F. A. Beck: Geschichte der Burg Landsberg bei Halle

Geschichte der Burg Landsberg bei Halle
in ihren Trümmern und Überresten.

 

Von Friedrich Adolph Beck

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Halle, in der Buchhandlung des Waisenhauses. 1824

 

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„Dicht am Städtchen Landsberg 1), im preußischen Herzogthum Sachsen, erhebt sich ein sanft anlaufender Berg, welcher eine überaus fruchtbare und nicht unbedeutend kultivirte Gegend 2) beherrscht und dem Auge eine sehr angenehme und heitere Aussicht gewährt nach den Städten: Leipzig, Merseburg, Halle, mit seinen dampfenden Salzkothen 3); nach dem Petersberge mit seiner ehrwürdigen Ruine 4); nach Zörbig 5), Köthen, Brena und Delitzsch. Dazu kommt, daß die Aussicht von diesem Berge durch die in dieser gesegneten Ebene zerstreut liegenden Dörfer 6) und deren mahlerische Lage außerordentlich erhöht, und diese schöne, von mehreren Bächen durchflossene Fläche, aus welcher der Landsberg allein sein stolzes Haupt erhebt, mannichfache Reize erhält und zu einem ergötzlichen Panorama gebildet wird, von welchem das Auge ungern sich trennet. Denn blickt man nach Osten hin, so zeigt sich in der Ferne ein düstrer Wald, die sogenannte Dübener Heide, welche der Horizont wie mit einem Schleier zu umhüllen scheint, der durch einige durchschimmernde, hinter Wurzen am höchsten hervortretende Berghöhen gleichsam zerrissen wird: im Westen aber dehnet sich die Aussicht bis auf des Brockens höchste Spitzen aus.

Auf diesem Berge 7) war es, wo der Markgraf Dietrich von der Lausitz, des meißnischen Markgrafen, Conrad des Großen, dritter Sohn,
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7) Die Einwohner Landsbergs nennen den Landsberg gewöhnlich den Capellenberg, zum Unterschiede des dabei liegenden Mühlenberges, welcher eine Fortsetzung des Capellenberges ist und von zwei auf ihm stehenden Windmühlen den Namen hat.

nach der schönen Sitte seines Zeitalters, die höchsten Gipfel des Landes mit Burgen zu schmücken 8), eine Veste erbaute 9), von welcher er zum Theil nicht allein seine eigenen Besitzungen, sondern auch die seiner Brüder: Heinrich‘s, Grafen zu Wettin 10), Friedrich‘s, Grafen zu Brena 11), und das von seinem Vetter Dedo errichtete und von seinem Vater Conrad vollendete Kloster, auf dem Petersberge, übersehen konnte und täglich vor Augen hatte 12). Am Fuße des Landsberges gegen Süden, welcher jetzt mit neuen Baum-Anlagen verschönert wird, geht die Handelsstraße von Magdeburg nach Leipzig vorüber, welche zu der Zeit, wo das Städtchen Landsberg noch zu dem Königreiche Sachsen gehörte, für den Handel mit dem nördlichen Deutschland von großem Einflusse war. Die nördliche und östliche Seite des Berges wird seit langer Zeit als Steinbruch benutzt und liefert weit vorzüglichere Bruchsteine, als die vor der Stadt, gegen Westen hin liegenden Hügel, der sogenannte Spieß- und Galgenberg. Der Stein des Landsberges ist Porphyr 13), und zeichnet sich durch seine Farbe und Festigkeit vor dem der genannten zwei Hügel sehr aus 14). Von derselben Steinart ist auch der Gibichenstein 15) und Petersberg, bei Halle.


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Beide Höhen, von

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15) Dieses Bergschloß, welches sich durch eine malerische Lager auf einem steilen Felsen an der Saale, auszeichnet, war bis zur Erfindung des schweren Geschützes eine unüberwindliche und die erste Veste des Erzstiftes Magdeburg und Jahrhunderte hindurch zum Gefängnisse der Staatsgefangenen bestimmt. Der Kaiser Heinrich II. (v. 1003 – 1024) soll diese Burg im Jahr 1003 dem damaligen Erzbischofe Daganus mit den Worten: „Dir gib‘ ich den Stayn“ geschenkt haben. Sie war bis 1474 die Residenz der meisten Erzbischöfe von Magdeburg. – Hier war es, wo Ludwig II. († 1123), Graf von Thüringen, im Jahre 1081 f. gefangen saß. Nach einer Volkssage befreiete er sich aus dem Gefängnisse durch einen kühnen Sprung in die Saale, woher er auch den Beinamen des Springers erhielt. Bei einer Vermählung mit der schönen Adelheit, vorher Gemahlinn des Pfalzgrafen, Friedrich II. von Sachsen, war auch unter den Theilnehmern dieser Feierlichkeit Thiemo, der Großvater des Markgrafen Dietrich von Landsberg. Die Hauptquellen, aus welchen die Geschichte Ludwig des Springers auf Gibichenstein geschöpft werden muß, sind P. Lange‘s Chonicon Ziticense und die Historia de Landgraviis Thuringiae bei Pistorius T. I. Hülfsmittel sind: Jo. Vulpii. Ludovicus desiliens d. h. Ludwig der Springer. Altenburg 1712. 8. Conr, Fr. Reinhard: Comment., in qua fabula de Ludovico II., Thuringiae Comite, ex arce Gibichensteinensi saltu indeque tributo ipsi cognomento Salii, vulgo des Springers, refellitur simulque varii doctor. viror. errores deteguntur atque emendantur. Recens. Fr. Wideburg. Hal. 1737. 4. c. fig. – Ludwig der Springer Landgraf zu Thüringen. Leipzig 1791. 8. 2 Bände. – Ludw. d. Spring. Aus Engelhardt‘s Darstellung der deutsch. Geschichte. Leipzig 1799. – Ludwig der Springer, auf der Burg zu Gibichenstein. Romantisches Abentheuer, erzählt von J. A. Knüttel. Halle 1817. 8. Auch in Gottschalck‘s beliebten Ritterburgen Bd. I. und in der Chronik von Giebichenstein etc. Halle 1818. wird diese Begebenheit erzählt. –

 

von welchen besonders Gibichenstein in der Geschichte durch den Landgrafen von Thüringen, Ludwig den Springer, einen bleibenden Namen erhalten hat, tragen noch jetzt, in Gemeinschaft mit dem Landsberge, Überreste theuren Andenkens an das Zeitalter der Kraft und Gewalt 16). Auf dem Petersberge, welcher der höchste Punct desjenigen Höhenzuges ist, welcher bei Wettin anfängt und über Petersberg, Landsberg, Wurzen bis Dresden und Freiberg geht, trauern noch jetzt die Ruinen des alten Peterklosters 17), in welchem, des Lebens müde, Conrad, unsers Dietrich‘s Vater, das glänzende markgräfliche Zimmer mit der ärmlichen Zelle vertauschte. Dieser Conrad, aus dem alten gräflichen Hause zu Wettin 18) stammend, und in der Folge der Große 19) oder, wegen seiner großen Freigebigkeit gegen die Klöster 20), von den Mönchen der Fromme genannt, ist der Stammvater des sächsischen Regentenhauses und als dieser jedem Sachsen ehrwürdig und aus der sächsischen Geschichte hinlänglich bekannt. Hier nur Einiges von ihm in gedrängter Kürze! Anfangs hatte es den Anschein, daß Conrad nie zu dem spätern Ansehen und Einflusse gelangen würde. Und konnte dieses auch wohl Conrad, als er im Burgverließe saß, je hoffen? Denn als er den jungen Markgrafen, Heinrich II. von Meißen, nicht als den rechtmäßigen Sohn des Markgrafen Heinrich I. anerkennen wollte 21), wurde er von Heinrich II. befehdet, in einem Treffen gefangen genommen und auf das Bergschloß Kirchberg 22), bei Jena, gebracht, wo er in dem bekannten Fuchsthurme, dem einzigen Üeberreste jener Burg, bis zum Jahre 1123, in welchem der Markgraf von Meißen starb 23), eingekerkert nach Freiheit schmachtete, welche er jetzt erhielt. Da Heinrich II. keine Kinder hinterließ, so erneuerte der Graf Conrad seine gerechten Ansprüche auf die Markgrafschaft Meißen; worauf ihm auch der Kaiser Lothar (v. 1125– 1137), mit Einwilligung der mächtigen Vasallen Conrad‘s 24), die Markgrafschaft Meißen zum Lehn gab. Außer Meißen erhielt er aber auch Heinrichs II. gesammte Erbgüter, die Grafschaft Eilenburg 25), Wettin, Borna, Torgau 26), Kirchberg 27), Rochlitz, die Mark Lausitz 28) durch den am Ende des Jahres 1136 erfolgten Tod des lausitzer Markgrafen, Heinrich von Groitzsch, des Markgrafen Wiprecht Sohnes, nebst den gräflich wiprecht-groitzschischen Gütern 29) und einen großen Theil des Osterlandes, unter welchem man im Mittelalter das Land zwischen der Saale, Elster und Mulde verstand 30). Conrad war dem Kaiser dafür nicht undankbar; er nahm den lebhaftesten Antheil an der Sache seines Kaisers, und auf dem siegreichen Heerzuge Lothar‘s gegen den Herzog der Normänner 31), Roger (im Jahr 1136), welchen der damalige Papst, Anaklet II., zum König von Sicilien zu ernennen gewagt hatte, bot sich ihm zuerst Gelegenheit dar, dem Kaiser Beweise seiner rühmlichen Tapferkeit und Anhänglichkeit zu geben 32). Denn ihm allein hatte es Lothar zu verdanken, daß die Baiern, welche, kurz vor der Rückkehr des Kaisers aus Italien nach Deutschland, was er aber nicht wieder sah 33), Meutereien angesponnen hatten, zum Gehorsam gebracht wurden. 34). Als er darauf – nach der frommen Sitte der damaligen Zeit – auch nach Jerusalem gewallfahrt und glücklich in Deutschland wieder angekommen war (im Jahr 1146), begleitete er den neuen Kaiser (oder König), Conrad III. (von 1137-1152), auf einem Zuge nach Polen 35) und schloß sich endlich, im Jahre 1147, dem Kreuzzuge mehrerer deutschen Fürsten gegen die heidnischen Obotriten, im Mecklenburgischen, an 36). Von dieser Zeit an schweigt die Geschichte über ihn; ohne Zweifel lebte er jetzt für das das Wohl seines Landes 37), bis er, nachdem er seine Länder unter seine Söhne vertheilt hatte 38), im Jahre

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38) Leider läßt sich die Gränze der einzelnen Landestheile nicht mehr genau angeben, weil die Theilungsurkunde verloren gegangen ist. S. Chron. M. S. bei Mencken P. II. S. 185. Annal. Vet. Cell. bei Mencken T. II. S. 387.

 

1156, dem tapfer geführten Schwerte die Mönchskutte vorzog. – Mit einer Gemahlinn, Luitgardis, aus dem schwäbischen Hause von Ravenstein 39), hatte er sechs Töchter 40) und sechs Söhne gezeugt, welche ihn, Heinrich ausgenommen, der in seiner frühen Kindheit starb, sämmtlich überlebten. Sein dritter 41) Sohn war Dietrich, der Erbauer des Schlosses und der Capelle auf dem Landsberge.

 

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41) Weiße (a. a. O. Bd. I. S. 72.) u. A. Nennen ihn fälschlich den zweiten Sohn des Markgrafen, Conrad des Großen. S. Anm. 11

 

Er erhielt bei der Theilung der Länder die Markgrafschaft Lausitz, d. h. die nachherige Niederlausitz und das Osterland. Auf einen Theil dieses Osterlandes, namentlich auf die Gegend um den Landsberg, trug er von dem Namen seines Lieblingsaufenthaltes, der neu angelegten Residenz 42) auf dem Landsberge, den Titel einer Markgrafschaft über 43). Von dem Leben des Markgrafen Dietrich ist nicht viel auf uns gekommen. Er war zugleich auch der Stifter des Zisterzienser-Klosters Dobrilugk und des Schlosses Schilde bei Torgau, von welchen jenes etwa um das Jahr 1184, dieses um 1170 erbaut wurde; letzteres gab nachher dem bekannten Städtchen Schilda den Namen 44). Außerdem ist Dietrich‘s Name noch in den Feldzügen des Kaisers, Friedrich I. Oder des Rothbartes 45) (v. 1152 – 1190), nach Italien und späterhin in den gegen Herzog Heinrich den Löwen von Sachsen (geb. 1129 46), gest. den 6. August 1195), Heinrich des Hochfährtigen Sohn 47), ausgebrochenen Feindseligkeiten hinlänglich bekannt geworden. Heinrich der Löwe,

 

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47) Die Thaten Heinrich des Löwen hat der Benedictiner-Mönch, Arnold von Lübeck, ausführlich beschrieben (Helmoldi Chron. L. II. c. XXXV.). Unter den neuern Werken über Heinrich den Löwen ist Böttiger‘s Heinrich der Löwe (Hanover 1819. 8.) ohne Zweifel das beste und gründlichste. Vergl. auch Kobbe‘s Geschichte des Hauses Lauenburg, Th. I. Götting. 1821 8. über Heinrich den Hochfährtigen s. Anton Erath De ficta Henrici superbia. Wolfenb. 1731. 4. -

 

welcher viele sächsische Fürsten durch seinen Stolz und seine Begierde nach Ruhm und Ansehen gegen sich erbittert hatte, war in des Markgrafen Dietrich Besitzungen eingefallen und hatte sie auf die schrecklichste Weise verheert 48). Dietrich – ein rascher, muthiger Mann – forderte Anfangs den Herzog Heinrich zum Zweikampfe auf; da dieser aber nicht erschien 49), so klagte er ihn, in Verbindung mit mehrern andern Fürsten bei dem Kaiser an. Friedrich I., welchem Heinrich bei seinem fünften Zuge nach Italien gegen den Papst Alexander III. (1179–1181) seinen persönlichen Beistand, auf welchen der Kaiser ganz sicher gerechnet, hartnäckig versagt hatte, wußte zwar, daß das ihn in diesem Feldzuge getroffene Unglück lediglich Heinrich dem Löwen zuzuschreiben war, zeigte ihm dennoch – eingedenk dessen, was er ihm schon geleistet hatte – seinen Edelmuth und seine Theilnahme, welche aber Heinrich in seiner Verblendung leider nicht verstand oder verstehen wollte! Denn der Kaiser suchte ihn noch zu retten und bemühte sich, ihn durch Güte zu gewinnen. Er lud ihn daher auf mehrern Reichstagen vor sich 50); da er aber endlich sah, daß Heinrich - dennoch seine Güte mißbrauche, so erklärte ihn der Kaiser, weil er auch zum vierten Male die Einladung hintangesetzt hatte, seines ungehorsamen Außenbleibens halber, im Januar 1180 in die Reichsacht und aller Reichslehen für verlustig *). Doch Heinrich – dieser kühne, von Eigenliebe getäuschte Mann – ließ sich dadurch auch jetzt noch nicht niederschlagen. Mit gewaffneter Hand suchte er das wieder zu gewinnen, was er verloren hatte. Sachsen erkohr er zum Schauplatze seines neuen, verheerenden Krieges. Er siegte auch in mehrern Treffen, bis endlich der Kaiser alle Vasallen des Herzogs Bernhard von Sachsen zum Reichspanner rief und sich selbst an die Spitze des Heeres stellte. Jetzt bat Heinrich demüthig um Frieden, und der Kaiser, welcher zu Lüneburg im Lager stand, ließ ihm durch die Friedensunterhändler, die Heinrich von Stade aus an den Kaiser geschickt hatte, sagen: „daß er seine Erbgüter Braunschweig und Lüneburg stets frei behalten solle; doch mit der Bedingung, Deutschland auf drei Jahre 51) zu verlassen. Heinrich ging im Frühling 1182 mit seiner Gemahlinn, die von den Schriftstellern als eine sanfte und fromme Frau geschildert wird; und mit seinen Kindern 52) zu seinem Schwiegervater, dem König von England, wo er sehr ehrenvoll empfangen wurde 53). Der Markgraf, Dietrich von Landsberg, wurde aber vom Kaiser für seinen Verlust entschädigt. Kurz darauf folgte Dietrich dem Kaiser nach Italien; weil er sich schon seit langer Zeit bemüht hatte, den Bund der Lombarden aufzulösen 54). Denn da, trotz der geschicktesten Staatskunst, welche der Kaiser hierbei anwendete, beim Ablaufe des sechsjährigen Stillstandes, jener Bund noch beisammen war, so hatte sich der Kaiser entschlossen, besonders auf Zureden seines Sohnes, des römischen Königs, Heinrich, die Streitsache durch einen Frieden (den 24. Junius 1183) zu endigen, wodurch er in Besitz von Italien kam, welchen ihm die Lombarden so außerordentlich erschwert hatten. Im folgenden Jahre berief der Kaiser einen großen Reichstag nach Mainz, vorzüglich in der Absicht, um seinen ältern Söhnen vor den Augen der Fürsten und alles Volkes die Ritterwürde zu ertheilen. Alle Fürsten, Bischöfe, Markgrafen, unter welchen auch unser Dietrich war; Grafen und Baronen Deutschlands und Italiens, viele Gesandte fremder Könige und endlich die Kaiserinn, Beatrix, selbst waren Zeugen dieses hohen, glänzenden Festes 35).

 

Unter diesen Feierlichkeiten zu Mainz erkrankte der Graf Dietrich von Landsberg; und weil seine Krankheit von Tag zu Tag eine schlimmere Wendung nehmen konnte: so eilte man, ihn von hier zu entfernen und brachte ihn, um seine Gesundheit so bald als möglich wieder herzustellen, in das Kloster auf dem Petersberge 56), wo er jedoch bald den ungeschickten Klosterärzten, welche höchst selten oder oft gar nicht, nach Grundsätzen der Vernunft, oder Regeln der Wissenschaft handelten, unterlag 37).


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56) Chron. M. S. ad A. 1184 (bei Mencken T II. S. 200). In diesem Kloster, dessen Bau im Jahr 1124 angefangen wurde (Chron. M. S. ad A. 1124. bei Mencken II, 166. Annal. Vet. Cell. bei Mencken II, 437.) sollten auch, Conrad des Großen letztem Willen zufolge, alle seine Nachfolger begraben werden; allein schon sein erster Nachfolger und Sohn, Otto der Reiche, bestimmte Altenzelle (im erzgebirger Kreise) zum markgräflichen Erbbegräbnisse; was es auch bis auf Friedrich den Streitbaren (geb. den 29. März 1369, gest. den 5. Januar 1428) blieb. Im Jahr 1559 zerstörte es der Blitz. Vergl J. Conr. Knauth‘s Geograph. Hist. Vorstellung des Klosters Altenzelle u. s. w. Dresden und Leipzig 1721. 8 Bde. 8. in zwei Bänden. Die Veranlassung zum Baue dieses Klosters erzählt der Chronist des Petersberges (bei Mencken T. II. S.205) mit folgenden Worten: . . . .

Auch das Peterkloster wurde am 31. August 1565 durch den Blitz zerstört. . . .

Er hinterließ keine Kinder. Denn sein einziger Sohn, Conrad der Jüngere, welcher sich im Jahre 1173 gegen einen gewissen Wulrad von Grietz, und dessen Ritter, sogenannte Schnapphähne *), besonders ausgezeichnet und viele von ihnen mit eigner Hand erschlagen und gefangen hatte, wurde bald darauf im Jahre 1175 in einem Turnier zu Wien mit der Lanze erstochen. In demselben Jahre hatte der Erzbischof, Wichmann von Magdeburg, bekannt gemacht, daß alle diejenigen Ritter seines Kirchsprengels, in welchem gerade sechzehn Ritter auf diese Weise ums Leben gekommen waren; - welche bei einem Duell ergriffen würden, in den Bann kommen sollten; und drohete auch jetzt denen den Bann an, welche des Markgrafen, Dietrich von Landsberg, Sohn beerdigen würden; bis endlich Dietrich selbst nebst seinen Brüdern dem Erzbischof durch Zeugen bewies, daß Conrad vor seinem Ende noch Buße gethan hätte. Darauf erlaubte Wichmann, nachdem Dietrich mit seinen Brüdern eidlich angelobt hatte, die Turniere in seinen Besitzungen zu verbieten und selbst keinem mehr beizuwohnen, das Begräbniß. Der entseelte Körper wurde nun aus Wien gebracht und im Kloster des Petersberges beerdigt, wobei der Vater dem Kloster zehn Hufen zu Seelenmessen schenkte 58). Der Verfasser der altcellischen Jahrbücher fügt noch hinzu, daß der Markgraf Dietrich von seiner Gemahlinn, Dobrigana, einer polnischen Prinzessinn und Tochter des Herzogs Meseko, eine Tochter, Gertraud, gehabt, welche nachher Nonne im Kloster Gerbstädt wurde; nebenbei aber gleichsam eine zweite Gemahlinn, die verwittwete Gräfinn Bernhard‘s von Plötzke, mit welcher er den nachmaligen Bischof von Merseburg, Dietrich, gezeugt hätte. Im Jahre 1201 wurde er vom Capitel zum Bischof erwählt, nachdem er zuvor, weil man ihm bei der Wahl, seiner Geburt wegen, Schwierigkeiten machte, in Rom vom Papste legitimiert worden war 59).

 

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Von dem Schlosse nun, welches Markgraf Dietrich auf dem Landsberge erbaut hatte, und welches durch die Kunst stark befestigt und ringsum mit Graben umgeben war; wie die um den Berg gezogenen Erderhöhungen oder Wälle noch anzeigen, hat sich jetzt nichts mehr erhalten 60); mithin vermag man auch nicht mehr, zumal da wir darüber durchaus nichts Schriftliches besitzen, die Stellen der Gebäude des Schlosses, unter welchen sich sogar eine Münzstätte befand 61), mit Gewißheit anzugeben; nur einzelne verwitterte Bruchstücke von Mauern, gegen Norden des Berges, welche bis jetzt noch nicht der Brechstange roher Hände unterlagen und der Alles zerstörenden Zeit kühn trotzten, zeigen sich dem betrübten Blicke des Beobachters. Zur Zeit des Schriftstellers Leuber 62), also um das Jahr 1643 müssen
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61) Vergl. Christian Schlegel‘s Abhandlung: De nummis antiquis Gothan. Cycneis, Coburg. cett. (Frankfurt und Leipzig 1725. 4. 2. Aufl.) c. I. S. 86. Man hat mehrere Münzen, auf welchen das landsberger Wappen der Markgrafen sich befindet. Es stellte zwei, von oben die Länge herab gezogene, blaue Streifen im goldnen Felde vor, welche Albinus (in seiner meißn. Landchronik S. 187.) und Hönn (Säch. Wappen und Geschl. Unters. S. 41.) für Balken; Pfefferkorn aber (Thüring. Gesch. S. 217.) und Trier (Einleit. z. Wappenk. S. 351.) für Pfähle halten. Übrigens ist es bekannt, daß die Münzgerechtigkeit sogar in Klöstern ausgeübt und von den Fürsten bewilligt wurde. So erlaubte z. B. Kaiser Lothar III. im Jahr 1035, daß die Münzstätte von Harzgerode in das Kloster Niemburg (im Anhalt.) verlegt werden konnte. Vergl. Beckmann a. a. O. T. III. S. 432. Ob diejenigen Münzen mit der Unterschrift Landsberg auf dem Landsberge geschlagen wurden, kann man nicht mit Gewißheit behaupten. S. Schlegel a. a. O. S. 113 ff. Im zwölften Jahrhundert kommen zuerst die Denare vor, von welchen zehn oder zwölf einen Soliden oder Schilling ausmachten. Neben diesen, und den sogenannten Bracteaten, Hohl- oder Blechmünzen waren auch die Aurei oder Byzantiner im Gebrauch.


diese Trümmer der alten Burg noch von Bedeutung gewesen seyn; was
sehr leicht auf die ehemalige Pracht und den Glanz dieses markgräflichen Schlosses schließen läßt. übrigens war der Schloßhof dieser Bergveste, der nicht geebnet, sondern ganz dem Felsen angemessen gewesen zu seyn scheint; nach der Ringmauer zu urtheilen, welche sie umgab und jetzt zugleich die Gränze geworden ist, über welche der Steinbrecher nie seine zerstörenden Werkzeuge setzen soll, von mittelmäßigem Umfange 63).

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Nur der Ort, wo so oft der Priester den Segen sprach und dem wallfahrenden Sünder die himmlische Gnade verkündigte, und er das leichtgläubige Volk mit den unerhörten Wundern des kalten, blutschwitzenden Marmors – bethörte – die heilige Stätte der Burg, deren Bruchstücke traurig auf uns niederblicken – die Capelle zum heiligen Kreuze – hat sich durch so viele Stürme der Zeit bis auf den heutigen Tag erhalten 65)!

Mit Bedauern aber läßt sich das eigentliche Stiftungsjahr der Capelle nicht genau bestimmen – eine Erfahrung, welche der Geschichtschreiber, wie grade dies bei so vielen Ritterburgen der Fall ist, auch – hier zu machen genöthigt wird! Peccenstein 66), Pfefferkorn 67) u. m. A. nehmen das Jahr 1165 oder 1170 als die Zeit an, wo der Bau der Burg nebst der Capelle beendigt worden sey; allein da der Markgraf Dietrich vor dem Jahre 1180 sich des markgräflichen Titels von Landsberg nirgends bedient, so läßt sich wohl nach meiner Meinung, mit mehr Wahrscheinlichkeit letzteres Jahr, in welchem der Bau der Burg und der Capelle vollendet wurde, als das Stiftungsjahr annehmen 68).
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Die Bauart dieser Capelle, zu welcher man jetzt von der Stadt aus auf einem mit Obstbäumen besetzten und geebneten Gang gelangt, und welche, nach der verschütteten Ringmauer zu schließen 79), in der Mitte des Schloßhofes stand, weicht im Innern derselben mehr als von außen von der unsrigen ab.


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Sie bildet ein regelmäßiges Viereck und umfaßt zwei Stockwerke, welche auf minder starken Säulen ruhen, und durch ein Gewölbe, welches in der Mitte eine mit einem hölzernen Geländer umgebene, viereckige Öffnung hat 80), getrennt werden. In dem obern Stockwerke der Capelle findet sich noch ein sehr künstliches, aus Holz geschnitztes und vergoldetes Altarbild 81),
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79) Auf der Mittagsseite des Berges sind die Überreste der Ringmauer fast ganz verschwunden. Doch läßt sich ihre Lage noch ganz genau angeben. Es ist nämlich eine bekannte Erfahrung, daß verschüttete und mit Erde bedeckte Gemäuer, welche am Tage durch die Sonnenhitze stärker erwärmt werden und daher diese Wärme länger an sich behalten, als der gewöhnliche Erdboden; den in der Nacht gefallenen Thau des Morgens weit früher verzehrt haben, als andere Stellen, wo keine Gebäude standen, mithin den verschütteten Grund eines Gebäudes anzeigen.
81) Dieses Altarbild kaufte im Jahr 1732 der damalige Capellvorsteher und Bauherr, Christoph Gaul, für die landsberger Gemeinde aus der Dorfkirche zu Zwochau, bei Delitzsch. Dieser Mann hat sich um die Erhaltung der Capelle kein geringes Verdienst erworben. Nachrichten zufolge, die man, bei irgend einer Ausbesserung der Capelle, in dem einen Dachknopfe der Capelle fand, gesteht er auch selbst von sich: „daß er viel Müh und Wege gehabt, daß diese Capell im baulichen Wesen erhalten worden sey.“ –

welches drei Heilige vorstellt: St. Antonius von Padua
82), St. Bartholomäus und St. Mauritius *). Es hat sich bis jetzt noch gut erhalten, ob es gleich vom Schmutze der Tauben, welche in der Capelle eine ungestörte Freistatt ihrer unreinlichen Thaten gefunden haben, befleckt ist. Rechts vom Altar, in geringer Entfernung, steht eine hölzerne Canzel, welche geraume Zeit nach der Reformation gebaut worden seyn mag, etwa um die Zeit, wo der dritte 83) evangelische Prediger Landsberg‘s, Johann Renner, anfing, mit seiner Gemeinde in den drei hohen Festen des Jahres, am zweiten Feiertage in der Capelle den Nachmittags-Gottesdienst zu halten.

Diese schöne Gewohnheit hat sich auch bis auf den heutigen Tag erhalten; und es ist recht sehr zu wünschen, daß sie auch in den folgenden Jahrhunder
ten erhalten werde, besonders mit aus dem Grunde, daß diese alte merkwürdige Capelle noch nicht so bald ihrer Ruin entgegen eilt; was nothwendig geschehen muß, wenn der Prediger des Orts unterläßt, dieses alte Heiligthum zu schützen, welches er doch so leicht schützen kann, dadurch, daß er fortfährt, auf jene Sitte, die schon Jahrhunderte bestand, heilig zu halten.


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Der Canzel gegenüber steht auch jene berühmte oder berüchtigte Marmorsäule, deren schon oben Erwähnung geschah. Sie zieht noch jetzt die Aufmerksamkeit Aller auf sich, welche diese Capelle ihres hohen Alters und ihrer Merkwürdigkeit halber besuchen. Als ich diesen Berg, welcher einst Zeuge seines Ruhms und Glanzes war, zum ersten Male besuchte, und in das Heiligthum der Capelle, der verlassenen theuren Waise, trat, wurde ich durch den Contrast, welchen die Capelle und die verschollene Burg, deren wenige Trümmer die Oberfläche des Berges trägt, bildet, unwillkührlich in ein trauriges Gefühl versetzt, und an das, was Tiedge irgendwo sagt, erinnert:

So ödet, dunkel trauernd
Das Heiligthum
84) herab
Und predigt: „Nichts ist dauernd
„Und ruhig nur das Grab.“

Von dem Ciceronen, welcher mich führte, wurde mir noch etwas von der alten Legende erzählt, daß diese Marmorsäule zu gewissen Zeiten des Tages ehedem Blut geschwitzt habe, und daß vor hundert Jahren zwei katholische Priester zu dieser merkwürdigen Säule gewallfahrt wären und bis Mitternacht unter lauten und stillen Gebeten den Augenblick des Schwi
tzens der Säule erwartet hätten.


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Außerdem ist dieses zweite, oder obere Stockwerk der Capelle ganz besonders noch dadurch merkwürdig geworden, daß Luther, als er, auf einer Reise von Wittenberg nach Halle, im Jahre 1536 durch das Städtchen Landsberg kam, nicht allein in der Capelle gepredigt, sondern auch mit eigner Hand ein Verschen an die nördliche Wand
85) geschrieben hat; wovon aber jetzt die Schriftzüge völlig verwischt sind, und nur noch die Stelle gezeigt wird, wo man die Worte las:

O lieber Gott von Ewigkeit,
Erbarm dich deiner Christenheit,
So seufzt mit Hand und Mund
Martin Luther, Dr.

Hieraus geht deutlich hervor, daß, wenn übrigens jene Angabe der Reise Luthers durch Landsberg richtig ist, Landsberg um diese Zeit zur verbesserten Lehre Luther‘s übergegangen sei, oder wenigstens sich für sie im Stillen erklärt habe, mithin zu derselben Zeit, wo Halle durch Dr. Jonas, Luther‘s Freund, und einen gewissen Magister Puach oder Poach 86) im Jahre 1542 und ff. J. für die evangelische Lehre gewonnen wurde 87).

 

Über diesem zweiten Stockwerke gegen Osten, sind zwei Stuben mit kleinen unansehnlichen Fenstern, eingerichtet, deren Öffnungen jetzt zum Theil mit Glasfenstern und Laden verschlossen sind, von welchen diejenige Stube, welche gegen Süden liegt, einen Altan hat, dessen hölzernes Geländer aber vor einigen Jahren vom Winde herabgestürzt wurde. Es ist höchst wahrscheinlich, daß jene Stuben schon in dem dreißigjährigen Kriege, in welchem das Städtchen Landsberg fünfmal durch Brand zerstört und durch drei große Sterben verwüstet wurde 88), von dem damaligen Prediger, M. Johann Opel, bewohnt worden ist, ob er gleich selbst und seine Gemeinde, welche sich in die Capelle mit ihren Habseligkeiten zurückgezogen hatte, kein sicheres Asyl gegen die wüthenden Krieger fand.

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Auch die Capelle auf dem Landsberge hatte die Greuel dieses Krieges nicht min
der erfahren. Das Dach war nach und nach baufällig geworden, die Ziegel waren großentheils vom Winde abgeworfen, die Balken durch den Regen verstockt und verfault, bis endlich am 24. September 1659 die ganze Bedachung von einem heftigen Sturmwinde niedergerissen wurde. Doch die Capelle sollte noch für spätere Jahrhunderte stehen! Der Fürst zu Sachsen-Merseburg, Christian I., ließ sie nicht lange in dem verwüsteten Zustande. Schon im Jahre 1662 prangte die Capelle wieder mit einer neuen Bedachung, und war auf diese Weise gegen den Andrang der zerstörenden Elemente geschützt. Aus einem Verse, welchen der Prediger Opel bei dieser Gelegenheit verfaßte, geht hervor, daß dieser Fürst die ganze Capelle mit den dazu nöthigen Geräthschaften wieder herstellen ließ. Denn er sagt darin ausdrücklich:

Dies Haus hat ganz erneut
Der milde Fürst von Sachsen,
Herr Christian; o Gott,
Laß ewig dafür wachsen
Sein liebes Fürstenhaus,
In Fried‘ erhalt dein Wort,
Tröst dein erlös‘tes Volk, -
Führt es zur Himmelpfort‘.

Die Thüre endlich, durch welche man jetzt in die Capelle kommt, ist noch besonders merkwürdig durch ein in Stein gehauenes Bild. Man erblickt nämlich über dieser Eingangsthüre, welche ein regelmäßiges Viereck bildet, zwei in Stein gearbeitete, gegen sich kämpfende Adler 93), welche ohne Zweifel als Tropen des Landes zu betrachten sind. Denn in der Kirche zu Brena, auf mehrern alten Grabmälern im meißner Lande und endlich auf verschiedenen Dickpfennigen oder Soliden aus dem dreizehnten Jahrhundert findet sich derselbe Typus wieder 94). Ob übrigens diese Thüre der gewöhnliche Eingang in die Capelle ehemals war, als das Schloß noch in seiner Pracht dastand, läßt sich, da hierüber keine Nachrichten auf uns gekommen sind, nicht mit Bestimmtheit angeben. Ich wenigstens zweifle sehr daran, daß diese Thüre die gewöhnliche war, durch welche man aus dem Schlosse in die Capelle trat. Ohne Zweifel aber bleibt, daß das untere Stockwerk beim Gottesdienste für die Bedienung des Markgrafen bestimmt war, und daß diese durch die Thüre im Norden der Capelle, welche jetzt vermauert ist, in dieselbe einging. Über dieser vermauerten Thüre findet sich außerdem eine zweite, jetzt ebenfalls vermauerte Thüre, welche zu beiden Seiten (jetzt auch vermauerte), Fenster hatte. Diese Thüre im obern Stockwerk halte ich für die, durch welche man aus dem Schloßgebäude vermittelt eines Bogenganges in die obere Kirche der Capelle kam. Denn aus den jetzt noch vorhandenen Trümmern des zerstörten Schlosses läßt sich mit Gewißheit schließen, daß die Schloßgebäude im Norden der Capelle standen; die höchste Spitze aber, gegen Westen, ein Thurm einnahm.“

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Quelle:

Auszug aus: Friedrich Adolph Beck. Geschichte der Burg Landsberg bei Halle. Waisenhausbuchhandlung Halle 1824