philipp und Ludwig Heinrich, Braunsrode gemeinschaftlich, letzterer das von seiner Mutter, einer von Dieskau, erkaufte, im Altenburgischen liegende Guth

 

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Rodemeuschel besonders inne hat. Hans Christophs Bruder, Hans Wilhelm, hatte Antheil an den Gehovischen Güthern. Von dessen Söhnen verkaufte ohnstreitig Wolf Christoph, der 1664. starb, i. J. 1648. die Trebraischen Güther in Gehoven, und kaufte statt derer Wolfferstädt, das er seiner Linie, die er gründete, hinterließ. Von seinen Nachkommen besaß es Christoph Heinrich nebst Bretleben, davon letzteres seinem Sohn Friedrich Wilhelm Heinrich, Churf. Oberberghauptmann zu Freyberg, ersteres Christoph Heinrichs, Bruder Adam Christophs, Söhne zufiel. Wolfs Christophs Bruder, Hans Wilhelm, kaufte Gatterstädt 1672. und seine Linie führte davon den Namen.

8) Bucha.

Dieses Dorf (in den Kirchenvisitations-Akten von 1555. Buchhayn, in ältern Urkunden Buchau und Bouche genannt, welches von andern Oertern dieses Namens, durch den Zusatz: im Thale, auch in der Aue nach Münchhausens Bericht über die Aufhebung der Frohndienste, S. 257. unterschieden wird) war der vermuthliche Stammsitz der im 12. und 13. Jahrhunderte florirenden Grafen dieses Namens, wiewohl aus dem Titel dieser Grafen kein Beweis für die Existenz einer Grafschaft, die Zollmann in seiner Karte von Altsachsen darstellt, genommen werden kann. Von diesem Stamm war Christian I., der das Erz- Bisthum Maynz von 1164-1190. besaß. und Heinrich, der in einem Diplom K. Friedrichs l. i. J. 1180. vorkommt; ingleichen Otto, der die Schutzvoigtey über die Güther

 

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des Klosters Memleben verwaltete. Indessen werden zu eben den Zeiten, da Christian und Heinrich lebten, die Grafen von Kefernburg als Besitzer dieses Dorfes genannt; woraus zu schließe wäre, daß etwa die Grafen von Buche zu diesem Geschlecht gehört haben möchten. Auch erwähnt obiges Diplom Wicnand und Macilinus als dasige Dynasten. Siehe von den Grafen von Bucha die Abhandlung in Fabri‘s geographischem Magazin, 3; S. 413. ingleichen D. Heynigs Christian I., Erzbischof von Maynz. Nürnberg und Sulzbach, 1804. S. 79-89. Nach dem Absterben der Grafen von Kefernburg kam Bucha nebst der nahgelegenen Stadt Wiehe 1312. durch Heyrath an die Grafen von Orlamünde, welche solches im Kriege mit Landgraf Friedrichen von Thüringen 1346. an letztern abtraten. 1546. besaß es der Hauptmann von Eckardsberge, Wolf Koller; ferner gehörte es 1570-1575. denen von Kummerstädt, davon Julius, ein Mann von seltener Gelehrsamkeit, in Strasburg, Wittenberg und Florenz studierte, und mit Victorius, einem florentinischen Gelehrten, Briefe wechselte. (S. die Beschreibung des Geschlechts derer von Kummerstädt. Greiz 1723. S. 443.) Er bekleidete die Stelle eines Chursächsischen Raths und Domprobsts zu Meißen und Budissin, auch Domherrns zu Merseburg, an welchem letztern Orte er 1577. ohne Erben starb. 1572. besaß es die Lauterbachische Familie, welche es 1614. an die Gebrüder Wolf und Hanns Christoph von Breitenbauch verkaufte. Von Wolfs Söhnen ward Bucha Hanns Georgen und dessen

 

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Nachkommen zu Theil. - Die Hofgebäude zu Bucha sind 1720. und der Lustgarten 1757. angelegt worden. In der Nähe des Dorfs ist ein Platz im Walde, wo 1801. ein Friedensfest gefeiert worden; (davon die National-Zeitung 1801. 39. Stück, Nachricht giebt,) zu Volkslustbarkeiten bestimmt worden. 1796. ist den dasigen Einwohnern eine Erleichterung in den Frohndiensten zugestanden, auch nützliche Schuleinrichtungen getroffen und eine Schulbibliothek angelegt worden. In der Nachbarschaft lag ehedem das Dorf Hardisfurt (Harfurt), welches verwüstet, und dessen Felder, die in der Flur von Bucha liegen, von den Einwohnern der benachbarten Dörfer Saubach und Bernsdorf, eingezogen worden; die wüste Kirche aber mit allen ihr ehedem zugestandenen Rechten und Einkünften von Graf Herrmann VII. von Orlamünde, unter Bestätigung des Bischofs von Maynz Heinrichs III. 1333. der Pfarre zu Bucha geschenkt worden. - Siehe ein mehreres von Bucha in Hofmanns Nachrichten von Wiehe; in den Sammlungen der Leipziger Gesellschaft, 2. Thl.; in Fabri’s geographischem Magazin, 3. B. S. 410. und im Taschenbuch für deutsche Schullehrer auf 1800. S. 100.

 

Von der Familie derer von Breitenbauch, welche vom 12. bis ins 16. Jahrh. sich Breitenbuch, vielleicht von einem bey Zeiz liegenden Dorfe, das jetzo Breitenbach geschrieben wird, nannte, kommt zuerst Conrad 1157. in Schamel. Suppl. zur Historie von Kl. Bosau S. 30. und ein Ungenannter 1287. vor, dessen Brüder die unter Balgstädt oben angeführten Friedrich u. Hermann

 

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von Balgstädt, und seine Söhne Friederich, Heinrich und Hermann waren. Von Bernhard auf Oechlitz und Stöbnitz, das er von Kunzen von Watzdorf kaufte, und der um 1431. lebte, kann erst das Geschlecht in ununterbrochener Reihe fortgeführt werden. Von seinen Nachkommen besaß Wolf der ältere Petzkendorf, das bereits 1507. der Familie gehörte, um 1535., ingleichen St. Ulrich, das er erkaufte, und Baumersrode, dass auch schon 1507. unter den Familien-Güthern genennt wird, und das er einlösete. Sein Sohn Melchior, der Churfürst Moritzen zu Sachsen 1550. diente, vermehrte die Geschlechts-Güther durch Burgrahnis und Brandenstein, welche Güther er 1572. von der Brandensteinischen Familie kaufte, die solche 1465. vom Landgraf Wilhelm IV. erhalten hatte, und sein Bruder Wolf der jüngere durch Gröst, das er verkaufte. Melchiors Sohn, Wolf der ältere, brachte nebst seinem Bruder Hanns Christoph, wie oben erwähnt worden, Bucha 1614. dazu. Unter seinen Söhnen theilte sich die Familie. Melchior, welchem Burgrahnis, Brandenstein, Petzkendorf und Baumersrode zu Theil ward, stiftete die Voigtländische Linie (welche diesen Namen führen kann, weil der Neustädtische Kreis, worinnen beyde ersteren Güther liegen, ehedem zum Voigtlande gerechnet ward;) Hanns Georg, der St. Ulrich, Stöbnitz, Oechlitz und Bucha erhielt, die Thüringische. Von den Nachkommen des erstern erwarb Friedrich Zdislau durch Heyrath mit Georginen Wilhelm. von Plassenburg, des Marggrafen Georg Wilh. von Bayreuth natürlicher

 

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Tochter Lichtentanne, das sein Sohn, Franz Traugott Friedrich Wilhelm, wieder verkaufte, so wie sein Bruder Friedrich August, der an den, in der Schlacht bey Kunnersdorf empfangenen, Wunden starb, Gröst an die Helldorfische Familie verkaufte. Franz Traugott Friedrich Wilhelms Sohn, Albert Friedr. Ludwig Casimir Paul Melchior Christian, besitzt seit 1796. Brandenstein; Petzkendorf besitzt seit 1766. Friedrich August, Johann Ernsts Friedr. Zdislaus Brudersohn. Von dieser Linie ward Melchior 1652. und sein Sohn, Wolf Christoph, 1656. in die fruchtbringende Gesellschaft aufgenommen. Von der Thüringischen Linie erwarb Heinrich August 1739. Scortleben und Oeglitzsch, das er von der Biesenrodtischen Familie erkaufte. Von seinen Söhnen besaß Bucha der Sächs.-Weimarische Kammerrath Georg August seit 1747. mit seinen beyden Brüdern gemeinschaftlich, seit 1780. aber allein. Er ward 1784. in die Gesellschaft der nützlichen Wissenschaften zu Erfurt, 1785. in die Arkadische zu Rom, und in demselben Jahre in die K. Preußis. Gesellschaft zum Nutzen der Künste und Wissenschaften zu Frankfurt an der Oder und 1787. als correspondirendes Mitglied des Museums zu Paris für Deutschland aufgenommen. Von seinen Schriften siehe Meusels gel. Deutschland; Weizens gel. Sachsen und deren zu Leipzig bey Klaubarth gedrucktes Verzeichniß. Sein Sohn Georg Ludwig, Stiftsregierungsrath zu Zeiz s. 1788., und zu Wurzen s. 1790., erkaufte von seinem Vetter von der Voigtländischen Linie, Albert Friedrich Ludwig Casimir Paul Melchior Carl Christian 1804. das Guth

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Burgrahnis. Von Georg Augusts Brüdern verkaufte Hanns Heinrich 1780. Skortleben und Oeglitzsch und erkaufte dargegen das vormalige Bünauische Guth Klein-Corbetha vom Canzler von Burgsdorf 1786., das er 1805. wieder an den Oberforstmeister von Gersdorf veräußerte. Christoph Ferdinand kaufte 1780. von Carl Friedrich von Tümpling Blösien und erneuerte daselbst die Wirthschaftsgebäude. Von den Güthern dieser Linie verkaufte Georg Christoph St. Ulrich und Stöbnitz 1764. an die Helldorfische Familie. Von der Breitenbauchischen Familie s. Uichteritz Diplomat. Nachrichten adlicher Familien 2, S. 8.

 

9) Cölleda.

Dieser Ort M schon 1268. bekannt gewesen, da Henricus de Cölleda als Zeuge vorkommt. Olearii Thür: Hist. I, S. 28. Das sonst da bestandene Kloster ist vermuthlich auf Veranlassung der Herren von Cölleda (v. Thur. sacra, P. 541. 542) von den Grafen von Beichlingen gestiftet worden. Die Einweihung mag 1266. vom Abt zu Hersfeld Heinrich geschehen seyn. Es enthielt Cisterzienser-Nonnen, deren letzte Aebtissin Sophia von Schafstädt noch 1555. lebte. Nach der Reformation ward das Kloster verkauft. v. Olear. Synt. Rer. Thur. p. 47-54. 199.; Falkensteins Thür. Chron. 2, S. 1264.; Bergers Anekdoten vom Brand-Unglück zu Cölleda, S. 318. Der hier sich aufhaltende Hauptmann und Thüringische Vize-Gleits-Commissär (seit 1777.) Joh. Friedr. Ernst von Brawe schrieb das Wochenblatt für Erwachsene 1772.

 

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10) Kloster Dondorf.

Solches ward im Anfange des 12. Jahrhunderts von den Grafen von Orlamünde gestiftet, und von den Gebrüdern Christoph, Heinrich und Georg Freyherrn von Werthern 1561 zu einer Landschule eingerichtet. M. Johann August Philipp Hennike, Rector daselbst seit 1779. und 1789. als Rector der Stifts-Domschule zu Merseburg berufen, schrieb Etwas über den diesmaligen Zustand der Merseburgischen Domschule 1798. und Synchronistische Tabellen über Schröckhs Handbuch der allgemeinen Geschichte. Leipz. 1797. Im nahgelegenen Dorfe schrieb Christian Ludwig Japel, Rect. Substit. zu Kloster Dondorf seit 1770. und Pastor in Dondorf seit 1779., Lesebuch zum Unterricht des Landmanns. Stollberg 1784.

 

11) Eckardsberga.

Das dasige Schloß nebst der dabey liegenden Stadt soll Eckard, Marggraf von Meißen und Osterland, Graf Günthers Sohn, der das ganze Land disseits der Saale, Pleisse und Elbe besaß, und zu Jena seinen Sitz hatte; und zwar das Schloß zur Verwahrung der Gränze gegen seine Nachbarn 998 erbauet haben. Eben dieser Marggraf bauete auch das Kloster St. Georgen bey Naumburg, ingleichen Buttstädt und das Schloß Gleichen bey Erfurt. Er kam 1002. ums Leben, und ward zuerst zu Jena begraben, hernach sein Leichnam ins Georgen-Kloster geschafft. Nach dem unbeerbten Todesfall seines Sohnes Eckards fiel sein Land 1067. Kaiser Heinrich III. anheim, der es dessen Stiefbruder, Eckbert von Sachsen,

 

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überließ, welcher 1085. wider K. Heinrich IV. zum Kaiser gewählt und 1090. erschlagen ward. Nach 1112. schenkte K. Heinrich V. das Schloß zu Eckardsberga an Graf Wiprechten von Groitzsch, der ihn vorher gefangen genommen hatte. Ein anderes zu Eckardsberga gehöriges Schloß war das zu Mallendorf, welches die Altenburg hieß; und 1364. zerstört ward. Um 1321. besaß das Bergschloß Beringer von Scheidingen, und zu dessen Zeit ward es mit dem von Raspenburg zugleich als ein Raubschloß zerstört. S. Melissantes Beschreibung einiger berühmter Bergschlösser in Deutschland, S. 352.; Fabri‘s neues geographisches Magazin, 3. B. S. 239.

 

Seit 1796. bekleidete hier Herr Johann Friedrich von Brause die Stelle eines Superintendenten und ward 1800. von hier zur Superintendentur Freyberg berufen. Er schrieb 1801. einen Glückwunsch an die Prediger seiner (der freybergischen) Diöces bey dem Anfange des Jahrhunderts, und verschiedene theologische Abhandlungen bey Gelegenheit der Anzeige von Cirkular-Predigten. 1799. edirte er eine Predigt über die Vorzüge des Dresdner neuen Gesangbuchs. Die letzte Predigt seines von 1781-1795. angestellt gewesenen Vorfahrers in der Eckardsbergischen Superintendentur, M. Christian Gotthilf Lommatzschens, gab sein Sohn, Herr M. Carl Heinrich Gottfried Lommatzsch, Prediger zu Großschönau, Leipz. 1795. heraus; von dessen geistlichen Reden verschiedene, unter andern, die vom hohen Werthe des Glaubens an die göttliche Vorsehung, Oschatz 1800., und ein historischer Aufsatz über Papst Clemens XIII., im Widersprecher 26. Stück 1803 erschienen sind.

 

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Von Eckardsberga s. Historia Eccardibergensis varia. Jena 1690. Daraus Olearius in Synt. Rer. Thur. 125. ohnstreitig seine Nachrichten von dieser Stadt gezogen hat.

 

12) Eula

Eula (in den Urkunden Ilowe geschrieben) gehörte um 1707. Georgen von Schleinitz, nach K. Beschreibung des Saalflusses, Jena 1707. Hernach erwarb es Johann Adolph von Trebra, dessen Enkelin es ihrem Manne einem von Dieskau zugebracht. Dann kaufte es 1725. der General von Wurmb, der das dasige Wohnhaus und Garten 1738. anlegte, und von diesem kaufte es sein Schwiegersohn Hanns Ernst Adolph von Oldershausen 1754. Die Familie von Oldershausen stammt von der von Westerhofen. Heinrich I., beygenamt der Lange, Arnolds von Westerhofen Sohn, geboren 999., erstach seines Vetters Otto reisigen Knecht 1039. ward wegen dieser Mordthat in den Bann gethan, und die Herrschaft Westerhofen, im Fürstenthum Calenberg gelegen, als ein verwürktes Lehn eingezogen, mußte auch seinen Namen und Wappen verändern, und erstern mit dem von Oldwartshausen oder Oldershausen, welcher einem von seinem Vetter Gunzel bey der Hoppelburg angelegten und ihm eingeräumten Dorfe und Sitze beygelegt worden, vertauschen; erhielt aber wegen des begangenen Todtschlages in der Folge Verzeihung, auch wurden ihm einige Ländereien der eingezogenen Güther wieder eingeräumet, und ihm erlaubt, einen Burgmannshof an das Schloß zu Westgerhofen 1059. zu bauen.

 

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Sein Sohn Hermann, der Große zugenamt, der zu Westerhofen seinen Sitz hatte, ward der Stammvater des noch blühenden Geschlechts. Sein Nachkomme im vierten Grade Hermann V. verband 1369. mit Westerhofen Düderode und Hoppelburg, und erbte noch 1380. seines Vettern Wernhers IV. Güther. Unter seinem Nachkommen Barthold VII. kam um 1481. Forste, und um 1698. unter Jobst Adam, Gebesee, das er von denen von Wurmb zu Großenfurre erkaufte, an die Familie. Letztern, Jobst Adams beyde Söhne, Burghard Anton Friedrich und Hanns Ernst Adolph stifteten 2 Linien. Die erstere erhielt Westerhofen and Olbershausen, die andere Forste und Eula; von welchen Güthern Hanns Ernst Adolph, wie oben erwähnt worden, Eula durch seine Gemahlin, eine von Wurmb, an sich brachte, und beyde Güther seinem Sohne Ludwig Jobst Christian 1767. hinterließ.

 

13) Freyburg.

Das an der Unstrut gelegene dasige Bergschloß bauete Graf Ludwig der Springer 1065. (1075.) und nannte es anfangs die Neue Burg, welchen Namen es hernach, wegen des darinnen von diesem Grafen errichteten Burgfriedens, mit dem von Freyburg vertauschte. Sein Enkel, Ludwig IV., der Eiserne zugenamt, bändigte die gegen ihn aufgesessenen Edelleute durch Gewalt der Waffen, und nöthigte sie, einen Acker bey Freyburg zu pflügen, den er mit Steinen umzäunen und den Edelacker nennen ließ. Er starb zu Freyburg 1172. und ward von dannen von den gezüchtigten Edelleuten in sein Erbbegräbniß Reinhardtsbrunn getragen.

 

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1293. besaßen das Schloß Marggraf Albert des Unartigen Söhne, die Marggrafen von Meißen, Friedr. der Gebissene und Ditzmann, welchen zum Nachtheil ihr Vater sein Land an Kaiser Adolph von Nassau verkauft hatte. Da sich letzterer durch die Gewalt der Waffen in den Besitz des erworbenen Landes setzen wollte, vertheidigten die genannten Brüder Freyburg; die Kaiserlichen aber bekamen es durch Verrätherey ein, hieben alle nieder, die sie bewaffnet in der Stadt antrafen, verbrannten die Stadt und verwüsteten das Schloß. Nach Abzug des Kaisers und dessen Ermordung ließ Friedr. Freyburg wieder aufbauen. In folgender Zeit nahm es Bischof Gerhard von Merseburg, der es vom Erzbischof von Magdeburg, dem es Albrecht verkauft hatte, pfandweise erhielt, in Besitz. Dessen Vetter, einer von Schraplau, dasiger Landeshauptmann, plünderte die durchreisenden Polnischen und Schlesischen Kaufleute, und ließ Königs Ladislaus IV. Geheimschreiber, der sich ihm widersetzen wollte, niederhauen. Erwähnter König beklagte sich wegen dieses Ueberfalls beym Kaiser Ludwig V. und dieser that Friedrich des Gebissenen Sohn, Friedrich, den Auftrag: die Räuber zur Strafe zu ziehen, welchem gemäß dieser Freyburg 1332. eroberte, es zerstörte, und zum Ersatz der Kriegskosten behielt. Churfürst August, auf dessen Linie Freyburg 1485. durch den Theilungsvertrag mit seinen Vettern gekommen war, ließ das Schloß ausbessern und in guten Stand setzen. Meliss. S. 258. Von dem dasigen Superintendent Dauderstedt,

 

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s. Auserlesene Geschichte der Landgrafschaft Thüringen, S. 319. Sein Nachfolger Adam Siegmund Knobloch seit 1767. hatte Antheil an den zuverlässigen Nachrichten, und M. Gottfried August Pietsch, dasiger Diaconus von 1789. bis 1803. schrieb ein Erbauungsbuch für Kranke und andere fromme Dulder. Leipzig 1803.

 

14) Gehoven.

Dieses Dorf enthält 3 Rittergüther, den Dom- oder Hackenhof, den Neuen- oder Trebraischen und den Blauen- oder Harrasischen Hof. Die Familie derer von Eberstein erwarb hier schon unter Philipp von Eberstein 1512. Besitzungen. Dessen Urenkel Ernst Albert, erst Königl. Dänischer, hernach Chursächsischer General-Feldmarschall, erkaufte nach 1648. den Hacken-Hof, auch den Trebraischen oder Neuen-Hof von denen von Trebra, und besaß 1676. auch die Mannsfeldischen Aemter, Leinungen und Mohrungen, ingleichen Neuhaus am Harz, Paßbruch, Breitungen und Frie- drichshof im Holsteinischen. Dessen Kinder stifteten verschiedene Linien, davon die ältere, die von Anton Albrecht entsproß, anfangs die Gehovischen Güther nebst Leinungen in Gemeinschaft mit der Jüngern oder Neuhäusischen Linie, die Christian Ludwig stiftete, diese Mohrungen und Paßbruch, das hernach von der Familie abkam, besonders besessen zu haben scheint. Anton Albrechts Sohn, Otto Maximilian, ward von den Gehovischen Güthern der Domhof allein zugetheilt, dessen Linie daher die Domhöfische genennt ward. Dieses Guth (der Domhof), fiel nach des

 

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Sächsischen Hauptmanns Otto Christophs 1799. in Bucha, und des Holländischen Obristen Franz Heinrichs 1805. zu Allstedt erfolgten Ableben, nachdem deren Brüder keine Erben hinterlassen, auf der erstern Söhne, den Preußischen Major Heinrich Friedrich Wilhelm und den Marggräflich Anspachischen Cammerherrn Otto Carl Franz, welche auch ein vom Domhofe abgetheilt gewesenes Guth in Gehoven, der Teichdamm genannt, nach des Chursächsischen Hauptmanns Carl Friedrichs 1803. erfolgtem Absterben ererbten. Von der jüngeren Linie ward Ernst Friedrich auf Leinungen, dessen Linie in seinem Sohn abstarb, in den Grafenstand erhoben. Sein Bruder Wilhelm Dietrich besaß Neuhauß, das hernach an einen, Namens Bürger, gelangte, und dessen Enkel, Heinrich Wolf, hat Antheil am Neuen- und Blauen-Hof zu Gehoven, und an den Waldungen zu Leinungen. Der dritte Bruder Carl, welcher Leinungen von seinem ältern Bruder Carl Friedrich erbte, und Antheil an den Gehövischen Güthern hatte, vererbte solches nebst jenen an seinen jüngeren Enkel, den Kriegsrath Carl Friedrich August, dessen älterer Bruder, der Chursächsische Hofrath Wilhelm Horla besitzt. Der vierte Bruder, der Gräflich Stollberg - Stollbergische Jägermeister, August Christian Wilhelm, erhielt in der Theilung der väterlichen Güther Mohrungen, welches nach seinem und seines dritten Sohns, Wilhelm Ludwig Gottlobs, 1805. erfolgtem Tode auf dessen zweite Gemahlin, Luise Eberhardine, gebohrne von Trebra fiel, welche es an ihre Tochter, die Frau von Möllendorf,

 

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vererben wird, dessen zwey andere Söhne aber Antheil an den Gehovischen Güthern haben. Erwähnter Wilhelm Ludwig Gottlob gebohren 1762. machte sich als Schriftsteller bekannt. Er legte sich unter der Aufsicht des Herrn Oberberghauptmanns Friedrich Wilhelm von Trebra auf die Bergwerkswissenschaft in Klausthal, hernach auf die Philosophie, darinnen ihn des Herrn Professors Eberhardt Bekanntschaft nützlich ward, und edirte 1794. den ersten Theil seiner Geschichte der Philosophie unter dem Namen des erwähnten Gelehrten, der sich davon als Herausgeber nannte. Den zweyten Theil dieses Buchs gab er 1799. heraus. 1800. edirte er zur Ausfüllung einer Lücke in der Geschichte der Philosophie die Schrift: über die Logik und Metaphysik; ferner schrieb er 1803. seine natürliche Theologie der Scholastiker; hierauf arbeitete er an einer vollständigen Philosophischen Bibliothek, davon er nur den ersten Theil vollenden konnte. Er starb im 43. Jahre seines Alters 1805. (S. Leipziger Literatur-Zeitung- das Intelligenzblatt von 1805. S. 839.) Leonhardt Thalemeyer, Pastor in Gehoven, gab die Geschichte von einem, einer Frau von Eberstein auf dem Trebraischen Hofe 1683. erschienenen Nonnengespenst heraus, davon der Auszug in der Schatzkammer auserlesener Historien, S. 455. befindlich ist. Sein Nachfolger seit 1796. Pastor Carl Friedrich Leberecht Franke, erwarb sich durch Unterstützung der Armen in Gehoven in Gemeinschaft mit einigen wohlhabenden Einwohnern bey der Theurung von 1805. ein vorzügliches Verdienst.

 

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15) Gleina.

 

Solches besaßen ohnstreitig ehedem die von Gleyn, welche 1417. als Besitzer von Burgscheidungen vorkommen; s. Burgscheidungen. Zu Herzog Christians von Weißenfels Zeiten (um 1712.) hatte es der Oberland- Jägermeister von Geismar inne, verlor es aber durch seine Verschwendungen, worauf es Gebhard von Hoym nach 1724. an sich brachte. In Gleina hatten die von Brühl, Schardt, Rißmitz, Darneck von Arneburg Güther, welche sämmtlich erwähnter Hoym an sich kaufte. Aus des Schössers zu Droyssig, Oelsnitz, schriftlichen Nachrichten.

 

16) Goseck.

Das dasige Schloß, vorher Panzig oder Banzig genannt, war der ältere Wohnsitz einer Linie der Pfalzgrafen zu Sachsen, welche sich von solchem benannten und deren Geschlechtsregister im Schamelius in der Beschreibung des Klosters Goseck, S. 10. aufgeführt ist. Von diesen beschloß Pfalzgraf Friedrich I. daselbst ein Kloster aufzuführen, welcher Vorsatz durch seinen 1020. erfolgten Tod verhindert, aber von dessen Söhnen Adelbert, Erzbischof von Bremen, Dedo und Friedrich II. auf Einrathen Burckards, Bischofs von Halberstadt, ausgeführt, und die Einweihung des Klosters, dessen Name man in Goseck (Gottes Ecke) verwandelte, 1053. von erwähntem Adelbert vollzogen ward. 1083. ward Friedrich III., nachdem er von Ludwig dem Springer ermordet worden, hier begraben. 1493. begab sich dieses Kloster in die Bursfeldische Union. Zur Zeit der Reformation ward es secularisirt und in

 

 

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ein Ritterguth verwandelt. Es kam hernach an weltliche Besitzer, von denen der Ritter Georg von Aldensee solches nebst seinem Eheweibe von dem Churfürsten Moritz erkaufte, davon der Kaufpreiß zu der 1543. erfolgten Stiftung der Schulpforte verwendet ward. Von dessen Sohn oder Vetter gelangte es an den Chursächsischen Rath und Kanzler David Pfeiffer, dann an einen von Königsmark, dessen Wittwe, eine gebohrne von Hünike, aus dem Hause Scopa, den Chursächsischen Geheimen Rath und Kanzler Bernhard von Pöllnitz heyrathete, und es diesem zubrachte, der die dasige Schloßkirche aus den Ruinen des Klosters erbaute. Von dessen Sohn Hanns Christoph von Pöllnitz, Oberhofrichter zu Leipzig, fiel es auf dessen Tochter oder Enkelin, eine verehlichte Hofmarschallin von Beust, deren verschwenderische Wirthschaft dieses Guth nebst Uichteritz in Concurs brachte, worauf es der Rath und Obersteuer-Buchhalter Gottfried Pfützner erstand, und es auf seinen Sohn, den Chursächsischen Hofrath Jacob Heinrich Pfützner vererbte. Nach dessen 1757. oder 1758. erfolgtem Tode erbte es Johann Friedrich von Eckhart, und von diesem dessen Bruder Ludwig, der auch das Guth Dürrenhayn besitzt. S. Schamelii oben erwähnte Beschreibung des Kl. Goseck und schriftliche Nachrichten.

 

17) Kloster Göllingen.

Die Benedictiner- Probstey Göllingen liegt an dem Dorfe gleiches Namens, in dem Fürstenthum Schwarzburg-Rudolstadt zwischen Frankenhausen und Sondershausen

 

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unter dem sogenannten Michelsberge an dem Flusse Wipper. Man leitet den Namen des Dorfes Göllingen von den altdeutschen Worten Goll oder Göl, das eine Pfütze, eine stehende See bedeutet, (daher auch das veraltete Wort Gölke oder Kölke; ein Sumpf, kömmt) — und von Ing oder Ring, welches in der Altsächsischen und Frankischen Sprache etwas abstammendes, einen Abkömmling anzuzeigen pflegt, her. Gölling oder Göllingen soll also nichts anders bedeuten, als einen Ort, welchem ein dabey sich befindlicher großer See den Namen gegeben hat. Diese Ableitung machen die ehedem in der dasigen Gegend vorhanden gewesenen, und noch jetzo bestehenden Sümpfe nicht unwahrscheinlich. Die ersten Besitzer dieses Orts waren unstreitig die in dem 12., 13. und 14. Jahrhunderte vorkommenden Edelleute, welche sich von Göllingen schrieben und deren Güther in und bey dem Dorfe lagen. Vor 1324. gehörte es den Edeln von Heldrungen, die solches in demselben Jahre an Graf Heinreich von Hohenstein, den Jüngern, Herrn von Sondershausen, verkauften, von welchem es auf die Grafen von Schwarzburg kam, die im Jahre 1356. von dem Kaiser Carl IV. einen Freyheits-Brief und das Recht erhielten, daselbst einen wöchentlichen Markt anzustellen, und alle Gerichte, auch das oberste Gericht auszuüben. Von dieser Zeit an ist dieses Dorf bey dem Schwarzburgischen Hause geblieben, gehört jetzt der Schwarzburg-Rudolstädtischen Linie, und stehet unter dem Amte Frankenhausen. Was nun die Probstey Göllingen

 

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betrifft; so kann sich dieselbe mit Recht unter die ältesten Benedictiner-Klöster in Thüringen rechnen, indem sich ihr Alter wenigstens bis ins zehnte Jahrhundert erstreckt, wiewohl das eigentliche Jahr der Stiftung nicht angegeben werden kann. Sie war eine Tochter der Abtey Hersfeld, unter der sie stund. Gleich zu Anfange des eilften Jahrhunderts wählte ein damals reicher und vornehmer Herr in Thüringen, mit Namen Güntherus, von dem man nicht unwahrscheinlich behauptet, er sey ein Ahnherr von Sizzo von 1114., dem Stammvater der Grafen von Schwarzburg und Kefernburg, gewesen, das Klosterleben, und begab sich nach Göllingen, dem er sein ansehnliches Vermögen schenkte; und vielleicht ist er der erste Probst dieses Klosters gewesen. Auch wurde es dadurch bekannt, daß, als 1031. der Hersfeldische Abt, Arnold, wegen verschiedener Vergehungen von dem Kaiser Conrad II. abgesetzt wurde, er dann sich ins Kloster Göllingen begab, wo er 1032. starb. Die dasigen Mönche folgten den Regeln des heiligen Benedictus. Der Patron oder Schutzheilige des Klosters war Wipertus, ein Angelsachse, der im achten Jahrhunderte lebte, und dem Bonifacius in Bekehrung der Heyden treulich beystand. Von dessen weltlichen Schulzherren oder Advocatis wird 1186. Berthold, dessen Geschlecht unbekannt ist und 1243. Heinrich von Heldrungen genannt. Nach den Herren von Heldrungen gelangte die Schutzgerechtigkeit des Klosters bis zu dessen Reformation und Secularisation an die Grafen von Hohenstein und das Haus Schwarzburg, bis es 1596.

 

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unter Sächsische Hoheit kam. Im Westphälischen Frieden wurde die Probstey mit dem Fürstenthum Hersfeld dem Hause Hessen-Kassel überlassen. Siehe Müldeners Antiquitates Goellingenses. Frankenhausen, 1766.

 

18) Heldrungen.

In dem dasigen ehemaligen Schlosse, (welches zum Theil eingegangen ist, und zum Amtshause dient,) saß der Bauernanführer, Thomas Münzer gefangen. Dieser Schwärmer war erst Pfarrer zu Allstedt, und als Herzog Georg ihn von dannen weggejagt hatte, begab er sich nach Mühlhausen, wo vorher schon Heinrich Pfeifer 1523. die Bauern empört hatte, und stellte sich dort an die Spitze der Tumultuanten, welche er durch vorgebliche Offenbarungen und seine aufrührerischen Predigten, von der ihnen zustehenden Freyheit und der Unrechtmäßigkeit der von ihnen geforderten Steuern, wider ihre Obrigkeiten, Fürsten und Adliche aufhetzte; dadurch er denn einen sehr großen Anhang bekam, der sich aus vielen thüringischen Oertern um ihn versammelte, und sich mit den schon vorhin aufgestandenen Bauern im Fuldischen vereinigte. Durch diesen großen Anhang erwarb er sich so viel Gewalt, daß er in Mühlhausen die Bürgermeister aus der Stadt jagen, und die umliegenden Klöster, Kirchen, adliche und geistliche Wohnungen plündern konnte. Er setzte den Mühlhausischen Rath ab, und einen neuen ein, davon er das Haupt war. Diesem Unheil zu steuern, ging ihnen 1525. Herzog Georg von Sachsen, Herzog Heinrich von Braunschweig und Landgraf Philipp von

 

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Hessen mit Heeresmacht entgegen. Mit dieser vereinigten Armee trafen diese Fürsten auf den aufrührerischen Haufen der 8000 Mann stark war, bey Frankenhausen; boten ihm erst Gnade an, wofern sie sich unterwerfen und wieder zu dem schuldigen Gehorsam zurück kehren wollten. Da sie aber solches Anerbieten ausschlugen, wurden sie angegriffen, da denn 5000 von ihnen auf dem Schlachtfelde, das noch jetzo der Schlachtberg genennt wird, und die übrigen in der Stadt, wohin sie flüchteten, theils niedergehauen, theils gefangen genommen wurden. Ihr Anführer, Thomas Münzer, flohe in ein, vor der Stadt gelegenes Haus, ward dort verrathen, und dem Herzog Georg und dem Landgrafen von Hessen überantwortet, welche ihn nach Heldrungen führen, und im dasigen Schlosse in Verwahrung bringen ließen. Die Fürsten zogen hierauf nach Mühlhausen, um auch die dortigen unruhigen Einwohner zu züchtigen. Aus dieser Stadt begaben sich 2100 Frauen und 500 Jungfrauen mit Wermuthkränzen zu den Fürsten ins Lager bey Schlotheim; sie fielen ihnen zu Füßen, baten um Verzeihung für ihre Männer und Väter, und versprachen an Eidesstatt, dem Churfürsten als ihrem Schutzherrn treu zu seyn, und den Adlichen, wegen des erlittenen Schadens, einen Ersatz an 24458 Gülden zu geben. Durch diese Fürbitte erhielten sie so viel, daß die Stadt verschont blieb , und nur die Schuldigen herausgefordert und gestraft wurden. Thomas Münzer ward von Heldrungen, nachdem er alle seine verübten Gewaltthätigteiten bekannt, und

 

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Pfeiffer von Eisenach abgeholt, und nachdem ersterer in einer Rede die Fürsten erinnert, zu Vermeidung neuer Empörungen von der bisher ausgeübten Strenge nachzulassen, enthauptet. Von den übrigen Aufrührern ließ der Churfürst von Sachsen zu Weimar, Jena und Eisenach etliche Rädelsführer, und am letztern Orte einen Münzerischen Diaconus Paul enthaupten; die andern Verführten nahm er wieder zu Gnaden an, legte ihnen jedoch die Strafe auf, daß sie zeitlebens einen weißen Stab, zum Zeichen ewiger Buße, tragen mußten l. Hörschelmanns Ahnentafel. Herzog Georg ließ ebenfalls zu Langensalze 40 Aufrührer hinrichten; und strafte die Stadt um 7000 Gulden. Zu Arnstadt wurden derselben 9 enthauptet, 44 ins Gefängniß gelegt, und die Stadt, die in diesen Bauernkrieg mit verwickelt war, um 4000 Gülden gestraft. Stadt Ilm und die umliegende Gegend mußte 15000 Gülden zur Strafe erlegen. Von den in der Grafschaft Hohenstein sich zusammenrottirt habenden Haufen von 500 Mann, ließ der dasige Graf Ernst den Anführer enthaupten; die ganze Rotte mußte sich zu Scheidungen mit weißen Stäben darstellen. Hier sprachen ihnen einige von Adel das Urtheil, daß sie hingerichtet werden sollten. Auf die Vorstellung Balthasars von Sundhausen aber, der es für rathsamer hielt, um das Land nicht zu entvölkern, und keine Witwen und Waisen zu machen, ihnen das Leben zu schenken, erhielten sie Verzeihung und jeder ward nur mit einer Geldstrafe von 4 Gülden belegt. Außer diesen ward zu Erfurt der Prediger der aufrührerischen Bauern gestraft, und vier

 

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Rädelsführer enthauptet. Von den übrigen Erfurtischen Bauern mußte jeder 10 Gülden Strafe erlegen.

 

Siehe auserlesene Geschichte von Thüringen, S. 453-458. Das Ritterguth in Schloß Heldrungen, jetzo der rothe Hof genannt, gehörte im 15ten Jahrhunderte Hansen von Trebra, dessen Erben es 1667. an Herzog August von Weißenfels gegen das Fürstliche Vorwerk Braunsrode vertauschten. Von denSchriften Benjamin Silbers, Sohns des dasigen Superintendenten, M. Christoph August Heinrich Silbers, der 1797. starb, s. Rosleben.

 

19) Heringen.

Das dasige Schloß haben die Grafen von Hohnstein 1327. erbauet. Johann Georg Leukfeld, aus dieser Stadt gebürtig, Pastor zu Gröningen seit 1702, schrieb die historische Beschreibung vom Kloster St. Georg zu Kelbra, von Allstädt und Wallhausen, die Antiquitäten von Walkenried, Pölde, Gandersheim und Ilefeld. Seine übrigen Schriften s. in der Beschreibung vom Kl. zu Kelbra, S. 213. Nachrichten von Heringen giebt erwähnter Autor eben daselbst S. 203, woselbst er auch den 1439. dieser Stadt von den Grafen von Schwarzburg und Stollberg ertheilten Freyheitsbrief anführt. Die dasigen Gelehrten, unter diesen Georg Koch, Professor am Gymnasium zu Göttingen, D. Michael Heinrich Horn, Prof. Med. zu Leipzig; erwähnt er S. 213

 

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20) Herrengosserstädt

Dieses Ritterguth ist Stammhaus der Faimlie von Marschall, welche ehedem das Erbmarschallamt in Thüringen bekleidete, und zum Unterschied derer in andern Ländern seßhaften Linien den Namen Marschall, ihrem Familien-Namen beysetzten.

 

Zwischen 1710-1762. gehörte es einem gewissen Hannöverischen Amtmann Wedemeyer, der es an Ernst Friedrich von Münchhausen verkaufte. Der daselbst um 1778. hier sich aushaltende Oekonomie-Inspector, Johann Ehrenfried Böhme, schrieb die Tootheilung mit ihren Folgen in Thüringen, welche Schrift eine Nachricht von dem Kefernburgisch-Rabinswaldischen Grafenstamm enthält, Leipz. 1795. ingl. Beweiß von den Rittergüthern Herrngosserstädt und Burgholzhausen. Dessen Bruder, Prof. Böhme zu Leipzig, gab die Commentatio de Runibergo, L. 1774 heraus, worin er den Kampfplatz der zwischen den Franken und Thüringern 527. vorgefallenen Schlacht in die Gegend von Vitzenburg setzte. Seit 1785. verwandelte der dasige Besitzer Ernst Friedemann von Münchhausen die Frohnen in Geldabgaben.

 

21. 22) Burg- und Kloster-Hesler

Diese beyden Güther, welche vom Bach Hesel, der in die Unstrut fällt, den Namen haben, und davon das eine, das jetzo Kloster-Hesler genennt wird, auch den Namen Markt-Hesler führte, besaß 1239. Heinrich von Burkersrode. Dessen Söhne, Georg und Hanns, haben den Geschlechtsnamen aufgegeben und

 

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und sich von den beyden Güthern, wo sie ihren Sitz hatten, Heßler genannt; dagegen ihre Geschlechts-Vettern den von Burkersrode fortgeführt. Von diesen Güthern, welche beyde in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Sequestration gestanden, und durch Subhastation von der Heßlerischen Familie abgekommen sind, ist Burg Heßler 1746. dem Zeizischen Stifts-Canzler Johann Christoph Zeumer zugesprochen worden. Von dessen Sohne kam es nach dessen 1774. erfolgtem Tode an dessen Testaments-Erbin, Maria Augusta Müllerin, geborne Zeumerin, und nach dem Absterben ihres Sohnes, Christian August Friedrich Müllers, das 1800. erfolgte, fiel es an die, vom Herrn Amtshauptmann Adolph Samson von Burkersrode, mit des Verstorbenen Schwester erzeugten Kinder, und kam also an die alte Familie, die es ehedem in Besitz gehabt, zurück.

 

Kloster-Heßler kaufte um 1740. August von Häseler auf Gösnitz, und verwandelte 1750. den Namen des Guths -Hesler in den seines Geschlechts-Namens. (S. Univ. Lexicon, und Ahnentafel Adelicher Familien, Coburg 1774.)

 

Der Stammvater der Familie derer von Burkersrode, Heinrich, lebte 1350. Dessen Urenkel Friedrich, kaufte Kölzen und Minkenhag 1498. von den Schenken zu Vesta; dessen Sohn Friedrich auf Kölzen erwarb 1527. Kötzschau vom Bischof Adolph von Bose zu Merseburg, und Markröhlitz von Wolfen von Rißmitz 1540. Von seinen 3 Söhnen stiftete Bernhard die Kötzschauische, Christoph, dessen Enkel unbeerbt starb, die Kölzensche, Friedrich die Markröhlitzische Linie.

 

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Von des ersten Enkeln führte Friedrich, der Güldengosse erwarb, und 1616. starb, sein Geschlecht fort. Seine Nachkommen waren die Brüder, der Domdechant Christian Wilhelm auf Kötzschau, und der Kammerrath August auf Crumpa, dessen Sohn unvermählt starb. Christian Wilhelm hinterließ den Cammerrath Wilhelm Christian, und dieser Heinrich Georg Wilhelm und Johann Christian August, welche beyde Kötzschau gemeinschaftlich besitzen. Friedrichs, des Stifters der Markröhlitzischen Linie, der 1576. starb, Nachkomme im 5ten Grade war der Oberhofgerichts- Assessor Friedrich Adolph auf Markröhlitz, der 1777. starb, und dessen Sohn, Herr Amtshauptmann Adolph Samson, gebohren 1756., Markröhlitz 1780. an die Hofräthin Henriette Wilhelmine von Holden wieder verkaufte, von welcher es ihr Sohn Gottlob Heinrich erbte. Die Güther Krellwitz und Daspig verkaufte eben erwähnter Friedrich Adolph 1769. oder 1772. an die verwittwete Frau Kammerräthin von Eckardt zu Goseck. König, im Adels Lexikon, schreibt irrig das Guth Markröhlitz als Eigenthum dem Stammvater Heinrich zu. (Aus schriftlichen Familien- Nachrichten.)

 

23) Groß- Jena.

Marggraf Günther von Thüringen soll zu Groß- oder Klein-Jena ein Schloß gehabt haben, dahin sein Leichnam gebracht, von dannen aber nach Naumburg in die Domkirche überführt worden. (S. Falkensteins Thüringische Chronik. 2, S. 558.)

 

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Einige halten Groß-Jena für den Ort, wohin Marggraf Eckards von Meissen Leichnam geschafft worden, davor insgemein die Stadt Jena angenommen wird, und von dannen er ins Georgen-Kloster bey Naumburg gebracht wurde.

 

Das dasige Ritterguth gehörte ehedem einem Hof-Juvelierer Hofmann, der, durch Gunst des Herzogs von Sachsen-Zeiz Moritz, es in Grundsücken sehr vergrößert hat. Hernach kam es an die Familie von Herda, von welcher es der Major von Herda an den Minister, Graf von Hopfgarten um 1800. verkauft hat. Johann Andreas Bauer, Pastor zu Groß-Jena, gestorben 1780., schrieb Alte und Neue Nachrichten von den Dörfern Groß-Jena und Schelsitz, die nicht edirt worden sind.

 

24) Kelbra.

Zu Ende des 11ten Jahrhunderts gehörte die güldene Aue, also auch die Gegend von Kelbra, an Graf Heinrich von Nordheim oder Böhmerburg, mit dem Zunamen des Fetten, welcher solche mit seiner Gemahlin, der Marggräfin Gertrud von Sachsen und Thüringen, erwarb. Nach dessen 1101. erfolgtem Absterben gelangte solche an seine Vettern, die Grafen von Rotenburg, welche auf Rotenburg gesessen; von diesen werden Christian 1103., Heinrich 1207. und 1223, und Friedrich 1216. genennt. Sie sind ohnstreitig die Erbauer von Kelbra gewesen, dessen Alterthum nicht über das 12te Jahrhundert hinauf steigen mag. (Leukfeld Seite 9.) 1493. gehörte Kelbra mit der ganzen güldenen Aue Graf Botho von Stollberg. (Leukfeld, S. 7.)

 

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Das in der Stadt gelegen gewesene Nonnenkloster St. Georg, dessen Kirche die jetzige Stadtkirche ist, ist ungefähr in der Mitte des 13ten Jahrhunderts vom Graf Friedrich III. von Beichlingen errichtet worden. Im Bauernkriege 1525., kurz vor der Schlacht bey Frankenhausen, ward dieses Kloster zerstört und geplündert, und die Nonnen daraus verjagt, nach welcher Zeit es secularisirt worden. S. Leukfelds Beschreibung von Kl. St. Georg zu Kelbra.

 

Die Gegend von Kelbra und Heringen längs der Helme wird wegen ihrer Fruchtbarkeit und Anmuth, deswegen sie Graf Botho von Stollberg dem gelobten Lande vorzog, die güldene Aue genennt. Vorher nahm dieser Distrikt von Stöckey bis Artern die Helmingow, die von der Helme diesen Namen erhielt, ein, und statt diesem ist ohnstreitig, da die Eintheilung in Gauen abgekommen ist, die Benennung der güldenen Aue aufgekommen. Diese Benennung ist in den neuern Zeiten weiter Nordwestlich bis Nordhausen, und Südöstlich bis Freyburg ausgedehnt worden. Dieser südöstliche Theil der Aue führt auch den Namen des Thals und wird gegen Südwest von den Finnenbergen, einem waldichten und weniger fruchtbaren Landesstrich, eingeschlossen, welche sich von Bibra bis Sachsenburg erstrecken, wo sie an die Haynleite, einen Theil des Harzgebürges stoßen. Von der güldenen Aue s. Thüring. Chron. S. 175. Olear. in Synt. Rer. Thur. I, p. 172., Merkels Erdbeschreibung 4. S. 87. 135. Die National-Zeitung, 46. Stück von 1800.

 

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ferner die Topographische Uebersicht des untern Theils der güldenen Aue, in den Sächsischen Provinzialblättern, 12. Bds. 13. Stück, S. 209. und die Uebersetzung des lateinischen Gedichts Friedemann Isaak Löwens, in Pastor Magens Bemerkungen, S. 40. Von den Alterthümern dieser Gegend s. das Gedicht S. 86. in der Neuen Sammlung vermischter Gedichte von dem Verfasser der Bukolischen Erzählung. Altenburg 1767. Von dem Finnengebürge hatte der Pagus Finne (Vinne), der als an der rechten Seite der Unstrut, zwischen Beichlingen, dem Schlosse, dem Flecken Wiehe und dem Dorfe Memleben, gegen das Gebürge Finne gelegen, beschrieben wird, und dessen in einem Diplom bey Leukfeld in Ant. Walkenried S. 137. Meldung geschieht, den Namen.

 

25) Kiphausen.

Diese Festung, die sonst Kifhausen geschrieben worden, welche Benennung ohnfehlbar so viel als ein Streithaus, (von Kiff, Streit) hieß, bestand aus zwey Burgen, der Ober- und Unterburg, davon noch der Thurm der erstern steht. Ohnstreitig gab zu deren Erbauung das am Fuß des Kiphäuser Berges gelegene Palatium regale in Tilleda Gelegenheit, wo die Kaiser aus dem Hause Sachsen oder Braunschweig, welchen die ganze Gegend umher gehörte, öfters Hof hielten. Dieses bestund bereits, nach dem Chronicon Gotwicense, das seine Lage im Pago Helmingow angiebt, zu den Zeiten der Fränkischen Könige, und wurde als eine Gränzfestung wider die in der Nähe wohnenden Sorben

 

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und Wenden erbaut. Von diesen kam es nach dem Abgange der Karolinger an die Sächsischen Kaiser. Otto II. liebte diesen Ort vorzüglich, und bestimmte ihn nebst der Burg 972. zum Leibgedinge für seine Gemahlin Theophania. Eben so viel Gefallen fand Kaiser Conrad II. und Heinrich III. an diesem Orte, und 1191. stellte hier Heinrich VI. die Zusammenkunft mit Heinrich dem Löwen, um sich daselbst mit ihm zu versöhnen und seine Unterwerfung zu erwarten, an. Die Zusammenkunft war erst in Saalfeld bestimmt, aber wegen Heinrichs Sturz vom Pferde, wurde hernach Tilleda als ein näherer Ort erwählt, wo auch der kranke Heinrich sich einstellte, und die Gnade des Kaisers wieder erlangte. (S. Tilleda.)

 

Nach dieser Zeit mag der Ort nicht mehr von den Kaisern, welche sich gewisse Residenzen zu er- wählen anfingen, seyn besucht worden, und ist das Palatium, davon man die Stelle nicht mehr weiß, ohnstreitig, wie andere Palatia, verfallen, oder durch feindliche Einfälle und Feuersbrünste (während des Zwischen-Reichs) verheeret worden. Das Jahr der Erbauung der beyden Burgen auf dem oberhalb Tilleda liegenden Berge, welche natürlich die Kaiser sich selbst oder ihrem Fiscus regius zur Sicherheit angelegt haben mögen, ist nicht bekannt. Da wahrscheinlich von diesem Schlosse aus das Landvolk gedrückt, die Reisenden geplündert, und der Adel sehr geplagt ward, brachten diese Gewaltthätigkeiten die Sachsen und Thüringer, denen der Kaiser Heinrich IV. aufsässig war, und die dieses Schloß als einen

 

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Kappzaum ihrer Freyheit ansahen; so sehr auf, daß sie es 1069. (1070.) anfielen und eroberten. Bald darauf aber nahm sie der Kaiser, der die Partey Friedrichs IV., Pfalzgrafs Friedrichs III. Sohn, wider seinen Stiefvater Ludwig den Springer (der dieses Schloß nebst Beichlingen und Scheidingen besetzt hielt) zu halten schien, wieder weg. Dieses Schloß wurde seit dieser Zeit ein beständiger Zankapfel zwischen den Sachsen, Thüringern und dem Kaiser. Da letzterer fortfuhr, die erstern zu unterdrücken, griffen sie vom neuen zu den Waffen, und brachten das ihnen entrissene Schloß Kiphausen, nebst den andern erwähnten Schlössern 1076. von neuem in ihre Gewalt; aber 1079. bekam es der Kaiser wieder. Heinrich V., dessen Sohn und Nachfolger, behielt es bis 1118. Der Verlust der Schlacht beym Wölfesholze von 1115., die er mit Lothar II. seinem Gegen-Kaiser, hielt, zog auch den Verlust dieses Schlosses und zugleich dessen gänzlichen Untergang nach sich. Die Besatzung hielt sich darinnen 3 Jahre lang; endlich ward es von den Sachsen undThüringern mit siürmender Hand eingenommen, das Schloß verbrannt, die Festungswerke niedergerissen und der Erde gleich gemacht. Unter K. Rudolph I., da es scheint wieder hergestellt worden zu seyn, ward es dem Reiche wieder erworben; dieser Kaiser setzte Graf Friedrich IV. von Beichlingen-Rotenburg zum Burggrafen der dasigen alten Kaiserlichen Burg ein. Von diesem gräflichen Hause kam Kiphausen, das in den 1320. und 1348. ausgestellten Urkunden noch immer ein Castrum Imperiale

 

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genannt wird, 1378. durch Kauf an das Haus Schwarzburg. Damals, und noch 1407. war das Schloß noch mit einigen Gebäuden versehen und ziemlich feste; in der folgenden Zeit aber ist die Burg gänzlich verfallen. Graf Heinrich von Schwarzburg baute 1433. an das dasige Schloß eine Kapelle, zum heiligen Kreuz genannt, wohin häufige Wallfahrten geschahen, und viele Vornehme sich auf den Kirchhof begraben ließen. Nach der Reformation, nachdem die Achtung für diesen geweihten Ort aufhörte, ging diese Kapelle wieder ein. (S. Müldener von den zerstörten Bergschlössern in Thüringen, S. 134.)

 

26) Langenrode.

Christian Heinrich Spieler, Pastor daselbst 1773., schrieb die Erholungsstunden. Naumburg 1771. 1772.

 

27) Laucha.

Zur Erbauung dieser Stadt gab nach Rühlemanns, des Verfassers der Chronik derselben, Muthmaßung, die Zerstörung von Burgscheidungen von 527. durch die mit den Franken verbundenen Sachsen Gelegenheit, indem die vertriebenen Einwohner sich in die dasige Gegend wendeten, und daselbst anbaueten, welches nach Schröders Meynung in der Beschreibung von Burgscheidungen erst nach der 938. durch Otto den Großen geschehenen zweyten Zerstörung geschah. Der Name der Stadt, der in den Urkunden Lochowe, Luchowe und Luchau geschrieben wird, und welche der Pirnische Mönch Lochawe im Grimmenthal benennt,

 

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ist vieleicht aus Loch und Aue zusammen gesetzt, und bezeichnet eine im Grunde liegende lustige Gegend; wie denn der Strich vom Hinterhaugshof bis an den Hayn (Hahn) noch jetzo die Aue genennt wird. Sie kann einerley Ort mit Lubichoh seyn, welches nebst Tribus Kaiser Heinrich II. zwischen 1002-1024. der Kirche zu Naumburg schenkte, und Tribus kann vielleicht Trebsdorf bedeuten. Die Einrichtung des gemeinen Wesens und Abfassung der bürgerlichen Gesetze dieses Ortes wird einem Grafen von Orlamünde, der ein Herr des Osterlandes genennt wird, (darunter ohnstreitig Ost-Thüringen zu verstehen ist, indem Graf Friedrich der Jüngere, der Thüringen besaß, den Titel eines Herrn des Oster-Landes führte) zugeschrieben. Dieser Graf von Orlamünde war sicherlich Wilhelm, Otto‘s Bruder, der 1062. starb. Unter Graf Herrman von Orlamünde und Weimar kam die Stadt sehr in Aufnahme, wozu die Marien-Kapelle (die jetzige Kirche) Gelegenheit gab, deren Stifter die Edlen von Luchau, welche die Unterherrschaft über Laucha hatten, und deren Edelhof neben derselben auf der Stelle des Markts lag, gewesen zu seyn scheinen, und welche 1335. und 1345. zu Beförderung der dahin angestellten Wallfahrten von gewissen Bischöffen mit Ablaßbriefen begabt ward. Unter dem Landgrafen Balthasar erhielt der Ort von Kaiser Wenzel (1390-1395.) das Stadtrecht. Balthasars Sohn, Herzog Friedrich der jüngere, richtete 1409. die Lauchische Polizey-Ordnung nach der von Langensalze ein und verstattete 1423. den Verkauf des Luchauischen

 

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Edelhofs an die Stadt; nebst welchem die Besitzungen derselben noch durch zwey andere in ihren Ringmauern gelegene Edelhöfe vermehrt wurden, von denen der denen von Cöder gehörige nach Herzog Wilhelms, des Bruders Churfürst Friedrichs II., Tode um 1482. an solche verkauft ward, der Haugshof aber durch Schenkung 1470. an sie gelangte. 1448. ward die Stadt unter dem erwähnten Herzog Wilhelm dem Amte Eckardtsberga untergeben. 1635. ging bey der Invasion der Kaiserlichen, ingleichen bey der Einquartierung der Schwedischen Truppen 1642. 1645. 1648. ein großer Theil der Stadt in Feuer auf. (S. Rühlemanns Chronik von Laucha.)

 

28) Lossa.

Siehe davon Wiehe. Der dasige Pastor Burkhard Heinrich Magen, der seit 1752. das dasige Pastorat verwaltet, schrieb einige Predigten und geistliche Lieder. Von seines Sohnes Schriften, s. Reinsdorf.

 

29) Marienthal.

Das dasige Ritterguth ist von Hilmar von Münchhausen auf Hobeck, nach andern von dessen Bruder Christian Wilhelm 1732. zu einem Lutherischen Fräuleinstift erbaut, und dagegen das ehedem im Thal gelegen gewesene adeliche Wohnhaus abgebrochen worden. Diese Anstalt ist aber nicht zu Stande gekommen. Nach seinem und seiner Brüder unbeerbtem Absterben fiel es an seine Schwesterkinder, die von Hagen und Seebach. (S. Münchhausens schriftliche Nachrichten.)

 

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30) Memleben.

Die Stiftung des dasigen an der Unstrut gelegen gewesenen Klosters, dessen Namen mit dem von Memmingen und Memmendorf einerley Ursprung haben muß, und gewiß nicht so viel, als mein Leben oder meine Wohnung bedeutet, ist wahrscheinlich K. Heinrich dem Vogler oder seiner Gemahlin Mathildis zuzuschreihen, und wird, da dieser Kaiser daselbst öfters sich aufgehalten, Curtis regia (ein Königlicher Sitz und Ablager) auch Castellum genennt. Die Mathildis nennt Fabricius als Stifterin, und hat sie oder Heinrich solches Anfangs mit Nonnen besetzt. Sowohl Heinrich als sein Sohn und Nachfolger verrichteten hier ihre Andacht, und fanden auch ihren Tod hier, jener 935, dieser 973. Otto‘s Sohn, Otto II., baute nebst seiner Gemahlin Theophania auf Anrathen seiner Mutter Adelheid das Kloster 975. aus, (nach Fabricius verlegte er die Kirche von dem Flusse, wo sie vorher stand, an einen bequemern Ort, und gab ihr einen größern Umfang,) beschenkte es mit verschiedenen Güthern, erhob es, zu einer freyen Abtey, versetzte die Nonnen nach Quedlinburg und brachte an ihre Stelle Benedictiner-Mönche dahin. Er nennt dieses Kloster Coenobium a nobis nostraque contectali Theophania Speciali devotione et sumtu inceptum et instructum. Die Klosterkirche, in welcher an den Pfeilern die Bildnisse Ottos I., und seiner ersten Gemahlin Editha standen, erhielt sich bis um 1708. unversehrt, ward aber 1764. zum Theil eingerissen, und die Steine zu wirthschaftlichen Gebäuden angewendet.

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1010. verlor das Kloster seine Freyheit, und wurde dem Abt Arnold von Hirschfeld untergeben. Der damalige Abt Reinhold ward abgesetzt, die Mönche wegen ihrer ausschweifenden Lebensart ausgestoßen, und deren Stelle mit andern besetzt. 1525. ward es im Bauernkriege hart mitgenommen. Nach der Reformation ward es 1548. secularisirt, und 1551. dessen Einkünfte zur Schulpforte geschlagen.

 

Das Kloster war in seinem blühenden Wohlstande eine fruchtbare Mutter vieler andern Klöster, es war mit sonderlichem Ablaß versehen, dessen Austheilung den noch gewöhnlichen dasigen Jahrmarkt veranlaßte, der den Namen des Ablasses führt. Die weltliche Hoheit über dasselbe gehörte Anfangs den oben erwähnten Kaisern; in der Folge aber kam sie an die Grafen von Orlamünde von der Linie, welche, nebst Memleben, Wiehe und Wendelstein besaßen, und nach deren 1447. erfolgtem Ableben an die Landgrafen von Thüringen.

 

Dessen Voigtey stund 975. dem Grafen Ludwig von Schwarzburg zu; hernach ward solche den Grafen von Bucha, deren Sitz wahrscheinlich in der Nähe von Memleben war, zugetheilt, von denen Otto solche 1244. dem Abt von Hirschfeld übergab. Von der angeblichen Stifterin des Klosters, Mathildis, Beschäftigungen macht Wittekind folgende Erzählung: Sie erfüllte alle Nächte ihre Zelle mit Gesängen geistlicher Lieder; diese hatte sie jederzeit nahe an der Kirche. Hier pflegte sie kurze Zeit zu ruhen; dann stund sie des Nachts auf, ging in die Kirche, beharrete daselbst im Gebet und Wachen,

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und wartete während der Zeit die Sänger Lobgesänge vor ihrer Zelle anstimmten, die Messe ab. Hernach besuchte sie die Kranken in der Nachbarschaft, von welchen sie Nachricht erhielt, ließ sie mit dem Nothdürftigen versehen, reichte den Armen die Hand, und nahm die Gäste, die zu allen Zeiten in Menge sich um sie her versammelten, mit Leutseligkeit auf; sie ließ niemand ohne freundliche Anrede von sich, niemand ohne Geschenke und Unterstützung in seiner Nothdurft. Oft schickte sie auch Reisenden , die sie aus ihrer Zelle von ferne erblickte, Almosen. Die Ausübung dieser frommen Werke, die sie ununterbrochen in großer Demuth vollbrachte, verringerte ihre Königliche Würde nicht; auf ihrem Thron erhoben, mitten im Kreiße des Volks, blieb sie der Bedrängten Trösterin. Sie übernahm es selbst, die Weibspersonen, die sie bedienten, in Künsten und Wissenschaften, darinnen sie erfahren war, und die sie nach dem Tode ihres Gemahls mit gutem Erfolg trieb, zu unterrichten. Diese Andachtsübungen und die Ausübung guter Werke scheint sie nach ihres geliebten Heinrichs Tode noch eifriger getrieben zu haben, als vorher. Sie fuhr fort, sagt ihr Biograph, Wittwen und Waisen und andern Armen, die ihrer Hülfe benöthigt waren, Almosen auszutheilen. Sie widmete hierzu zwey verschiedene Stunden des Tages, und wenn eine Reise oder der Schlaf sie an eigener Besorgung hinderte, trug sie dieses Geschäfte der Nonne Richburg auf, die ihr beständig zur Seite war. Nicht nur durch Geldgeschenke, sondern auch durch allerley Bequemlichkeiten,

 

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kam sie der Nothdurft der Armen zu Hülfe. Sie ließ Stuben heizen, um sie vor der Strenge des Winters zu bewahren, und verstattete ihnen, zur Wiederherstellung der Gesundheit, den freyen Gebrauch der Bäder. Die Umstände, die den Tod ihres Gemahls Heinrich begleiteten, werden von ihrem Biographen folgendergestalt erzählt: Bald nach Endigung des Reichstages verfügte er sich mit einem kleinen Gefolge nach dem Kloster Memleben. Hier fiel ihn seine Krankheit mit stärkerer Wuth an und verkündigte ihm das Ende seines Lebens. Da er hiervon gewisse Ahndungen bemerkte, rief er seine Gemahlin, unterredete sich lange Zeit im Geheim mit ihr, und nahm von ihr in einer wehmüthigen Rede Abschied. Sie antwortete ihm allein mit Thränen, und eilte, von Betrübniß niedergeschlagen, in die Kirche, wo sie brünstige Seufzer für den Sterbenden, und für die Wohlfahrt der Hinterlassenen zu Gott schickte. Unter diesem Gebet verschied der Kaiser. Sie bemerkte es aus dem Leidwesen des herumstehenden Volks, warf sich zur Erde nieder, und empfahl seine Seele Gott; dann stund sie auf und fragte, weil es schon später war, ob unter den Priestern noch einer nüchtern wäre, um die Seelenmesse für den Verstorbenen zu lesen? Alsobald stellte sich Adeldag, ein Chorherr von Hildesheim, zu dieser Verrichtung dar, und Mathildis war hierüber so froh, daß sie ihm die güldenen Bänder schenkte, die sie an den Armen trug. In der Folge würdigte sie ihn einer besondern Gnade, und verhalf ihm durch Fürbitte bey ihrem Sohne zum Erzbisthum Hamburg.

 

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Nach vollbrachtet Messe ging sie in das Zimmer, wo der Leichnam lag; und da sie sahe, daß die Kaiserlichen Kinder, im Gefolge der vornehmsten Kriegsobersten, um ihn her stunden, und den erlittenen Verlust beweinten, legte sie sich mit ihnen dem Körper zu Füßen, und ließ ihren Thränen vollen Lauf. Als sie sich von ihrer Betrübniß einigermaßen erholt hatte, ertheilte sie ihren Söhnen mancherley mütterliche Lehren, dann besorgte sie die Zubereitungen zum Leichenzuge, und ließ den Leichnam, der Verordnung des Verblichenen gemäß, nach Quedlinburg abführen, und daselbst mit gehöriger Pracht begraben. Von Otto’s Tod sagt Wittekind: Er erhob sich mit seiner Gemahlin und Sohne nach Merseburg, feyerte dort das Himmelfahrtsfest, und befahl das dasige neuerrichtete Bisthum dem ersten Bischof Boso an. Er bemerkte hier einige Anwandelungen seiner nahen Todeskrankheit; diese veranlaßten ihn, diesen Ort wieder zu verlassen, und unter Begleitung Bruno‘s, Herrns von Querfurt, nach dem Kloster Memleben sich zu begeben. Hier hoffte er durch die Veränderung der Luft sich von seiner Schwachheit zu erholen, und war entschlossen, wofern er Besserung empfände, noch vor dem Pfingstfeste nach Quedlinburg zurück zu kehren. Allein er fand hier das Ende seiner ruhmwürdigen Tage. Die Ohnmacht, welche seinen Tod ankündigte, überfiel ihn mitten unter geistlichen Uebungen, da er der Vesper beywohnte. Man brachte ihn durch Arzneymittel wieder zu sich. Allein, er lebte nur einige Augenblicke, die er zu Empfahung des Abendmahls anwendete,

 

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und starb noch den Abend desselben Tages. Man öffnete den Körper, setzte die Eingeweide in der Klosterkirche bey, und führte hierauf unter einem ansehnlichen Gefolge geistlicher und weltlicher Herren, unter andern der Erzbischöfe von Cölln und Magdeburg, und Bruno‘s von Querfurt, die Leiche nach Magdeburg, wo sie in der dasigen Domkirche neben dem Grabmale seiner ersten Gemahlin eingesenkt ward. (S. Schamelius Beschreibung des Klosters Memleben. Lebensgeschichte der Mathildis, Reval, 1780. S. 41. 55. Lebensgeschichte der K. Adelheit, Leipz. 1782. S. 112. Pastor Magens Gedicht auf die Trümmern des Klosters Memleben, in der Thüringischen Monatsschrift, No. 1. S. 37)

 

 

31) Naumburg.

Die Erbauung dieser, unfern dem Einfluß der Unstrut in die Saale, gelegenen Stadt, wird Carl dem Großen zugeschrieben, der solche zu einem Schutze gegen die Sorben - Wenden nebst Dresden 808 angelegt, auch daselbst eine Kirche gestiftet haben soll. Diese Erzählung ist wahrscheinlich von der Festung zu verstehen, die an dem Orte, jetzo Allmerich genannt, gestanden, und Altenburg genannt worden. Nachdem diese zerstört worden, legte K. Heinrich zur Sicherheit der Gegend, gegen die Einfälle der Hunnen, die er 934 zur Niederlage brachte, den Grund zu einer Neuen Festung, die deswegen die Neue-Burg (in der Folge Naumburg) genennt ward. Da ihn der Tod an der Vollendung derselben hinderte, mag sein Sohn, K. Otto I.,

 

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solche vollführt haben. Eben dieser stiftete das dasige Bisthum 968, davon aber der bischöfliche Sitz anfangs sich in Zeiz befand. Weil aber die dasigen Mönche wegen der Einfälle der böhmischen Sorben-Wenden sich daselbst nicht sicher glaubten, verlegten sie mit Einwilligung der Marggrafen von Meißen, der Gebrüder Hermann u. Eckard II., 1029. das Bisthum nach Naumburg, wo die Domkirche erbaut ward, und seit welcher Zeit das Bisthum den Namen von Naumburg-Zeiz annahm. Diese Brüder legten auch die Messe in dieser Stadt an, und machten sie dadurch zur Handelsstadt. Marggraf Eckard I. von Meißen, der Vater der benannten Brüder, stiftete das Kloster St. Georg in der Nähe der Stadt, welches nachgehends durch die häufig nach dem dasigen wunderthätigen Marienbilde gethanen Wallfahrten sehr berühmt worden ist. Das alte Schloß ist 1170. erbaut worden und 1244. von K. Adolph von Nassau größtentheils zerstört, und von K. Albert völlig niedergerissen worden, seine Lage aber ist unbekannt. Zu Ende des 10ten Jahrhunderts ward die Stadt von den Hunnen verwüstet, hernach von K. Heinrich II. 1002 wieder aufgebaut. 1069. nahm sie Marggraf Dietrich von Meißen mit Hülfe der Sachsen ein; K. Heinrich IV. aber, unter dessen Bothmäßigkeit sie damals stand, erobern sie bald wieder. 1432. bedrohte sie der Anführer der Hussiten Procopius mit der gänzlichen Zerstörung, zur Strafe, daß Bischof Gerhard von Naumburg, auf dem Concilium in Kostnitz seine Einwilligung in die Verbrennung Hussens

 

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gegeben hatte. Die Fürbitte von 238 Knaben und 321 Mädchen, welche die Bürger ins Hussitische Lager schickten, bewürkte aber so viel, daß die Bürger begnadigt wurden, zu welcher Begebenheit Andenken noch jetzo jährlich ein sogenanntes Kirschfest für die Bürgerkinder gefeyert wird. (S. Merkels Erdbeschreibung von Sachsen 4, S. 69.; ingleichen eine aus dem Kirchen-Archiv zu Flämmingen bey Naumburg gezogene Nachricht von dieser Begebenheit, welcher aber das von Christ. Aug. Braun 1805. herausgegebene unten angeführte Historische Gemälde: Die Hussiten vor Naumburg, widerspricht; nach welchem die Stadt durch einen von dem Stiftischen Kriegsheer, unter Anführung des Stiftshauptmanns Rudolph Bruns, über die Hussiten erfochtenen Sieg von der Brandschatzung befreyt und die vom Procopius in die Wagenburg eingeschlossenen Kinder errettet worden.) 1457. ward hier eine Erbverbrüderung zwischen dem Churfürst Friedrich von Sachsen, dem Churfürst Friedrich von Brandenburg und dem Landgrafen Ludwig von Hessen geschlossen, und solche 1555., 1587. und 1614. erneuert. Der letzte Bischof, Julius Pflug, der 1541. erwählt ward, starb 1564. da denn nach dessen Tode die völlige Reformation des Bisthums erfolgte, obgleich schon vorher (um 1532.) die meisten Einwohner die evangelische Religion angenommen hatten. Convente von den Protestantischen Fürsten wurden hier 1561. und 1583. gehalten: 1631. ward die Stadt von den Kaiseriichen unter General Tilly erobert und ausgeplündert, worauf bald hernach K. Gustav Adolph

 

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sein Lager vor der Stadt aufschlug, und von hier nach Lützen rückte, wo er mit den Kaiserlichen die Schlacht hielt, darinnen er umkam. 1642. besetzten sie die Kaiserlichen, und schlugen, da die Schweden sie belagerten, den Sturm ab. Nach geschlossenem Westphälischen Frieden wurden die Festungswerke abgebrochen. Vor der Stadt gegen die Saale und Schulpforte zu, lag ehedem ein Kloster, das St. Georgen-Kloster genannt, dessen Stifter ohnstreitig Eckard, erster Marggraf zu Meißen und Thüringen, und seine Gemahlin Suanhilde war (welcher Eckard, nicht mit Eckbert, Marggrafen von Sachsen, zu vermengen ist). Nach seiner zu Pölde 1002. erfolgten Ermordung ward sein Leichnam von Jena dahin gebracht, und neben dem Grabe seiner Gemahlin Suanhilde begraben. Solches Grab war noch 1400. vorhanden. In der Folge geschahen nach diesem Kloster, wegen eines wunderthätigen Marienbildes, häufige Wallfahrten, welche die Stadt Naumburg (nach Peckenstein) in Aufnahme brachten. Das Kloster ward 1547. von den Spaniern, und 1637. von den Kaiserlichen verwüstet. Nach des letzten Abts Tode ließ es Churfürst Johann Friedrich einnehmen und dessen Gebäude abbrechen. (S. Schamelius Beschreibung des Klosters St. Georg.)

 

Unter den dasigen Adlichen haben sich durch Schriften bekannt gemacht:

 

Herr Christian Friedrich August von Meding auf Schellenberg, Capitular und Scholasticus zu Naumburg, welcher: Nachrichten von adlichen Wappen, erster bis 3ter Band. Hamburg 1786.

 

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herausgegeben. Der vierte Band ist nicht edirt worden.

 

Fräulein Caroline Friederike von Kaminsky, Tochter des 1800. verstorbenen Hauptmanns dieses Namens, welche sich in Naumburg bis 1800. aufgehalten. Von ihren geistvollen Gedichten ist die erste Sammlung unter dem Titel: Meine Muse. Naumburg 1786. und mehrere derselben in der poetischen Monatsschrift: Luna 1787 — 1790., die Neuern in der Sammlung poetischer Uebersetzungen, biblischer Gesänge, bukolischer und freundschaftlicher Gedichte 1804. erschienen. Sie hat auch Antheil an den Neuen Unterhaltungen. Ihr zu Ehren ist in dem Garten zu Bucha 1804. ein Denkmal errichtet worden, dessen Inschrift in obgedachter Sammlung biblischer Gesänge S. 87. angezeigt ist.

 

Unter den Geistlichen: Johann Christian Ritter, Domprediger und Schul-Inspektor seit 1752. Er schrieb: Gott im Kriege, oder Predigten zur Kriegszeit. Naumburg 1763. und andere in Weizens g. Sachsen angeführte Schriften.

 

M. Johann Christian Förster, aus Saubach gebürtig,Domprediger seit 1787., hernach 1801. Superintendent zu Weißenfels, schrieb biblische Geschichte für Kinder, 1r Theil 1799.; Auszug aus den Sächsischen Landesgesetzen für die Jugend; Morgen- und Abendandachten; Lehrbuch der christlichen Glaubens- und Sittenlehre; einen Jahrgang von Predigten und andere Schriften.

 

Dessen Nachfolger, M. Johann Friedrich Krause, Domprediger seit 1801., schrieb Predigten

 

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über die Sonn- und Festtags-Evangelien. 3 Bände,

 

Johann Martin Schamelius, Oberpfarrer zu St. Wenzeslai; gestorben 1742., schrieb Numburgum Literatum. Lips. 1727. 1736. p. 1. 2. Beschreibung des Klosters St. Moritz 1729., und andere Klosterbeschreibungen von Memleben, Rosleben, Goseck etc.

 

M. Röhrer, Pastor an der Moritzkirche, schrieb Syllogen observationum. in Ioh. I, 1. - 4. Naumburg 1796.

 

Unter den Schullehrern: Johann Gottlieb Bindermann, Rector der Domschule seit 1741., hernach zu Freyberg; schrieb 1741. Acta Scholastica; das im vorigen Jahrhundert (1642) beunruhigte Naumburg; von dessen übrigen Schriften s. Zedles Universal- Lexicon in den Supplement- Bänden)

 

M. Gregor Gottlieb Wernsdorf, Rector seit 1801 schrieb verschiedene Dissertationen.

 

Friedrich Berger, Rector an der Domschule, schrieb das Leben des Bischofs Nikolaus von Amsdorf 1718. (S. Diaconus Philipps Geschichte des Stifts Naumburg und Zeiz)

 

Christian Heinrich Braun, Conrector der Domschule seit 1767., schrieb historische diplom. Nachrichten von den Naumburgischen Domdechanten 1791. 1795.; Reihe der Stift-Naumburgischen Dom-Dechanten 1796. Eine Nachricht von den Grafen von Osterfeld, 1796. starb nach 1799. Dessen Sohn, der Herausgeber dieser Schrift, Christian August Braun, gab Jena 1805. die Hussiten vor Naumburg,

 

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ein historisches Gemälde, das er nach einer Handschrift der Historia von der Bohemen greulichen Trutz und Wüten um die Naumburg, von Lüdiger Tuto von Goszeneck, Scholastern in St. Moritzens Munster, bearbeitete, heraus.

 

Friedrich Kaiser, Lehrer der Mathematik an der Domschule seit 1804., edirte 1802. den Abriß der mathematischen und philosophischen Erdbeschreibung; I Thl. und 1803. eine Erdbeschreibung in 2 Theilen, zum Gebrauch für Volksschulen.

 

Martin Christoph Lorenz, Rector der Rathsschule, gestorben 1706., schrieb Origines Doringicas. Numb. 1706.

 

Theodor Johann Abraham Schütze, Rector an der Stadtschule seit 1775., von dessen Schriften s. Weizes gel. Sachsen.

 

Johann Georg Rauhe, Garnisonslehrer in Naumburg, lieferte einen Auszug aus dem Taubischen Chronikon, der eine Geschichte vom Ursprung des Naumburgischen Kirschfests enthielt, edirt 1782.

 

Unter den Juristen:

 

D. Johann Lorenz Holderrieder, Hofrath und Oberbürgermeister zu Naumburg. Von dessen Schriften s. Weizes gel. Sachsen.

 

Johann Christian Grubner, starb 1768., schrieb historische Nachrichten von den Geschichtsschreibern des Stifts Naumburg, und mehrere Schriften.

 

Johann Gottlieb Kaiser, Advocat, starb vor 1800. hat eine Beschreibung der Naumburgischen Domkirche geschrieben, nebst andern Schriften, die nicht gedruckt worden.

 

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Carl Peter Lepsius, Raths-Assessor, schrieb eine diplomat. Nachricht von der Bergveste Rudelsburg, welche in D. Weißens neuem Museum für die Sächsische Literatur und Staatskunde, 1. Abtheilung 2r Heft, S. 140. eingerückt ist; ingleichen eine genealogische Nachricht von den Schenken zu Saaleck. Naumb. 1800.

 

Unter den Aerzten:


D. Friedrich August Weiz, edirte Auszüge aus chirurgischen Disputationen, das gelehrte Sachsen. Leipz. 1780.

 

32) Nausitz.

Besitzer des dasigen Ritterguths war 1700. N. von Creuz, der den Edelhof und die Kirche erbaute, nach welchem es an die Familie derer von Tettenborn und Raschau, ferner an einen Rosenkranz gelangte. Seit 1794. besitzt es Herr Oberstlieutenant von Römer.

 

33) Nebra.

War ehedem nach den Memlebischen Klosterbriefen eine Grafschaft. Im 11. Jahrh. lud Mezelinus, Graf von Nebra, nebst vielen andern Personen, Ludwig den Springer und Pfalzgraf Friedrich III. nebst seiner Gemahlin Adelheit zu einem Gastmale ein, bey welchem Ludwig bey einem Tanze in die Adelheit verliebt ward, welches Verständniß in der Folge die Ermordung des Pfalzgrafen veranlassete. S. Scheiplitz. Falkensteins Thür. Chron. 2, S. 587. Im 14. Jahrhunderte besaß es eine Familie der Schenken von Vargula.(s. eine Urkunde von 1330. in Friderici Histor. Pincernarum

 

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Varila-Tautenburgicorum, p. 21.) 1341. hatte es nebst Birkigt Apel von Vitzthum in Besitz. In demselben Jahre belagerte die Stadt auf Befehl K. Ludwigs des Bayern, Landgraf Friedrich der Strenge, mit der Bürger aus Erfurth und anderer Thüringischer Städte Beystand, um die sich im dasigen Schlosse damals aufhaltenden Freybeuter, wegen der in der Gegend verübten Streitereyen zu züchtigen; da er von den Bürgern beschimpft ward, warf er Feuer in die Stadt und brannte sie ab, worauf das Schloß sich ergab und die Freybeuter freyen Abzug erhielten. Die Stadt blieb ein Eigenthum Friedrichs, und ward, da sie vorher an der Unstrut lag, nebst dem Schlosse, Altenburg genannt, auf einen andern Platz gebaut. Von den Söhnen Friedrichs des Strengen, welche mit einander in Streit geriethen, sich aber in Naumburg verglichen , erhielt Nebra Herzog Wilhelm. 1458., (1456.) vertauschte Herzog Wilhelm von Sachsen die Stadt, die sich damals bis an die Grabenmühle erstreckte an die Gebrüder Berlt und Friedrich von Nißmitz gegen Freyburg, behielt sich aber eine Gasse vor, die deswegen die Fürstengasse genennt ward. Diese schenkte Churfürst Christian 1602. an Georg von Nißmitz zur Belohnung wegen glücklicher Führung seines Prinzen Johann Georgs auf der Reise nach Italien. Er starb 1653. und hinterließ zwey Söhne, Christoph und Christian. 1639. hatte das Schloß nebst der Stadt zwey und ein halbes Jahr lang Besatzung von den Schweden, die sie ausplünderten und 1641. abbrannten. Die Felder des vormaligen

 

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Dorfes Birkigt, kaufte, nachdem es eingegangen, Otto von Nißmitz und sein Sohn Wolf an sich, und legte daselbst ein Vorwerk an. (S. Genealogia Manuscripta Nobilium a Nismitz.) Von Christian von Nißmitz 1712. brachte der General-Feldmarschall von Flemming die Stadt durch Kauf an sich, und besaß sie bis 1719. Er ließ das dasige Schloß abtragen, um es neu aufzubauen; wurde aber durch den Tod an der Ausführung dieses Baues gehindert, worauf Nebra der Oberamtmann Conrad Wedemeyer nebst Birkigt, Gleina, Burgscheidungen, Burgholzhausen, Wendelstein, Straußfurt und Herrngosserstädt kaufte, dem die Kammer zu Hannover zwey Millionen dazu liehe, aber nicht länger als bis 1724. behaupten konnte; da sie Ludwig Gebhard von Hoymb, von der Droissigischen Linie, der 1711. in den Grafenstand erhoben ward, nebst Birkigt und Gleina erwarb. Sein Sohn Gotthelf Adolph; der auch Dallwitz besaß, und 1759. Droyßig und 1775. Guteborn erbte, verschaffte, da er ohne männliche Erben war, durch den 1777. zu Bauzen gethanen Rittersprung seiner Gräfin Tochter, Louise Henriette, und ihrem Gemahl, Graf Heinrich VI. Reuß zu Ebersdorf, die Beybehaltung seiner Güther, welche sie 1783. in Besitz nahm. (Aus Pastor Magens und des Schössers Oelsnitz zu Droyssig schriftlichen Nachrichten.) Mich. Rauft, Diaconus daselbst, schrieb Leben der Chursächsischen Gottesgelehrten 1742.; Leben des Fürsten Leopolds von Dessau, des Grafen Moritzens von Sachsen, des K. von Polen Stanislaus,

 

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des Grafen von Löwenthal 1749 – 1767.; Beschreibung des Russischen Reichs 1767.; den genealogischen Archivarius; das Leben der Cardinäle 1768.; den Sächsischen Patrioten 1770. (S. Meusels gel. Deutschland.)

 

M. Friedrich Wilhelm Weise, Past. und Adjunctus das. seit 1766. schrieb verschiedene geistliche Reden. (S. Weizens gel. Sachsen.)

 

34) Oldisleben.

Diesen bey Sachsenburg unfern der Unstrut gelegenen Ort hatte die Pfalzgräfin Adelheit, Tochter Udo‘s von Alsleben, welche sich um 1078. mit Friedrich III., Pfalzgrafen von Sachsen, und nach dessen Ermordung mit Gr. Ludwig dem Springer verheyrathet hatte, von dem ersten Manne zum Leibgedinge erhalten. Da dieser Todtschlag mit ihrem Vorwissen geschahe, stiftete sie aus eigenem Triebe, oder auf Päpstlichen Befehl zu Büßung ihres Verbrechens, daselbst 1089. ein Benedictiner-Mönchskloster, das vermuthlich nach ihrem Namen, Adelheitsleben und in der Folge durch Abkürzung Oldisleben genennt ward. (S. davon Scheiplitz.) Schutzvoigte des Klosters waren ein gewisser Marggraf Wibertus (vielleicht Graf Wiprecht v. Groitzsch) und die Grafen von Beichlingen. Im Bauernkriege 1525. hatte das Kloster sehr gelitten, durch welche Gewaltthätigkeiten ohnstreitig die Mönche vertrieben worden. Seine Güther sind nach der Reformation secularisirt und zu einem Seniorat-Amt, das dem ältesten des Hauses Sachsen - Ernestinischer Linie zusteht, gemacht worden.

 

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siehe Schamelius Beschreibung des Klosters Oldisleben. Der dasige Adjunctus, Carl Adam Ernst Becher, der der Kirche des Orts von 1774 - 1802. vorstand, edirte eine Pastoral-Theologie, ingleichen eine Abhandlung über die Privat-Communion, über die Besuchung der Kranken. Halle 1781.; Betrachtungen über die große Unwissenheit der heutigen Christen, und die Mittel, sie zu heben, und andere Schriften.

 

35) Schulpforte.

Das Kloster, woraus die Schulpforte entstanden, ward anfangs von Bruno, Grafen und Herrn zu Pleissen (Marggraf zu Meißen), der seinen einzigen Sohn durch den Anfall eines Schweins verloren hatte, 1127. zu Schmöllen im Altenburgischen für Nonnen gestiftet, denen er seine Tochter als Aebtissin vorsetzte, und das Kloster mit dem 3ten Theil seiner Einkünfte begabte. Da die Nonnen die Weltliebe vorzogen, ward solches in ein Mönchskloster verwandelt und mit Benedictiner- Mönchen besetzt. Auch diese führten sich nicht nach ihrer Regel auf; daher trug Bruno, weil er die Herannäherung seines Endes fühlte, dem Bischof Udo zu Naumburg deren Vertreibung auf, und bat ihn, das Kloster mit Cisterzienser-Mönchen zu besetzen, welches dieser nach Bruno‘s Tode ausführte. Da nachgehends das Kloster zu Schmöllen durch die Sorben-Wenden stark heimgesucht ward, verlegte es Udo 1180. (nach Brotuff 1133.) nach Kösen (Kösenitz), wo ihm der Name Pforte beygelegt ward. Hier blieb es bis 1175., da es wegen der Beunruhigung,

 

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die ihm die von dieser Gegend nach Flemmingen zulaufende Landstraße zuzog, näher nach Naumburg zu, an den Ort, wo es jetzt steht, unter eben diesem Namen verlegt ward. Nach der Reformation, nachdem der letzte Abt es 1540. verlassen hatte, verwandelte es Churfürst Moritz 1543. in eine Landschule. Nach Akt. Nobbe‘s schriftlichen Nachrichten.

 

Von den Rectoren dieser Schule edirte Friedrich, Gotthilf Freytag, der von 1731 - 1761. der Schule vorstand, Theophrasti Characteres ethicos und 24 Programmen und Disputationen über sehr wichtige Materien.

 

D. Barth preiset sein Lob in seiner Lebensbeschreibung, S.75. Seine Gelehrsamkeit erbte in seinem Geschlechte fort. Dessen Sohn, der Kaiserliche Hofrath und Bürgermeister zu Naumburg, Friedrich Gotthilf, erwarb sich den Ruhm eines Kenntnißvollen Literators, durch seine herausgegebenen Catalogi librorum rariorum und sein Enkel Friedrich Benedikt, Amts-Aktuar zu Leisnig, machte sich beydes als Dichter und Menschenfreund bekannt. Er schrieb Beweise zur Geschichte der Menschheit in Erzählungen aus wichtigen Gerichts-Acten. Altenburg 1790. und 1793. Neue Beyträge zur Geschichte der Menschheit. Altenburg 1798. Eine Rede in den Augenblicken des scheidenden achtzehnten Jahrhunderts. Leißnig 1801. Die Stadt Leißnig im Brande, beym Brande von 1803. Der Verfasser machte sich durch dieses Gedicht und die von ihm beförderten Sammlungen zur Unterstützung der Verunglückten, auch Austheilungen an die Schulkinder

 

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um solche verdient, und ward sowohl als die andern Wohlthäter durch eine aus Erkenntlichkeit für ihn und die letztere angestellte Feyerlichkeit belohnt.

 

Von den andern Rectoren schrieb Johann Gottfried Geisler, Rector seit 1779., nachmals Rath und Bibliothekar zu Gotha, die Görlitzische Armen-Bibliothek und verschiedene Programmen.

 

D. Carl David Ilgen, Rector seit 1803., vorher Professor der Orientalischen Sprachen zu Jena seit 1794., schrieb Poeseos Leonidae Farentini Specimen. Lips. 1785.; Animadversiones historicas et criticas in Ciceronis Orationem pro Archia. Lips. 1793.; Hymnos Homericos, Halae 1796. Die Urkunden des Jerusalemischen Tempel-Archivs in ihrer Urgestalt, Halle 1798. Carmina Convivalia Veterum, Ienae 1798. Die Geschichte Tobi’s nach drey verschiedenen Originalen übersetzt. Jena 1800. und verschiedene Dissertationen.

 

Carl Christian Ernst Charitius, Conrector seit 1804., schrieb eine Dissertation: Utrum fatis fidei digna sint, quae Tacitus in libello de moribus Germanorum tradit? Vitemb. 1792. und andere Dissertationes.

 

Die von andern dasigen Lehrern: Becker, Friedrich Gottlieb Barth, Weiske, dem Inspector Handt und dem Diaconus Wendler edirten Schriften, s. in Weiz. gel. Sachsen und Meusels gel. D.

 

Die berühmtesten Zöglinge der Schule im vorigen und jetzigen Jahrhundert sind Klopstock, Hofrath Böttiger in Dresden, vorher S. W. Ober-Consistorial-Rath;

 

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Prof. Eichstädt in Jena; Prof. Fichte in Erlangen, vorher in Jena; D. Carl Friedrich Barth. Prof. zu Leipzig, hernach zu Erfurt; Giessen und Göttingen; Prof. Mitscherling in Göttingen ; Prof. Krug zu Königsberg etc.

 

36) Pleismar.

Bernhard Anton Wille, Pastor zu Pleismar seit 1750., schrieb einige Stücke in dem Geselligen.

 

37) Rabenswalda.

Im Wertherischen Forst in der Gegend von Kleinrode lag das Schloß der Grafen von Rabenswalde, davon die Ruinen noch vorhanden sind. Der Stammvater der Grafen von Rabenswalde war Graf Sizzo von Kefernburg, der 1114 – 1160. lebte, dessen Sohn, Günther, seinen Stamm fortpflanzte. Sein Geschlecht starb mit einem von seinen Nachkommen, Günther, 1302. aus, und seine Güther fielen an die Tochtermänner von Orlamünde und Hohenstein. Sein Enkel Albert ward Stammvater der Grafen von Rabenswalde 1237 – 1241.; dieses Sohn, Friedrich, der sich, wie sein Vater, von Wiehe nannte, endigte seine Linie um 1312., worauf seine Rabenswaldischen Besitzungen an seiner einzigen Tochter Mechthild Gemahl, Herrmann von Orlamünde, fielen, welches Haus sie von 1312 -1340. behielt. Siehe Böhmens Todtheilung, S. 14. welcher Schrift die Zeichnung der Ruinen des Schlosses Rabenswalde von der Frau Gräfin Christiana Benedicta Johanna von Werthern,

 

 

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gebohrne von Globig, beygefügt ist. Die Stammtafel add. der Grafen von Rabenswalde s. am Ende.

 

38) Rastenberg.

Der Erbauer der dasigen Burg, welche gänzlich zerstört ist, ist ungewiß. Wahrscheinlich erbaute sie (nach dem Pirnaschen Mönch) bereits 1040. Graf Ludwig mit dem Barte, welcher von K. Conrad III. mit der Freyheit, einige Wüsten mit Städten anzubauen, beschenkt ward, und andere von den Grafen von Kefernburg und Gleichen erhielt, unter welchen Besitzungen sicher auch die Raspenburg und deren Gebiet gehörte, indem seine Nachkommen sich theils davon schrieben. Sein Sohn Ludwig II., der Springer zugenamt, mag Raspenburg in bessern Stand gesetzt haben. Nach seinem Tode fiel es auf den Antheil seines jüngern Sohns, Heinrich Raspens, der seinen Beynamen von seiner ruhigen, nach andern, von seiner harten Gemüthsart hatte, und insgemein für den Erbauer von Raspenburg gehalten wird, die doch in solchem Fall nicht 1073. kann seyn erbaut worden, und an deren Fuß in der Folge zu einer unbekannten Zeit die Stadt angelegt ward, und dieser hatte auch daselbst seinen gewöhnlichen Sitz. Er starb ohne Kinder, und sein Erbe ward sein älterer Bruder, Landgraf Ludwig III., und nach erlangter Volljährigkeit sein Bruder Heinrich II., der ebenfalls den Beynamen Raspe führte. Dieser starb abermals ohne Erben vor seinem Vater Ludwig III. und sein Land fiel an seinen Bruder zurück und nach dessen 1172. erfolgtem Absterben ohnstreitig an Ludwigs V. Bruder, Heinrich III., Raspe, der auch zu Raspenburg

 

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gewohnt haben mag. Nachdem dieser 1184. mit Tode abgegangen war, ist es ungewiß, ob sein Erbtheil an seinen Bruder Ludwig V. oder an Herrmann I., einen dritten Bruder gefallen sey. Letzerer bekam es sicher nach Ludwigs bey der Belagerung von Acco in Syrien 1190. erfolgtem Tode. Als dieser 1216. starb, ward sein Nachfolger in Raspenburg und Zubehör ohnstrittig nach der in der Landgräflichen Familie eingeführten Ordnung sein jüngerer Sohn, Heinrich Raspe IV., Ludwigs VI. des Heiligen Bruder, das er alsobald in Besitz nahm, ob er gleich jünger als jener war. Dieser Heinrich ward Vormund von des 1228. zu Otrando verstorbenen Ludwigs minderjährigem Prinzen Herrmann II., und da auch dieser 1240. mit Tode abging, durch welchen frühzeitigen Todesfall er in den Verdacht von dessen Vergiftung gerieth, kam er in den völligen Besitz der ganzen Landgrafschaft von Thüringen und von Hessen, ward gegen Friedrich II. zum Kaiser gewählt, und endigte, da er keine Kinder hinterließ, den männlichen Stamm der alten Landgrafen vom Geschlecht Ludwigs des Bärtigen. In den Zeiten dieser Heinriche ist vermuthlich das adliche Jungfernkloster, das unter der Burg lag, gestiftet worden. Nachdem der letzte Landgraf Heinrich Raspe IV. ohne Erben 1247. abgegangen war, scheint Raspenburg an die Grafen von Rabenswalde gekommen zu seyn, und aus den Reversalien, welche die damaligen Grafen und Adlichen in Thüringen, 1249. dem neuen Landgrafen von Thüringen und Marggrafen Heinrich dem Erleuchteten ausgestellt haben,

 

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ist zu schließen, daß diese Grafen Raspenburg und Wiehe von den alten Landgrafen von Thüringen und sodann von den Marggrafen zu Meißen zu Lehn getragen haben. Von diesen kommt zuerst Albert 1227. in tabula generationum Comitum Kefernburgicorum, ferner in einem Briefe Henrici de Swarzburg 1240. als Zeuge Frater Albertus vor, welcher ein Bruder Graf Günthers von Kefernburg war, woraus zu ersehen, daß die Grafen von Rabenswalde aus Kefernburgischem Geschlecht abstammten. Dieser Albert nennte sich zuerst von dem Schlosse Rabenswalde, das er bewohnte, und seine Kinder und Nachkommen behielten diesen Namen ohngefähr ein Jahrhundert hindurch bey. Er besaß 1276. das Castrum Raspenberg und Wiehe, und hatte an ersterm Orte ein eigenes Landgericht. Sein Geschlecht starb um 1316. aus. S. hiervon Heydenreichs Origines illustris domus Kefernburgico Schwarzburgensis, davon die Handschrift in dem Weimarischen Archiv befindlich ist. Das Raspenburgische Kloster litt bey dem Einfall K. Adolphs von Nassau, dem Marggraf Albert der Unartige sein Land verkauft hatte, 1293. gewaltig, und ist vielleicht damals ganz zerstört worden. 1231. ward die Raspenburg, weil von solcher aus viele Räubereyen in die umliegende Gegend geschahen, mit Hülfe der Bürger von Erfurt und Mühlhausen nebst andern Raubschlössern von Marggraf Friedrich zu Meißen zerstört, und seit dieser Zeit mag die, am Fuß desselben erbaute, daran liegende Stadt den Namen Rastenberg angenommen haben.

 

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Obige Nachrichten sind aus des Adj. Schneiders zu Rastenberg Chronologischen Nachrichten von Rastenberg, die noch unedirt sind, gezogen. Von denen von K. Adolphs Völkern verübten Gewalthätigkeiten s. Melissantes Beschreibung der Bergschlösser in Deutschland, S. 350. 1646. entsprang nahe bey der Stadt im Mühlthal ein Gesundbrunnen aus 3 Quellen, welches sich 1696. vom neuen ereignete, von welcher Zeit an solches Wasser von vielen Kranken besucht worden. In den neuern Zeiten aber sind diese Quellen durch die wilden Wasser verdorben worden. Von diesen Brunnen s. das historische Sendschreiben an einen Freund, von den Gesundquellen zu Raspenburg. Die Stammtafel der Regenten von Rastenberg aus der Familie der Landgrafen von Thüringen s. am Ende.

 

39) Kloster Reinsdorf.

Das ehemalige dasige Kloster ist aus dem vormals zu Vitzenburg bestandenen Kloster entstanden, welches vom Grafen Wiprecht von Groitzsch 1110. hierher verlegt und in ein Mönchskloster Benedictiner Ordens verwandelt, und dem Halberstädtischen Sprengel untergeben worden. 1112. waren die Klostergebäude vollendet und 1129. ward es vom Bischof von Bamberg eingeweihet. Ernst Christoph Burghard Magen, seit 1767. Pastor zu Reinsdorf, Sohn des Pastors zu Lossa, Burghard Heinrich Magens, hat sich als Dichter, Kritiker und Geschichtforscher durch verschiedene Schriften bekannt gemacht. Die vornehmsten davon sind: Heilige Cantaten, edirt 1774.; eine Rede

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von der Glückseligkeit des Friedens in Rücksicht auf den Landmann, Leipz. 1801.; ein Gedicht: Friedrich August, Churfürst von Sachsen, Wohlthäter seines Volks zum Besten der Wasserbeschädigten zu Reinsdorf, Weißenfels 1800., wodurch er diesen eine Begnadigung erwarb; Bemerkungen über einige ungewisse Punkte aus der ältern Geschichte Thüringens. L. 1805.

 

40) Roßleben.

Das dasige Kloster, dessen Namen von Schamelius für Ruhehaus, vom Herrn Rector Wilhelm aber in seiner Nachricht für Auswärtige über die gegenwärtige Einrichtung der Stiftsschule zu Kloster Roßleben für Rosenlaube erklärt wird, ward von Ludwig de Wipere (Wippera) und seiner Gemahlin Mathildis aus dem Geschlecht der ausgestorbenen Grafen von Wippera, die in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts lebten, gestiftet, und mit Augustiner-Nonnen besetzt, welche die Päpstliche Bestätigung dieser Stiftung 1142. erhielten. Die zu diesem Kloster geschlagenen Güther hatte es der Freygebigkeit Landgraf Friedrichs, Graf Ludwigs von Stollberg, der Grafen von Hakeborn und der Freyherrn von Schenk zu danken. Die Klostervoigtey mag wohl anfangs die Familie der Stifter gehabt haben. Das Kloster blieb in seinem Flor bis auf die Zeiten des 1525. entstandenen Bauernkrieges, da es nebst andern ausgeplündert und größtentheils zerstört worden, so, daß die Nonnen genöthiget wurden, solches zu verlassen. Um 1530. (1555.) verwandelte es Heinrich

 

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von Witzleben in eine Schule, die er nach dem Muster der Meißnischen Landschule einrichtete, die aber im 30jährigen Kriege zum Theil wieder eingegangen und durch den 1688. erfolgten Brand, der die Klostergebäude gänzlich zerstörte, ihre Endschaft erhalten. Mit Wiederaufbauung dieser Schule ward 1730. der Anfang gemacht, und kam solcher Bau 1742. bis auf den 4ten Flügel, der zur Kirche bestimmt war, zu Stande. Die Familie derer von Witzleben hat seit der Stiftung der Schule davon die Administration geführt. Seit 1778. ward solche dem Herrn Kreis-Amtmann Cölestin Just zu Tennstädt und dem Superintendent Leisching von Langensalza übergeben, davon ersterer durch eifrige Sorge für die gute Einrichtung der Schule und herausgegebene pädagogische Schriften, *) welche theils diese Einrichtung betreffen, dieses Institut empor gehoben und seit 1799. ward solche dem Witzlebischen Geschlecht in der Person des Herrn Vice-Salinen-Directors und Finanz-Raths Hartmann von Witzleben wieder eingeräumt, welcher die Aufnahme der Schule

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*) Diese Schriften führen den Titel: Ueber die jetzige Beschaffenheit der Kloster-Schule Rosleben. Erfurt 1788. Ueber den Charakter und Werth der vorzüglichsten Erziehungs- und Lehrinstitute unsers Zeitalters, nebst einer fortgesetzten Nachricht von der Kloster-Schule Rosleben. Gotha 1795. Ueber die öffentliche Gottesverehrung. Erfurt 1790. Vom Hange zur Thätigkeit und Trägheit im Menschen. Gotha 1799. Ausser diesen schrieb dieser Verfasser den kurzen Auszug der vorzüglichsten Chursächsischen Gesetze. Leipzig. 1800.

 

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mit nicht geringerer Sorgfalt zu befördern sucht. Von denen an dieser Schule angestellt gewesenen Rectoren hat Christian Podenstein, der von 1596. bis 1623. das Rektorat verwaltete, verschiedene lateinische Gelegenheitsgedichte, unter andern Monumentum stemmatis et honoris familiae Witzlebianae, Philipp Heinrich von Witzleben gewidmet, geschrieben. Von seinen Nachfolgern hat Johann Gottfried Schmutzer 1748. eine Abhandlung de ludo Coenobii Roslebiani instaurativo, 1740. de Friderici II. in rem litterariam meritis, herausgegeben. Der seit 1800. ihm nachgefolgte Rector, Benedikt Wilhelm, schrieb obgenannte 1803. gedruckte Schrift. Der dasige Tertius von 1763-1766. Johann Gotthülf Füller, aus Tauchard gebürtig, entwarf um 1758. verschiedene Gedichte, davon aber nur einige in die 1764. herausgekommenen bukolischen Erzählungen eingerückt worden. Sein Nachfolger seit 1804. Tertius Carl August Friedrich Nietzsche, aus Biebra gebürtig, schrieb eine Abhandlung de Jesu vero filio Dei. Dem Lehrer der Mathematik von 1772.— 1803. Johann Christian Schuknecht wird die Topographische Uebersicht des untern Theils der güldenen Aue, in den Sächs. Provinzialblättern, 12 Bde. 3 St. S. 209. zugeschrieben.

 

Unter diejenigen Zöglinge dieser Schule, welche sich durch Schriften und Würden bekannt gemacht haben, gehören: Theodor Hackspan, Professor der Orientalischen Sprachen zu Altdorf um 1663.

 

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D. Aegidius Gutbier, Prof. Koch zu Gießen um 1664.; August Wilhelm Ernesti, Professor Eloqu. zu Leipzig, gestorben 1801., der Herausgeber des Livius, Quintilian, Ammian und Mela; Moritz August von Thümmel, Sachsen-Koburgis. Geheimer Rath, Verfasser der Wilhelmine 1766. und der Reisen in das südliche Frankreich; Friedrich Wilhelm von Trebra; siehe Bretleben; Christian Gottlob von Voigt, Sachsen-Weimarischer Regierungs-Rath seit 1777., Geheimer Rath seit 1791., Ritter des Russischen St. Annen-Ordens seit 1804. der außer seinem Cameralistischen Kenntnissen und Patriotismus für seinen Fürsten und sein Vaterland durch sein poetisches Genie, davon er durch verschiedene Gedichte Beweise gegeben, so wie durch Erfahrenheit in der Antiquität, Archäologie und Numismatik sich hervor gethan hat. Ferner der seit um 1798. am Dänischen Hofe angestellte Preußische Gesandte Herr Senft von Pilsach.

 

 

41) Rothenburg.

Dieses unfern Kifhausen gelegene Schloß, haben unstreitig die Grafen dieses Namens etwan im 11. Jahrhunderte gebauet, welche aber vorher einen andern Namen, vielleicht den der Grafen von Beichlingen geführt haben mögen, indem sie wahrscheinlich mit diesen von einem Stamme gewesen, und diese haben diese Gegend sammt einem großen Theil von Thüringen 1101. von ihrem Vetter, dem Grafen von Nordheim, und dieser von Marggraf Eckbert dem ersten und andern von Sachsen-Braunschweig geerbt.

 

 

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Von diesen Grafen nannte sich zuerst Christian I. 1103. von der Rotenburg, darauf er seinen Sitz hatte; er stund bey K. Lothar II. in gutem Ansehen, setzte sich jedoch durch Ermordung seines Vettern Cuno von Beichlingen in Mißcredit, dazu ihn die Eifersucht, weil jener die Grafschaft Beichlingen von seinem Bruder, Graf Heinrich von Nordheim, erhalten, und er hingegen nur mit der Rotenburg zufrieden seyn mußte, bewogen. Die Burg blieb bey seinem Hause bis auf Friedrich von Rotenburg, der solche 1210. besaß. Nach seinem Tode kam die Grafschaft Rotenburg nebst dem Schlosse an seine Vettern, die Grafen von Beichlingen, von denen solche Graf Friedrich III. in Besitz nahm. Nach Erlöschnng der Gräflich-Rotenburgischen Linie kommen noch Dynasten von Rotenburg 1224. 1251. 1274. und 1275. vor, die unstreitig Vasallen der Grafen waren, und als dasige Castrenses den Namen davon angenommen. Von den Grafen von Beichlingen nahm Rotenburg zuerst Friedrich III. in Besitz, der nach Tenzels Muthmaßung das Schloß vieleicht durch seine Gemahlin, die etwan eine Gräfin von Rotenburg gewesen, erwarb. Er besaß nebst der ganzen Grafschaft Beichlingen noch die Herrschaft Lohra, und hielt sich meistens in Rotenburg auf. Er mußte den Verdruß erleben, daß 1212. das Schloß Rotenburg nebst dem von Salzungen und Weißensee von K. Friedrich II. erobert, zerbrochen und ausgeplündert ward, weil Landgraf Herrmann in Thüringen während des Kaisers Abwesenheit in Italien des Papsts Partey ergriffen und Friedrich von

 

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Beichlingen es vermuthlich mit ihm gehalten hatte. Dieses Schloß muß aber bald wieder seyn aufgebauet worden, weil die Grafen von Rotenburg darauf ihren Sitz gehabt und daselbst Versammlungen gehalten haben. Nach Graf Friedrichs 1275. erfolgtem Tode theilten sich seine Söhne in dessen Herrschaften: der älteste, Graf Friedrich III., bekam die Grafschaft Rotenburg und stiftete eine besondere Linie der Grafen von Beichlingen-Rotenburg; sein Bruder, Graf Friedrich V., erhielt dagegen Beichlingen. Letzterer bekam von K. Rudolph I. die Burggrafschaft des damaligen Kaiserlichen Reichsschlosses Kifhausen. Das Angeben Rohrs und Zeitfuchses, daß Rudolph I. die Rotenburg nebst andern Raubschlössern 1292. zerstört habe, ist ohne Grund. Graf Friedrich IV. starb 1313. Von seinen Nachkommen besaß die ganze Grafschaft Graf Friedrich VIII., welcher durch viele Schulden genöthiget ward, einen Theil der Grafschaft nebst dem Schlosse Rotenburg auf Lebenszeit an den Graf Heinrich von Hohenstein abzutreten, mit Vorbehalt des Schlosses Bendeleben, wo er 1356. starb. Nach seinem Tode kam der Rest der Grafschaft an seine beyden Söhne, Heinrich III. und Gerhard III., mit welchem die Rotenburgische Linie 1377. ausstarb, und das Schloß Rotenburg an das Gräfliche Haus Schwarzburg gelangte, welches solches 1378. besaß. Bey diesem Anfall war die Burg noch im ziemlichen Zustande. Weil die Grafen selbst nicht darauf residiren konnten, räumen sie solche 1385. einem von Bendeleben zur Wohnung ein, und nachmals überließen sie solche 1405.

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Pfandweise an die Familie von Tütcherode unter bedungener Pflicht, die Burg in gutem Stande zu erhalten. Dieses Haus behielt Rotenburg bis an sein Aussterben 1576.; da denn dessen sämmtliche Mannlehengüter unter diesen die Rotenburg, an seine Lehnsherren, die Grafen von Schwarzburg zurück fielen. Von dem Schloß und einer Kirche sind noch ansehnliche Ruinen vorhanden. Nach dem Vorgeben vieler Chronikenschreiber, unter andern, des Melissantes S. 556., ward auf der Rotenburg der Abgott der Thüringer, der Püsterich, welcher durch ein Kunststück der heydnischen Pfaffen Feuer von sich gespieen und dadurch die Landleute zum Behuf der verlangten Steuern geschreckt haben soll, von dem Herrn von Tütcherode vor 200 Jahren ausgegraben und wieder entdeckt. Solche Meynung aber widerlegt Müldener aus dem Grunde, weil die Rotenburg von christlichen Grafen erbaut und beständig bewohnt wurde, und hat hierüber seine Untersuchungen in einer Schrift von dem Ursprunge der Flämischen Länderey, welche aber unstreitig nicht herausgekommen, versprochen. Obige Nachrichten siehe vollständiger in Müldeners historischen Nachrichten von den Bergschlössern in Thüringen, S. 106. Vom Püsterich siehe Melissantes S. 536. Leukfelds Beschreibung des Klosters zu Kelbra S. 191. und Sagittarius in antiq. gentil. Thur. p. 1. 2.

 

 

42. 43) Rudelsburg und Saaleck.

Rudelsburg in den Urkunden Rothelsburg und Rothleibisburg genannt) besaßen die Markgrafen von Meißen

 

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von den Naumburgischen Bischöffen zu Lehen. Vermuthlich hat dieses Schloß nebst dem auf einerley Berge gelegenen Schlosse Saaleck einem Besitzer gehört, ist auch wohl von einem Stifter mit jenem erbaut worden. Saaleck soll schon im 9ten Jahrhunderte von Carolo Magno oder einem seiner seiner Söhne als eine Schutzwehr gegen die umherwohnenden heydnischen Völker seyn erbaut worden, welche Nachrchit doch nicht sicher ist. Im 12ten Jahrhund. kommen Voigte (Advocati) von Saaleck vor, denen von den Naumburgischen Bischöffen die Vertheidigung dieser Festung anvertraut worden. Dergleichen ist Herrmann Voigt von Saaleck von 1140. Von den Besitzern von Rudelsburg kommen zuerst 1172. und 1174. Hugo und Bodo Gebrüder von Rudelsburg vor. Bald darauf erscheint Rudelsburg unter den stiftischen Lehnen der Marggrafen von Meißen, und zwar zuerst 1235., von welchem Jahre ein Vergleich zwischen Marggraf von Meißen, und Bischof Engelhardt von Naumburg vorkommt. 1348. war einer von den Castellanen (Burgmännern) der Festung nebst noch einigen Edelleuten der Nachbarschaft mit dem Bischoffe und der Stadt Naumburg in eine Fehde verwickelt, welche sich mit der ersten Zerstörung der Festung endigte, welche unstreitig sowohl das Schloß als auch die Wohnungen der Burgmänner betraf. Die Festung ist in der Folge wieder aufgebaut worden, und im 14ten Jahrhunderte war sie nebst Saaleck in Besitz einer Linie der Schenken von Vargula, welche sich von diesen beyden Schlössern, Schenken von Saaleck und

 

 

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Rudelsburg nennten und diese besaßen solche als ein Lehen von den Bischöffen von Naumburg. Sie erhielten nur das wüste Schloß von Rudelsburg unter der Bedingung der Wiedererbauung desselben Afterlehnsweise eingeräumt. Von den Schenken von Rudelsburg kam dieses Schloß nebst Kreipitzsch und Freyrode (ehedem Rode genannt) in den letzten Jahren des 15ten Jahrhunderts an die von Bünau, von diesen 1580. an die von Osterhausen, von diesen 1672. an die von Kreuzen, von denen es zuletzt der Hessische Hauptmann Johann Adolph von Kreuzen besaß, mit welchen 1774. der männliche Stamm dieser Familie ausstarb. Diese Familie besaß auch Saaleck, Schloß und Dorf, welches ehedem eine Stadt war, und mit dem Vorwerk Stenndorf von dem jetzigen Amte Saaleck abgerissen und unter dem Namen eines Ritterguths als ein Freyes Erblehn dem Stiftskanzler Menius 1659. vom Stifte verliehen ward. Dessen Sohn verkaufte solches erst 1691. wieder käuflich, hernach erblich an die von Kreuzen zu Kreipitzsch. Zur Zeit dieser Besitzer war Rudelsburg, das die Schenken wieder ausgebaut hatten, wieder in Verfall gerathen, und wurde nicht mehr bewohnt, und schon vorher war auch das Schloß Saaleck eingegangen. Nach dem Tode des erwähnten Hauptmanns von Kreuzen, fiel blos Stenndorf an dessen Allodialerbin, die Majorin von Schönberg, ferner an deren Nichte die Frau Hauptmannin von Feilitzsch, gebohrne von Tümpling-Rudelsburg, fiel nebst dem damit verbundenen Guthe Kreipitzsch an den Geheimen Rath und Stiftmerseburgischen

 


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Cammerdirector Grafen von Zech. Von diesem erbte es sein Sohn, welcher es an den Grafen von Brühl, Stiftsmerseburgischen Kammerrath, und dieser an den Amtshauptmann von Schönberg, Sohn der vorbemeldeten Frau Majorin von Schönberg, verkaufte; gegenwärtig ist dessen Sohn, Herr Kammer- und Jagdjunker von Schönberg, damit beliehen.

 

Obige Nachrichten sind aus Rathsassessors Lepsius dipl. Nachrichten von der Bergfeste Rudelsburg, in D. Weissens neuem Museum für die Sächs. Geschichte und Staatskunde, I. Abth. 2 Heft, S. 140 und aus dessen schriftlichen Aufsätzen gezogen. Das Geschlechtsregister der Schenken von Saaleck siehe in dessen besonders herausgegebener genealogischer Nachricht von den Schenken von Saaleck. Naumburg 1800.

 

44) Sachsenburg.

Nach König Hermanfrieds Ueberwindung theilten sich die Franken und Sachsen in das Reich Thüringen, davon letztere den Strich Landes von der Unmut an über den Harz hinüber bis an die Elbe, wegen ihres den Franken geleisteten Beystandes erhielten. Sie baueten in ihrem Antheil, um sich in dem Besitz desselben durch feste Plätze zu sichern, die Sachsenburg, die aus zwey Schlössern bestand, davon sie das eine auf der Höhe, das andere am Abhange anlegten, nebst Sondershausen. (S. Müldeners Nachrichten vom St. Georgen Kloster in Frankenhausen, S. 15.) Als die ältesten Besitzer von Sachsenburg, sind die Fürsten

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von Anhalt bekannt, welche solches den Grafen von Hohenstein abgetreten, welche beyde Schlösser bald hernach 1319. an Landgraf Friedrich zu Gotha überlassen haben. (S. Müldeners Bergschlösser, S. 19 und 20.) 1339. muß es den Grafen von Beichlingen gehört haben, von welchen es Graf Friedrich in diesem Jahre an die Grafen von Schwarzburg versetzte. (S. Müldener in der Nachricht vom Georgen-Kloster, S. 85.) Schamelius in der Beschreibung des Klosters Oldisleben, S. 2. giebt unterm Jahre 1370. die Grafen von Beichlingen als Besitzer an. Vor 1496. gehörte es nebst Wendelstein den edeln Herrn von Querfurt, welche in diesem Jahre ausgestorben. (S. Kettners Historie von Quedlinburg, S. 83 s. auch von Sachsenburg Strud‘s politisches Archiv 3 S. 204.) 1290. soll es wegen der aus solchem Schlosse in der Gegend verübten Plünderungen vom Kaiser Rudolph I. zerstört worden seyn. (Melissantes S. 355.) 1530. gehörte die Burg den Herrn von Schönberg. (S. Pirn. Mönch; Schamelii Beschreibung des Klosters Oldisleben; S. 2.) Die Abbildung der Ruinen eines der beyden Sachsenburgischen Schlösser, siehe auf dem Titelblatt von Sagittarii Thüringische Geschichte. Chemnitz 1772.

 

45) Burg Scheidungen.

Spangenberg in der Querfurtischen Chronik, und Johann Friedr. Schröder in der Beschreibung der alten Königlich-Thüringischen Residenz, Burgscheidung. Hal. 1711. schreiben die Erbauung dieses Ortes, und die Anlegung des

 


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nahegelegenen Berges zu einer Festung und zur Residenz der Thüringischen Könige, König Hergelin oder Hoyer, (von dem aber die ältern Scribenten nichts wissen) oder dessen Nachkommen im 3ten oder 4ten Jahrh. zu. Der letzte Thüringische König Hermanfried, der auch hier seinen Sitz von 516-527. hatte, verschönerte die dasige Burg und Schloß, indem er solche auf allen Seiten mit Metall bedecken ließ. Die dabey gelegene Stadt war, nach des zweyten Scribenten Angaben, sehr weitläufig und groß. Sie begriff in sich die jetzigen Dörfer Burgscheidungen und Trebsdorf, wo die Altstadt war, welche sich bis nach Karsdorf erstreckte, wie man aus etlichen Merkmalen und Ueberresten schließet. Die Neustadt jenseits der Unstrut, begriff die Dörfer Kirchscheidungen und Oberndorf, welches eingegangen ist, und erstreckte sich fast bis Lauche. Die Veranlassung zu dessen ersterer Zerstörung und zugleich zum Untergang des Thüringischen Reichs war folgende: Hermanfried besaß anfangs (nach seines Vaters Basinus Tode) das Thüringische Reich mit seinen beyden Brüdern, Berthar und Balderich, zu gleichen Theilen. Da ihn aber seine herrschsüchtige Gemahlin Amalberga, des ostgothischen Königs Theodorichs Schwester oder Schwiegertochter, anreizte, sich seiner Brüder Antheile zu bemächtigen, suchte er dieses durch des ersten (Berthars) Ermordung, und des andern (Balderichs) Vertreibung zu bewerkstelligen. Zu der letztern bediente er sich der Hülfe des Fränkischen Königs Theodorichs (König von Austrasien), welchem er die Hälfte des zu erobernden Antheils

 

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des Thüringischen Reichs versprach. Nachdem Theodorich den Balderich in Kurzem zu paaren getrieben und zur Niederlage gebracht hatte, dabey dieser ums Leben kam, verwickelte Hermanfrieden seine Treulosigkeit, da er sich weigerte, sein Versprechen zu erfüllen, in einen Krieg mit seinem Bundesgenossen; der in Gemeinschaft seines Bruders Chlotars, Königs von Soissons, 524. (nach andern 526 oder 527) ihm in sein Land einfiel. Er schlug ihn in 3 Schlachten, deren Kampfplatz unter den Gelehrten streitig ist, indem der Hofrath Lauhn zu Tennstädt der Meynung ist, daß die erste Schlacht in der Gegend von Georgenthal, als die Franken aus dem Thüringer Walde hervorrückten, vorgefallen sey. Für den Kampfplatz der zweyten, in welcher die Thüringer ihren Feinden den Uebergang über die Unstrut streitig machten, hält er Strausfurt bey Weißensee, und sucht seine Angabe durch den Namen des Orts, den er von der Schlacht und dem Uebergange über den Fluß herleitet, wahrscheinlich zu machen. Das Schlachtfeld des dritten Treffens findet er auf dem Netzfelde bey Leibingen, wohin sich vermuthlich die Thüringer nach dem Verlust der zweyten Schlacht zurückgezogen haben mögen, und sucht die Beweise seiner Bestimmung in denen bey Leibingen, unfern der Unstrut, befindlichen mit Menschengebeinen angefüllten Gruben. Dieser Meynung stimmt Galetti in seiner Thüringischen Historie bey. Hingegen Prof. Böhme in seiner Commmentario de Runibergo, ed. 1774., behauptet, daß die letzte Schlacht am Renneberge bey Vitzenburg erfolgt sey, und daß diese

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diese Berge durch das von Wittekind erwähnte Runibergum bezeichnet würden, welches Angeben Past. Magen in seinen Bemerkungen über einige ungewisse Punkte aus der ältern Geschichte Thüringens S. 5. widerlegt, und Runibergum lieber von denen zur Seite von Weissensee liegenden Ronnebergen verstehen will. - Sagittarius hegt noch eine andere Meynung und nimmt Tenneberg bey Waltershausen im Gothaischen, den angeblichen Sitz Balderichs, für den Ort der letzten Schlacht an. Nach dem Verlust dieses entscheidenden Treffens zog sich Hermanfried mit dem Reste seines Heeres nach seiner Festung Scheidingen. Theodorich hielt sich nicht für stark genug, diese Festung zu erobern, und den Krieg länger mit Vortheil fortzusetzen; er suchte daher den Beystand der Sachsen, und versprach ihnen für ihre Hülfe, wenn sie die Eroberung des Thüringischen Reichs vollenden würden, die Hälfte des eroberten Landes. Bey ihrer Ankunft entschloß sich Hermanfried zu geheimen Unterhandlungen mit Theodorichen. Als dieses die Sachsen erfuhren und befürchteten, die Thüringer möchten sich mit den Franken verbinden und sie selbst überfallen, griffen sie die Festung allein an, bestürmten sie, machten die Besatzung nieder, und steckten sie in Brand. Durch diese Eroberung zwangen sie die Franken, die versprochene Theilung, nach welcher sie Nordthüringen oder die Gegend am Harz und der Helme, die Franken aber Südthüringen, das mit dem Königreich Austrasien vereinigt werden sollte, erhalten sollten, zu erfüllen. König Hermanfried entkam bey der Bestürmung nebst

 

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seiner Gemahlin und seinen Kindern, lieferte sich aber hernach selbst auf versprochenes sicheres Geleite dem Theodorich in die Hände, und ward in Zulpich oder Zulch (Tolbiacum), im ehemaligen Cöllnischen jenseit des Rheins gelegen, treuloser Weise von ihm selbst, oder auf sein Anstiften ums Leben gebracht. Eine Ueberlieferung aber giebt einen Ort zwischen den Dörfern Saubach und Altenrode, wo noch ein aufgerichteter Stein, Hermanfrieds Grabstein heißt, für den Ort seines Todes und Begräbnisses an. Seine Gemahlin Amalberga, die Stifterin des unglücklichen Kriegs, flohe nach Italien zu ihrem Bruder, den Ostgothischen Könige Theodahat, nach andern zu Athalaricus, ihren Verwandten, nebst ihrem Sohne Amalfried und einer Tochter, die hernach an den Longobardischen König Audoinus verheyrathet wurde. Eine andere war vermuthlich vor der Eroberung dem Longobardischen König Wacho vermählt worden. Amalfried fand bey seinen Verwandten gute Aufnahme, genoß auch von Athalarichs Nachfolger Theodahat, seiner Mutter Bruder, und der Gemahlin des Vitiges, Malasuenta, viele Gunst. Da in der Folge Vitiges von dem Feldherrn des Kaisers Justinians I., Belisarius, in Ravenna gefangen genommen und nach Constantinopel geführt ward, mußte er diesen dahin begleiten. Auch hier war ihm das Glück günstig. Er ward vom Justinian in großen Ehren gehalten, und von ihm im Kriege gegen die Gepiden gebraucht, wo er sich durch seine Tapferkeit hervorthat. Von seinem fernern Schicksal ist nichts bekannt; wahrscheinlich ist er im Persischen

 

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Kriege gegen Cosroes umgekommen. Von der Thüringischen Königs-Familie geriethen noch zwey Kinder Berthars, die unstreitig Hermanfried nach dessen Tode zu sich genommen und an seinem Hof hatte erziehen lassen, Radegunde und ein ungenannter Prinz, in die Fränkische Gefangenschaft. Erste ward dadurch vom ersterwähnten Prinzen Amalfried, mit dem sie war erzogen worden, und zu dem sie eine sonderliche Neigung hegte, getrennt, und fiel nach Endigung des Thüringischen Kriegs dem Bruder Theodorichs, Chlotar, der an dem Feldzuge Theil genommen hatte, da sich beyde Brüder um ihren Besitz stritten, durchs Loos zu. Dieser ließ sie nach Vermandois bringen, und erwählte sie nach erlangter Mannbarteit wegen ihrer Schönheit zu seiner Gemahlin. Allein der Abscheu, den sie gegen ihn faßte, nachdem er ihren Bruder hatte ermorden lassen, bewog sie, sich 541. von ihm zu trennen, worauf sie sich in ein zu Poictiers von ihr gestiftetes Kloster begab, und daselbst in gottseligen Uebungen, die ihr den Nahmen einer Heiligen erwarben, ihr Leben bis an ihren 587. erfolgten Tod zubrachte. Die obgenannte Festung Hermanfrieds scheint den Nahmen Scheidungen (Schidingi) erst zu der Zeit bekommen zu haben, da sie ein Eigenthum der Sachsen wurde, indem sie bey der Theilung des eroberten Thüringens unter den Sachsen und Franken die Grenze zwischen beyden Nationen ausmachte; welcher Ableitung aber Rühlemann in der Lauchischen Chronik widerspricht, und den Namen von der Scheidung, welche die Unstrut zwischen den beyden Theilen

 

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der Stadt und der Burg machte, herführt. Vorher hatte sie, nach Falkenstein in der Thüringischen Chronik 1. Theil S. 47., einen andern Namen. Pastor Magen sucht in den oben angeführten Bemerkungen zu beweisen, daß sie den Namen Disburg (Dispargum) geführt habe, welche Festung, nach den vom Sagittarius der antiquo statu Thuringiae, p. 9. angeführten Schriftstellern, der König der Franken Clodio im 5ten Jahrhundert einnahm, und einige Zeit daselbst seinen Sitz hatte. Er gründet sich bey dieser Behauptung auf die Anzeige der ältern Geschichtschreiber, daß beyde Städte an der Grenze von Thüringen gelegen und als Residenzen der Thüringischen Könige angegeben werden; auch auf die Benennung einer unfern Burgscheidungen gelegenen Anhöhe, die noch jetzo der Disberg, so wie die daran stoßende Flur, die Disberger Flur heißt, welcher Name auf der Karte des Amts Freyburg Dissenberg und von den Landleuten die Disse benennt wird. Hingegen behauptet M. Johann Ludwig Heim in der Beschreibung der uralten Fränkischen Bergschlösser, Disburg und Huthsberg, in der Grafschaft Henneberg, Frankf. 1766. S. 62. daß Disburg auf einem Berge zwischen Meinungen und Kaltennordheim gelegen habe, deren Ruinen noch jetzo diesen Nahmen führten, und auf der Homannischen Karte von Henneberg zu finden wären, und daß die dasigen Einwohner vorgäben, daß ein fränkischer König Dissenburg bewohnt habe, und solche in einem zwischen den Thüringern und Franken geführten Kriege zerstört worden. Dieser

 

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Meynung pflichtet D. Johann Wilhelm Dittmar zu Jena, welcher ein Programm davon geschrieben, das Heims Schrift beygefügt ist, auch Eckardt in Rer. Franc. T. I. p. 22 bey. Nach der Zerstörung von Burgscheidungen soll Herzog Bernhowald, ein Herr von Ballenstädt und Askanien, welcher als oberster Befehlshaber der Sachsen angegeben wird, diese Burg zu einem Eigenthum bekommen haben, und wird daher die Oberlehnsherrlichkeit der Fürsten von Anhalt über diesen Ort hergeleitet. 939. wurde die Burg von Herzog Heinrich wieder befestigt. Da er mit seinem Bruder, dem Kaiser Otto l., Krieg führte, und eine Schlacht gegen ihn verlor, ward Burgscheidungen von diesem Kaiser zwey Monate lang belagert. Der Herzog übergab die Festung durch Vergleich, und die Kaiserlichen Truppen besetzten sie. Bey dieser Belagerung war die nahgelegene Stadt abermals verwüstet worden, und die Einwohner wendeten sich theils nach Karsdorf, theils baueten sie die Stadt Laucha an. In dem Kriege, den die Sachsen mit Kaiser Heinrich IV. führten, eroberte Marggraf Ditrich 1068. Burgscheidungen, welches aber bald hernach von dem Kaiser wieder belagert und mit Sturm erobert und verheert wurde. Hingegen giebt Müldener in seiner Abhandlung von den Bergschlössern S. 154 an, daß dieser Ort 1069. Graf Ludwig der Springer besessen habe, und solcher in diesem Jahre von erwähntem Kaiser ihm entrissen worden. 1239. schenkte Kaiser Heinrich II. die ganze Scheidungische Herrschaft dem Stifte Bamberg. 1300. kaufte Gebhard VI., ein Edler Herr

 

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von Querfurt, die ganze Scheidungische Pflege, und ließ die verheerte Gegend, in welcher die Dörfer Burgscheidungen, Trebsdorf und Kirchscheidungen liegen, wieder anbauen. Während der Herrschaft der Querfurtischen Herren kommen 1417. E. von Glyn (Gleina) und 1444. Otto und Carl von Scheidungen, welcher letztere das Dorf Oberndorf, das hernach eingegangen ist, dem Rath von Laucha verkaufte, als Besitzer von Burgscheidungen vor, welche vielleicht diesen Ort von jenen als Afterlehn besaßen. 1648. erhielt Gebhard von Hoym diese Herrschaft von Bruno VI., edlen Herrn von Querfurt, welcher die Burg wieder aufbauen ließ. Von dem Hoymischen Hause kam der Ort nebst Birkicht 1714., gegen Abtretung einer Herrschaft in der Oberlausitz an ersteres, auf den K. Poln. und Chursächsischen General-Feld-Marschall von Flemming, der solchen 1721. an den Oberamtmann Conrad Wiedemeier und dieser wieder 1722. an den K. Sardinischen General- Feldzeugmeister Levin Friedrich von der Schulenburg von der weißen Linie dieser Familie verkaufte, welcher das neue Schloß desselben Jahres anlegte, und unstreitig auch Burg- und Kirchscheidungen zu einem Majorat bestimmte. Von diesem erbte es 1729. der K. Sardinische Hauptmann Levin Friedrich, der 1739. starb. Von diesem gelangte es an dessen Sohn, den Chursächsischen Geheimen Rath Levin Friedrich, der 1786. mit seinem Bruder Heinrich Moritz in den Grafenstand erhoben ward. Dieser machte sich durch wirtschaftliche Einrichtungen, sonderlich durch die Anlage eines

 

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Schwedischen Getreide-Darrhauses, auch verschiedene Fabriken um die Verbesserung seines Guths verdient, und hinteriieß 1801. das Guth seinem ältesten Sohn, dem Chursächsischen Kammerherrn, Moritz Levin Friedrich. Graf Heinrich Moritz erwarb durch Vermächtniß die Heßlerischen Güther Vitzenburg und Weißenschirmbach. (s. Gröbels Europäisches Handbuch S. 261. Vom Thüringischen Kriege s. Sagittarii Bericht vom Thüringischen Königreich, S. 236. Falkensteins Thüring. Chronik, S. 24. Brauns Sächsischer Geschichts-Auszug 3, S. 44. und das in dem angehängten Gedicht Venantii de excidio Regni Thuringici, das er Radegunden zueignete; ingleichen die unten angehängte Stammtafel der Thüringischen Königlichen Familie. Pastor Magens Bemerkungen über einige ungewisse Punkte, aus der ältern Geschichte Thüringens, in welcher S. 22. das erwähnte Gedicht Venantii übersetzt ist.) - Der seit 1778. als Pastor zu Burgscheidungen angestellt gewesene Joachim Siegismund Fischer, seit 1801. als Superintendent zu Querfurt, schrieb zwey Jubelschriften 1801. und Beytrag zur Wegräumung des Schutts, und der Wegebesserung, in jetzigen und künftigen Zeiten, 1786. Ueber die Verachtung des Christenthums und öffentlicher Abgaben 1793. und andere Schriften.

 

46) Scheiplitz.

Das dasige alte Schloß, welches ehedem Weissenburg hieß, war die Residenz der Pfalzgrafen von Sachsen, seitdem Friedrich II.,

 

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Friedrichs III. Vater, die vorige Residenz Gosek (sonst Panzig genannt) zu einem Kloster übergeben hatte. Friedrich III., der auch hier residirte, fand hier seinen Tod durch Anstiften seiner Gemahlin Adelheid, Udonis von Alsleben Tochter, mit welcher er um 1078. vermählt worden. Sie hatte ein geheimes Verständnis mit dem Grafen von Thüringen, Ludwig II. dem Springer, welcher seine erste Gemahlin, eines Herzogs von Sachsen Tochter, wegen ihres Hochmuths, da sie seinen Stand gegen den ihrigen verachtete, seinem Schwiegervater zurück geschickt hatte, und in Nebra bey einem Gastgeboth des dasigen Grafen Mutzelin mit ihr bekannt worden, und ermunterte ihn, ihrem Gemahl ins Gehege zu reiten, um zu Streitigkeiten zwischen beyden Anlaß zu geben; da dieses öfters geschahe, suchte sie letztern 1083. gegen Ludwig aufzuhetzen: er gerieth mit ihm in der Nähe eines Eichen-Waldes, die Reussen genannt, in Händel, und ward im Handgemenge von jenem mit einem Jagdspieß erstochen, zu welches Mordes Andenken an dem Orte, wo er begangen ward, ein Stein mit einem Jagdspieß errichtet ward. Sie heyrathete hierauf ihren Liebhaber, lebte lange mit ihm im Ehestande auf dem Schlosse Schaumburg (nahe bey Friedrichsrode im Thüringerwalde) und zeugte Kinder mit ihm. Der begangene Todschlag verursachte Ludwigen in der Folge manche Unruhe. Des Ermordeten Sohn, Friedrich IV., suchte sich an ihm zu rächen, und forderte ihn zum Zweykampf heraus, und da der Kaiser Heinrich IV. diesen Zweykampf zu verhindern

 

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suchte, verband er sich mit diesem, und half zur Eroberung der von Ludwig besetzten Schlösser Beichlingen, Scheidungen und Kifhausen. (S. Müldeners Diplomatische Nachrichten von einigen Bergschlössern in Thüringen S. 154.) Adelheid suchte im Alter ihr Verbrechen durch Büßungen zu tilgen. Sie stiftete nicht nur das Kloster Oldisleben, (s. oben Oldisleben,) sondern legte auch in Scheiplitz 1089. ein Kloster an, das sie mit Benedictiner-Nonnen besetzte; welche Stiftung aber vom Autore de Landgraviis Thuringicis Ludwigen zugeschrieben wird. Sie lebte hier bis an ihren Tod als Aebtissin 20 Jahre lang, und starb daselbst 1116. und ihr Leichnam ward nach Oldisleben gebracht. Ludwig, ihr Gemahl, wendete an dem Tage, da sie begraben ward, die Kirche zu Scheiplitz, sammt allen dazu geschlagenen Güthern und besonders dem Walde, worinnen Pfalzgraf Friedrich umgekommen war, dem Kloster zu Reinhardsbrunn zu, welches er auf seiner Seite zu Büßung seines begangenen Todschlags anlegte. Sagittarius in der Geschichte des Klosters Reinhardsbrunn ist zweifelhaft, ob das Kloster bald nach seiner Errichtung wieder eingegangen, oder ob es dem Reinhardsbrunnischen Kloster einverleibt worden. Das dasige Ritterguth gehörte (ohnstreitig im 16. Sec.) Heinrich vonThüna. S. Hoffmanns, Bürgermeisiers zu Freyburg, Manuscript; in der Folge (1713) kam es an die von Rheden, hernach an die von Berger, ferner an Senft von Pilsach, von dessen Wittwe es im Jahre 1789. die Tettenbornische Familie gekauft hat. Melissantes S. 249. und 137. Erzählung von der Wartburg im Staat von Eisenach S. 6.

 

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47) Schönburg

Das dasige Bergschloß bauete Graf Ludwig der Springer, um einen Wohnort in der Nachbarschaft der Pfalzgräfin Adelheid, die er liebte, zu haben. S. deren Geschichte unter der Rubrik: Scheiplitz. Solches kam von des Landgrafen Ludwigs Nachfolgern an die Freyherrn von Schenk auf Saaleck, Bebra und Tautenburg. Von dieser Familie schenkte es der Domdechant zu Naumburg, Rudolph Schenk auf Niedertrebra, 1355. dem Stifte Naumburg. S. Groitzschens descriptio Salae Fluvii p. 36.

 

48) Schönewerda.

Dieses an der Unstrut bey Artern gelegene Guth besaß vor 1569. Georg von Witzleben, Sohn Georg Friedrichs auf Wolmerstädt. 1651. kaufte es nebst Esmannsdorf, Hanns Ludwig von Seebach auf Oppershausen und Flarchheim, davon er ersteres in demselben Jahre verkaufte. Diese Familie behielt es bis 1799., da es Hanns Friedrich Wilhelm, Hanns Christian Ludwig und Hanns Carl Ludwig , Gebrüder und Vettern von Seebach, Söhne und Enkel Hanns Adolph Wilhelms, Braunschweigis. Lüneburgis. Landdrosts, an den Obristen, Carl Gottlob von Schmidt auf Wegwitz verkauften, der 1802. starb.

 

 

49) Steinburg.

Steinburg besaß 1546. Wolf Koller nebst Bucha, hernach kam es an die Selmnitzische Familie, von welcher es Carl von Selmnitz nebst Strausfurt an seinen Schwager Gerlach Heino von Münchhausen verkaufte.

 

 

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Des letztern Familie stammt von einem Mönch im Kloster Loccum her, der vom Papst die Freyheit erhalten hatte, in den ehelichen Stand zu treten, um sein Geschlecht fortzupflanzen, und dessen Sohn Heino, nachdem er mit Kaiser Friedrich II. einen Kreuzzug gethan, 1212. mit dem Hause Sparenberg beliehen ward, und den Namen Münhhausen zuerst soll angenommen haben. Dieses Geschlecht theilt sich in die schwarze und weiße Linie, welche Heino’s beyde Söhne stifteten. Der älteste Heino fing die schwarze Linie an. Von seinen Nachkommen kaufte Hilmar um 1558. das Schloß und Amt Leitzkau. Philipp Adolphs von der schwarzen Linie Söhne stifteten verschiedene Nebenlinien, Hilmar die Kaditzische, Christoph Friedrich die Leitzkauische, (welche mit dessen Söhnen, davon Christian Wilhelm Marienthal besaß, ausstarb; worauf deren Güther an die Tochterkinder, die von Hagen und Seebach fielen,) und Gerlach Heino, der Wendlingshausen seit 1650. und Steinburg nebst Strausfurt seit 1686. an sich brachte, die Steinburgische. Von des letztern Söhnen besaß Ernst Friedemann Herrengosserstädt. Gerlach Adolph auf Strausfurt, Großvogt in Zelle seit 1732., schrieb eine Dissertatio de legibus imperii 1711., die Tractatio iuris publici de Capitulatione perpetua 1712., eine Diss. de vicariatu Italico und starb 1770. ohne Erben. Philipp Adolph auf Steinburg kaufte Tauhardt 1762. und Braunsroda. Von des letztern Söhnen besaß der K. Großbritt. Kammerrath Gerlach Adolph, Steinburg und Tauhardt, und dessen

 

 

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Sohn, Philipp Adolph Friedrich, Königl. Großbritt. Justizrath auf Steinburg, verkaufte Tauhardt, und erwarb dargegen Bettensen, welches sein Oheim Friedrich Otto besessen hatte. Er schrieb zur Beförderung der Abschaffung der Frohndienste eine Schrift über den Lehnherrn und Dienstmann, Leipzig 1793., über welche Christian August Wichmann in seiner Schrift: über die natürlichsten Mittel, die Frohndienste aufzuheben, Leipzig 1795. Bemerkungen machte. 1804. edirte er den umständlichen Bericht von der auf dem Guthe Steinburg vorgenommenen Aufhebung der alten Spann- und Frohndienste. Philipp Aldolphs dritter Sohn Georg besaß Leitzkau und Strausfurt. Die weiße Linie pflanzte Heino’s des ersten jüngerer Sohn, Statius, fort. 1794. wurden in Steinburg die Frohnen in Geld verwandelt. S. Zedlers Univ. Lexicon und Gotha diplomatica.

 

50) Tauhardt.

Das dasige Guth gehörte 1667. Adam von Gutteshausen, hernach bis 1762. der Witzlebischen Familie, da es Philipp Adolph von Münchhausen erkaufte, und dessen Enkel, Philipp Adolph Friedrich, es an Herrn von Fuchs wieder veräußerte, welcher es bis 1796. behielt, da es an den Amtsrath August Friedrich Gebser auf Reinsdorf gelangte.

 

51) Tülleda.

Dieser Ort ist wegen der daselbst 1194. erfolgten Versöhnung Herzog Heinrichs des Löwen mit K. Heinrich VI. bekannt. Die

 

 

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Begebenheiten dieses Heinrichs und seines Vaters Heinrichs des Stolzen sind folgende: Heinrich der Stolze besaß Niedersachsen von der Elbe bis an den Rhein, und vom Harz bis an die Nordsee nebst Bayern. Er ward vom Kaiser Conrad III. 1138. in die Acht erklärt, weil er einige von Lotharius II., seinem Schwiegervater, erhaltene Länder nicht zurück geben wollte, und verlor Sachsen und Bayern, davon er jedoch einen Theil des erstern wieder eroberte. Nach seinem Tode brachte es sein Bruder Wolf, der einen Theil von Bayern inne hatte, nachdem ihn seine Frau durch eine List aus der Gefangenschaft in Weinsberg befreyt hatte, dahin, daß sein (Heinrichs des Stolzen) Sohn, Sachsen wieder bekam, und Kaiser Friedrich I. gab ihm auch Bayern zurück. Weil er aber im Italienischen Kriegszuge bey der Belagerung von Alexandria ihn verlassen hatte, rächte er sich an ihm dadurch, daß er ihn in die Acht erklärte, und alle seine Länder ihm wieder nahm. Er ward hierdurch und durch den gegen ihn angestellten Kriegszug genöthiget, sich zu demüthigen, 3 Jahr Deutschland zu meiden, und in England bey seinem Schwiegervater, König Heinrich II. zu verharren. Bey seiner Rückkunft erhielt er von seinen Ländern das Herzogthum Braunschweig und Lüneburg, doch in schlechtem Zustande, wieder; eine Einsetzung aber in die übrigen Länder konnte er nicht erhalten, vielmehr wurde ihm auferlegt, weil man neue Unruhen von ihm befürchtere, Teutschland abermals zu verlassen. Er ging auch wieder nach England; kam aber, während der Abwesenheit Kaiser

 

 

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Friedrichs I. auf dem Kreuzzuge, bald wieder zurück, und ward, da er sich durch die Waffen in den Besitz seines Eigenthums gesetzt hatte, von Friedrichs I. Nachfolger, Heinrich VI., der ihm ins Land fiel, gezwungen, Friede zu machen, sich mit dem, ihm übrig gelassenen Gebiet zu begnügen, und, zum Unterpfand der Ruhe, seinen Prinzen dem Kaiser zu geben, auch die Mauern von Braunschweig nieder zu reißen. Einer von seinen Söhnen, Heinrich, begleitete den Kaiser nach Italien, und ging wegen mancher erlittenen Beleidigung heimlich nach Deutschland zurück. Dieses zu rächen, bekriegte ihn der Kaiser abermals; auch empörten sich einige seiner Unterthanen, und ob wohl der Prinz Heinrich letztere zu Paaren trieb und Wolfenbüttel eroberte, mußte sich doch der alte Heinrich, der nun die Hoffnung zur Wiedererhaltung der verlohrnen Länder fahren ließ, und in seinem Alter Ruhe suchte, 1194. zu einer Zusammenkunft mit dem Kaiser, die erst in Saalfeld, hernach aber, da ein Sturz vom Pferde ihm die weite Reise unmöglich machte, in Tülleda bestimmt ward, bequemen, wo eine gänzliche Versöhnung gestiftet ward, davon aber die Bedingungen nicht bekannt sind. Siehe Schirachs Biographien 2, S. 62. Sagittarii Thüringische Geschichte, S. 524. Von denen in Tülleda befindlichen Rittergüthern besitzt das eine die Winsingerodische, das andere die Tettenbornische, zu Tscheiplitz seßhafte, das dritte die Willisenische, und das vierte die Linsingische Familie.

 

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52) Vitzenburg.

Spangenberg schreibt die Erbauung von Vitzenburg dem König der Franken Meroväus zu, und nennt solche daher ein Fränkisches Castell, das von dem von ihm dahin gesetzten Vicedom (Statthalter oder Landvoigt) den Namen erhielt. Wenigstens kann man aus dem bey Lütherstädt entdeckten, und ohnstreitig zu Vitzenburg gehörig gewesenen Begräbnißort schließen, daß letzterer Ort bereits im 8ten Jahrhundert, da das Christenthum in Thüringen eingeführt worden, und noch vorher bestanden habe. Hingegen nimmt Bayer im Geographus Jenensis an, daß diese Burg erst von Vizo, dem ältesten der Besitzer desselben, der sie vermuthlich erbaute, den Namen bekommen. Nach Spangenbergs Querfurtischer Chronik S. 107. verwandelte K. Dagobert 630. das fränkische Castell in ein Nonnenkloster, welche Nachricht Sagittarius S. 33. jedoch für falsch erklärt. Wofern das Alterthum dieses Klosters nicht so hoch hinauf steigt, so bestand es doch schon 880., da Bruno I., Edler Herr zu Querfurt, sich zu Erbittung eines Sohnes von seiner Gemahlin Oda, welcher Kinder sämmtlich gestorben waren, sowohl an die dasigen Nonnen, als an die Mönche aus dem Petersberge zu Erfurt wendete, und beyden Klöstern durch Gelübde im Fall der Erhörung ihres Gebets, Versprechungen von Schenkungen machte, welche er auch unfehlbar, nachdem Oda mit einem Sohn, Protze I., niederkam, erfüllte. Bey dem Landsterben 989. starb das Kloster ganz aus. Durch dieses Sterben ward Elisabeth, Bruno‘s II., edeln Herrn zu Querfurt, Tochter,

 

 

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Schwester des heiligen Bruno, des Apostels der Preussen, welche in diesem Kloster erzogen ward, bewogen, solches zu verlassen, und sich in das St. Georgen-Kloster nach Prag zu begeben, wo sie Aebtissin ward. Herzog Spitisneus, der keine Deutschen in seinem Lande leiden wollte, vertrieb sie von dannen, worauf sie sich 1055. wieder nach Vitzenburg wendete, und daselbst starb. Das Landsterben war vielleicht an dem Untergange des Klosters Ursache. Es ward aber ungefähr zu Ende des 11ten Jahrhunderts wieder hergestellt. Nach Leukfeld in antiquit. Burgsfeld. p. 130. stiftete oder erneuerte solches Graf Conrad von Beichlingen nebst dem Kloster zu Beichlingen, am Ende des 11ten Jahrhunderts. Nachdem beyde nach seinem Tode wieder in Abnahme gekommen, zog sich Graf Wipprecht zu Groitsch, dessen Sohn Conrads Tochter Kunigunde heurathete, in eines, verwandelte dieses in ein Mönchskloster und verlegte solches nach Reinsdorf. Hingegen giebt Hofmann in Scriptor. Lusat. p. 122., Menke in Script. rer. Germanicarum und Schöttgen in der Historie des Grafen Wipprechts, S. 69. nach dem Spegauischen Mönche, mit mehrerer Wahrscheinlichkeit an, daß Vizo, Herr von Vitzenburg, das dasige Nonnenkloster gestiftet und verschiedene Dörfer dazu geschlagen habe. Vizo setzte wegen Kinderlosigkeit den Grafen Wipprecht von Groitsch, seinen Anverwandten, zum Erben seiner Güther ein, die er 1107. in Besitz nahm. Wipprechts Mutter erwählte das Kloster, Vitzenburg in ihrem zweyten Wittwenstande zu ihrem Wittwensitze und starb

 

 

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daselbst, nach andern aber im Kloster Pegau. Um diese Zeit gab eine Enkelin Graf Friedrichs von Lengefeld, seines Sohnes oder seiner Tochter Tochter, die sich in dieses Kloster begab, und ihm ihr sämmtliches Vermögen zuwendete, durch ihre Ausschweifungen, worinne ihr die andern Klosterjungfern nachfolgten, Gelegenheit, daß die sämmtlichen Nonnen von Graf Wipprecht aus dem Kloster vertrieben und, auf den Rath Bischof Otto‘s von Bamberg, das Kloster in ein Mönchskloster verwandelt, nach Reinsdorf verlegt und die Vitzenburgischen Kloster-Güther dazu geschlagen wurden; s. den Pegauischen Mönch im Jahre 1110. Nach Graf Wiprechts von Groitsch, welcher 1086. Gera erbauete, 1124. erfolgtem Tode kam Vitzenburg vermuthlich an seinen Sohn Marggraf Heinrich, der 1136. starb. 1242. -1259. besaß es Meinerus, der sich de Vizenburg nannte, und Landhochmeister in Preußen war (vom Geschlecht der Edeln Herrn von Querfurt); dieser trat es 1261. seinem Bruder Gebhard XI. ab. Seine Familie behielt es bis auf Bruno XI. von 1464. Seit dieser Zeit kam es an die Familie von Selmenitz, ferner 1520. an die von Lichtenhayn, 1649. an die Heßlerische auf Burg- und Kloster-Heßler, davon Friedrich Moritz von Heßler, Churfürstl. Sächs. Land-Cammerrath, 1764 — 1768. das Schloß neu erbauete, 1793. Weissenschirmbach an sich brachte, und nach seinem 1803. erfolgtem Tode es nebst Weissenschirmbach an den Grafen Heinrich Moritz von der Schulenburg, genannt von Heßler, zu Baumersrode, Chursächs.

 

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Cammerherrn und Amtshauptmann, der sich durch patriotische Gesinung für sein Vaterland und Wohlwollen gegen seine Unterthanen, die er nach der Nationalzeitung 29. St. S. 563. in der Theurung von 1805. unterstützte, rühmlich auszeichnet, vererbte. Aus Pastor Magens schriftlichen Nachrichten.

 

53) Wallhausen.

Wallhausen gehörte ohnfehlbar zum Pago Hellmingau und kam bey der Theilung des Thüringischen Reichs unter den Franken und Sachsen zu der Letztern Antheile. Zu Ende des 9ten und Anfang des 10ten Jahrhunderts machte es mit dem Harz und ganz Niedersachsen, die Herrschaft des Herzogs von Sachsen, Otto’s des Großen, aus. Es befand sich an diesem Orte damals schon ein Schloß, das Otto zu seiner Residenz brauchte, wenn er in dieser Gegend sich aufhielt. Dieser Herzog vollzog hier die Vermählung seines Sohns Heinrichs, damaligen Kaisers; mit seiner zweyten Gemahlin Mathildis 909. und Heinrich schenkte Wallhausen, mit seines Vaters Genehmigung, seiner Braut zum Leibgedinge. Diese Schenkung ist vielleicht 929, da Heinrich seiner Gemahlin andere Oerter (Quedlinburg, Pölde und Nordhausen) zu ihrem Besitz übergeben, wieder aufgehoben und solcher Ort zu einer Pfalz (Palatium), Residenz und Richterstadt im Thüringischen Kreise, verordnet worden. Die folgenden Kaiser haben auch in dieser Qualität den Ort erkannt und erwählt, auch dort Reichs- und Gerichtstage gehalten. Otto hatte hier, wenn er in Teutschland sich befand, meistentheils seinen

 

 

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Aufenthalt, als 937, 952, da er seinem Sohn erster Ehe, Ludolf, die Landschast Sermunt, zwischen der Saale und Mulde gelegen, schenkte, 961, (da auch Otto II. als Römischer König sich hier befand) 965, 966. Otto II. 980. da er dem Kloster Memleben einige Güther schenkte. Otto III. schenkte 985. diesen von seinen Eltern und Großältern ererbten Ort, nebst dem nahe gelegenen Ort Berga, an das von seinen Großältern angelegte Fräuleinstift zu Quedlinburg. Vermuthlich behielt er sich und seinen Nachkommen das dasige Palatium vor. Wie denn von den folgenden Kaisern Heinrich II. 1013., auch Conrad II. 1029. und Heinrich III. 1046. in Wallhausen gewesen. Nach dieser Zeit aber findet man kein daselbst ausgestelltes Diplom, woraus der fernere Aufenthalt der Kaiser an diesem Orte zu beweisen wäre. 1115. kam Kaiser Heinrich V. mit seiner Armee im Kriegszuge gegen den Bischof Reinhard von Halberstadt, und die mit ihm verbundenen sächsischen Herrn nach Wallhausen und lieferte beym Welfesholze zwischen Heckstädt und Sandersleben, ersteren eine Schlacht, worinnen er zur Niederlage gebracht und nach derselben Wallhausen (nebst Kifhausen,) wohin die geschlagene Kaiserliche Armee ihren Rückzug nahm, als Kaiserliche Besitzungen sehr mitgenommen und zerstört wurden. Nach dieser Zeit mag das Schloß Wallhausen an einige Ritter Lehnsweise seyn übergeben worden, die darauf gewohnt und sich davon geschrieben haben, und von welchen Conrad 1134. 1150. und 1151. und Ehrenfried 1300. vorkommen. Die daselbst gestandene Kirche

 

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und Capelle gehörte dem Kaiser, und ward daher eine Reichscapelle genannt. 1223. ward solche vom Kaiser Friedrich II. an das von der Kaiserin Mathildis gestiftete Jungfern-Kloster zum heiligen Kreuz in Nordhausen, welches er in ein männliches Canonicat-Stift verwandelte, geschenkt, welche Schenkung sein Sohn und Nachfolger Heinrich VI., damaliger Römischer König desselben Jahres bestätigte. Siehe Leukfelds Historische Beschreibung des Georgen-Klosters zu Kelbra, S. 315. Wallhausen gehört jetzt den Freyherrn von Asseburg.

 

54) Wendelstein.

Dieses ehedem feste Schloß ward von beyden Brüdern, Friedrich III. und Herrmann VII., Grafen von Orlamünde, 1331. erbaut. 1613. besaß es Philipp Heinrich von Witzleben. S. Bayers Geographus Ienensis p. 254. Von dieser Familie kam es Pfandweise um 1626. an Hans-Heinrich von Heßler, der sein Recht an solches wieder dem Churfürst Johann Georg I. abtrat, welcher dessen völligen Besitz 1656. durch einen Vergleich erhielt. Zwischen 1446. - 1451. ward der Naumburgische Stifts-Hauptmann Rudolph Braun, der 1430. die Hussiten vor Naumburg schlug, (siehe oben u. d. Rubr.: Naumburg,) im Bruderkiege durch einen Hinterhalt, den ihm Bernhard von Kochberg zur Wachsenburg, einer von Herzog Wihelms von Thüringen Freunden, bey Wendelstein gestellt hatte, erschlagen, und ward in der Domkirche zu Naumburg begraben; s. Brauns Hussiten vor Naumburg, S. 108. Friedrich Theophilus Thilo, dasiger

 

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Amtsactuarius seit 1771. schrieb verschiedene Schauspiele und Romane.

 

 

55) Wiehe.

Diese Stadt gehörte im 13ten Jahrhunderte den Grafen von Rabenswalde, welche zwischen 1253 — 1312. vorkommen und im 14ten Jahrhunderte ausgestorben seyn mögen. Von diesen kam sie nebst der dazu gehörigen Herrschaft 1332. an die Grafen von Orlamünde, davon eine Stammlinie sich von Wiehe nannte und Wendelstein erbauete. S. Wendelstein. Von solcher wohnte Albert, Herrmanns III. Bruder, der 1283. starb, in Wiehe. s. Löber’s Diss. de Burggrav. Orlamundanis. Diese Grafen traten diese Besitzung im Kriege mit Landgraf Friedrich von Thüringen 1346. an letztern ab. S. Hofmanns Nachrichten von Wiehe in den Sammlungen der Leipziger Gesellschaft der freyen Künste 2ter Theil. 1307. belagerte die Stadt Landgraf Ludwig der Ernste, konnte sie aber damals nicht bekommen; 1342. aber bestürmte er sie so heftig mit Hülfe der Erfurter, daß er sie eroberte, worauf er sie verbrannte und in das Schloß eine Besatzung legte. In eben demselben Jahre ward sie vom Graf Herrmann von Orlamünde zu Weimar und Graf Günther zu Schwarzburg erobert und zerstört. S. Siegfried Presbyter, S. 939. In der Folge kam sie an die von Heldrungen. Da sich diese in die Flegler-Gesellschaft begaben, nahm Marggraf Friedrich und Wilhelm von Meißen sie ein, und beliehen Graf Heinrich von Hohenstein zu Kelbra damit, der sie ihnen aber 1422. gegen andre Schlösser

 

 

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wieder abgetreten und erblich eingeräumt. 1452. kaufte solche Dietrich von Werthern von den Grafen von Schwarzburg als ein Afterlehen. Diese Familie, die auch unter Dietrichs Sohn Johannes dem älteren einen Theil der Grafschaft Beichlingen 1519. von Adam von Beichlingen nebst Cölleda an sich brachte, und damit 1520. belehnt ward, theilte sich unter Hansens, der 1633. starb, Söhnen in verschiedene Linien. Davon stiftete Georg die zu Frohndorf und Beichlingen, welche letztere 1702. in den Grafenstand erhoben ward, und zugleich Neuhaus, Neuenheilingen und Eutra besitzt, und blos in dem unbeerbten Grafen, Jakob Friedemann, besteht. Johann Heinrichs, seines Bruders Söhne, stifteten die Linie zu Bachara, die 1706. auch in den Grafenstand erhoben ward, und 1767. ausstarb, die vom Unterhaus Wiehe, die mit Hans Adolph Erdmann sich endigte und die vom Oberhaus Wiehe und Lossa, welche letztere auch 1798. verlöschte, so daß die Güther der ansgestorbenen Linie Bachara, Unterhaus Wiehe und Lossa, der unter Christian Carls Söhnen, Ernst Friedrich Carl Emil und Hans Carl Leopold, blühenden Oberhäusischen Linie zugefallen sind. Erwähnter Hans Adolph Erdmann, Oberhofrichter seit 1772, schrieb, unter dem Namen Philemons von der Güte, den Processus inhibitivus wider die Beschuldigungen einer Härte vertheidigt, Leipzig 1769. Er sammelte eine zahlreiche Bibliothek, die zum Besten der Klosterschule zu Dondorf, davon er Administrator war, nach seiner Verordnung verkauft und zu

 

 

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Stipendien für die dasigen Schüler angewendet ward. Christiana Friederica Franziska Faulstichin, Ehegattin des Inspectors Johann Gottlieb Faulstichs zu Wiehe, edirte ein Schreiben an F. A. von der Pforte 1771. 1783. ward nahe bey der Stadt ein Gesundbrunnen entdeckt, und auf Veranstaltung des erwähnten Inspectors Faulstichs gefaßt, welcher hernach mit guter Wirkung gebraucht worden.

 

56) Wolmerstädt.

Als Dynasten von diesem Orte, der von einem unbekannten Wolmar oder Woldemar den Namen erhalten hat, wie es denn auch in einem Vergleichs-Instrument von 1346. in Böhmens Tod-Theilung S. 27. Wolmarstede genannt wird, kommen in Schamelii Beschreibung des Klosters Memlebens S. 1011. in einem Schenkungsbriefe von 1244. Gervodus und Otto de Wolmerstede vor. Die Witzlebische Familie scheint das dasige Ritterguth seit dem 15ten Jahrhunderte besessen zu haben. Dieses Geschlecht stammt von Fritz von Witzleben, der das Stammguth von Witzleben 1086. erbaute. Von seinen Nachkommen besaß sein Enkel Ernst 1244. Rosleben. Dieses Urenkel, Friedrich besaß Wendelstein (im 15ten Jahrhundert), welches Schloß er vielleicht nebst Wolmerstädt zuerst an seine Familie brachte und davon eine ältere Linie Wendelstein in Gemeinschaft mit der seinigen besessen zu haben scheint, indem Kerst von dieser Linie das dasige Schloß 1446. erweiterte. Dazu kam in der Folge Tauhardt 1523. Von seinen Enkeln stiftete Heinrich die Wendelsteinische und Friedrich ( 1496.) die

 

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Wolmerstädtische Linie. Von jener Linie verwandelte Heinrich, der Ospart 1549. erwarb, das Kloster zu Rosleben in eine Knabenschule. Philipp Heinrich, dieses Enkel, verlor Wendelstein (vor 1635), dagegen sein Sohn Philipp Heinrich 1671. Racket erwarb, und sein anderer Sohn, Wolf Dietrich Arnold, den erlittenen Verlust durch den durch das Aussterben des Ebelebischen Hauses erfolgten Anfall von Wartenburg, auch die Erbschaft von Wolmerstädt und Tauhardt, die er von seinem ohne Erben verstorbenen Vetter, Georg Philipp, von der Wolmerstädtischen Linie um 1654. erhielt, ersetzte. Er machte sich um die Schule Roslebenn durch gute Einrichtungen verdient, und starb 1684. Von seinen Söhnen erhielt Dietrich Tauhardt, Hartmann Ludwig und Wolf Dietrich Arnold, Wolmerstädt, das sie 1727 theilten. Von diesen Güthern ward Tauhardt 1762. an die Münchhausische Familie, dieses 1803. an Herrn Stiftshauptmann von Heldorf verkauft. Nach Wolf Dietrich Arnolds, der die Thüringische Linie stiftete, Tode, fiel Wartenburg nebst Racket auf seinen Bruder Hartmann Ludwig, von dem die Wartenburgische Linie abstammte, und dessen Nachkommen. Andere Linien dieser Familie sind die Elgenburgische und Liebensteinische, von welcher letztern Heinrich (nach Seckendorfs Hist. Luth. L. I. §. 138. 7.) das Amt Wachsenburg gegen Liebenstein an den Landgrafen von Thüringen, Wilhelm, Churfürst Friedrichs II. Bruder, der solches 1447. besaß, vertauschte. Friedrichs Urenkel, Curt, von


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seinem ältesten Sohn Friedrich, vertauschte Molsdorf gegen Gräfenau. Des jüngsten Sohns Carls von 1516. Enkel, Christoph, stiftete die Molschlebische Linie; dessen Nachkomme im 6. Glied, Alexander, verkaufte Molschleben, und erkaufte Fröttstädt und Teutleben. Dessen Söhne, Friedrich und Alexander, veräußerten die letzt genannten Güther wieder 1785, davon der jüngste, Alexander, zwey Söhne, Alexander und Ernst Wilhelm Ludwig, der an dem Ausmessungs-Geschäfte der Chursächsischen Aemter Theil hatte, hinterließ. Der in Wolmerstädt von 1783. bis 1803. angestellt gewesene Pastor M. Friedrich August Ludwig Rietzsche, nachmaliger Superintendent zu Eulenburg, schrieb: Beweis, daß die 2te Epistel Petri von diesem Apostel geschrieben sey; Samaliel - oder über die immerwährende Dauer des Christenthunts; Beyträge zur Beförderung einer vernünftigen Denkungsart über Religion, Erziehung , Unterthanen-Pflicht und Menschenleben, Weimar 1804.; Ueber die höchstnöthige Verbesserung der Dorfschulen. — Von den letzten dasigen Besitzern schrieb Friedrich Ludwig von Witzleben Nassau-Oranischer Oberforstmeister seit 1781, Kurhessischer Oberjägermeister seit . . . Diss. de portione statuaria. und verschiedene Aufsätze in dem vom Oberforstmeister von Wildungen seit um 1792. herausgegebenen Taschenbuch für Forst- und Jagdfreunde. Die Frohndienste wurden auf dem Ritterguthe Wolmerstädt 1793. in Geldabgaben verwandelt.

 

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57) Zingst.

Das dasige Ritterguth, das ehedem ein Vorwerk war, das zum Kloster Reinsdorf gehörte, und in den Urkunden Zcinstädt und Zintzschel genannt wird, ward nach der Reformation vom Churfürst August, an Hans Pezolt um 1565. verkauft. 1667. schenkte es der Herzog von Weißenfels, August, dem Churfürstl. Brandenburgis. Oberforstmeister im Herzogthum Magdeburg Georg Hornig, der es zum Ritterguth machte und Felder dazu kaufte. Von dessen Nachkommen kam es 1726. an einen von Krazau, ferner an einen von Ziegenhirt, Königl. Preuß. Domainen-Rath, der auch Rösseln und Wernsdorf im Voigtlande besaß. Um 1794. besaß es Madam Friederika Wilhelmina Bauerin, welche es ihrer Tochter, verehligt in demselben Jahre mit dem Oberforstmeister, Christian Adolph Freyherrn von Seckendorf, 1803. überließ.

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Erwähnter Oberforstmeister von Seckendorf gebohren 1767, ist ein Sohn des Herzoglich Braunschweigischen Obersten Friedrich Carls, Majoratsherrn auf Meuselwitz. Er studierte seit 1783. in Jena und Leipzig. 1786. wählte er den Soldatenstand und ward vom Herzoge von Mecklenburg-Schwerin zum Kammerjunker, und Lieutenant von der Garde zu Pferde ernannt. In diesen Diensten blieb er bis 1791, da er die Stelle eines Premier-Lieutnants bey dem neuerrichteten Chursächsischen

 

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Husaren-Regiment erhielt. Diese verließ er wieder 1794., um sich der Wirthschaft auf dem erheyratheten Guthe Zingst zu widmen. Seit 1798. beschäftigte er sich wieder mit den Wissenschaften, die er von 1786. an aufgegeben hatte. Seine vornehmsten Schriften sind: Forstrügen 1. - 10. Theil, 1799. Einige Worte an die Landstände Sachsens, zum Landtage 1799. Von den in Deutschland üblichen Gebräuchen bey Duellen, und über die Mittel die Quelle abzustellen 1804. Briefe an einen Prinzen von seinem Begleiter auf Reisen. L. 1805. — Die Familie der Freyherren von Seckendorf theilt sich in zwey Linien, davon die ältere, die Aberdar von 1312. auf Oberzenn, stiftete die Aberdarische, die jüngere, die von seinem Bruder Gutend stammte, der 1312. - 1340. lebte, die Gutendische getrennt wird. Der Abkömmling des letzteren im vierten Grade, Georg der Alte, war Vater von Wiegleib und Hanns, davon der erstere der Stifter der älteren, und Hanns der jüngeren Gutendischen Linie ward. Von Wiegleib stammt im vierten Grade Joachim Ludwig auf Meuselwitz, der die Historia Lutheranismi schrieb, und 1692. starb; der jüngere, Heinrich Gottlob, gestorben 1675. seine Linie fortpflanzte. Letzterer zeugte Ernst Ludwig auf Starkenberg, und Friedrich Heinrich, gebohren 1673. Kaiserlichen Feld-Marschall auf Oberzenn, Meuselwitz und auf Starkenberg, das er seinem Oheim Friedrich Heinrich überließ. Des ältern, Ernst Ludwigs, Söhne waren: Ernst Friedrich, gebohren 1696. auf Starkenberg, Sachsen-Gothaischer Geheimer Rath

 

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und Domherr in Naumburg; Johann Wilhelm Gottfried, gebohren 1698. und Franz Philipp, gebohren 1762., von denen der Aelteste, Ernst Friedrich, durch Friedrich Carl, Majorats-Herrn auf Meuselwitz, Großvater Wilhelm Heinrichs auf Meuselwitz, und des Herrn Oberforstmeisters Christian Adolphs ward.

 

 

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Beylagen

 

 

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Leerseite

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Geschlechtstafel der Könige von Thüringen zur R. Burgscheidung.

 

Hinweis: Einzelheiten siehe Originalschrift.

 

 

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Geschlechtstafel
Die Grafen von Rabenswalde zur R. Rabenswalde



Günther, nobilis ex Thüringia. S. Falkenstein, 2. Bd. 2. Thl. S. 893. zum Jahre 1062.
Sizzo, Graf von Kefernburg, lebte 1114. - 1160.

Hinweis: Einzelheiten siehe Originalschrift.

 

 

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Geschlechtstafel
der Landgrafen von Thüringen und Besitzer von Rastenberg von ihrem Stamm, zur R. Rastenberg.

 

Hinweis: Einzelheiten siehe Originalschrift.

 

 

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Ueber Novum Castrum zur R. Freyburg.

 

Das Burggrafthum (die Burghut) im Novo Castro, war von den Landgrafen in Thüringen einer Linie der Grafen von Mannsfeld, gesessen zu Osterfeld, übertragen, die sich daher Burggravii de Novo Castro schrieben, und unter denen wieder Landgräfliche Advocati befehligten, von welchen mit den Burggraviis de Novo C. mehrere, Fridericus de Groist 1239. in einem Lehensherrlichen Consens Landgraf Heinrichs, Bertholdus dictus de Groist 1292. vorkommen. Müldener, in Beschreibung des St. Georgen-Klosters zu Frankenhausen, führt auch einen Godeboldum als Burggravium de Novo Castro als den Stifter des Klosters auf.

 

Wo das Novum Castrum lag, darüber waren die Meynungen getheilt. Einige hielten es für die Stadt Naumburg; und der Prediger Ursinus zu Boritz in Meißen hielt es für die alte Scowonburg (Schauenburg) bey Eisenach.

 

Der Conrector Christian Heinrich Braun, in einer historisch- diplomatischen Nachricht von dem


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Grafen von Osterfeld hat es dargethan, das es die von Ludwig dem Salier erbaute Naumburg bey Freyburg an der Unstrut war, und dieses durch urkundliche Zeugnisse bewiesen.

 

Zum Unterschied der Bischofsstadt Naumburg wird das Schloß zu Freyburg in Urkunden jederzeit Novum Castrum benennt, und daß es Freyburg war , bestätiget die Urkunde Landgraf Heinrichs von 1239, wo der Voigt daselbst von ihm Advocatus noster genannt wird, denn nie finden sich in Naumburg ächt historische Beweise einer Burg. Ein altes Schloß von K. Heinrich dem Vogler er- baut, soll zwar auf dem Hügel gestanden haben, wo jetzt die Domprobstey steht; es fehlen aber bey dieser Tradition gänzlich glaubhafte Beweise, ob schon aus noch vorhandenen Zinnen und starken Mauern zu ersehen ist, daß die alte Domprobstey gegen damalige Belagerungskunst hinlänglich gesichert war; und dem zufolge wohl auch ein Capitaneus oder Castellanus über das zeitliche Wohl der dasigen Domherren wachte. Noch weniger hatten die Landsgrafen von Thüringen daselbst ein Besatzungsrecht, wozu doch ein Praefectus erforderlich gewesen wäre. Der Advocatus in N. C. steht auch untet den Beamten Friedrichs des Strengen in einem Diplom vom Jahre 1344. Hermann, Burggravius de Novo Castro, unterschrieb sich Hermannus praefectus in Nuenburc. 1255. Daß hier aber nicht Naumburg gemeint sey, bezeugt ein anderes Diplom


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von 1254. wo er sich ausdrücklich Burggr. de Nov. Cast. nennt. Im Bezirk des N. C. lag auch Eula.

 

Zur R. Naumburg.

 

Daß Naumburg schon im 11ten Jahrhundert eine Handelsstadt war, und die Messe in jenen Zeiten schon gehalten wurde, versichert selbst K. Conrad in der Confirmatione Translationis fedis episcopalis de Ziza in Nuenburg.

 

Die Messe oder der große Markt wurde von den Marggrafen Hermann und Eccard II. angelegt, die damals Herren der Stadt waren, und sie auf Verwendung des E. Bischoffs Hunfried zu Magdeburg zum Bischöflichen Sitz schenkten, 1029. Um den Waarenvertrieb zu befördern, wurde sie auf Peter- und Paulstag verlegt, wo die jährlichen Wallfahrten zu diesen Stiftspatronen geschahen. Die vorzüglichsten Produkte, die Naumburg in frühern Zeiten lieferte, waren Getreide und Holz. Der Holzhandel mag ansehnlich gewesen seyn, denn Markgraf Dietrich von Landsberg versprach 1278. den Holzverkauf in der Aue (Ougia), einem erst Bischöflichen und hernach Domherrlichen Forste vor der Stadt Naumburg, nicht zu hindern.

 

Die Leipziger, deren Messe erst 1508. dergestalt privilegirt wurde, daß innerhalb 15 Meilen um ihre

 

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Stadt keine Messe oder Niederlage angelegt werden sollte, appellirten sogar an den Papst, um die Naumburger P. P. Messe aufzuheben, die 1514. von neuem gesetzlich bestätiget wurde. Sie richteten aber weiter nichts aus, als daß sie 1520. auf dem Reichstag zu Worms von neuem Naumburg auf ewig zugesichert wurde.

 

Von Herzog Moritz Wilhelm erhielt Naumburg 1693. eine eigene Markt-Handelsgerichts- und Wechselordnung.

 

C. A. B.

 

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Verzeichniß der beschriebenen Oerter.

 

1) Allerstädt.

2) Artern.

3) Balgstädt.

4) Baumersroda.

5) Beichlingen.

6) Biebra.

7) Bretleben.

8) Bucha.

9) Cölleda.

10) Kloster Dondorf.

11) Eckardsberga.

12) Eula.

13) Freyburg.

14) Gehofen.

15) Gleina.

16) Goseck.

17) Kloster Göllingen.

18) Heldrungen.

19) Heringen.

20) Herrn Gosserstädt.

21. 22) Burg und Kloster Heßler.

23) Groß-Jena.

24) Kelbra.

25) Kifhausen.

26) Langenroda.

27) Laucha.

28) Lossa.

29) Marienthal.

30) Memleben.

31) Naumburg. 32) Nausitz.

33) Nebra.

34) Oldisleben.

35) Schulpforta.

36) Pleismar.

37) Rabenswalda.

38) Rastenberg.

39) Reinsdorf.

40) Rosleben.

41) Rotenburg.

42. 43) Rudelsburg und Saalek.

44) Sachsenburg.

45) Burg Scheidungen.

46) Scheiplitz.

47) Schönburg.

48) Schönwerda.

49) Steinburg.

50) Tauhard.

51) Tülleda.

52) Vitzenburg.

53) Wallhausen.

54) Wendelstein.

55) Wiehe.

56) Wolmerstädt.

57) Zingst.

 

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Zusätze.

Goseck) Der dasige Pastor, Carl Christian Küchler edirte Leipz. 1805. Trauerlieder am frühen Grabe seiner Gattin.

Rosleben) p. 105. l. 19. p. v. Pilsach add. und Benjamin Silber, Lieutenant beim Chursächsischen Artilleriecorps zu Freyberg seit 1784 Sohn des 1797 verstorbenen Superintendentens zu Heldrungen, M. Christoph August Silbers, welcher ohne Namen verschiedene theatralische Stücke und Romane, unter andern Eduard Blum herausgegeben.

Burgscheidungen) p. 120. l. 9. p. v. verkaufte add. ingleichen 1594 die Brüder Christoph und Ludwig von Wiehe.

Lauhard) p. 126. l. 7. v. u. l. an Herrn Johann Ludwig von Fuchs, Sohn des Zerbst. Oberforstmeisters N. p. 84. l. 10 p. v. annahm add. not. Die Vorzüge von Naumburg vor Zeitz in Ansehung der Lage, des Reichthums der Bürger, des Weinbaues der Handlung v. aus Paul Langen in Hübners Fragen aus der Pol. Hist. 8. p. 803.

 

Druckfehler.

 

(wurden in den Text eingearbeitet!)

 

Nachricht an den Buchbinder.

Die Karte, nebst der Abbildung der Ruinen der Klosterkirche zu Memleben, und des Schlosses Burgscheidungen, welche zu S. 78. und 112 gehören, werden am Ende des Buches angebunden.

 

 

Quelle: Poetische Schilderung der Thüringischen Landschaft, die güldene Aue genannt. Von Caroline Friederike von Kamiensky. Nebst Nachrichten von denen in solcher und deren Nachbarschaft liegenden Oertern, herausgegeben von Christian August Braun. Mit einer Karte und Kupfern. Leipzig, 1806. S. 34 – 155.

 

 

Das Werk liegt in digitalisierter Form bei folgenden Bibliotheken vor:

Bayerische Staatsbibliothek digital. Permalink: http://www.mdz-nbn-resolving.de/urn/resolver.pl?urn=urn:nbn:de:bvb:12-bsb10112153-6

Jena : Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek, 2016 (Original: 1806).

Link zum Digitalisat: http://nbn-resolving.de/urn/resolver.pl?urn=urn:nbn:de:urmel-b0dacb31-879c-4133-b6c1-93703dc8f6436