Gräfin Adelheid und die Stiftung des Klosters Walkenried

Von dem Jahre 1132.

 

87) Der König Lothar bestätiget das von Adelheid *) zu

 

*) Ueber die Stiftung des Klosters zu Walkenried macht uns ein ohne Jahreszahl vorhandener historischer Aufsatz der in Eckstorm l. l. pag. 11., Leukfeld l. l. Th. II. p. 6. und am richtigsten in Jovii Schwarzb. Hist. bei Schöttgen und Kreysig S. R. G. Tom. I. p. 143. befindlich, und von den Mönchen des Klosters Huisburg niedergeschrieben worden ist, folgende Umstände bekannt: „Als nämlich der Graf Volcmar von Klettenberg mit Zustimmung seiner Gemahlin Adelheid, einer Tochter Ludwigs von Lohra, und seines Sohnes Ludwig, in Gegenwart des Bischofs Reinhard zu Halberstadt, des Abts Alfried zu Huisburg und dessen Klosterconvents, auch mehrerer weltlicher Personen, des späterhin Mönch gewordenen Wichmanns, Heinrichs von Berg, Eckhardts von Wigleben, Hanzelin und Alberts von Burclingen in Thüringen, Ditterichs von Gaswarpe, sich in das Kloster zu Huisburg begeben und diesem seine Besitzungen, mit Vorbehalt deren Benutzung für seine Gemahlin auf Lebenszeit derselben, zugewendet hätte, so habe sich die Letztere einige Zeit darauf entschlossen, in dem unter die von ihrem Gemahl verschenkten Güter mitbefindlichen Dorfe Walkenried ein Kloster zu erbauen und dem Abt Alfried diesen Wunsch zu genehmigen gebeten.

 

 

Einfügung: Kaiser Lothar III. mit Gemahlin Richenza

 

 

Dieser aber hierzu gänzlich abgeneigt, hätte sich der Gewährung des Gesuchs geweigert und die Gräfin dadurch veranlasst dass sie dem König Lothar und dessen Gemahlin ihren Vorsatz vorgetragen, durch deren Vermittlung aber den Abt zu einem Tausch bewogen, nach welchem dieser unter Genehmigung des Halberstädt. Stiftsvoigts, des Pfalzgrafens Friedrich, der Gräfin die Dörfer Walkenried, Immenrot, Suaversdorp abgetreten, und dafür andere Besitzungen erhalten hätte, worauf das Tauschgeschäft selbst zu Goslar in Anwesenheit des Königs Lothar und dessen Gemahlin vollzogen worden sey. Adelheid habe sich dann aus dem Cisterzienser Kloster zu Campen Altfeld einige Mönche erbeten, und mit selbigen das Kloster Walkenried besetzt.“ Der Umstand, dass Adelheid nach der Anordnung ihres Gemahl die Benutzung der dem Kloster Huisburg verehrten beträchtlichen Güter hatte, bewog vermuthlich den Abt, in die Gräfin zu dringen, sich dieses Vorbehalts zu begeben und die Besitzungen noch bei ihrem Leben dem Kloster abzutreten, bestärkte aber, weil sie diesen Antrag zurückwies, nur noch mehr den vielleicht längst gefassten Beschluss der Gräfin, in Walkenried ein Kloster stiften zu wollen. Die Einkleidung Volkmars in das Kloster Huisburg muss zwischen 1118 bis 1124 geschehen seyn, weil diese in Gegenwart des Grafens sodann aber Mönch gewordenen Wichmanns, und des nach dem Annalista. Saxo p. 286. i. J. 1124 gestorbenen Bischofs Reinhard zu Halberstadt geschehen ist, der historische Aufsatz selbst aber kann jedoch vor dem Jahre 1127 nicht niedergeschrieben worden seyn, weil am Schluss desselben des Abts Heinrichs zu Fulde erwähnt wird, der von 1127 bis 1132 der dasigen Abtey vorgestanden hat. Vermuthlich ist diese Notiz i. J. 1127 aufgesetzt worden und auch Adelung in dem Directorio der Sächs. Gesch. hat solcher bey diesem Jahre erwähnt.

 

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Walkenrit 297) gestiftete Kloster Benedictiner *) Ordens, eignet demselben auf Bitten seiner Gemahlin Richinza und mit Genehmigung der Thüring. und Sächs. Fürsten, das Wildbannsrecht in dasiger Gegend zu, bezeichnet dessen Grenzen durch die Ortschaften Immenrode 298), Sassenburgk 299), durch die Gebirge Moseberg 300), Eichenberg 301) und das Dorf Rathersrode 302) und setzt auf die Vernichtung dieser Schenkung 100 Mark Goldes als Strafe, halb der königlichen Kammer und halb dem Kloster Aerario zahlbar, fest. Zeugen sind gewesen der Bischof Meingot zu Merseburg, der Landgraf Ludwig, der Markgraf Conrad, die Grafen Herrmann, Christian von Rotenburgk **), Lambert, Witichind, Ludolph, Bernhard, Friedrich, Immo, Ido, Heinrich. Act. anno iuc. dom. 1132. anno regni Lotharii 7. Ind. X. Dat. Mulehusen.

 

Eckstormii Chron. Walkenr. p. 39.

Leukfeld antiq. Walkenried. Lib. I. pag. 355.

Lünig Spicil. Eccl. Tom. III. p. 842.

Reehtmeier Braunschw. Hist. p. 291.

 

 

297) Das Dorf Walkenried liegt in Obersachsen, gehört zum Herzogthum Braunschweig und enthält jetzt einen besonderen Amtsbezirk.

*) Dass in der Urkunde des Benedictiner Ordens gedacht werden, da doch gleichwohl in Walkenried der Cisterzienser Orden eingeführt war, macht die Aechtheit des Documents nicht verdächtig, weil beide Orden mit einander genau verbunden waren und letzterer die Reform des ersteren enthielt.

298) Das Dorf Immenrode hat in der Nähe von Walkenried gelegen, ist aber jetzt Wüstung. Leukfeld l. l. Lib. I. p. 384

299) Das jetzige Dorf Sachsenstein i. A. Walkenried, sonst Sachsenberg genannt.

300) Ein Berg, daher das Moseberger Thal zwischen Sachsenstein und Wieda i. A. Walkenried.

301) Ein Berg.

302) Das Dorf Ratherode unweit Herreden in der Grafschaft Klettenberg, ist jetzt wüste. Leukfeld l. l. p. 416.

**) Dieser Christian war der erste Graf von Rotenburg. Müldner Nachr. von den Bergschlössern p. 110

 

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Quelle:

Ludwig August Schultes: Directorium Diplomaticum oder chronologisch geordnete Auszüge von sämmtlichen über die Geschichte Obersachsens vorhandenen Urkunden, Ersten Bandes I. Heft, bis zur Regierung des Kaisers Otto I. Altenburg, bei Christian Hahn 1820. S. 300 bis 301

 

 

 

 

Lohra und Münchenlohra

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101 Lohra.

 

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Lohra.

Auch Amtlohra genannt, königliche Domäne, 15km südwestlich von Nordhausen am Rande der Hainleite gelegen, vormalige Burg der Grafen von Lare.

 

Die Burg Lare soll nach Ekkehards Hist. generalis pg. 353 von Graf Ludwig von Lare erbaut worden sein, den die Ann. Reinh. als Sohn Graf Beringers, Enkel Graf Dietrichs von Linderbeke und Urenkel Graf Ludwigs des Bärtigen bezeichnen. Hierzu stimmt freilich das von allen alten Schriftstellern angegebene Jahr der Erbauung 1064 nicht, jener Ludwig von Lare war ein Zeitgenosse Landgraf Ludwigs II. des Eisernen, zutreffend für seine Zeit ist allerdings der Baustil der Doppelkapelle der Burg, der Bergfried derselben ist indes der Technik seines Mauerwerks zufolge in eine frühere Zeit zu setzen; wie es allerdings Regel war, dass sich um den Bergfried als den meist ursprünglichen Theil der Burg die später angelegten Gebäude gruppirten. Ja zuweilen mögen wohl die Bergfriede als „Monopyrgia" längere Zeit für sich bestanden haben, wie z. B. der noch stehende Thurm des Kiffhäusers von einem sogenannten Mantel umgeben und durch einen Graben von den übrigen spätern Gebäuden getrennt war. Die oben angedeutete Technik der Mauerung besteht nun darin, dass die innere und äussere Verkleidung der Mauer aus äusserst genau auf- und aneinander gearbeiteten Quadern aus dem Muschelkalke der nächsten Umgebung der Burg im sogenannten Pseudo - Isodomumverbande besteht, bei dem zwar sämtliche Quadern einer Schicht gleich hoch, die Schichten unter sich aber verschieden in Höhe sind.

 

Fig. 35

 

Die Ausfüllung - und das ist das Bemerkenswertheste - ist noch nicht, wie später gebräuchlich, ein regelloses Gemenge von Steinbrocken und Mörtel, sondern eine regelmässige Folge von abwechselnd nach links und nach rechts geneigt gepackten sogenannten Stromschichten aus Bruchsteinen, stellenweise getrennt durch längs liegende Strecker, welche den sogenannten Aehren- oder Heringsgrätenverband (opus spicatum) darstellt (Fig. 35).

 

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102 Kreis Grafschaft Hohenstein

 

Diese Technik ist eine spätest römische und kommt zuerst ebenfalls mit Quaderverkleidung, unserer Lohraer ganz ähnlich, an den Ringmauern des römischen Castrum Rutapinum bei Richborough an der Küste von Kent vor: diese unterscheiden sich allerdings von den Lohraer Mauern durch die eingelegten Läuferschichten von grossen, römischen Backsteinen als Römerwerk. Ganz den gleichen Verband zeigt die um das Jahr 500 unter dem grossen Gothenkönig Theoderich (Dietrich von Bern) errichtete Stadtmauer von Verona, jedoch ohne Quaderverkleidung. Man nimmt an, dass oberitalienische Maurer, die berufenen Magistri comacini, 1 diese Art des Mauerverbandes vorzüglich geübt und verbreitet hätten. Im 11. Jahrhundert kam derselbe über Graubündten, wo die Burg Hohen-Rhätien ganz in diesem Verbande errichtet ist, nach Deutschland. Jene Burg wird bereits im 11. Jahrhundert urkundlich erwähnt und ist zweifellos von comacinischen Maurern erbaut worden. Das Mauerwerk der Kiffhäuserburg 2 und die ältern Stadtmauern der Stadt Fulda zeigen den gleichen Verband, letztere jedoch ohne Quaderverkleidung, die gerade am Bergfried zu Lohra eine so vorzüglich gearbeitete ist, dass man versucht wird, hier eine Mitwirkung fremder Meister aus dem Süden, auf welche der Aehrenverband der Füllung deutet, anzunehmen. Es steht zu vermuthen, dass noch manch anderer vierseitige Bergfried aus ältester Zeit den Aehrenverband innerhalb seiner Quadermauerung birgt, der nur erst beim Abbruch zum Vorschein kommt. Derselbe wurde übrigens wie der gleichzeitige Buckelquaderbau (opus rusticum), von dem sich im unteren Theile des Kiffhäuserbergfrieds ein schönes Beispiel erhalten hat, in der Regel niemals zu kirchlichen Anlagen verwendet.

 

Im Verlaufe des 11. Jahrhunderts, in dessen letztes Viertel wir die erste Anlage der Burg Lare durch Graf Beringer, Sohn des Grafen Dietrich von Linderbeck, am füglichsten setzen können, maassten sich die Grafen das Recht an, Plätze zu befestigen (jus muniendi), das unter dem sächsischen Königshause noch Vorrecht der fürstlichen Lehnsherren gewesen war, wie bereits in der Einleitung bemerkt, erbauten sie sich Burgen als feste Haltepunkte, Centren, um die sich im Laufe der Zeit Territorialgrafschaften bildeten, die von der Burg den Namen empfingen. Bei der Wahl des Ortes mag die Nähe der Thalenge bei Obergebra fälschlich wohl Porta Eichsfeldica genannt, und ein alter Strassenzug, der durch den Einschnitt zwischen Lohra und dem Reinhardsberge nach Mühlhausen geführt haben soll, vielleicht mit maassgebend gewesen sein.

 

Wie selbst noch in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts die Burg als das Hauptobject der Grafschaft betrachtet wurde, zeigt uns der bereits erwähnte

 

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1 Die ihren Namen von der Insel Comacina im Comersee erhalten haben.

2 Dieses Mauerwerk besteht aus einer, freilich meist abgefallnen, Verblendung aus rothem Sandstein und einer Füllung aus trocken schrägstehend an einander geschichteten Bruchsteinen, die mit Gipsmörtel vergossen sind. Die Schichtung ist nun aber keineswegs wie in Lohra eine nach rechts und links abwechselnde, sondern meist eine in derselben Richtung gehende, jedoch noch mit zwischengelagerten Streckerschichten die bei spätern Bauten verschwinden. Es ist deshalb dieses Mauerwerk als die spätere, nachlässige Nachahmung einer in vollkommenerer Form eingeführten Technik, die uns in Lohra in ihrer ursprünglichen Sauberkeit entgegentritt, aufzufassen. Ungewöhnlich ist das Vorkommen des beschriebenen Verbandes an der romanischen Kiffhäuser Kapelle und einem runden Thurme neben dem Eingange in der die Kapelle umringenden Mauer.

 

 

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103 Lohra.

 

Pfandbrief vom 15. Juni 1370 (RA. Q, 10), durch den die Grafen Dietrich VI., Ulrich IV. und Heinrich VI. (der Dicke) von Honstein bekennen, dass sie 40 Nordhäuser Bürgern und Bürgerinnen 3962½ Mark löthiges Silber und 659 Mark 9 Schillinge Nordhäusischer Pfennige schuldig sind, für welche Summe sie ihr Schloss und Haus Lare mit allem Zubehör an 25 genannten Dörfern, zwei Klöstern und zwei Klosterhöfen als Pfand einsetzen. Die Grafen überantworten das Schloss und Zubehör ihren Mannen, den gestrengen Herren Heinrich von Osterode und Dietrich von Wertere, Ritter, und Jane von Stoghausen und Konemunt von Tettinborn für die Gläubiger zur getreuen Hand. Diese vier Hauptbürgen setzen einen ihnen verpflichteten Vogt zur Verwaltung der Herrschaft während der sechs Jahre der Verpfändungsdauer auf das Schloss. Würde letzteres während dieser Zeit von Feinden der Grafen erobert, so haben die Schuldner ein ebenso gutes Schloss dafür einzusetzen, brennte dasselbe aber ab, so sind dieselben verpflichtet es wieder aufzubauen, thäten sie dieses nicht, so sollten die Gläubiger den Bau ausführen und die Kosten desselben zur Pfandsumme schreiben. Trügen die Grafen nach Ablauf von sechs Jahren ihre Schuld nicht ab, so sollten nicht allein die genannten vier Bürgen, sondern auch die Grafen Conrad von Wernigerode, Heinrich von Stalberg, Heinrich von Gleichen und der edle Herr Gebhard von Querfurt mit je drei ihrer Mannen und ausserdem noch 17 von den Mannen der Grafen in Nordhausen, Erfurt oder Mühlhausen einreiten und dort bis zur Tilgung der Schuld Einlager halten.

 

Es mögen hier nun Nachrichten über Personen folgen, welche die Burg zu verschiedenen Zeiten bewohnt haben. Zunächst sicherlich die Grafen von Lare, dann der erste der Beichlinger Grafen von Lare, Friedrich IV. der Aeltere, der 1234 Zeuge war, als Graf Heinrich von Gleichen „in castro Lare“ einen Schenkungsbrief für das Kloster Gerode ausstellte. Graf Heinrich von Lare bestätigte 1301 in Lare eine Schenkung Reinhards von Werther an das Altendörfer Kloster in Nordhausen. Derselbe und seine ganze Familie verkauften 1305 in Castro Lare eine Hufe in Nore an Walkenried und schenkte diesem Kloster 11 Leibeigene: Männer, Frauen und deren Kinder (W. U. 659); wiederum im folgenden Jahre im Verein mit seiner Mutter, Frau und seinen Kindern Land an Walkenried, wobei der Probst Nicolaus von Monchelare und des Grafen Caplan Gottfried dictus Stelze Zeugen sind (W. U. 678). Auch aus andern Urkunden erhellt, dass Heinrich mit seiner Familie das Schloss bewohnte, ebenso späterhin nach der Wiedereinlösung: Heinrich VIII. und seine Söhne Ernst II., Heinrich der Stolze und Günther Grafen von Honstein. Seit 1460 residirte Ernst IV. von Honstein auf Lohra, das er auch 1480 seiner Gemahlin Margaretha von Reuss als Leibgedinge verschrieb. Am 12. Januar 1499 feierte er die Hochzeit seiner zweiten Tochter Magdalena mit Graf Heinrich XXXVI. von Schwarzburg auf dem Schlosse; sein dritter Sohn Johann III., der unter Herzog Georg dem Bärtigen den Feldzug in Friesland mitgemacht hatte, wurde bei der Belagerung von Gröningen mit einem angeblich vergifteten Pfeile verwundet und verstarb infolge dessen am 19. December 1514 auf Burg Lohra. Von Burgmännern auf derselben lernen wir kennen: Heinrich von Thalheim 1276, Hermann von Seneleven 1303, auch noch 1327 Johann von Salza, Johann von Gebra und Reinher von Nora im Dienst der Grafen von Beichlingen (Förstem. Chron. pg. 141). Im zügellosen 15. Jahrhundert überfiel 1441 der

 

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104 Kreis Grafschaft Hohenstein.

 

Honsteinische Marschalk auf Lohra Hermann von Stockhausen von der Burg aus den Stadthauptmann von Nordhausen Berld von Westernhagen, der mit einigen Nordhäuser Bürgern eine Braut von Bleicherode einholen wollte, in der Nähe von Mitteldorf und 1482 der Honsteinsche Vogt Caspar Reiche auf Lohra den Nordhäuser Juden genannt Nüsse, den er auf die Burg schleppte und „schatzte", dem Beraubten aber auf Befehl Kurfürst Ernsts das Geld zurückerstatten musste. Im Jahre 1580 brachte der Walkenrieder Prior Liborius Hirsch das Archiv seines Klosters auf Anordnung der Vormünder des damals noch minderjährigen Grafen Ernst VII. von Honstein, der bereits in seinem zweiten Lebensjahre die Anwartschaft auf die Administration des Klosters erhalten hatte, nach der Burg Lohra; als dann die Grafen von Schwarzburg und Stolberg unmittelbar nach dem Tode Ernsts VII. dieselbe besetzen liessen, war es ihre erste Sorge, die Urkunden nach Rudolstadt bringen zu lassen. Ernst VII. verbrachte die letzte Zeit seines Lebens auf der Burg, von welcher er sich kurz vor seinem Tode bereits erkrankt nach Walkenried verbringen liess, wo er am 8. Juli 1593 verstarb. Herzog Heinrich Julius hielt sich 1593 im Herbst längere Zeit auf dieser seiner eben erst neu erworbenen Burg auf; das Honsteinische Copial im Magdeburger Archiv enthält mehrere von ihm in den Monaten September und October dort ausgestellte Urkunden. Ebenso sein Nachfolger Friedrich Huldrich in den Jahren 1614, 1616 und 1621, in welcher Zeit er nach einer Steininschrift in der jetzigen Milchstube das Amthaus eingehend repariren oder vielmehr umbauen liess.

 

Während des dreissigjährigen Kriegs wechselte die Burg natürlich eben so oft als die Grafschaft den Herrn. Im Feldzuge Tilly's gegen den Obersten des niedersächsischen Kreises König Christian IV. von Dänemark liess er unter andern auch Lohra 1625 besetzen und befestigen. Die Burg wurde mit einem Walle umzogen, ihre Mauern ausgebessert und zum Theil erneuert, eine Zugbrücke und das auf dem Grundrisse noch erkenntliche Aussenwerk angelegt. Im folgenden Jahre besetzte sie der Wallensteinsche Oberst Fabre du Four von anfangs October bis zum December. Bei Annäherung der Schweden nach der Schlacht auf dem Breiten Felde bei Leipzig am 1 . September 1631 verliessen die kaiserlichen Truppen die Burg und zerstörten bei ihrem Abzuge alle Vertheidigungswerke, die jedoch von den Schweden wieder hergestellt wurden, nachdem sie nach dem Tode Herzog Friedrich Huldrichs am 18. August 1634 von Erfurt aus die Burg besetzt hatten. Der Prager Frieden (1635) setzte den Erzherzog Leopold Wilhelm faktisch in den Besitz des Bisthums Halberstadt, sein Vicar im Bisthume Graf J. R. von Metternich liess durch den kaiserlichen Oberst Philipp Christoph Kratz im folgenden Jahre die Grafschaft Hohnstein besetzen; in welch hinterlistiger Weise derselbe sich unserer Burg bemächtigte, erzählt das Theatrum Europaeum III, pg. 671: ,,Es ist selbiger Zeit (im Frühling des Jahres 1636) das Stammhaus oder Schloss Lohra in der Grafschaft Hohnstein durch folgendes stratagema eingenommen worden, in deme der Kayserische Obriste Philipp Christoph Kratz eine Ansuchung gethan, vmb dasselbe zu besichtigen, welches er auch bald erlanget, in deme er nun im Heraußgehen auff der Zugbrücken still gestanden vnnd etwas Sprach gehalten, haben sich seine in einem Gehöltz vnfern darvon gehaltene Soldaten eylends jedoch ohne einiges gewahrwerden hervorgethan auff die Brücken angedrungen vnd deß Orths also sich impatronirt." Nachdem jedoch General Banner

 

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105 Lohra.

 

wiederum die Oberhand gewonnen hatte, wurde 1639 Lohra wieder von den Schweden durch Akkord eingenommen, darauf wieder an die Kaiserlichen verloren, endlich im Juli 1643 vom schwedischen Kommandanten in Erfurt bis zum Frieden 1648 besetzt gehalten (Merians Topogr. Obersachsens).

 

Von den Grafen von Sayn-Wittgenstein haben Johann und dessen Sohn Ludwig Christian ihren Aufenthalt in Lohra durch Ausstellung von Urkunden dort bezeugt, die eigentliche Residenz derselben war indes das von denselben neuerbaute Herrenhaus (der gräfliche Flügel) in Clettenberg. Ein unverhältnismässig grosser Aufwand stürzte die Grafen nach und nach so tief in Schulden, dass schliesslich sämtliche Aemter der Grafschaft als Pfand in fremden Händen waren, so Lohra vom Jahre 1679 an in denen von Hildebrand Anton von Hardenberg, unter dessen Auspicien, wie wir sahen, die grosse Glocke zu Gross-Wenden 1694 gegossen wurde, von ihm ging die Pfandschaft am 10. December 1701 auf Graf Anton Günther von Schwarzburg-Arnstadt über, wurde aber bereits am 10. März 1702 von König Friedrich I. abgelöst und das Amt bis 1712 als königliche Domäne anfänglich in Erbpacht, dann aber in Zeitpacht an Private vergeben.

 

Ueber die Gebäude sagt Melissantes in seinem 1713 gedruckten „erneuten Alterthum“: „Die Gebäude sind mehrentheils wüste, wer nicht sonst Nachricht von dem Orte hat, dass es vor dessen ein gräflicher Sitz derer Grafen von Hohnstein gewesen, der wird solches zu dieser Zeit vor nichts anderes als einen mässigen Meyerhoff und Wirthshaus halten.“ Einen Blick in den jetzigen Burghof gewährt uns Fig. 36.

 

Fig. 36.

 

 

Die beste Zierde der alten Burg, ihr 100 Fuss hoher Bergfried, begann zu Anfange des vorigen Jahrhunderts vom Zahne der Zeit zu leiden, 1733 hatte man eine den Einsturz drohende Ecke desselben wieder aufzumauern, trotzdem war er im März 1743 wieder so wandelbar, dass man den völligen Abbruch für

 

 

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106 Kreis Grafschaft Hohenstein.

 

gerathen hielt gegen die Meinung des Landbaumeisters, der „diese alte Reliquie als eine Zierrath des Amts“ erhalten zu sehen wünschte. Es waren für den Abbruch 164 Thaler ausgeworfen worden, man fand jedoch, dass die Steine so fest verbunden waren, dass jene Summe bei weitem nicht ausgereicht haben würde, man begnügte sich mit einer Reparatur, bei der fast die völlige Höhe (90 Fuss) bestehen blieb. Als 1780 ein Sturmwind einige lose Steine herabgeworfen hatte, fand man sich veranlasst ein 12 Fuss hohes Stück davon abzutragen, von da an wurde bis in unser Jahrhundert hinein dem Thurme nicht allein Steinmaterial zu königlichen Bauten entnommen, sondern auch solches an Privatpersonen abgelassen. Dagegen lehnten sich indes die Bauern der benachbarten Amtsdörfer, welche den beim Abbruch entstehenden Schutt im Baufrohndienst (Burgfeste) abzufahren hatten, auf, weshalb verordnet wurde, dass nur zu den Bauten der Domäne selbst dem Thurme Steine entnommen werden durften, was indes auch bereits seit längerer Zeit sistirt worden ist. Das Thorhaus wurde 1733 einer starken Reparatur unterworfen, auf dasselbe eine Wohnung für den Justitiar erbaut, auch die Beringmauern zu beiden Seiten desselben erneuert. Erst im Jahre 1795 wurde seine untere Partie zu Gefängnissen ausgebaut.

 

Die Burg hatte bei B des Plans einen tiefen Brunnen, der aber um die Mitte des vorigen Jahrhunderts zu versiegen begann und deshalb ausgefüllt wurde, gegenwärtig wird die Domäne durch ein Druckwerk von unten mit Wasser versorgt.

 

Die architektonisch bemerkenswertheste Gebäulichkeit der Burg ist die Doppelkapelle F. Man findet dergleichen übereinander liegende, durch eine Oeffnung in der trennenden Wölbung in Verbindung gesetzte Kapellen fast ausschliesslich auf deutschen Burgen - vielleicht war Beschränktheit des Raumes hier das Motiv ihrer Anlage - doch auch an Palästen (Ulrichskapelle am Kaiserpalast in Goslar, Kapelle im Saalhof in Frankfurt a/M., Hofkapelle des erzbischöflichen Palastes in Mainz). Es ist angenommen worden, dass die untere Kapelle solcher Anlagen als Gruft oder wenigstens als zum Totendienste bestimmte Crypta gedient habe, was wohl bei manchen derselben zutreffen mag, indes nicht hier, wo dieselbe ein oberirdischer Bau mit westlicher Vorhalle (narthex) ist. Es greift deshalb die dritte Annahme Platz: dass der untere Raum beim Gottesdienste den Dienstleuten angewiesen war, während der obere, der in unserm Falle allerdings grosse Veränderungen erlitten hat, der Burgherrschaft vorbehalten blieb, wie ja noch jetzt die Emporen in Schlosskapellen und Kirchen von Dörfern, die Rittergüter enthalten. Der bei weiten grösste Theil dieser Doppelkapellen gehört mit der zu Lohra der romanischen Bauperiode an, wie die zu Freiburg an der Unstrut, bei Landsberg bei Halle, in Eger in Böhmen, Hagenau im Elsass u. s. w.

 

Einfügung: Doppelkapelle Landsberg

 

 

Die Formen von Säulen und Kämpfern der untern Kapelle weisen dieselben der Mitte des 12. Jahrhunderts zu, der gänzliche Mangel an verzierten Bautheilen der obern erlaubt zwar nicht einen Schluss auf ihre Entstehungszeit zu ziehen, jedoch spricht eine äussere, beiden Stockwerken gemeinschaftliche Nische für eine gleichzeitige Entstehung beider. Die durchgängig erneuten Fensteröffnungen sind selbstverständlich nicht maasgebend. Die nach Westen zu offen gewesene Vorhalle, die sich allen drei Schiffen der Kapelle vorlegt, ist am füglichsten mit der alten Narthex zu vergleichen, wie wir dieselbe an der 442 von der Kaiserin

 

 

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107 Lohra.

 

Eudoxia erbauten Kirche St. Pietro in Vincoli in Rom der hier betrachteten ganz ähnlich eingerichtet finden, doch sind auch im 12. Jahrhundert an andern Orten den Kirchenportalen solche „Vorlauben“ - Aufenthaltsorte für Büsser - vorgelegt worden, wiewohl viel spärlicher als bei byzantinischen Kirchen. Späterhin gab das Erdgeschoss der westlichen Thürme eine solche, freilich tiefere Vorhalle ab. Die obere Kapelle in Lohra war auch in späterer Zeit dem Gottesdienste erhalten geblieben; der Pfarrer zu Elende war zugleich Hofprediger auf Lohra, als aber Ernst VII. seine Residenz dort nahm, wurde 1585 der Pfarrer des allerdings näher liegenden Dorfes Gross-Wenden mit diesem Amte betraut, angeblich wegen der häufigen Todesfalle in seiner Familie. Noch gegenwärtig hält der Pfarrer jenes Dorfes zweimal im Monat Gottesdienst in dieser Kapelle ab. Die untere Kapelle war durch zwischen die Säulen gezogene Bleichen getheilt und diente als Kälber- und Gastpferdestall; die Oeffnung im Gewölbe war mit Holz verschlagen. Die stark beschädigte nordöstliche Säule wurde 1794 durch einen gemauerten Pfeiler ersetzt, ihr Fuss und Capitäl bildet jetzt den Fuss des Taufsteins. Bei Gelegenheit des Umbaues des westlichen Giebels kam die Beschränktheit des Raumes der Kapelle zur Sprache, in die damals noch die protestantische Gemeinde von Friedrichslohra eingepfarrt war. Die Domänenkammer beschloss in Folge dessen, beide Kapellen durch Herausschlagen der Gewölbe zu vereinigen und durch Anbringen von Emporen hinreichend Raum zu schaffen; auch einer Erweiterung wurde das Wort geredet und nur die technischen Bedenken des Bauinspectors Voss retteten das hochinteressante Bauwerk. In der Folge wurde für die Gemeinde Friedrichslohra eine eigene Kirche gebaut. Durch Voss aufmerksam gemacht unterwarf der Landesconservator der Alterthümer, Baurath von Quast auf einer Inspectionsreise im Sommer des Jahres 1845 auch die angebliche „Krypta" in Lohra einer nähern Untersuchung und bestimmte dieselbe als Doppelkapelle, deren Erhaltung er dringend empfahl. So wurden denn bereits im folgenden Jahre die Einbauten beseitigt, Fussboden und Fenstergewände erneuert, die Freitreppe, welche äusserlich zur obern Kapelle führte, abgetragen, kurz das Ganze in den Stand gesetzt, in dem wir es gegenwärtig erblicken (Fig. 36). Der Altar, die Kanzel und die Orgelempore der obern Kapelle verrathen durch die breitgedrückten Voluten ihrer Ausschmückung, dass sie der allgemeinen Wiederherstellung der Burggebäude zu Ende des dreissigjährigen Krieges entstammen. (Fig. 37, Grundriss.)

 

Fig. 37, Grundriss

 

 

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Auf einer steilen Ausbiegung des nördlichen Randes der Hainleitehochebene von der in Westen ein schmales Thal den mit einer alten Wallburg 1 , bekrönten Reinhardsberg trennt, liegt 15km in südwestlicher Richtung von Nordhausen entfernt die königliche Domäne Lohra, einst der Stammsitz eines alten thüringischen Grafengeschlechts, jetzt freilich von einem sehr bescheidenen Aeusseren, das von keiner Seite eine malerische Ansicht gewährt. Ueber eine jetzt festgewölbte Brücke gelangt man in das Thorhaus A des Planes, dessen ursprünglicher Rundbogen bei einem Umbau im Jahre 1733 in einen Stichbogen umgestaltet

 

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1 Der äusserste Ausläufer des Bergrückens ist durch Abstechen noch steiler geformt und nach hinten durch einen im ausgehenden Winkel geführten Wall mit Graben isolirt.

 

 

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108 Kreis Grafschaft Hohenstein.

 

wurde. Es enthält rechts mehrere kleine mit Tonnengewölben gedeckte Räume, einst Gefängniszellen, und links einen zur Schmiede eingerichteten Raum. Auf der äussern Seite des Thores sind die Klauensteine als Führung für ein Fallgatter noch erhalten. Ohne Zweifel krönte einst ein Thurm dieses Thor. An dasselbe schliesst sich in Nordwesten die Ringmauer an, zunächst einfach, da der vorliegende Abhang sehr steil ist, ein ausgehender Winkel ist mit einem runden Mauerthurm B verstärkt, ein zweiter südlich davon (C) ist viereckig und enthält den jetzt verschütteten Brunnen; zwischen beiden ist im dreissigjährigen Kriege ein fleschenähnliches Erdwerk vorgelegt worden. Von hier wendet sich die Mauer nach Osten zum Thurme D, verstärkt hier wegen des flachen Abfalls durch einen Graben und davor gelegten Erdwall. Auf der Ostseite trennt ein breiter, tiefer Graben K, mit fast senkrechten Wänden in den Muschelkalkfels gebrochen, den Wirthschaftshof von der eigentlichen Burg und isolirt diese zugleich von der Hochebene. Die Rückwand der Gebäude vertritt hier stellenweise die Beringmauer. Der nach ältester Weise noch von der Ringmauer zurückstehende Bergfried ist auf seiner Ostseite, an die sich neuere Gebäude anlehnen, noch in einer Höhe von etwa 15m erhalten. Seine untern, 3,4m starken Mauern sind bei etwa 13m Höhe von innen und aussen etwas eingezogen und so abgeschwächt, hier befand sich wohl auch auf der Westseite der Eingang. Die obere Fläche der Seitenwände sind durch abgetreppte Platteneindeckung geschützt. Auf der bis auf wenige Meter abgetragenen vordern (West)seite lässt sich die hier blosgelegte, bereits vorn beschriebene Zusammensetzung der Mauerung (Aehrenverband) beobachten. (Fig. 35.)

 

Fig. 35

Steinzeichen

 

 

An einzelnen Quadern lassen sich hin und wieder nebenstehende einfache Zeichen beobachten. Dieselben sind als eigentliche Steinmetzzeichen im spätem Sinne des Wortes nicht aufzufassen. Es können keine „Versetzzeichen“ (Zeichen die einem Werkstück seinen Platz unter den übrigen anweisen) sein, ebenso wenig „Gesellenzeichen“, die den Verfertiger eines Werkstücks anzeigen, wozu sie zu einfach zusammengesetzt sind. Sie sind nur klein, die Winkel von 5-6cm Länge der Schenkel und äusserst sparsam vertheilt. An diese Ostmauer sind später zur Auflagerung der Balken drei Reihen Blendbögen zu je zwei Rundbögen aus Bruchsteinen über einander angelehnt worden. Von den Quadern abgespaltene Schalen verrathen, dass der Thurm von dieser Seite einst einer heftigen Feuersbrunst ausgesetzt war. Das Innere des Thurmes ist durch zwei späterhin eingebrochene Löcher zugängig gemacht worden, wozu angeblich die Sage, dass der letzte Graf von Lare in einem goldnen Sarge darin beigesetzt worden sei, Veranlassung gegeben hat.

 

Architektonisch bemerkenswerther ist die Doppelkapelle der Burg, sie steht genau von West nach Ost gerichtet (Fig. 38).

 

Fig. 38-1

Fig. 38-2

Fig. 38-3

 

 

Gegenwärtig betritt man die Kapelle nur durch die in Südwesten in die schmale Vorhalle (Narthex) führende Thür, die aber nicht der ursprüngliche Eingang ist, vielmehr öffnete sich die westliche Mauer der Vorhalle in drei jetzt vermauerten Rundbögen nach aussen (B), die den drei Schiffen der untern Kapelle nicht genau entsprechen; die Kämpfergesimse ihrer Pfeiler sind nach der umgekehrten attischen Basis gegliedert. Auch an der nördlichen Mauer bemerkt man die Spuren einer vermauerten Thür. (Fig. 39.)

 

Fig. 39 (Grund- und Aufriss der westlichen Mauer der Vorhalle.)

 

 

Die niedrige Thür, welche in das Mittelschiff der untern Kapelle führt, wird von einem

 

 

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109 Lohra

 

geraden Sturz bedeckt, der auf Kämpfern ruht, die ebenfalls die Gliederung der attischen Base zeigen. Den 7,5m langen und 6m weiten Raum des Langhauses der Kapelle bedecken acht nicht gestochene Kreuzgewölbe, die im Rundbogen zwischen ebensolche Gurte von gerader Leibung gespannt sind, die auf vier Säulen ruhen. Das vordere Paar derselben ist nur noch ursprünglich, die Füsse selbstverständig von attischer Gliederung mit Deckblättern auf den Ecken, die Schäfte belebt durch gewundene, breite, scharfgratige Cannelüren. Die würfelförmigen Capitäle schmückt ein verschlungenes Palmettenornament, welches auch in der benachbarten Klosterkirche von Münchenlohra vorkommt; die aufruhenden Kämpfer werden durch aufrechtstehende Schuppen belebt (Fig. 40).

 

Fig. 40

 

 

Das mittelste Joch des Gewölbes ist offen zur Verbindung mit der obern Kapelle. Die Kämpfersimse des niedrigen Triumphbogens

 

 

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110 Kreis Grafschaft Hohenstein.

 

bestehen aus einer mit vorspringenden Würfeln besetzten Schräge, wie wir diese Form ebenfalls in Münchenlohra, dann am Dom zu Nordhausen und in Paulincelle u. s. w. angewendet finden.

 

Fig. 41

 

 

Auf der Stirnseite kröpfen sich diese Schrägen um Consolen (Fig. 41), welche ursprünglich Gurte trugen, jetzt den Gewölbeanfängern zur Stütze dienen, ebenso an der westlichen Wand. Der 3,36m lange, 2,98m weite, gerade geschlossene Altarraum wird von einem rundbogigen Kreuzgewölbe bedeckt und durch das einzig noch erhaltene kleine romanische Rundbogenfenster erhellt, alle übrigen Fenster sind als Rundbogenfenster mit aussen rechtwinkliger Leibung nicht eben stilgerecht erneuert worden. Auch die Rundbogenthür der Südseite ist noch alt. Ein an die südwestliche Ecke dieses Raumes vorgelegter Pfeiler ist durch einen Rundbogen mit dem Langhause verbunden, wodurch eine hohe Blende gebildet wird (Fig. 36).

 

Fig. 36

 

 

Die obere Kapelle ist ein schlichter mit einer Holzdecke überlegter Raum, der Triumphbogen ellyptisch, seine Kämpfer von der Gliederung der umgekehrten attischen Basis, das den Altarraum deckende Kreuzgewölbe flachsitzbogig ohne Rippen.

 

Das Altarblatt ist eine, nicht übel gemalte Darstellung des Gebets Christi in Gethsemane, dessen Rahmen mit barocken Schnitzereien besetzt ist. Die Brüstung der Kanzel ist mit Säulchen besetzt, die auf Consolen von der Form weiblicher Köpfe stehen, zwischen denselben enthalten oben muschelförmig abgeschlossene Nischen die nach Berninischer Art sehr manirierten Figuren der vier Evangelisten in fliegenden Gewändern mit ihren Attributen. Die Rückwand schmückt ein Bildnis Christi: der Heiland trägt in der Linken die Weltkugel, während die Rechte sich segnend erhebt. Die an Altar, Kanzel und Orgelbühne vorkommenden sehr eigenthümlichen Ranken, Rosetten und breitgedrückten Voluten in Sonderheit bezeugen, dass diese Einbauten Werke der Mitte des 17. Jahrhunderts sind. Der Taufstein ist unorganisch aus einem attischen Säulenfusse mit Eckhülsen, einem schmucklosen Säulencapitäle , beides wohl von der beseitigten Säule der untern Kapelle, und einer runden flachen Schale, deren äussere Fläche mit vier Palmetten belegt ist, zusammengestoppelt.

 

Einfügung: Taufstein

 

 

Die Glocke der Kapelle von 50cm Durchmesser wurde 1830 von C. Stützer in Benneckenstein gegossen und trägt die Inschrift: „VENITE AD ME.“

 

An der äussern westlichen Seite der Kapelle lässt die schalige Absonderung der Steine so wie deren röthliche Färbung erkennen, dass auch hier eine Feuersbrunst ihre Spuren zurückgelassen hat. Das Mauerwerk der Kapelle besteht aus Bruchsteinen.

 

Der Raum G neben der Kapelle wird nur durch ein kleines Rundbogenfenster - gegenwärtig von einem Pferdestalle verbaut - und eine später eingebrochene Oeffnung sehr schwach erhellt, besitzt eine sehr schmale, niedrige Rundbogenthür und ist mit einem Tonnengewölbe bedeckt, in das eine Stichkappe einschneidet; seiner Dunkelheit wegen kann es wohl nur als Magazin, vielleicht

 

 

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111 Lohra.

 

für die Zwecke der angeblich früher daneben belegenen alten Münze, gedient haben.

 

Die bisher beschriebenen Gebäude sind die noch aus der romanischen Bauperiode übriggebliebenen, die jetzt bewohnten Gebäude ruhen auf der Ostseite

 

Fig. 42 (Untere Kapelle.)

 

 

auf sehr alten Quadergrundmauern, der Oberbau entstammt dem 16. Jahrhundert, wie einige alte zugemauerte Thüren beweisen, die in dem der spätesten Gothik angehörigen Rundbogen gedeckt sind. Das Mauerwerk desselben besteht aus ungleich grossen Bruchsteinen. Das Wohnhaus ist mit Tonnengewölben unterkellert, die sich auch hinter dem Thurme hinziehen, wo der ehemalige Zwinger zu einem Holzstall umgebaut ist. Das Erdgeschoss jenes Hauses ist zum grossen Theil im Kreuz gewölbt; in einem Milchgewölbe des nördlichen Flügels befindet sich ein eingemauerter Stein mit folgender verstümmelter und schwer lesbarer Inschrift in römischer Schrift:

 

 

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112 Kreis Grafschaft Hohenstein.

 

SVB REGIM(ine) Sub regimine

ILLMI PRINC(ipis) Illustrissimi Principis

IP DNI FRID(erici) et Domini Friederici

VLD DV BRAV Vlderici Ducis Bravnschweig

LVNEB PR(V)AEB et Lvneburg Praesulis

IOAN MENG(E) Johann Menge

REPARATV(M) reparatum.

 

(Manche der Buchstaben sind offenbar von dem nicht lateinkundigen Steimetz falsch eingemeisselt worden.)

 

Das jetzige Wohngebäude wäre demnach unter der Regierung des Herzogs Friedrich Hulderich, Bischofs von Halberstadt, durch Johann Menge wieder hergestellt worden. Es muss dies kurze Zeit nach der Räumung der Burg seitens der Kaiserlichen nach der Schlacht auf dem breiten Felde 1631 geschehen sein, da Friedrich Huldrich bereits im April 1634 verstarb. Im obern Stockwerke befand sich der „Riesensaal“, der jetzt in eine Reihe kleinerer Räume abgetheilt ist.

 

Der südlichen Mauer entlang zieht sich ein 1,3 m weiter mit einem Tonnengewölbe bedeckter unterirdischer Kanal I, der zu der Fabel einer unterirdischen Verbindung der Burg mit Münchenlohra Veranlassung gegeben haben mag. Als im Frühling 1888 der Kuhstall L abgebrochen wurde, fand man darunter Gewölbe mit nach aussen gerichteten Schiessscharten (Casematten).

 

Fig. 43.

 

 

Fig. 43, welche Copie eines im Regierungsarchive in Erfurt aufbewahrten, im Jahre 1705 aufgenommenen Situationsplans der Burg ist, lässt erkennen, dass damals noch alte Gebäude vorhanden waren, deren Stelle jetzt Ställe neueren Ursprungs einnehmen. Dieser Plan umfasst nicht allein den Grundriss der eigentlichen Burg A, den Fig. 43 in bedeutend grösserem Maasstabe darstellt, sondern

 

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113 Mackenrode.

 

auch den jenseits des Grabens K liegenden Wirthschaftshof B, dessen Gebäude mit ihren Rückseiten nach aussen gekehrt mit den ihre Lücken ausfüllenden Mauern einen förmlichen Bering bilden, den ein doppelter Graben umzieht. Der äussere tief in den Felsen gehauene mündet in die Schlucht am Reinhardsberge, der innere setzt sich, an Tiefe sehr zunehmend, um die Burg fort. In einer Entfernung von 90m östlich vom Burgthor A bei C (Fig. 43) steht noch ein Pfeiler mit seinem Kämpfer als Ueberbleibsel des äussern Thors, dem gegenüber sich noch ein Stück einer alten Mauer mit einem kleinen viereckigen Fenster mit stark abgefasstem Gewände (16. Jahrhundert) erhalten hat.

 

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118 Kreis Grafschaft Hohenstein.

 

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Münchenlohra.

 

Vormaliges Cistercienser-Nonnenkloster St. Gangolfi, jetzt königliche Domäne, 12 km südwestlich von Nordhausen, Filial von Elende.

 

Einfügung: Elende. Kapelle

 

 

Der anscheinend gänzliche Verlust der Urkunden des Klosters nöthigt leider zu dem Bekenntnisse, dass wir über die Gründung desselben nur die, allerdings sehr wahrscheinliche Vermuthung aussprechen können, dass als Stifter einer der Grafen von Lare zu bezeichnen ist, deren Stammburg Lare ja dem Kloster so nahe lag; finden wir ja doch, wenn auch diese Grafen nicht selbst, so doch ihre Nachfolger im Besitz der Grafschaft: die Grafen von Beichlingen und Honstein später urkundlich als Schutzvögte des Klosters. Obschon der Baustil der allein noch übrig gebliebenen Kirche entschieden auf das dritte Viertel des 12. Jahrh. deutet, so finden wir doch nirgends eine sichere Erwähnung des Klosters in diesem Jahrhundert. Nur erst zum Jahre 1217 wird ein Eberwinus in einer Urkunde des Grafen Lamprecht von Gleichen als Probst der geistlichen Frauen zu Lare genannt (Schöttg. Kreyss. I, 166). Nun erscheint zwar ein Probst Conrad

 

 

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119 Münchenlohra.

 

eines Kloster St. Gangolf bereits 1152 und 1157 (Böhmer Reg. Arch. Mag. I, 348; Stumpf Act. Mag. 65) als Zeuge in Gesellschaft von Pröbsten thüringischer Stifter als Jechaburg, Ichtershausen , Volkolderode, Ettersberg und Erfurt in Mainzer Urkunden, doch ist wohl anzunehmen, dass derselbe der zur Umgebung des Erzbischofs gehörige Probst von St. Gingolfi in Mainz war. Dann wird in W. U. 310 ein Probst Bertoldus in Lare als Zeuge eines Vergleichs Graf Friedrichs des jüngern von Beichlingen mit Walkenried wegen des Pfarrlehns in Nohra genannt und es könnte eine fast ununterbrochene Reihe der Pröbste zusammengestellt werden, wir heben jedoch hier nur den Probst Heinrich, der 1290 in W. U. I. Nachtr. 78 bezeugt, dass der Converse Walter dem Kloster einen Acker bei Günzerode geschenkt hat, deshalb hervor, weil bei dieser Veranlassung der Name „Monkelar“ statt des bisherigen einfachen Lare zuerst erscheint. Dieser Name zusammen mit dem Umstande, dass ein männlicher Converse dem Kloster angehört, könnte zu der Meinung führen, als sei dasselbe früher ein Mönchskloster gewesen (wie Puttrich annimmt), was jedoch keineswegs der Fall war. Auch Nonnenklöster zählten männliche Conversen zu den Ihrigen, wie z. B. 1353 Probst, Aebtissin und die ganze Samnung des Nonnenklosters Neuwerk (St. Mariae in monte) in Nordhausen mit allen ihren „brudern conversen vnd Ametluten“ Seelgeräthe festsetzten (Frbg. Cop. 685). Derselbe Probst Heinrich ist auch 1296 als „prepositus sanctimonialium in Lare“ unter den Schiedsrichtern in dem Probstwahlstreite zwischen dem Kloster Neuwerk und dem Kreuzesstifte in Nordhausen (Mon. Ilf. § 29). Eine Aebtissin „Adelheid“ tritt zuerst in W. U. II, Nachtr. 88, gegeben am 1. August 1304 in Monkelar auf, die samt dem Probste Nicolaus „totusque conventus sanctimonialium in Lare“ mit Walkenried einen Tausch von Land und Wald in „Horste“ gegen Wald im Forstorte „Schilmedal“ eingeht.

 

Als Schutzvögte des Klosters kennzeichnet ein 1289 auf der Rothenburg (in Castro Rotenburch) abgeschlossener Vertrag über Verkauf der Stadt Worbis die Grafen von Beichlingen: der Käufer Landgraf Albrecht von Thüringen verspricht darin den Verkäufern, den Grafen Günther und Heinrich von Beichlingen, das „claustrum Lare“ in seinen Gerechtsamen nicht behindern zu wollen (Müld. Bergschl. 125, Wolf, Gesch. d. Eichsfelds). Probst und Convent besassen das Patronatrecht der Kirchen in Ober-Roldisleben (Oberdorf) und Wollersleben und ausser den Ländereien, die jetzt noch zur Domäne gehören, ein Vorwerk in Wollersleben, einen Wald, der von Nohra bis zu den am Fusse des Berges, der das Schloss Lohra trägt, stehenden Buchen reichte (Perm. Rec.) und ein Vorwerk in Rüxleben. Nach Nr. 21a des Hohnst. Cop. M. A. beliehen 1560 die Grafen Volkmar Wolf und Ernst von Honstein den Peter Grabiel mit einem Vorwerk, Haus, Hof und Ländereien in Rüxleben „so etwan domina priorin vnnd gantze samlung der Kloster-Junkfrawen vnnsers Gotshauss Münchelohra innegehabt, genutzet vnnd gebrauchet haben.“ Das Registr. subs. vom Jahre 1506 berichtet über das Kloster: moniales in Larhe, prepositus et conventus monialium in Lare dant tres marcas.

 

Nach Eckstorm plünderten zwar im Mai 1525 die aufständischen Bauern auf ihrem Zuge nach der Flarichsmühle die Klostergebäude aus, ohne jedoch denselben wesentlichen Schaden zuzufügen; dieselben bestanden vielmehr noch zu Anfange des verflossenen Jahrhunderts im Ganzen leidlich erhalten. Die von den

 

 

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120 Kreis Grafschaft Hohenstein.

 

Bauern verscheuchten Nonnen kehrten nicht vollzählig wieder zurück; der Zeitpunkt der Aufhebung des Convents ist nicht bekannt. Die sich auf Eckstorms Aussage (pg. 221 s. Chron) stützende Annahme, dass am 31. März 1516 eine vorläufige Reformation in der Grafschaft Hohnstein eingeführt und Münchenlohra säkularisirt worden sei, ist eine irrige: Eckstorm spricht nur von der Abschaffung, beziehentlich Umänderung päbstischer Ceremonien im Kloster Walkenried, welche, um die Einmischung Herzog Moritzs von Sachsen, des spätem Kurfürsten, in die Klosterangelegenheiten unter dem Vorwande der Reformation abzuwenden durch den bekannten Nordhäuser Reformator M. Joh. Spangenberg, den Hohnsteinschen Kanzler Heinrich Rosenberg, der noch als Probst von Münchenlohra bezeichnet wird, den Marschall Heinrich von Bültzingsleben und andern

 

Fig. 49. (Kirche von Münchenlohra.)

 

 

auf Anordnung des Abts durchgeführt wurde. In der Münchenlohraer Klosterkirche wurde zuerst von Caspar Zerbst, Luthers Schüler, wie noch an manchem andern Orte nach dem neuen Ritus gepredigt.

 

Graf Ernst V. von Honstein überliess die Güter des aufgehobenen Klosters zunächst an Hans von Hüningen auf 6 Jahre wiederkäuflich, welchem Asmus von Stein folgte, von dem sie die hinterlassene einzige Tochter des 1562 verstorbenen Grafen Ernst VI., Anna Maria, wieder einlöste und an Heinrich Zenge verpachtete (Perm. Rec. 1573). Wieder an Graf Volkmar Wolfgang von Honstein zurückgefallen, wurde das Kloster von diesem 1578 an Heinrich Zenges Bruder, Christoph, auf 6 Jahre verpfändet von dem es 1584 an Fritz von Bergen überging. Endlich verkaufte Graf Ernst VII. im September 1590 sein „frey vnbeschwert Closter Mönichelohra“ mit allem Zubehör für 13,000 fl. unter Zustimmung des

 

Fig. 50 (Grund- und Aufriss)

 

 

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121 Münchenlohra.

 

Lehnsherrn Herzog Heinrich Julius von Braunschweig, postulirten Bischof von Halberstadt und der Mitbelehnten, der Grafen von Stolberg und Schwarzburg an Hans Ernst von Gladebeck, zwar ebenfalls auf Wiederkauf, jedoch blieb die Familie Gladebeck bis zu ihrem Aussterben 1701 im Besitz (Acta der Landstände d. Grfsch. Hohnst. Nr. 12 MA.). Gladebeck scheint seinen 1620 jung verstorbenen Sohn Bodo überlebt zu haben; nach dem bereits bei Beschreibung von Dietenborn pg. 45 angezogenen Briefe des nach dem Restitutionsedikte Kaiser Ferdinands II. in Walkenried neu eingesetzten katholischen Cistercienserabts Christoph an den Probst des Nonnenklosters Annrode war ein Gladebeck im Jahre 1630 im Besitz des Klosters, dessen Gebäude jedoch so vernachlässigt waren, dass der Abt darin „gar keine accomodation“ für die Nonnen, die er in dasselbe wieder einzusetzen gedachte, finden konnte, auch die Ackerwirthschaft war durch Gladebecks Saum- seligkeit sehr schlecht im stande. Hierdurch sowie durch übernommene Bürgschaften waren seine Vermögensverhältnisse so zurückgegangen, dass später seine Schwiegertochter mit ihrem Sohne, Bodo jun., das Klostergut den Gläubigern räumen musste. Nach dem Anfalle der Grafschaft Hohnstein an Graf Johann von Sayn-Wittgenstein löste dieser Münchenlohra wieder ein und seine Söhne Ludwig, Christian und Gustav verkauften es 1665 für 11,000 Thlr. an bereits genannten Bodo jun. von Gladebeck, der mittlerweilen zum Kurfürstl. Brandenburgschen Geh. Etatsrath und Hofkammerpräsidenten aufgerückt war. Nach dem Absterben des Gladebeckschen Geschlechts 1701 fiel Münchenlohra an den preussischen Staat und wurde anfangs in Erbpacht gegeben von 1712 ab, aber als Domäne in Zeitpacht, Lieutenant Quant war der erste Pächter.

 

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Auf einem sich an den der Hainleite gegenüber liegenden Thalrand anlehnenden Hügel thront eine für ihre ländliche Umgebung fremdartig imposante Kirche, der letzte Rest des einstigen Nonnenklosters Münchenlohra.

 

Einfügung: Münchenlohra St. Gangolf von Süden

 

 

Ihre durch eine gründliche Restauration annähernd zur ursprünglichen Gestalt vervollständigten Formen leuchten weithin in das Thal hinein. Bei näherer Betrachtung stellen sich dieselben als die romanischen einer kreuzförmigen, durchaus gewölbten Pfeiler-Basilika aus etwa dem dritten Viertel des 12. Jahrhunderts dar. Im Westen derselben legt sich ein im obern Theile erneuerter Querbau vor, welcher die beiden neuerbauten Thürme mit einander verbindet, deren Dimensionen jedoch nicht an die, vom Verhältnis zu denen der Kirche geforderten, heranreichen. Diese Combination ist eine bei romanischen Kirchen in den sächsischen Landen sehr gewöhnliche; wir finden dieselbe an den Klosterkirchen zu Gernrode, Drübeck, Vessera u. s. w. Auch die Anordnung, dass dieses Querhaus zu unterst eine Vorhalle, oder wenn man es so nennen will eine Halbcrypta, darüber den Nonnenchor und über diesem die Glockenstube enthält, ist bei Nonnenklosterkirchen der romanischen Bauperiode eine ganz gebräuchliche, die sich in den Kirchen in Gernrode, Frohse, Drübeck, Vessera, Quedlinburg, Gandersheim, Essen, St. Moritz in Hildesheim u. s. w. nachweisen lässt. Das in diese westliche Vorhalle einst führende Hauptportal der Kirche ist nicht wieder hergestellt worden. Gegenwärtig führen drei Eingänge in das Innere der Kirche: einer neben einem der Thürme in das erneuerte nördliche Nebenschiff, ein zweiter in die auf der

 

 

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122 Kreis Grafschaft Hohenstein.

 

Nordseite des Chors neu angebaute Sakristei und aus dieser in den hohen Chor, und ein dritter von der Giebelseite in den südlichen Kreuzesarm. Ueber letztern

 

Fig. 51 Tympanon 1889

Einfügung: Tympanon 2017

 

 

ist das hierneben (Fig. 51) abgebildete sehr roh ausgeführte Tympanon angebracht, das vielleicht bei der Restauration der Kirche im Jahre 1666, von der weiterhin die Rede sein wird, einem alten Muster von ungeschickten Händen nachgebildet worden ist. Nur auf der Südseite sind drei Strebepfeiler mit Strebebögen angesetzt worden, wahrscheinlich war die Nordseite des Langhauses mit gleichen Unterstützungen versehen.

 

Fig. 52.

 

 

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123 Münchenlohra.

 

Die Grundform der beiden Kreuzesarme ist, besonders die des nördlichen, eine unregelmässige, verschobene, dergleichen Mängel sind bekanntlich geradezu charakteristisch für mittelalterliche Bauwerke. Die Unvollkommenheit der Messinstrumente, aber auch ein nicht zu verkennender Mangel an Erkenntnisvermögen für solche nicht sofort in die Augen springenden Unregelmässigkeiten erklären diese Thatsache. Vor die beiden Kreuzesarme legen sich erneuerte Absiden, die vor der Chorwand ist noch ursprünglich (Fig. 52). Der Sockel derselben (Fig. 52b) läuft auch um den Chor und die beiden Kreuzesarme und umzieht in rechten Winkeln die Thür im südlichen Kreuzesarme.

 

Fig. 52b

Fig. 53

 

 

Ein romanischer Bogenfries umzieht in drei verschiedenen Formen alle Theile der Kirche; die Form Fig. 53 finden wir rings um den nördlichen Kreuzesarm und an ein anstossendes Stück der Wand des Mittelschiffs von 2,2m Länge angewandt. Sie geht ununterbrochen über die nicht den Dachsims erreichenden Ecklisenen quer über die Giebelwand; als Einfassung der Fenster sind den Dachsims tragende Säulchen in den Fries eingeschaltet, was nur dieser Form des Bogenfrieses eigenthümlich ist.

 

Fig. 54

Fig. 55

Fig. 56

 

 

Die Form Fig. 54 krönt den grössten Theil der nördlichen Arkadenmauer, die ganze südliche und sämtliche erneuerte Theile der Kirche; die an verschiedenen Stellen

 

 

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124 Kreis Grafschaft Hohenstein.

 

auftretenden Formen der Schnecken sind hier vereint dargestellt. Die Form Fig. 55 kommt seltsamerweise nur an der nördlichen Hälfte der grossen Chorabside vor. Die erneuerten Seitenschiffe haben keinen Bogenfries erhalten, obschon dergleichen auch an Seitenschiffen vorkommen (Petersberg bei Halle, Paulincelle), sondern nur einen aus Stäben und einer Hohlkehle gegliederten Dachsims.

 

Einfügung: Nördliche Chorabside

 

 

Nur die Chorabside ist noch ursprünglich, die Absiden der Kreuzesarme sind in den alten Dimensionen völlig erneuert worden. Neben denselben sind, noch ursprünglich, zwei Dreiviertelsäulen, eine niedrige und eine höhere, an die Wandfläche geheftet worden, deren Zweck sich aller Vermuthung entzieht. (Fig. 52.)

 

Fig. 52

 

 

Von Fenstern durchbricht je eins die beiden Chorwände und jede der Absiden, je ein Paar die drei Wände der Kreuzesarme in gleicher Höhe mit den vier Fenstern, die in jeder Arkadenmauer angebracht sind. Das südliche Seitenschiff erhellen sechs, das nördliche, wegen der dort befindlichen Thür, nur fünf Fenster; sämtliche Fenster sind im Rundbogen gedeckt. Der südliche Thurm ist leer, im nördlichen führt eine Wendeltreppe auf die frühere Nonnenempore und weiter in die Glockenstube. Eine spitzbogige Thür führt neben dem nördlichen Kreuzesarme auf den Kirchhof, das Profil ihrer Gewände zeigt Fig. 56.

 

Die Beschreibung des Innern beginnen wir in Westen.

 

Fig. 50

 

 

Die westliche, geschlossene Hälfte der Vorhalle oder Halbcrypta bis x z (Fig. 50) liegt im Thurmquerbau und ist folglich neugebaut worden, die östliche, seitwärts offene Hälfte mit dem darauf ruhenden Nonnenchor ist noch alt, doch tragen die Säule b und die Halbsäulen a und c so roh gearbeitete Capitäle, welche von den übrigen so merklich abstechen, dass man annehmen muss, diese Säulen wären bei der Restauration 1666 erneuert worden. Von den ursprünglichen mögen hier einige Platz finden (Fig. 57, 58, 59).

 

Fig. 57

Fig. 60

Fig. 58

Fig. 59

 

 

Die samt den Capitälen etwas über 2m hohen Säulen und Halbsäulen der Vorhalle werden durch breite Rundbogengurte verbunden, zwischen die rundbogige Kreuzgewölbe gespannt sind. Fig. 60 giebt den Aufriss des Pfeilers mit Halbsäule bei h. Ueber die Nonnenempore setzt sich die Wölbung des Mittelschiffes in zwei Jochen fort Die Kämpfer des Bogens i, welcher die östliche Wand des Thurmzwischenbaues trägt, zeigen die gestürzte attische Base als Gliederung. Die Wandpfeiler k über der Brüstung sind mit einem in einer Nische stehenden Säulenschafte gegliedert.

 

Einfügung: nördlicher Wandpfeiler

Einfügung: nördlicher Säulenschaft

 

 

Die auf zwei Rundbögen und dem Pfeiler h stehende Brüstungsmauer wird durch einen senkrechten Streif, dessen Schmiege mit dem Würfelornamente belegt ist, belebt. Die beschriebene Nonnenempore trägt gegenwärtig die Orgel.

 

Um 0,6m über den Fussboden der Vorhalle erhebt sich der des 4,54m weiten Mittelschiffs, dieses wird durch einen sich auf einen stark ausladenden, mit einem Simse vorgelegten Wandpfeiler (d) stützenden Gurtbogen in zwei Joche abgetheilt, in die rundbogige Kreuzgewölbe gespannt sind. Fig. 61 stellt die Bekrönung dieses Pfeilers dar.

 

Fig. 61

Einfügung: Pfeilerbekrönung 2017

 

 

Zwischen die hohen, Gurtbögen tragenden Pfeiler sind vier, 2,51m hohe, massive, quadratische Pfeiler eingeschaltet, welche die Arkadenbögen von 3,27m Stirnhöhe tragen. Die Basen sämtlicher Pfeiler sind sehr kräftig ausladende attisch gegliederte von 45cm Höhe. Hinsichtlich der

 

 

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125 Münchenlohra.

 

Fig. 57.

Fig. 58.

Fig. 59.

Fig. 60

 

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126 Kreis Grafschaft Hohenstein.

 

Fig. 62.

 

 

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127 Münchenlohra.

 

Kämpfer herrscht grosse Mannichfaltigkeit: die meisten derselben sind nach Art der gestürzten attischen Base gegliedert, andere einfach aus Platte und Schmiege zusammengesetzt, wo bei den hier (Fig. 62) abgebildeten, letztere mit Laubwerk belebt ist, auch eine nur aus Viertelstab und Hohlkehle bestehende Gliederung kommt vor. Der westliche Bogen der Vierung ruht auf schwebenden Trägern e, wohl der Raumersparnis wegen, neben denen solche zur Stützung des Kreuzgewölbes die Winkel füllen, ohne jedoch zu diesem Zwecke verwendet zu sein. Der Arkadensims f zieht sich mit der Fig. 63 abgebildeten Gliederung bis zum Mittelpfeiler d, von da bis zur Vierung aber in der Gliederung Fig. 64.

 

Fig. 63

Fig. 64

 

 

Auf der Südseite hat der Arkadensinis die in Fig. 61 dargestellte Profilirung. Die beiden Absiden an den Kreuzesarmen sind einander nicht gleich: während die nördliche nach einem Halbmesser von 1,25m geformt ist und 2,53m einschliesslich des aus Wulst und Hohlkehle gegliederten Kämpfers hoch ist, hat die südliche 1,5m Halbmesser und bis über den Kämpfer 3,65m Höhe, letztere aber eine aus Platte und mit Schuppen besetzter Schmiege bestehende Gliederung (Fig. 64b).

Fig. 64b

 

 

Die Chornische ist nach einem Halbkreis von 1,7m Halbmesser geformt, ihre Kämpfer liegen in gleicher Höhe mit denen der Pfeiler, d. h. ihre Oberkante 5,6m über dem Fussboden, der nördliche derselben ist mit dem Schachbrettmuster, der südliche mit Laubwerk verziert. Die Triumphbogenkämpfer bestehen nur aus nach unten abgeschrägten Platten.

 

Die neuerbauten Seitenschiffe sind 2,54m weit und mit 3,6m Scheitelhöhe mit von Stichkappen durchbrochenen Tonnengewölben bedeckt; Kreuzesarme, Vierung und Chor sind in je einem Joch von rundbogigen Kreuzgewölben überspannt, in gleicher Höhe mit denen des Mittelschiffs.

 

Fig. 65.

 

 

Altar und Kanzel sind in einer Art Uebergangsstil aus braunrothem Sandstein neu angefertigt worden, der 96cm hohe Taufstein (Fig. 65) entstammt dem 15. Jahrh. Seine Form ist achtseitig, pokalartig, vier seiner Seiten werden durch je einen Vierpass belebt, die vier übrigen

 

 

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128 Kreis Grafschaft Hohenstein.

 

durch eine Darstellung des Gekreuzigten mit Maria und Johannes und den ganzen Figuren der Maria in einer Glorie, welche dem auf ihrem rechten Arme sitzenden Christuskinde einen Apfel bietet, des heiligen Gangolf in Harnisch mit Lanze und Schild bewaffnet 1 und eines Priesters mit dem Kelche, wohl des Probstes (Fig. 65). Gute Steinmetzarbeit.

 

Im nördlichen Seitenschiffe ist ein Grabstein aus dunkelgrauem Alabaster wieder aufgestellt worden, welcher für die Baugeschichte der Kirche von Wichtigkeit ist und folgende Inschrift in weiss eingelassenen Kanzleifrakturbuchstaben enthält:

 

Hier ruht in Gott

Der Wohlgebohrne Herr

BODO von GLADEBECK

auff Münchelohr und Harste,

Welcher im 27. Jahr seines Alters

den 20. Majj Ao : 1620

alhier seelig verschieden.

Dessen Sohn

Der Wohlgeborne Herr

BODO von GLADEBECK.

Chur. Fürstl. Brandenb : Geheimer Rath

und Hoff-Cammer Präsident,

so den 15. October 1620

als ein Posthum alhier gebohren

hat Ao:1666

Diese gantz wüst gewesene Kirche

wieder anbauen lassen.

 

Als Umschrift auf dem Rande noch: „Herr schütze diess dein Hauss mit Gnaden für Krieg und Brand und allem Schaden. Erhalt darin die reine Lehre, und die hier bethen all erhöre.“ Am Fusse des Steines ist noch zu lesen: „HAB . . . . T GLORIA DE IN EXITVM MVNDI.“

 

Einfügung: Erichsches Epitaph

 

 

Ein zweiter Leichenstein ist an der nördlichen Wand des nördlichen Kreuzesarmes befestigt, der das in Oel auf den Stein gemalte Porträt eines Knaben zeigt, das von einem Blätterkranze aus weissem Alabaster umrahmt ist. Zu beiden Seiten desselben sind Engelsköpfchen angebracht: das eine mit offnen, das andere mit geschlossenen Augen von sehr guter, zarter Arbeit; ebenso sauber sind die Blumen- und Fruchtgehänge in kräftigem, ja kühnem Relief aus weissem Alabaster ausgeführt, welche unter dem Porträt folgende Grabschrift umschliessen:

 

„Hier ruhet in Gott Johann Christian Ehrichs, welcher alhier auff Münchelora gebohren den 19. Junii 1693 und im Herren entschlaffen den 28. Martii 1698, seine gebeine ruhen im Frieden biss auff den Tag der Erscheinung Christi sie aufferstehen zum Ewigen leben.“

 

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1 Der Schutzheilige des Klosters, der heil. Gangolf, ein burgundischer Ritter, wurde 760 in Varennes von einem Priester ermordet; durch die niederländischen Kolonisten wurde mit dem 12. Jahrhundert seine Verehrung in hiesige Gegend verpflanzt.

 

 

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129 Münchenlohra.

 

Ein dritter Grabstein, der von Oilke Margrethe von Steinberga, ist ohne Interesse.

 

Eine der beiden Glocken (von 83 cm Durchmesser) ist durch ihre Inschrift bemerkenswerth, dieselbe lautet:

 

MIT GOTTES HUELFE GOSS MICH JOH. HEINR. BRAUHOFF IN NORDHAUSEN. - FRIEDRICH II. REX PORUSSIAE A. O. R. (anno omnium redemptionis) MDCC 45. Darunter im Kreis: „UT RESONAT CAMPANA SUO PULSATA FRAGORE, GLORIA SIC RESONET PRINCIPIS ATQUE DEI.“ Die erste von 1 m Durchmesser trägt die Inschrift: GEBT UNSERM GOTT DIE EHRE. GVSS VON GEBR. ULRICH IN APOLDA 1883.

 

In die Mauer einer südlich von der Kirche belegenen Scheuer ist ein Stein mit folgender Inschrift eingesetzt: + ANNO DNI M°CCC°XXI SVB DNO PPIO THEODERICO D‘WOLCRAMESHVSIN FACTV E HORREV ISTVD. (Im Jahre 1321 ist unter dem Probste

 

Fig. 66.

 

 

Dietrich von Wolkramshausen diese Scheuer gebaut worden). Fig. 66 giebt eine Probe der Schrift. An einer andern in Westen ist die zusammengezogene Chiffre Friedrich des Grossen FR und dabei die Jahreszahl 1743 angebracht worden und neben dem westlichen Hofthore ein Stein mit nebenstehender Figur eines Kreuzes (Fig. 67).

Fig. 67.

 

 

Nach einer alten Sage soll in frühester Zeit eine einfache Kapelle von kreisförmiger Grundform auf dem Hügel gestanden haben, den jetzt noch die Kirche einnimmt, etwa gleich der ursprünglichen alten Kapelle auf dem Petersberge bei Halle, der Kapelle bei Groitzsch oder ähnlicher aus dem 11. Jahrhundert, und in der That scheinen die Ausgrabungen, welche Kreisbauinspektor Heller 1879 zum Behuf der Aufdeckung der Grundmauern des abgebrochenen westlichen Theiles der Kirche unternahm, diese Ueberlieferung zu bestätigen. Man fand nämlich noch unter den aus Muschelkalkbruchsteinen bestehenden Grundmauern des genannten Theiles der Kirche andere erheblich ältere aus dem mürben Sandsteine der Buntsandsteinformation aufgeführte, auf welcher die Kirche selbst steht, die einem kreisrunden Gebäude von freilich nur 5,2m äussern und 3,6m innern Durchmesser angehören konnten; die Kapelle hätte demnach eben nur Raum für einen Altar geboten. Leider haben sich damals die Untersuchungen nicht weit genug ausgedehnt, um die Entscheidung zu ermöglichen, ob es sich hier um einen vollen Kreis oder nur um den Abschnitt A (Fig. 68) handelt, der ebenso gut der Absis eines westlichen Chors angehört haben könnte, wie wir einen solchen in der romanischen Periode bei vielen Nonnenkirchen finden: Drübeck, Gernrode. Es würde dann hier eine Veränderung dahin stattgefunden haben, dass nach Beseitigung der Abside die Vorhalle mit dem darüber befindlichen

 

Kr. Gr. Hohenst. 9

 

 

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130 Kreis Grafschaft Hohenstein.

 

Nonnenchor bis zur gegenwärtigen Ausdehnung verlängert worden wäre. Diese Verlängerung ist dann später samt den Seitenschiffen und den Absiden der Kreuzesarme abgebrochen, in neuester Zeit aber auf den alten Fundamenten wieder hergestellt worden.

 

Fig. 68.

 

 

Zur Bestimmung der Bauzeit der Kirche sind folgende Momente heranzuziehen. Die bereits erwähnte westliche Vorhalle oder Halbcrypta mit der Nonnenempore und den beiden flankirenden Thürmen hat die grösste Aehnlichkeit mit der Halbcrypta und Nonnenempore der Frauenstiftskirche zu Gernrode (s. Zeitsch. d. Harzv. Bd. X, Tafel Aufriss der Kirche), welche der Mitte des 12. Jahrhunderts entstammt.

 

Einfügung: Krypta Münchenlohra

Einfügung: Krypta Gernrode

 

 

Die Vorhalle mit Empore im Westen der Kirche zu Paulincelle, erbaut in den Jahren von 1163 - 1195, enthält Pfeiler, die mit Säulen in Nischen besetzt sind, ähnlich denen, die in Münchenlohra auf der Brüstung der Nonnenempore stehend, den sich über dieser wölbenden Bogen tragen. Der obere Rand der Brüstung ist aussen von einem mit Würfeln gemusterten Simse eingefasst, von dem sich ein gleich gemusterter Streif auf den Kämpfer der beiden die Brüstung tragenden Bögen herabsenkt, so dass eine rechtwinkelige Umrahmung

 

 

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131 Münchenlohra.

 

dieser Bögen entsteht, wie solche wohl am frühesten an den Arkadenwänden der Paulinceller Kirche, dann aber auch an der von 1133 - 1172 erbauten St. Godehardikirche in Hildesheim, der 1108 begonnenen St. Peter- und Paulskirche auf dem Frankenberge bei Goslar, der 1178 vollendeten Kirche zu Hamersleben, der 1142 vollendeten Nonnenkirche zu Thalbürgel u. s. w. vorkommt. Am Aeussern ist die grosse Aehnlichkeit des Bogenfrieses mit den ihn tragenden Säulchen am nördlichen Kreuzesarme (Fig. 69) mit dem an der Petrikirche auf dem Petersberge bei Erfurt, die nach dem Brande 1142 wieder aufgebaut wurde, hervorzuheben (S. Puttrich: Erfurt Taf. 11 Fig. 2). An der Nonnenkirche Marienstern bei Lausnitz, begonnen 1140, geweiht 1180, befindet sich ein Bogenfries von fast gleicher Bildung wie die dritte Münchenlohrarer Form Fig. 55.

 

Fig. 69.

 

 

Das Verhalten des Bogenfrieses zu den Giebelseiten der Kreuzesarme kann ein vierfach verschiedenes sein: 1. der Fries lässt den Giebel völlig frei, wie an der Frauenberger Kirche in Nordhausen und an der Wechselburger Kirche, 2. derselbe zieht sich quer über die Giebelmauer wie in Münchenlohra (Fig. 69), an der Nonnenkirche zu Hecklingen, die 1136 vollendet wurde, an der Nonnenkirche Marienstern bei Lausnitz, vollendet 1180, an der 1135 fertig gestellten Kirche zu Königslutter, an der 1182 vollendeten Kirche auf dem Petersberge bei Halle u. s. w. 3. der Fries folgt der Dachlinie des Giebels, wie am Chore des Domes zu Nordhausen und der Klosterkirche zu Dobrilugk u. s. w., endlich 4. der Fries kreuzt die Giebelwand während ein zweiter Fries der Dachlinie folgt, wie an der Kirche zu Freiburg an der Unstrut, am Dom zu Naumburg u. s. w. Die Formen 3. und 4. kommen spät in der Uebergangsperiode vor.

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132 Kreis Grafschaft Hohenstein.

 

Als Ergebnis dieser Vergleiche lässt sich der Schluss ziehen, dass, wie ja bereits früher bemerkt, im dritten Viertel etwa des 12. Jahrhunderts mit dem Bau der Kirche begonnen wurde. Wie der Augenschein lehrt, ist dieselbe keineswegs aus einem Guss: die Verschiedenheit der Formen des Bogenfrieses und der Arkadengesimse, so wie der beiden Kreuzesarme, wohl auch die jetzt zwecklosen beiden Säulchen neben den Absiden der Kreuzesarme deuten auf noch im Verlaufe der romanischen Bauperiode unternommene bauliche Veränderungen, die an der Giebelwand des nördlichen Kreuzesarmes noch sichtbaren Kragsteine (Fig. 69) auf irgend einen Anbau auf dieser Seite.

 

Bekanntlich wagte man in unsern Gegenden während der romanischen Periode, d. h. bis in den Anfang des 13. Jahrhunderts hinein, wohl die niedrigen und schmalen Seitenschiffe, nicht aber die hohen und doppelt so weiten Mittelschiffe, Kreuzesarme und Chöre zu wölben, welche vielmehr flach in Holz gedeckt wurden, wie Verfasser an den Kirchen St. Ulrich in Sangerhausen und St. Mariae in monte in Nordhausen gezeigt hat, und wir dies gegenwärtig noch an der Klosterkirche zu Huyseburg beobachten können. Dass auch bei unserer Kirche die Seitenschiffe von Anfang an gewölbt waren, lässt sich direkt nachweisen: während des Wiederaufbaues der Seitenschiffe beobachtete Verfasser, dass grössere, in die Arkadenmauern eingebundene Steinplatten die alten Reste der abgebrochenen Gewölbe der Seitenschiffe überlagerten in der in Fig. 70 dargestellten Weise, so dass nothwendigerweise jene Gewölbe vor der Aufführung der Arkadenmauern vorhanden sein mussten.

 

Fig. 70.

 

 

Puttrich giebt auf Tafel 16 des Heftes „Mühlhausen“ seines Werkes, eine Ansicht der Kirche vor der Wiederherstellung, die jene Gewölbeansätze zeigt. Nachdem man etwa im ersten Drittel des 13. Jahrhunderts, wo man gegen den Eintritt der Uebergangsperiode hin, auch das vollständige Wölben der Kirchen unternahm, auch die höhern Räume unserer Kirche gewölbt hatte, sah man sich später genöthigt, zur Unterstützung der in bedrohlicher Weise an Halt verlierenden Gewölbe Strebepfeiler mit Strebebögen anzusetzen, von denen bei den noch weiter zu besprechenden Nachgrabungen noch die Reste, ja beim Abbruche eines auf der Südseite an die Kirche gebauten Schuppens im Mauerwerk desselben ein vollständiges Beispiel aufgefunden wurde. Selbstverständlich konnten dieselben nur erst aus der Zeit der Gothik, also frühestens aus dem Ende des 13. Jahrhunderts stammen, da ja bekanntlich nur erst mit jenem Baustile die Strebebögen bei uns eingeführt worden sind. Bei der Wiederherstellung der Seitenschiffe sind auch sie auf der Südseite der Kirche wieder erneuert worden.

 

Puttrich folgert aus dem allerdings auffälligen Umstande, dass am nördlichen Kreuzesarme die Lisenen, ehe sie wie gewöhnlich den Dachsims erreichen, abgesetzt sind, so dass der Bogenfries über dieselben hinweggeht (Fig. 53 und 69), eine Erneuerung der obern Partie nach einer Zerstörung durch Feuer. Nun ist aber die von Puttrich behauptete Verschiedenheit des obern Mauerwerks der Lisenen von dem untern nicht vorhanden, und wie wir sahen ist gerade die hier angewandte noch ungekünstelte Form der Bögen des Frieses wegen ihrer Aehnlichkeit mit jener des Bogenfrieses an der Petrikirche in Erfurt als die ältere anzunehmen.

 

 

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133 Münchenlohra.

 

Wir finden übrigens ein ähnlich unmotivirtes Absetzen der Lisenen auch am Chor des Domes zu Nordhausen, wo ebensowenig eine Scheidelinie im anliegenden Mauerwerke zu beobachten ist, als in Münchenlohra; es lässt sich hier nur eine Laune des Baumeisters vermuthen.

 

Wie bereits früher (pg. 119) bemerkt, können die Gebäulichkeiten des Klosters beim Einfalle der aufrührischen Bauern im Mai des Jahres 1525 nur unbedeutend gelitten haben, auch die darauf folgende Verweltlichung des Klosters ist für die Erhaltung des Kirchengebäudes ohne Nachtheil gewesen, blieb ja doch der Gottesdienst in demselben bestehen. Herzog Heinrich Julius von Braunschweig als postulirter Bischof von Halberstadt verordnete, dass der jeweilige Pfarrer von Elende das Filial Münchenlohra zu versorgen habe, welche Einrichtung noch gegenwärtig besteht. Wohl aber mögen die Stürme des dreissigjährigen Krieges nicht spurlos, wenigstens am Innern unserer Kirche vorübergegangen sein, der schon beschriebene Leichenstein Bodos von Gladebeck bezeugt, dass dessen Sohn Bodo im Jahre 1666 „diese gantz wüst gewesene Kirche wieder anbauen lassen.“ Es war dies die letzte Gunst, welche der alten Kirche für lange Zeit zu theil wurde. Im folgenden Jahrhunderte und zu Anfange des gegenwärtigen erinnerte man sich ihrer nur noch, wenn man Mauersteine nöthig hatte. Diesem Bedürfnisse verdanken wir übrigens einen interessanten Bericht über den Zustand der Kirche im Jahre 1732, der in den Bauakten der Domäne Münchenlohra im Erfurter Regierungsarchiv (Reposit. 9a Bd. I) enthalten ist. In diesem Jahre war der Neubau eines Amthauses auf der Domäne beschlossen worden, es handelte sich nun um eine möglichst bequeme und wohlfeile Beschaffung des Baumaterials. Der Landbaumeister berichtet in Bezug hierauf folgendes:

 

„Es sind an der alten Münchenlorer Kirche zwei Thürme befindlich, einer davon ist bereits seit vielen Jahren zu nichts anderem gebrauchet worden, als dass der Pachter in dem darunter befindlichen Gewölbe Hausgeräthe verwahret hat. Derselbige droht den Einsturz, so dass er entweder mit schweren Kosten von Grund auf repariret oder zur Verhütung Unglücks abgetragen werden muss; die so zu gewinnenden Steine könnten aber zum Amthausbau gar wohl verwendet werden. Das untere Gewölbe kann stehen bleiben und mit einem Dache bedeckt werden. Die Bogens der drei Contreforts (Strebebögen der Strebepfeiler) sind von vielem Regen ganz durchgewaschen, so sind sie da sie den Kreuzgang (so nennt er die Seitenschiffe) zusammenschliessen , zu verzwicken und so die Mauer worauf das Gewölbe beruht (Scheide- oder Arkadenmauer des Mittelschiffs) vom Nachgeben bewahret wird.“

 

Im April 1733 wurde dieser Vorschlag genehmigt, zugleich befahl der Kriegsrath Fuchs von der Halberstädter Kriegs- und Domänenkammer auch den Abbruch „bis auf den Grund“ des andern Thurmes, so wie der „alten Kapelle beim Pferdestalle“ am westlichen Thore, weil indes der eine Thurm genugsames Material zum Aufbau des massiven Erdgeschosses des Amthauses lieferte, so unterblieb dies vorläufig; die alte Kapelle wurde zur Wohnung für Dienstleute ausgebaut und 1742 wiederum in Stand gesetzt. Das Amthaus war im August 1733 vollendet worden und erhielt eine Hausthür „auf flämische Art.“ Den zweiten Thurm ereilte sein Schicksal nur wenige Jahre nachher. Er wurde nach und nach je nach Bedürfnis abgetragen, der letzte Rest im Mai 1743.

 

 

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134 Kreis Grafschaft Hohenstein.

 

Das zwischen beiden Thürmen angebrachte Hauptportal mag sehr schön gewesen sein, der Pfarrer Hoffmann in Elende berichtet über dasselbe an Friedrich den Grossen: „Es ist noch eine schöne, massive, steinerne Thür übrig, so unter dem Thurme befindlich, die nirgend als an einer neuen Kirche oder Adelichen Gebäue zu gebrauchen ist.“ Dieselbe wurde genanntem Pfarrer zum Verkauf im Interesse der Kirchenkasse übergeben; leider fehlen alle Nachrichten darüber, an welches „Adeliche Gebäue“ ihr Geschick sie verschlagen hat. Auf die noch allein übrig gebliebene östliche Hälfte der Halbcrypta und des Nonnenchors wurde 1746 ein niedriger Fachwerksthurm mit schwedischer Haube aufgesetzt.

 

Die Kriegs- und Domänenkammer ordnete im Jahre 1796 den Abbruch der beiden Kreuzesarme, behufs Gewinnung von Steinen zum Verkauf, an. Ein Voranschlag der Kosten des Abbruchs und der Wiedervermauerung der dadurch verursachten Oeffnungen wies einen Verlust von über 100 Thalern bei dieser Finanzoperation nach. Diese Erkenntnis rettete nun zwar die Kreuzesarme vom drohenden Untergange, nicht aber ihre Absiden. Im Jahre 1798 brach der Maurermeister Kellermann eigenmächtig das südliche Seitenschiff ab, um die Steine zum Bau des Gesinde- und des Backhauses zu verwenden, zu gleichem Zwecke hatte er auch das im Gewölbe unter dem Thurme bislang aufbewahrt gewesene Steinwerk eines alten romanischen Altars benutzt, wofür er indes doch einen Verweis erhielt, da der Nutzen nicht den Kosten des Zumauerns der 5 nun offnen Arkadenbögen entsprach. Das nördliche Seitenschiff war schon einige Zeit vorher „verbraucht“ worden.

 

Die Scheuer, welche die Chiffre Friedrichs des Grossen trägt, ist 1743 erbaut worden, gleichzeitig auch die, in welche man den Inschriftstein Dietrichs von Wolkramshausen vom Jahre 1321 wieder eingefügt hat. Die erwähnte alte Kapelle besteht nicht mehr; das am westlichen Thore eingemauerte Blätterkreuz (Fig. 67) ist wohl noch der letzte Rest derselben.

 

Fig. 67

 

 

Schmaling berichtet vor 100 Jahren in seiner Sammlung vermischter Nachrichten zur Hohnsteinschen Geschichte, dass damals noch eine Mauer mit Oeffnungen zum Ausfallen in den Graben den ganzen Hügel umzog, auf dem das Kloster stand. Nördlich der Kirche waren in einem Garten noch beträchtliche Spuren von Klostergebäuden sichtbar. Die Probstei lag in Osten, da wo sich gegenwärtig eine Obstplantage befindet, man hat dort früher Grundmauern und Kellerräume angetroffen.

 

Die arg verstümmelte Kirche hatte so die Gestalt erhalten, welche uns Puttrich in der bereits eben erwähnten Abbildung vorführt und so fand sie im Sommer 1845 der Conservator der Alterthümer im Königreiche Preussen von Quast auf einer Inspektionsreise. Er beantragte zunächst eine Wegräumung der angebauten Schuppen und Ställe und Beseitigung der das Innere verunzierenden Einbauten, sah aber von der Ergänzung und Wiederherstellung der Kirche, der grossen Kosten halber, vorläufig ab. In den nächsten Jahrzehnten geschah nur das zur Erhaltung des in seinen architektonischen und kunstgeschichtlichen Werthe anerkannten Bauwerkes Nothwendigste. Zwar hatte bereits im April 1860 der Kreisbaumeister Rickert in Heiligenstadt Zeichnungen und Anschläge zur Wiederherstellung der Kirche der Regierung zu Erfurt vorgelegt, doch überstiegen die Kosten die bereiten Mittel des Patronatbaufonds so beträchtlich, das man die Ausführung

 

 

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135 Münchenlohra.

 

bis auf weiteres vertagte und nur erst 1867 dieser Idee insofern wieder nahetrat, dass man den Kreisbaumeister Hartmann in Worbis beauftragte, durch Nachgrabungen die Grundmauern der vernichteten Bautheile klarzulegen, was auch mit genügender Sicherheit gelang. Von dem nördlichen Seitenschiffe und der nördlichen Abside fanden sich nur Spuren, von der südlichen indes noch Grundmauern. Die Mauer des südlichen Seitenschiffes hatte nur noch ihre Spur an dem durch Einbau in eine Schuppenwand geretteten westlichen Strebepfeiler zurückgelassen, auch die Fundamente der beiden andern Strebepfeiler und der Ansatz eines Strebebogens an der Arkadenmauer wurden noch entdeckt. Die Mauer der nicht gewölbten Chornische war bis zur Decke emporgeführt und gleich dem Chore mit Brettern eingedeckt, doch verriethen Ansätze, dass beide einst gewölbt waren.

 

Interessant waren die Ergebnisse einer 1879 vom Kreisbauinspektor Heller unternommenen Blosslegung der bis dahin von Stallgebäuden bedeckt gewesenen Grundmauern der westlichen Partie der Kirche, die in Fig. 68 dargestellt sind.

 

Fig. 68

 

 

Unter den aus Muschelkalk, aus den Brüchen bei Klein-Wenden, bestehenden Grundmauern des Thurmunterbaues entdeckte er die bereits besprochene bogenförmige Grundmauer A aus Buntsandstein, die Fundamente B B von Säulen der Halbcrypta und endlich die Spuren der Strebepfeiler C C C auch auf der Nordseite. Auf Grund dieser von ihm studirten Untersuchungen arbeitete nun der in der Bauabtheilung des Ministeriums der öffentlichen Arbeiten beschäftigte Architekt Schäfer den endgültigen Ergänzungs- und Wiederherstellungsplan aus, der im Juli 1880 der Regierung zuging, worauf im April 1882 die Ausführungsarbeiten unter Aufsicht des Bauführers Mencken aus Köln durch den Maurermeister Bartens aus Nordhausen begonnen und im September des folgenden Jahres vollendet wurden. Die stilgerechte Ausmalung des Innern ist vom Dekorationsmaler Joseph Wittkopp aus Lippstadt in Westphalen ausgeführt worden. Und so bietet denn der einst so sehr misshandelte edle Bau wiederum das freundliche, stattliche, weithin im Thale leuchtende Bild dar, welches uns Fig. 49 (pg. 120) vor Augen führt und das wohl dem einst gewesenen getreulich entsprechen dürfte. Ja selbst die einer romanischen Basilika so fremdartig zu Gesicht stehenden Strebepfeiler mit ihren Bögen sind aus technischen Gründen beibehalten worden.

 

Der staatliche Patronatsbaufond konnte nur in Anspruch genommen werden für die auf 28,000 M. veranschlagten Kosten einer Reparatur der Kirche, insoweit dieselbe dem praktischen Bedürfnisse der sich auf etwa 150 belaufenden Kirchenbesucher aus Münchenlohra und dem eingepfarrten Klein-Wenden Rechnung trug; für die, doch nur im kunsthistorischen und ästhetischen Interesse zu unternehmende Erneuerung der Absiden, Seitenschiffe und Thürme musste eine anderweite Quelle aufgesucht werden und diese fand sich bald in der vom Ministerium angerufenen Grossmuth des verewigten Kaisers Wilhelm. Durch Verfügung vom 7. Juli 1881 gewährte derselbe ein Gnadengeschenk von 20,500 M. aus seinen Privatmitteln zu oben genanntem Zweck.

 

 

 

Quelle:

Schmidt, Julius: Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen. Herausgegeben von der Historischen Commission der Provinz Sachsen – Zwölftes Heft. Kreis Grafschaft Hohenstein. Halle a. d. S. Druck und Verlag von Otto Hendel 1889. S. 101 – 135

 

 

 

Hinweis: Der mit Zeichnungen versehene Text des Autors wurde um einige neuzeitliche Fotos ergänzt.