Bergner 1828 über die Ruine der Klosterkirche auf dem Petersberg bei Halle

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X.

Ueber die Form, Größe und Bauart der Klostergebäude auf dem Sct. Petersberge.

Aus dem Nachlasse des seligen Conducteur Bergner zusammengestellt und vorgelesen in der General- Versammlung am 18. October 1828 von Dr. J. N. Weber, zeitigem Vicepräsidenten des Thür. Sächs. Vereins.

 

Der sinnige Mensch – und wer an der Beschauung der Vergangenheit seine stille Freude hat, in dem ist gewiß eine sinnige Fiber – betrübt sich, wenn er das Schöne und Herrliche in der Natur und im Leben dahin schwinden sieht, und möchte wohl gern einen Theil seines Besten, seiner Kräfte, daran setzen, etwas zu der Erhaltung desselben beitragen zu können,

 

Dies Gefühl hat wohl schon Manchen von uns ergriffen bei der Betrachtung der schönen Ruine des uns so nahe liegenden Lauter- oder gewöhnlicher Petersberges, einer Ruine, die eben so sehr von allen Reisenden bewundert, als bei den Einwohnern des Landes unbeachtet geblieben ist,

 

Daß unser Verein es nicht bei leeren Wünschen und Bedauern bewenden ließ, zumal da durch das rohe Eingreifen

 

 

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unberufener Hände der Zeit vorgegriffen, und selbst das Besuchen der Ruine gefährlich gemacht worden war, dies, glaube ich, wird der Anerkennung der Zeitgenossen und der Nachkommen nicht ermangeln.

 

Auf einen Antrag von uns ward von Einer Hochlöblichen Königlichen Regierung zu Merseburg die Reparatur der Gewölbe des Hochaltars und der damit verbundenen Chöre verfügt, – freilich auf eine Weise, die nicht in der Willensmeinung der geehrten Behörde lag, – und deshalb zumal von uns der Conducteur des Vereins, der leider nicht mehr unter uns weilende Bergner, veranlaßt, die Reste des alten St. Petri Klosters, nebst der beiden dort noch vorhandenen Ruinen der Klosterkirchen genau zu untersuchen und aufzuzeichnen, um so den Nachkommen ein Bild wenigstens dieser Ruine und ihrer frühern Herrlichkeit zu überliefern.

 

So gut dies die ungünstige Jahreszeit – er unternahm die schwierige Arbeit im November v. Jahres (1827) – zuließ, hat er die Aufgabe gelöst und würde sie vollends gelöst haben, wenn nicht lange Kränklichkeit und endlich der Tod ihn allen seinen Plänen für die Zukunft leider zu früh entrückt hätte. Ich aber halte es für eine heilige, dem Todten zu erweisende Pflicht, die Resultate seiner Untersuchungen hier kurz vorzulegen.

 

Das Historische dieser Ruine setze ich als bekannt voraus, oder verweise auf Dreihaupts Chronik. Nun zu den einzelnen Theilen der Ruine:

 

I. Die Reste der Klosterkirche St. Petri.

Diese letzten Reste der Klosterkirche sprechen dafür, das dieses Gebäude in byzantinischem Style aufgeführt war. Es hatte eine Länge von 180 Fuß, und man

 

 

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konnte von der Thurmmauer der Abendseite durch den großen Mittelbogen bis an den Hochaltar hinsehen. Von dem Thurme an bis an die Abendwand der Kreuzesarme war sie in 3 Schiffe abgetheilt; durch 2 Wände, die 22½' von einander standen, und 45' hoch waren, formirte sich ein mit einer Balkendecke überdecktes Mittelschiff. In jeder Wand waren fünf 17' hohe Bogen von 10' Weite, welche, wie sich aus den gefundenen Fragmenten ergiebt, wohl an allen Kämpfern verziert waren. Die Pfeiler waren achteckig und hatten Fußgesimse. Mit diesem Mittelschiff correspondirte das Gewölbe des Hochaltars in Breite und Höhe. Die Ecken des Mittelschiffes in den Armen des Kreuzes sind mit byzantinischen Säulen verziert. Am Eingange des Bogens zu dem Hochaltar steht an dem linken Pfeiler die 5' hohe Statue des Apostels Petrus, welche trotz der Verstümmelung durch schöne Zeichnung und wohlgeordneten antiken Faltenwurf an einen guten Meister erinnert. – Neben dem großen Mittelschiffe liefen zwei Seitenschiffe hin, welche durch ein niedriges Dach, welches sich an die beiden Mittelwände anschloß, gedeckt waren, so daß also die Mittelwände über die Seitendächer emporragten, und durch 5 Fenster von 8' Höhe und 2½' Breite im Lichten dies Mittelschiff erhellen mochten. Die Seitenschiffe mochten ebenso durch 5 Fenster, nur freilich in einer kleinern Mensur, erhellt werden, von denen man noch 4 in der alten Mauer nach Mitternacht, aber zugemauert, antrifft, weil sie gerade unregelmäßig in die neue Kirche treffen, welche der Kurfürst von Sachsen nach der Reformation in der Tiefe der alten Klosterkirche westlich hinter dem Kreuze anlegen ließ, so daß

 

 

 

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die westliche Kreuzwand die Ostseite der Kirchenlänge ausmacht. Sie ist mit Kreuzgewölben überspannt. Auf der Stelle, wo sonst das alte bronzene Epitaphium der Grafen von Wettin war, befindet sich jetzt das neue aus Pirnaer Sandstein gefertigte mit den Bildnissen der Fürsten, fast colossal. Sie liegen nach der Reihe auf einem Katafalk von 20½' Länge ohne das Postament. Nach der vorherigen Anahme von 5 Bogen, jeder 17' hoch und 10' weit, in jeder Wand, kam das ältere, wie alle Chroniken sagen, ganz aus Metall bestehende, und nach dem Tode Conrads des Stifters angelegte Monument, welches wahrscheinlich nicht so lang und breit war, wie das neuere *), gerade in die Mitte des dritten Bogens. Aus diesem Monumente, welches das Feuer wohl einigermaßen zerstört hatte, sind damals Kanonen gegossen worden. – Die Stammältern der Könige von Sachsen ruhen also hier alle in steinernen Särgen, über deren jedem ein flaches Gewölbe von Bruchsteinen gespannt zu seyn scheint, welches wohl die Decke der Sarkophage formiren soll, welche höchstens 1½' unter dem Pflaster der Kirche gestanden haben. So einfach waren die Fürsten damals, daß sie sogar die später gewöhnlichen geräumigen Gewölbe verschmähten, in welchen ihre Leiber in Staub zerfallen sollten!

 

Von dem Stifter Conrad und seiner Gemahlin Lukardis, deren Leiche 1146 von Gandersleben hieher gebracht wurde, sind diese Gewölbe durch eine unbekannte Hand abgenommen worden. Der Sarkophag der Lukardis ist ebenfalls

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*) Doch wenigstens 18' in der Länge, wenn die Särge der Fürsten, welche alle von Stein sind, davon bedeckt werden sollten.

 

 

 

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falls von Pirnaischem Sandstein, etwa 6' lang, oben beinahe 2' breit, zu Füßen etwas schmäler. Von der Schulter an ist eine Vertiefung ausgehauen, welche sich nach den Füßen zu ebenso wie der Stein verjüngt. Der Kopf hat seine eigene Höhle, die mit einem Kropfe in dem Troge ausläuft. Zu Füßen steht noch der Sarg eines Kindes von 20'' Länge. – Das Kreuz dieser beträchtlichen Kirche hält mit beiden Armen 83' in der Länge und 28½' in der Breite im Lichten. Süd- und nordwärts, fast an der westlichen Ecke, führten 2 geräumige Eingänge hinein, welche äußerlich mit byzantinischen Gliedern verziert sind. Der nördliche diente als Haupteingang für das Volk, der südliche stieß auf den Kreuzgang, und war für den Convent bestimmt. Durch die Seite der Abendwand von diesem Kreuze ist links an der Kreuzgangthüre im linken Arme noch eine kleinere Thüre angebracht, welche in einen andern Gang führte, der äußerlich dicht an der Mittagsseite des ganzen Kirchgebäudes hinlief und auf eine jetzt zugemauerte Thüre stieß, die noch über dem Thurme westwärts liegt. Dieser Kreuzgang, dessen Aufriß wir dem jetzigen Prediger auf dem Petersberge, Herrn Leiste, unserm geehrten Mitgliede, verdanken, wurde der Badergang genannt, weil er nach dem westlich gelegenen Gebäude, der Baderei, führte. Es ist zu vermuthen, daß diese bedeckte Gallerie auch zu religiösen Umgängen diente, denn man sieht in der Kirchenwand, welche den heutigen Pfarrgarten abschliest, überall Bogen und Kragsteine hervorragen, worauf vielleicht Weihwasser-Gefäße, oder Heiligenbilder standen.

 

Neben der großen Halle des Hochaltars befanden sich auf beiden Seiten geräumige Gewölbe, Sacristeien, auf

 

 

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deren Bogen die hohen Chöre ruhen, welche früher mit einer steinernen Balustrade umgeben waren, wie die ein gemeißelten Stellen und abgebrochenen byzantinischen Säulen zeigen. Aus dem Gewölbe zur linken führte eine schmale Treppe auf das linke Chor; sie geht dicht hinter der Thüre hinein, die aus der Halle des Hochaltars in das Gewölbe leitet und windet sich durch die 5' breite Wand hinauf. – Aus dem Gewölbe rechter Hand geht eine mit Rosetten und byzantinischen Säulen verzierte Thüre in die Kreuzesarme. – Auf das hohe Chor rechter Hand gelangte man durch 2 Eingänge: 1. durch eine schmale Treppe, welche vom Pfarrhofe aus in der 5' starken Hauptwand des Kreuzes emporgeht, und jetzt vermauert ist, sonst aber wohl dem Praepositus zum Eingange diente. Ein zweiter Eingang scheint über ein an der Sacristei rechter Hand im Pfarrhofe liegendes Nebengewölbe geführt zu haben, das aber wohl früher nicht zu kirchlichen Gebräuchen bestimmt war, weil es von anderer Bauart ist, und nicht zur Form des Kreuzkopfes gehört. Doch muß es wohl mit der Kirche zugleich angelegt worden seyn, vielleicht als Bauhütte beim Bau des Klosters, denn die über die Kirche in das hohe Chor führende jetzt vermauerte Thüre ist byzantinisch verziert, mit einem geraden Sturze. Sein Licht hat dieses Gewölbe von Morgen her durch einen Bogen. -

 

Ueber dem Kopfe des Kreuzes tritt nun der Hochaltar mit einer Halbrotunde hervor, welche ein festes Steingewölbe oben kuppelartig schließt. Das Kranzgesimse dieser Halbrotunde umgiebt eine Perlenschnur, und der Gliederbau der äußerlichen Wände ist von ungemein schöner Form.

 

 

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Die Fensterbogen auf den Flügeln an der untern Sacristei sind äußerlich verziert, jeder mit einer andern Kante. Sowohl um die Rotunde als um die Flügel des Kopfes, und um das Kreuz läuft ein byzantinisches Kranzgesimse mit kleinen Bogen, die auf allen Theilen mit den herablaufenden Gliedern abwechseln. – Auffallend und bis jetzt unerklärt sind andere Verhältnisse und Decorationen sowohl an dem etwas breitern rechten Flügel des Kreuzkopfes, als an den Fenstern. Auch das hohe Chor auf der rechten Seite hat innerlich bessere Verzierungen an den Abaken.

 

Die beiden hohen Chöre, welche beinahe 14' über der Basis der Kreuzarme und der des Hochaltars erhaben sind, wurden jedes durch 2 Fenster gegen Morgen erleuchtet und dienten früher dem Convente vielleicht zur Hora und zum Aufenthalte während des Gottesdienstes und bei großen Wallfahrten. Ihre Bogen stießen auf die abgeschlossene Abendwand der Kreuzarme, welche sie den Blicken der Menge, die sowohl im Mittel- als in den Seitenschiffen kniete, entzog, und welche nicht ohne Grund so angelegt zu seyn scheinen. Schwachen Spuren zufolge, waren die Wände innerhalb der Halle des Hochaltars mit Figuren bemalt, von denen noch ein bisher ganz erhaltenes Fresco-Gemälde, den Sündenfall vorstellend, oben in einem zu gemauerten Fenster der Mittagsseite, bei der letzten Reparatur durch unwissende Maurer gänzlich zerstört wurde.

 

In der Mitternachtsecke des rechten Kreuzarmes gegen Morgen befindet sich eine Halbrotunde von 11' Weite, welche früher mit einem Fenster versehen war, das aber jetzt zugemauert und wie die ganze Hohlnische inwendig mit Kalk übertüncht ist. – In diesem Rundtheile,

 

 

 

 

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durch eine Stufe von dem übrigen Boden des Kreuzes erhöht, stand vermuthlich der Wallfarthsaltar des heiligen Kreuzes mit jenen Reliquien vom Kreuze Christi, welche Conrad der Große aus Palästina mitbrachte und die in Silber gefaßt waren. Ein vorzügliches Heiligthum hier zu placiren, mußte man wohl gleich in der Anlage beabsichtigen, weil man sie äußerlich durch schöne Verzierung auszeichnete, denn nicht allein umzog man diese Rotunde von oben mit dem Bogengesimse, und gab jeder Abtheilung 3 Bogen, sondern man legte auch noch einen Sturzfries von 1' Höhe darauf, welcher mit byzantinischem Laubwerk verziert war, und worauf die gewölbte Kuppel ruhte oder vielmehr entsprang. Von diesem schönen Friese hat sich noch ein Stück erhalten. Die Mitternachtswand des Kreuzkopfes hält nach einer scharfen Ausmessung 5' Stärke, da die andern Wände nur 4' Stärke haben; woraus man schließen möchte, daß jene vielleicht eine Treppe verbirgt, welche auf die Gewölbe der hohen Chöre geführt hat, denen man freilich auch wohl von der Abendseite durch den Boden des großen Mittelschiffes beikommen konnte, wenn sich nicht die Unmöglichkeit, wegen des nahe liegenden Daches auf die tieferliegenden Chorgewölbe zu kommen, im Durchschnitte darthut. – Denn der Morgengiebel, vor welchem oben in der Spitze die Kreuzigung in 3 Nischen vorgestellt war, wovon sich noch kleine Fragmente erhalten haben, überspante sowohl das Mittelschiff, als auch beide Flügel des Kreuzkopfs in einer Linie. Das Dach hat also hier nicht abgesetzt, wie bei dem Schafte des Kreuzes, sondern es bedeckte das Ganze, und war nicht mit Hohlziegeln, sondern mit Schiefer belegt.

 

 

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Das die innern Bogen der Mittelwände Verzierungen an den Kämpfern hatten, geht aus dem Auffinden, der Fragmente hervor, so wie man auch noch an den Wänden des Hochaltars die Löcher zu Stuccaturen wahrnimmt, und Fragmente derselben im Schutte findet: ein Beweis also, daß man sie schon im 12. Jahrhundert kannte.

 

Im Ganzen zeichnet sich dieser Kreuzdom durch eine edle Simplicität aus. Alle Gesimse, Ecken und Verzierungen sind von Pirnaischen Sandstein, die übrige Mauer ist von Porphyr, welcher in dieser Gegend herrschend ist. Alle Wände waren bis auf die Verzierungen mit Stuk überzogen, so wie auch die Glieder der Pfeiler in der Halle des Hochaltars.

 

Der Thurm ist ein längliches Viereck mit einem geraden Winkel, an welchem die steinernen Giebel überspringen. Er hat 13 Schalllöcher, ohne die andern Fenster. Ecken, Bogen und Fenster-Gewände sind ebenfalls von Pirnaischen Sandstein. Die Wände und Bogen des Thurmes auf der Ost- und Nordseite stehen über 3 Fus im Schutte.

 

Meister- und Gesellen-Zeichen finden sich zwar nicht an den Steinen vor, wie sie überhaupt dem 12. Jahrhundert noch mangeln; wundern aber muß man sich, daß die Zahlen 3. 5. 7. 9. 10. 13. sehr oft an diesem Baue, sowohl in dem Maaße der Längen und Höhen selbst, als auch in den Verzierungen, sich wiederholen; z. B. 5 Rosetten, 3 Glieder, 7 Würfel in dem Gurte des Hochalters, 10 Rosetten an einer Thür, 5 Bogen äußerlich an der Rotunde und vermuthlich auch in den innern Wänden.

 

 

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Die Verhältnisse sind alle trefflich und man findet hier, was die Byzantiner nicht immer beobachtet haben, nämlich die Kunst, einzelnen Theilen der Architectur Schlankheit zu geben; da ihre Bogen gewöhnlich niedrig und gedrückt aussehen, und die Portale wegen der Dicke und Ueberladung der runden Glieder selten die Kühnheit wie in der gothischen Baukunst haben.

 

Die Giebelseiten der Kreuzarme sind von 3 Etagen, mit durchlaufenden Gurten unterbrochen, welche sich mit ihren Gliedern an die Seiten und Mittelschäfte anschließen und gewöhnlich nicht über 5'' breit sind, in jeder Etage abwechseln und sich in dem obern Bogenfriese, der auch durch den Giebel läuft, verlieren. Sehr gewaltsam ist die Zeit an diesem Bau vorüber gezogen. Das Feuer hat zu verschiedenen Zeiten mächtige Zerstörungen darin angerichtet. Der Pirnaische Sandstein zersprang in der Gluth, die Bogen des Thurms sind vielfältig zerklüftet, nur wenige Fragmente der Kämpfer mit dem Damenbrete und Rautenblättern verziert, sind noch vorhanden. Der Schlusstein des höchsten Bogens, worauf die schwere Thurmwand ruhet, zermalmte vom Drucke und ist halb herausgefallen. Im 16. Jahrhundert, bei dem Baue der neuen Kirche, mußte die Brandruine mancherlei Zerstörungen erfahren. Ebenso in und nach dem Verlaufe des 30jährigen Krieges, zu welcher Zeit die die Kirche umgebenden Gebäude abgebrannt, später von den Steinen der Ruine wieder aufgebaut worden sind. – Namentlich ist die schöne Statue des Petrus auf das beklagenswertheste beschädigt, und der Granatapfel des ersten Bogens der hohen Altarhalle, worin ein Ring war zur Befestigung der ewigen Lampe, von Soldaten im letzten Kriege herabgeworfen,

 

 

 

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bei der letzten Reparatur so weit aus der Mitte wieder eingemauert, daß jeder Kenner, der diesen Fehler sieht und die Ursache nicht weiß, einen sonderbaren Begriff von den alten Baumeistern mit hinwegnehmen muß, daher ich dies hier hervorhebe, so wie auch das, daß derselbe widerlich mit Kalk überweißt ist. Wie es denn überhaupt wünschenswerth wäre, daß, etwa durch Anbringung einer Gatterthüre am äußern Portale, der künftige Besuch unter Aufsicht gestellt würde, zumal da der dasige Schullehrer sogar bei seiner Installation auf die freiwilligen Geschenke der die Ruinen Besuchenden hingewiesen seyn soll.

 

II. Die St. Annenkirche oder sogenannte Heidenkapelle *).

Einen ganz eigenthümlichen Charakter hat die gegen Norden ohngefähr 20 Schritte von der vorher beschriebenen großen Peterskirche liegende kleine Kirche, welche an den jetzigen Glockenthurm gebaut ist. Das Volk nennt sie noch heute die Heidenkirche. Einer alten Sage nach stand nämlich auf diesem Platze, welcher die höchste Stelle des Berges einnimmt, ehemals ein Tempel des Mars, und auf dem westlich, nicht weit vom Lauter- oder Petersberge, etwas tiefern Blonsberge ein Tempel der Bellona. Berührte der jüngere Drusus, wie es Herr Dr. Wilhelm nachgewiesen, unsere Gegend, so konnte er seine Dankbarkeit gegen die Götter nicht besser ausdrücken, als wenn er ihnen auf dieser das Land beherrschende Höhe ein verdientes Opfer brachte.

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*) Das chronic: mont: sereni nennt diese Kapelle: die kleine Peterskirche.

 

 

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Mag aber dieses nur, bei dem gänzlichen Mangel an Urkunden, eine bloße Muthmasung seyn, so war doch wohl jedenfalls diese bedeutende Höhe ein berühmter heidnischer Ort, auf welchem die Götter der Germanen und Wenden ihre geweihten Plätze hatten, wie dies auch so manche von Zeit zu Zeit hier gefundene alterthümliche Gegenstände beweisen. Die Bewohner des Saalgaues, Hassegaues, des Zörbigaues und des Nordgaues zum Theil möchten schwerlich ein besseres Bild von dem schönen Walhalla erhalten haben, als wenn sie erhaben in den Lüften dieser Höhe hinab in die ausgebreitete Landschaft voll grüner Wälder schauten, die sich in blauer Ferne an dem Horizonte verloren. Vielleicht deutet der Name lauter heller Berg auf ein ewiges Feuer, welches sonst hier der Sonne *) zu Ehren loderte, wie ein solches nach Sagen und Andeutungen auf dem Brocken und andern hohen Bergen unterhalten wurde; denn außerdem ist seine Spitze eben nicht zu allen Zeiten lauter und helle, und war es wohl in der Vorzeit wegen der Ausdünstung so vieler Wälder und Seen noch weniger: leicht möglich also, daß ihm die häufigen Feste und Opferflammen diesen freundlichen Namen gegeben haben. Mehrere reichhaltige Steingräber und hauptsächlich das am 21. November 1827

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*) Eher wohl noch der Göttin Ostera oder Ostra, wofür auch das an dem Fuße des Berges östlich liegende freundliche Dorf Ostrau spräche; vorausgesetzt daß wir diese Göttin noch in Deutschland suchen dürfen. Man sehe des Regierungsraths Delius viel zu wenig beachteten Aufsatz: über die Religion der alten Deutschen, in den Nachträgen zu Sulzers allgemeiner Theorie der schönen Künste" 6. Bds. 2. St. und 7. Bds. 1. St. s. 34. etc.

 

Kruse's Archiv. III. Bds, 5. u. 6. St.

 

 

 

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am Fuße des Berges mit vielen Perlmutterschmucke aufgefundene *) beweisen wenigstens seine Celebrität. Auch spricht dafür die hier angelegte so bedeutende Probstei des 12. Jahrhunderts, indem man mit Fleiß dergleichen ehedessen gefeierte Orte wählte, um gleichsam den so lange verkannten wahren Gott durch christliche Tempel wieder zu versöhnen. Deshalb glaube ich, wurde schon früher auf diesem Punkte eine Kapelle – unsere St. Annen oder Heidenkapelle – gestiftet, ehe noch an das Kloster gedacht ward; oder sie wurde auch für die mit dem Bau des Klosters beschäftigten Arbeiter aufgeführt, denen hier Messe gelesen wurde, wie dies bei großen Kathedralen in der Krypta geschah, welche hier wegen des harten Felsens nicht anzulegen war. – Auf der andern Seite aber waren auch noch im 11. und 12. Jahrhundert in der Umgegend des Berges Heiden genug, an deren Bekehrung dem Presbyterium des Klosters gelegen seyn mußte. Dies beweist die Geschichte des Bischofs Otto von Bamberg, und andere glaubhafte Erzählungen mehr. Nicht mit Ungrund läßt sich daher vermuthen, daß wohl viele Heiden in dieser Kirche getauft wurden, wodurch ihr der Name der Heidenkirche bis auf spätere Zeiten blieb; wie denn überhaupt mehrere Stellen in Thüringen, z. B. auf dem Ouerfurther Schloßberge, diesen Namen führten und noch führen.

 

Die auf dem Petersberge mit diesem Namen noch jetzt bezeichnete Kapelle, von welcher nur der Glockenthurm und einige Mauern stehen, lag vor Kurzem noch mit

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*) siehe dieses Archivs 2. Bds. 6. Heft S. 97 nebst einer Kupfertafel.

 

 

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ihrem Morgenchore vollkommen im Schutte und so mit Erde bedeckt, daß man ihre frühere Gestalt nicht bemerken konnte. Jetzt sind nun auch die Fundamente derselben zu Tage gelegt, und man sieht ihre alte Form sehr deutlich.

 

Ein kurzes, gerades, 20 Fuß 7 Zoll langes und 18 F. 9 Zoll breites Schiff läuft am Ende des obigen Maaßes in eine geräumige Rotunde aus, deren innerer Radius 14' 7" hält. Da wo der Altar gestanden hat, schließt sich noch eine kleine Rotunde an die größere an, deren Radius 7' hält, und die vielleicht früher mit einem Ziegeldache bedeckt war, wenn sie nicht gar eine Steinkuppel hatte. – Der Thurm, aus welchem man durch zwei über einander stehenden byzantinischen Bogen sowohl in die Kirche, als in das Chor gelangte, ist byzantinisch, und da die noch übrigen Fenster auch byzantinischen Styl haben, so läßt sich vermuthen, daß die Kapelle auch in diesem Geschmacke erbaut war, und, wie man aus den Trümmern des Schuttes schließen muß, wohl gar einen byzantinischen Fries oben hatte.

 

Uebrigens steht dieser Baurest, dessen Form wohl nicht häufig vorkommen möchte, wenigstens über 4½' noch im Schutte; es wird also nöthig seyn, hier noch einmal Hand anzulegen und tiefer einzudringen.

 

III. Wohngebäude des Klosters.

Von dem Kloster-Wohnhause und den Kreuzgängen, die in dem heutigen, an der Mittagsseite der Kirche hin laufenden Pfarrgarten gelegen haben, ist jetzt nichts mehr als die Umfassungswand vorhanden. Feuer und Bedürfnisse ökonomischer Baubehörden suchten die letzten Reste zu zerstören und zu verbrauchen. Fragmenten nach zu urtheilen, welche hier und da vermauert sind, hatten die

 

 

 

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Kreuzgänge schöne byzantinische Blätterverzierungen, und der jetzige Herr Prediger Leiste, unser geehrtes Mitglied, fand bei der Urbarmachung seines Gartens die Mauern der Kreuzgänge, und mehrere byzantinische Säulen und Leichensteine. Auch sind vermuthlich noch viele Gewölbe unter demselben vorhanden, denn das Pfarrhaus hat sich auf der Abendseite gesenkt, und mußte durch einen Pfeiler unterstützt werden. Ferner zeigen sich an der äußern Mauer, welche diesen Garten auf der Mittagsseite umgiebt, noch die Spuren der Gewölbe und Thüröffnungen, welche in die innern hohlen Räume unterhalb des Gartens führen können.

 

Außerhalb des Gartens, gegen Mittag, liegt das alte Amthaus, früher nach Sagen die Probstei, oder etwa die Wohnung des Klostermeyers. Zwischen ihr und dem eigentlichen Kloster war ein Thor, jetzt die Klippe genannt. Dieses Haus hat viele unterirdische Gewölbe und gleicht einer sehr festen Kasematte. An seinem Giebel, unter den Fenstern, welche vor diesen auf einen großen Saal gingen, in welchem nach dem Zeugnis der Chronikenschreiber die Kreuzkirche, in Gips nachgebildet, sich befunden haben soll, standen in einer jetzt leeren Vertiefung Heilige von Stein.

 

Mehrere andere Gebäude schlossen sich wohl diesem Hause gegenüber, als Ostgiebel der Klostergebäude, an. Wahrscheinlich konnte man durch einen unterirdischen Gang aus dieser Klostermeyerei, sowohl in das Klostergebäude, als auch in die westlich auf dem Berge liegende so benannte Baderei kommen, denn eine vermauerte Thüre an der Abendseite des Klostergebäudes führte in einen jetzt ebenfalls geöffneten gewölbten unterirdischen

 

 

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Gang von 11' Höhe und 5' Breite, der in der Richtung nach der Baderei fortgeht. – Eine weitere Untersuchung muß dies ergeben, und auch, ob an der Sage, daß dieser Gang zu dem ¾ Stunden nordwärts am Fuße des Berges liegenden Schlosse Krosegk oder Grosegk führe, etwas Wahres sey.

 

Die Grenzen der allgemeinen Umfassungsmauer des Klostergehöftes sind noch überall sichtbar, und Zeugen von der Weitläuftigkeit dieser großen stiftung. –

 

Diese allerdings nur fragmentarischen Bemerkungen, welche weniger den Gegenstand erschöpfen, als auf den selben aufmerksam machen sollen, geben nun zu folgenden Schlußbemerkungen Veranlassung:

 

Sehr zu bedauern ist bei dieser schönen Ruine:

 

1. daß dieselbe so tief unter dem Schutte liegt, welcher an mehrern Stellen 3½' bis 6' die Kirche bedeckt;

2. daß der Prediger wegen Mangel an nutzbaren Nebengebäuden gezwungen ist, die Sacristei-Gewölbe zu ökonomischen Zwecken zu benutzen, wie z. B. die mittägige Sacristei mit Säulenpfeilern zur Anlegung eines Backofens. Da nun keine Schornsteine aufgeführt werden sollten, war man genöthigt, das Gewölbe auf dem hohen Chore zu durchbrechen, um dem Rauche einen Ausgang anzuweisen, welcher nun in die Ruine fliegt und sie gehörig anschwärzt;

3. daß auf gleiche Weise der erst angelegte Garten des Pfarrhauses nicht erlaubt, auf dieser Stelle die interessantesten Bau- und Formuntersuchungen der Souterains und der Kreuzgänge der alten Klostergebäude anzustellen; und

 

 

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4. daß dem Vereine jetzt die Mittel fehlen, den fernern Zerstörungen der herrlichen Ruine zu wehren, und namentlich dem drohenden Einsturze des alten Glockenthurms zu begegnen, an dessen Bogen und Pfeilern mehrere wichtige Steine fehlen, auf denen die ganze Last der so hohen Mauer ruhen soll, so daß sie in der Folge die Hülfe des Tragens versagen müssen. Es ist dies um so wichtiger, da der Thurm, wenn er über kurz oder lang herabstürzt, die ganze so nahe liegende neue Kirche mit ihren Kreuzgewölben zerschmettern würde. Mit leichten Kosten aber könnte jetzt dieses sehr zu befürchtende Uebel abgewendet werden.

 

Es ist hierauf von Seiten des Präsidii schon aufmerksam gemacht, damit so der weitern Zerstörung dieser Ruine Einhalt gethan, und die zweckdienstlichsten Maßregeln baldmöglichst ergriffen werden möchten, um die Reste des alten Prachtgebäudes wissenschaftlich, jedoch ohne Beeinträchtigung des Eigenthums des Herrn Predigers, untersuchen zu können.

 

Ich aber habe meinen Zweck erreicht, wenn ich auf die uns so nahe liegende Ruine aufmerksam gemacht und unserm wackern, unvergeßlichen Bergner, der sich um dieselbe so wesentliche Verdienste erworben hat und bei längerem Leben noch erworben haben würde, in Ihrem Andenken ein ehrendes Denkmal gesetzt habe.

 

 

 

Quelle: Deutsche Alterthümer oder Archiv für alte und mittlere Geschichte, Geographie und Alterthümer insbesondere der germanischen Völkerstämme . . .herausgegeben von Prof. Dr. Friedrich Kruse. III. Bandes I. und II. Heft. Halle, Druck und Verlag von Friedrich Ruff. 1828. Seite 118-134

 

Das Werk liegt eingescannt unter folgendem Permalink vor: http://mdz-nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bvb:12-bsb10016337-3

 

 

 

 

 

Hoppe 1919: Markgraf Konrad von Meißen, der Reichsfürst und der Gründer des wettinischen Staates

 

Neues Archiv für Sächsische Geschichte und Altertumskunde

Herausgegeben von Hubert Ermisch

 

Vierzigster Band -- Erstes und zweites Heft

 

Dresden 1919 Buchdruckerei der Wilhelm und Bertha v. Baensch Stiftung.

 

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I. Markgraf Konrad von Meißen, der Reichsfürst und der Gründer des wettinischen Staates.

 

Von Willy Hoppe.

 

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Aus dem Mittelalter klingt ein Lied in unsere Tage herüber:

Naer Oostland willen wy ryden,
Naer Oostland willen wy meê,
Al over di groene heiden,
Frisch over die heiden,
Daer isser een betere steê 1),

 

Es ist der schöne, kraftvolle Sang aus flämischem Lande, der zurückweist in die große Zeit, wo jenseits der Elbe und Saale deutsches Wesen endgültig eine neue Heimstatt fand. An der Schwelle jener Epoche und an der Schwelle des deutschen Koloniallandes steht Konrad von Wettin, einer der ersten seines Geschlechtes, den der Griffel des Geschichtsforschers schärfer zu zeichnen vermag.

 

1. Konrads Anfänge.

 

Konrads Geburt fällt noch in das 11. Jahrhundert, in jene Jahrzehnte, wo sich der trotzige Verband der Fürsten Heinrich IV. und seinem Nachfolger entgegenstemmt, und wo ein selbstbewußtes Dynastentum über Königs- und Kaisergebot

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1) J. F. Willems, Oude vlaemsche liederen (Gent 1848) S. 35, 37f. Vgl. die Bemerkung Klinkenborgs in der Histor. Zeitschr. CII (1909), 505.

 

Neues Archiv f. S. G. u. A. XL, 1.2.

 

 

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2 Willy Hoppe:

 

hinwegzuschreiten sucht. Hart und unruhig war die Zeit und fehdelustig das Geschlecht der Wettiner, das fast immer als ein Gegner der salischen Herrscher erscheint 1). Und gewaltsam, wie das Leben dahinging, kam meist auch der Tod: Konrads Urgroßvater ist in einer Fehde erschlagen worden, der Großvater fiel von der Hand des eigenen Schwagers, zwei Vettern starben eines unnatürlichen Todes, davon der eine durch Meuchelmord, den vielleicht die eigene Stiefmutter veranlaßt hatte. Auch der Vater ist vielleicht auf der WalStatt geblieben 2).

 

Dieser, Graf Thimo, ist der erste der Familie, der nach der Burg Wettin auf dem rechten Saaleufer unterhalb von Halle benannt wird 3). Daneben hat er Gebiet unfern des heutigen Bitterfeld (im Gau Susali), bei Torgau (im Gau Nizizi) 4) und -- offenbar mit seinem Bruder Gero zusammen -- die Grafschaft Brehna, nordöstlich Halle, besessen 5), außerdem zeitweilig ein Gut unweit Weißenfels 6). Die Hauptmasse des umfangreichen Erbes, das Thimos Vater, Dietrich II.,

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1) Zur älteren Geschichte der Wettiner vgl. Otto Posse, Die Markgrafen von Meißen u. das Haus Wettin bis zu Konrad d. Gr. (Leipzig 1881), ferner Otto Posse, Die Wettiner. Genealogie des Gesammthauses Wettin (Leipzig und Berlin 1897).

2) Posse, Markgrafen S. 228f., 233, 236, 241f. Posse, Wettiner S. 41 Nr. 16.

3) Urk. Mkgr. Konrads von 11[56] Nov. [30] (Cod. dipl. Sax. reg. I, 2 Nr. 263): pater noster Themo comes de Wethin.

4) Er ist der Gründer der Kirche in Niemegk (sö. Bitterfeld). Vgl. Cod. dipl. Sax. I, 2, 177 Z. 19ff., 29f. und die Gaukarte bei Posse, Markgrafen. Chron. Mont. Ser. 1150 (Mon. Germ. histor. Scriptores [zit. MG. SS.] 23, 147 Z. 34): Numicensis ecclesie, quam parentes ipsius (Konrads) fundaverant -- Konrad verschenkt 1119 Güter in und bei Torgau de propria hereditate mea. Pater meus Tiemo comes prefatam ecclesiam (Torgau) dotavit (Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 58). Also ist die Vermutung von C. W. Böttiger, Gesch. des Kurstaates u. Kgr. Sachsen 2. Aufl., bearb. von Th. Flathe, I (Gotha 1867), 130, daß Torgau als Brehna-Camburger Erbstück an Konrad gefallen sei, zu berichtigen. – Vgl. auch die anderen Schenkungen von Besitz in der Torgauer Gegend 1130 (Cod. dipl. Sax. I, 2, Nr. 82): villam quandam nostri allodit 1142 (ebd. Nr. 157): de predio nostro tres villas.

5) Cod. dipl. Sax. I, 1 Nr. 112: Dedo marchio et fratres eius Gero, Timo comites de Bren, nach Regesta diplomatica necnon epistolaria historiae Thuringiae bearb. von Otto Dobenecker I (Jena 1896) Nr. 830 anscheinend von 1061 Sept. 29. Vgl. auch Posse, Markgrafen S. 238 f., wo jedoch zu beachten, daß Posse später (Wettiner Taf. 1 und S. 40 Nr. 16) mit Recht als Sohn Thimos gleich Konrad und nicht erst einen Thimo II. ansetzt.

6) Reg. Thur. I Nr. 802, wo jedoch ebenfalls irrig zwei Thimos angenommen sind. Die Datierung „vor 1053 März 9“ ist daher, was das Jahr angeht, durchaus unsicher.

 

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3 Markgraf Konrad von Meißen.

 

zusammengebracht hatte, ist aber an den älteren Bruder, Dedi II., gefallen 1) So war Graf Thimo kein besonders begüterter Herr. Aber er muß doch in gewissem Ansehen gestanden haben. Darauf deutet unter anderem 2) seine Ehe mit Ida, der Tochter Ottos II. von Northeim, hin, der vorübergehend Bayerns Herzogswürde bekleidet hat. Konrad, der als zweites Kind dieser Ehe spätestens 1098/99, wahrscheinlich aber ein gut Teil früher geboren wurde 3), ist also durch seine Mutter eng mit den Kreisen versippt, die den Mittelpunkt der sächsischen Fürstenopposition gebildet haben. Das ist für seinen Aufstieg von nicht zu unterschätzender Bedeutung gewesen.

 

Zunächst schien allerdings wenig Aussicht, aus den immerhin engen Verhältnissen emporzukommen. Mit dem älteren Bruder Dedo hat sich Konrad vermutlich in den kleinen Wettiner Bezirk oder auch Burgward -- keine Grafschaft im eigentlichen Sinne 4) -- geteilt. An den Hof des deutschen Königs ist er damals nicht oder nur selten gezogen 5), anders als der Bruder, der als der ältere, als der Vertreter der Linie und als Schwiegersohn des großen Wiprecht von Groitzsch mit dem Könige in häufigere Berührung kam 6). Auch die Ehe, die Konrad spätestens 1119, wahrscheinlich aber schon früher, mit Luitgard, der Tochter

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1) Posse, Markgrafen S. 232 ff., 237 ff.

2) Er war Vogt des Stiftes Gerbstedt, zwischen Halle und Aschersleben. Cod. dipl. Sax. I, 2, 47 (1118): Thiemmo Pater meus, qui . . . eiusdem ecclesie advocatiam tenuit. Über seine Beziehungen zur Naumburger Domkirche s. Reg. Thur. I Nr. 802.

3) Posse, Wettiner Taf. 1 Nr. 16 und Taf. 2 Nr. 1 nebst den Erläuterungen. Die Angabe des Chron. Mont. Ser. (MG. SS. XXIII, 150 Z. 45), Konrad sei gestorben 1157 non. Febr. (5. Febr.) anno vitae sue 59, iSt mit Posse a. a. O. S. 40 Nr. 16 nicht als sicher anzusehen. Vgl. auch Siegmar Schultze, Die Burg Wettin u. die Wettiner (Halle 1912) S. 24. Posses Angabe S. 41 Nr. 16, Thimo sei noch 1071 urkundlich nachzuweisen (Cod. dipl. Sax. I, 1 Nr. 142), läßt sich dahin erweitern, daß er nach Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 55 noch zur Zeit Bischof Erpos von Münster lebte, d. h. zwischen 1084 Dez. 30 und 1097 (?) Nov. 11 (Albert Hauck, Kirchengeschichte Deutschlands II, 3./4, Aufl. [Leipzig 1906], 996). -- Die erste sicher datierbare Nachricht über Konrad stammt von 1116 Febr. 3 (Reg. Thur. I Nr. 1109 u. 1117). Der Graf Konrad der Urkunden Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 4 u. 5 (1104) u. Nr. 29 (111[1] Aug. 8) ist doch nur sehr fraglich auf Konrad zu beziehen, auch wenn man das Altersargument von Posse, Markgrafen S. 281 A. 223 entsprechend dem oben Gesagten nicht gelten läßt.

4) Böttiger-Flathe a. a. O. I, 129 Anm.1.

5) Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 29. Vgl. oben Anm. 3.

6) Posse, Markgrafen S. 280f.

 

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4 Willy Hoppe:

 

eines schwäbischen Grafen, Albert, einging 1), bot kaum Gelegenheit zu einem Aufstieg. Was konnte dieser Schwiegervater mit seinem fernen Besitz im Vergleich zu dem mächtigen und reichen Wiprecht bieten? So unterschied sich das Leben Konrads kaum von dem anderer kleiner Grundherren. Die Angelegenheiten naher geistlicher Institute nahmen ihn in Anspruch, Reinhardsbrunn (bei Friedrichroda), Gerbstedt, das uralte Wettiner Stift zwischen Halle und Aschersleben, und das Benediktinerkloster Bosau in der Nähe von Naumburg. Auch zum Bistum Naumburg leiten bereits leichte Fäden hinüber 2). Inzwischen wuchs der Besitz. Die Linie, die Thimos jüngerer Bruder Gero, Konrads Oheim, fortgeführt hatte, starb bereits 1116 oder früher im männlichen Stamme aus 3). Da das Erbrecht der Wettiner trotz ihres vermutlich fränkischen Ursprungs das schwäbische war und in ihm allgemein die Erblosigkeit der Frauen galt, so fielen Konrad die Grafschaft Brehna, die Grafschaft Camburg und vielleicht anderes Gelände im Saaletal zu 4). Die Vermutung

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1) Posse, Wettiner S. 43 Nr. 1, dessen Angabe sich insofern erweitern läßt, als einmal comes Adelbertus ausdrücklich als Schwiegervater Konrads genannt wird (Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 124). Die „Biographie“ Luitgards, die ein Anonymus im Leipz. Tageblatt Jg. 94 Nr. 2 (2. Jan 1900, Hauptblatt) veröffentlichte, fußt „im wesentlichen auf Stichart‘s Galerie Sächsischer Fürstinnen“. Es kommt ihr kein historischer Wert zu.

2) Reg. Thur. I Nr. 1109 u. 1117 (1116). Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 55 (1118), vgl. UB. der Klöster der Grafschaft Mansfeld bearb. von Max Krühne (Gesch.-Quellen d. Prov. Sachsen XX [Halle 1888], 8ff. Nr. 8. Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 53. Reg. Thur. I Nr. 1130 (1118 Mai 1). Cod dipl. Sax. I, 2 Nr. 58, Reg. Thur. I Nr. 1142 (1119). Reg. Thur. I Nr. 1160 (1121 Nov. 9).

3) 1116 Febr. 3 (Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 50, vgl. Reg. Thur. I Nr. 1109 u. 1117) schenkt Konrad an Reinhardsbrunn Land, das „sibi ex comitis Willehelmi de Kaemburg contigit hereditate“. Also muß auch der ältere Bruder Wilhelms, Dietrich, damals schon tot gewesen sein. Posse, Wettiner S. 42f. Nr. 29 u. 30 verwertet die Urkk. Cod. dipl. Sax. I, 1 Nr. 164 (1088 Aug. 10 -- 1089 April 1, vgl. zur Datierung Reg. Thur. I Nr. 965) u. Cod. dipl. Sax I, 1 Nr. 163 (1089 Dez. 12, vgl. Reg. Thur. I Nr. 966) als letzte Zeugnisse für das Vorkommen der beiden Brüder, obwohl er sie als gefälscht zugibt. Dann sind sie aber trotz des echten Kerns nur mit Vorbehalt zu benutzen. Bestimmt hat Wilhelm noch nach 1088 Mai 27 gelebt (Reg. Thur. I Nr. 955). Beide erscheinen auch sicher noch zwischen 1084 Dez. 30 und 1097 (?) Nov. 11. (Cod. I, 2 Nr. 55, siehe S. 3 Anm. 3.)

4) Posse, Wettiner S. 38f. Möglicherweise kam damals auch nur noch der Rest der Grafschaft Brehna an Konrad und seinen Bruder, da der Vater sicher schon teil daran hatte (s. oben S. 2 Anm. 5). Über Hufen bei Korbetha, die Graf Wilhelm v. Camburg früher besaß, siehe Reg. Thur. I Nr. 955. Vgl. auch Reg. Thur. I Nr.1117 u. 1051.

 

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5 Markgraf Konrad von Meißen.

 

wird richtig sein, daß er das Erbe mit seinem älteren Bruder gemeinsam in Besitz genommen hat.

 

Doch ein noch höheres Ziel lockte. Von den drei Linien, die Konrads Großvater begründet hatte, bestanden nach dem Aussterben der eben genannten Brehna-Camburger nur noch zwei: die im engeren Sinne wettinische, der Könrad angehörte, und die ältere, die eilenburgische. Die letztere besaß die Markgrafschaften Meißen und Niederlausitz. Starb sie aus, so erbte der wettinische Zweig diese Reichslehen zwar nicht direkt, aber es bestand doch eine gewisse Aussicht, daß der König die Lehen bei den Verwandten des letzten Trägers lasse. Um so unerwünschter war sicherlich der wettinischen Seitenlinie die bald nach dem Tode Heinrichs I. von Eilenburg (1103) erfolgte Geburt eines Sohnes, Heinrichs II. Man braucht vielleicht die Geschichtchen nicht buchstäblich zu glauben, die sich die Chorherren auf dem Lauterberge bei Halle gut hundert Jahre nach diesen Ereignissen über die Illegitimität Heinrichs II. erzählten, aber das steht fest, daß auch die Zeitgenossen an der echten Geburt Heinrichs II. gezweifelt haben 1). Was lag näher, als daß ein solches Gerücht immer stärker in Konrads Hirn Wurzel schlug, daß er Heinrich die Macht neidete, die die vielleicht unrechtmäßige Verwaltung zweier Markgrafschaften mit sich brachte? Es ist indessen nicht erwiesen, daß sich Konrad bei Lebzeiten Heinrichs den markgräflichen Titel angemaßt und so seine Ansprüche betont habe 2). Wie dem auch sei, das früher schon nicht freundliche Verhältnis 3) wurde gespannter und ging schließlich in offene Fehde über. Ob andere Fürsten darin verwickelt wurden, oder ob sich der Zwist in engen familiären und lokalen Grenzen hielt, wissen wir nicht. Die

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1) Über diese Dinge s. Posse, Markgrafen S. 249, 278, J. L. O. Lobeck, Markgraf Konrad von Meißen (Diss. Leipz. 1878) S. 5ff.-- Die Erzählungen des Chron. Mont. Ser., irrig zu 1126, MG. SS. XXIII, 140 Z. 8ff. Das Altersargument, das Opel in den Mitteilg. der Dt. Ges. z. Erforschg. vaterländ. Sprache u. Altert. in Leipzig I, 2 [Lpz. 1874], 157 gegen eine der Geschichten anwendet, ist jedoch hinfällig. Siehe oben S. 3 Anm. 3. -- Die zeitgenössische Quelle Annalista Saxo 1103 (MG. SS. VI, 738, Z. 4): (Heinricus), qui suppositus nec vere filius eius esse dicebatur. Auch die selten beachtete Notiz der (freilich späteren) Ann. Stad. (MG. SS. XVI, 326 Z. 15) ist anzuführen: marchio Hinricus, putativus frater Rikenzen imperatricis, quem de Slava natum ideo suum fratrem dicebat usw.

2) Lobeck S. 41ff. und Posse im Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 55 Anm. u. Nr. 58 Anm.

3) Chron. Mont. Ser. 1126 (MG. SS. XXIII, 140 Z. 36): cum et prius amici non fuissent.

 

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6 Willy Hoppe:

 

Waffen entschieden gegen Konrad. Auf dem Kirchberg bei Jena hat er etwa seit der Jahreswende 1121/22 in harter Haft seinen Fehl gebüßt, wenn von einem solchen die Rede sein darf.

 

Aber schon das Jahr 1123 brachte die Freiheit. Heinrich II. starb ohne Erben, wie man sagte -- durch Gift 1). Konrad war bald frei. Vielleicht hat er, wie berichtet wird, die Wächter auf Kirchberg bestochen, vielleicht ließen ihn die Mannen auch ziehen, weil der Herr fehlte, für den sie den Gefangenen hüteten 2). Die dunklen Schatten, die sich über sein Geschick zu legen schienen, wichen. Ein hoher Preis winkte, bedeutsam für Konrad und die Zukunft seines ganzen Geschlechtes 3). Denn wer hatte -- so mag es durch Konrads Seele gezogen sein -- ein höheres Anrecht auf die von Heinrich hinterlassenen Marken Meißen und Lausitz als er, der ihm am nächsten verwandt war? Wohl lebte noch Konrads älterer Bruder Dedo. Er tritt indessen bei allen diesen Geschehnissen vollkommen zurück und ist möglicherweise damals überhaupt nicht in Deutschland gewesen 4).

 

Es war ein harter Schlag für Konrad, als Kaiser Heinrich V. die Marken dem Grafen Wiprecht von Groitzsch gab. Zweifellos war Heinrich in seinem Rechte: das Lehen war frei geworden, und es stand bei des deutschen Königs Majestät, es zu vergeben. Privat- und stammesrechtliche Anschauungen stritten freilich dagegen. Und Konrad fand nachdrückliche Unterstützung,

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1) Posse, Markgr. S. 280, wo Anm. 211 jedoch Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 63 (statt 64) zu lesen ist. „Dort schlief er auf eisernem Bett“, wie Posse a. a. O. sagt, ist unklar. Inwiefern soll das eine strenge Strafe sein? Der Ausdruck der Quellen deutet vielmehr auf Folterung hin. Chron. Mont. Ser. 1126 (MG. SS. XXIII, 140 Z. 38): lecto ferreo et multis malis . . . oppressum. Geneal. Wettin. (ebd. 228 Z. 20): lecto ferreo . . . multisque malis oppressit. -- Über Heinrichs Tod s. Posse, Markgrafen S. 277.

2) Chron. Mont. Ser. (MG. SS. XXIII, 140 Z. 44): cuius morte in castro Kircberg nunciata, cum eam ex luctu familie Conradus comes intellexisset, persuasis custodibus suis, dimissus. Vgl. Lobeck S. 55 f.

3) Über die folgenden aus den Quellen z. T. schwer entwirrbaren, im einzelnen hier nicht nochmals behandelten Verhältnisse siehe neben der Darstellung bei O. v. Heinemann, Albrecht der Bär (Darmstadt 1864) S. 54 ff. Posse, Markgrafen S. 282 ff., wo weitere Literatur angegeben ist. Neuerdings kamen hinzu [G.] Blumschein, Wiprecht v. Groitzsch, in Zeitschr. d. Ver. f. thür. Geschichte. N. F. II (1882), 389 ff., G. Meyer v. Knonau, Jahrbücher des Deutschen Reiches unter Heinrich IV. u. Heinrich V. VII (Leipzig 1909), 254 f.-- Auf die gleichzeitigen thüringischen Verhältnisse gehe ich absichtlich nicht ein.

4) Siehe unten S. 10.

 

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7 Markgraf Konrad von Meißen.

 

als er seinem vermeintlichen Rechte Ausdruck gab, bei jenem Herzog Lothar von Sachsen, der später selbst die deutsche Königskrone trug. Eine rechte Verkörperung des niedersächsischen Stammes im Guten und im Schlechten war er immer unter denen, die gegen den Stachel einer harten Zentralgewalt im Reiche löckten. Sein war die herzogliche Macht in Sachsen, sein Wille sollte gelten, wenn es sich um Bezirke an der deutschen Ostgrenze handelte -- und seine Gemahlin Richenza war Konrads Base, eine ungewöhnliche Frau, die auf die Entschlüsse ihres Mannes oftmals eingewirkt hat 1). Ihrem Eingreifen hatte es Konrad zu danken 2), daß sich Lothar für ihn einsetzte; denn der Herzog hätte als Schwager des letzten Eilenburgers (Heinrich war ein Stiefbruder der Richenza) schließlich auch für sich Ansprüche erheben können, zumal die Belehnung Wiprechts von Groitzsch offensichtlich gegen ihn als den alten Widersacher der Salier und gegen seine Anhänger gerichtet war. Wiprecht Herr in den Marken -- das mußte die Stellung Lothars erschüttern. Man vermag es förmlich zu greifen, daß sich gerade hier die Opposition zusammenballte.

 

Es ist nicht bekannt, daß Konrad und Lothar irgendwelche Vorstellungen bei dem Kaiser erhoben, der sich damals meist im Westen des Reiches aufhielt. Hie Reichsrecht -- hie Stammesrecht, schließlich entschied doch auch damals das Schwert. Adalbert von Ballenstedt, den wir auch unter dem Namen Albrecht der Bär kennen, trat unter dem Vorwande, ebenfalls alte Ansprüche zu haben, zu den beiden. Die anderen sächsischen Fürsten schlossen sich an 3). Der

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1) Wilh. Bernhardi, Lothar v. Supplinburg (Leipzig 1879) S.798.

2) Chron. Mont. Ser. 1127 (MG. SS. XXIII 141 Z. 2): Interventu Richice regine, cuius erat cognatus, marchiam Misnensem obtinuit. Man beachte auch die Worte per interventum neptis sue Richize imperatricis der Ann. Veterocell. MG. SS. XVI, 42 Z. 14 und dazu v. Heinemann a. a. O. S. 323 Anm. 28. Es besteht eine doppelte Verwandtschaft, nämlich nach Posse, Markgrafen S. 210, Wettiner Taf. I und Voigtel-Cohn, Stammtafeln z. Gesch. d. europ. Staaten I (Braunschweig 1871) Taf. 26 folgende:

 

Ekbert v. Meißen Otto v. Northeim

¦ __________________

Heinrich I. v. Eilenburg ¦
(Vetter Konrads) Gertrud Heinrich der Fette Ida

_______________________ ________________ ¦

▿ ▿ ¦

Heinrich II. v. Eilenburg Richenza Konrad

 

3) Ann. Pegav. 1123 (MG. SS. XVI, 254 Z. 28): ducis Lotharii ceterorumque Saxonum freti auxilio. Ebenso Cron. S. Petri Erford. mod. 1123 (Monum. Erphesfurt. saec. XII. XIII. XIV. ed. Osw. Holder-Egger, SS. rer. Germ. in us. schol., S. 164 Z. 5).

 

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8 Willy Hoppe:

 

Kampf gegen Wiprecht von Groitzsch und damit indirekt gegen den Kaiser begann. Zunächst nahm man die Mark Meißen ein und überließ sie Konrad; dann zog die Schar gegen Eilenburg und gewann den Ort. Mit ihm fiel das umliegende Land, der Westteil der alten Ostmark, Albrecht zu, d. h. etwa die spätere Mark Landsberg 1). In beiden Marken fanden sich sofort Anhänger der neuen Herren 2).

 

Kaiser Heinrich durfte zu diesem Vorgehen nicht schweigen 3). Andere, für ihn damals wichtigere Dinge beschäftigten ihn, und daher gebot er Herzog Wladislaw von Böhmen und Markgraf Otto von Mähren, mit ihren Streitkräften Wiprecht zu Hilfe zu ziehen. Böhmens Gebiet grenzte an die Mark Meißen, Wiprecht war Wladislaws Schwager, so war der Böhme der nächste zum Helfen, wie umgekehrt vor Jahren Wiprecht einen böhmischen Prätendenten in sein Reich hatte zurückführen sollen 4). Etwa der November des Jahres 1123 war herangekommen, als beide Fürsten, dem kaiserlichen Auftrag nicht eben geneigt, das Erzgebirge überschritten und an der Elbe unterhalb des befestigten Ortes Guozdec, d. h. dicht bei dem heutigen Constappel, südöstlich von Meißen, Fuß faßten. Die Lage Konrads und seiner Verbündeten, die von Norden her vorrückten, war schwierig, denn ein zweites Heer bedrohte sie in der Flanke. Wiprecht selbst verteidigte seinen Besitz. Zu ihm hatte sich ein alter Bundesgenosse Lothars und früherer Gegner des Kaisers gesellt, der kluge Erzbischof Adalbert von Mainz. Wiprecht und Adalbert standen erst auf dem linken, später auf dem rechten Ufer der

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1) Also das, was wir als Niederlausitz bezeichnen, hat Albrecht damals noch nicht erhalten, wie Heinemann S. 57 u. S. 323 Anm. 30 m. E. richtig im Gegensatz zu den meisten anderen Schriftstellern betont. Er irrt jedoch, indem er obigen Bezirk nicht als zur Lausitz gehörig erachtet. Die Eilenburger Gegend wird noch im 14. Jahrhundert zur Lausitz gerechnet (N. Arch. f. Sächs. Gesch. XIX [1898], 193), zur Niederlausitz, der der Name Lausitz ursprünglich ganz allein gebührt (s. Lippert in Niederlaus. Mitteilungen IV [1896], 368). Beachte auch den Hinweis bei Lobeck S. 55 Anm. 21. Vgl. unten S. 10 Anm. 5.

2) Ann. Saxo 1123 (MG. SS. VI, 760 Z. 9): eorum consensu, qui in utrisque marchiis primates erant, ambos marchias singulas regendas suscipiunt. Vgl. Lobeck S. 56 Anm. 27.

3) Für das Folgende kommen ebenfalls die S. 6 Anm. 3 genannten Darstellungen in betracht, wo die Quellen angegeben sind. Siehe ferner den wesentlich fördernden Aufsatz von Gust. Hey, Die Feste Gvozdec bei Meißen, im N. Arch. f. Sächs. Gesch. XI (1890), 1 ff.

4) Vgl. Arnold 'Köster, Die Staatl. Beziehungen d. böhm. Herzöge u. Könige zu den dt. Kaisern (Untersuchg. z. dt. Staats- u. Rechtsgesch hrsg. von O. v. Gierke CXIV [Bres]au 1912]) 17 f., 137 f., 180.

 

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9 Markgraf Konrad von Meißen.

 

Mulde, möglicherweise in der Gegend von Nossen. Was Konrad und Albrecht dem Bären vielleicht nicht gelungen wäre, erreichte der gewandtere Lothar: das listige Wort stumpfte die Schärfe des böhmisch-mährischen Schwertes ab. Wladislaw und Otto begannen am 24. November, sich unter Verwüstungen des Meißner Landes nach Böhmen zurückzuziehen. Auch die beiden anderen Gegner ließen es nicht zum Kampfe kommen und machten sich davon. Der Hauptwiderstand war gebrochen; nur noch in einem Winkel der Lausitz, in Lebusa zwischen Dahme und Schlieben, hielt sich ein Anhänger Wiprechts. Lothar hat den befestigten Platz, eine alte, oft umstrittene Feste jener Gegend 1), bald genommen, und nun trieben die Dinge schnell dem Ende zu.

 

Am 22. Mai des nächsten Jahres (1124) starb Wiprecht, kurze Zeit nach dem Bamberger Reichstage (4. Mai), den Kaiser Heinrich angesetzt hatte, um die Empörer zur Verantwortung zu ziehen. Konrad und seine Verbündeten waren nicht erschienen 2) Auch für den voraufgehenden Wormser Tag (16. März) hatten Sie des Herrschers Gebot außer acht gelassen. Die Heerfahrt des Reiches, die ihnen, voran Lothar, nun drohte und die den jungen konradinischen Bau leicht hätte erschüttern können, ist nie erfolgt. Konrad hat mit Albrecht die Waffen noch einmal in die Lausitz tragen müssen, wo Wiprechts Sohn Heinrich das Erbe des Vaters zu behaupten suchte 3). Er hat sich nicht halten können. Kaiser Heinrichs Tagewerk galt anderen Dingen, bis ihn am 23. Mai 1125 der Tod ereilte. Sein Nachfolger wurde am 23. August Lothar, und wenn einer, so hat sicher Konrad jubelnd diese Wahl begrüßt, vielleicht sich sogar an ihr beteiligt. Nun

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1) Thietmar. Chron. rec. Frid. Kurze (Script. rer. Germ. in us. schol. [Hannov. 1889]) I, 16; VI, 59; VII, 20. Vgl. die Schilderung von O. E. Schmidt, Kursächs. Streifzüge II [Leipzig 1904], 227--230 z. Lipperts Ausstellungen dazu in den Niederlaus. Mitteilungen IX [1906], 297 f. Siehe auch ebd. 379.

2) Eccehard. Chron. univ. 1124 (MG. SS. VI, 262 Z. 17): Factus est conventus idem non modicus; nam singularum provinciarum duces aderant, preter predictum Lotharium paucosque sibi consentientes de Saxonia principes.

3) Ann. Pegav. 1124 (MG. SS. XVI, 254 Z. 27): Cui succedente filio Heinrico, duo comites Adelbertus et Cuonradus marchiam eius invadunt, quam etiam aliquamdiu idem Adelbertus optinuit. Sed Lothario regnante, Heinricus in eius gratiam rediens, eam recepit. C. P. Lepsius, Gesch. d. Bisch. d. Hochstifts Naumburg I (Naumbg. 1846), 245 Anm. 2 möchte einen feindlichen Einfall, dem die Kirche in Reichenbach i. V. zum Opfer fiel (Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 139), zu den Kämpfen jener Jahre in Beziehung setzen.

 

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10 Willy Hoppe:

 

war die Mark Meißen wirklich sein eigen. Zweifellos hat ihn der neue König feierlich damit belehnt. Ebenso war Albrecht der Bär fortan der anerkannte Markgraf der Niederlausitz 1). Dedo, der seinem jüngsten Bruder Konrad die Würde vielleicht hätte streitig machen können, war bereits am 16. Dezember 1124 auf der Rückkehr vom heiligen Lande gestorben. Obwohl ein Schwiegersohn Wiprechts und gleich diesem sicher einmal ein Anhänger Heinrichs V., war er, wie schon gesagt, in jenen Kämpfen niemals hervorgetreten. Es ist nutzlos zu mutmaßen, wie er sich verhalten hat 2). Bestimmt wissen wir, daß er vor dem Aufbruch nach dem Morgenland dem Bruder ausdrücklich sein Besitztum übergab. Mit Ausnahme der Lauterberger Chronik vergaß ihn die zeitgenössische und die kommende Geschichtsschreibung über dem, der Erbe und Zukunft des gesamten wettinischen Hauses war. Fortan hat Konrad den markgräflichen Titel geführt 3). Er vereinigte damals mit dem Meißner Besitz die Grafschaften Wettin, Brehna und Camburg 4) und neben mannigfachem sonstigen Kleinbesitz auch noch die Allode des letzten Eilenburgers 5). Gerade der Bezirk um Eilenburg wird zu ihnen gehört haben, kein umfangreicher, aber ein siedlungsfähiger, fruchtbarer

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1) Albrecht ist nach der Vertreibung Heinrichs Herr der ganzen Lausitz (Heinemann S. 61 u. S. 323 Anm. 30).

2) Über Dedo s. Posse, Markgrafen S. 280 f. u. Wettiner Taf. I Nr. 26 u. S. 24 Nr. 26. Die Angabe bei Reinhold Röhricht, Die Deutschen im heil. Lande (Innsbr. 1894) S. 26 ist ungenau. -- Chron. Mont. Ser. 1124 (MG. SS. XXIII, 139 Z. 23): Fratrem suum Conradum comitem tocius proprietatis sue . . . heredem ordinans. Die einzige Tochter erbt nach schwäbisch - wettinischem Rechte nicht. Vgl. oben. S. 4.

3) Zum ersten Male ist er urkundlich 1127 als Conradus marchio Misnensis bezeugt (Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 73). Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 55 (1118) u. 58 (1119) kommen als spätere Erneuerungen von Urkunden aus jenen Jahren nicht in Betracht.

4) Siehe oben S. 3 u. 4.

5) Auf diese Allode beziehe ich mit v. Heinemann S. 323 Anm. 30 die Worte des Chron. Mont. Ser. 1127 (MG. SS. XXIII, 141 Z. 3): Preterea tocius proprietatis Heinrici marchionis heres effectus est. Der Übergang der Herrschaft Eilenburg (über ihren Umfang s. Paul Platen, Die Herrschaft E. von der Kolonisationszeit bis z. Ausg. d. MA., Leipz. phil. Diss. 1914, S.1-6) an Konrad ist urkundlich nicht festlegbar. Sie war ein Teil des ursprünglich an Albrecht d. B. gekommenen wiprechtischen Besitzes (s. oben S. 8 Anm. 1). Wann Sie an Konrad kam, ist ungewiß. 1156 bestätigte er dem Lauterberger Stifte Schenkungen aus den Eilenburger Allodien: Uveltewize X mansi, Gurdunewice X mansi, Grabowice IX mansi (Cod. dipl. Sax. I, 2, 178 Z. 3 f.). Die richtige Identifizierung s. bei Platen S. 38 f. Vgl. auch Winter in v. Webers Arch. f. d. Sächs. Gesch. N. F. III (1877), 121.

 

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11 Markgraf Konrad von Meißen.

 

Landstrich, der aus der Hand Albrechts des Bären auf irgendeine Weise an Konrad gelangt sein muß. Der Aufstieg zum Reichsfürsten war dem Grafensohn aus dem Saaletal beschieden gewesen. Es ist der deutliche Ausdruck des gesteigerten Wohlstandes und Ansehens und zugleich des Ausruhens nach dem Sturme, daß gerade in den nächsten Jahren Konrad das von dem Bruder Dedo bereits angefangene Werk vollführt und unweit seiner Stammburg, auf dem Lauterberge, dem heutigen Petersberge bei Halle, ein Stift vollendet hat, dessen Reste und pietätvoll erneuerte Kirche von ragender Höhe noch heute den Wanderer grüßen.

 

2. Die reichsfürstliche Tätigkeit.

 

Spärlich fließen die Quellen, die eine Anschauung von der reichsfürstlichen Tätigkeit Konrads übermitteln. Aber das erkennen wir: dieser Mann ist ein treuer Helfer Lothars geblieben. Wenn es das große Verdienst dieses Königs ist, nach den Wirren der letzten Jahrzehnte die Kraft deutscher Hände erneut zu den großen kolonisatorischen Aufgaben gelenkt zu haben -- freilich ohne daß er selbst je die Früchte brechen sollte --, so hat als der treueste Hüter der östlichen Grenze Konrad von Wettin neben ihm gestanden, unbeirrt durch Angriffe, die die Politik Lothars zu durchkreuzen suchten. Gewiß hat der Gedanke, sich selbst ein weites Herrschaftsgebiet zu schaffen, in Konrad vorgewaltet, aber diese Absicht bedeutete keine Schädigung, sondern eine Stärkung deutscher Politik, zumal unter den Augen eines Herrschers, der die Fäden ostdeutscher Politik so in der Hand hielt wie Lothar.

 

Man hat gemeint, daß gleich die erste größere Handlung Lothars, der Feldzug gegen Böhmen im Februar 1126, teilweise im Interesse Konrads geschehen sei 1). Das ist nicht ganz unrichtig. Vor allem freilich galt es für Lothar, das Recht des Lehnsherrn lebendig zu erhalten. Der Böhme wurde von neuem daran erinnert, daß sein Herzogtum seit den Zeiten der Ottonen bei den deutschen Königen zu Lehen ging. Die Niederlage, die das sächsisch-thüringische Heeresaufgebot

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1) Wilh. v. Giesebrecht, Gesch. d. dt. Kaiserzeit IV, 2. Bearb. (Braunschw. 1877), 19, dessen Meinung Lobeck S. 10 kurzweg ablehnt. -- Über den Feldzug selbst s. jetzt Dietr. Schäfer, Lothars III. Heereszug nach Böhmen 1126, in den Histor. Aufsätzen Karl Zeumer . . . als Festgabe dargebracht (Weimar 1910) S. 64 ff., dessen Darstellung auch Berthold Bretholz, Gesch. Böhmens u. Mährens (München u. Leipzig 1911) S. 205 fast ganz folgt. In größerem Zusammenhange handelt darüber Köster a. a. O. S. 20 ff.

 

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12 Willy Hoppe:

 

nach einem sehr beschwerlichen Aufmarsch zum Kulmer Paß beim Abstieg, wahrscheinlich dicht bei Nollendorf, erlitt, war freilich eine vollkommene. Der böhmische Sieger hat sich gleichwohl dem Besiegten unterworfen und damit die Oberherrschaft Lothars anerkannt. Dieser Schritt wird auch auf Konrads Stellung zu dem Böhmen zurückgewirkt haben. Er konnte ihm die Hoffnung stärken, daß der böhmische Herzog, ein Bruder jenes Wladislaw, der ihm noch vor drei Jahren als Feind gegenübergestanden hatte, ein Oheim Heinrichs von Groitzsch, die damalige Anordnung Lothars auf die Dauer anerkennen würde, daß also von Süden her für Meißen nichts zu fürchten sei. Ob Konrad nun an dem Zuge teilgenommen hat, ob nicht 1) -- er war indirekt auch für ihn erfolgt. Wie der Böhme seitdem für Jahrzehnte ein zuverlässiger Vasall des Reiches blieb 2), so ist das Verhältnis Konrads zu dem böhmischen Nachbar, soweit wir urteilen können, nie getrübt worden. Ein Eheband zwischen dem jüngsten Sohne Konrads und einer böhmischen Prinzessin hat es später noch gefestigt 3). Das Reich der Przemysliden hat vielleicht schon damals, jedenfalls aber noch zu Lebzeiten Konrads, in dem breiten, wohl noch völlig wilden Grenzwald des Erzgebirges 4) sein nördliches Ende gefunden. Ebenso war der wettinischen Macht hier ein natürlicher Abschluß entstanden, den man auf Jahrhunderte hinaus nicht zu beseitigen strebte.

 

Der südliche Horizont war also frei. Im Norden und Nordosten türmte sich indessen bald eine dunkle Wolke: Albrecht der Bär führte sie herauf. Während Lothar seine eigene Tätigkeit vor allem den nordslawischen Landen widmete, blieben als Markgrafen der übrigen slawischen Gebiete Konrad und Albrecht. Beide Männer hatte Lothar selbst auf ihre Posten gestellt, beide sollten in gleicher Weise als Hüter gegen die Slawenwelt tätig sein. Schon die Titelführung versinnbildlichte es 5). Das bessere Los hatte dabei zweifellos

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1) Über die Teilnehmer s. Schäfer a. a. O. S. 75 f.

2) Köster a. a. O. S. 33 f.

3) Posse, Wettiner Taf. 3 Nr. 1.

4) Siehe Erich Berlet, Die sächs. - böhm. Grenze im Erzgebirge (Progr. Oschatz 1900) S. 19 ff.

6) Beide Fürsten werden als marchio Saxonie in den Urkunden genannt, Konrad ist so freilich erst seit 1147 nachweisbar. Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 198, 230, 236, 237. Auch der Annal. Saxo nennt Konrad 1136 marchio Saxonie (MG. SS. VI, 770 Z. 18). Vgl. Herm. Krabbo, Regesten der Markgr. v. Brandenburg aus askan. Hause Lief. I (Leipzig 1910) Nr. 7.

 

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13 Markgraf Konrad von Meißen.

 

Albrecht gezogen 1). Weithin stand ihm der Weg in das Slawenland offen, und seine Beziehungen zu dem Pommernapostel Bischof Otto von Bamberg, zu dem slawischen Fürsten von Brandenburg, Pribislaw - Heinrich, erweisen, daß er schon damals gewillt war, ihn zu gehen. Die breite Basis der Lausitz und der sich gut anfügenden ererbten Gebiete unterstützte dieses Verlangen nachdrücklich, während sie gleichzeitig Konrad jedes Vordringen unmöglich machte. Denn hier wäre für ihn das einzige Ausfallstor gewesen. Durch die (heutige) Oberlausitz, falls diese damals Konrad überhaupt schon gehörte 2), östlich vorzudringen, ging nicht an. Hier stand der Pole, der greise Boleslaw, ein Mann voll weiter Pläne und Ziele, der der Gründung eines großpolnischen Reiches nahe war 3). Außer dem geographischen Vorteil besaß Albrecht deutlich das, was Konrad in dem ausgeprägten Maße fehlte: die Regsamkeit, der „unruhige Tatendrang“. An dem Ballenstädter gemessen, ist Konrad offenbar der Stetigere, für Lothar der zuverlässigere gewesen. Während Albrecht bald hier, bald dort seine Hand im Spiele hat und mit einer Ausdauer in der Nähe des Königs weilt, die seine Vorliebe für die Geschätte des Hofes kennzeichnet, hat Konrad -- das läßt selbst die geringe Überlieferung erkennen -- ein weit stilleres Leben geführt.

 

Aber die Reibungsfläche war nun einmal da. Schon 1128 lagen Konrad und Albrecht in hartem Zwist. Die nähere Veranlassung kennen wir nicht, Ein an und für sich so geringfügiges Ereignis wie die Propstwahl im Lauterberger Stift trug neuen Zündstoff herbei 4). Dort war am 12. Dezember jenes Jahres

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1) Über Albrecht s. neben dem schon mehrfach genannten Buche v. Heinemanns die Studie von Herm. Krabbo in Forschg. z. brandbg. u. preuß. Gesch. XIX (1906), 371 ff. Die Quellen bietet in ausführlicher, vorzüglicher Weise Krabbo, Reg. Lief. I.

2) Siehe unten S. 17.

3) Siehe Rich. Roepell, Gesch. Polens I (Hamburg 1840), 229ff.

4) Chron. Mont. Ser. 1128 (MG. SS. XXIII, 141 Z. 39): Herminoldus obiit 2. Idus Decembris . . . Post hunc electus est Luderus a fratribus ilius temporis contra placitum quidem Conradi marchionis, quoniam prepositus idem familie (s. dazu a. a. O. Anm. 79) marchionis Alberti de Brandenburgk consanguinitate iungebatur. Jamque gravis discordia inter prescriptos principes inflammata erat, et suspectus videbatur prepositus, ne forte marchioni Conrado vel suis in aliquo fieret onerosus. Preposituram tamen obtinuit. Demnach ist die Angabe bei Bernhardi, Lothar S. 231, daß Konrad und Albrecht „in wist über die Besetzung der Probststelle“ gerieten, in dieser Bestimmtheit unrichtig. In B. Gebhardts Handbuch d. dt. Gesch. 5. Aufl. I (Stuttg. 1913), 366 § 59 Abs. 5 wird daraus sogar ein Streit „wegen des Besetzungsrechtes der Propststelle“.

 

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14 Willy Hoppe:

 

Propst Herminold gestorben. Der von den Kanonikern neu gewählte Luder war mit einer Ministerialenfamilie Markgraf Albrechts blutsverwandt, Grund genug, daß Konrad diese Wahl nicht genehm war. Luder hatte Beziehungen zu Albrecht, vielleicht entfernte -- so war er verdächtig. Wie leicht konnte Albrecht, der zudem nicht weit vom Petersstifte ausgedehnte Güter besaß, jene Beziehungen ausnutzen und den Einfluß Konrads in seiner eigenen Schöpfung durch den Propst beeinträchtigen 1). Trotzdem hat Luder das Amt erlangt. Sah Konrad seine Befürchtungen als grundlos an? Oder fühlte er sich machtlos? Jedenfalls ist sein Verhältnis zu Albrecht um so schlechter geworden.

 

Die folgenden Jahre haben Konrad nicht an der Seite Albrechts gesehen. Im Unmut über Anordnungen, die Lothar in sächsischen Dingen getroffen, hatte der Ballenstädter zu den Waffen gegriffen und öffentliche Fehden erregt 2). Es lag auch sonst eine Unruhe, etwas Gärendes in jenen Jahren, dem Konrad sich nicht ganz entziehen konnte. Das Petersstift hat dem vor den Magdeburgern geflüchteten Erzbischof Norbert, dem bekannten Förderer der Prämonstratenser, damals Schutz gewähren müssen, kaum ohne Billigung Konrads 3). Aber eine direkte Beteiligung an den Fehden läßt sich nicht feststellen 4). Nur als Lothar Anfang 1131 endlich gegen Albrecht vorging – er hatte ihn lange genug gewähren lassen --, hat Konrad neben ihm gestanden. Mit Rivalen Albrechts des Bären zusammen ist er Anfang Februar auf einem Landtage in Goslar gewesen, der wahrscheinlich die sächsischen Ange- legenheiten beriet 5). Hingegen wissen wir nicht, ob er im März den Reichstag in Lüttich besucht hat, wo sich Albrechts Schicksal entschied: er verlor die Lausitz, aber nicht Konrad erhielt sie, sondern der ursprüngliche Besitzer, der Sohn

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1) Gerh. Burck, Stand u. Herkommen der Insassen einiger Klöster der ma. Mark Meißen (Leipz. phil. Diss. 1913) S. 42 vermutet die Befürchtung Konrads, daß Luder das Stift dem Askanier geradezu in die Hände spielen werde. Das geht m. E. zu weit.

2) Krabbo, Regesten Nr. 16 ff.

3) Bernhardi, Lothar S. 228.

4) Nach Giesebrecht a. a. O. 39 hätte K. erst im Verlauf jener Fehde 1130 die Mark Meißen „in ihrem ganzen Umfange“ erhalten (s. auch 37), eine Ansicht, die Bernhardi, Lothar S. 835 m. E. vollkommen widerlegt.

5) Siehe Bernhardi a. a. O. S. 349. Konrads Anwesenheit auf dem Landtage ist belegt durch seine Zeugenschalt in Karl Friedr. Stumpf, Die Reichskanzler vornehml. des X., XI. u. XII. Jahrh. II (Innsbruck 1865--1883) Nr. 3255 (fortan stets zit. St.), Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 85 (5. Febr.).

 

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15 Markgraf Konrad von Meißen.

 

Wiprechts von Groitzsch, Heinrich 1). Das war nicht die Lösung, die Konrad erwartet haben mochte. Aber er durfte in ihr doch einen Anfang zum Besseren sehen; denn Heinrichs Ehe war kinderlos, und auf einen leiblichen Erben rechnete Heinrich selbst nicht mehr 2). Mit dem neuen Herrn der Lausitz verknüpften Konrad außerdem verwandtschaftliche Bande. Der verstorbene Bruder Konrads war der Schwager Heinrichs gewesen 3). Das hat sicher das Zusammenwirken beider erleichtert.

 

Dieser Zusammenhalt ostsächsischer Fürsten war für Lothar in jenen Jahren besonders wertvoll, und Albrecht, der sich schnell fügte 4), hat ihn nicht gestört. Als eine der wesentlichsten Stützen dürfen wir Konrad ansehen. Er wurzelte in dem Boden der ostdeutschen Mark und hat, soweit wir urteilen können, in den nächsten Jahren völlig in ihrem Dienste gestanden. Nicht der Romzug der Jahre 1132/33, der die vornehmsten der sächsischen Herren über die Alpen führte, hat ihn seinen Aufgaben entziehen können 5), nicht die Niederwerfung der staufischen Widersacher Lothars hat ihn den Dank

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1) Quellen und hauptsächlichste Literatur bei Krabbo, Reg. Nr. 19. -- Er und v. Heinemann S. 87 u. S. 335 Anm. 143 meinen, damals habe Albrecht „jenen Teil der alten Ostmark mit dem Hauptort Eilenburg“ verloren (übrigens nicht an Konrad). Ich halte es für wahrscheinlicher, daß der im engeren Sinne eilenburgische Bezirk schon früher von Albrecht aufgegeben wurde. Siehe oben S. 10 Anm. 5.

2) Das ergibt sich aus Can. Wiss. contin. Cosmae 1128 (MG. SS. IX, 133 Z. 42): Lutherius rex in die paschae levavit de fonte baptismatis filium ducis Sobezlai (von Böhmen) . . . Cui parvulo post confirmationem filius Wigberti in exitu vitae suae promisit totum pheodum suum. Vgl. auch Ann. Gradic. 1136 (MG. SS. XVII, 650 Z. 35): Hic (Heinrich) quia neminem de propinquitate sua superstitem habuit, predia ad se pertinencia Sobezlao duci Boemico suisque posteris dedit hereditario iure in sempiternum possidenda. Über Heinrichs Gattin s. die Angaben bei Bernhardi, Lothar S. 588 Anm. 2.

3) Posse, Markgrafen S. 251.

4) Krabbo in Forschungen z. brandenbg. u. preuß. Gesch. XIX (1906), 378.

5) Siehe die Teilnehmer bei Bernhardi, Lothar S. 438. Der Zug dauerte von August 1132 bis August 1133. In einer Urk. Bischof Ottos von Halberstadt (Gatersleben bei Aschersleben), 1133 Mai 25 (Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 92), ist Zeuge: Conradus marchio. Eine Urk. Bischof Udos von Naumburg (Naumbg., 1133 Febr. 13, Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 91) bestätigt eine Handlung marchione Cunrado . . . . annuente. Doch bleibt Konrads Anwesenheit fraglich. Falsch ist Lobecks Angabe S. 13, daß „um jene Zeit“ Bischof Udo seinen lange gehegten Streit mit Konrad beilegt. Die Urk. Gehört nach Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 143 (s. auch Reg. Thur. I Nr. 1412) zu 1140.

 

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16 Willy Hoppe:

 

seines kaiserlichen Freundes erwerben lassen. Mit dem Rate wird er gleichwohl gedient haben, vor allem bei jener Zusammenkunft in Merseburg Pfingsten 1134, die wohl die letzten größeren Beratungen über den künftigen Feldzug brachte 1). Die Belehnung Albrechts des Bären mit der Nordmark (1134) 5), die Erhebung eines Verwandten des Kaisers auf den erzbischöflichen Stuhl zu Magdeburg (1134) 3), die freiwillige Unterwerfung des polnischen Herzogs (1135) 4) -- das alles waren Geschehnisse, die Konrads Aufmerksamkeit sicher in Anspruch genommen haben. Sie wirkten mehr oder minder auf ihn zurück.

 

Und nun gar der Tod des Markgrafen Heinrich von der Lausitz! Am letzten Tage des Jahres 1135 war er fern von der Heimat gestorben 5). Was würde mit seiner Mark geschehen? Der Gedanke, Meißen hier ein weites Gebiet anzugliedern, lag für Konrad nahe. Oder hoffte Albrecht der Bär, eifrig wie immer, auf die Rückkehr in den alten Besitz? Die Entscheidung fiel wahrscheinlich zu Merseburg Pfingsten 1136. Lothar hat sich wohl gehütet, Albrecht, dem Lehnsträger zwar nicht der bedeutendsten, aber der entwicklungsfähigsten der Wendenmarken 6), auch noch die Lausitz zu übergeben. Sie fiel Konrad zu, ohne Schwertstreich, man

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1) Siehe Bernhardi, Lothar S. 546. Cunradus marchio de Misne ist Zeuge in einer Urk. Lothars, Merseburg 1134 Juni 6 (St. 3299, Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 98). Pfingsten fiel auf den 3. Juni.

2) Krabbo, Reg. Nr. 29, vermutlich auf dem Reichstage zu Halberstadt am 15. April, Ostern. Konrad wird zugegen gewesen sein, wenigstens ist er Zeuge in St. 3295, Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 97 (Quedlingurg, April 25). Siehe auch Bernhardi, Lothar S. 540 Anm. 36.

3) Die Wahl fand in Gegenwart des Kaisers am 29. Juni in Magdeburg statt. Bernhardi a. a. O. S. 551.

4) Bernhardi a. a. O. S. 572 ff. Konrad ist auf jenem (Merseburger) Reichstage am 15. Aug. nicht nachweisbar, doch ist Seine Anwesenheit wahrscheinlich. Überhaupt wird man ihn öfter am Hofe vermuten dürfen, der sich von Ostern 1135 ab fast bis Weihnachten in Sachsen aufhielt (s. Bernhardi a. a. O. S. 567-587). Beteugt ist seine Anwesenheit einmal durch die Urk. Lothars, Halberstadt 1135 April 9 (St. 3306). Ob die Urk. echt ist, wie Posse in Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 102 meint, sei dahingestellt, „jedenfalls bestehen keine Bedenken gegen die Verwendung der Zeugenreihe“ (s. Krabbo, Regesten Nr. 39). -- Die Nachricht von einer damaligen Reise Konrads nach Jerusalem (Chron. Mont. Ser. 1135, MG. SS. XXIII, 144 Z. 19) ist falsch. Siehe Lobeck S. 15, 60 Anm. 57.

5) Bernhardi, Lothar S. 588.

6) W. v. Sommerfeld, Beiträge z. Verfassungs- u. Ständegeschichte d. Mark Brandenburg im MA. I (Leipzig 1904), 6.

 

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17 Markgraf Konrad von Meißen.

 

kann Sagen – mühelos 1). Im Hinblick auf den kommenden Zug gegen Sizilien hat Lothar gewiß Veranlassung gehabt, Konrad sich geneigt zu machen; der überwiegende oder gar entscheidende Grund 2) ist es auf keinen Fall gewesen, ebensowenig wie es die Gunst der Kaiserin Richenza war, die den Meißner auch diesmal gefördert haben soll 3). Lothar sah vor allem in Konrad den fähigen Mann, und bei dem klaren Blick, der den Kaiser auszeichnete, hat er sich in dem Wettiner nicht getäuscht. Mit der Verleihung der Lausitz an Konrad wurde hier an der Südostgrenze des Reiches ein starkes Bollwerk deutscher Herrschaft fester gegründet. Es war um so umfangreicher, als auch die Eigengüter des erbenlosen Markgrafen Heinrich Konrad zufielen, durch die das wettinische Land wahrscheinlich besonders im Westen starken Zuwachs erfahren haben wird, in den alten Marken Zeitz und Merseburg, in der Pegauer und Zwickauer Gegend 4). Und auch nach einer anderen Richtung hin wurde die Bahn frei. Wohl damals, jedenfalls aber vor 1144, hat Konrad den Bautzener und den Zittauer Bezirk, kurz gesagt, die Oberlausitz, der böhmisch-groitzischen Herrschaft entzogen und in seinen Machtbereich eingeschlossen. Ebenso scheint der südliche Teil der Mark Meißen, der Gau Nisani, erst durch Heinrichs Tod an die Wettiner gelangt zu sein. Die Oberlausitz und Nisani waren zunächst vielleicht nicht ganz frei von böhmischem Einfluß.

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1) Ann. Magd. und Annal. Saxo 1136 (MG. SS. XVI, 186 Z. 3 u. VI, 770 Z. 18): Marchia vero concessa est Cuonrado marchioni. Chron. Mont. Ser. 1136 (MG. SS. XXIII, 144 Z. 35): Marchiam vero eius (Heinrichs) Lusicensem, que nunc Orientalis dicitur, imperator Conrado marchioni Misnensi concessit. Geneal. Wettin. (ebd. 229 Z. 4): Luderus imperator marchiam eius, que Orientalis dicitur, Conrado marchioni concessit. Bernhardi, Lothar S. 596, Posse, Wettiner Taf. 2 Nr. 1 nennen mit Recht als Zeitpunkt der Belehnung Pfingsten (10. Mai). Anders Lobeck S. 60 Anm. 58 und Giesebrecht a. a. O. S. 111. Konrads Anwesenheit in Merseburg ergibt sich aus St. 3318, Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 106 vom 14. Mai. Die Urk. vom 15. Mai, die Konrad ebenfalls unter den Zeugen nennt (St. 3319, Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 107) ist mit Bernhardi, Lothar S. 598 Anm. 23 als „sehr verdächtig“ anzusehen. Siehe auch neuerdings Krabbo, Regesten Nr. 44 gegen den letzten Rettungsversuch Dobeneckers Reg. Thur. I Nr. 1315.

2) Wie Lobeck S. 15 vermutet.

3) Ann. Veterocell. 1124 (MG. SS. XVI, 42 Z. 13): Addita etiam fuit eidem tota proprietas dictorum marchionum (Heinrichs von Eilenburg und Heinrichs von Groitzsch) per interventum neptis sue Richize imperatricis (vgl. oben S. 7 Anm. 2).

4) Das Chron. Mont. Ser. fährt an der Anm. 1 zitierten Stelle fort: qui eciam tocius proprietatis eius heres effectus est, quia alium heredem non habuit.

 

Neues Archiv f. S. G. u. A. XL. 1. 2.

 

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18 Willy Hoppe:

 

Aber was für ein Gebiet war es trotzdem! Kein Fürst in jenen Gegenden durfte sich eines größeren ziemlich geschlossenen Besitzes rühmen. Von Saale bis Spree und Neiße konnte Konrad fast durchweg über sein Gebiet reiten, und von dem Nordabhang des Erzgebirges bis nahezu dorthin, wo die Elbe einen ostwestlichen Lauf nimmt, galt das Gebot des meißnischen Markgrafen. Und welche Aussicht eröffnete die Niederlausitz, wenn der neue Herr von dort kühn in die nördlich vorgelagerten slawischen Gebiete vorstieß. Zunächst galt es jedoch, dem Kaiser auf einem neuen Zuge nach Italien zu folgen. Mit Lothar und Albrecht dem Bären hat Konrad 1136 das Peter-Paulsfest (29. Juni) in Goslar gefeiert 1). Dann hat er vielleicht noch einer kirchlichen Stiftung seiner Eltern umfassende Förderung angedeihen lassen 2) und sich Mitte August in Würzburg eingefunden, wo der Kaiser vor dem Abmarsch nach Italien noch einmal eine große Schar von Fürsten um sich sammelte. Erzbischof Konrad von Magdeburg und sein Merseburger und Zeitzer Suffragan sind damals mit Konrad zusammengewesen. Auch Markgraf Albrecht und der Thüringer Landgraf haben den Glanz des Hofes erhöht 3). Während Albrecht daheim blieb und sich ganz den slawischen Angelegenheiten widmete 4), hat Konrad den Waffendienst geleistet. Er ist zunächst in Norditalien mit Lothar hin und her gezogen 5) und hat sich dann zu Beginn

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1) St. 3320, Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 108. Vgl. auch Krabbo, Regesten Nr. 46 u. Lobeck S. 61 Anm. 62.

2) Chron. Mont. Ser. 1136 (MG. SS. XXIII, 144 Z. 30): Conradus Magdeburgensis archiepiscopus peticione Conradi marchionis Misnensis ecclesiam Numicensem (Niemegk bei Bitterfeld), quam pater et mater iam dicti marchionis fundaverant, in nomen et dignitatem abbaciae auctoritatis sue privilegio confirmavit. Vgl. auch unten S. 47.

3) Über den Zug siehe Bernhardi, Lothar S. 603 ff. K. als Zeuge genannt in zwei kaiserlichen Urkunden vom 16. August (St. 3324, 3325, Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 109, 110), ferner in einer Urkunde Erzbischof Adalberts von Mainz vom 19. Aug. (Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 112, Reg. Thur. I Nr. 1321) und in einer in den August gehörenden Urkunde Bischof Embrichos von Würzburg (St. 3328, Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 113). Siehe auch Ann. Saxo 1136 (MG. SS. VI, 770 Z. 40): Inter quos erant precipue . . . Conradus marchio Saxonie. St. 3326, Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 111, wo Konrad ebenfalls unter den Zeugen aufgeführt wird, ist verfälscht.

4) Krabbo, Regesten Nr. 52a, 53.

5) Zeuge in kaiserlichen Urkunden, Correggio Verde (am linken Poufer, gegenüber Guastalla) Okt. 3 (St. 3332, MG. LL. Const. I, 175 Nr. 171, Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 114), im Lager vor San BasSano (zwischen Crema u. Cremona), Mitte Okt. (St. 3336, Cod. dipl. Sax I, 2 Nr. 115). Vgl. über die italienischen Ereignisse Bernhardi, Lothar S. 614 ff. und Erich Caspar, Roger II. (1101--1154) u. die Gründung der normannisch -sizilischen Monarchie (Innsbruck 1904) S. 178 ff.

 

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Markgraf Konrad von Meißen. 19

 

des Jahres 1137 mit dem Hauptheere südwärts gewandt. Mit dem Erzbischof von Magdeburg hat er -- mindestens zeitweilig -- den Vortrupp geführt und einen Angriff der Städter von Ankona aufgehalten, bis Lothar den entscheidenden Schlag führte 1). Auch sonst scheint er auf dem Marsche in engem Zusammenhang mit dem Magdeburger gestanden zu haben. Bei einem Streit zwischen den sächsischen und bayrischen Truppen war es Konrad, der dem Erzbischof Hilfe brachte 2). So ging es an der Küste des Adriatischen Meeres entlang bis weit nach Süditalien hinein, dann hinüber nach Salerno und wieder dem Norden zu 3). Mit dem Heere zog Papst Innozenz II., und daß Konrad diese Gelegenheit benutzte, zeigt die Urkunde, die der Papst für das Kloster Gerbstedt am 3. Oktober zu Tivoli ausstellte. Die Äbtissin des Klosters, Oda, war Konrads älteste Tochter 4).

 

Wir wissen, wie wenig erfolgreich der Feldzug letzten Endes war, daß das Heer heimwärts drängte, und daß auch den gealterten Lothar Todesahnung über die Alpen zurücktrieb. Erschüttert wird Konrad an der Bahre Lothars gestanden haben, auf die der Kaiser sank, gerade als man deutschen Boden wieder betreten hatte. Der Wettiner dankte dem Toten, sozusagen, alles. Mit ihm war er einig gewesen in der Betonung der ostwärts gerichteten Politik und ihrer Bedeutung für die deutschen Lande, und auch der gleiche kirchlich fromme Sinn hatte beide Männer beseelt 5). Daß sie

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1) Ann. Saxo 1137 (MG. SS. VI, 772 Z. 20): Ancunam civitatem adiit. Cuius habitatores contradicentes sibi cum magna multitudine occurrerunt et primos exercitus, qui tunc fuerunt Conradus Magdaburgensis archiepiscopus et Conradus marchio, acriter impugnantes molestaverunt; quos tamen illi valida manu resistentes propulsaverunt.

2) Ebd. Z. 32: Orta est sedicio inter Saxones et Bawarios, in qua spoliatus est Conradus archiepiscopus cum suis fidelibus, sed auxilio Conradi marchionis victi depredati ac fugati sunt Bawarii.

3) Konrad Zeuge in zwei kaiserlichen Urkunden, Aquino Sept. 22 (St. 3353. 3354, Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 119 u. 120).

4) Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 122, jetzt vollständig am besten im Urkundenbuch der Klöster der Grafsch. Mansfeld S. 7 f. Nr. 7: Ode abbatisse monasterii sancti Johannis de Gerbestath. Vgl. Posse, Wettiner Taf. 2 Nr. 4.

5) Über Konrads Religiosität siehe unten S. 48 ff. Lothars Frömmigkeit ist entgegen der absprechenden Schilderung bei Hauck, Kirchengeschichte IV (3./4. Aufl. Leipz. 1913), 121 ff. durch die Überlieferung gesichert. Vgl. Hampe in der Histor. Zeitschrift XCIII (N. F. LVII, 1904), 396 ff.

 

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20 Willy Hoppe:

 

sich nahe gestanden haben, deutet auch die Ehe von Konrads Tochter Sophie mit einem Neffen Kaiser Lothars an 1).

 

Die kommenden Jahre haben Konrad vor schwere Aufgaben gestellt. Entgegen dem Willen Lothars erhielt der Staufer Konrad die königliche Würde. Der Meißner Markgraf hätte seine ganze Vergangenheit verleugnen müssen, wenn er zu der kleinen Partei gehört hätte, die die in allen Punkten widerrechtliche Wahl vornahm. Wir werden ihn unter den sächsischen Fürsten suchen dürfen, die sich unter Richenzas Leitung am 2. Februar vor dem angesetzten Wahltermin in Quedlinburg versammeln wollten, wahrscheinlich um die Wahl von Lothars Schwiegersohn, Heinrich dem Stolzen, vorzubereiten. Albrecht der Bär hat diese Zusammenkunft verhindert 2). Wieder erscheint er im Gegensatz zu seinem wettinischen Gefährten. Kaum ist Lothar dahin, so schwenkt er in das Lager der Staufer. Seine Hoffnung bei dem Kampfe gegen ein machtvolles deutsches Königtum, wie es Heinrich der Stolze zweifellos vertreten haben würde, ist, eigene Ziele verfolgen zu können und im Vertrauen auf seine Erbansprüche sich das Herzogtum Sachsen zu sichern. So sehr man sich hüten muß, im Gegensatz dazu Konrad als einen Förderer kraftvoller Reichspolitik anzusehen, sein Streben, das auf eine Stärkung des ostsächsischen Elementes durch die Wahl Heinrichs des Stolzen ging, war jedenfalls das für Deutschland aussichtsreichere, gesündere. „Es bedeutet einen der tiefsten Einschnitte in den Gang deutscher Geschichte“, lautet ein zweifellos richtiges Urteil aus neuerer Zeit 3), „daß diese Richtung der Reichspolitik jäh durchbrochen wurde durch die Wahl des neuen Königs“. Mit den meisten Fürsten hat sich Konrad diesem Ereignis gefügt und Pfingsten (22. Mai) 1138 in Bamberg dem Staufer gehuldigt 4). Mit dem König ist er aber nicht weiter gegangen, als dieser Heinrich dem Stolzen das Herzogtum Sachsen absprach und Albrecht dem Bären

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1) Geneal. Wettin. (MG. SS. XXIII, 228 Z. 36): Sexta (sc. filia Conradi) Sophia nupsit Gebehardo comiti de Bavaria, filio sororis Luderi imperatoris. Vgl. Bernhardi, Lothar S. 814.

2) Wilh.Bernhardi, Konrad III. I (Leipzig 1883), 11 ff. Krabbo, Regesten Nr. 59. -- Für das Folgende vgl. im allgemeinen neben Bernhardi, Konrad III. I, Giesebrecht IV (2. Bearb.), 169 ff. v. Heinemann, Albrecht d. Bär S. 114 ff., Ludw. Weiland, Das sächsische Herzogthum unter Lothar u. Heinrich d. Löwen (Greifsw. 1866) S. 75 ff.

3) Dietr. Schäfer, Deutsche Geschichte I (Jena 1910) S. 266.

4) Über den Reichstag s. Bernhardi, Konrad III. I, 38 ff. K. ist Zeuge St. 3378, Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 125, d. d. 1138 (Mai 22–23).

 

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21 Markgraf Konrad von Meißen.

 

verlieh. Er läßt sich nicht, wie sein westlicher Nachbar, der Landgraf von Thüringen, es zunächst vermutlich tat 1), an der Neutralität genügen; er greift als ein entschiedener Gegner des königlichen Verfahrens in den Kampf ein und wird ein Glied jenes ostsächsischen Fürstenbundes, den die stets auf ihres Hauses Größe bedachte Richenza schuf 2). Nicht daß Albrecht der Bär Sachsens Herzog geworden war, haben Konrad und die anderen Fürsten rechtlich als Anlaß ihres Widerstandes nehmen können, obwohl gerade der Meißner mißtrauisch die Steigerung der askanischen Macht beobachtet haben wird. Man maß es dem König vielmehr als Schuld bei, daß er den alten Herzog absetzte, ohne das Urteil der sächsischen Stammesfürsten zu heischen 3).

 

Die Geschichte gibt keine Kunde, wie Konrad an den bald einsetzenden Kämpfen teilnahm. Eine leitende Stelle hat er, wenn wir das Schweigen der Quellen richtig deuten, nicht eingenommen. Mit den anderen blieb er beharrlich den Hoftagen fern, die der König ansetzte. Zweifellos hat er unter den Kämpfen gelitten. Alte Beziehungen werden damals brüchig geworden sein: Herzog Sobieslaw von Böhmen stand in engster Verbindung mit dem König 4), ebenso der Bischof von Naumburg 5). Kein Wunder, wenn sein Vogt, der Konrad seit langen Jahren war, mit ihm im Streit lag 6). Da

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1) Theod. Knochenhauer, Gesch. Thüringens zur Zeit des ersten Landgrafenhauses (Gotha 1871) S. 119 f.

2) Ann. Saxo 1138 (MG. SS. VI, 776 Z. 25): Cuius electioni a nonnullis, presertim Saxonie principibus, contradicitur. Siquidem animis accensis Conradus marchio, Fridericus palatinus comes . . ., instigante eos imperatrice Richeza, condixerunt, ut pariter venientes adversus Adalbertum marchionem dimicarent. Sächs. Weltchronik (MG. Deutsche Chroniken II, 210 Z. 31): He (Kg. Konrad) lec oc dat hertochdom to Sassen dem marcgreven Albrechte wider der koninginne Rikezen willen unde wider des hertogen Heinrikes. Dat clagede diu koninginne iren vrunden, deme marcgreven Conrade, palenzgreven Friderike, greven Sifride unde greven Rodolve. Se quemen to stride wider den marcgreven; de gewan den sege unde vieng ere vile. Siehe auch Krabbo, Regesten Nr. 64a.

3) Siehe Weiland a. a. O. S. 77 Anm. 1. Eugen Rosenstock, Königshaus u. Stämme in Deutschland zwischen 911 und 1250 (Leipzig 1914) S. 99 Anm. 33 spricht von einer „Einwilligung des Stammes bei der Erhebung des Herzogs“. Das will mir nicht einleuchten.

4) Ad. Bachmann, Geschichte Böhmens I (Gotha 1899), 302 f. Bertold Bretholz, Geschichte Böhmens u. Mährens bis zum Aussterben der Pfemysliden (1306), (München u. Leipzig 1912) 212 ff.

5) Reg. Thur. I Nr. 1359. Siehe auch C. P. Lepsius, Gesch. d. Bischöfe des Hochst. Naumburg I (Naumbg. 1846), 37.

6) Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 143. Reg. Thur. I Nr. 1412.

 

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22 Willy Hoppe:

 

starb am 20. Oktober 1139 Heinrich der Stolze. Hat der Tod eine Wendung in Konrads Verhalten herbeigeführt? Der Markgraf ist jedenfalls auf dem Frankfurter Reichstag im April 1140 gewesen als einziger der östlichen Fürsten, abgesehen von Ludwig von Thüringen, einem Bruder des Naumburger Bischofs, der inzwischen die staufische Partei ergriffen hatte 1). Konrads Lage war vielleicht doch mehr bedroht, als wir wissen. Nichts hätte den König von Rechts wegen hindern können, Konrad die Lehen abzusprechen, und grundlos betont jedenfalls der Markgraf in einer Urkunde vom 27. Februar 1142 seine Stellung nicht ungewöhnlich stark. Er nennt sich da „durch Gottes Gnade der sächsischen Fürsten alleinigen Besitzer und Schützer der Meißner Mark“ 2).

 

Bald darauf kam der Friede, der keinen Sieg des Königtums, sondern einen solchen des sächsischen Fürstenbundes bedeutete 3). Der Sohn Heinrichs des Stolzen, Heinrich der Löwe, erhielt Sachsen, Albrecht der Bär blieb der Markgraf der Nordmark. Der Staufer hat diesen Sieg des partikularen Elements zeitlebens empfinden müssen und ist zu einem durchgreifenden Einfluß in den östlichen Teilen des Reiches nie gelangt. Das war für Konrad kein Schade. Die Jahrzehnte nach Lothars Tod haben die Stellung Konrads sowohl wie die Albrechts des Bären gestärkt. Auf wen sollte sich der König im Osten stützen, wenn nicht auf die beiden? Von Heinrich dem Löwen hatte er nichts zu erwarten. Und so haben Konrad und Albrecht fortan zueinander gestanden. Sie mochten einsehen, daß beider Interessen am besten gemeinsam

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1) Über den Reichstag s. Bernhardi, Konrad I, 144 f. Konrad ist Zeuge St. 3411 (Mai 1), Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 136, Fälschung, doch verwendbar (s. auch Krabbo, Regesten Nr. 86). Auch auf Grund von St. 3426a, Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 159 (vgl. Reg. Thur. I Nr. 1403, Krabbo, Regesten Nr. 89) ist seine Anwesenheit zu vermuten. Beachte auch, daß ihn die Urkunde Bischof Udos vom 4. Dez. 1140, Zeitz (Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 137, Reg. Thur. I Nr. 1407) im Einvernehmen mit dem Bischof zeigt. Die Urkunde desselben Ausstellers 1140 [Jan.-Febr.], die Konrad unter den Zeugen nennt, ist nicht heranzuziehen (Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 138, Reg. Thur. I Nr. 1391). Es handelt sich um Zeugen der frühestens 1145 vorgenommenen Beurkundung -- Über Ludwig von Thüringen s. Knochenhauer a. a. O. S. 120 ff.

2) Cod. dipl. Sax. I,2 Nr. 154: Conradus unus dei gratia principum Saxonie possessor et tutor Myssinensis marchie. Ob diese Angabe nicht doch in Beziehung zu setzen ist zu der Vermutung von Paul Scheffer-Boichorst, Annales Patherbrunnenses (Innsbruck 1870) S. 167 Anm. 5, daß Konrad damals die Markgrafschaft entzogen wurde? Siehe andrerseits Bernhardi, Konrad I, 80 Anm. 10.

3) Bernhardi a. a. O. S. 278.

 

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23 Markgraf Konrad von Meißen.

 

gewahrt würden. Konrads ältester Sohn, Otto der Reiche, war der Eidam Albrechts des Bären, und diese Verwandtschaft hat sicher auch zwischen den einstigen Rivalen festere Fäden geknüpft. Nach Konrads Tod werden die Beziehungen zu den Askaniern noch engere, da eine Tochter Konrads, Adela, sich in zweiter Ehe mit einem Sohne Albrechts vermählte 1).

 

Wird nun der ehemalige Gegner zu einem Gefährten, der immer und immer wieder die Nähe des Meißners teilt 2), so darf sich Konrad nun auch deutlicher Gnadenbeweise seines Königs erfreuen. Zu Beginn des Jahres 1143 kam dieser zum ersten Male seit Friedensschluß nach Sachsen. Es war selbstverständlich, daß Konrad am Hofe erschien. Huldvoll bestätigte der König auf des Markgrafen Bitte die von Lothar verliehenen Privilegien der Chemnitzer Benediktiner. Die Vogtei des Klosters war durch Lothar in die Hände des Markgrafen gelegt; auch das sollte so bleiben 3). Aber wichtiger war dem Wettiner unzweifelhaft ein anderer Gnadenakt des Königs, die Erweiterung des territorialen Besitzes durch den Rochlitzer Bezirk, der als eine Hinterlassenschaft der Ekkehardiner vor Zeiten dem Reiche zugefallen war. Ob er nun damals schon eine Grafschaft war oder sich erst in den nächsten Jahren zu einer solchen auswuchs, ist gleich. Jedenfalls füllte dieser Landteil, der nicht als Lehen, sondern als Allod, erblich an den Markgrafen kam, ausgezeichnet eine Lücke in dem dort bisher nicht zusammenhängenden Territorium Konrads aus 4). Das folgende Jahr hat dem Wettiner neuen Machtzuwachs

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1) Posse, Wettiner Taf. 4 Nr. 1 u. Taf. 2 Nr. 8.

2) Was sich an der Hand des Cod. dipl. Sax. I, 2 und der Krabboschen Regesten gut verfolgen läßt.

3) St. 3452, Cod. dipl. Sax. II, 6 Nr. 302, I, 2 Nr. 161, Zeitz 1143 [Febr. 2--März 13]: petente et suggerente fideli et dilecto nostro Cunrado marchione decernimus . . . Advocatiam autem marchioni Cunrado a predecessoribus nostris commissam nos etiam commendamus. Vgl. im einzelnen die Reg. Thur.I Nr. 1456 genannte Literatur, insbesondere Hub. Ermisch in v. Webers Arch. f. d. Sächs. Gesch. N. F. IV (1878), 257 ff. u. in der Festschrift z. 750jähr. Jubil. der Stadt Chemnitz (ebd. 1893) S. Vf. u. Posse ebd. S. XIII f. - Vor diesen Zeitzer ist wahrscheinlich ein Merseburger Aufenthalt Konrads am Hofe zu setzen auf Grund der Zeugenschaft in St. 3452a, Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 176 (hier irrig zu 1144 [nach Okt, 17]). Die Urk. gehört zu 1143, nach Febr. 2. Vgl. Reg. Thur. I Nr. 1455 und Krabbo, Regesten Nr. 108. Die Echtheit der von Dobenecker und Krabbo u. auch sonst für verdächtig angesehenen Urk. sucht neuerdings zu erweisen L. Bönhoff im N. Arch. f. sächs. Gesch. XXVII (1906), 1 ff.

4) Chron. Mont. Ser. 1143 (MG. SS. XXIII, 145 Z. 46): Conradus rex dedit Conrado Misnensi et Orientali marchioni et uxori eius Lucarde provinciam Rochelez. Ann. Veteroc. 1147 (MG. SS. XVI, 42 Z. 26): Iste rex dedit Conrado predicto marchioni et suis posteris proprietatem comicie in Rocheliz. Zur Chronologie siehe Lobeck S. 65 Anm. 91, auch Bernhardi, Konrad I, 315 Anm. 13. Für die Entstehung einer Grafschaft erst in konradinischer bzw. nachkonradinischer Zeit Posse, Markgrafen S. 21 Anm. 39 und Bönhoff in N. Arch. f. sächs. Gesch. XXVII (1906), 214. Aber wenn die urkundliche Überlieferung vor Konrad keine Grafschaft Rochlitz kennt, braucht man doch nicht anzunehmen: „der Chronist (zu Altzelle) anticipirte spätere Verhältnisse“ Über die Grafschaft s. Posse, Markgrafen S. 114, 175 Anm. 65, auch Winter in v. Webers Arch. f. d. sächs. Gesch. N. F. III (1877), 214 ff.

 

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24 Willy Hoppe:

 

in jener Gegend gebracht. Damals starb die Witwe von Konrads Bruder Dedo, eine Tochter Wiprechts von Groitzsch. Sie vermachte den Stammsitz ihres Hauses, Groitzsch, an Konrads vierten Sohn 1).

 

So war in die ostdeutschen Verhätnisse zunächst Ruhe gekommen. Ein Königsfriede ist es nicht gewesen. Es herrschte Friede, weil eben die Fürsten durchgesetzt hatten, was Sie erstrebten. Daher ist auch bei Markgraf Konrad nichts von einer so unbedingten Hingabe an den König zu spüren, wie sie ihm einst Lothar gegenüber Wunsch und Wille gewesen. Er besuchte den königlichen Hof, besonders wenn es seine Interessen erforderten, schickte wohl auch seine Söhne 2), aber ihn kümmern in der Folgezeit nur die eigenen,

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1) Chron. Mont. Ser. 1144 (MG. SS. XXIII, 146 Z. 15): Eodem anno obiit Berta comitissa, uxor Dedonis comitis, fratris Conradi Misnensis et Orientalis marchionis, 17. kal. Junii (Mai 16). Hec proprietatem suam Groiz dedit Dedoni filio predicti marchionis, quem ipsa loco filii enutrierat. Ähnlich Geneal. Wettin. (ebd. 229 Z. 5). Der Pegauer Kalender (Mencke, SS. rer. Germ. II [Lips. 1728], 131) gibt den Tod bei 1143, Posse setzt bald dieses Datum (Markgrafen S. 281), bald 1144 (ebd. Stammtafel hinter S. 304, Wettiner Taf. 1 Nr. 26), Un- erwiesen ist seine Kombination (Wettiner Taf. 2 Nr. 1): „Kaiser (!) Conrad III. verlieh ihm 1143 die Grafschaft Groitzsch (Rochlitz)“. Flathe a. a. O. I, 131 spricht richtig vom Stammschlosse Groitzsch. Der Aufsatz von Jul. Löbe, Gräfin Bertha von Groitzsch od. von Morungen (Mittig. d. Dt. Ges. z. Erforschg. Vaterländ. Sprache u. Altert. zu Leipzig VIII, 3 [1890]), 36 bedeutet kaum irgend eine Förderung.

2) So 1144: März 25, Würzburg (St. 3466, Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 164), Otto filius Conradi marchionis et frater eius Dietericus. -- Konrad selbst vermutlich im Mai in und bei Bamberg (St. 3468 -- 3474, Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 165-171). Zur Datierung siehe Bernhardi, Konrad I, 372 Anm. 6. Auf die den Markgrafen näher angehende Urk. St. 3470, Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 167 komme ich unten S. 38 Anm. 4 zurück. -- Im gleichen Jahre, wahrscheinlich November, am Hofe bei Merseburg in ihn ebenfalls berührender Frage (St. 3484. Cod. dipl Sax. I, 2 Nr. 175, Krabbo, Regesten Nr. 123). Ebendahin gehört St. 3485, Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 177, Krabbo, Regesten Nr. 124.

 

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25 Markgraf Konrad von Meißen.

 

die ostdeutschen Angelegenheiten. Eine warme Teilnahme an dem Reiche besteht nicht.

 

Ehe Politik und Heerfahrt Konrad aufs neue in ihren Bann zogen, hat er sich eine Pause zu inniger Erbauung gegönnt. Sein Sinn stand nach den heiligen Stätten des Morgenlandes. In den Frühlingstagen des Jahres 1145 hat er Jerusalem schauen dürfen. Spätestens bei Beginn des Jahres wird er aufgebrochen sein, vermutlich nachdem er dem ältesten Sohne seine Vertretung übertragen hatte. Seine Gemahlin blieb im Stift Gerbstedt in der Nähe der Äbtissin-Tochter 1). Eine kleine Schar war es, die sich der nicht ungefährlichen Wallfahrt unterzog, vor allem sächsische Herren, die Konrad auch sonst nahe gestanden haben werden: der Bischof Udo von Naumburg, ein Naumburger und ein Halberstädter Propst, ein Abt, ein paar Ministerialen Konrads, dazu ein Graf Otto von Rieneck, der ein Verwandter Albrechts des Bären war, und vielleicht auch der alte Wendenfürst Pribislaw, als Christ Heinrich von Brandenburg genannt 2). Über die eigentliche Reise ist kaum etwas bekannt. Das Grabeskloster zu Jerusalem, wo man anscheinend Wohnung nahm, hat Konrad durch eine ansehnliche Memorienstiftung bereichert. Entsprechend dem mittelalterlichen Brauche ließ sich der Markgraf in die Brüderschaft des Klosters aufnehmen 3).

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1) Chron. Mont. Ser. 1135 (MG. SS. XXIII, 144 Z. 21): Conradus Misnensis marchio Jerosolimam profectus est, doch zu 1145 gehörend. Siehe Lobeck S. 60 A. 57. - Chron. 1146 (ebd. 146 Z. 30): eo tempore Conradus marchio a peregrinacione transmarina rediens. Die Anwesenheit in Jerusalem für 1145 Mai 19 belegt durch Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 181. Unter den vielen sächsischen Fürsten, die sich auf einem Magdeburger Landtag um Weihnachten bei König Konrad sammelten, werden Konrad und der mit ihm reisende Naumburger Bischof nicht genannt (Bernhardi, Konrad I, 394). Sie mögen damals schon außer Landes gewesen sein Über die Regentschaft siehe Lobeck S. 68 Anm. 111, über Luitgards Aufenthalt ebd. S. 69 Anm. 112.

2) Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 181 u. 188. Der Graf Otto v. Rieneck ist der Schwiegersohn Albrechts d. Bären (v. Heinemann a. a. O. S. 176 f.), möglicherweise auch dessen gleichnamiger Vater (über ihn siehe Bernhardi, Konrad I u. II passim, auch Jul. Wegeler, Beiträge z. Specialgeschichte der Rheinlande [I] 2. Aufl. (Coblenz 1878), 6 ff. Den Henricus de Brandenburch identifiziert zum ersten Male Hauck a. a. O. IV, 620 Anm. 5.

3) Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 181, 188, 189. -- Die Angabe bei Franz Blanckmeister, Sächs. Kirchengeschichte, 2. Aufl. (Dresden 1906) S. 34, Konrad habe sich bei Damaskus gegen die Sarazenen durch Waffentaten hervorgetan, beruht auf keiner ernsthaften Überlieferung.

 

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26 Willy Hoppe:

 

Es mochte Anfang des Jahres 1146 geworden sein, als Konrad zurückkam 1), Düster klang die erste Kunde aus der Heimat, die ihn in Bayern erreichte: seine Luitgard war nicht mehr 2). Am 19. Juni 1145 war sie in Gerbstedt entschlafen. Ärger über den Lauterberger Propst hatte anscheinend den Tod der Kränkelnden beschleunigt, und Verdruß erwartete auch den Witwer; denn nicht im Stifte auf dem Lauterberge, der von Konrad lange vorbereiteten Ruhestätte seines Hauses, war die Tote bestattet worden, sondern der Gerbstedter Erde hatte man auf den Rat des Grafen Hoier von Mansfeld den Leichnam übergeben. Konrad wurde durch dieses Vorgehen, das alte, lieb gewordene Gedanken störte, offenbar tief verletzt. Der zornige Eidschwur, er werde den Grafen zwingen, die Tote mit den Händen wieder auszugraben, zeigt, wie schwer er getroffen war. In der Tat hat Graf Hoier über ein halbes Jahr nach der ersten Bestattung noch die Ausgrabung bewirkt, und zwar heimlich und in der Nacht.

 

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Im Süden der Böhme, im Westen der Thüringer, im Norden Albrecht der Bär, im Osten der Polenherzog -- so kann man die Nachbarn der konradinischen Lande kurz bezeichnen. Wie stark oder wie schwach die Beziehungen unseres Markgrafen zu letzterem waren, vermögen wir nicht zu erkennen. Nur mutmaßen dürfen wir, daß Konrad wachsamen Auges gen Osten spähte, als der Tod des alten Boleslaw (1139) dort eine Zeit böser Thronstreitigkeiten herbeiführte 3).

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1) Man beachte die S. 25 Anm. 1 angeführte zweite Stelle des Chron. Mont. Ser. und Lobeck S. 69 Anm. 111. Die Zeugenschaft Konrads in der im Bistum oder doch in der Nähe ausgestellten Urk. Bischof Udos von Naumburg (Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 186, Reg. Thur. I Nr. 1539), dat. 1145 ind. 8, also vor September, ist chronologisch nicht gesichert. Die Zeugen sind dieselben wie Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 138, Reg. Thur. I Nr. 1391 (1140). Ebensowenig ist Konrads Zeugenschaft in einer Urkunde desselben Ausstellers (Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 187, Reg. Thur. I Nr. 1549), dat. 1145 ind. 9, chronologisch verwendbar. 1146 April 15 ist Konrad sicher wieder daheim. Siehe unten S. 27 Anm. 2.

2) Zum folgenden s. Chron. Mont. Ser. 1146 (MG. SS. XXIII, 146 Z. 30 ff.), dazu Lobeck S. 26 u. 69, dem sich Posse, Wettiner S. 44 Abs. 1 anschließt. Über die Beziehungen zu Gerbstedt und Lauterberg s. unten S. 49 ff.

3) Darüber im allgemeinen Rich. Roepell, Gesch. Polens I (Hamburg 1840), 294 ff., 343 ff., Ludw. Giesebrecht, Wendische Geschichten III (Berlin 1843), 13 ff., auch Wersche in d. Zeitschr. d. histor. Gesellschaft f. d. Prov. Posen III (1888), 281 ff.

 

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27 Markgraf Konrad von Meißen.

 

Auch der deutsche König hat damals in die polnischen Wirren eingreifen müssen. In einem Feldzuge suchte er seinen Schwager, den vertriebenen ältesten Sohn Boleslaws, Wladislaw, wieder in seine Macht einzusetzen 1). Im August des Jahres 1146 hat auch Konrad daran teilgenommen. Nach einem Landtage am 14. April zu Kayna, zwischen Zeitz und Altenburg, und einer Besprechung zwischen dem Könige und den sächsischen Fürsten Anfang August 2) ging ein Heer, das in der Hauptsache wahrscheinlich aus Truppen Konrads und Albrechts bestand, gegen Schlesien vor. Diesen beiden Fürsten hatte König Konrad es zu danken, daß der erbärmlich gescheiterte Feldzug überhaupt noch mit Unterhandlungen endete 3), und daß die polnischen Brüder Boleslaw und Mieczyslaw nicht mit ihren ansehnlichen Streitkräften zum Angriff vorgingen. So ruhmlos der Feldzug für den König ausging, für Konrad lagen die Dinge anders. Wenn nicht früher, so hat er in jenen Jahren durch eine Heirat seines Sohnes Dietrich mit einer Schwester der polnischen Herzöge die Beziehungen gefestigt. Es war die gleiche Politik, wie sie Albrecht der Bär trieb 4). Beiden ostdeutschen Fürsten konnte an der Einigung Polens unter einer festen Hand nichts gelegen sein. Bei dem schwankenden Zustand der polnischen Verhältnisse blieb ihnen immer die Hoffnung, auf diese oder jene Weise ihren Einfluß, vielleicht geradezu ihren Machtbereich auszudehnen, eine Hoffnung, die freilich getrogen hat 5).

 

Selbstverständlich hat ein Fürst wie Konrad, der im Mittelpunkt der ostdeutschen Politik stand, an dem Slawenkreuzzug des Jahres 1147 führend teilgenommen. Die berauschenden Worte Bernhards von Clairvaux, die während des

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1) Bernhardi, Konrad II, 487 ff.

2) Die (nicht bezeugte) Anwesenheit zu Kayna darf man vermuten. Vgl. Reg. Thur. I Nr. 1551a, auch Bernhardi, Konrad II, 466 f. Konrad kann bei der Nähe des Ortes trotzdem (entgegen Lobeck S. 27) am 15. April Beurkundungszeuge zu Zeitz sein (Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 192, Reg. Thur. I Nr. 1552). -- Über die August-Besprechung s. Bernhardi a. a. O. S. 491.

3) Ann. Magd. 1146 (MG. SS. XVI, 188 Z. 8f): Consilio Adalberti et Conradi marchionum, obsidibus datis vicissim, regem adeunt (die polnischen Herzöge) usw. Ähnlich Chron. Mont. Ser. 1146 (MG. SS. XIII, 147 Z. 4 ff.). Beachte auch Vinc. Prag. Ann. (MG. SS. XVII, 664 Z. 11): Poloni quorundam sapientum utentes consilio regem Conradum pecunia lentunt.

4) Posse, Wettiner Taf. 2 Nr. 6, Bernhardi, Konrad II, 713. Krabbo, Regesten Nr. 156.

5) Siehe Krabbo, Regesten Nr. 156, 169b, 170, 188.

 

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28 Willy Hoppe:

 

Reichstages zu Frankfurt im März 1147 an Sein Ohr drangen 1), haben auch auf ihn ihre Wirkung ausgeübt. In der Folgezeit fanden noch einige Besprechungen statt 2). Auch nach Nürnberg ist Konrad noch einmal zu einem Reichstag (April 23) gezogen 3), dem letzten, den der König vor seinem Kreuzzug nach dem Orient abhielt. Etwa Anfang August brachen die Slawenfahrer auf 4), Konrad mit anderen Fürsten, u. a. Albrecht dem Bären und Erzbischof Friedrich von Magdeburg, an der Spitze eines Südheeres. Seine Teilnahme ist im einzelnen nicht zu verfolgen, doch müssen wir ihn unter den anderen auf dem Marsche durch das Gebiet der Liutizen suchen, bei der erfolglosen Belagerung von Demmin und auf der sicherlich nicht frohen Heimkehr. „Das törichtste Unternehmen, das das zwölfte Jahrhundert kennt“, lautet ein treffendes Urteil über jenen Kreuzzug 5). Die stolzen Pläne, die Konrad als einen stark an der Unterwerfung der Slawen interessierten Fürsten erfüllt haben, waren schmählich vereitelt, Ausrottung oder Bekehrung -- unter diesem Zeichen war man in Sumpf und Sand hinausgezogen, und es kann keinem Zweifel unterliegen, daß Konrad trotz der immerhin vorhandenen religiösen

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1) Zeuge März 15 (St. 3539, Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 197), März 23 (St. 3540, Cod. dipl. Sax. I, 3 Nr. 198). In die gleiche Zeit gehören St. 3543, 3544, Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 199, 200, Reg. Thur. I Nr. 1568, 1569. -- Über den Reichstag siehe Bernhardi, Konrad II, 545 ff, bes. 548 f. u. Hauck a. a. O. IV, 628 f.

2) Zeuge zusammen mit seinem Sohne Otto in Urk. Erzbischof Friedrichs von Magdeburg, Magdeburg 1147 April 16 puplice in sinodo (Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 202, vgl. Krabbo, Regesten Nr. 147, 148), von Lobeck S. 28 zu Unrecht bezweifelt (s. unten Anm. 3). -- Auf eine Besprechung zu Germersleben, sw. Magdeburg, am 1. Juni, convenientibus omnibus fere Saxonie episcopis et principibus, weist Bernhardi, Konrad II, 565 hin.

3) Zeuge am 24. April (St. 3547, Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 203, Reg. Thur. I Nr. 1573). Die Reise dorthin offenbar direkt von der Anm. 2 genannten Magdeburger Synode aus mit mehreren von deren Teilnehmern (s. Krabbo, Reg. Nr. 149). Über den Reichstag s. Bernhardi a. a. O. 560.

4) Über den Zug s. im allgemeinen Bernhardi a. a. O. 563 ff., Giesebrecht, Wend. Geschichten III, 24 ff., Hauck IV, 629 ff., auch Krabbo, Regesten Nr. 152 ff. -- Ann. Magd. 1147 (MG. SS. XVI, 188 Z. 36): In una societate convenerant Fridericus archiepiscopus Magadaburgensis . . . Conradus marchio, Adalbertus marchio. Helmold. Chron. Slav. ed. II rec. B. Schmeidler (MG. SS. in us. schol., Hannov. et Lips. 1909) S. 119 Z. 11: Huius vero expedicionis capitanei erant Albero Hammemburgensis et universi Saxoniae episcopi, preterea . . . Conradus de Within. Siehe auch Chron. Mont. Ser. 1147 (MG. SS. XXIII, 147 Z. 13).

4) Hauck IV, 628.

 

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29 Markgraf Konrad von Meißen.

 

Beweggründe auf rein weltliche Vorteile, wenn auch vielleicht indirekte, gerechnet hatte. Der Erfolg war für die deutsche Missionsarbeit ein Rückschlag, und deren ruhigen Gang unheilvoll gestört zu haben, ist in den Augen des Historikers als „des rückwärts gewandten Propheten“ ein politischer Fehler, von dem man den sonst so nüchtern und klar blickenden Konrad nicht freizusprechen vermag. Indessen er war eine Welle in dem gewaltigen Strome, und als ein Kind seiner Zeit trieben ihn die Wasser dahin.

 

Zu den Teilnehmern an dem Wendenkreuzzug hatte auch der jugendliche Herzog von Sachsen, Heinrich der Löwe, gehört. Das Geschick hatte Konrad einst eng an die Seite von dessen Großvater und Vater gestellt. Nun schien er der Politik des Enkels und Sohnes nicht mehr folgen zu können. Es ist zwar nichts darüber bekannt, inwieweit Heinrich seinen herzoglichen Einfluß auch auf die östliche Grenzmark, die Konrad innehatte, auszudehnen suchte, indessen zeigt die in den nächsten Jahrzehnten ständige Opposition der Wettiner und übrigens auch der Askanier gegen ihn, daß bei dem Anwachsen der Macht des Löwen auch für das Meißner Land etwas auf dem Spiele stand 1), Da hat schon der Gründer des wettinischen Staates richtig erkannt, daß es gelte, die Macht des Herzogs nicht noch stärker werden zu lassen. Reichstreue hat ihn sicher nicht in erster Linie zu den Tagungen geführt, die König Konrad ansetzte, um das Problem „Heinrich der Löwe“ zu lösen 2). Konrad war nicht mehr der kleine Fürst, der sorgsam auf den sächsischen Herzog als seinen Schützer zu blicken hatte. Die Schwingen waren gewachsen, und das Geschlecht der Wettiner schickte sich an, sie ungehindert zu heben. Neben Konrad stand Albrecht der Bär, der noch stärkere, persönliche Gründe hatte, die Politik des Königs gegen Heinrich zu unterstützen 3). Auch

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1) Weiland a. a. O. S. 146.

2) Zeuge gelegentlich einer Würzburger Tagung Mitte Sept. 1151 (St. 3585 --3587, Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 227, 229, 230). Auch ein Brief Wibalds von Corvey nennt ihn unter den Teilnehmern: Et de laicis principibus convenerunt marchio de Witin, marchio de Brandeburch (Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 231). Vgl. über den Tag Bernhardi a. a. O. 886 f., 891, auch Krabbo, Regesten Nr. 180. -- Beachte auch die Zeugenschaft (Konrad u. seine Söhne Otto, Dietrich, Heinrich) in königlicher Urkunde zu Altenburg 1151 Nov. 13 (St. 3594, Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 222, zur Datierung s. Krabbo, Reg. Nr. 188). Vgl. Bernhardi a. a. O. 901.

3) v. Heinemann, Albrecht d. Bär S. 143 f., Henry Simonsfeld, Jahrbücher des Deutschen Reiches unter Friedrich I. I (Leipzig 1908), 95 Anm. 296.

 

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30 Willy Hoppe:

 

bei dem Meißner werden spätere persönliche Erlebnisse mitgeholfen haben, die Stimmung gegen den Löwen nicht versöhnlicher werden zu lassen. Denn vielleicht schon damals (1151), sicher aber in der nächsten Zeit hat er das Geschick seiner Tochter Adele mit dem des Dänenkönigs Swen verknüpft, der sich eines von Heinrich dem Löwen unterstützten Nebenbuhlers Kanut zu erwehren hatte 1) Inwieweit Konrad nun an dem Kampfe, den König Konrad Ende 1151 gegen den ehrgeizigen Herzog begann 2), teilgenommen hat, ist uns nicht überliefert, sicher aber ist, daß ihn der, soweit es Sachsen angeht, ruhmlose Ausgang getroffen hat.

 

Wie ganz anders muß Konrad den bald erfolgten Tod des Königs (15. Februar 1152) empfunden haben als den seines Vorgängers! Damals schied ein fürstlicher Freund von ihm, mit den ihn gleiche politische Ziele verbanden; der Mann, der jetzt starb, hat für die östlichen deutschen Verhältnisse und die Beziehungen zu den anliegenden Ländern keine Bedeutung gehabt. Auf sich selbst war ein Mann mit den Aufgaben des meißnischen Markgrafen gestellt, und dieses Gefühl eigener Machtvollkommenheit haben die Regierungsjahre König Konrads unfehlbar gesteigert. Daß der neue Herr, Friedrich Barbarossa, an dessen Wahl Konrad unseres Wissens nicht teilgenommen hat 3), diesem Umstande Rechnung trug, hat das Verhältnis des wesentlich energischeren Nachfolgers König Konrads zu dem Markgrafen erleichtert.

 

Der erste Reichstag des jungen Friedrich fand am 18. Mai 1152 zu Merseburg statt. Dort hat sich der Wettiner mit seinen Söhnen eingefunden 4). Die drei Hauptpunkte der Tagung berührten ihn durchweg: die vergeblich versuchte

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1) Posse, Wettiner Taf. 2 Nr. 8, der ebenso wie Lobeck S. 34 1152 als Jahr der Verlobung mutmaßt. -- Über die dänischen Dinge siehe Bernhardi a. a. O. 571 f., 824 ff., 896 ff. Das Schreiben Swens Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 226, aus dem sich eine für Swen vermittelnde Tätigkeit Konrads ergäbe, gehört nicht unter die wettinischen Urkunden! Es nennt Konrad nicht. Siehe Bernhardi a. a. O. 898 Anm. 33, Krabbo, Regesten Nr. 191.

2) Bernhardi a. a. O. 903 f.

3) Simonsfeld a. a. O. 31 f.

4) Über den Tag siehe Simonsfeld a. a. O. 76 ff. Conradus marchio de Misna et fili eius Zeugen St. 3626, Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 234, Merseburg 1152 Mai 18. Siehe zu der Urk. im einzelnen Simonsfeld 76 ff. Anm. 234. Hist. Aug. (MG. SS. XXIV, 651 Z. 6) nennt Konrad gleichfalls als Teilnehmer. Ebenso führt ihn eine Urkunde Heinrichs des Löwen, Merseburg 1152 Mai 18, unter den Zeugen auf, St. 3627, Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 235. Vgl. Simonsfeld 98 Anm. 305.

 

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31 Markgraf Konrad von Meißen.

 

Einigung Albrechts des Bären mit Heinrich dem Löwen, die nach Urteil und Rat der Fürsten erfolgte Anerkennung des Dänen Swen und die Verleihung der Regalien an seinen Neffen, den eben -- nicht gerade rechtmäßig - auf den Magdeburger Stuhl berufenen Bischof Wichmann von Naumburg-Zeitz. Der letzte Punkt dürfte vielleicht nicht ganz ohne seine Fürsprache geregelt worden sein; berührten sich doch mannigfach die magdeburgischen und die wettinischen Interessen. Auch daß er von dem vorerwähnten Zwist Albrechts des Bären tiefer betroffen wurde, als die Quellen melden, beweist die Teilnahme an dem Würzburger Hoftage am 13. Oktober des Jahres, der den Streit bis auf weiteres beendete 1). Konrads Rat konnte dem jungen Herrscher schon etwas gelten, und der Markgraf hat sich, so oft Friedrich nach Sachsen kam, stets an seinem Hofe eingestellt. Wir sehen ihn dort im Frühjahr des Jahres 1154 2) und ebenso im Juni. Damals hat er zu Goslar an dem Urteil der Fürsten teilgenommen, das Heinrich dem Löwen das lange erstrebte Bayern zusprach 3). Es war eine der letzten größeren Reichsaktionen, bei der er handelnd zugegen war. Dem Romzuge dieses Jahres ist er ferngeblieben. Vielleicht hat der älteste Sohn teilgenommen 4). Es scheint, daß Konrad der bald erneut einsetzenden Opposition der ostsächsischen Fürsten gegen Heinrich den Löwen nicht ganz fern gestanden hat 5). Inzwischen senkte sich aber das Leid tiefer auf sein Leben herab. Ein widriges Geschick hatte seine Tochter Adele

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1) Zeuge Okt. 16 (St. 3645, Reg. Thur. II Nr. 25; fehlt im Cod. dipl. Sax. I, 2); Okt. 17 (St. 3646, Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 236); OKt. 18 (St. 3648, Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 237 mit falscher Datumauflösung und Zitierung von St.); Okt. 20 (St. 3650, Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 238); Okt. (St. 3652, Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 239). Über den Tag Näheres bei Simonsfeld 128 ff. -- Es ist zweifelhaft, ob Konrads Anwesenheit auf Friedrichs erster bayerischer Tagung (Regensburg, Ende Juni und Anfang Juli) angenommen werden darf. Die betreffende Urkunde (St. 3633; Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 247 mit irriger Datierung) ist mindestens sehr verdächtig. Siehe Simonsfeld 105 Anm. 341, Krabbo, Regesten Nr. 219.

2) Zeuge Quedlinburg 1154 April 11 (St. 3684, Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 250, Reg. Thur. II Nr. 67). Vgl. Simonsfeld 217 f. -- Man möchte annehmen, daß Konrad auch Ostern (4. Apr.) mit dem König in Magdeburg verlebte, Simonsfeld 214 f.

3) Zeuge St. 3692; Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 251 (hier zu 1154 April). Näheres über die Urkunde und den Tag bei Simonsfeld 225 ff., bes. S. 227 f. Anm. 46.

4) Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 255. Vgl. Krabbo, Regesten Nr. 239, 240.

5) Beachte seine Zeugenschaft in der Urkunde des scharfen Gegners Heinrichs des Löwen, Erzbischof Hartwigs von Bremen, Halle 1154 Sept. 19 (Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 253, Krabbo, Regesten Nr. 239).

 

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32 Willy Hoppe:

 

betroffen. Man hat der Fürstin, wohl zu Unrecht, vorgeworfen, daß sie den Sinn des Gemahls von der alten, nach dänischer Anschauung besseren Landessitte abgezogen und sächsischem Wesen geneigt gemacht habe. Auf jeden Fall hat Swen das Vertrauen seiner Untertanen nicht gewinnen können 1). Hilfe gegen den Rivalen kam nicht, und Markgraf Konrad hat heimtückischen Plänen seines Eidams mit kräftigen Worten seine Unterstützung versagt 2). Es blieb nur schleunige Flucht übrig, die bei dem Schwiegervater auf dem Landsberg bei Halle endete. Hier hat Swen mit Frau und Tochter mehrere Jahre zugebracht 3) Es waren zugleich die letzten Lebensjahre des Wettiners.

 

Ende Oktober 1155 führten ihn Reichsgeschäfte noch einmal an den Hof nach Würzburg 4). Als des Reiches Fürsten

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1) Saxonis Gramm. Gest. Dan. ed. Alfred Holder (Straßbg. 1886) S. 470 Z. 20 ff. Vgl. Simonsfeld 280 ff.

2) Ebd. 479 f., bes. 480 Z. 27: Malle igitur se (Konrad) generum tiliamque cum nepote ex ea suscepto cruci subfixos videre, quam fidei et synceritatis opinionem tot annis servatam extreme etatis infamia corrumpere, Worte, denen gegenüber Lobeck S. 35 f. m. E. allzu kritisch ist.

3) Helmold a. a. O. S. 166 Z. 9: Cum uxore et familia fugit (Swen) . . . Cupienti igitur transire per terram suam multam exhibuit comes (Adolf von Holstein) humanitatem divertitque in Saxoniam ad socerum suum Conradum marchionem de Within et mansit illic annis fere duobus. -- Saxo Gramm. a. a. O. S. 483 Z. 31 ff.: Sueno, continuato apud socerum exilio triennium emensus, ipso defuncto, Saxonum Satrape Henrico . . . pecuniam pollicetur ingentem, si . . . -- Hist. Danorum Roskild. (M.G. SS. XXIX, 25 Z. 34): Sueno vero expulsus a Dania fugit in Saxoniam ad socerum suum ducem Saxonie, cum quo fere tribus annis mansit, a regno remotus. Tercio demum Anno . . . remeavit. -- Hist. regum Dan. dicta Knytlingasaga (MG. SS. XXIX, 306 Z. 20): en hann kom til Landesbergs til Konrads margreifa, mags sins, ok var par 3 manudr. -- Lobeck S. 76 Anm. 166 f. möchte den Aufenthalt auf die Zeit von Herbst 1154 bis Herbst 1156 bemessen. Siehe auch Ludw. Giesebrecht, Wend. Geschichten III, 63 A. 1.-- Über das Enkelkind Konrads aus Adelas Ehe herrscht Unklarheit. So sprechen Giesebrecht a. a. O. 63, Simonsfeld 283 von einem „Enkel“. Nach der Geneal. Wettin. (MG. SS. XXIII, 228 Z. 32) war es aber eine Enkelin Lucardis, die noch vor dem Vater, d. h. vor dem 23. Okt. 1157, gestorben ist (s. Posse, Wettiner S. 44 Nr. 8: quo mortuo sine liberis). Der oben Anm. 2 angeführte Ausdruck „nepos“ bei Saxo Gramm. bedeutet hier „Enkelkind“ (s. Lor. Diefenbach, Glossarium latino-germanicum mediae et infimae aetatis [Francof. ad Moen. 1857] S. 378: „enicklein“). Freilich mag das Suscepto an einen Enkel denken lassen. Das wäre dann aber gegenüber der sicheren Nachricht der Geneal. Wettin, als Irrtum zu betrachten.

4) Konrad ist Mitglied eines Fürstenrates betr. die Mainzölle: St. 3767, Cod. dipl. I, 2 Nr. 269, Krabbo, Regesten Nr. 247. Siehe über den Tag Simonsfeld 392 ff.

 

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33 Markgraf Konrad von Meißen.

 

im Juni des folgenden Jahres in derselben Stadt erneut zusammentraten, um mit großem Prunk die Hochzeit König Friedrichs zu begehen, geschieht des Meißners nirgends Erwähnung. Man dachte wohl schon an sein nicht zu fernes Ableben, versprach doch Friedrich damals dem böhmischen Herzog heimlich die Rückgabe Bautzens 1). Konrad drückten damals mindestens 58 Jahre, eine Spanne Zeit, die in jener raschlebigen Epoche mehr besagte als heutzutage. Zu einer Krankheit, die ihn plagte, trat das Gefühl der Buße, die Sehnsucht, im Arme der Kirche den Frieden zu finden, den das an Mühen reiche Leben nicht gespendet hatte. So gewann gegen Ende des Jahres 1156 ein Vorhaben 2) in Konrad festere Gestalt, das von seinen Zeitgenossen schon mehrere ausgeführt hatten: wie Ludwig von Thüringen nach Reinhardsbrunn, wie Wiprecht von Groitzsch nach Pegau seinen Weg fand 3), so lockte Markgraf Konrad die Stille Zelle im Petersstift bei Halle. Inmitten der Meißner Geistlichkeit und der Großen seines Landes legte er in der Bischofsstadt seiner Mark an der Elbe die Waffen ab 4); dann zog er hinüber zu dem Berge des heiligen Petrus unfern der Saale. Erlesen waren die Herren, die ihn hier am 30. November 1156 umgaben: voran die fünf Söhne, sodann der Erzbischof von Magdeburg und der, welcher ihm zuletzt in treuer Freundschaft verbunden gewesen war, Albrecht der Bär, und andere mehr. Die letzten Verfügungen wurden getroffen, den Söhnen, die nun schon die Herren der einzelnen wettinischen Lande waren 5), Ermahnungen gegeben. Am Hochaltar kleidete Wichmann den Weltmüden in das geistliche Gewand. Eine

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1) Simonsfeld 435 f. Bertold Bretholz, Gesch. Böhmens u. Mährens (München u. Leipzig 1912) S. 255, auf Grund von Vinc. Prag. Ann. (MG. SS. XVII, 666 Z. 22 f.).

2) Ann. Palid. 1156 (MG. SS. XVI, 90 Z. 4 ff.): Conradus marchio pacis amator, . . . diesque suos cum honore deducens, novissime cum languore correptus esset, apud montem Ethereum communionem religiosorum expetiit. Ausführlicher im Chron. Mont. Ser. 1156 (MG. SS. XXIII, 150 Z. 7 ff.). Auch Geneal. Wettin. (ebd. 228 Z. 40 ff). Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 262

3) Knochenhauer a. a. O. S. 78. Blumschein in Zeitschr. des Ver. f. thür. Gesch. N. F. II (D. g. F. X, 1882), 394.

4) Cod. dipl. Sax. I, 2, 178 Z. 38 f: qui presentes affuerunt eo die quando in Misne arma deposui.

5) Chron. Mont. Ser. 1156 (MG. SS. XXIII, 150). Ann. Veterocell. ed. Opel S. 180 (Mitteil. d. deutschen Gesellsch. in Leipzig I. 2, Leipzig 1874). Daß die Teilung des Besitzes an jenem Tage stattgefunden habe, wie die Literatur meist angibt (z. B. Lobeck S. 37 f., Simonsfeld 503 f.), ist quellenmäßig nicht zu belegen.

 

Neues Archiv f. S. G. u. A. XL. 1. 2.

 

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34 Willy Hoppe:

 

Erschütterung, die sich zum Teil in Tränen auslöste, ging durch die Versammlung, zog doch ein Mächtiger dieser Erde einen Weg, dessen Enge jene waffen- und lebensfrohe Zeit stark empfunden hat. Der Laienbruder Konrad (Chorherr oder gar Mönch im eigentlichen Sinne ist er nie gewesen) 1), hat sein Asyl nicht wieder verlassen.

 

3. Konrad als Landesfürst.

 

Was hat das Leben, das da zur Rüste ging, für das Geschlecht der Wettiner, für ihr Land bedeutet? Zunächst einmal: wie gliederte sich dieses Land in den Verband des Herzogtums Sachsen, in den größeren des Reiches ein? Denn von dem alten sächsischen Stammesgebiet aus waren die östlichen Slawenmarken unterworfen worden, von dort aus war ursprünglich die Verwaltung in Angriff genommen, das dortige Recht hat auf dem jungen Boden der Marken Geltung gewonnen. So waren Beziehungen vorhanden, aber sie haben keine staatsrechtlichen Folgen gehabt 2). Wo sich die sächsischen Fürsten sammeln zu Wort oder Tat, da tritt meist auch Markgraf Konrad in ihren Kreis. Er gehört zu dieser Gruppe ebenso wie Albrecht der Bär. Beide aber sind von dem Träger der Herzogsgewalt unabhängig. So ist es zu Lothars Zeit gewesen und unter Heinrich dem Stolzen und seinem Sohne geblieben. Gleichwohl mag man nicht in Abrede stellen, daß der Herzog versucht hat, seinen rechtlichen Einfluß auf die konradinischen Marken auszudehnen. Die Ereignisse von 1123, wo Konrad doch vor allem durch den Herzog Lothar die Markgrafschaft erhielt, zeigen, wie weit die Gewalt des Herzogs damals schon reichte. Die Erhebung Lothars zur königlichen Würde, die ihn seinen herzoglichen Absichten vielfach entzog, ist dann vielleicht für die selbstständige Stellung Konrads von Segen gewesen. Losgelöst von hemmenden Banden war seine Mark ein Lehen unmittelbar aus der Hand des Königs, d. h. also mit allen den weiten Befugnissen, wie Sie gemeinhin dem Herrscher eigneten. Der

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1) Geneal. Wettin. (MG. SS. XXIII, 228 Z. 41): Pauper pauperibus pro veris diviciis associatur 2. Kal. Decembris conversus. Siehe über diese sehr einfache Stellung Gerh. Burck, Stand u. Herkommen der Insassen einiger Klöster der ma. Mark Meißen (Leipz. phil. Diss. 1913) S. 46 f.

2) Siehe darüber Weiland a. a. O. S. 38, 56ff., 67, 70f., 87, 146, auch Eugen Rosenstock, Königshaus u. Stämme in Deutschland zwischen 911 und 1250 (Leipzig 1914) S. 130.

 

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35 Markgraf Konrad von Meißen.

 

Beamtencharakter, der ehedem die Markgrafen gekennzeichnet hatte, ist bei Konrad nicht mehr zu spüren. Er ist der erste Reichsfürst innerhalb seiner Familie, zu einer Zeitenwende, wo Bildung und Schichtung des Reichsfürstenstandes bedeutenden Wandlungen unterworfen sind 1). Daß die reichsfürstliche Stellung Konrads von vornherein gleichmäßig stark ausgeprägt gewesen sei, wird man wahrscheinlich bezweifeln dürfen. Es galt, sich durchzusetzen und sich emporzuschwingen.

 

Hand in Hand mit der Festigung des reichsfürstlichen Elementes geht die des landesfürstlichen. Beide haben einander geradezu gestärkt. Die landesfürstliche Hoheit aber hat ihren Grund in einer immer stärkeren Steigerung, immer schärferen Anspannung der markgräflichen Amtsgewalt und in deren Vererbung an die Söhne. Es gibt keinen bündigeren Beweis für das Bewußtsein der Territorialhoheit in Konrad als die Tatsache, daß er vor seinem Tode kurzerhand die ihm vom Reiche übertragenen, zunächst doch für das Reich verwalteten Gebiete zusammen mit seinen Eigengütern unter seine Söhne teilt 2). Immerhin mag Kaiser Friedrich I. seine Genehmigung dazu gegeben haben, wie er in späteren Jahrzehnten noch einmal seine Rechte geltend zu machen suchte. Zweifach sind die Aufgaben, die Konrad in seinem Markgebiet hauptsächlich obliegen: eine richterliche und eine militärische. Beide Tätigkeiten galten dem Schutze für die Mark und durch deren Befriedung und Sicherung auch dem Schutze für das dahinter liegende Reich. Im einzelnen erfahren wir über die richtende Tätigkeit Konrads 3) als eines Markgrafen, die natürlich nur eine oberstrichtende war, nichts. Das Allgemeine, das hier übergangen werden darf, läßt sich aus den Jahrzehnten nach seinem Tode schließen, gibt es doch nichts Zäheres als „Gesetz und Rechte“. Das „Dingen bei

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1) Karl Friedr. v. Posern-Klett, Zur Gesch. d. Verfassung d. Markgrafschaft Meißen im 13. Jahrh (Mitteilg. d. Dt. Ges. z. Erforschg. vaterländ. Sprache u. Altert. in Leipzig II, Leipzig 1863) S. 15 ff. Siehe auch Jul. Ficker, Vom Reichsfürstenstande I (Innsbruck 1861), 191; Rich. Schröder, Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte, 5. Aufl. (Leipzig 1907) S. 504 ff.

2) Siehe oben S. 33 Anm. 5. Vgl. Posern-Klett a. a. O. S. 65f., auch O. Posse, Die Hausgesetze der Wettiner bis zum Jahre 1486 (Leipzig 1889) S. 9 u. R. Kötzschke in den Schriften des Ver. f. Geschichte Leipzigs XI (1917), 9. Im allgemeinen siehe über die Politik der fürstlichen Erbteilungen Ficker a. a. O. I, 247 ff.

3) v. Posern-Klett a. a. O. S. 24 ff., Schröder a. a. O. S. 580 ff., s. auch Erich Riehme, Markgraf, Burggraf und Hochstift Meißen. Ein Beitrag zur Geschichte der Entwickelung der Sächs. Landeshoheit, Leipz. phil. Diss. (Meißen [1006]) S. 53, mit Angabe weiterer Literatur.

 

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36 Willy Hoppe:

 

eigenen Hulden“, in dem der Sachsenspiegel ein Charakteristikum der markgräflichen Gerichtsverfassung sieht, hat zweifellos schon auf Konrad Bezug. Er ist als Richter kein Beauftragter des Königs; er besitzt vielmehr die Gerichtshoheit selbst. „Er ist an keine geheiligte Gerichtsstätte gebunden, an kein gehegtes Stammesding, auf dem die Volksgenossen sich sammeln. Er gebietet sein Gericht, wo ihm beliebt 1).“ Trotzdem kann sich das Gericht natürlich schon zu Konrads Zeit an einem bestimmten Platze, am Collm (westl. Oschatz), lokalisiert haben. Scharf zu scheiden von dieser weiten markgräflichen Richtertätigkeit ist die in dem nicht eigentlichen Markgebiet, also z. B. in der Grafschaft Groitzsch, und die als Vogt von kirchlichen Instituten, wovon noch zu reden sein wird.

 

Als ein Bollwerk und Damm gegen die Slawen ist die Mark dem Reiche vorgelagert. Das macht sie zu einer Stätte stark zentralisierter militärischer Befugnis. Freilich ist bei der Mark Konrads zu beachten, daß Sie nicht in dem Maße feindlichen Angriffen ausgesetzt war wie die Brandenburger Mark Albrechts des Bären 2). Dort ein Territorium zum Teil auf dem erst jüngst von einem slawischen Fürsten hinterlassenen Boden -- hier ein Gebiet, das zwar noch stark die Spuren ehemaligen Slawentums aufwies, aber doch schon seit Jahrzehnten, wenn auch leicht, von den kulturellen Ausstrahlungen des Westens berührt war. Dort ein Bezirk, dessen Grenzen dem slawischen Feinde zumeist offen lagen -- hier ein südlich durch den Böhmen und östlich in weitem Bogen durch den Polen einigermaßen gedecktes Land. Böhmen war während Konrads Regierung ein treues Glied des Reiches geworden; gegen Polen mußte man wohl noch auf der Hut sein, aber gefährlich war dieses politisch zersplitterte Land kaum noch seit Boleslaws Tode. Es fügte sich dem deutschen Staatsverbande mehr oder weniger ein.

 

Ein dichtes System von Burggrafschaften 3) überzog die wettinische Mark, nicht erst damals begründet, sondern älteren

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1) Rosenstock a. a. O. S. 190, siehe auch S. 117, 179 f. Vgl. auch v. Posern-Klett a. a. O. S. 56.

2) In anderem Zusammenhange weist auf den Unterschied zwischen Meißen und Brandenburg hin Ed. Otto Schulze, Die Kolonisierung u. Germanisierung der Gebiete zwischen Saale u. Elbe (Lpz. 1896) S. 133.

3) Siegfr. Rietschel, Das Burggrafenamt u. die hohe Gerichtsbarkeit in den deutschen Bischofsstädten während des früheren Mittelalters (Leipzig 1905) S. 215 ff. Siehe besonders S. 237 f., dazu Riehme a. a. O. S. 140 Anm. 935.

 

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37 Markgraf Konrad von Meißen.

 

Datums, aber in ihrem Ausbau sicherlich ein Ergebnis der konradinischen Epoche. Und zu den großen Burgen wie Kottbus, Bautzen, Meißen, Dohna u. a. werden kleinere getreten sein. Burgenbau und Wachdienst forderte Konrad von den Markinsassen. Auch gegenüber den Leuten der Meißner Kirche suchte er beides durchzusetzen, freilich nicht mit vollem Erfolg 1). Als die Verhältnisse der Naumburger Stiftsvogtei aufs neue geregelt wurden, hat Konrad sich ausdrücklich den festen Ort Saathain (südöstlich Liebenwerda) als Lehen geben lassen 2). Auf der anderen Seite hat er sich dagegen gesichert, daß der Lauterberg bei Halle zu einer Befestigung ausgebaut würde 3). Es ist die Burgenpolitik, wie sie vornehmlich im 12. Jahrhundert alle Dynasten treiben, ein die Territorialbildung förderndes Unterfangen, das bei dem Vater Friedrich Barbarossas zu dem bezeichnenden Ausspruch des Chronisten geführt hat, er ziehe am Schweife seines Pferdes immer eine Burg nach sich 4).

 

Konrad ist nun aber doch nicht der unumschränkte Herr innerhalb seiner Länder. Der feste Boden seiner fürstlichen Befugnis ist bald hier bald da durchlöchert, und es ist das Bestreben des Markgrafen, eins dieser Löcher nach dem andern zu verstopfen. Da liegt zunächst innerhalb des Markgebietes königliches Gut, z. B. um Chemnitz 5). Es ist unbekannt, ob Konrad versucht hat, es der Mark einzugliedern. Sicher hat das Reich in den ersten Jahren Friedrich Barbarossas umfassenden Besitz im Pleißenlande gehabt, der erst spät dauernd an die Wettiner überging 6). Königlichem Einflusse unterworfen sind auch die Burggrafen, ursprünglich Reichsbeamte

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1) Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 175, mit Reg. Thur. I Nr. 1506 und Krabbo, Regesten Nr. 123 in den November 1144 zu setzen. Vgl. Riehme a. a. O. S. 50 f.

2) Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 143, Reg. Thur. I Nr. 1412 [v. J. 1140]: castrum Sathim cum omnibus circa Redera (Röder) fluvium. Eine besondere Bedeutung Saathains ist nicht feststellbar. Vgl. Heinr. Nebelsieck, Gesch. des Kreises Liebenwerda (Halle 1912) S. 15, 26, 63 u. sonst.

3) Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 73 [1127]: Predictum etiam montem nulli umquam bellicosis propugnaculis munire audeant.

4) Siehe die sich freilich auf ein südwestliches deutsches Gebiet beschränkende Bonner Diss. von Jacob Friedrichs, Burg u. territoriale Grafschaften (1907), besonders S. 7, für Mainz auch Manfr. Stimming, Die Entstehung des weltlichen Territoriums des Erzbistums Mainz (Darmstadt 1915) S. 41 f.

5) Cod. dipl Sax II, 6, 263 Nr. 302.

6) Simonsfeld a. a. O. 599. Otto Dobenecker, Margarete von Hohenstaufen, die Stammmutter der Wettiner Teil I (Progr. Jena 1915) S. 10, s. auch Konr. Kretschmer, Histor. Geographie von Mitteleuropa (München u. Berlin 1904) S. 317.

 

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38 Willy Hoppe:

 

mit richterlichen und militärischen Aufgaben. Diese Männer zurückzudrängen, war ganz im Sinne einer erstarkenden Landesherrschaft, und mindestens bei dem Meißner Burggrafen ist es Konrad gelungen. Er ist sicher ein Vasall des Markgrafen gewesen 1). Daneben wirkte auch ein kirchliches Institut wie das Meißner Bistum der Vereinigung der Herrschergewalt in einer Hand entgegen: der Bischof hat sich offenkundig schwer in den Landesverband gefügt. Er wollte weder gewisse Dörfer als zur konradinischen Mark gehörig anerkennen, noch seine Untersassen in bestimmten Gebieten markgräflichen Dienstleistungen unterworfen sehen 2). Konrad hat indessen in der Hauptsache seinen Willen dem Stifte aufgezwungen. Es ist und bleibt reichsunmittelbar, allein es scheidet in keiner Beziehung aus der Markgrafschaft aus 3). Und ähnliche Vorgänge haben sich vermutlich auch im Bistum Naumburg abgespielt 4). Dabei fällt es auf, daß das Verhältnis zwischen dem Stift und Konrad gerade zu einer Zeit besonders gespannt ist, als ein Angehöriger des thüringischen Landgrafenhauses auf dem Naumburger Bischofsstuhle sitzt 5). Ob Bischof Udo nicht doch durch seinen Bruder, den Landgrafen Ludwig I., eine gewisse Rückenstärkung erfahren hat? Meißen und Thüringen sind politisch nicht immer denselben Weg gegangen, wie wir schon sahen, und es ist zu vermuten, daß beide der Saalegrenze keine Dauer wünschten 6). Wenigstens einen Hinweis verdient es auch, daß der Landgraf Vogt von Hersfeld war, eines Stiftes, dem zahlreiche Eigengüter inmitten des wettinischen Landes gehörten und bei dem Meißen zu Lehen ging 7). Wenn der Markgraf nun, wie es wahrscheinlich ist,

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1) Rietschel a. a. O. S. 242 ff., hinsichtlich Meißens S. 249, ebenso Riehme a. a. O. S. 34 ff., 91 ff.

2) Siehe die S. 37 Anm. 1 genannte Urkunde.

3) Zu dem Urteil kommt die eingehende Untersuchung von Riehme S. 128. Ed. Machatschek, Gesch. d. Bischöfe des Hochstifts Meißen (Dresden 1884) versagt auch in diesem Punkte.

4) Möglicherweise bezieht sich die controversia de cuiusdam iuris exaccione, deren Schlichtung König Konrad 1144 [Mai] beurkundet, auf landesherrliche, nicht vogteiliche Forderungen. Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr 167, Reg. Thur. I Nr. 1481, zur Datierung s. Krabbo, Regesten Nr. 111.

5) Siehe die S. 38 Anm. 2 u. in der vor. Anm. genannten Urkunden. Über Bischof Udo siehe C. P. Lepsius, Gesch. der Bischöfe des Hochstifts Naumburg vor der Reformation I (Naumburg 1846), 37 ff.

6) Siehe oben S.21 f. Die Saale als Grenze genannt bei v. Posern-Klett S. 7 Anm. 5.

7) Theod. Knochenhauer, Gesch. Thüringens zur Zeit des ersten Landgrafenhauses 1039--1247 (Gotha 1871) S. 126. Siehe auch v. Webers Archiv f. d. Sächs. Geschichte V (1867), 233 ff. u. die (hessische) Zeitschrift Mein Heimatland I (1909), 23.

 

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39 Markgraf Konrad von Meißen.

 

ein Obereigentum an Grund und Boden in Anspruch nahm 1), so war damit die Möglichkeit zu Zwischenfällen gegeben. Auch Mainz hat zeitweilig der wettinischen Macht entgegengearbeitet. Erzbischof Adalbert war der Bundesgenosse Wiprechts von Groitzsch, als der Kampf zwischen diesem und Konrad um die Markgrafschaft entbrannte. Inwieweit er an der Niederwerfung Konrads interessiert gewesen ist, muß ungewiß bleiben 2). Er trieb gerade damals eine starke Territorialpolitik in Thüringen, und es ist leicht möglich, daß er die Besitzungen Konrads westlich der Saale in einem vom Mainzer Einfluß durchtränkten Gebiet, für sich zu gewinnen hoffte 3).

 

Wie auch immer -- Konrads Aufgabe forderte einen ganzen Mann, der es verstand, die verschiedenartigen Landesstücke zu einer Einheit zusammenzuschweißen. Denn das war ja gar kein politisch gleichartiges Gebilde, was Konrad beherrschte. In den östlichen Teilen seines Gebiets, in Meißen und der Lausitz, war er der Markgraf, in dem westlichen Teile hingegen floß seine Gewalt aus den verschiedensten Quellen, wenn auch das zwischen Saale und Mulde liegende Osterland als ein Zubehör der Mark Meißen galt. Innerhalb des Landes aber war die Grafschaft Rochlitz z. B. sein eigen, ebenso besaß er die Wiprechtschen Erbstücke nicht als Markgraf. Eine gewisse Einheit wurde also nur durch die Person des Herrschers selbst hergestellt 4).

 

Es hat für unsere heutigen Anschauungen etwas Befremdliches, daß der Fürst in den Dienst von kirchlichen Instituten seines Landes tritt -- als Vogt, daß er nicht nur dieses Amt, sondern auch irgendwelche Güter zu Lehen nimmt. Konrad

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1) Für brandenburgisches Gebiet nahezu sicher durch W. v. Sommerfeld, Beiträge zur Verfassungs- u. Ständegeschichte der Mark Brandenburg im MA. I (Leipzig 1904), 20 f., 122.

2) Siehe oben S. 8. Vgl. Friedr. Kolbe, Erzbischof Adalbert I. v. Mainz u. Heinrich V. (Heidelberg 1872) S. 128.

3) Über Mainz u. Thüringen s. Stimming a. a. O. S. 48 ff., beachte auch Karl Heinr. Schmitt, Erzbischof Adalbert I v. Mainz (1111--1137) als Landesfürst (Gießener phil. Diss. 1914) S. 8 f. -- Konradinischer Besitz westl. und nordwestl. von Weimar ergibt sich aus einer Schenkung, die sein Ministeriale Diemo mit seiner Erlaubnis dem Erfurter Peterskloster macht, Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 180, Reg. Thur. I Nr. 1490. Naumburger Vogteigut Konrads nordöstl. Weimar s. Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 143, Reg. Thur. I Nr. 1412.

4) Darauf deutet hin Theod. Flathe, Die Mark Meißen. Rede Leipzig [1857]) S. 12 f. Siehe auch v. Posern-Klett a. a. O. S. 5, 7.

 

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40 Willy Hoppe:

 

ist der Vogt von mindestens fünf Klöstern und Stiftern gewesen. Bei den wettinischen Stiftern Gerbstedt und Lauterberg war das so ziemlich selbstverständlich 1). Bedeutungsvoller war die Vogtei des Hochstiftes Naumburg 2), der Reichsabtei Chemnitz 3) und des Benediktinerklosters Bosau 4). Hier konnte das Dienen geradezu ein Herrschen werden, und von Naumburg ist es sicher, daß es zeitweilig arg unter dem Druck der konradinischen Vogtei geseufzt hat 5), einem Druck, den die Stifter Meißen und Merseburg vermieden haben. Ihr Vogt ist weder Konrad noch ein anderer Wettiner damals gewesen 6). Übrigens leitete Konrad seine Vogtei in Naumburg,

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1) Siehe darüber unten S. 47 f.

2) 1133 Febr. 13: Bischof Udo genehmigt Gründung des Klosters Bürgel, marchione Cunrado ecclesie nostre advocato annuente (Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 91, Reg. Thur. I Nr. 1271). -- 1133 Dez. 29: Bischof Udo erwähnt einen Gütertausch annuente marchione Conrado ecclesie nostre advocato (Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 99, Reg. Thur. I Nr. 1285). -- [1140]: Bischof Udo bekundet einen Vergleich bei einer contraversiam inter me et advocatum ecclesie marchionem Conradum diu ventilatam. Es handelt sich um Ansprüche, die K. erhebt iure advocatie sue (Cod. dipl. Sax I, 2 Nr. 143, Reg. Thur. I Nr. 1412). - 1145 [März 14--Sept.]: Zwei Urk. Bischof Udos. Datierung: marchione Conrado eiusdem ecclesie advocato (Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 184, 185. Reg. Thur. I Nr 1541, 1540). - 1147 April 13 bzw. Mai 13: Conradus marchio advocatus loci Cizensis bzw. eiusdem loci Zeuge in Urk. des Naumburger Bischofs (Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 201, 204, 205; Reg. Thur. I Nr. 1571, 1577, 1578). 1152: Urk. Bischof Wichmanns, Datierung: marchione Cunrado existente advocato (Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 240, Reg. Thur. II Nr. 3). Siehe auch Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 264, Reg. Thur. II Nr. 119, wo unter den Zeugen einer Mainzer Urk. summi advocati domni marchionis Cvnradi Erwähnung geschieht, wobei Dobenecker, Reg. Thur. II 550 Sp. 2 an die Naumburger Vogtei denkt.

3) 1143 [Febr. 2--März 13] Urk. König Konrads III: advocatiam marchioni Cunrado a predecessoribus nostris commissam nos etiam commendamus (Cod. dipl. Sax II, 6, 264 Z. 11; Reg. Thur. I Nr. 1456).

4) 1121 Nov. 9. Bischof Dietrich von Naumburg bestätigt die Stiftung des Klosters Bosau. Volentes nichilominus et assensum prebente comite Cunrado eiusdem cenobii advocato decrevimus, ut ipso viam universe carnis ingresso alium advocatum ex heredibus eius vel certe, quem voluerint, fratres sibi eligant, qui de manu episcopi eandem advocaciam suscipiat, beneficiale vero ius in ea nullatenus sibi usurpare presumat (Cod. dipl. Sax. I 2 Nr. 63, Reg. Thur. I Nr. 1160).--1145: Conradus marchio advocatus eiusdem abbatie Zeuge in einer Schenkungsurk. Bischof Udos für Bosau (Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 187, Reg. Thur. I Nr. 1549).

5) Siehe die oben Anm. 2 angeführte Urk. von [1140], wo es u. a. heißt: ista postulacio (Konrads) gravis et ex parte minus iusta videbatur.

6) Wie häufig irrig angegeben wird, wohl meist auf Böttiger-Flathe, Gesch. des Kurstaates u. Königreiches Sachsen. 2. Aufl. I (Gotha 1867), 131 fußend. Es gibt keinen Beleg. Siehe dagegen Riehme a. a. O. S. 111-115. Ebenso irrig ist die Angabe von Posse im Register zu Cod. Dipl. Sax I, 2 S. 474 Sp. 1, daß Konrad Vogt von Walkenried gewesen sei.

 

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41 Markgraf Konrad von Meißen.

 

Chemnitz und Bosau nicht aus der markgräflichen Würde her. Bereits sein Bruder Dedo, vielleicht schon der Vater, hatte diese Stellung in Naumburg eingenommen, also zu einer Zeit, wo noch kein Glied dieses wettinischen Zweiges sich des markgräflichen Herrscheramtes rühmte 1). Und ebenso besaß Konrad schon die Vogtei von Bosau, als er noch der einfache Graf war. Sie war ein Amt aus der Hand des Naumburger Bischofs, wie er die Chemnitzer Vogtei vom deutschen König empfing 2).

 

Das Dienen habe sich in ein Herrschen gewandelt, wurde eben gesagt. Denn nicht darin lag ja das Schwergewicht des Amtes, daß Konrad als Vogt (übrigens wohl nur in Kriminalprozessen) über die stiftischen und klösterlichen Untertanen zu Gericht saß 3), daß er in dem und jenem der weltliche Vertreter der kirchlichen Niederlassungen war. Weiter und tiefer reichte sein Einfluß. Jedes Gütergeschäft war an seine Zustimmung gebunden 4), Stift und Kloster waren also wirtschaftlich vom Vogte abhängig, sofern er kraftvoll seine

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1) Siehe darüber Lepsius a. a. O. 331 ff., im einzelnen zu berichtigen, ferner Ernst Hoffmann, Naumburg a. S. im Zeitalter der Reformation (Leipz. Studien aus dem Geb. der Geschichte VII, I Leipzig 1901) S. 3 f., Riehme a. a. O. S. 108 ff.

2) Siehe die S. 40 Anm. 4 zitierten Worte der Urkunde von 1121 Nov. 9. -- Hinsichtlich von Chemnitz s. oben S. 40 Anm. 3 und dazu Hub. Ermisch in der Festschrift zum 750jähr. Jubiläum der Stadt Chemnitz (Chemnitz 1893) S. VIII.

3) Für Gerbstedt s. Konrads Urk. von 1118 (Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 55, Urkundenbuch der Klöster der Grafsch. Mansfeld bearb. von Max Krühne (Geschichtsquellen der Prov. Sachsen XX [Halle 1888], 8 ff. Nr. 8): Statuerunt dari servitium advocato ter in anno, dum presidere debet indicio . . . Hec ideo statuerunt, ne advocatus gravis esset hominibus ecclesie, sed eos defensaret, quicquit etiam de iustis causis in placito suo ab hominibus ecclesie obtineret, tercia pars sua esset et due partes ecclesie cederent. -- 11[56] Nov. [30] urkundet Konrad (Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 263, UB. der Grafsch. Mansfeld S. 4 ff. Nr. 6): De singulis vero negotiis et querelis ad ecclesiam iussit referri, de gravioribus autem questionibus, ubi res postulaverit, defensorem placuit adhiberi consilii non questus gratia . . . Quicquid in placitis acquiritur, tercia pars erit advocati, due partes erunt ecclesie. -- Hinsichtlich Naumburgs sagt eine Urk. Bischof Udos [1140] (Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 143): tamen neque sua placita neque nostram iusticiam negligat. Über Naumburger Gerichtsbarkeit einiges bei Hoffmann a. a. O. S. 164 f.

4) Beispiele in oben S. 40 Anm. 2 u. 4. Auch die im einzelnen nicht aufzuzählenden Zeugenschaften in Urk. der oder für die Stifter und Klöster mögen manchmal auf vogteilichen Geschäftshandlungen beruhen.

 

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42 Willy Hoppe:

 

Rechte vertrat. Und daran ist bei Konrad nicht zu zweifeln. Auch auf Dinge, die nach dem Rechte der Kirche allein die Mitglieder der Konvente angingen, vermochte ein Vogt wie Konrad einzuwirken. Bei der Wahl von Pröpsten im Lauterberger Petersstift hat er seinen Willen mehrfach energisch durchgesetzt und die ihm genehmen Kandidaten wählen lassen, obwohl er selbst die freie Propstwahl zugesagt hatte 1). Und wenn plötzlich ein Mann den Naumburger Bischofsstab in Händen hält, der als ein Mitglied der Halberstädter Kirche bisher kaum Beziehungen zu Naumburg hatte, aber ein Neffe des Stiftvogtes ist, so ist auch hier der Einfluß Konrads unverkennbar 2). Er wird überdies durch solche Bestimmung z. B. gesichert, daß Konrad die Vogtei über Güter, die er dem Kloster Reinhardsbrunn im Markgebiete schenkte, sich und möglichst auch seinen Nachkommen vorbehält, mithin den eigentlichen Vogt des Klosters, den Thüringer Landgrafen, ausschließt 3). Alles in allem dient die Vogtei also, besonders wenn sie erblich ist 4), der Festigung der territorialen Macht,

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1) Chron. Mont. Ser. zu 1128, 1137, 1151 (MG. SS. XXII, 141 Z. 39 ff., 144 Z. 39 ff., 148 Z. 7 ff.). Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 73 verheißt Konrad dem Papste [1127]: Post presentem prepositum in claustro suo vel, ubicunque potiori parti placuerit, alium eligant.

2) Simonsfeld a. a. O. 90 f.

3) 1119: Advocatus eiusdem loci, dum vixero, ipse permanebo meique posteri permaneant, si fuerint idonei (Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 58, Reg. Thur. I Nr. 1142 u. 1143). Die Reinhardsbrunner Vogtei als solche hat Konrad nie gehabt, wie Arthur Nebel, Die Anfänge u. die kirchl. Rechtsstellung des Augustinerchorherrenstiftes St. Peter auf dem Lauterberge (Petersberg bei Halle) in d. Thüring.-Sächs. Zeitschr. f. Geschichte u. Kunst VI (1916), 149 (auch Hallenser phil. Diss. 1916) meint. Vogt ist stets der Thüringer Graf. Siehe z. B. Reg. Thur. I Nr. 1113, 1196, 1317.

4) Sie ist es sicher bei Gerbstedt und Lauterberg, den wettinischen Stiftern. Hinsichtlich Gerbstedts sagt die oben S. 41 Anm. 3 zitierte Urk. von 11[56]: pater noster Themo comes de Wethin . . . advocatie prerogativam sibi vendicans et seniori heredum suorum per successionum tempora eam assignans . . . Statuimus (Konrad); ut principalis sive senior de cognatione existens advocatus nulli umquam advocatiam in ius beneficiale concedat. -- Lauterberg [1127] (Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 73): Me verum, dum vixero, et post me seniorem de filiis meis vel quemlibet heredem meum seniorem advocatum habeant -- 1156 (Cod. Dipl. Sax. I, 2 Nr. 262): Hoc . .. filiis meis et eorum legitimis heredibus servandum instituo, ut quicumque principalis advocatus huius aecclesie fuerit, nulli umquam hominum advocatiam in ius beneficiale concedat. -- Für Bosau s. oben S. 40 Anm. 4: Möglichkeit der Nachfolge. -- Die Naumburger Vogtei ist längere Zeit bei den Wettinern, s. Riehme a. a. O. S. 109, die Chemnitzer ist bei den Nachfolgern nicht mehr nachweisbar, s. Ermisch in v. Webers Archiv f. d. Sächs. Gesch. N. F. IV (1878), 260.

 

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43 Markgraf Konrad von Meißen.

 

eine Politik, die auch bei dem ältesten Sohne Konrads wirksam ist: Otto ist noch bei Lebzeiten des Vaters Vogt von Kloster Lausnitz (wnw. Gera) gewesen 1).

 

Auch die Lehen, die Konrad innerhalb des Markgebietes von fremden Herren hatte 2), änderten nichts an der fürstlichen Stellung. Wie sie im einzelnen zum Ausdruck kam, davon ist nur wenig bekannt. Aber man muß sich doch einen Hof vorstellen, im Gegensatz zu der späteren glanzvolleren Zeit freilich nur den Anfang eines solchen 3), eine Anzahl von Hofbeamten, die den Markgrafen umgaben, Glieder edelfreier Familien, die bis gegen Ende des 13. Jahrhunderts in dem meißnischen Gebiete ihren Stand streng wahrten 4), und Dienstleute, Ministerialen 5). Mindestens ein Kaplan Konrads oder seines Sohnes Otto ist sicher bezeugt 6). Der Geistliche wird zugleich der Kanzlei vorgestanden haben; denn ganz ohne Schreibgeschäfte dürfen wir uns den Hof nicht denken, selbst wenn die Urkunden meist von den Empfängern ausgefertigt sein werden 7). Auch in der Art des Siegels prägte sich die

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1) 1152 (Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 241, Reg. Thur. I Nr. 1692).

2) Für Konrad lassen sich allerdings nur Naumburger Vogteilehen in der Nähe von Lucka und Liebenwerda urkundlich belegen [1140] (Cod. dipl. Sax. I Nr. 143, Reg. Thur. I Nr. 1412), aber auch andere Lehen sind selbstverständlich. -- Möglichkeit von Lehensbeziehungen zwischen Merseburg u. Konrad, siehe Kötzschke in Schriften des Ver. f. Gesch. Leipzigs XI (1917), 12. Über das alte Lehnsverhältnis zwischen Hersteld u. den Markgrafen von Meißen siehe die oben S. 38 Anm. 7 genannte Literatur. -- Konrads Sohn (Otto?) hat 1144 Naundorf bei Kötzschenbroda unweit Dresden vom Meißner Bischof zu Lehen (Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 175).

3) Über den späteren Hof s. H. B. Meyer, Hof- u. Zentralverwaltung der Wettiner . . . 1248--1379 (Leipz. Studien aus dem Geb. der Gesch. IX, 3, Leipzig 1902) S. 29 ff. und Friedr. Wilh. Tittmann, Geschichte Heinrichs des Erlauchten I (Dresden u. Leipzig 1845), 91 ff.

4) Siehe Elisabeth Lürssen, Ritterbürtige Geschlechter der Mark Meißen (Leipz. phil. Diss. 1916) S. 87 f. Auch die Burggrafen, die Konrad z. B. 1156 umgeben (Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 262), sind nobiles. Siehe Rietschel a. a. O. S. 223.

5) Einer, namens Heldolf (v. Zörbig), schon 1126 näher genannt (Chron. Mont. Ser., MG. SS. XXIII, 140 Z. 24). Ministerialen sonst in Zeugenreihen mehrfach nachweisbar, z. B. 1145 (Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 181), 1156 (ebd. Nr. 262).

6) 1149: Waltherus clericus marchionis de Kamburch (Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 215). Ob gleich dem später genannten Kaplan u. Notar Ottos, Walther v. Meißen? (ebd. Nr. 372). – Otto, seit 1145 stets als marchio bezeugt (Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 182), mit einer Ausnahme 1156 (ebd. Nr. 265), wird 1154 genauer als marchio de Camburg bezeichnet (Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 255.

7) Otto Posse, Die Lehre von den Privaturkunden (Leipzig 1887) S. 167 f. S. 150 Anm. sagt Posse hingegen, daß „die Wettiner bis um die Mitte des 13. Jahrhunderts keine eigenen Kanzleien hatten“. -- Von Urkunden Konrads sind 11 auf uns gekommen, davon 5 im Original und besiegelt (Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 55, 58, 82, 223, 262). Ebd. Taf. 1 eine Abbildung der Nr. 55, der ältesten wettin. Fürstenurkunde, die im Original erhalten ist.

 

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44 Willy Hoppe:

 

hohe Stellung Konrads aus 1). Mit solchem Hofe ist der Markgraf dann nach mittelalterlichem Fürstenbrauche in seinen Landen umhergezogen und hat auf seinen Burgen, hier und da wohl auch in den Klöstern, gehaust 2). Oft hat er sich natürlich in Meißen aufgehalten, wo der Berg neben Bischofspalast und Burggrafenhof ein Markgrafenschloß trug. Aber auch Wettin (wohl das ursprüngliche Heim), Landsberg und Brehna, sämtlich unweit Halle, haben ihn vorübergehend in ihren Mauern gesehen 3). Ein aufreibendes, den Menschen schnell verzehrendes Leben, besonders wenn Reichsgeschäfte eilige Reisen forderten 4).

 

Es verlautet nicht, wie man die Kosten des Lebensunterhaltes deckte. Die Münze, die Konrad schlagen ließ 5), wird manche Einnahme gebracht haben, Abgaben und Zölle werden sie gesteigert haben. Bestimmte Gebühren flossen aus der vogteilichen Tätigkeit in die markgräfliche Kammer, und

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1) Betr. der Siegel s. Otto Posse, Die Siegel der Wettiner bis 1324 (Leipzig 1889) Taf. 1, 2. -- In 9 von den uns überlieferten 11 Urkunden Konrads bezeichnet er sich als divina favente clementia bzw. dei gratia marchio. -- Über die zuweilen vorkommende Bezeichnung marchio de Saxonia (z. B. Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 198, 230, Annal. Saxo, MG. SS. VI, 770 Z. 43) siehe Krabbo, Regesten Nr. 7.

2) Für die Aufstellung eines brauchbaren Itinerars mangelt es an Quellen. Einen schwachen Ersatz bilden die im einzelnen verbesserungs- und ergänzungsbedürftigen Regesten bei Lobeck a. a. O. S. 79-90.

3) In Meißen ist er kurz vor seinem Eintritt in das Lauterberger Stift (s. oben S. 33), siehe auch Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 82, 223. Vgl. Riehme a. a. O. S. 37 -- Wettin als Aufenthaltsort K.‘s ist 1146 bezeugt (Chron. Mont. Ser., MG. SS. XXIII, 146 Z. 38). Die Ausführungen von Siegmar Schultze, Die Burg Wettin und die Wettiner (Halle 1912) S. 25 f., 41 f. bedürfen sehr der Korrektur. -- Über Landsberg und Brehna s. MG. SS. XXIX, 306 Z. 20 (s. oben S. 32 Anm. 3) und Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 154. Nach anderen Quellen ist Burg Landsberg übrigens erst von Konrads Sohne, Dietrich, erbaut worden. Vgl. W. Giese in der Thür.-Sächs. Zeitschrift f. Gesch. u. Kunst VIII (1918), 7.

4) Z. B. 1147 April 16 Magdeburg, April 24 Nürnberg. Siehe oben S. 28 Anm. 2 u. 3.

5) Siehe H. Dannenberg, Die Schriſtbracteaten der Markgrafschaft Meißen, im Arch. f. Bracteatenkunde hrsg. von Rud. Höfken v. Hattingsheim I (1886/89), 133 f., IV (1898/1906), 171 ff. Siehe jetzt auch W. Schwinkowski im N. Arch. f. Sächs. Gesch. XXXVIII (1917), 152, 156.

 

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45 Markgraf Konrad von Meißen.

 

Konrad hat darauf Bedacht genommen, sie zu steigern 1). Im wesentlichen wurden ihm Naturalien zu genau bestimmten Terminen geliefert: Getreide, Mehl, Schweine, Hühner, Eier, Wachs, Bier, Met, Pfeffer, Käse, Salz u. a., auch Gegenstände wie Schüsseln, Becher, Töpfe. Daneben kam ihm ein Drittel der Gerichtsgefälle aus der Vogtei zu. Ansehnlichen Nutzen hat er sicherlich aus den Gütern gezogen, die -- teils als Zubehör seiner markgräflichen Würde, teils als Eigenbesitz – zerstreut umherlagen 2).

 

Konrad hat nun in eins der folgenreichsten Ereignisse der deutschen Geschichte eingegriffen, obwohl ihn keine Quelle direkt nennt, nämlich in die Besiedlung des ostdeutschen Landes. Es ist ein tiefer Unterschied zwischen ihm und den großen Heroen der Kolonisation, seinen Zeitgenossen Albrecht dem Bären und Heinrich dem Löwen 3). Hatten jene, nicht zuletzt aus politischen Beweggründen, selbst den deutschen Bauer in das Land gerufen und unmittelbaren Anteil an der immer stärker flutenden Bewegung genommen, so fällt bei dem Meißner Markgrafen das politische Ziel fort. Es handelt sich hier, wie schon einmal betont wurde, um ein staatlich weit gesicherteres Gebiet. Die Mehrung der wirtschaftlichen Kräfte tritt in den Vordergrund. Man braucht Leute, die den Boden intensiver zu bebauen, stärker auszunutzen verstehen und dadurch höherer Abgaben fähig sind als der armselige slawische Unfreie. Aber Konrad hat ebensowenig wie die anderen großen Grundherren seines Markgebietes in umfassendem Maße selbst gesiedelt. Man setzte den deutschen Bauer nicht selbst auf den Gütern an, sondern man bediente sich der Vermittlung der kleineren Grundherren, vor allem der Ministerialen. Auch als Städtegründer kommt Konrad nicht mit Sicherheit in Betracht, obwohl er als Vogt des Chemnitzer Klosters auf die Stadtentwicklung des dortigen Marktes vielleicht nicht gering eingewirkt hat. Die Nachricht, daß er Leipzig in eine Stadt umgewandelt habe, ist doch mit Vorsicht

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1) Siehe zum folgenden Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 55, 263 (Gerbstedt), 143, 167 [s. jedoch oben S. 38 Anm. 4] (Naumburg).

2) v. Posern-Klett a. a. O. S. 15 f., Riehme a. a. O. S. 69 f.

3) Siehe zum folgenden Ed. Otto Schulze a. a. O. S. 132 ff. Beachte auch Paul Rich. Kötzschke, Das Unternehmertum in der ostdt. Kolonisation des MA. (Leipz. phil. Diss. 1894) S. 20 f. -- Eine knappe Zusammenstellung der in Betracht kommenden Siedlungsliteratur jetzt bei Rud. Kötzschke im N. Arch. f. Sächs. Gesch. XXXVII (1916), 250 f., die hauptsächlichsten Urkunden in seinen Quellen zur Geschichte der ostdt. Kolonisation im 12. bis 14. Jahrh. (Leipz. u. Berlin 1912) S. 10 ff., 26 ff., 39 ff.

 

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46 Willy Hoppe:

 

aufzunehmen. Erst sein Sohn Otto verdient als Städtegründer genannt zu werden 1) Doch auch so ist nicht daran zu zweifeln, daß Konrad die Kolonisation rege gefördert hat. Unter seiner Regierung kamen seit langer Zeit zum ersten Male ruhige, von keinem feindlichen Einfall gestörte Jahrzehnte über die Länder zwischen Saale und Oder. Ein hohes, edles Werk hat diese Epoche ausgefüllt. Konrad kann noch mit eigenen Augen gesehen haben, was Wiprecht von Groitzsch als Kolonisator geleistet hat: enge Beziehungen verknüpften ihn mit Naumburgs Bischöfen, die im Vogtlande (bei Reichenbach) und an der Saale (bei Kösen) gesiedelt hatten. Der Naumburger Bischof Wichmann war sein Neffe, der die Politik seiner Vorgänger aufgenommen und als Erzbischof von Magdeburg glorreich fortgesetzt hat. Und Bischof Gerung von Meißen, zuvor Abt von Bosau und schon dadurch in nahem Verhältnis zu Konrad stehend, setzte unweit von Wurzen Niederländer an 2). Also ein Leben und Weben, ein Trachten und Sinnen um Konrad, das ihn auf jeden Fall in seinen Bann gezogen hat.

 

Dazu kam nun das wichtige religiöse Moment. Eine christliche Bevölkerung sollte in dem Lande wohnen. In dem Siedler, der mit seiner Familie und seiner Habe gen Osten zog, und in dem Grundherrn, der ihm inmitten heidnischer Nachbarn eine Stätte bot, lebte ein Funke von der gewaltigen Glut der Kreuzfahrer, die sich ja auch in dem Wendenzuge offenbarte. Auch so breitete man Christi Lehre aus, kolonisierend, germanisierend und dadurch missionierend. Den Klöstern kommt innerhalb unserer Gebiete nicht das Verdienst zu, die Grundlagen des Christentums gelegt zu haben 3),

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1) Joh. R. Kretzschmar, Die Entstehung von Stadt und Stadtrecht in den Gebieten zwischen der mittl. Saale u. der Lausitzer Neiße (Untersuch. z. dt. Staats- und Rechtsgeschichte hrsg. von Otto Gierke LXXV [Breslau 1915]) S. 62 ff. -- Ermisch in Rob. Wuttke, Sächs. Volkskunde 2. Aufl. (Leipzig 1901) S. 145. -- Bezüglich Leipzigs s. Rud. Kötzschke in Schriften des Vereins f. d. Geschichte Leipzigs XI (1917), 10 u. 28 Anm. 44. Siehe auch ebd. S. 29 Anm 63.

2) Über alle diese Kolonisationen Kötzschke, Unternehmertum S. 12--20, über Naumburg s. insbesondere Heinr. Leo, Untersuchungen zur Besiedelungs- u. Wirtschaftsgeschichte des thür. Osterlandes (Leipz. Studien aus dem Geb. der Geschichte VI, 3 [Leipzig 1900]), 83 ff., über Wichmann meine Ausführungen in den Geschichtsblättern für Stadt und Land Magdeburg XLIII [1908], 151 ff. Gerungs Wahl zum Meißner Bischof überliefern die Ann. Palid. 1152 (MG. SS. XVI. 86 Z. 38).

3) Siehe über die Kirche und die Mission im konradinischen Gebiete Alb. Hauck, Kirchengeschichte Deutschlands IV (3./4. Aufl., Leipzig 1913), 577 ff., daneben Otto Ed. Schmidt im Jahrbuch d. Sächs. Missionskonferenz XXII (1909), 9 ff. und Herm. Größler in der Zeitschr. des Ver. f. Kirchengesch. in der Prov. Sachsen IV (1907), 94 ff.

 

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47 Markgraf Konrad von Meißen.

 

aber ohne ihre Unterstützung konnte doch nicht bleiben, wer ernstlich den Zustand des Landes zu heben trachtete. Schon von den Eltern her war Konrad die Pflicht des Klosterbaues überkommen. In Niemegk bei Bitterfeld, also in siedlungsfähigster Gegend, hatten diese durch einige Schenkungen die Anfänge zu einem Kloster gelegt. Konrad hat es pietätvoll zu einer Abtei auswachsen lassen, die 1136 vollendet war, hatte auch eine Abteikirche gebaut, aber rechte Freude hatte ihm Niemegk nicht gebracht. Die Ausstattung war und blieb dürftig; mühsam fristete das Kloster sein Leben, und so reifte in ihm der Plan, es dem Lauterberger Stifte einzuverleiben. Eine an den Papst geschickte Gesandtschaft erwirkte die Erlaubnis dazu 1).

 

Das Lauterberger Stift 2) ist recht eigentlich das kirchliche Institut Konrads geworden. Auch hier ist er nicht der Gründer. Dieses Verdienst gebührt, wie schon erwähnt wurde, seinem Bruder Dedo. Aber über die allerersten Anfänge ist das Stift damals nicht hinausgekommen. Der Tod Dedos legte alle Pläne in die Hand seines Erben, des einzigen Bruders. Mit Feuereifer ist Konrad, von seiner Gemahlin unterstützt, sogleich an den Ausbau gegangen. Zeit seines Lebens hat er dem Stifte die regste Fürsorge gewidmet, und auf dem Lauterberge selbst hat man ihn neben Dedo als Gründer betrachtet. „Er erbte nicht mit Unrecht die Bezeichnung des Stifters“, sagt die Klostertradition von ihm 3). Unzweifelhaft

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1) Quellen für die Niemegker Gründung sind Chron. Mont. Ser. 1136 u. 1150 (MG. SS. XXIII, 144 Z. 30, 147 Z. 23; die letzte Nachricht indessen zu 1149 gehörend, siehe Bernhardi, Konrad II, 770 Anm. 2) und Cod. dipl. Sax. I, 2, 177 Z. 18 ff. Der hier als einer der Gesandten genannte Probst Gerhard ist aber nicht, wie Posse im Register S. 435 unter Mons Serenus angibt, Lauterberger Propst, sondern der Magdeburger Dompropst (s. Chron. Mont. Ser. 1150). 1161 April 30 nennt Markgraf Dietrich ecclesiam maiorem et minorem in Numeke, quas . . . Conradus pater meus . . . beato Petro in Sereno Monte obtulerat (Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 298). Einige Notizen über „Kloster Niemegk“ hat Bönhoff in der Zeitschr. d. Ver. f. Kirchengesch. in der Prov. Sachsen XI (1914), 172 ff. zusammengestellt.

2) Zum folgenden s. jetzt die S. 42 Anm 3 genannte erschöpfende Dissertation von Arthur Nebel (vgl. über Sie meine Anzeige im Neuen Archiv f. Sächs. Gesch. XXXVIII [1917], 414 ff.).

3) Chron. Mont. Ser. 1124 und 1125 (MG. SS. XXIII, 139, bes. Z. 36): unde eciam non inmerito fundatoris nomen hereditavit. Die Gest. arch. Magd. (MG. SS. XIV, 416 Z. 30 sagen geradezu: qui monasterium Sancti Petri fundavit prope Hallas.

 

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48 Willy Hoppe:

 

trieb ihn ein starkes religiöses Gefühl zu diesem Werke, aber ausschlaggebend ist es nicht gewesen. Das Stift war ein wichtiger Faktor in Konrads kolonisatorischer Rechnung. Der Markgraf hat um 1120 die Bewohner von 13 heidnischen Dörfern in der Nähe des Lauterberges taufen lassen 1). Daraus läßt sich schließen, wie es zu der Zeit in der Gegend ausgesehen hat. Der Erfolg ist mit Konrads Gründung gewesen, und die Augustiner, die er, es ist ungewiß, woher 2), auf den Berg unweit der Kreuzung zweier vielbegangener Straßen (Leipzig-Magdeburg und Halle-Köthen) rief, haben in der Mitte des altwettinischen Territoriums ihre Aufgabe durchaus erfüllt. Ein Brennpunkt kolonisatorischen und christlichen oder ganz allgemein kulturellen Lebens war hier geschaffen worden 3).

 

Aber die Schöpfung Konrads verdient noch von einem anderen Gesichtspunkte aus Beachtung: das Lauterberger Stift war zu seinen Lebzeiten das Hauskloster der Wettiner. Das führt uns zu der Frage: wie stand Konrad als Privatmann, als Laie zu der Kirche seiner Zeit? In ganz anderem Maße als der Mensch von heute ist der des Mittelalters ein Kind seiner Kirche. Um wieviel mehr ein Mann wie Konrad, dem die Kirche Helferin bei der kolonisatorischen Tätigkeit war, und den starke verwandtschaftliche Bande mit den Dienern der Kirche vereinten. Sein Oheim Friedrich ist Dompropst von Magdeburg, später Bischof von Münster gewesen, sein Vetter Günther hat der Naumburger Diözese vorgestanden, und des Neffen Wichmann, des würdigen Hirten der Naumburg-Magdeburger Kirchen, wurde bereits gedacht 4). Drei

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1) Erzbischof Wichmann sagt 1184: Rokerus Magdeburgensis archiepiscopus [1119-1125] apud capellam veterem petente avunculo nostro XIII villarum homines rusticos baptismum et sepulturam accipere precepit . . . (Cod. dipl. Sax. I, 2, 337 Z. 11 ff.).

2) Nebel a. a. O. S. 144 ff. spricht sich für Besetzung durch Gerbstedter Geistliche aus. Siehe jedoch meine S. 47 Anm. 2 zitierte Besprechung S. 416.

3) Siehe die Zusammenstellung bei Paul Platen, Die Herrschaft Eilenburg von der Kolonisationszeit bis zum Ausgang des MA. (Leipz. phil. Diss. 1913) S. 38 f., auch Siegmar Schultze a. a. O. S. 28.

4) Posse, Wettiner, Taf. 1 Nr. 14 u. 31. Siehe oben S. 42. Der von Lepsius a. a. O. S. 33 auf Grund schlechter Überlieferung als „mutmaßlich aus Wettinischem Stamme entsprossen“ bezeichnete Bischof Dietrich von Naumburg (1112--1123) ist kaum ein Wettiner. Posse a. a. O. kennt ihn nicht. Ebenso wird Wichmanns Vorgänger in Magdeburg, Friedrich (1142--1152), zuweilen als „von Wettin“ bezeichnet, z. B. bei Pius Bonifacius Gams, Series episcoporum ecclesiae catholicae (Ratisb. 1873) S. 288. Johs. Schäfers, Personal- u. Amtsdaten der Magdeburger Erzbischöfe (Greifsw. phil. Diss. 1908) S. 34: „aus unbekanntem Geschlechte“.

 

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49 Markgraf Konrad von Meißen.

 

von den sechs Töchtern Konrads haben den Schleier genommen und sind als Äbtissinnen gestorben, zwei in Gerbstedt, die jüngste in Quedlinburg 1). Nur von den Söhnen hat keiner der Welt entsagt, und das bleibt auffallend bei dem politischen Gewicht, das ein Fürst durch die geistlichen Mitglieder seines Hauses in die Wagschale werfen konnte 2).

 

Es bedarf kaum der Erwähnung, daß Konrad Kirchen, Stifter und Klöster beschenkte, sicher in reicherem Maße, als die Überlieferung erkennen läßt. Der Mainzer Kirche haben er und seine Gemahlin schon früh Ministerialen aus dem Schwiegerväterlichen Erbe in Schwaben geschenkt 3); die Abtei Nienburg an der Saale, der schon der Vater Thimo ein Wohltäter gewesen war 4), das Meißner Stift 5), das Hospital zu Jerusalem 6), das Marienkloster in Magdeburg 7), Reinhardsbrunn 8), Pforta 9) und Niemegk 10) haben sich der Mildtätigkeit Konrads erfreut. Und als im Jahre 1141 die Hände des heiligen Stephan durch das Markgebiet gebracht wurden, da übernahm Konrad das sichere Geleit der kostbaren Reliquie 11).

 

Die Krönung findet sein Wirken für die Kirche aber in der Sorge für die Stifter Gerbstedt und Lauterberg. Zur Zeit des jungen Grafen Konrad war Gerbstedt (zwischen Halle und Aschersleben) 12) sicher das Kloster der Wettiner. Ein Verwandter des Hauses, Markgraf Rikdag von Meißen, hatte es im 10. Jahrhundert gestiftet. Mit dessen Besitz war auch die Sorge für das Stift an die Wettiner gekommen. Man hatte Gerbstedts treulich gepflegt, der jeweilige Geschlechtsälteste

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1) Posse, Wettiner Taf. 2 Nr. 4, 5, 12.

2) Ganz anders handelt hier Albrecht d. Bär, Siehe O. v. Heinemann, Albrecht der Bär (Darmstadt 1864) S. 283 ff.

3) Cod. dipl. Sax. I, 2, 91 Z. 19: Ministeriales omnes, quos comes Adelbertus in montanis circa Nuenkirchen habuit, filia sua et vir suus marchio Cunradus sancto Martino et archiepiscopo cum cetera familia dederunt. In Nuenkirchen darf man wohl im Hinblick auf den Schwäbischen Grafen Albert (s. oben S. 3 f.) Neunkirchen westl. Schwäbisch Hall sehen.

4) Cod. dipl. Sax. I, 2, 414 Z. 22-24.

5) Ebd. Nr. 82.

6) Siehe oben S. 25.

7) Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 157.

8) Siehe die oben S. 42 Anm. 3 genannte Urk., ferner Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 50, Reg. Thur. I Nr. 1109, 1117.

9) Cod. dipl. Sax. I 2 Nr. 274, Reg. Thur. II Nr. 152.

10) Siehe oben S. 47.

11) Ortliebi Zwifaltensis Chron. (MG. SS. X, 92 Z. 8 ff.): per Saxoniam transeuntes ducatu Counradi marchionis.

12) Über das Stift siehe die von Nebel a. a. O. in manchen Punkten ergänzte Hall. phil. Diss. von Max Gerstenberg, Untersuchungen über das ehemalige Kloster Gerbstedt (1911).

 

Neues Archiv f. S. G. u. A. XL, 1,2.

 

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50 Willy Hoppe:

 

war der Vogt gewesen, aber es war zum Verderb ausgeschlagen, daß man sich durch den wettinischen Bischof Friedrich von Münster hatte bestimmen lassen, Gerbstedt aus dem Halberstädter Diözesanverbande zu lösen und Münster zu unterstellen. Friedrichs Nachfolger hatten böse mit den Stiftsgütern gehaust 1). Konrad, der an Stelle seines Bruders Dedo noch bei dessen Lebzeiten Vogt geworden war 2), tat energisch Einhalt. Das alte Verhältnis zu Halberstadt wurde trotz des münsterschen Einspruchs wiederhergestellt, der Besitz vermehrt und der Konvent reformiert. Indessen konnte das abgelegene Gerbstedt -- zudem ein Frauen-, ein Kanonissenstift – 3) die Aufgabe eines wettinischen Hausklosters nicht erfüllen. Das Interesse Konrads und der Wettiner blieb ihm weiter gewahrt 4), aber die helle Zukunft gehörte den Augustinern auf dem Lauterberge, besonders da die Stiftung des Grafen Thimo, Niemegk, nicht gedieh.

 

Noch eine dritte Kirche darf wahrscheinlich in Konrad ihren Stifter sehen: Elchingen 5), fern von der Mark Meißen, im Schwabenlande bei Ulm über der Donau gelegen. Ein von den Schwiegereltern überkommener Burgort bot

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1) Siehe über diese und die folgenden Dinge Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 55, 263. Urkundenbuch der Klöster der Grafsch. Mansfeld Nr. 8, 6.

2) Konrad sagt 1118: Ego vero, quia locu[s] ad meam spectabat tutelam et defensionem (Cod. dipl. Sax. I, 2, 48 Z. 26). Diese Worte belegen trotz Gerstenberg a. a. O. S. 28 Anm. 9 deutlich die Vogteistellung.

3) Siehe K. Heinr. Schäfer, Die Kanonissenstifter im dt. MA. (Kirchenrechtl. Abhandlungen hrsg. von Ulr. Stutz XLIII/XLIV [Stuttgart 1907]), 17 Anm. 1. Über die Ordenszugehörigkeit siehe meine Bemerkungen im N. Arch. f. Sächs. Gesch. XXXVIII (1917), 416.

4) Bei der Angabe von Nebel a. a. O. S. 134 „Gerbstedt, das bisher als Familiengruft gedient hatte, war zerrüttet“, ist in beiden Punkten Vorsicht am Platze, ebenso bei dem, was Krühne im UB. der Klöster der Grafsch. Mansfeld S. VIII u. Gerstenberg a. a. O. S. 33 f. üb. das Schwinden des wettinischen Interesses sagen. Siehe auch meine Ausführungen a. a. O.

5) Die einzige Nachricht bietet Konrads Schreiben von 1142 Febr. 27 an den Papst (Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 154, auch gedruckt von v. Pflugk-Harttung im Neuen Archiv der Ges. f. ältere dt. Geschichtskunde VI [1881], 634 f.). Daß 1142 Gründungsdatum sei, wie Hauck, Kirchengeschichte IV, 982 meint, ergibt sich aber nicht aus der Urkunde. Die Übergabe in den päpstlichen Schutz braucht nicht mit der Gründung zusammenzufallen. Das lehrt z. B. das Lauterberger Stift. Indessen scheint die Urkunde (entgegen Lobeck a. a. O. S. 56 und Posse, Wettiner S. 43 f. Nr. 1) Konrad als Stifter erkennen zu lassen. Die Angaben bei Pirmin Lindner, Monasticon episcopatus Augustani antiqui (Bregenz 1913) S. 60 sind unzuverlässig, die dortige Literatur führt nicht weiter. Auch A. v. Steichele, Das Bist. Augsburg, fortges. von A. Schröder, I ff. (Augsb. 1861 ff.) gibt nichts aus.

 

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51 Markgraf Konrad von Meißen.

 

dem Markgrafen und seiner Gattin die wirtschaftlichen Grundlagen für die Benediktinerabtei. Sie muß sich notgedrungen bald aus dem Interessenkreise der Wettiner gelöst haben.

 

In zweierlei zeigt sich die persönliche Sorge, die Konrad seinen Gründungen gewidmet hat. Zunächst: er unterstellt sämtliche drei Institute dem päpstlichen Schutz, Gerbstedt in der Form der einfachen Tutela 1), Lauterberg und Elchingen direkt als päpstliche Eigenkirchen 2). Nicht so sehr ein religiöses, als vielmehr ein wirtschaftliches Moment spielt bei diesem kirchenrechtlichen Akte mit, sicherlich gezeitigt durch die bösen Ereignisse in Gerbstedt. Der päpstliche Schutz ließ die Stifter wohl spirituell unter ihren Bischöfen bestehen. So blieb Lauterberg nach wie vor in allen geistlichen Beziehungen ein Glied des Magdeburger, Gerbstedt ein Glied des Halberstädter Sprengels 3). Aber der Schutz schloß, ohne die Rechte Konrads als des Stifters bzw. des Grundherrn zu beschränken, jeden anderen episkopalen oder auch klerikalen Einfluß aus. -- Weiterhin suchte Konrad seinen Stiftungen eine hohe soziale Geltung zu erhalten oder zu verschaffen. Es sind Bestrebungen, wie sie dem gesamten Hochadel des Mittelalters eigentümlich sind 4). Elchingen scheidet hier infolge des Quellenmangels aus. Gerbstedt ist damals und auch später ein adliges Stift gewesen, dessen ständisches Ansehen Konrads Töchter gemehrt haben werden 5), und was hier erreicht war, sollte in Lauterberg das Ziel sein. Hier eine edelfreie Schar zu heiligem Dienste zu sammeln, ist dem Markgrafen nicht gelungen 6), trotzdem mit der Übersiedlung von Chorherren aus dem nahen Neuwerk, einem hochvornehmen Stifte, der beste Grund gelegt war. Lauterberg ist die Stätte

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1) Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 122. vollständig gedruckt im Urkundenbuch der Klöster der Grafsch. Mansfeld Nr. 7 (vgl. Nebel a. a. O. S. 149). Konrad hat selbst die Ausstellung der Urkunde betrieben, s. oben S. 19.

2) Betreffs Elchingen s. S. 50 Anm. 5, betr. Lauterberg Cod. dipl. Sax. I, 2 Nr. 73 und die ausführliche Erörterung bei Nebel a. a. O. S. 147 ff.

3) Beide Urkunden betonen das. Für Lauterberg und Magdeburg s. auch Chron. Mont. Ser. 1151 (MG. SS. XXIII, 148 Z. 5--6, 18 f.), ferner Cod. dipl. Sax. I, 2, 337 Z. 6 ff. Vgl. die Zusammenfassung bei Nebel a. a. O. S. 158.

4) Ich verweise auf das entscheidende Buch von Aloys Schulte, Der Adel und die deutsche Kirche im MA. (Kirchenrechtl. Abhandlg., hrsg. von Ulr. Stutz LXIII/LXIV, Stuttgart 1910).

5) Gerh. Burck, Stand u. Herkommen der Insassen einiger Klöster der ma. Mark Meißen (Leipz. phil. Diss. 1913) S. 41 f. Ferner Schulte a. a. O. S. 400, Gerstenberg a. a. O. S. 32. 34 f., auch K. H. Schäfer a. a. O. S. 240 ff.

6) Ausführlich Burck a. a. O. S. 39 ff.

 

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52 Willy Hoppe:

 

der Ministerialen- und Bürgersöhne geblieben, wenn Konrad diese Entwicklung noch hat kommen sehen, sicher sehr zu seinem Verdruß.

 

Denn zu keiner Kirche zieht es ihn und seine Gattin so hin wie nach dem Lauterberg. Die Chronik des Stiftes spricht laut davon, und wir dürfen ihr trauen. Hier sucht Luitgard ärztliche Hilfe 1); hier, wo wissenschaftliches Leben in der Schreibkunst die ersten Keime entfaltete 2), mag dem Markgrafen geistige Anregung geboten sein, auch geschäftliche Angelegenheiten betrieb er mit seinen Augustinern 3). Die ganze Liebe, die in seinem Herzen für sie glühte, brachte er bei seinem Eintritt in das Stift noch einmal in einer großen Urkunde zum Ausdruck. In seine Söhne wollte er die gleiche Verehrung für das Stift verpflanzt wissen, wie sie ihn beseelte, und an seiner und der Mutter Seite sollten sie dereinst -- so war sein Wunsch -- dem jüngsten Tage entgegenschlummern 4).

 

Der müde Wanderer, der an jenem 30. November 1156 diese Worte niederschreiben ließ, hat die aufsteigende Sehnsucht nach der Pracht der Welt, wenn Sie ihn wirklich gepackt hat 5), nicht lange zu bekämpfen brauchen. Am 5. Februar des nächsten Jahres ist er verschieden. Noch einmal sammelte sich um Konrad eine glänzende Schar, in der der alte Waffengefährte Albrecht der Bär nicht fehlte. Erzbischof Wichmann, dem der Havelberger Bischof zur Seite stand, hat den Oheim neben Gattin und Schwester bestattet 6).

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1) Siehe Chron. Mont. Ser. 1146 (MG. SS. XXIII, 146 Z. 25). Der schon genannte Bosauer Abt und Meißner Bischof Gerung, also ein Konrad nahestehender Mann, stirbt 1170 in infirmitorio fratrum in Sereno Monte (MG. SS. XXIII, 153 Z. 24).

2) Chron. Mont. Ser. 1137 (MG. SS XXIII, 145 Z. 5 ff.). Vgl. Lobeck a. a. O. S. 19 u. 63. Lauterberger Urkundenausfertigungen stellt zusammen Posse, Privaturkunden S. 32 f.

3) Cod. dipl. Sax. I, 2, 178 Z. 5: Silva Scowice, quam ego dedi in recompengatione X talentarum, que ab aecclesia mutuo acceperam.

4) Ebd. Nr. 262 (1156 Nov. 30). Es heißt darin: obsecrans (sc. filios), ut quemadmodum ego meis diebus eos in gremio pie mansuetudinis et fidelis sollicitudinis fovere non destiti, ita quoque filii mei intuitu materne et paterne dilectionis ob amorem divine retributionis benigno et clementi patrocinio locum ipsum gubernare et strennue defensare contendant, in quo videlicet in lateribus patris sui et matris sue usque in diem resurrectionis nobiscum, sunt dormituri.

5) So meint vorsichtig Böttiger-Flathe I, 133. Er denkt offenbar an eine Bemerkung desChron. Mont. Ser. 1156 (MG. SS. XXIII, 150 Z. 39 ff.).

6) Chron. Mont. Ser. a. a. O. Siehe auch Geneal. Wettin. (MG. SS. XXIII, 228 Z. 42.) Lobeck a. a. O. S. 77 f. u. Posse, Wettiner, S. 43 f. Nr. 1 übersehen folgende Nachrichten: Ann. S. Petri Erphesf. ant. 1157 (Monum. Erphesf. saec. XII. XII. XIV. ed. O. Holder-Egger (SS. rer. Germ. in usum Scholarum) S. 19 Z. 22 Cunradus obiit. Ann. Palid. 1156 (MG. SS. XVI, 90 Z. 4): Conradus . . . apud montem Ethereum communionem religiosorum expetiit; ubi non longum agens vite spacium, a seculo migravit ad Dominum. S. auch Ann. Pegav. (MG. SS. XVI, 259 Z. 38). Nekrol. des Benediktinerklosters Chemnitz (Cod. dipl. Sax. II, 6, 473 Z. 29): Febr. Non. Cunradus marchio. Über das 1567 nach älteren Vorbildern gefertigte Grabmal Konrads u. seiner Gemahlin in der Kirche von Lauterberg s. J. L. Sponsel, Fürstenbildnisse aus dem Hause Wettin (Dresden 1906) S. 1-3 und Tafel 1, 2.

 

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53 Markgraf Konrad von Meißen.

 

Wir stehen am Ende eines reichen Lebens. Es ist reich. Nicht als ob wir das Höchste hätten tun dürfen, was dem Historiker vergönnt ist: dem allmählichen Emporwachsen eines Menschen zu einer starken Persönlichkeit zu lauschen. So gewiß freilich nicht erst die Renaissance den großen Menschen von ausgeprägter Individualität schuf, wie man wohl behauptet hat, richtig bleibt doch, daß das Mittelalter nur gleichsam widerstrebend die Schleier lüftet, die über dem Wachstum seiner Helden ruhen. Bei Konrad gestattet es uns wahrlich nur die dürftigsten Blicke in das, was die Seele dieses Mannes bewegte. Und dennoch: ein reiches Leben von hoher historischer Bedeutung. Konrad bereitet den Boden und legt das Samenkorn des wettinischen Reiches in die Schollen der deutschen Staatenwelt. Die Teilung seines Besitzes unter die Söhne hat das Wachstum der Pflanze wohl verzögert, aber nicht unterdrückt. Eine durch keine völkischen Rücksichten gehemmte Heiratspolitik 1) sucht neue Kraft aus entfernterem Boden zu saugen -- das alles sicher aus wohlerwogenem Familieninteresse heraus und doch bestimmt, weitreichend in den Gang deutscher Geschichte einzugreifen. Damals verankert sich deutsches Wesen unauflöslich in dem Boden der Marken. Mag man daher mit dem gelehrten Schulmeister des 16. Jahrhunderts Konrad als den „Großen“ preisen (erst damals kommt diese Bezeichnung auf) 2), mag man einem Historiker wie Wilhelm Giesebrecht folgen und ihm jenen Beinamen verweigern 3) -- ein Urteil, das die ernste Forschung angenommen hat --, ein gewisser Schimmer wird die Gestalt dieses Fürsten doch immer verklären.

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1) Für die ähnliche Politik der Askanier s. die lehrreiche Zusammenstellung Krabbos in den Forschungen zur brandenbg. u. preuß. Geschichte XIX (1906), 388. f.

2) Siehe Ermisch im N. Arch. f. sächs. Gesch. XVII (1896), 10 u.30.

3) Wilh. v. Giesebrecht, Geschichte der deutschen Kaiserzeit V (Leipzig 1880), 117.

 

 

Quelle:

Neues Archiv für Sächsische Geschichte und Altertumskunde

Herausgegeben von Hubert Ermisch

Vierzigster Band -- Erstes und zweites Heft

Dresden 1919 Buchdruckerei der Wilhelm und Bertha v. Baensch Stiftung.

S. 1-53.

Der Artikel liegt als Digitalisat in den digitalen Sammlungen der SLUB Dresden vor:

Neues Archiv für sächsische Geschichte

Signatur: Hist.Sax.A.427.b-40.1919

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Sammlungen: Neues Archiv für Sächsische Geschichte Saxonica

 

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