Herrmann 1843 zur Entwicklung der Hanse und über die Verbindung zwischen Lübeck, Nowgorod und Wisby

Beiträge zur Geschichte des russischen Reiches.

 

 

Von

 

Dr. Ernst Herrmann.

 

I. Ueber die Verbindung Nowgorods mit Wisby und der Deutschen mit den Russen.

 

II. Des Freiherrn Schoulz von Ascheraden Geschichte der Reduction in Livland.

 

III. Tagebuch des Generalfeldmarschalls Grafen von Münnich, mit 2 Beilagen und Einleitung.

 

 

JCHB

 

 

Leipzig, 1843. Verlag der J. C. Hinrichsschen Buchhandlung.

 

 

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Dem Herrn Geheimen Rath
Dr. Friedrich Albert von Langenn

und dem Herrn Professor
Leopold Ranke

aus Hochachtung, Dankbarkeit und Liebe gewidmet.

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Vorwort.

 

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Vor einigen Monaten wurde mir ein in der Bibliothek des königlich-sächsischen Hauptstaatsarchivs aufbewahrtes Manuskript bekannt, das von archivalischer Hand den Titel „Russisch-türkischer Krieg unter Münnich, 1735 ff.“ erhalten hat. Auf die durch den Herrn Geheimen Archivar Dr. Tittmann an das hohe königlich-sächsische Gesammtministerium gemachte Unterlegung wurde es mir verstattet, von diesem Manuskript eine Abschrift zu nehmen, deren unverzögerte Veröffentlichung sich, wie ich hoffe, selbst rechtfertigen soll. Nur Behufs einer vorläufigen Uebersicht des Hauptinhalts und zur Ermittelung der ohne Zweifel dem Grafen Münnich selbst zuzuschreibenden Verfasserschaft habe ich diesem Münnichschen Tagebuch noch eine besondere Einleitung hinzuzufügen für nöthig erachtet. Ueberall ist es das Bild des Selbsterlebten und des Selbstgethanen was in demselben uns anspricht.

 

Die Aufgabe des Verfassers von dem ersten der dem Leser hier dargebotenen Beitrage war das Auffassen eines der allgemeinsten welthistorischen Verhältnisse. Sein Wunsch war durch die Einsicht in die sich aus der Berührung zweier großer Nationalitäten ergebenden Resultate, seinem Gegenstande genug zu thun. Bei Aufgaben dieser Art kann das Maaß der Vollständigkeit der Natur der Sache nach immer nur ein sehr relatives sein. Wenn aber bei Fragen des politischen Lebens, die in der Geschichte wurzeln, die Welt der Gegenwart in dem trüben Dunstkreis ihres beschränkten Horizontes sich gebärdet , als wenn es nicht Sonne und nicht Sterne gäbe, von denen sie Licht und Bewegung erhält, dann scheint es mir wohl an der Zeit zu sein, auf die in der Geschichte zu Tage liegenden normalen Grundverhältnisse zurückzuweisen. Ich habe daher keinen Anstand genommen diese Andeutungen über ein so wesentliches, Jahrhunderte lang in der russischen Geschichte sich hindurchziehendes Moment,

 

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IV

 

Vorwort.

 

unverändert, wie ich sie bereits vor vier Jahren niedergeschrieben, jetzt herauszugeben, weil vielleicht schon mit der beabsichtigten Anregung zu einer besonnenen Erwägung desselben etwas gewonnen ist. Im Einzelnen aber kommt wenig darauf an, ob diese oder jene Wendung mehr oder weniger stark die Reflexe von den Stimmungen und Richtungen des Jetzt oder des Damals an sich trägt; das Ganze weiter auszuführen, fehlte es dem Verfasser, der erst neuerlich sich entschlossen hat, den slavischen Osten zum besondern Gegenstand seiner Studien zu machen, früher an fortgesetzter Veranlassung, gegenwärtig, bei den viel umfassenderen Grundlagen, welche die Geschichte von Rußland erfordert, an Muße.

Die dieser Abhandlung beigefügten Ausschriften aus des Freiherrn Schoulz von Ascheraden „Versuch einer Geschichte von Livland und dessen Staatsrecht“ schließen sich ihrem Inhalt nach, an das in der ersteren „schwedische Herrschaft“ überschriebene Capitel an; vergl. S. 77, und können zugleich als historische Unterlage der bei Otto Wigand, Leipzig 1841 erschienenen Schrift „der Landtag zu Wenden 1692“ angesehen werden, vergl. die Anmerkung zu Seite 107. Der größte Theil der hier mitgetheilten Proben ist übrigens nicht durchaus unbekannt, denn das Meiste davon ist bereits von Gadebusch in seinen livländischen Jahrbüchern, wenn gleich untermischt mit seitenlangen Notizen sehr heterogenen Stoffes benutzt worden, aber nach Gadebuschs Excerpten ein unentstelltes Bild zusammenzusetzen und sich einen unverfälschten Gesammteindruck des Schoulz‘schen Originals zu verschaffen, möchte ein fruchtloses und wenig dankenswerthes Bemühen sein, und es ist daher um so mehr zu wünschen, daß die Herausgeber der Monumenta Livoniae antiquae eine vollständige Ausgabe desselben dem Publicum nicht zu lange vorenthalten mögen.

 

Dresden, den 23. April 1843.

Dr. Ernst Herrmann

 

 

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Inhaltsübersicht.

 

 

 

Vorwort S. V.
Einleitung des Herausgebers zu dem Münnichschen Tagebuch. S. XV - XXVI.

 

I. Ueber die Verbindung zwischen Nowgorod und Wisby und den Deutschen mit den Russen S. 1 - 80.

 

Einleitung. S. 3 - 9. Nowgorod, der einzige Punct, von wo aus das alte Russland mit dem westlichen Europa in Verbindung kommt, S. 4; zuerst mit den Warägern auf feindliche Weise, S. 5, dann von der Insel Gothland aus auf dem Wege des Handels.

 

Erste Abtheilung. Die hanseatische Zeit des Mittelalters. S. 9 – 52.

 

Erstes Capitel. Gothlands Erhebung zum Mittelpunct des nordeuropäischen Welthandels. S. 9 - 16. —
Alte Sage der Gothländer über ihre frühesten Unternehmungen nach dem Auslande, ihre Berührung mit Rußland, S. 10., ihre politischen Beziehungen zu Schweden, S. 11, und Annahme des ihnen von dorther zugeführten Christenthums. S. 12. Hierauf eintretende engere Verbindung der Gothländer mit den Deutschen durch die Begünstigungen Kaiser Lothars des Sachsen und Heinrichs des Löwen. S. 12 – 14. Ihre Vereinigung zu Wisby auf Gothland. S. 14. — Die Gesellschaft des gemeinen Kaufmanns zu Wisby. S. 15.

 

Zweites Kapitel. Zustand Nowgorods bis zur Begründung des gothländischen und des deutschen Hofs in dieser Stadt. S. 16 - 20. Wichtigkeit der nationalen Verschmelzung des slavischen Nowgorod mit den Warägern. S. 17. Nowgorods unabhängige Stellung zu dem rurikschen Fürstenhause, S. 18. 19., durch die vom Großfürsten Jaroslaw verliehenen Berechtigungen befestigt. S. 20.

 

Drittes Capitel. 1. Handelsverbindung Nowgorods mit den Gothländern und den Deutschen. 2. Hof der Deutschen und der Gothländer zu Nowgorod. 3. Verhältnis der Deutschen zu den Russen. 4. Verfassung von Nowgorod. S. 20 - 35. Activer Seehandel der Russen nach dem Auslande. S. 21. Verhältniß des gemeinen Kaufmanns zu den Städten der deutschen Hanse. S. 24. Seine Abhängigkeit von den Städten. S. 24. Wahl der Oldermänner des Hofs durch den gemeinen Kaufmann. S. 25. Geschäftskreis des Oldermanns von S. Peter. Verwaltung des Hofs. S. 26. 27. 2) Vertrag zwischen dem Großfürsten Jaroslaw und den Nowgorodern mit den Deutschen und Gothen vom Jahr 1269. S. 28 - 30. 3) Rechte und Pflichten des Fürsten von Nowgorod.

 

 

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Inhaltsübersicht.

 

S. 31 - 32. Possadnik und Tussädski, Recht der Volksversammlung S. 33 und 34.

 

Viertes Capitel. Folgen der Verbindung Nowgorods mit Wisby S. 35 - 46. 1) Colonisation von Livland. — Das erste Castell in Livland durch den Augustinermönch Meinhard angelegt im Jahre 1186. S. 36. Riga vom Bischof Albert gegründet im Jahr 1201. S. 37. Neue Handelsverbindungen von Riga aus mit Pleskow und Plotzk angeknüpft 1206 und 1209. Vertrag mit Smolensk 1229. S. 38. 2) Förderung des in der deutschen Hanse liegenden welthistorischen Moments. S. 29. Unterordnung der Gesellschaft des gemeinen Kaufmanns unter die Autorität der hanseatischen Städte. S. 40 und 41. Die Wahl der Oldermänner auf die Bürger der vorsitzenden Städte Lübeck und Wisby beschränkt und von den von den Städten hiezu abgesandten Wahlmännern abhängig S. 42. Erhöhte Macht des Oldermanns des Hofs. S.42. Bündniß der wendischen Städte gegen König Waldemar III. von Dänemark vom Jahr 1361. S. 44. Verbindung der Hansestädte zu Köln gegen Waldemar III. vom Jahr 1367. S. 45.

 

Fünfter Capitel. Absonderungsprincip und Oberhand der Sonderinteressen. S. 46 - 52. — Eifersucht zwischen Wisby und Lübeck. Uebergewicht Lübecks S. 46. Mißverhältnisse zwischen Lübeck und den wendischen Städten mit Riga und den livländischen Städten. S. 45 und 48. Zwiespalt zwischen den wendischen und den niederländischen Städten. S. 49. Vernichtung des nowgorodischen Freistaats 1478; Bruch zwischen den wendischen und den niederländischen Städten. S. 50.

 

Zweite Abtheilung. Neue Anfänge. Livlands Anschluß an die östlichen Großmächte: Polen, Schweden, Rußland S. 52 - 80. Tendenz des russischen Absolutismus. S. 53 und 54. Bedeutung der deutschen Ostseeprovinzen des russischen Reichs. S. 55.

 

Erster Capitel. Abfall Livlands von der deutschen Hanse und Untergang des livländischen Ordensstaates. S. 56 - 62. Die livländischen Städte umgehen die hansischen Statute zu Gunsten der Holländer und Engländer, schließen im Jahr 1509 einen einseitigen Vertrag mit Wassilii IV. Iwanowitsch ab, S. 57, und stellen die Hanseaten in eine Kategorie mit den übrigen Gästen, 1540. S. 57. Riga gegen die Wiedererrichtung des Comptoirs zu Nowgorod. S. 58. Inneres Zerwürfniß der livländischen Stände. S. 59. Rußlands autokratisches Erheben. S. 59. 60. Iwans IV. Versuch Livland zu erobern. S. 60. Errichtung des Herzogthums Kurland 1561. Livlands Anschluß an Polen, Ehstlands an Schweden. S. 61.

 

Zweites Capitel. Polnische Herrschaft. S. 62 - 71. Das Privilegium Sigismundi Augusti. S. 62 und 63. Livland erhält in der Person des Johann Chodkiewiez einen politischen Gouverneur,

 

 

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1567. S. 64. Polnische Anmaßungen und jesuitische Bestrebungen unter dem König Stephan Bathori, S. 65 und 66, unter dem König Sigismund aus dem Hause Wasa. S. 67, 68, 69. Das Herzogthum Ehstland schließt sich dem Herzog Karl von Südermanland an, 1600. S. 68. Sein Vordringen in Livland. S. 69. Besitznahme Livlands durch Gustav Adolf. S. 70.

 

Drittes Capitel. Schwedische Herrschaft. S. 71 - 77. Gustav Adolfs Fürsorge für Liv- und Ehstland. S. 72. Die schwedischen Donatarien, ein heterogenes Element im livländischen Landstaat. S. 73. Karl X. Gustav S. 73. Karls XI. Generalconfirmation vom Jahr 1678 gegen willkürliche Beeinträchtigungen der livländischen Verfassung. S. 74. Dem zuwiderlaufende Einführung der Reduction in Livland. S. 75. Bittschrift der Ritterschaft an den König vom 30. Mai 1692. S. 76. Schlußbetrachtung. S. 77 - 80. Peters des Großen Verdienste um die Ostseeprovinzen und die Europäisirung der Russen. S. 78. Fortdauernder Einfluß der Deutschen auf die Russen. S. 79. Aussichten in die Zukunft. S. 80.

 

II. Des Freiherrn K. Fr. Schoulz von Ascheraden Geschichte der Reduction in Livland unter der Regierung Karls XI., Königs von Schweden. S. 81 - 116.

 

Lebensnachricht über den Freiherrn Karl Friedrich Schoulz von Ascheraden S. 82.

 

Karl XI. sucht für sein Mißgeschick im Kriege durch die Güterreduction sich an seinen Unterthanen zu entschädigen S. 83. Staatsrechtliche Ansichten des Verfassers. S. 84. 85. Karl XI. von Johann Güldenstern und Claus Flemming zu der Reduktion angereizt. 85. Grund des Hasses gegen den Adel. S. 86. Weshalb der König den Adel zu stürzen suchte. S. 87. Beschluß der übrigen Reichsstände in Betreff der Reduction. S. 88. Die Reductions-, die Liquidations- und die Observationscommission S. 89. Instruction des Generalgouverneurs Lichton, die Reduction in Livland auch ohne Zustimmung der Landräthe zu vollziehen, 1681. S. 91.

 

Königliche Proposition dem Landtage zu Riga 1681 vorgelegt. S. 92. Weigerung der Ritterschaft, sich den schwedischen Reichstagsbeschlüßen zu unterwerfen. S. 93. Beisteuer der Ritterschaft zur Krönung des König. S. 94. Vermeintliche durch eine königliche Jagdordnung aus den Domainen zu ziehende Vortheile. S. 95.

 

1684. Excesse des Major Emmerling bei der Taxation des Landes. — Landtag. Klagen der Ritterschaft über das eigenmächtige Verfahren des Generalgouverneurs. S. 96.

 

1685. Die Reduction wird ausgeführt, auch wo es dazu an scheinbaren Gründen fehlt. S. 97.

 

1686. Die Revenüen der zu reducirenden Güter werden vom Jahre 1681 an in Abrechnung gebracht. S. 98. Suppligue vom Landtag auf

 

 

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Vorstellung des Landraths Gustav Mengden an den König angefertigt. S. 99. Graf Hastfer wird zum Generalgouverneur ernannt. S. 99. 100.

 

1687. Landtag. Königliche Propositionen: (die perpetuelle Arrende und das Tertial) S. 101. Erklärung der Ritterschaft auf dieselben. S. 102.

 

1688. Die Reduction in die Ordenszeit zurückgesetzt. S. 103.

 

1689. Der Adel käuflich. S. 104.

 

1690. Landtag. Der Landrath Gustav Mengdens und der Capitän Johann Reinhold Patkul als Deputirte der Ritterschaft Behufs der Revision des Corporis privilegiorum nach Stockholm gesandt. S. 105.

 

1691. Ihr Verhalten daselbst. S. 106. Patkul des Königs Begleiter. S. 107.

 

1692. Landtag zu Wenden. Supplique an den König. S. 108.

 

1693. Zurechtweisung der Ritterschaft wegen ihrer auf dem Landtag 1692 gethanen Schritte. Landtag. S. 108. Der Landtag aufgelöst. Verwahrung der Ritterschaft. S. 109. Bietinghoff, Budberg und Mengden gehen nach Stockholm, wo man ihnen das crimen laesae majestatis Schuld giebt. S. 110. Ihre und Patkuls Verurtheilung. — Dissolution der livländischen Verfassung. S. 112.

 

1695. Merkwürdiger Eingang zu den Propositionen des neuen Scheinlandtags. S. 112.

 

1697. Tod des Königs Karls XI. S. 113. Rückblick auf die Resultate der Reduction. S. 114.

 

1698. Fiscalische Belangung der Adelsdeputirten.

 

1699. Bedeutungslosigkeit der nach Riga einberufenen Versammlung der Gutsbesitzer, der Geistlichkeit und der Bürgerschaft S. 115. 116.

 

III. Tagebuch des russisch-kaiserlichen Generalfeldmarschalls Burchard Christoph Grafen von Münnich über den ersten Feldzug des unter ihm in den Jahren 1735 - 1739 geführten russische türkischen Krieges. S. 117 - 229.

 

Historische Grundlage. S. 119 - 126. Veranlassung zum Kriege mit der Pforte. S. 119. Machterweiterung des Zaren Alexei Michailowitsch. Mahmud IV. Gegenanstalten. Befestigung von Asow, Anlegung der Castelle oder Calantschi und des Schlosses Luttik am Don, der Festungen Kinburn, Otschakow und Cissikermen am Dnepr. S. 120. — Nothwendige Richtung Rußlands gegen die Krim. Zug gegen die Krim vom Jahre 1684 mißglückt durch den Geiz des Fürsten Gallizin S. 121. Peters I. Unternehmungen gegen die Pforte. S. 122 —125. Seine Verbindung mit den Hospodaren der Moldau und Wallachei, Kantimir und Kantakusen. Anlegung der türkischen Festung Yenikale im Jahre 1706 oberhalb Kertsch. 122. Pruthischer Vertrag. Kühnheit des englischen Capitän Simon. 123. Ueble Folgen des Pruthischen Vertrages. 124. Peters weitere Pläne. — Katharina und Menschikow. Menschikow einem Kriege mit der Pforte abgeneigt. S. 125. Die Dolgorukis unter Peter II. machen Frieden mit Persien,

 

 

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S. 126, — suchen in Verbindung mit den Gallizins durch Beschränkung der Regierungsgewalt der Kaiserin Anna die Macht in Händen zu behalten. S. 126. Politik der Kaiserin Anna. S. 126. Anlegung der Festung S. Anna am Don, neun Meilen oberhalb Asow. S. 127. Plan die Grenzen vom Jahre 1701 wieder herzustellen, S. 128, wird durch die Revolution des Tachmaskulichan in Persien begünstigt. Glücklicher Zeitpunct für Rußland zum Beginn des Krieges, S. 129, kann wegen des Todes Augusts II., Königs von Polen noch nicht benutzt werden. Der Tartarchan Kaplan Giray auf seinem Zuge nach Dagestan vom Prinzen von Hessen-Homburg geschlagen. S. 129. Frankreichs Intriguen gegen Rußland. Zustand der Pforte. Abneigung des Großvesirs Ali Pascha zum Friedensbruch S. 130. Der neue Großvesir Ismail Pascha von den Franzosen gewonnen. Der Tartarchan kann keine Diversion gegen Persien machen, ohne den russischen Boden zu betreten. S. 131. Ostermanns Drohung. S. 132. Der alte Chan Kaplan Giray bricht dennoch auf Befehl der Pforte nach Persien auf, Juli 1735. S. 133. Beschaffenheit des Petersburger Cabinets. Ostermann ist dafür, Münnich nicht die völlige Direction des Krieges, sondern nur die Belagerung von Asow, dem Grafen Weisbach aber die Expedition gegen die Krim zu übertragen. S. 134. Münnichs Feindschaft mit Weisbach. Münnich erhält Befehl nach Pawlow zu gehen. S. 135. Beschaffenheit der Vorbereitungen zum Kriege. — Weisbachs Tod. Münnich drei Wochen krank in Pultawa S.136. Münnich erhält das Generalcommando über die Armeen am Dnepr und Don. M. ist für einen sofortigen Angriff auf die Krim, und Aufschiebung der Belagerung Asows aufs folgende Jahr. S. 137. Gründe dafür: der talmükische Fürst Donduc Ombo hat sich unter russische Botmäßigkeit begeben. Tartaren der kleinen Nagai. Die türkische Armee bei Erivan geschlagen. S. 138.

 

Aufbruch der Armee unter dem Generallieutenant Lewontiew, 1. Oct. 1735. Scharmützel mit den Nagaischen Tartaren S. 139. Das weitere Verfolgen der erlangten Vortheile durch die sechs Wochen anhaltende Kälte verhindert. S. 140. Verluste des Chans bei seinem trotz der Kälte versuchten Aufbruch aus der Kabarda. — Friedensbruch von beiden Seiten. S. 141. Verstellte Friedensneigung der Pforte, S. 142, deren Schein sich auch Rußland giebt; worüber der Pascha von Asow die Pforte eines Andern belehrt; Graf Bonneval im Divan um Rath gefragt. S. 143.

 

Münnich beschließt zu Anfang des Jahres 1736 die Belagerung von Asow einzuleiten, um sodann am 1. April 1736 die Dnepr-Armee gegen die Krim zu führen. — Ostermanns diesem Plan zuwiderlaufendes Gutachten Münnich zur Beantwortung zugeschickt. S. 144 - 149. Münnichs Antwort auf das Gutachten des Grafen Ostermann. S. 149 – 159.

 

M. geht vom Isum Ende Februar nach S. Anna. Angriff auf die Kalantschi S. 159, dem Generalmajor Sparreuter anvertraut. S. 160. M. setzt den Pascha von Asow von seiner Ankunft in Kenntniß.

 

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XII

 

Inhaltsübersicht.

Zurückhalten der Abgeschickten des Pascha von Asow. S. 161. Kriegslist zur Eroberung der Kalantschi ersonnen. Einnahme des ersten, S. 162, und Capitulation des andern Kalantschi in M‘s. Beisein. Die Besleen (leichte türkische Reiterei) bei Asow. S. 163. Unachtsamkeit des Starschin Krasna-Schoka. Der Starschin Iwan Wassiljewitsch Frolow. Verwirrung in Asow. S. 164. Der Pascha von Asow zur Uebergabe aufgefordert. S. 165. Blocade von Asow, S. 166, von M. geleitet, S. 167. — Der Generalmaior Sparreuter erhält Befehl , das Schloß Luttik anzugreifen. Der Commandant von Luttik gefangen genommen. S. 168. Asow beschossen. S. 169. Schreiben des Pascha von Asow. — M. übergiebt dem General Lewaschew das Commando, nebst dem Plan, nach dem die Belagerung geführt werden soll. Lewaschews Bestechlichkeit; seine Eifersucht auf den Feldmarschall Laçy S. 170. Mißverständnisse zwischen M. und Laçy. Münnichs mit Laçy verabredeter Operationsplan. S. 171. Laçy in Gefahr von den Nagaischen Tartaren aufgehoben zu werden. S. 172. Musterung der Truppen bei Zaritzinka, Nachlässigkeit des Generalproviantmeisters. S. 173. Mittel sich in Respect zu setzen. — Dienstunordnung unter den hettmanschen und slobodischen Kosaken. S. 174. Münnichs Vorschlag zur Deckung der Grenzen durch den Eigennutz des Knäs Shukowskoi hintertrieben. S. 175.

 

Ausmarsch der Truppen nach Perekop. S. 175. Marschordnung. S. 176. Der Chan von der Krim erwartet 100,000 Mann stark die russische Armee bei Tschornoja Dolina (Schwarzthal). Der Oberste Witte wird mit den Tartaren handgemein. Fermor. Spiegel. Weisbach. S. 177. Feigheit der hettmanschen Kosaken. S. 178. 179. Die Tartaren schneiden den Generalmajor Spiegel von Witte ab. Verspätung des Generallieutenant Lewontiew. Münnich begleitet vom Generalmajor Stoffel und Professor Juncker will den Stand der Dinge recognosciren und geräth in Lebensgefahr; sein Sprüchwort S. 178. Der Ingenieuradjutant Zimmermann fällt. S. 179. Phlegma des Generals Spiegel. Münnichs Rückzug. Succurs von Lewontiew und Stoffel. S. 180. Tartarische Kriegsführung. 240 Dragoner gegen 15,000 Tartaren. — Fortgesetzter Marsch nach Perekop in Quarre S.181. — Die Tartaren 200,000 Mann stark. Bewaffnete Tartarenweiber. S. 182. Tartarische Kriegsführung. Die Tartaren fliehen nach Perekop und hinter die große Linie. S. 183. Die russische Armee vom Chan nicht angegriffen, weil sie zu wohl commandirt sei. S. 184. Localität von der Festung Or-Capi und der Linie von Perekop. S. 184, 185, 186. Die Sclaven, Christen und Juden müssen an der Ausbesserung der Linie arbeiten. Der Chan achtet nicht auf den Befehl des Sultans nach der Cuban überzusetzen. S. 186. Anstalten gegen Perekop. S. 187. M. besteht auf unverweilten Angriff von Perekop. Widerspruch des Prinzen von Hessen-Homburg. Stoffel recognoscirt die Linie. Angriff auf Perekop. Rechenberg und ein Regimentspriester unter den Ersten auf dem Wall, der ohne Sturmleitern erstiegen wird. S. 189. Die Russen haben nur 7 Mann Todte und 170 Verwundete. Capitän Manstein verliert seinen Haarzopf. S. 190.

 

 

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Der Chan muß seinen Wagen und was er bei sich hat, im Stiche lassen. S. 191. Die Schußlöcher von den Castellen zu eng. S. 191 Der Ort der Attaque von Stoffel ungemein wohl ausgesucht. Die Stadt Perekop der Armee Preis gegeben. S. 192. Der Janitscharen-Aga Ibrahim capitulirt mit M. und hat zu ihm als einem Deutschen das Vertrauen, daß er räsonabler mit ihnen verfahren werde. Türkische Eidesformel. Generalmajor Karl Magnus von Biron. S. 193. Weshalb die Besatzung sich nicht länger gehalten hat. S. 194. Sie bleibt so lange in Arrest, bis der Chan die im vorigen Winter zurückgehaltenen russischen Kaufleute würde ausgeliefert haben. Uebermuth des Chans. Dankfest wegen der Eroberung von Perekop und Or-Capi. S. 195. M. der Erste, der eine feindliche Armee in die Krim gebracht. Bericht des russischen Residenten Wischniakow. Consternation in der Krim. Fehler der russischen Politik in Ansehung der nagaischen Tartaren. — Mangel an Proviant und Pferden. M. giebt deshalb sein dessein nach Yenikale und Kertsch zu marschiren auf und wendet sich nach Koslow. Seine Absicht, die Tartaten an der Aussaat und dem Export für das künftige Jahr zu hindern. S. 197. Hungersnoth in der Krim. Die Linie und Or-Capi erhalten eine russische Besatzung zur Sicherung der Convois aus der Ukraine. Weitläufigkeit der russischen Sachen. Oberst Dewitz. M. läßt Lewontiew, Stoffel und Tarakanow nach Kinburn marschiren, um die Budsakischen Tartaren und die Türken zu verhindern, den Krimischen zu Hilfe zu kommen, S. 198, und um sich durch die Eroberung von Kinburn der passage des Dnepr-Stroms für die künftige Campagne zu bemeistern. Münnichs Liebe bei den Soldaten. Der Kalga Sultan versucht eine Hauptattaque auf die Armee. S. 199. Feigheit der Kosaken. Generalmajor Hein wird gegen das feindliche Lager abgeschickt S. 200. Sein Ungehorsam auf Einrathen des Obersten Boy, des Schwiegersohnes von Laçy. Ermahnung des Starschin Iwan Wassiljewitsch Frolow. Der auszuführende Coup von solcher Wichtigkeit, daß er den Ausschlag zu geben vermochte, wer Meister von der Krim sein solle. S. 201. Hein nach Sibirien geschickt. Getrockneter Kuhmist S. 202. Leibgarde von 1200 Mann dem Chan vom Sultan unterhalten. Die Stadt Koslow vom Feind verlassen. S. 203. Die Türken haben sich nach Constantinopel retirirt. Raubsucht der Nagaier. Koslow eine der ältesten Städte in der Krim. Beschreibung dieser Stadt. Der Chan zieht aus ihr 20,000 Rubel Zolleinkünfte. Ausfuhr von Schafen und Getreide. Der Generalmajor Lesly von der gesammten Macht des Feindes angegriffen. S. 205. Schreiben des Kapudan Pascha aus Caffa an Münnich. S. 206. Münnichs Antwort. Windmühlen. M. aus Mangel an Mehl genöthigt, nach Baktschisarey aufzubrechen. S. 207. Generallieutenant Ismailow und Lesly zerstreuen den Feind. S. 208. Marsch nach Backtschisarey. S. 209. Localität des Defilée vor B. Der Sudacker Wein einem guten Schieler von dem meißener sehr gleich. Beschreibung von B. S. 210. Mission der Jesuiten in B. Juden bei

 

 

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H. Münnich vor B. Die Stadt geplündert. Wie die Tartaren und Janitscharen die Kosaken angreifen. S. 211. Die Janitscharen von M. zurückgetrieben. Tapferkeit eines russischen Lieutenants. Einzige avantage, welche der Feind in der ganzen Campagne erhalten. Gewohnheit der Tartaren, ihre Todte und Verwundete mit sich fortzuschleppen. S. 212. Baktschisarey von den Kanonen in Brand gesteckt. - Der französische Consul Adam Eworka und der polnische Edelmann Andreas Butowski, Abgeschickte an den Chan, von Münnich über die krimischen Sachen befragt. Eworta‘s Aussagen. S. 213. Seine Commission, sich der römisch-katholischen Christen vorzüglich anzunehmen. - Geschenke von der Pforte dem Chan überschickt. Die Tartaren in vier Classen eingetheilt. S. 214. — Producte der Krim. Kriegsstaat. Eintheilung in 40 Cantons. Revenüen des Chans. Der Kalga Sultan. S. 215. Der Sultan Nuradin. Der Sultan Orbay. Bukowskis Aussagen. S. 216. Unwahrscheinlichkeit derselben. Die Horde des Chans auf 30,000 Mann zusammengeschmolzen. M. wird durch eine epidemische Krankheit und den Abgang an Pferden genöthigt, statt nach Caffa zu marschiren, nach Perekop zurückzukehren. S. 217. Abfertigung des Prinzen von Hessen-Homburg. S. 218. Münnichs Mißhelligkeiten mit dem Prinzen. S. 219. Die Stadt Achmet-Schet oder Sultan-Sarey in Brand gesteckt. Fortgesetzter Rückmarsch nach Perekop. S. 220. Einnahme von Asow und Kinburn. S. 221. Stoffels Plan Otschatow einzunehmen durch die Saumseligkeit der Generale Lewontiew und Taratanow vereitelt. S. 222. Gründe der verzögerten Einnahme von Asow. S. 222 - 223. Expostulation zwischen Ostermann und Münnich S. 223. Die verspätete Einnahme von Asow verursacht in dem ganzen Systeme der vorgenommenen Operationen eine Aenderung. S. 223. Ankunft bei Perekop. Aussicht zur Unterwerfung der nagaischen Tartaren. M. sieht sich zu Perekop in seinen Erwartungen getäuscht. S. 224. Laçy giebt in seinen Briefen und Antworten an den Feldmarschall Münnich zu erkennen, dass er weder mit frischen Truppen noch Proviant zur bestimmten Zeit werde zu ihm kommen können. Unmittelbare von Münnich an Laçy bewirkte Ordre der Kaiserin. Pagenstreich. S. 225. Mangel an Lebensmitteln und Pferden in Pereskop. Beschwerde Münnichs bei dem Oberkammerherrn Biron über die Aufführung seines Vetters, des Generalmajors Karl Magnus von Biron. Mystification des Publicums. S. 226. Münnich genöthigt in die Winterquartiere zurückzukehren. Schlechte Landcharten. S. 227. General Spiegel entdeckt die Furth durch die faule See. Beschluß Perecop und Or-Capi zu sprengen. Kinburn durch Lewontiew in Schutt verwandelt. S. 229.

Beilage Nr. I. zu Seite 210. Description du Palais du Chan de la Crimée et de la ville de Backtschisarey, sa Residence. S. 230 - 234.

Beilage Nr. II. Supplement zu dem Tagebuch des russisch-kais. Generalfeldmarschalls Grafen von Münnich u. s. w. S. 235 - 243.

 

 

 

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Einleitung des Herausgebers zu dem Münnichschen Tagebuch.

 

Die Darstellung dieses ersten unter dem Generalcommando des Feldmarschalls Grafen Münnich vom Herbst des Jahres 1735 bis zum Herbst des Jahres 1736 gegen die Tartaren und die Pforte geführten Feldzuges zieht durch die Klarheit und unvergleichliche Anschaulichkeit der geschilderten Begebenheiten unsere Aufmerksamkeit auf sich. Die politische Einsicht und diplomatische Kenntniß, der strategische Blick, der feine Beobachtungstact und der unbefangene Humor, womit in den tartischen, ethnographischen und socialen Beziehungen sämmtliche hieher gehörigen Verhältnisse, wesentliche Zustände, wie zufällige Umstände aufgefaßt und behandelt werden, zeigen, daß sie von einem Verfasser herrührt, der seines Gegenstandes Meister ist.

 

Von Seite 119 - 126 wird uns zuvöderst „um den rechten Zusammenhang der Sachen zwischen Rußland und der Pforte gründlich einzusehen“ als Basis und Einleitung zu den Ereignissen des von der Kaiserin Anna gegen die Pforte unternommenen Krieges eine treffende Uebersicht der politischen Stellung Rußlands zu der Pforte von der Zeit des Zaren Alexei Michailowitsch bis zum Regierungsantritt der Kaiserin Anna gegeben. Die schon unter dem genannten Zaren die sinkende Pforte überwachsende Machterweiterung Rußlands veranlaßte den Sultan Mohammed IV. geeignete Vorkehrungen zu treffen, um die Russen vom schwarzen Meere abzuhalten. Am Ausfluß des Dons ließ er Asow befestigen und den Strom weiter aufwärts legte er die Castelle oder Calantschi und das Schloß Luttik, so wie am Dnepr die Festungen Otschakow und Cissikermen an, S. 120 Die Russen aber konnten umso weniger von ihren Eroberungsplänen abstehen, da nicht nur die mercantilen Beziehungen ihres erstarkenden Staates die Gewinnung der Küste des schwarzen Meeres erheischten, sondern

 

 

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XVI

 

Einleitung zu dem Münnichschen Tagebuch.

 

auch die Sicherstellung der Grenzprovinzen vor dem von den Crimischen und Cubanischen Tartaren fortwährend verübten Menschenraub kaum auf anderem Wege, als durch den Besitz von Asow und die Eroberung der Krim zu erlangen war. Der gegen die letztere im Jahre 1684 unternommene Zug scheiterte an dem Eigennutz des Fürsten Gallizin. — Peter I. eroberte im Jahre 1696 die Kalantschi, im Jahre 1697 Asow und legte am nördlichen Ufer des asowschen Meeres, um die im Jahre 1700 durch den Frieden von Constantinopel (3/14. Juli) erlangten Grenzen sicher zu stellen *), das Fort Semenowski, den Hafen Taganrok und die Festung Samara am gleichnamigen Fluß, so wie Kamennoi-Saton am Dnepr an. Die Niederlage am Pruth aber hatte im Frieden zu Hübsch (12/23. Juli 1711) den Verlust der erhaltenen Vortheile zur Folge **), und Menschikow unter der Kaiserin Katharina I., so wie die Dolgorukis unter Peter II. wendeten sich zu sehr der Befriedigung der eigenen Interessen zu, um sich den Blick für eine den gegebenen Verhältnissen des Staats angemessene Politik ungetrübt zu erhalten.

 

Den Begehrnissen der russischen Großen trat die Kaiserin Anna entgegen. Sie zerriß die ihr aufgedrungene Capitulation. Sie faßte den Entschluß, die Entwürfe Peters I., ihres Oheims, auszuführen — „und sich mehr auf die Redlichkeit und Capacität der Ausländer, und besonders der Deutschen als der geborenen Russen zu stützen.“ S. 127. Ostermann und Münnich standen ihr zur Seite.

 

Da die Rußland nothwendige Gebietserweiteruug zunächst die Macht der Osmanen feindlich berühren mußte, so war gleicher Zeit die Wiederherstellung friedlicher Verhältnisse mit Persien wünschenswerth. Neun Meilen aufwärts von Asow wurde die Festung

 

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*) Dieser Frieden setzte fest: „Die Festen Tawan, Cissikermen, Nustredkermen und Sahiekermen werden geschleift, ihr Land aber verbleibt der Pforte; Asow dagegen mit seinem Gebiete und die dazu gehörigen Ortschaften, wird mit dem freien Handel im schwarzen Meere Rußland gesichert.“ Rußlands Territorialvergrößerung von der Alleinherrschaft Peters des Großen bis zum Tode Alexanders des Ersten, geschichtlich dargestellt von Julius von Hagemeister. Riga und Dorpat, Ed. Frantzens Buchhandlung, 1834 S. 3.

 

**) „Der Friede zu Hübsch gebot die Abtretung Asows mit seinem Gebiete, die Schleifungen der Festungen Taganrok, Kamennoi-Saton, und aller Schanzen an der Shamara, auch sollte der Zar sich nicht mehr in die Angelegenheiten Polens, wie der von den Krimischen Taktaren abhängigen Kosaken mischen.“

Hagemeister im a. W. S. 7.

 

 

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XVII

 

Einleitung zu dem Münnichschen Tagebuch.

 

St. Anna am Don angelegt. — Dem im geheimen Conseil (1734) gefaßten Entschluß die Grenzen vom Jahre 1700 wieder herzustellen, arbeitete die Revolution des Nadirkulichan in Persien vor. Um bei seinen Absichten gegen die Pforte an Rußland eine Stütze zu finden, trug dieser kriegerische Usurpator letzterem ein Schutz- und Trutzbündniß an. Aber um den Krieg zu beginnen mußte man russischer Seits, ungeachtet der besten Vorbereitungen zuvor seine Stellung gegen den Westen wahren, und vor Allem nach dem Tode Augusts II. die Angelegenheiten in Polen ordnen. Dies gelang dem Grafen Münnich durch die glücklich ausgeführte Belagerung Danzigs, das die Partei des Stanislaus Lescinsky ergriffen, in kürzerer Zeit als man erwartet hatte.

 

Inzwischen versäumte Frankreich keine Gelegenheit, um die Pforte, die sich von den in den Jahren 1716 und 1717 bei Peterwardein und Belgrad erlittenen Niederlagen noch immer nicht erholen können, gegen Rußland aufzureizen S. 131; und so gelang es dem Gesandten Villeneuve dieselbe dahin zu bewegen, daß sie dem alten Tartarchan Kalgan Giray Befehl ertheilte, nach Persien aufzubrechen (Juli 1735), um sich dort mit dem Serasker Topal Osman zu verbinden, wiewohl Ostermann erklärt hatte, daß Rußland jede Diversion des Chans gegen Persien, bei der, wie es nicht zu vermeiden war, der russische Boden betreten würde, für einen Friedensbruch von Seiten der Pforte ansehen werde. — Hierauf erhielt Münnich Befehl von Polen aus nach Pawlow zu gehn, wo er die für die Belagerung von Asow bestimmten Regimenter in Bereitschaft finden würde. Die bei weitem wichtigere Expedition gegen die Krim sollte nach Ostermanns Dafürhalten dem mit Münnich verfeindeten Grafen von Weisbach übertragen werden S. 134. Auch hatte dieser gleichfalls sich bereits zu seinen Truppen in die Ukraine begeben, als er Münnich sehr gelegen plötzlich starb, der nun das Generalcommando über die Don- und Dnepr-Armee erhielt.

 

Der kalmükische Fürst Donduc Ombo war wieder unter russische Botmäßigkeit getreten; von den Tartaren der kleinen Nagai stand ein Gleiches zu erwarten; Radirschah hatte die türkische Armee bei Eriwan geschlagen. Diese günstigen Umstände dachte Münnich sofort durch einen Angriff auf die Krim zu benutzen, die Belagerung von Asow aber aufs folgende Jahr zu verschieben.

 

 

 

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XVIII

 

Einleitung zu dem Münnichschen Tagebuch.

 

Demnach fand der Aufbruch der Armee am 1. October a. St. 1735 unter dem Generallieutenant Lewontiew statt, aber die über die nagaischen Tartaren erhaltenen Vortheile weiter zu verfolgen, wurde durch die alsbald eintretende ungewöhnlich strenge und sechs Wochen lang anhaltende Kälte unmöglich gemacht. S. 140.

 

Nachdem so von beiden Seiten ohne Kriegserklärung *) der Friede gebrochen war, wiewohl die Pforte es nicht so angesehen wissen wollte, beschloß Münnich, den die Kaiserin selbst bevollmächtigt hatte, den Feldzug Wann, Wie und Wo er es für gut fände, zu eröffnen, zu Anfang des Jahres 1736 die Belagerung von Asow einzuleiten, und am 1. April die Dnepr-Armee gegen die Krim zu führen.

 

Diesem Plan entgegen sollte man sich nach einem dem Feldmarschall Münnich zur Beantwortung zugeschickten Gutachten Ostermanns fürs Erste mit einer Belagerung von Asow begnügen, zugleich aber mit der Pforte durch die fremden Mächte, die Holländer, Engländer und den römischen Kaiser, zu vermittelnde Friedensunterhandlungen anknüpfen, und wegen der schwer zu bewirkenden Eroberung der Krim es im Fortgang des Krieges nur auf die gänzliche Verheerung und Verwüstung derselben absehen.

 

Hieraus erwiederte Münnich in einer aus die Lage der Dinge sachlich eingehenden Entgegnung: Die Steppen seien keine Wüsten, für hinreichende Proviantirung der Armee könne durch geeignete Maßregeln gesorgt werden; die Befürchtung, daß die Türken noch vor der Ankunft der Russen in die Krim sich hinter der Linie oder dem Paß von Perecop festsetzen könnten, sei grundlos. Eine noch günstigere Gelegenheit zu der Expedition abzuwarten sei nicht rathsam; russischer Seites habe man sich seit Jahren, die Pforte kaum einige Monate vorbereitet; die russische Armee komme siegreich vom Rhein und habe mit den übrigen Mächten Frieden; die Pforte führe Krieg mit Persien und befände sich in der größten Verwirrung; sie sei mit dem Chan von der Krim und dieser mit der Pforte nicht zufrieden. — Statt der Verwüstung der Krim müsse man durch gute Behandlung die Tartaren zu freiwilliger Unterwerfung zu bewegen suchen, und im Fall einer Eroberung durch die bewaffnete Macht, das neuerworbene Gebiet unter der

 

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*) Sie erfolgte russischer Seits erst am 12/23. April 1786, Rousset supplément au corps diplomatique II. P. II, 569.

 

 

 

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XIX

 

Einleitung zu dem Münnichschen Tagebuch.

 

Leitung seines uninteressirten Mannes von Verstand und Herz colonisiren und durch Befestigung von Yenikale, Kertsch, Caffa, Balaklawa und Koslow die Grenzen desselben sicher stellen. Diese Pläne auszuführen, dazu gehöre nebst Gottes Segen nichts als Standhaftigkeit und Entschlossenheit; man habe daher keine Ursache Rußlands Wohlfahrt dem Interesse der fremden Mächte als Vermittlern in die Hände zu geben. S. 149 - 159.

 

Demnach begab sich Münnich von Isum, wo er elfwöchentliche Winterquartier gehalten, Ende Februar nach der Grenzfestung St. Anna. Den Angriffs auf die Calantschi vertraute er dem Generalmajor von der Artillerie, Sparreuter an. Ihre Einnahme wurde in Münnichs Beisein glücklich ausgeführt und alsbald auch die Uebergabe des Schlosses Luttik gleichfalls durch Sparreuter bewirkt. Hierdurch hatte man auf zwei Armen des Stroms die freie Passage in die See erlangt. Der Feldmarschall trug dafür Sorge, daß der Feind auch auf dem dritten, an welchem Asow liegt, keinen Succurs in die Stadt bringen könnte. S. 169. — In Asow war man in der größten Bestürzung. Münnich selbst machte sich an die Blocade dieser wichtigen Festung und übertrug die Fortführung derselben nach dem von ihm entworfenen Plan bis zu der zu erwartenden Ankunft des Feldmarschalls Laçy dem General Lewaschew. Aber Lewaschew, nicht gesonnen, einem Andern die Früchte seiner Anstrengungen zu überlassen, zeigte wenig Eifer, und da Laçy, dem es an zureichender Kenntniß des Ingenieurwesens fehlte, S. 222 sich von dem Generalquartiermeister de Brigny verleiten ließ, von dem mit Münnich verabredeten Plan (S. 171) abzugehen, wurde die Einnahme Asows um ein Bedeutendes verspätet und das ganze System der für diesen Feldzug berechneten Operationen in Schwanken gebracht.

 

Münnich hatte indessen nach der Generalmusterung seinen Truppen bei Zaritzinka den Befehl zum Ausmarsch gegen Perekop ertheilt. Mit großer Lebendigkeit werden die nun folgenden bei der Armee sich ereignenden Vorgänge geschildert. Sehr charakteristisch spricht sich in der Kriegsführung der Tartaren und den Gefechten mit den Russen die Eigenthümlichkeit ihrer Nationalität aus S. 177 - 184.

 

Die Beschreibung von Perekop und der Festung Or-Capi, die Anstalten gegen Perekop, der Angriff und die Eroberung des

 

 

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Einleitung zu dem Münnichschen Tagebuch

 

Walls und der Festung ordnen sich zu einer zweiten Hauptgruppe in dem Gemälde dieses Feldzugs gegen die Krim zusammen, S.184 - 195

 

Das nächste Ziel ist die Eroberung der Stadt Koslow S. 197 - 207.

 

Einfügung: Khanpalast von Baktschisarey

 

Der Marsch nach Baktschisarey, die Topographie des Dorfes vor Baktschisarey und von der Stadt selbst, die Beschreibung ihrer Einnahme und Plünderung sind reich an interessanten Einzelheiten S. 207 - 212; und die Aussagen des französischen Consuls Adam Eworka und des polnischen Edelmanns Andreas Bukowski, S. 213 - 217 bieten zu einem Exkurs allgemeineren Inhalts über die krimischen Zustände willkommene Gelegenheit.

 

Aber es ist für unsern Zweck nicht nöthig in die Einzelnheiten dieser und der noch folgenden Hauptbegebenheiten des Rückmarsches nach Perekop S. 217 - 220 und in die Ukraine S. 220 - 229 hier weiter einzugehen, außer in so fern sich aus ihnen die leitenden Gesichtspuncte zur Charakteristik ihres Verfassers hervorheben lassen.

 

Zugleich als Staatsmann und als Krieger zeigt sich derselbe eben so sehr mit den feinsten Fäden der inneren Politik wie, vornehmlich der Pforte und Persien gegenüber, mit den auswärtigen Verhältnissen vollkommen vertraut. Des Einflußes, den Ostermann auf die Leitung des Krieges auszuüben suchte, wurde mehrfach gedacht S. 132, 134, 144; auch am andern Stellen fehlt es nicht an treffenden Bemerkungen sowohl über die Regierung S. 121, 125, 134 als besonders über die Art und Weise der unteren militärischen Verwaltung, S. 170, 173 ff. 222.

 

Ueberall aber ist es bei der Erwähnung von wichtigen Angelegenheiten des Staates und für den Gang des Krieges bedeutender Entscheidungen die persönliche Beziehung, der Antheil den Münnich an ihnen gehabt hat, was vorzugsweise in Betracht gezogen wird. So ist mehrmals von besonderen Befehlen der Kaiserin an Münnich oder von directen Berichten des letzteren an jene die Rede, S. 128, 135, 137, 144, 171, 174, 187, von denen man nicht wohl absieht, wie ein anderer als Münnich selbst so genaue Kenntniß von ihnen haben konnte.

 

Der übrigen Theilnehmer am Kriege wird so gedacht, daß Münnich überall zwar nicht über Gebühr, aber doch mit nicht zu

 

 

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Einleitung zu dem Münnichschen Tagebuch.

 

verkennender Absichtlichkeit in den Vordergrund gestellt ist, und daß zugleich keiner von jenen bei dem was auf seine Rechnung kommt, weder geschont, noch verkürzt und übersehen zu werden scheint, wie letzteres leichter der Fall sein konnte, wenn ein Augenzeuge untergeordneten Ranges ein Tagebuch über dieselben Begebenheiten aufgezeichnet hätte. - Eine persönliche Gereiztheit blickt durch in der Art und Weise, wie Münnichs Stellung zu den Grafen Ostermann S. 223, Weisbach S. 142 und Lacy S. 171, 222, zum Generalmajor Biron S. 226, und zum Prinzen von Hessen-Homburg S. 219, ins Licht gesetzt wird.

 

Sehr häufig geschieht der Person Münnichs selbst, wie sich dafür auf jeder Seite Belege finden lassen, unter so individuellen Beziehungen Erwähnung, S. 143, 149, 184, wie es einem Dritten über ihn zu berichten nicht wohl möglich war; namentlich wenn von dem die Rede ist, was er nur gedacht hat, was seine Pläne, und „Intentionen“ waren; S. 160, 163, 178, 184, 217, 220, und das Anführen seiner eigenen Worte, der ihm gewöhnlichen Redensarten und Sprichwörtern, S. 178, 180, 188, 199, würde wenigstens eine vertrautere Bekanntschaft mit ihm voraussetzen lassen.

 

Wie sich aber bei aufmerksamem Lesen der einzelnen Züge noch viele finden, die alle zu bestätigen scheinen, daß der Feldmarschall Münnich selbst der Verfasser dieses Tagebuchs ist, so stimmt auch sehr wohl mit dieser Ansicht die Anlage und die Haltung der ganzen Darstellung überein, welche in der durchgehend deutlichen Hervorhebung der Motive begründet ist, sowohl bei der Einleitung zu der Veranlassung des Krieges gegen die Pforte, wie bei der Ausführung der einzelnen Hauptunternehmungen. Ein Feldherr kann keine bessere Rechtfertigung seines Feldzuges geben, als wenn er zeigt, wie sein spähendes Auge nichts außer Acht gelassen, wie es nichts dem Zufall überlassen hat, wie die Unfälle nicht zu vermeiden, wie das Glück kein blindes gewesen. Ein solches Falkenauge war Münnich. Seine Soldaten nannten ihn so *). Sein Auge spricht aus dieser Darstellung; ihr Stil ist seine That.

 

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*) „Den Falken,“ von Halem, Lebensbeschreibung des Russisch-Kaiserlichen General-Feldmarschalls B. C. Grafen von Münnich, Oldenburg, 1803. S. 93.

 

 

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Einleitung zu dem Münnichschen Tagebuch

 

Von der Motivirung und Haltung des Ganzen wird die Färbung des Einzelnen bedingt; sie entspricht jener vollkommen. Es ist Alles und Jedes an seiner Stelle. Die Meisterschaft historischer Darstellung zeigt sich in der Ausführlichkeit, die nie an das Zuviel streift. Mag aber nun von den Tatarenamazonen, S. 182, oder von der Flucht des Chans, S. 191, oder von dem Haarzopf des Capitän Manstein, S. 190, die Rede sein; wir werden keinen von diesen charakteristischen Zügen missen wollen, keinen für überflüssig halten. Sie interessiren uns jeder für sich und wenn wir all‘ die gelegentlichen Bemerkungen, die über die übrigen Mitstreiter, Generale, Offiziere und Soldaten, über ihren persönlichen Antheil am Kampfe, über ihren Charakter und die Triebfedern ihrer Handlungen beigebracht werden, wie über Lewaschew, S. 170, den Fürst Trubetzkoi, S. 174, die hettmanischen und slobodischen Kosaken, S. 174, 178, 200, den Fürst Shukowskoi, S. 175, den Krasna-Schoka, den Starschin Iwan Wassiljewitsch Frolow, S. 134, u. a. m. zusammengehalten, dann glauben wir nicht zu viel zu sagen, wenn wir behaupten, daß diese einzelnen Bemerkungen zusammengenommen auch für sich ein unverwerfliches Zeugniß dafür ablegen, daß sie nur von einem Verfasser kommen konnten, der durch Muth und Einsicht mit seiner ordnenden Hand die Begebenheiten leitete, deren Erzählung den Inhalt dieses von uns dem Feldmarschall Münnich zuerkannten Tagebuchs ausmacht.

 

Die inneren Gründe, die für unsere Ansicht zu sprechen scheinen, werden durch äußere Beweise zur unumstößlichen Gewißheit erhoben. Am Schluß nämlich unseres handschriftlichen Tagebuchs, das bis zum 4. August 1736 reicht, heißt es, von da ab sei „der Marsch längst dem Dniepr fortgesetzt, die Armee ohne fernere Beunruhigung in die Winterquartire nach der Ukraine zurückgebracht und also die Campagne diesmahl beschlossen“ worden. „Wie daher“, fährt der Verfasser fort, „während der Zeit nichts mehr vorgefallen, das eine besondere Anmerkung verdienen könnte, also ist das übrige Wenige, was hieher annoch gehört, bereits in dem zu S. Petersburg in Druck öffentlich ausgegebenen Journal zu befinden.“ In der Fassung dieses letzten Satzes scheint angedeutet zu sein, daß die besonderen Anmerkungen und weiteren Ausführungen dieses Feldzuges, wie sie in unserer Handschrift enthalten sind und die in dem angeführten

 

 

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Einleitung zu dem Münnichschen Tagebuch.

 

Journal enthaltenen, noch hieher gehörigen Berichte von einem und demselben Verfasser herrühren. Was sofort zur öffentlichen Kunde kommen kann und soll, hat er bereits öffentlich in Druck ausgeben lassen, das Uebrige zu seiner eigenen Genugthuung zwar zu Papier gebracht, zur Zeit aber noch zurückbehalten. Und wie zu Anfang der ganzen Darstellung dieselbe gleichfalls als eine Ergänzung des bisher durch den Druck öffentlich bekannt Gemachten bezeichnet wird *), so wird noch in einer andern Stelle ausdrücklich auf die nähere Beziehung des Verfassers unserer Handschrift zu dem Verfasser der officiellen Berichte mit den Worten: „dem Publico gab man indessen zur Ursache an“ S. 226, hingewiesen. Sehen wir uns aber nach dem erwähnten Journal um, so kann dies wohl kein anderes sein, als die „Nachricht von denen gegen die Türken und Tartaren in diesem 1736. Jahre vorgefallenen Kriegs-Operationen der Rußisch-Kaiserl. Armee.“ Diese „Nachricht“, die mit anderen Nachrichten von dem Kriegsschauplatze der russischen Armee aus dem Jahre 1737 in einem Quartband zusammengebunden in der königlichen Bibliothek zu Berlin zu finden ist, enthält auf siebzig fortlaufend paginirten Seiten ihrem Titel entsprechende officielle Kriegsberichte der russischen Armee. Von diesen habe ich als Probe des Ganzen und als Supplement zu unserem Tagebuch aus dem Abschnitt S. 49 - 64, welcher die Ueberschrift führt: „St.-Petersburg d. 18. Sept. 1736. Fortsetzung des Journals von allen dem, was bey der Rußisch Kayserl. Armee nach derselben am 6. Jul. 1736 geschehenen Zurückkunft bey Perekop vorgegangen“, Seite 55 - 64 in der zweiten Beilage wörtlich abdrucken lassen. Es käme nun darauf an, den Verfasser dieses officiellen Berichts zu kennen, um daraus auf den Verfassers des handschriftlichen Tagebuchs zurückschließen zu können. Als solcher wird ausdrücklich in dem unter demselben Datum ausgegebenen Vorbericht S. 48. der Graf von Münnich angegeben, indem es heißt: „Nach den letzten von dem Herrn General-Feld-Marschal Grafen von Münnich den 6. Sept. erhaltenen Nachrichten ist er mit der Armee unweit Samara angelanget, wie aus folgender Fortsetzung des Journals zu ersehen ist.“

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*) S. 119. „So viele triftige Bewegungsursachen auch immer in den öffentlichen Schriften angegeben sind.“ u. s. w.

 

 

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XXIV.

 

Einleitung zu dem Münnichschen Tagebuch.

 

Ein anderer Bericht, S. 9 – 12, wird bezeichnet als „Extract aus des General-Feld-Marschals Grafen von Münnichs eingeschickten Bericht von 20. May 1736 datirt auf der Wahl-Stadt innerhalb der Linie von Perecop und S. 13 – 16. in der „Fortsetzung des Journals von denen Kriegs-Operationen der Russisch-Kayserl. Armee wieder die Türcken und Tatarn“ ist bemerkt, daß „aufs neue von obgedachtem General-Feld-Marschall – folgende Nachricht eingeschickt worden.“ Eben so wird von dem Petersburg den 26. Juli ausgegebenen Bericht gesagt, daß er durch einen Cabinetscourir vom Feldmarschall Münnich eingesandt sei.

 

Außerdem kommen in dem officiellen Journal noch einige Stücke vor, die auch von anderen Generalen eingeschickte Nachrichten enthalten; so wird S. 28. eines Berichts vom Generalmajor Knäs Trubetzkoi gedacht, eines andern vom Generallieutenant Lewontiew, S. 52; vom Generalfeldmarschall Laçy werden kürzere und umständlichere Nachrichten mitgetheilt, S. 30, S. 31, 32, 33 – 36; und aus dem Cuban S. 19 – 22, S. 67 – 70. Für unseren Zweck haben wir uns jedoch nur an die Münnichschen Berichte zu halten. Genügt nun schon nach dem oben Bemerkten das von uns unserem Tagebuch beigefügte Supplement für sich allein, um die Vermuthung, daß Münnich selbst der Verfasser desselben ist, zum höchsten Grade der Wahrscheinlichkeit zu bringen, so wird dieselbe durch die theilweise wörtliche Uebereinstimmung der übrigen Berichte mit dem handschriftlichen Tagebuch zur augenscheinlichen und unbestreitbaren Gewißheit erhoben. Um die Vergleichung des officiellen, auch in der „Neuen Europäischen Fama 1736“ wieder abgedruckten Journals *) mit dem handschriftlichen Tagebuch zu erleichtern, sind in diesem sämmtliche, mit jenem gleichlautende einzelne Wörter und vollständige Sätze mit Zurückweisung auf die betreffenden Stellen durch gesperrte Schrift bemerklich gemacht worden. Aus dieser Vergleichung ergiebt sich, daß längere Stellen, die sich

 

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*) Im zwanzigsten Theile der Neuen Europäischen Fama heißt es zu Anfang des Abschnitts der von Rußland handelt (S. 758 – 781) ausdrücklich: „in der Absicht unsern Lesern den völligen Zusammenhang der Campagne zu zeigen, hatten wir ein vollständiges Journal von alle dem, was bey der Rußischen Armee bis auf den 17. Julii n. St. vorgefallen, eingerückt. Da uns nun nachgehends die Continuation desselben zu Händen kommen, so befinden wir uns genöthigt, unsern Lesern diesfalls in der Ordnung nicht zu unterbrechen, selbige auch beyzufügen.“

 

 

 

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XXV.

 

Einleitung zu dem Münnichschen Tagebuch.

 

eben ganz für den officiellen Gebrauch eigneten in der „Nachricht“ wörtlich beibehalten worden sind, während an anderen Stellen die Verwandtschaft beider Journale nur in einzelnen Ausdrücken wieder zu erkennen ist. Daß aber offenbar unser Tagebuch die Grundlage von diesen Berichten gewesen, und daß es nicht etwa als spätere Erweiterung der letztern angesehen werden kann, geht aus der nicht zu verkennenden größeren Sorgfalt hervor, die in dem officiellen Journal beiden gleichlautenden Stellen an den wenn auch geringfügigen stilistischen Modificationen einzelner Ausdrücke sichtbar wird. Auch finden sich in dem letzteren einzelne Zusätze und Ergänzungen, von denen nicht wohl anzunehmen ist, daß der Verfasser des „Tagebuchs“ sie nicht mit aufgenommen hätte, wenn ihm bei der Aufzeichnung desselben jenes zur Grundlage diente, während sie als Erweiterungen des im Tagebuch gegebenen ganz an ihrer Stelle sind. Wir können daher unmöglich daran zweifeln, das Münnich selbst der wahre Verfasser des letztern ist; viel eher hingegen könnte noch gegen die unbedingte Echtheit der unter Münnichs Namen ausgegebenen officiellen Berichte Bedenken erhoben werden; ob sie nämlich unmittelbar in der Form, wie wir sie haben, auch von ihm selbst verfaßt worden sind. Darauf indessen kommt wenig an. Mochte die letzte Redaction derselben einem Dritten überlassen sein, oder nicht; immer ist die noch übrige Uebereinstimmung beider Journale Beweises genug dafür, daß unser Tagebuch nur Münnich selbst zum Verfasser haben kann.

 

Der Werth dieser Schrift ist um so höher anzuschlagen, je seltener, zumal in der Kriegsgeschichte der früheren Zeiten die Beispiele sind, daß die Feldberrn selbst ihrer Thaten Darsteller waren, und es möchte diese neue Quelle für die Geschichte des unter der Leitung des Feldmarschalls Münnich geführten russisch-türkischen Krieges leicht das Bedeutendste sein, was bis jetzt bekannt worden ist. Denn wiewohl uns der General Manstein, damals Capitän bei der russischen Armee und Adjutant des Feldmarschalls Münnich in seinen Memoiren sehr dankenswerthe Mittheilungen über diesen Krieg macht, die nach der Versicherung eines anderen Augenzeugen, des Grafen Ludwig Friedrich zu Solms-Wildenfels *), das Beste und Richtigste enthielten,

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*) In seinen zur Widerlegung einiger durch den Grafen Dadich verbreiteter falscher Nachrichten in Woltmanns Zeitschrift „Geschichte und Politik“ Bd. II. S. 180 – 188 bekannt gemachten Erinnerungen aus Münnichs Feldzügen sagt der Graf Solms (Münnichs Schwiegersohn und im russisch-türkischen Kreg sein Generaladjutant): „Da ich in Ansehung der Feldzüge ganz sicher auf Mansteins Nachrichten verweisen darf, welche er unter dem Titel: „mémoires de Russies écrites par un officier qui a été plusieurs années dans ce service“ geschrieben und mir selbst übergeben, um sie aufzuheben und vor des Grafen Münnichs Tode nicht bekannt werden zu lassen, so kann ich auf diesen Blättern die starken Irrthümer des Grafen Dadich, welche sonderlich den Feldzug in die Krimm und vor Oczakof betreffen, nicht ausführlich widerlegen, sondern bloß was bei der Mansteinschen Erzählung mir beifällt, zur Rettung der Wahrheit anmerken. “

 

 

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XXVI.

 

Einleitung zu dem Münnichschen Tagebuch.

 

was über diese Ereignisse bis zu seiner Zeit bekannt gemacht worden, so verhalten sie sich doch uns zu Münnichs Tagebuch wie kärgliche Notizen zu einem vollständig ausgeführten Bilde. Keralio *) aber bietet für die Geschichte dieses Feldzuges nichts Neues. Er hält sich wörtlich an Manstein.

 

Gewiß wäre es wünschenswerth, nachweisen zu können, wann, durch wen, und auf welche Veranlassung dieses ohne Zweifel auf gesandtschaftlichem Wege acquirirte Tagebuch des Grafen Münnich in das königlich sächsische Hauptstaatsarchiv gekommen ist. Hierüber etwas Näheres zu ermitteln, ist mir bis jetzt noch nicht gelungen. Möglich wäre es, daß man durch solche Bemühungen noch einer weitern handschriftlichen Hinterlassenschaft des ausgezeichneten Mannes auf die Spur käme. Seines Briefwechsels mit Biron erwähnt er im Tagebuch, S. 142. Während seines Aufenthalts in Sibirien schrieb er an einer ,,pragmatischen Geschichte Rußlands“ **), die er um der Gefahr zu entgehen, staatsverbrecherischer Pläne angeschuldigt zu werden, selbst ins Feuer zu werfen sich gezwungen sah ***). Nach der Rückkehr aus der Verbannung setzte er auf den Wunsch der Kaiserin Katharina II. Denkwürdigkeiten seines eigenen Lebens mit Eifer fort (1766), die er schon vor Jahren zu schreiben angefangen hatte. Ein Ergebniß solcher Bemerkungen ist die im Jahre 1774 zu Kopenhagen erschienene „Ebauche pour donner une idée de la forme du Gouvernement de l‘Empire de Russie.“ Nach seinem Tode sind die vorgefundenen Manuskripte wahrscheinlich alle in das Cabinetsarchiv geliefert worden ).

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*) Histoire de la guerre des Russes et des Imperiaux contre les Turcs en 1736, 1737, 1738 et 1739 et de la paix de Belgrade qui la termina. A Paris 1780.

**) Woltmann, „Geschichte und Politik.“ II. S. 46.

***) von Halem, Lebensbeschreib. d. Generalfeldmarschalls Münnich.

) Halem im a. W. S. 246.

 

 

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Ueber die Verbindung zwischen Nowgorod und Wisby und den Deutschen mit den Russen.

 

 

Andeutungen über den Einfluß der Deutschen auf die Russen im Mittelalter und die Stellung der Ostseeprovinzen zum russischen Reich.

 

 

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Leerseite

 

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Einleitung.

 

Der electrische Funken, durch den das Licht des Fortschritts in der Cultur, im gesammten Staatsleben, in Wissenschaften und Künsten sich über das Leben der Völker ausbreitet, wird geweckt und angefacht durch wechselseitige Berührung und Verbindung verschiedener Nationalitäten. Ist nun der Handel ein Hauptmittel zu dieser Verbindung der Völker und Staaten, so wird die Handelsgeschichte eines Volks, abgesehen von ihrer nationalöconomischen Seite, auch in Bezug auf die intellectuelle Ausbildung desselben, von welthistorischer Bedeutung sein.

 

In höherem Grade als bei irgend einer andern enropäischen Nation ist dies mit der russischen der Fall, denn die übrigen Nationen der christlichen Aera hatten seit dem Anbeginn ihrer historischen Entwicklung außer dem materiellen Hebel des Handels noch zwei andere, die als Grundlagen ihrer intellektuellen Bildung anzusehen sind, mit einander gemein, die Kirche und das Feudalrecht. Die Russen aber, letzteres schon im ersten Keime erstickend, und einem stationären Cultus huldigend, seit Entstehung ihres Reichs vom westlichen Europa getrennt und später durch die Herrschaft der Mongolen gewaltsam von ihm abgeschnitten, standen mit demselben einzig und allein auf dem Wege des Handels in Gemeinschaft und zwar vorzugsweise durch Handelsverbindungen, welche sie im Norden ihres Reichs, wo Nowgorod den Centralpunct bildete, von dieser Metropole aus, über die Ostsee hin mit den westlich gelegenen Ländern unterhielten.

 

Aus diesem Grunde ist es unerläßlich, vor Allem unser Augenmerk auf die Handelsgeschichte Nowgorods zu richten, wenn wir den Gang der Culturentwicklung in Ausland bis zu dem Zeitpunkt,

 

 

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Einleitung.

 

wo dieses Reich sich zum mächtigsten im europäischen Continent erhob, historisch verfolgen wollen. Um aber hier zuvörderst auf die ältesten Verbindungen Nowgorods mit dem Auslande zurückzugehen, so verlieren diese sich vor der Zeit der Waräger in Rußland in ein so unbestimmtes Dunkel, daß wir mit historischer Gewißheit durchaus nichts Sicheres über sie ermitteln können.

 

Anders verhält es sich mit den Zeiten der Waräger- oder Normannenherrschaft.

 

Es ist bekannt, wie diese kühnen Eroberer, seit dem Anfange des neunten Jahrhunderts, nachdem Karl der Große die Macht der Sachsen gebrochen und auch die Dänen aus ihrer ursprünglichen Heimath aufgestört hatte, sich der Herrschaft zur See bemächtigten, alle Küsten Europas umschwärmten und durch ihre Kriegszüge die entferntesten Gegenden dieses Welttheils in eine nähere Berührung mit einander setzten *). Kein Meer ließen sie unbefahren, keinen Strom unbesucht, an den entferntesten Küsten landeten sie, die Flüsse aufwärts drangen sie ins Innere der Länder ein; so trugen sie Schrecken und Verheerung an die Ufer der Elbe, des Rheins und der Schelde, der Seine und der Themse, so wie an die Gestade der Loire, der Rhone **) und des Arno ***) hin.

 

Nicht so scheinen die Ströme, welche in die Ostsee münden,

 

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*) Venerunt etiam legati Graecorum a Theophilo imperatore directi. - Misit etiam cum eis quosdam, qui se, id est gentem suam, Rhos vocari dicebant, quos rex illorum, Chacanus vocabulo, ad se amicitiae, sicut asserebant, causa direxerat, petens per memoratam epistolam, quatenus benignitate imperatoris (Ludovici) redeundi facultatem atque auxilium per imperium suum totum habere possent, quoniam itinera, per quae ad illum Constantinopolim venerant, inter barbaras et nimiae feritatis gentes immanissimas habuerant, quibus eos, ne forte periculum inciderent, redire noluit. Quorum adventus causam imperator diligentius investigans, comperit eos gentis esse Suconum, exploratores potius regni illius nostrique quam amicitiae petitores ratus, penes se – retinendos judicavit.
Annal. Bertinian. P. II. Ann 839. V. Pertz Monum. I. p. 434.

**) Piratae Dauorum longo maris circuitu, inter Hispanias videlicet et Africam navigantes, Rhodanum ingrediuntur, depopulatisque quibusdam civitatibus ac monasteriis, in insula, quae Camaria dicitur, sedes ponunt. ib. Ann. 859 p. 453.

***) Dani qui in Rhodano fuerant, Italiam petunt, et Pisas civitatem aliasque capiunt, depracdautur atque devastant. ib. Ann. 860 p. 454.

 

 

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5

 

Einleitung

 

sie an sich gezogen zu haben, obgleich diese ihnen die nächsten waren; wenigstens ist das Oder- und Weichselgebiet, wenn wir von den späteren Eroberungen der Dänen absehen, den Raubzügen der Normannen weniger ausgesetzt, wohl aber finden wir sie an der Düna und Newa nicht nur während des neunten Jahrhunderts, wie davon noch heut zu Tage die in jenen Gegenden des Nordens aufgefundenen Münzen ein sprechendes Zeugniß ablegen, sondern noch viel weiter zurück, bis in die erste Hälfte des sechsten Jahrhunderts, lassen sich Wäringerzüge nach Constantinopel durch Rußland mit der größten Wahrscheinlichkeit nachweisen *). Gewiß aber waren es zuerst nicht sowohl die uncultivirten und unwirthbaren Gegenden dieser Flußgebiete selbst, die sie lockten, sondern es mußten diese Ströme, wie im Süden Dnepr und Wolga, ihnen nur als Verbindungslinien mit den reicheren Ländern des Südens, mit dem byzantinischen Reich und sogar mit Persien dienen.

 

Wie an den Küsten Frieslands, wie im nördlichen Frankreich, England und Neapel, so gelang es ihnen denn auch in Rußland, eigene Niederlassungen zu gründen, dauernde Herrschaften zu errichten. Wie sich aber in all‘ diesen Reichen die normannischen Ankömmlinge auf eine überraschende Weise mit den vorgefundenen Bewohnern dergestalt zu einem Volke verschmelzten, daß sie sogar die eigene Sprache aufgaben, so mußte dies im großen russischen Reich um so leichter geschehen, als hier die normannische Bevölkerung der Waräger im Verhältniß zu der slawisch-finnischen Landbevölkerung gewiß eine viel geringere war, als die der neugegründeten Normannenstaaten im westlichen Europa.

 

Dennoch blieben diese Herrschaften nicht ohne directen Einfluß auf die Entwicklung und den welthistorischen Fortschritt europäischer Cultur. Zwei von den Elementen, die wir oben als die Hauptfactoren europäischer Culturentwicklung bezeichnet haben, kamen vornehmlich durch diese Normannen in Aufnahme, das Lehnssystem und der Handel. Jenes wurde nirgends mit solcher Strenge und Consequenz durchgeführt, wie gerade in den normannischen Staaten; dieser verdankte im ganzen Norden Europas hauptsächlich den Normannenzügen sein Aufblühen, weil er zu wahrer Blüthe nur erst gelangen konnte, seitdem er zur See geführt wurde,

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*) Vgl. Geijer Geschichte Schwedens B. I. S. 37 ff.

 

 

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6

 

Einleitung

 

und weil sich eine engere Verbindung der nördlichen Länder zur See erst seit und durch diese Züge auf dauernde Weise anknüpfte, so daß sie in späteren Zeiten nicht wieder gelöst werden konnte.

 

Diese beiden Elemente zeigten sich auch in Rußland wirksam, wenn gleich sie zu keiner vollständigen Entwicklung kamen. Der Adel und die Bojarenherrschaft in Rußland verdanken unmittelbar der Eroberung der Waräger ihre Entstehung; nicht minder ist der Ursprung und das Emporkommen der Städte Rußlands, der Stapelplätze des Handels, nach dem Zeugnisse des ältesten nationalen Berichterstatters russischer Geschichten zum großen Theil den Niederlassungen der Waräger zuzuschreiben *).

 

Von all‘ den Städten aber, welche die Producte des inneren Reichs sammelten, war Nowgorod die einzige, welche sie gegen das Ausland austauschte. Hier strömten alle Schätze des Reiches zusammen.

 

Einfügung: Nowgorod

 

Nowgorod wurde das Haupt des nordischen Kolosses. Auch hier war es ohne Zweifel ursprünglich die warägische Einwohnerschaft, welche die Verbindung mit ihren überseeischen Nachbaren unterhielt. Denn wie lange die russischen Waräger und ihre urväterlichen Stammesgenossen noch der alten Gemeinschaft eingedenk waren, sehen wir, um nur Eins anzuführen, daraus, daß noch zu Wladimirs und Jaroslaws Zeiten (980 - 1054) sogar die Familienverbindungen zwischen den russischen vornehmen Warägern und den überseeischen nicht erloschen waren **).

 

Suchten die Waräger in früheren Zeiten durch Raubzüge aus Feindesland sich gewaltsam zu verschaffen, was sie vorzugsweise anlockte,

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*) Vgl. Schlözers Nestor Theil III. S. 43. 44. 67. „Alle (Mscpte) außer Archl. Dieser Oleg fing an (Voskr. in ganz Rußland) Städte zu errichten.“ Theil V. S. 202. 210.

**) Wladimir selbst ging von Nowgorod aus vor seinem Bruder Jaropolk fliehend über Meer und kehrte im Jahre 980 mit einem Heere von Warägern zurück. Schlözers Nestor Theil V. S. 194 und 196. Er warb um Rognied die Tochter Rogwalds, der von jenseits des Meeres gekommen war und über Polotzk herrschte, und nahm sie zum Weibe nachdem er den Vater erschlagen. Ebendas. S. 198.

Jaroslaw war mit Ingigerd oder Anna, des Schwedenkönigs Olaf Tochter vermählt. Karamsin Geschichte des russischen Reiches, deutsche Uebersetzung Band II. S. 20 und Anmerk. 25. „Ingigerd übergab ihrem Verwandten, dem Jarl Rogenwald die Regierung von Aldeigaburg.“

 

 

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Einleitung.

 

so mußte, nachdem sie sich selbst im Slavenlande angesiedelt hatten, der friedliche und rechtliche Weg des Handels ihnen ein viel gefahrloseres und leichteres Mittel gewähren, zur Befriedigung ihrer Wünsche zu gelangen. Die geeignetesten Stapelplätze des Handels boten die Inseln des baltischen Meeres dar. Unter diesen Inseln hatte Gothland für den Handel die glücklichste Lage, da sie weder den Schweden noch den Russen und den Deutschen allzuentfernt, für diese drei Nationen einen wie von der Natur dazu bestimmten Vereinigungspunct bildete. Alle drei hatten hier ihre Niederlassungen; doch übten die scandinavischen Gothländer, als Bewohner und Besitzer der Insel über die fremden Nationen ein natürliches Uebergewicht aus. Sie waren die Speditionshändler zwischen Deutschen, Schweden, Russen und Ehsten. Wie aber Gleichheit des Rechts die Grundlage alles freien und gedeihlichen Handels ist, so erfreuten sich Deutsche und Russen desselben Rechts, unmittelbar ihre Waaren auf der Insel Gothland gegen einander auszutauschen, kraft dessen die Gothländer ungehindert die deutschen Häfen so wie Nowgorod besuchen durften, und die Russen konnten von Gothland aus eben so gut, ohne sich der Zwischenhand der Gothländer zu bedienen, ihren Weg unmittelbar nach den deutschen Häfen fortsetzen, wie die Deutschen von hier aus sich an die östliche Küste und nach Nowgorod begaben. Doch ist wohl zu merken, daß wenn auch die genannten drei Nationen dem Rechte nach in mercantiler Beziehung gleich gestellt waren, sich faktisch doch auch hier jeder Zeit eine Nation vor der andern geltend zu machen wußte.

 

Von den Russen finden sich nur wenig Spuren, daß sie

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Olaf Tryggveson aus norwegischem Königsgeschlechte im Jahre 973 ? geboren, wurde in Russland erzogen. Aus Rußland ging er im Jahre 985 mit einer großen Kriegmacht auf die See. Dahin kehrte er, nachdem er die wendischen Küsten heimgesucht, nach dreijährigem Aufenthalte zurück und noch einmal kam er von dorther um Gotland, Schonen und Dänemark zu plündern, bis er im Jahre 995 König von Norwegen wurde. Ludwig Giesebrecht, wendische Geschichten Theil I. S. 227. 230. 234. Der norwegische Jarl Erich aber, den Olaf Tryggveson verdrängt hatte, verließ Gotland (in Schweden), wohin er geflüchtet war „und zog wie Eyolf der Skalde singt, um Waldemars Land, d. i. die russische Küste durch den Feuerbrand des Speersturms zu veröden, brach auch die Aldeigaburg (am Ladogasee) unter hartem Gefechte.“ Giesebrecht im a. W. S. 240.

 

 

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Einleitung.

 

selbst von Gothland aus den Activhandel nach Deutschland hin betrieben haben; in späterer Zeit werden sie ganz von demselben zurückgebracht. Die Gothländer hingegen verstanden es, in Nowgorod immer größeren Einfluß zu gewinnen, und die Deutschen blieben nicht zurück; vielmehr erlangten diese zu Wisby, der sich auf Gothland stolz emporhebenden Stadt, bald auch über die Gothländer das Uebergewicht, nachdem sie durch eine Reihe der blühendsten Colonien in den heutigen deutschen Ostseeprovinzen Rußlands dem russisch-deutschen Handel eine noch festere Basis gegeben, und dadurch ihrem hanseatischen Städtebund unter dem Vorsitz Lübecks das Monopol des einträglichen Handels mit dem russischen Reich erworben hatten, welchem sie die Blüthe ihrer Jahrhunderte lang die Meere des Nordens beherrschenden Macht verdankten, wie denn andererseits durch sie, die Deutschen, auch den Russen die Pforten europäischer Cultur eröffnet wurden.

 

 

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Erste Abtheilung.


Die hanseatische Zeit des Mittelalters.

 

Erstes Capitel.

 

Gothlands Erhebung zum Mittelpunct des nordeuropäischen Welthandels.

 

Wenn wir dies nur nach seinen Hauptumrissen flüchtig hingeworfene Bild durch eine genauere Ausführung seiner charakteristischen Züge uns klarer vor Augen stellen, um Schritt vor Schritt den Weg nachweisen zu können, wie durch die im Mittelalter angeknüpfte Handelsverbindung Nowgorods mit den Deutschen, die schon seit mehr als hundert Jahren bestehende Einigung der russischen Nation mit der deutschen angebahnt wurde; müssen wir zuvörderst auf die Geschichte der aus ihrer Unscheinbarkeit sich zum Centralpunct nordeuropäischen Welthandels erhebenden Insel Gothland zurückgehen. Denn nur aus den allgemeinen Verhältnissen und Normen, die sich hier feststellten, kann die gegenseitige Stellung der einzelnen an diesem Handel Theil nehmenden Nationen verstanden werden.

 

Wie aber Gothland durch seine locale Beschaffenheit vorzugsweise zum Vereinigungspunct des nordeuropäischen Handels geeignet war, ist bereits oben von uns angedeutet worden. Jetzt werden wir die Hauptmomente, durch welche die von dieser Insel ausgehende Entwicklung ins Leben trat, hervorzuheben haben.

 

Bis auf die frühesten Zeiten historischer Erinnerung zurück betrachteten sich die Gothländer als frei und von fremder Herrschaft unabhängig. Gleicher Abstammung mit den scandinavischen Normannen, wurden sie wie diese durch gleiche Lebensverhältnisse darauf hingewiesen, durch die weite Welt auf Abentheuer auszuziehen. Die alte einheimische Sage der Gothländer *), führt nach Art der Sagengeschichte die ursprüngliche Eintheilung des

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*) Guta-Lagh, das ist der Insel Gothland altes Rechtsbuch, herausgegeben von Schildener, Greifswalde 1818, S. 106 – 115.

 

 

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Erste Abtheil. Die hanseatische Zeit des Mittelalters.

 

Landes in drei Theile auf die drei Söhne des ersten Bewohners der Insel, des Thielvar zurück, welcher mit dem Gebrauch des Feuers den ersten Keim menschlicher Cultur nach Gothland brachte, wie Solches die Sage in ihrer naiven Gestalt folgendermaßen erzählt: (Cap. I.) „Gothland fand zuerst der Mann, welcher Thielvar heißt; da war Gothland so unscheinbar, daß es Tages untersank und Nachts oben war, aber der Mann brachte zuerst Feuer auf das Land und seitdem sank es niemals.“ Und von den Söhnen Thielvars, deren jedem ein Drittheil der Insel zufiel, heißt eo: „darauf ward von diesen Dreien das Volk auf Gothland nach langem Zeitenlauf so vermehrt, daß das Land nicht vermochte sie zu ernähren. Da loos‘ten sie fort vom Lande jegliches dritte Haupt, so daß diese alles das Ihrige, was sie über der Erden hatten, „ (ihr bewegliches Gut), „behalten und mit sich fortnehmen sollten,“ und zwar wird ins Besondere auch darauf hingedeutet, wie schon ihre ersten Unternehmungen diese kühnen Seehelden nach Rußland, und gleich den übrigen Normannen, durch dieses Reich ins byzantinische Kaiserthum führten.

 

„Von den Farinseln *) ,“ lautet es in unserer Quelle weiter, „zogen sie fort zu einer Insel, Ehstland gegenüber, welche heißt Dagaithi (Dagden) und bauten sich an und machten eine Burg, welche noch sichtbar ist. Da vermochten sie sich auch nicht zu halten, sondern zogen das Wasser hinauf, welches heißt Düna, und weiter hinauf durch Rußland - und so weit zogen sie, daß sie nach Griechenland kamen.“

 

Also schon durch ihre frühesten Unternehmungen wurden die Gothländer, ihrer heimischen Sage zu Folge, im Osten und in Rußland bekannt, wo sie für ihre Handelsthätigkeit bald einen so weiten Spielraum finden sollten. In Bezug aber auf die politisch-religiöse Gestaltung Gothlands ist uns die Verbindung dieser Insel mit Schweden von noch größerer Wichtigkeit. Trotz der geringen Entfernung von diesem Reich glückte es ihr doch, während der ganzen Zeit, wo der Handel ihrer noch als eines Stützpunctes und Stapelplatzes durchaus bedürftig war, bis über die zweite Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts hinaus, ihre politische Unabhängigkeit sich zu bewahren. (Cap. II.) „Viele Könige stritten

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*) Diese Inseln, schwedisch Farö genannt , liegen au der nordöstlichen Spitze von Gothland.

 

 

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Erstes Cap. Gothlands Erhebung zum Mittelpunct etc.

 

gegen Gothland, so lange es heidnisch war, doch behielten die Gothländer ununterbrochen die gleichen Sitten und ihr Recht.“ Indeß, mit Berücksichtigung der die Unabhängigkeit dieses Eilandes begünstigenden Lage mußten die Könige von Schweden es für vortheilhafter achten, mit Gothland in ein Schutzbündniß zu treten, als durch fortwährende Kriegszüge im Zustande der Unsicherheit zu verharren. So sagt denn auch ferner unsere Erzählung aus, „darnächst schickten die Gothländer viele Gesandte nach dem Reiche Schweden, aber keiner von ihnen erhielt Frieden, bis auf Awair Strabain aus Alfsta Kirchspiel; der machte den ersten Frieden mit dem Schwedenkönig. Demnach brachte er unter des Landes Rath, bevor er von Hause fuhr, ein regelmäßiges Rechtsverhältniß mit dem Schwedenkönig zu Stande: sechzig Mark Silber jegliches Jahr; das ist Gothlands Schoß.“ Und zwar wird der Zweck dieser Abkunft mit folgenden Worten angegeben: „so begaben sich die Gothländer freiwillig unter den Schwedenkönig, darum daß sie möchten frei und unbeschwert ins schwedische Reich kommen können, an jeden Ort, ohne Zoll und Abgabe.“ Eben so können auch Schweden fortan nach Gothland kommen, ohne Getreidesperre oder sonstiges Verbot. Schutz und Hülfe sollte der König den Gothländern zukommen lassen, wenn sie derselben bedurften und darum anhielten.

 

Auf solche Weise sicherten sich die Gothländer als Grundlage ihrer Existenz eine politisch-mercantile Unabhängigkeit gegen Schweden. Doch das Bedürfnis selbst nach einem ausgebreiteteren und auf rechtlichen Grundlagen ruhenden Handelsverkehr, das Bedürfnis sich auch die erhöhten Genüsse materiellen Lebens zu eigen zu machen, ging erst aus dem Keim der Bildungsfähigkeit und des Fortschritts hervor, der durch die Annahme des Christenthums in sie gepflanzt ward.

 

Im dritten Capitel der alten Erzählung heißt es: „als die Gothländer Heiden waren, da segelten sie in Handelsgeschäften nach allen Ländern, sowohl christlichen als heidnischen. Da sahen die Kaufleute christliche Sitten in christlichen Ländern und ließen manche allda sich taufen, und brachten nach Gothland einen Priester.“ Zur völligen Annahme aber des Christenthums trug das Meiste der Schwedenkönig bei. (Cap. II.) „Hierauf kam der König fliehend von Norwegen mit Schiffen, und legte in dem Hafen an, welcher Akergarn heißt. Da lag der heilige Olaf (Schooßkönig, 1008)

 

 

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Erste Abtheil. Die hanseatische Zeit des Mittelalters.

 

lange; - da fuhren Ormika von Hainaim und mehr reiche Männer zu ihm mit ihren Gaben; - da nahm Ormika das Christenthum an, nach des heiligen Olafs Unterweisung, und baute sich ein Bethaus, an selbiger Stelle, wo jetzt die Kirche von Akergarn steht.“ Die Annahme des Christenthums mußte zuvörderst das nationale Band der Sprache und der Abstammung , das die Gothländer mit den Schweden vereinigte, noch durch das Band der gleichmäßig fortschreitenden Gesittung befestigen, und so schlossen sich denn auch die Gothländer der Diöcese des Bischofs von Linköping an.

 

(Cap. III.) „Bevor noch Gothland für beständig einen Bischof annahm, kamen Bischöfe nach Gothland, Pilgrime zum heiligen Lande Jerusalem, die von dannen (durch Griechenland und Rußland) nach Hause fuhren. Nachdem nun fortan die Gothländer sich zum Christenthum wendeten, sandten sie Sendboten zum höchsten Bischof in Linköping, weil er ihnen der nächste war, auf daß er nach einer bestimmten Ordnung auf Gothland käme.“

 

Aber auch mit den übrigen europäischen Nationen konnten die Gothländer erst von der Zeit an, wo sie sich dem Christenthum zuwandten, sich auf einen gleichen Fuß des Rechts und des Vertrages stellen; erst jetzt konnte der Handel aufblühen, erst jetzt da sie nicht mehr Heiden waren, hörte der natürliche Zustand der Feindschaft auf, erst jetzt konnten sie als Freunde gern in den benachbarten Ländern geduldet werden, und ihrerseits gern die Bewohner dieser Länder bei sich aufnehmen. So traten sie nach dieser Zeit namentlich mit den Deutschen in engere Verbindung.

 

 

 

Einfügung: Kaiser Lothar III. und sein Enkel Herzog Heinrich der Löwe am Altstadtrathaus in Braunschweig

 

Kaiser Lothar der Sachse, verlieh ihnen ausgedehnte Rechte und Handelsprivilegien. Im Jahre 1163 aber bestätigte und erweiterte Herzog Heinrich der Löwe ihnen eben diese Rechte, und bedung sich für seine Unterthanen dieselben Rechte in Gothland aus, die er ihnen in seinen Landen gewährte, indem er es ihnen zur besonderen Bedingung machte, seinen Hafen Lübeck fleißig zu besuchen *), der sich bald neben Gothland als das Haupt des aus dieser Verbindung emporkeimenden Welthandels erheben sollte.

 

Erst von dieser Zeit an konnte sich ein städtisches Leben auf Gothland entwickeln, das die allgemeinen Beziehungen und Verhältnisse in denen diese Insel zu den übrigen Ländern stand, in sich ordnete

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*) Sartorius urkundliche Geschichte des Ursprungs der deutschen Hanse, herausgegeben von Lappenberg, Bd. I. S. 12.

 

 

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Erstes Cap. Gothlands Erhebung zum Mittelpunkt etc.

 

und ihre politisch-mercantile Weltstellung repräsentirte. Denn erst durch die Annahme des Christenthums erhielten die allgemeinen Interessen so sehr über die particulären das Uebergewicht, daß die gothländischen Bewohner von Wisby sich von ihren eigenen Stammesbrüdern und ihrem Particularismus lossagend und die natürliche Feindschaft gegen ihre entfernteren Stammesgenossen aufhebend, wie sie früher in kirchlicher Beziehung sich mit den Schweden verbanden, jetzt in mercantiler Beziehung in eine städtische Gemeinde, zu gleichen Zwecken, durch gleiches Recht, mit den Deutschen zusammentraten, die unter allen germanischen Stammgenossen vermittelst ihrer europäischen Weltstellung in allen allgemeinen Lebensverhältnissen am weitesten vorgeschritten waren.

 

In gemeinschaftlicher Verfolgung dieser allgemeinen Interessen sonderten sich die städtischen Gothländer nicht nur von den Bewohnern des flachen Landes ab, die an dem alten particulären Zustand ihrer Verfassung und Gesetze festhielten, wie dies überall das Volk im Gegensatz zu den gebildeten Ständen zu thun pflegt, sondern sie geriethen auch mit diesem mit der Zeit immer mehr in feindliche Opposition und in die ernstlichsten Conflicte. Die ausführlichen Betrachtung dieser letzteren können wir jedoch um so eher bei Seite liegen lassen, als es uns hier lediglich um die Entwicklung jener allgemeinen Interessen zu thun ist. Wir wenden demnach unsere Aufmerksamkeit wieder der durch Kaiser Lothar zuerst begründeten und unter dem Schutz der schwedischen Beherrscher befestigten Vereinigung Gothlands mit den Deutschen zu.

 

Die Vorrede zu dem alten Rechtsbuch der Stadt Wisby hebt also an *): „Das sei zu wissen, daß als sich die Leute von mancherlei Zungen auf Gothland sammelten, da schwur man den Frieden, daß ein jeglicher rings um das Land herum sollte frei haben den Vorstrand, acht Faden hinauf in das Land, es möchten Acker oder Wiese davor liegen, damit ein jeglicher seinem Gut desto besser zu Hülfe kommen möchte. So denn auch jemand käme an das Land, um vor Anker zu liegen, der sollte sein unter dem geschworenen Frieden. — Und da dies kam und die Stadt zunahm, da entstand von mancherlei Zungen viel große Zwietracht, Mord und Verrätherei. Da sandte man an Herzog

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*) Wisby Stad Lag pä Gotland, herausgegeben von Joh. Hadorph, Stockholm, 1688.

 

 

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14 Erste Abtheil. Die hanseatische Zeit des Mittelalters.

 

Heinrich“ (den Löwen) „einen Herzog von Baiern und Sachsen, der bestätigte uns dies Recht, wie es sein Großvater, Kaiser Lothar, gegeben hatte. — Nachher aber, als sich großer Zwist erhob zwischen Stadt und Land, sandte man an den König Magnus von Schweden. Der bestätigte uns da unser Recht und Freiheit; darnach König Virger von Schweden, Herzog Erich, Herzog Woldemar von Schweden, und hierauf erneuerte und bestätigte uns König Magnus von Schweden, von Norwegen und Schonen (1319—1362) unser Recht und unsere Freiheit und gab uns die Vorschrift: daß wir zwei Bücher haben sollten, eines auf gothisch und eines auf deutsch, beide von einem Sinn und Rechtsinhalt, über alle insgesammt, Gothländer und Deutsche. Und käme eine neue Rechtsfrage auf, die in dem Buche nicht beantwortet wäre, die sollte man entscheiden, wie es recht sei und es schreiben in beide Bücher unverändert.“

 

Hiernach wird ausdrücklich die politisch-mercantile Selbstständigkeit der Stadt Wisby jener durch Kaiser Lothar und Herzog Heinrich bewerkstelligten Vereinigung der Deutschen mit den Gothländern in Wisby zugeschrieben. Ferner zeigt sich, wie aus derselben sogleich jener natürliche Gegensatz zwischen dem mobilen städtischen Element und dem stationären des Landes hervorging. Endlich sehen wir, wie die der letzten Partei stammverwandten scandinavischen Könige, weit entfernt das fremde Element zu unterdrücken, den bis dahin nur locker vorhandenen Zusammenhang zu einem festen Bestand der Freiheit und Gleichheit zwischen beiden städtischen Elementen im Gegensatz zur Landgemeine zusammenfügten.

 

Wie aber diese Vereinigung der Gothländer mit den Deutschen nicht eine willkürlich gemachte, sondern eine dem wirklichen Bedürfniß entsprechende war, so erhielt sie sich auch fortwährend dadurch in lebendiger Kraft, daß in den Handhabern und Ausübern des Rechts und der Ordnung beide Elemente auf gleiche Weise vertreten wurden. Hierüber lautet es im ersten Capitel des Gesetzbuches also: „Im Rathe sollen 36 von beiden Zungen sein und nicht mehr. Der Vögte sollen zwei sein, ein gothischer und ein deutscher, die sollen das Recht bewahren auf dem Markt.“

 

Solchergestalt waren die Deutschen in Wisby heimisch geworden, indem sie hier einen Freihafen für alle ihre deutschen

 

 

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Erstes Cap. Gothlands Erhebung zum Mittelpunkt etc.

 

Landsleute fanden, wo das kaufmännische Interesse sich ungestört von jedem fremdartigen Eingriffe entwickeln konnte. Hierdurch wurde Wisby der Mittelpunct aller besonderen Handelsverbindungen, welche die westlichen Städte Deutschlands schon früher einzeln für sich im Auslande, in England, Flandern und den scandinavischen Reichen angeknüpft hatten. Es mußte den deutschen Handelsgesellschaften die größten Vortheile gewähren, wenn die einzelnen Privilegien, die sie sich erwarben, indem sie sich alle als zu einer gemeinschaftlichen Gesellschaft gehörig betrachteten, für sie alle, in so fern die Privilegien den einzelnen Gesellschaften als Gliedern der allgemeinen, verliehen wurden, gleiche Gültigkeit erhielten. Und so finden wir denn auch in der That, daß sich die Kaufleute aller nach dem Norden Handel treibenden deutschen Städte unter dem gemeinschaftlichen Namen „des gemeinen Kaufmanns“ (des mercator communis oder der societas Gutlandorum und der universi, omnes oder Romani imperii mercatores) ihre Privilegien ertheilen ließen *), und erst seitdem die Deutschen ihres Rechtes sich bedienend, sich auf Gothland niedergelassen hatten, kam der Handel der nordischen Staaten in größere Aufnahme und Blüthe. Denn fand auch schon früher ein reger Verkehr zwischen dem westlichen Deutschland und England von Köln aus statt, so bekam doch eben dieser Handel einen neuen Aufschwung, seitdem er durch die Gothländer mit dem Osten in Verbindung gesetzt wurde. Die Vortheile, die aus diesem größeren Umschwunge für alle Theilnehmer erwuchsen, brachten zu Wege , daß auch in den westlichen Ländern die Kaufleute von Gothland mit besonderen Privilegien und Rechten ausgezeichnet wurden. „So befreiete im Jahre 1237 Heinrich der III., König von England, die Kaufleute zu Gothland von den Abgaben bei der Einfuhr aus Gothland und der Ausfuhr aus England nach Gothland, und im Jahre 1252 ertheilten die Gräfin Margarethe von Flandern und ihr Sohn Guido, auf die Bitte aller Kaufleute des römischen Reichs, die Gothland besuchten, diesen Kaufleuten mehrere Freiheiten.“ **)

 

Aus diesen dem gemeinen Kaufmanne gemeinschaftlichen Rechten ging zunächst eine politisch-mercantile Verbrüderung der an ihnen Theil habenden Kaufleute hervor, welche ferner wieder eine

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*) Lappenberg, urkundl. Geschichte d. d. Hanse, S. 10 und folgende.
**) Lappenberg, urkundl. Geschichte d. d. Hanse, S. 6 und 8.

 

 

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Erste Abtheil. Die hanseatische Zeit des Mittelalters.

 

politisch-merkantile Verbindung der Städte selbst, denen diese Kaufleute angehörten, zur Folge hatte. Kraft dieser Verbindung hatten die Deutschen das Monopol des gesammten nordischen Handels in Händen. Ehe nur die westlichen Nationen wegen der Unvollkommenheit und Unsicherheit der Schifffahrt daran denken konnten, sich selbst mit den Producten Rußlands zu versehen, ehe die Russen dazu kamen, sich einen durch eigene Comptoire gesicherten Handel zu eröffnen, um sich selbst die Fabricate des Westens abzuholen, trat schon die Gesellschaft des gothländisch-deutschen Kaufmanns zu Wisby als Vermittler des Ostens mit dem Westen auf. Die zunftgemäße corporative Verfassung, wie sie sich zu Wisby in der Verwaltung des Stadtraths sowohl, wie in der von diesem unabhängigen Gesellschaft des gemeinen Kaufmanns organisch herausgebildet hatte, war überall die Grundbedingung ihres Bestehens, ihres Wachsthums und ihrer Größe. Wie ihre Ausbreitung im Westen vor sich ging, liegt uns nicht ob, hier weiter auszuführen; desto wichtiger ist es uns, darzuthun, wie sich erst durch diese Gesellschaft ein civilisirter Handel mit dem Osten und mit Nowgorod als dem Mittelpuncte desselben gebildet hat und hiedurch die Gesammtentwicklung nicht nur der deutschen Nation, sondern auch der russischen, in ihren wesentlichsten Interessen gefördert und gehoben wurde.

 

Zweites Capitel.

 

Zustand Nowgorods bis zur Begründung des gothländischen und des deutschen Hofs in dieser Stadt.

 

Haben wir gesehen, unter welchen Umständen und Bedingungen in Gothland eine freie Gesellschaft sich constituirte, die durch Nationalcharakter, Localverhältnisse und Zeitumstände alle Elemente in sich vereinigte, um sich zu einer für den Handel welthistorischen Bedeutung zu erheben; so müssen wir jetzt, indem wir auf die ältere Geschichte des nowgorodschen Freistaates zurückgehen, den Grund und Boden untersuchen, welcher der Hauptquell ihrer Nahrung und ihres Gedeihens wurde, und zwar liegt uns zunächst ob, gleicher Weise zu prüfen, in wiefern auch diese Stadt durch Localverhältnisse, Zeitumstände und Nationalcharakter ihrer Bewohner sich zu einer dem gemeinsamen Fortschritt der

 

 

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Zweites Cap. Zustand Nowgorods etc.

 

deutschen und der slawischen Nation günstigeren Lage emporhob, indem sie, was sich durch Gebrauch und Herkommen im Lauf der Zeiten herausstellte, durch Gesetz und Verfassung befestigte und ordnete.

 

Diese für seine eigene Geschichte, wie für die allgemeinen Verhältnisse des Handels und der Cultur bedeutende Stellung erlangte Nowgorod, wie in der Einleitung angedeutet wurde, erst seitdem seine slawischen Bewohner von den Warägern bezwungen, sich mit diesen zu einer Nation zu verbinden und zu einem Ganzen zu verschmelzen angefangen hatten. Zwar hatte es sich auch bis zu diesem Zeitpunkt von fremder Herrschaft frei zu erhalten gewußt, denn „der Chasaren Herrschaft erstreckte sich in Russland nicht weiter, als bis zum Okastrom, die Nowgoroder, die Kriwitschen waren bis zum Jahre 859 frei“; allein seine Lebensrichtung war noch eine zu beschränkte, seine Bedürfnisse zu einfach, als daß es von seiner für den Handel so vortheilhaften Lage besondere Vortheile gezogen und dadurch zu einer erheblichen Macht gelangt wäre. Von dieser Zeit an aber hob es sich rasch empor. Es ward das Herz des sich neu bildenden Staatskörpers. Wie jedoch diese Verschmelzung sich, allmälig vollzog , wäre wohl eine Aufgabe, die genauer untersucht zu werden verdiente, wenn sich nur aus den leider zu mangelhaften Quellen noch etwas Erhebliches hierüber ermitteln ließe. Als Hauptresultat jedoch der Verbindung des slawischen Nowgorod mit den Warägern ist festzuhalten: daß die Nowgoroder zwar sehr wohl die Vortheile dieser Verbindung wahrzunehmen verstanden, trotz dem aber sich vor den Nachtheilen, die ihnen aus derselben erwachsen konnten, zu hüten wußten; daß sie, mit andern Worten, die ihnen durch die Localität ihrer Stadt gebotene und durch die Waräger eröffnete überseeische Verbindung unterhielten und mit der Zeit immer mehr erweiterten; nichts desto weniger aber ihre Unabhängigkeit vor den ganz andere Bestrebungen ins Werk setzenden Kriegshelden und Fürsten zu wahren wußten, indem sie auf dem Wege des Friedens und der Güte zu erlangen suchten, was jene nur durch Mittel der Gewalt, des Kriegs und der Eroberung erreichen konnten. Denn wie sich überall das Vernünftige geltend macht und den Sieg davon trägt, so mußte auch Nowgorod die durch seine Verhältnisse ihm gebotene, zur freien

 

 

 

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Erste Abtheil. Die hanseatische Zeit des Mittelalters.

 

Bewegung des Handels nothwendige und unmittelbar aus dieser hervorgehende Unabhängigkeit erlangen, so lange die Fürsten den Handel, dieses so wichtige Lebenselement des Staats, noch so gut wie unbeachtet ließen, noch nicht in den Kreis ihrer Fürsorge einschlossen. Es mußte sich als ein Selbstständiges für sich, den ihm fremden Tendenzen des damaligen Fürstenthums gegenüber geltend machen.

 

Die früheren Fürsten des rurikschen Stammes sahen das ihnen untergebene Land fast durchweg als Einzelherrschaft, als Privateigenthum an; Krieg und Eroberung war ihr Leben und ihre Lust. Die übrigen allgemeinen Beziehungen des Lebens, deren Wahrnehmung die Aufgabe des modernen Staats ist, mußten erst allmälig in die Erscheinung treten, ehe dieselben von jenen in Obhut genommen werden konnten. Sobald dies geschehen war, konnte Nowgorod sich in seiner einseitig democratischen Richtung nicht mehr halten, und mußte unter die Hand des Herrscherarms zurückfallen, der neben den besonderen Interessen des Fürstenthums die allgemeinen des Staats, wenn auch nur in despotisch-tyrannischer Weise erkennend, das Bild seiner ethisch wie physisch immer noch unfreien Nation als Einheit in sich darstellte und repräsentirte.

 

In diesem Sinne ist die Geschichte Nowgorods von Rurik an bis auf Iwan III. Wassiljewitsch zu fassen. Von da an bis auf Peter den Großen beginnt auch Rußland die Keime des modernen Staates in sich aufzunehmen, bis Peter der Große zur Lösung dieser Ausgabe festere Fundamente legte, auf denen die nachfolgenden Regierungen den großen Bau des mächtigen Reichs mit Muth und Kraft fortgeführt haben.

 

Den eben angedeuteten Tendenzen des Krieges und der Eroberung und „dem Geist des Heldenthums einer Nation gemäß, deren erstes Bedürfniß Sicherheit nach außen und eine Achtung gebietende Stellung gegen ihre Nachbaren ist“, schlug gleich der Nachfolget Ruriks, unbekümmert um die innere Entwicklung der ihm unterworfenen Ortschaften, mit seinen Schaaren den Sitz der Herrschaft in dem bald so mächtig sich erhebenden Kiew auf. Von hier aus stand diesen unternehmenden Männern des Nordens ein ganz anderes Feld des Ruhmes und erwünschter Thätigkeit offen. — Aus den mit dem griechischen Reiche abgeschlossenen

 

 

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Zweites Cap. Zustand Nowgorods etc.

 

Verträgen und fester begründeten Handelsverbindungen mußte indeß auch Nowgorod für seinen nordischen Verkehr nicht geringen Vortheil ziehen. Auch unter den Nachfolgern Ruriks bis auf Swätoslaw (964—972) einem verhältnißmäßig nur geringen Tribut unterworfen, welchen es den einzig zu diesem Zweck ihnen zugesandten Statthaltern entrichtete, ohne daß dieselben im Einzelnen sich um die innere Verwaltung der Stadt gekümmert hätten, bildete es in der Stille friedlichen Verkehrs seine ursprünglich freie Gemeindeverfassung bei steigendem Wohlstande zu einem auch politisch bedeutenden und fast nur noch dem Namen nach von dem alten Fürstenhause abhängigen Stadtregiment aus *) — So wuchs Nowgorod, bis auf Swätoslaw von Statthaltern regiert, an Kraft und Macht.

 

Einfügung: Stadtansicht von Nowgorod

 

„Da dieser Fürst zuerst den Gebrauch einführte, seinen Söhnen besondere Fürstenthümer zu verleihen,“ **) so erhielt Nowgorod hiedurch ein neues Mittel, seine Unabhängigkeit zu behaupten. Schon in der Forderung, welche die Nowgoroder an Swätoslaw stellten, er solle ihnen einen eignen Fürsten geben, noch mehr aber in der Drohung, würde ihre Verlangen nicht Genüge geleistet, sich selbst einen Fürsten zu wählen, spricht sich das Gefühl ihrer Selbstständigkeit aus ***). Sie erhielten was sie wünschten. Der von einer slawischen Mutter geborene Wladimir wurde ihr Oberhaupt. Aber schon war der democratische Eigenwille der Nowgoroder so erstarkt, daß sie auch diesem selbstgewählten Fürsten nicht bis an sein Ende treu blieben. Unter dem eigenen Sohn Wladimir des Großen, Jaroslaw, „dem die Verwaltung von Nowgorod seit 1012 übertragen war und der sich weigerte 2000 Griwnen an den Großfürsten zu zahlen“, empörten sie sich. — Wir ehemals Wladimir seine Herrschaft durch den Beistand der Waräger befestigt und von Nowgorod aus zur Alleinherrschaft gelangt war, so war auch jetzt Jaroslaw im Begriffe, mit Hülfe seiner überseeischen Stammgenossen das Schwert gegen den eigenen Vater zu kehren: da erhoben sich noch einmal die slawischen Bewohner gegen die lästigen Eindringlinge. Vergebens sich bei Jaroslaw über die Waräger,

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*) Siehe Neumanns Verfassung von Nowgorod in „Ewers Studien“; Dorpat 1830.

**) Karamsin, russische Geschichte Thl. I. S. 146.

***) Neumann im angeführten Werk.

 

 

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Erste Abtheil. Die hanseatische Zeit des Mittelalters.

 

seine Lieblinge, beschwerend, „die in frechem Uebermuth der Russen keusche Frauen beleidigten“, griffen die Slawen zur Selbstrache und erschlugen einen großen Theil der Waräger, vielleicht im Vertrauen auf den nahenden Beistand des sich zur Rache rüstenden Wladimir. Doch ehe noch der zürnende Vater verdiente Strafe an des Sohnes Ungehorsam nehmen konnte, starb er (1015 ).

 

Durch den Mord, den Jaroslaw hierauf an den vorzüglichsten Theilnehmern des Aufstandes zu vollstrecken kein Bedenken trug, aller Hülfe blos, mußte er, kein anderes Schicksal vor Augen habend, als das, welches sein Bruder Boris bereits von dem nach der Alleinherrschaft strebenden Swätopolk erlitten hatte, des Sturzes seiner Herrschaft gewärtig sein. Da schritt er zu einer letzten entscheidenden Maaßregel. „Durch Gewährung großer Vortheile für die ganze Gemeinheit und durchgängige Gleichstellung der Slawen mit den Warägern vor dem Gesetz“ *), versicherte er sich aufs Neue der Treue und des Beistandes des beleidigten Volks; durch die zu Stande gebrachte Versöhnung aber des slawischen Elements mit dem warägischen, legte er den festesten Grund zu Nowgorods politischer Unabhängigkeit und Freiheit. —

 

So konnte Nowgorod, nicht unmittelbar betheiligt bei den fortwährenden Parteikriegen, die ihm inwohnende Tendenz als vermittelndes Glied mit dem Auslande durch den Handel sich zu erheben, nach eigenem Belieben und Maßgabe seiner Meiste zur Entwickelung bringen.

 

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Drittes Capitel.

 

Handelsverbindung Nowgorods mit den Gothländern und den Deutschen. Hof der Deutschen und der Gothländer zu Nowgorod. Verhältnis der Deutschen zu den Russen. Verfassung von Nowgorod.

 

Allerdings hatten auch schon in der eben betrachteten Periode der russischen Geschichte, in welcher der Einfluß der Waräger auf die politische Gestaltung Nowgorods von so großer Bedeutung war, die Handelsverhältnisse zwischen dieser Stadt und dem Auslande durch die Vermittelung der Scandinavier sich zu einer für den Wohlstand derselben nicht geringen Wichtigkeit erhoben.

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*) Karamsin, russische Geschichte Thl. II. S. 52.

 

 

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Drittes Cap. Handelsverbindung Nowgorods etc.

 

Dies ergiebt sich aus einer dem Großfürsten Jaroslaw zugeschriebenen Verordnung über den Brückenbau, in welcher die Angabe enthalten ist *), „daß die Deutschen (Niemzi) oder Waräger, die Gothen oder Gothländer, welche der Handel nach Nowgorod zog, in besonderen Straßen wohnten.“ Auch spricht für die Stetigkeit und Gegenseitigkeit dieses Verkehrs, daß nicht nur die Deutschen in Nowgorod, sondern auch die Russen in Gothland ihre eigene Kirche hatten **). Ja, die letzteren standen beim ersten Beginnen des Seehandels der Ostseeländer so wenig hinter den Deutschen zurück, „daß wir sie schon um das Jahr 1134 in den dänischen Staaten, also sogar jenseits Gothlands erscheinen“ ***) sehen, — und noch weiter westlich finden wir sie selbst schon mit dem seit dem Anfange des zwölften Jahrhunderts emporkommenden Lübeck in Verkehr ). — Zu seiner wahren Blüthe aber konnte der Handel in Nowgorod erst gelangen, als, wie wir oben sahen, in der zweiten Hälfte des zwölften Jahrhunderts Gothländer und Deutsche in eine engere Verbindung mit einander getreten waren, indem Deutschland erst der eigentliche Markt für den Absatz nowgorodischer Producte wurde. Fortan konnten auch die Russen ihre Seefahrten nach den norddeutschen Häfen ausdehnen; wenigstens ließen Herzog Heinrich der Löwe (1163) und Kaiser Friedrich I. (1184) ihnen dieselben Privilegien angedeihen, durch welche sie Lübeck und Gothland zu heben suchten. Diese Begünstigungen mußten von einem um so glücklicheren Erfolg gekrönt werden, da um dieselbe Zeit die drei bis dahin bedeutendsten Handelsstädte der Ostsee dem Untergange nahe gebracht wurden. „Das alte, im neunten Jahrhundert schon berühmte Schleswig kam im Jahre 1157 um seinen ganzen Flor, als es von dem vertriebenen dänischen König Svend IV. hart belagert wurde; auch Julin sank um diese Zeit in dem wendischen Kriege und Schwedens Sigtuna konnte sich nie wieder von dem Schaden erholen, den es durch die russischen Karelen erlitt (1187)“ ††).

 

Wiewohl aber Deutsche und Russen, man kann nicht anders sagen,

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*) In Karamsins Geschichte von Rußland Thl. II. S. 52.

**) Ewers‘ russische Geschichte, S. 132. ; Lappenberg, urkundliche Geschichte der deutschen Hanse Thl. I. S. 104.

***) Lehrbergs Untersuchungen S. 267.

) Vgl. Ludwig Giesebrecht, Wendische Geschichten Thl. I. S. 31.

††) Lehrbergs Untersuchungen, S. 268.

 

 

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Erste Abtheil. Die hanseatische Zeit des Mittelalters.

 

als mit gleichen Waffen gegen einander in die Schranken traten, da ja die Nowgoroder schon seit länger als hundert Jahren einer fast absolut freien Verfassung genossen und also in ihrer Fortentwicklung lediglich dem inneren Triebe ihres Volksgeistes überlassen waren; so werden wir doch bald sehen, wie verschieden, eben aus der Verschiedenheit des Volksgeistes beider Nationen, sich die Verhältnisse zwischen Deutschen und Russen gestalteten. Aus dem ächt germanischen Corporationsgeist, der durch angestammte Treue, einen ehrenfesten Charakter und Redlichkeit gehalten wird, war die Gesellschaft des gemeinen Kaufmanns zu Wisby hervorgegangen. Etwas Aehnliches hatten die Russen den Deutschen nicht entgegenzusetzen. Dies ist der Hauptgrund, warum die Russen bald den Activhandel aufgeben und gegen die Deutschen gänzlich zurückstehen mußten, diese aber in Nowgorod immer fester Fuß faßten, und bald den Alleinhandel der russischen Producte an sich rissen. Auch so noch waren die Folgen ihrer Verbindung von ungeheuerer Bedeutung, materieller und intellectueller, allein die intellectuelle war fast ganz auf Seiten der Deutschen, oder sollen wir es noch ausdrücklich zum Ueberfluß erwähnen, wie sehr die deutsche Freiheit auf der Entwicklung der Städte beruht, und welchen Antheil an dieser der nordische Handel hatte? Als aber, wie überall, so auch hier, die Formen der mittelalterlichen Zeit einem schwungreicheren Kreise neuer Lebensbeziehungen und Bedürfnisse den nöthigen Raum sich auszubreiten versagten und mehr drückend als schützend unter den Weltstürmen zusammenbrachen, unter denen sich der herannahende Frühling der Neuzeit verkündigte; da bildete sich der städtisch-mercantile Geist, von dem die deutsche Hanse ausgegangen war, bald neue, passendere Formen an; die große Republik aber fiel in ihr Nichts zusammen, und um die russische Nation zu europäisiren, mußte ein anderer Weg eingeschlagen werden, da dieselbe, so lange es auf die Wahl ihres eigenen Entschlusses angekommen war, es zu einer eigenthümlich nationalen Schöpfung nicht hatte bringen können.

 

Dieser Gang der Entwicklung tritt uns nirgends schärfer entgegen, als wenn wir das Leben der Deutschen und Russen in Nowgorod, ihre Einrichtungen, Sitten und Verfassungen mit kurzen Zügen einander gegenüberstellen.. Hier zeigt sich als Grundlage der mercantilen Größe Nowgorods,

 

 

 

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Drittes Cap. Hof der Deutschen zu Nowgorod.

 

die fast unumschränkte Handelsfreiheit, deren sich beide Theile, Russen wie Deutsche, zu erfreuen hatten. — Für die Deutschen schloß diese Freiheit die Befugniß in sich, daß sie, ohne irgend einer Einmischung und Beschränkung von Seiten der Russen unterworfen zu sein, behufs ihrer Handelsverbindung, auf deutsche Weise sich konstituiren konnten. Ohne als Herren in Nowgorod besitzlich zu sein, erhielten sie doch das zur Sicherheit des Handels in damaliger Zeit so nothwendige Schutzrecht, auf dem ihnen angewiesenen Bezirk, auf ihrem Hof als eine freie Gemeinde zu bestehen, wo sie, gesetzlich vor Willkür geschützt, für die Sicherheit der Person und des Eigenthums nicht Sorge zu tragen brauchten, und wo es ihnen verstattet war, für die Organisation ihrer eigenen Verhältnisse und für die Ordnung unter sich selbst nach eigenem Gutbefinden Anstalten zu treffen. — Durch diese den Deutschen eingeräumte Freiheit, verbunden mit der strengsten Absonderung von den Russen, wurden letztere aller Vortheile einer freien Handelsverbindung theilhaftig, ohne wie die Schweden ihr städtisches Regiment mit den Deutschen theilen zu müssen, und dadurch in Gefahr zu gerathen in ihrer Nationalität beeinträchtigt zu werden, was stets der Fall sein muß, wo politische Rechte einem cultivirten Volke bei einem weniger cultivirten eingeräumt werden. Die Deutschen selbst aber benutzten diese ihnen von den Russen eingeräumte Freiheit, um die zu Wisby in Gemeinschaft mit den Gothländern auf Grundlage gleichen Interesses eingegangene Verbindung nach den gleichen Grundsätzen und Normen auch nach Nowgorod zu übertragen, und durch die größere Ausdehnung, die sie ihr gaben, noch fruchtbringender zu machen.

 

1) Hof der Deutschen und der Gothländer zu Nowgorod.

 

Gehen wir nun an die Beschreibung der von den Deutschen zu Nowgorod getroffenen Einrichtungen und Verfügungen, wobei wir uns vornehmlich an die ins zweite Viertel des dreizehnten Jahrhunderts zu setzende Skra oder Verordnung des deutschen Hofs in Nowgorod halten werden; so haben wir vor Allem das Verhältnis ins Auge zu fassen, in dem der gemeine Kaufmann zu den Städten steht. Da nämlich in der späteren und gerade

 

 

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Erste Abtheil. Die hanseatische Zeit des Mittelalters.

 

in der berühmtesten Zeit seines Bestehens der Bund der deutschen Hanse ein Bund der zu ihm gehörigen Städte war, dieser Städtebund aber erst von der Verbindung oder Gesellschaft des gemeinen Kaufmanns ausgegangen ist, wie dieses Verhältniß zuerst Lappenberg vollständig erwiesen hat *); so geht hieraus von selbst hervor, daß einer der wesentlichsten Punkte in der Entwicklungsgeschichte der Hanse gerade in der Darlegung des Uebergangs von dem individuellen Moment dieser Gesellschaft in das weitergreifende des städtischen Vereins enthalten sein muß. Und hier haben wir zu bemerken, daß wenn auch der gemeine Kaufmann, d. h. die aus verschiedenen deutschen Städten in Gothland zusammentreffenden Kaufleute, ursprünglich für sich allein das Recht und die Befugniß hatte, die ihm für den Handel zweckmäßigen Anordnungen und Gesetze zu machen, Verträge und Bündnisse zu schließen; doch schon in der früheren Zeit ihres Bestehens die Wechselwirkung zwischen der Gesellschaft und den Städten, denen die einzelnen Mitglieder derselben angehörten, auf das politische Leben beider Theile, nicht zu verkennen ist. Hiefür spricht eine lübische Urkunde „vom Jahr 1263, durch welche der Vogt, der Rath und die Gemeinde von Lübeck dem lübischen Vogt zu Gothland ihren daselbst sich aufhaltenden Mitbürgern und dem gemeinen Kaufmann bekannt machen, daß sie auf die Bitte ihrer Freunde zu Salzwedel, dieselben auf ihre Bank und in ihren Verein zu Wisby aufnähmen und sie zu dem gleichen Genuß der Rechte wie die Ihrigen daselbst zuließen.“ Denn in dieser Erklärung liegt zunächst, nach der Meinung Lappenbergs, „daß die Kaufleute der größeren Städte, die sich in Wisby des Handels wegen aufhielten, und den gemeinen Kaufmann zu Gothland bildeten, hier wieder ihre Unterabtheilungen in Landsmannschaften hatten, mit ihrem Vogt oder Advocaten an der Spitze; daß die kleineren, weniger vermögenden, die keinen selbstständigen Verein daselbst bildeten, weil ihre Bürger seltener hier erschienen, und die Kosten eines besonders zu haltenden Vogts scheueten, an die größeren sich anschlossen;“ **) zugleich aber scheint uns eben diese Urkunde auch dafür ein passendes Beispiel zu sein, um nachzuweisen,

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*) S. besondere im Vorwort zu der urkundlichen Geschichte der deutschen Hanse p. XII ff.

**) Lappenberg, hansisches Urkundenbuch S. 90.

 

 

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Drittes Cap. Hof der Deutschen zu Nowgorod

 

in welcher großen Abhängigkeit von den Städten schon zu jener Zeit die einzelnen Mitglieder der Gesellschaft des gemeinen Kaufmanns standen, indem das sich zum Haupt des Bundes erhebende Lübeck, ohne zuvor die Gesellschaft um ihre Einwilligung zu befragen, von sich aus neue Mitglieder in dieselbe aufnimmt, die an allen ihren Rechten Theil haben sollen.

 

Auch schon in der Abfassung der ältesten nowgorodischen Skra spricht sich der bedeutende Einfluß aus, welchen die Städte auf den gemeinen Kaufmann ausübten, wenn gleich, wie aus ihrem Inhalte hervorgeht, die freie unabhängige Wahl und Besetzung der Aemter und Würden des Hofe zu Nowgorod der Gesellschaft noch unbenommen war. Die aus dem gemeinen Kaufmann bestehende Gesellschaft nämlich, „welche den Hof zu Nowgorod bildete und nach der Dauer des Aufenthalts ihrer Mitglieder sich in Sommerfahrer und Winterfahrer, nach der Art und Weise ihrer Reise in Wasserfahrer und Landfahrer theilte, wählte selbst, sobald sie mit ihren Schiffen in die Newa kam, ihre Vorsteher oder Oldermänner, deren es zwei gab, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, aus welcher Stadt sie sein mochten. Doch hatten die Wasserfahrer den entschiedensten Vorzug vor den Landfahrern, so daß, wenn der Oldermann der Wasserfahrer bei seiner Ankunft in dem Hof einen Oldermann der Landfahrer vorfand, dieser mit seiner Oldermannschaft jenem weichen mußte. — Der Oldermann des Hofs rief die allgemeinen Versammlungen zusammen, auf der alle Anwesende, Meister und Knappen zu erscheinen verbunden waren. Er war oberster Richter und hatte das Recht zu richten über Hals und Hand, eine Gewalt, die sonst fast nirgends und nur höchst selten den deutschen Kaufleuten von fremden Herrschern eingeräumt worden ist; kurz er war der höchste Vorsteher des Ganzen, der die Ordnung erhielt und alle auch bei den Russen vertrat. — Zu Gehülfen wählte er sich sofort vier Männer, die ihm am tauglichsten schienen; keiner durfte bei Strafe die auf ihn gefallene Wahl ablehnen, niemand durfte bei Strafe es ausschlagen, bei Verhandlungen mit den Russen, vom Oldermann dazu aufgefordert, ihn zu begleiten“.

 

„Der Oldermann von S. Peter, (des Hofes und der Kirche Schutzpatron) war mit der Haushaltung beauftragt. Er hatte den Königsschoß, der wenn nicht ganz , doch großen Theils zum Besten des Hofe verwendet wurde,

 

 

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Erste Abtheil. Die hanseatische Zeit des Mittelalters.

 

so wie die übrigen Gemeindeabgaben zu erheben und die Strafgefälle einzutreiben, welche vom Oldermann des Hofs erkannt worden; er besorgte die gemeinsamen Ausgaben, und hatte die Casse, die Schriften des Hofs, so wie die Kleinodien, welche derselbe besaß, in seine Verwahrung zu nehmen.

 

„Die längere oder kürzere Zeit auf dem Hof zu Nowgorod verweilenden Kaufleute, Diener und Schiffer waren wie auf den übrigen Comptoiren einer strengen Disciplin und klösterlichen Zucht und Ordnung unterworfen. Die Knappen waren ihrem Meister zum strengsten Gehorsam verpflichtet, und demselben zu Nutzen und in Nöthen beizustehen verbunden, und konnten ohne freies Uebereinkommen zwischen beiden Theilen dem Dienste sich nicht entziehen; so wie andererseits ein Meister, der einen Knappen zur Wasserfahrt nach Nowgorod mitgenommen hatte, ihn nicht entlassen durfte, bevor er ihn nicht wieder dahin gebracht hatte, woselbst er ihn angenommen hatte, wenn er anders nicht aus rechtlichen Gründen ihn zu entlassen befugt war. — Die jungen Leute, die um die russische Sprache zu erlernen, auf den Hof kamen, hatten ihre eigenen Vorsteher. So heißt es von diesen, den Jungen: gerathen sie während der Essenszeit in Streit miteinander, schimpfen sie sich, so mögen sie unter einander vor ihrem Vorstande oder Oldermann die Sache beilegen; schlagen oder verwunden sie sich aber unter einander, so gehört die Sache vor des Hofes Oldermann *).“

 

Sehen wir nun auf die Art und Weise der financiellen Verwaltung dieser so ansehnlichen Niederlage zu Nowgorod, so können alle Bedürfnisse der Erhaltung des ganzen Dienstpersonals und der Gebäude des Hofe auch nicht gering gewesen sein. Die größten Ausgaben aber wurden durch die häufigen und kostbaren Legationen veranlaßt, welche man aussenden mußte, bald um das Comptoir zu visitiren und zu reformiren, bald, um von den Russen, bei denen nie ohne bedeutende Geschenke etwas auszurichten war, einen neuen Frieden oder Vergleich, oder eine Erneuerung der Privilegien und Freiheiten zu erhalten.

 

„Einen Theil dieser Ausgaben deckten die Geldstrafen; doch waren sie nicht hinreichend. Ein Schoß, der auf dem Comptoir

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*) Lappenbergs urkundliche Geschichte d. d. Hanse, Bd. I. 125 u. 126

 

 

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Drittes Cap. Hof der Deutschen zu Nowgorod.

 

und zuweilen auch wohl in den benachbarten livländischen Communen erhoben und von Zeit zu Zeit erhöht ward; ferner ein Pfundzoll, der in Livland oder in der Nachbarschaft zu Wiedererstattung der gehabten Ausgaben für die deutschen Factoreien in Rußland aufgenommen wurde, mußten den entstandenen größeren Bedürfnissen abhelfen.“ *) Namentlich heißt es, was diesen Punct anbetrifft, in unserer Skra: zur Bestreitung der allgemeinen öffentlichen Ausgaben zahlen die Winterfahrer, welche zu Schiffe in die Newa kommen, einen Ferding von 100 Mark ihres Gutes S. Peter als Schoß, und eben so viel der Meister für Hausmiethe. Wer als Sommerfahrer in die Newa kommt, zahlt dasselbe, nur für Hausmiethe zahlt der Meister weniger, nämlich eine Mark Kunen. Auch soll der Winterfahrer des Königs Schoß entrichten. Diesen zahlen die Landfahrer nur ein Mal, im Sommer oder im Winter. Welcher Deutsche aus dem Lande (dem nowgorodischen Gebiete) kommt, der sich zu deutschem Rechte hält, er fahre durch oder kehre wieder, ist den halben Schoß S. Petern zu geben verbunden. „Endlich heißt es, was von des Hofes Einkommen jährlich übrig bleibt, das soll nach alter Sitte und dem Beschlusse der gemeinen Deutschen aus allen Städten, nirgends anders hin als nach Gothland geführt werden, woselbst es in S. Peters Kasten in der St. Marienkirche niedergelegt werden soll; wozu vier Schlüssel gehören, welche von vier Städten aufbewahrt werden, der eine durch den Oldermann von Gothland, der andere durch den von Lübeck, der dritte durch den von Soest und der vierte durch den von Dortmund“.

 

Einfügung: Gewinnsteigerung im Handel

 

Dieser Schluß nun, durch den die Beaufsichtigung und Controlle des Ueberschusses der Einnahme den Vorstehern gewisser, ein für alle Mal hiezu bestimmter und berechtigter Städte übertragen wird, zusammengehalten mit dem weiter unten angeführten Schreiben Wisbys an den Magistrat von Osnabrück, in welchem die Obrigkeit dieser Stadt ausdrücklich als Gründer und Mitstifter des Hofs zu Nowgorod genannt wird, scheint uns nicht undeutlich darauf hinzuweisen, daß, wie wir bereits andeuteten, schon in jener früheren Zeit des Aufkommens der deutschen Hanse, die Entschließungen des gemeinen Kaufmanns in Bezug auf die ganze Einrichtung

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*) Sartorius Geschichte des hanseatischen Bundes, Thl. II. S. 413.

 

 

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Erste Abtheil. Die hanseatische Zeit des Mittelalters.

 

seines umfassenden Handelsverkehrs nicht unbedingt von der Einwirkung der zu ihm gehörigen Städte unabhängig gewesen sind, welche letzteren später, als der nordische Verkehr eine immer allgemeinere, ausgedehntere und auch politisch einflußreichere Bedeutung erhielt, die ganze Leitung desselben an sich reißen. Doch ehe wir daran gehen, auch diese durchgreifende Umwandlung, durch welche die deutsche Hanse erst als solche, d. h. auch unter dem Namen eines großen zusammenhängenden Städtebundes auftritt, auseinanderzusetzen, geben wir billig zuvor einen Ueberblick über die Art und Weise, in der sich der gemeine Kaufmann in seinen Beziehungen nach außen, den Russen gegenüber constituirte, da diese für die wechselseitige Entwicklung beider Nationen von nicht geringerer Wichtigkeit sind, als es für die der deutschen Städte, für sich allein genommen, ihre innere Constituirung war.

 

 

2) Verhältniß der Deutschen zu den Russen.

 

Der älteste auf uns gekommene im Jahr 1269 zwischen den Deutschen und Nowgorodern abgeschlossene Vertrag *), lautet in seinen für die Bestimmung des Verhältnisses zwischen Deutschen und Russen wesentlichen Bestimmungen wie folgt:

 

Ich, König (Großfürst) Jaroslaw, Jaroslaws Sohn, habe mit dem Burggrafen (Possadnik), mit dem Herzog, Herren Ratibor und mit allen Nowgorodern und mit den deutschen Boten, Heinrich Ullenpund von Lübeck, mit Ludolf Dobriciken und Jacob Kuringe, dem Gothen, geprüft, und bestätigt den alten Frieden Euch deutschen Söhnen und Gothen und allen Lateinern:

 

1) Für die Fahrt auf der Newa von Ketlingen (der Insel, auf welcher jetzt Kronstadt liegt) bis nach Nowgorod und von da zurück, steht der Gast unter dem Schutz des Königs und der Nowgoroder,

 

Einfügung: Route nach Nowgorod

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*) Da die von Lehrberg irrthümlich ins Jahr 1201, von Krug aber mit mehr Wahrscheinlichkeit ins Jahr 1231 gesetzte Vertragsurkunde zwischen den Nowgorodern und Deutschen nach der überzeugenden Auseinandersetzung Lappenbergs (Urkundenbuch S. 33) in der That nicht für die Urkunde eines wirklich abgeschlossenen Vertrags, sondern nur für ein von den Deutschen abgefaßter Entwurf zu einer solchen gelten darf; so kann derselbe für uns keinen andern Werth haben, als dass wir durch sie ein schon früher durch schriftliche Abfassung wenigstens in so weit beglaubigtes Gewohnheitsrecht zwischen den Deutschen und Russen erhalten, als sie mit der späteren Urkunde vom Jahr 1269 übereinstimmt. Weil sie jedoch, um mich so auszudrücken, der Gegenzeichnung russischerseits ermangelt, werden wir im Text uns nur an die letztere, hier, wie an vielen anderen Stellen, Lappenbergs urkundlicher Geschichte folgend, zu halten haben.

 

 

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Drittes Cap. Verhältniß der Deutschen zu den Russen.

 

welche den Sommergästen für allen Schaden haften, der ihnen begegnen könnte. Die Wintergäste, sollen gleichfalls nach dem alten Frieden ungehindert in das Land kommen dürfen, und nowgorodische Boten und Kaufleute zu sich nehmen, die sie begleiten und bei ihrer weiteren Fahrt behülflich sind.

 

2) Fahren Deutsche oder Gothen des Verkehrs wegen zu den Karelen, so stehen ihnen die Nowgoroder nicht für den Schaden den sie erleiden können.

 

3) Bedarf der Gast, wenn er in die Newa kommt, Holzes oder eines Mastes, so ist es ihm erlaubt, an beiden Seiten des Wassers dieselben zu fällen.

 

4) Streitigkeiten zwischen den Gästen und den Nowgorodern werden auf dem S. Johannishof vor dem Burggrafen, dem Herzog (Tussädski) und vor den fremden Kaufleuten geschlichtet. — Verwundet ein Russe Einen im Hof der Deutschen oder Gothen, der soll, ergriffen, vor dem russischen Gerichte nach seinem Verbrechen gerichtet werden. Dasselbe soll geschehen, wenn die Thüren oder Zäune des Hofs niedergehauen werden. Und wo der Zaun vor Alters um den Hof gewesen ist, da soll man, wenn man den alten Zaun abnimmt, auch den neuen wieder aufrichten und da nicht übergreifen. — Im Besitz ihrer Wiesen sollen die Deutschen und die Gothen gelassen werden, wie sie dieselben als ihnen gehörig angeben werden.

 

5) Die Sommerfahrer haften den Russen für die von den Winterfahrern begangenen Verbrechen nicht, eben so wenig die Letzteren für die der Ersteren.

 

6) Wo der Streit zwischen Russen und Deutschen entsteht, da soll er auch geschlichtet werden. Kann derselbe nicht geschlichtet werden, so findet im ersten und zweiten Jahre keine Pfändung statt, aber im dritten Jahr soll sie zulässig sein.

 

 

Einfügung: Kerbholz

 

7) Schulden halber soll weder der Nowgoroder in Gothland, noch der Deutsche oder Gothe in Nowgorod ins Gefängniß gesetzt, noch sollen gemeine Gerichtsdiener gegen sie gesandt werden, um die Schuldner beim Kleide fest zu nehmen; dieses (wenn der Schuldner nicht zahlt, oder keinen Bürgen stellt) ist allein dem Boten des Herzogs erlaubt.

 

8) Hat eine Frau für ihren Mann sich verbürgt und bleibt die

 

 

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Erste Abtheil. Die hanseatische Zeit des Mittelalters.

 

Schuld unberichtigt, so fallen beide dem Gläubiger als eigen zu; hat sie sich nicht verbürgt, so bleibt sie frei von jedem Anspruche.

 

9) Die Uebereinstimmung zweier Zeugen, deren Einer ein Russe, der Andere ein Ausländer ist, entscheidet, sind sie nicht einig, so giebt das Loos zwischen beider Meinung den Ausschlag.

 

10) Das Erschlagen eines Boten, eines Oldermannes oder Priesters wird mit 20 Mark Silber, das eines Kaufmanns mit 10 Mark gebüßt.

 

11) Wage und Gewicht, womit Silber und andere Dinge auf Wagschalen gewogen werden, sollen gleich und recht gehalten werden.

 

12) Im Fall eines Krieges der Nowgoroder mit ihren Nachbaren sollen die Gäste ungehindert zu Wasser wie zu Lande reisen dürfen; wer über die Newa ankommt, kehrt über dieselbe auch zurück, und wer zu Lande ankommt, kehrt wieder zu Lande zurück mit aller Sicherheit *).

 

Hiernach erhielten Deutsche und Gothländer gleiche Freiheiten, „beide hatten ihre geschützten Höfe in Nowgorod; die ihnen zugestandenen oder bestätigten Rechte waren eigentlich nichts weiter als Bewilligungen des Schutzes und Sicherung einer freien Fahrt im nowgorodschen Gebiete, ein befreiter Gerichtsstand, Schutz der persönlichen Freiheit und des freien Verkehrs, ohne daß besondere Abgaben oder Zölle von ihnen gefordert wurden“ **).

 

Diese ihnen ertheilten Rechte benutzten die Deutschen bald dazu, sich die Alleinherrschaft im Handel zu Nowgorod zu erwerben, indem sie eben so sehr die Russen an dem directen Verkehr mit dem Auslande zu behindern bemüht waren, wie sie die übrigen Nationen von der Theilnahme an den Rechten des Hofs zu Nowgorod auszuschließen suchten und wirklich ausschlossen. Schon in der zu Ende des dreizehnten Jahrhunderts erlassenen lübischen Skra heißt es: „Kein deutscher Kaufmann soll Gut von einem Russen borgen (auf Credit nehmen) bei Strafe von zehn von hundert des Werths dieses Gutes, und bei funfzig Mark, wenn er sein Gut in Gesellschaft (Compagnie) mit einem Russen hat, oder dessen Güter weiter fährt, (ihnen als Commissionair oder

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*) Lappenberg, urkundliche Geschichte d. d. Hanse, Thl. I. S. 117-119. Thl. II. S. 95-101.

**) Derselbe im angeführten Werk Thl. I. S. 119.

 

 

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Drittes Cap. Verhältnis der Deutschen zu den Russen.

 

Spediteur dient),“ *) und nach dem Beschluß des gemeinen Kaufmanns vom Jahr 1346 durfte „keiner, der Gut von den Russen erhielt, eher den Russen ganz abbezahlen, bis er die von ihnen ausbedungene Waare, vollständig erhalten hatte. Auch haftete der Russe für die verkaufte Waare, bis sie in den Hof gekommen war, die Deutschen hingegen hafteten den Russen wegen der von ihnen erkauften Güter nicht über die Schwelle des Hofs hinaus.“ **). Und in Bezug auf die übrigen Fremden wurde gleichfalls schon zu Ende des dreizehnten Jahrhunderts beschlossen, daß kein Deutscher Engländern, Flämmingern, oder Walen (Wallonen) als Commissionair oder Spediteur Dienste leisten dürfe. Die Nowgoroder aber, indem sie den Activhandel gänzlich den Deutschen überließen, kamen dem immer weitergehenden Umsichgreifen derselben auf alle Weise zuvor.

 

In dieser Beziehung konnte die freie Verfassung ihres Staats; den Deutschen nur im höchsten Grade ersprießlich sein. Eine andere Frage ist es, in wie fern die Nowgoroder selbst es verstanden, sich durch dieselbe zu einer eigenen selbstständig-nationalen Bildung zu erheben. Um dies zu sehen, wollen wir die wesentlichen Puncte ihrer Verfassung kurz zusammenstellen.

 

3) Verfassung von Nowgorod.

 

Einfügung: Stadtplan von Nowgorod

 

Die Freiheit der Nowgoroder bestand in der möglichst großen Beschränkung ihrer Fürsten. — Die vertragsmäßig gewählten Fürsten hatten gegen billige Entschädigung und angemessene Einkünfte eine doppelte Verpflichtung, die der Vertheidigung des nowgorodischen Gebiets gegen äußere Feinde und die der Handhabung der Gerechtigkeit zur Aufrechthaltung des inneren Friedens. In beiden Beziehungen hatte der Fürst lediglich nur das Interesse der Nowgoroder, abgesehen von seinen eigenen Vortheilen, wahrzunehmen.

 

Daher waren die Nowgoroder durchaus nicht verpflichtet, an den Privatkriegen der Fürsten Theil zu nehmen, wie denn in einer Urkunde vom Jahr 1305 ausdrücklich festgesetzt wurde, daß der Fürst ohne Einwilligung der Nowgoroder keinen Krieg anfangen sollte, und wiewohl ihm das Recht zustand, die Statthalter, welche

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*) Derselbe, ebendaselbst. S. 133.

**) Derselbe, ebendaselbst. S. 146.

 

 

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Erste Abtheil. Die hanseatische Zeit des Mittelalters.

 

die zu Nowgorod gehörigen Gebiete verwalteten, einzusetzen, so bedurfte es doch auch hiebei der ausdrücklichen Zustimmung des Possadniks von Nowgorod. Auch durften nur einheimische Nowgoroder dazu ernannt werden, und entsetzen konnte er sie nicht nach Willkür, sondern nur nach überwiesener Schuld. Ja, die Nowgoroder wachten mit solcher Eifersucht über ihr, so zu sagen, landstaatisches Interesse, daß selbst der Fürst auf den ihm als Fürsten zufallenden Besitzungen keine neuen Dörfer und Flecken anlegen, noch viel weniger aber einer seiner Diener Dörfer im nowgorodischen Gebiete besitzen durfte.

 

Eben so war der Fürst, was die Handhabung der Gerechtigkeit anbetraf, streng an die nowgorodische Verfassung gebunden. — Er durfte nur in Nowgorod selbst richten und von seinem gewöhnlichen Sitz aus keinen Nowgoroder vor sich bescheiden und auch keine Gerichtsdiener in die nowgorodischen Gebiete schicken. (Urkunden von den Jahren 1265, 1270 und 1305). — Streitigkeiten der Nowgoroder unter sich selbst richtete ihr Possadnik mit dem Fürsten oder mit dem Stellvertreter desselben. (Urk. vom J. 1305 und 1307). Erst zur Zeit des Untergangs der Republik wurde festgesetzt, daß der Possadnik mit den Stellvertretern des Großfürsten richten solle, nach altem Herkommen, und daß er ohne diese Stellvertreter keine Rechtssache beendigen solle. (Urkunde vom J. 1471) *).

 

Durch diese Bestimmungen gelang es den Nowgorodern ihre politische Unabhängigkeit zu bewahren, deren sie nicht entrathen konnten, wenn sie freie Hand für die einem gedeihlichen Handel nothwendigen Verfügungen behalten wollten. Zu diesen gehörte denn vor Allem: 1) daß der Fürst keine Zölle anlegen durfte; 2) daß den Gästen, wie schon erwähnt, während des Krieges den Handel ungestört fortzutreiben, verstattet war; 3) daß der Fürst mit den Deutschen in Nowgorod nur vermittelst der Nowgoroder handeln durfte; 4) daß er, in die den Deutschen verliehenen Rechte, keine Eingriffe machen, ihren Hof nicht zuschließen und sie durch seine Gerichtsdiener nicht laden durfte **).

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*) Auszüge aus Neumanns mehrmals angeführter Abhandlung, in Ewers‘ Studien, S. 291 bis 298.

**) Vgl. auch Schlözer zu Nestors Annalen beim Jahre 1264 Thl. III. S. 88. und ebendaselbst beim Jahr 1270. „Ja diesem Jahre setzten die Nowgoroder Jaroslaw III. wieder feierlich ab, unter anderm auch deswegen, weil er die Deutschen, die sich bei ihnen niedergelassen hatten, weggejagt habe. Scerb. 113.“

 

 

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Drittes Cap. Verfassung von Nowgorod.

 

Unter dem Schutze dieser Gesetze und Einrichtungen dehnten die Nowgoroder die Grenzen ihres Reichs über den ganzen Norden des heutigen Rußlands aus, zu einer Zeit, wo ihre slawischen Nachbaren unter dem Joch tartarischer Herrschaft schmachteten. Bis nach Sibirien hin reichten die Quellen ihrer Handelsverbindungen; von hier holten sie die kostbaren Pelzwaaren, durch die sie nebst den übrigen rohen Materialien im Austausch mit den verarbeiteten Producten des Auslandes zu dem beneidenswerthesten Wohlstand und Reichthum gelangten. — Allein zu ihrem Unglück gebrach es ihrer Gemeindeverfassung an organischer Gestaltung, an einer festen Basis lebendigen Rechts, das seinen Quell in den Herzen, in der Gesinnung der Menschen haben muß, wenn es zu wahrer Geltung gelangen soll.

 

Trotz der schützenden Maßregeln gegen die Gewalt der Fürsten, gereichte den Nowgorodern die schrankenlose Willkür des Volks nicht minder oft zum Verderben. „In 190 Jahren nach Wladimir I. regierten in Nowgorod drei und dreißig Fürsten; einige mehre Male; die meisten wurden entsetzt; die wenigsten blieben bis zum Tode.“ *).

 

Wie gesetzliche Freiheit auch in städtischen Republiken bestehen konnte, haben wir wohl an deutschen, freien Städten gesehen; allein diese ist nur da möglich, wo es nicht der Zuchtruthe bedarf, um durch Furcht Ordnung zu erhalten, sondern wo Recht und Sitte schon dem Stand und Gewerbe selbst inwohnen. Von dem aber, was wir Stände nennen, war in Nowgorod nichts als das natürliche Material vorhanden und — schwer wird es den Staatskünstlern, geistige Prinzipe, die nie durch Nachahmung sich erreichen lassen, einzuimpfen.

 

„Anfangs gab es nur zwei Classen in Nowgorod, Bojaren und gemeine Leute. Aus den Bojaren oder den vornehmen Geschlechtern wurden die angesehensten städtischen Beamten, Possadnik und Tussädski, gewählt. Es ist wahrscheinlich; daß der Possadnik sie bei allen wichtigen Angelegenheiten zu Rathe zog. Unter den einzelnen Geschlechtern fanden beständige

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*) Ewers‘ Geschichte der Russen, S. 98.

 

 

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Am Meisten vermochte in Nowgorod das Volk in seiner allgemeinen Versammlung. Diese hatte das Recht die Fürsten und die Beamten einzusetzen und abzusetzen, Geldbußen aufzulegen; das Vermögen zu confisciren, am Leben zu strafen! Durch den Kampf der Parteien nahm die Macht des Volkes zu. — Schon früh waren die gemeinen Leute nach verschiedenen Abtheilungen unter sich verbunden; denn es werden schon früh die Unterabtheilungen der Straßen mit ihren Starosten oder Aeltesten und als Hauptabtheilung die Viertel, deren fünf waren, erwähnt. Allmälig bildeten sich unter den gemeinen Leuten die Classen der seßhaften Leute (begüterten Bürger), der Kaufleute und der schwarzen Leute,“ (der eigentlichen Plebs ). — „Der oberste Verwalter und Regierer aller Gemeindeangelegenheiten, so weit solche nicht vor die Competenz der Volksversammlung gehörten, oder dem Fürsten vorbehalten waren, war der Possadnik. Er wurde auf der Volksversammlung gewählt und entsetzt, nach Gutbefinden des Volks auch ohne Grund. —

 

Der Tussädski wurde gewählt und entsetzt wie der Possadnik. Er zog immer mit in den Krieg, oft zugleich mit dem Possadnik. Er war offenbar Befehlshaber im Kriege und wahrscheinlich Befehlshaber über die Reiterei.“ *).

 

Volk und Bojaren lagen unter sich und mit ihrem Fürsten stets in Zwietracht und Hader; auch Possadnik und Tussädski beide gleich sehr von der Laune der Volksgunst abhängig, vermochten nicht zwischen den verschiedenen Parteien Einigkeit und Ordnung zu begründen.

 

So trug die freie Republik den Keim des Untergangs in sich und mußte zerfallen, sobald die russische Nation, sich vom fremden Joch erhebend, die Einheit ihrer autokratischen Herrschaft wiederherstellte; Reichthum, Wohlstand, Glanz und Pracht verschwanden aus dem alten Nowgorod, und trostlose Erstarrung, öde Verwüstung traten an die Stelle bewegten Lebens und des ausgebreitetsten Völkerverkehrs.

 

Wie hätten wohl die Fremden, wie hätte der Hof der Deutschen sich inmitten dieses gewaltsamen Wechsels der Dinge behaupten können? Oder mußte nicht vielmehr auch der Bau der deutschen Hanse,

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*) Neumann in Ewers‘ Studien S. 306, 310, 324, 325, 354.

 

 

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Viertes Cap. Folgen der Verbindung Nowgorods etc.

 

einer größeren Zeit nicht gewachsen, unter der Gewalt der von außen anstürmenden Fluthen zusammenbrechen? Doch wissen wir, dass in der That, wo irgend einmal ein großartiges Lebenselement sich hervorgethan hat, dasselbe unvertilgbar ist. —

 

Zum Glück für das russische Reich hatten sich durch die deutsche Hanse schon gleichzeitig mit dem Aufkommen der nowgorodischen Macht, festere und bleibendere Verhältnisse angeknüpft, welche nicht blos auf die Zufälligkeit localer Vortheile und temporärer Begünstigung fußend, sondern durch die unzerstörbare Kraft gesetzlicher und rechtlicher Grundsätze und durch den nationalen Charakter deutscher, angestammter Treue und Beständigkeit getragen, dem gesammten russischen Reich dieselben Vortheile bleibend und in größerem Maßstabe zusicherten, die durch die, unmittelbare Verbindung der Deutschen mit den Russen zu Nowgorod erst vorbereitet waren, und nur mangelhaft und auf indirecte Weise sich hatten geltend machen können. Wir sprechen hier von der Bedeutung der deutschen Ostseeprovinzen für das russische Reich.

 

 

Viertes Capitel.


Folgen der Verbindung Nowgorods mit Wisby.

 

1) Colonisation von Livland

 

Aus der Verbindung Nowgorods mit Wisby war die Niederlage des deutschen Hofs zu Nowgorod hervorgegangen, und dieser zu Reichthum und Wohlhabenheit, so wie die Stadt Nowgorod selbst zu Ansehen, Macht und Unabhängigkeit gelangt. Doch eine noch viel höhere Bedeutung sollte in ihren weiteren Folgen diese Verbindung haben, sowohl in Bezug auf die Entwicklung deutschen Lebens, wie auf die des russischen Reichs und auf den Gang der Weltgeschichte überhaupt; für jenes durch den politischen Verband der Hanse, für Russland durch die Gründung und das Aufblühen der deutschen Ostseeprovinzen: es liegt uns also, um unsere Aufgabe zu lösen, ob, den Zusammenhang dieser Ereignisse darzuthun.

 

Fand die Handelsthätigkeit des gemeinen Kaufmanns ihren Mittelpunct und den Hauptquell ihrer Nahrung in Nowgorod, so blieb doch diese Stadt nicht der einzige Ausgangspunct des russischen Handels. — Es ist hinlänglich bekannt, wie außer dem

 

 

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Erste Abtheil. Die hanseatische Zeit des Mittelalters.

 

Weg durch den finnischen Meerbusen, schon seit den ältesten Zeiten auch der Weg auf und längs der Düna ins Innere von Rußland von Warägern und Gothländern besucht wurde. Von hieraus erhielten die Gothländer eben sowohl wie auf jenem anderen Wege die Handelsproducte des innern Rußlands. So wurde denn auch durch sie der deutsche Kaufmann, zu eben der Zeit, als er sich mit den Gothländern in Wisby vereinigte, an den Gestaden der Düna bekannt, wie in dem mächtigen Nowgorod. Mit dem Gewerb- und Handelsstand wetteiferten damals noch die beiden anderen Grundkräfte des mittelalterlichen Staates, Adel und Geistlichkeit, in dem sich fühlenden Uebermuth schöpferischer Lust, und noch wurden sie alle drei, sich selber unbewußt, von der ihnen gemeinsamen phantastischen Verehrung und Hochachtung der idealen Macht des Papst- und Kaiserthums zu einem nationalen Ganzen zusammengehalten. So wurde die Bildung neuer Staaten möglich in einer Zeit, wo es an jeder leitenden Einheit fehlte und die verschiedenen Elemente, die den Staat ausmachten, noch in ihrer ganzen Schroffheit einander gegenüber standen. —

 

Nicht umsonst erbaten sich Bischöfe und geistliche Ritterorden ihre Privilegien von Papst und Kaiser. Die ganze Christenheit wird zu ihrer Hülfe aufgeboten. Wie rühmlich ist in dieser Beziehung die weitgreifende Thätigkeit Innocenz III., Honorius III., Gregors IX. — In Livland war es der Augustinermönch Meinhard aus dem Kloster Sigeberg, der mit einer Admiralschaft, einem Geschwader erwerbthätiger Kaufleute, um des heiligen Wortes willen in dem unwirthbaren Lande sich niederließ (1186). Mit Hülfe gothländischer Handwerker und Steinhauer legte er an der Düna, ohnweit ihres Ausflusses, das erste Castel für die der Befestigungskunst unkundigen und den Gebrauch des Mörtels noch nicht kennenden, schwarzröckigen Liven in dem Dorfe Uexkull an, um dieselben durch den Schutz, den er ihnen gegen ihre Feinde gewährte, zur Annahme des alleinseligmachenden Glaubens zu bewegen. Freilich begegneten die Deutschen nicht überall einer so naiven Unerfahrenheit ihres Feindes, wie hier, wo die Lettgallen mit Schiffstauen die neuaufgeführten Mauern in den vorbeifließenden Strom hinabzuziehen bemüht waren. Doch vermochten weder Letten, noch Liven und Ehsten auf die Dauer den ritterlichen Waffen der deutschen Krieger Trotz zu bieten.

 

 

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Viertes Cap. Colonisation von Livland.

 

Einfügung: Christianisierung des Ostseeraums

 

Geduldig mußten sie sich von den in kurzer Zeit emporthürmenden Schlössern und Burgen aus beherrschen lassen, denn bald war von den Ufern der Düna bis zur Narowa hin ein Netz von Zwingern ausgespannt, das die sämmtlichen dazwischen liegenden Ostseeländer unter der Gewalt der deutschen Ansiedler zusammenhielt; den Urbewohnern aber wurde von Allem, was sie ihr eigen nennen konnten, nichts gelassen, als die Sprache, fortan ein Zeichen der Unterwürfigkeit. Desto beharrlicher waren die Deutschen im Verfolgen der eingeschlagenen Richtung. Albert, Livlands dritter Bischof und Gründer von Riga (1201), hatte den Gedanken gefaßt, durch Stiftung eines geistlichen Ritterordens die rohe Kraft des Schwertes in diesen Gegenden vermittelst religiösen Zwanges in Zaum zu halten, und durch die corporative Gemeinschaft, die er dem Orden gab, die Unterwerfung des Landes mit systematischer Strategie zu Stande zu bringen. So wurde das mit Hülfe des weltlichen Schwerts eroberte und behauptete Land durch die Geistlichen bekehrt, und der Kaufmann leitete die Lebensquellen des neuerworbenen durch die neuerbauten Städte auf die Wege des allgemeinen Handel- und Völkerverkehrs. Alljährlich kamen und gingen über das vielbesuchte Gothland neue Schaaren von Pilgrimen und Rittern, die ein jeder sein Theil von dem Ruhm des großen Unternehmens davon zu tragen trachteten. Vornehmlich Sachsen und Dänen bevölkerten das Land, nur die Schweden nahmen wenig oder gar nicht Theil. Sie hatten ihren eigenen Kreuzzug nach dem benachbarten Finnland gerichtet, wo sie um dieselbe Zeit anfingen, sich auszubreiten, als Livland von den Deutschen entdeckt ward. Im Jahr 1160 fiel der schwedische König Erich selbst im Kampfe gegen die finnischen Heiden. Auch den Russen und Deutschen drohten sie die Wasserstraße durch den finnischen Meerbusen abzuschneiden. Darüber kam es im Jahre 1188 zwischen Nowgorodern und Schweden zum Kriege. „Die Nowgoroder (berichtet eine nowgorodische Chronik bei diesem Jahr) verhafteten die auf Gothland einheimischen Waräger in Choruschka und Nowoi-Torshok; sie ließen im nächsten Frühjahr keinen der Ihrigen übers Meer ziehen, schickten den Warägern keine Gesandten zu und entließen die Verhafteten in Unfrieden“ *).

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*) Lehrbergs Untersuchungen S. 261.

 

 

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Erste Abtheil. Die hanseatische Zeit des Mittelalters.

 

Das Bedürfniß, neue Handelswege sich nach Rußland zu bahnen, mußte den Deutschen jetzt sich um so unabweisbarer aufdrängen, da der bisherige Wasserweg bis zu dem erst im Jahre 1201 wiederhergestellten Frieden zwischen Nowgorod und Schweden dreizehn Jahre lang gesperrt und somit aller Handelsverkehr so gut wie abgeschnitten war. Der Versuch dazu ward in der That noch während eben dieses Krieges gemacht, wie wir aus dem Bericht Heinrichs des Letten erfahren. Beim Jahre 1206 erzählt dieser älteste Chronist livländischer Geschichten: „in dieser Zeit wurde der Priester Alobrand, nebst einigen anderen, nach Ungannien geschickt, um die Güter der Kaufleute zurück zu verlangen, welche denselben früher, noch vor der Erbauung Rigas, als sie zu Wagen von der Düna aus nach Pleskow sich begaben, von den Unganniern auf den Rath der Liven geraubt worden waren, und deren Werth sich auf wenigstens 1000 Mark belief;“ *) — Nicht lange darauf sehen wir auch schon den zweiten Hauptweg eröffnet, der auf und längs der Düna von Riga aus nach Russland führte. Beim Jahre 1209 nämlich heißt es, „in diesem Jahre wurden der Schwertritter Arnold und seine Gefährten zum König (Fürsten) von Plotzk nach Rußland geschickt, um ihn zum Frieden zu stimmen und den rigischen Kaufleuten den Zutritt in sein Land auszumitteln, was ihnen auch zugestanden wurde, doch unter der Bedingung, daß die Liven oder der Bischof an ihrer Statt den schuldigen Tribut jährlich entrichten sollten.“ Zwei Jahre später kam es zu einem anderen Vertrage, durch den die freie Fahrt auf der Düna den Kaufleuten für immer zugesichert, von dem früher ausbedungenen Tribut aber gänzlich abgesehen wurde **), und noch achtzehn Jahre später schlossen die Stadt Riga und die Kaufleute auf Gothland mit dem russischen Fürsten Mistislaw von Smolensk den wichtigen Vertrag vom Jahre 1229 ab, der beiden Theilen die in demselben auf dem Grundsatz der Gleichheit ausbedungenen Handelsfreiheiten bestätigend aufs Neue festsetzte, daß „der rigaische Bischof, das Haupt der Gottesritter, und alle Landesherren den Dünafluß freigäben, von oben bis unten zum Meere, sowohl zu Wasser, als auf dem Ufer, allen Lateinern und allen Russen.

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*) Origines Livoniae ed. Gruber p. 57
**) Ebendaselbst S. 70. u. S. 86.

 

 

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Viertes Cap. Colonisation von Livland.

 

Wer nur ein wirklicher Kaufmann sei, dem werde männiglich die Freiheit gegeben, die Düna herauf und hinab zu fahren.“ *)

 

Einfügung: Vertrag von Smolensk (1229) im Europäischen Hansemuseum in Lübeck

 

Erst durch diesen von den deutschen Colonien Livlands aus mit Russland eingeschlagenen Verkehr erhielt der Handel mit Rußland eine feste und unumstößliche Basis. Erst hierdurch wurde die Berührung der deutschen und der russischen Nation eine unmittelbare und ihre Verbindung eine durch die gegenseitige Lage ihrer Länder und durch die Bedürfnisse ihrer Bewohner nothwendig bedingte und von ihrem beiderseitigen Wohl und Gedeihen untrennbare. Denn erhielt auch der Deutsche in Nowgorod als Vermittler mit dem Auslande ein fast unumschränktes und lange dauerndes Schutzrecht; so war es doch lediglich nur das Interesse des Handels, was ihn dort mit dem Russen verband. Nie konnte er dort völlig Wurzel fassen, nie heimisch werden. Die Nationen selbst blieben streng von einander geschieden. Selbst dieser Hauptzweck ihrer Verbindung erlitt nur zu häufig durch die schroffe Berührung der einander fremden Nationalitäten empfindliche Störungen und beiden Theilen nachtheilige Unterbrechungen — Nur durch Anlegung der deutschen Colonien in Livland konnten die Vortheile dieser Verbindung, mit Vermeidung der eben angedeuteten Gefahren, gesichert werden. Hier trat den Deutschen keine politisch-selbstständige Nationalität entgegen; hier konnten sie sich ihren eigenen Heerd und Hof bauen; statt eines bloßen Handelscomptoirs konnten sie hier förmliche Handelscolonien stiften, die aus den eigenen Provinzen, in denen sie lagen, einen verhältnismäßig geringen Theil ihrer Nahrungsquellen schöpfend, als großartige Erweiterung des nowgorodischen Hofs betrachtet werden müssen.

 

So verdankten nebst Riga, das jedoch den größten Theil seiner Ausfuhr durch die Düna erhielt, Dorpat, Pernau, Reval, und das erst in späterer Zeit sich hebende Narwa die Blüthe ihres Wohlstands ihrem Handelsverkehr mit Nowgorod.

 

 

2) Förderung des in der deutschen Hanse liegenden welthistorischen Moments.

 

Das Aufblühen dieser livländisch-deutschen Städte führt uns, um dem Keim ihres innern Lebens auf den Grund zu kommen,

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*) Ewers und Engelhardt, Beiträge zur Kenntniß Rußlands und seiner Geschichte, I. 327 ff.

 

 

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Erste Abtheil. Die hanseatische Zeit des Mittelalters.

 

wieder der Betrachtung der anderen Seite des oben von uns berührten welthistorischen Momentes zu, welche eben so, wie die Ausbreitung deutschen Lebens an den östlichen Küstenländern des heutigen russischen Reichs hauptsächlich durch die Verbindung Nowgorods mit Wisby zur Entwicklung kam: die hanseatischen Verhältnisse und die durch den hansischen Handel hervorgerufene politisch-mercantile Städteverbindung sind es, die wir zu berücksichtigen haben; doch nur in so weit, als es zur Aufklärung des Verhältnisses, in dem Livland und die Deutschen zu Nowgorod und Russland standen, unumgänglich erforderlich ist.

 

Wir gehen hier wieder von der Gesellschaft des gemeinen Kaufmanns aus. Je mehr diese sich ausbreitete, je weiter der Kreis von Städten sich ausdehnte, die der gemeine Kaufmann in sein Interesse zog, um so mehr erkannten diese, wie sehr ihr eigener Vortheil es erheische, daß sie die Sache der Gesellschaft zu ihrer eigenen machten. Kamen doch die Freiheiten, die man dieser ertheilte, auch jenen zu Gute, wie auch häufig gewissen Städten und dem gemeinen Kaufmann gemeinschaftliche Privilegien ausgestellt wurden. Der Kaufmann selbst konnte ohne den Schutz und den Beistand der Städte auf eine größere Zunahme des Verkehrs nicht rechnen. Bei allen allgemeinen, den Handel betreffenden Beschlüssen kam es daher bald noch mehr auf die Entscheidung der Städte, als auf die Gesellschaft des gemeinen Kaufmanns an. So wendet sich im Jahre 1268 Konrad von Mandern, Meister des deutschen Ordens in Livland, im Namen aller Machthaber dieses Landes, gemeinschaftlich an die Bürger von Lübeck und den gemeinen Kaufmann, um durch sie, zu Gunsten Livlands, einen den nowgorodischen Handel betreffenden allgemeinen Beschluß zu bewirken *); und auf gleiche Weise statten im Jahr 1278 Johann, Erzbischof von Riga, Ernst, Meister des deutschen Hauses in Livland, und Simon, Ritter von Oberg, dänischer Hauptmann zu Reval und Wirland, gemeinschaftlich dem Vogt und den Rathmännern zu Lübeck, nebst allen Kaufleuten, die die Ostsee befahren, ihren Dank dafür ab, daß sie ihren Wünschen gemäß den Handel in Rußland untersagt hätten **).

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*) Hansisches Urkundenbuch, herausgegeben von Lappenberg, S. 95.
**) Ebendaselbst S. 111.

 

 

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Viertes Cap. Förderung des welthistorischen Moments.

 

Im Gefühl der Unzulänglichkeit seiner Mittel, begab sich der gemeine Kaufmann aus freien Stücken seiner autonomischen Selbstständigkeit. In dieser Beziehung ist ein Schreiben vom Jahre 1329 merkwürdig, durch welches der gemeine Kaufmann, d. h. alle deutschen Kaufleute, die nach Ellenbogen in Schonen fahren, den Rath von Lübeck bitten, in Betracht ihrer fortdauernden Unterwürfigkeit, ihrer in Ellenbogen gestifteten Gesellschaft Beistand zu leisten, weil ohne solche Hülfe die Gesellschaft nicht sich in gedeihlichem Zustand zu erhalten vermochte. In dem Antwortschreiben Lübecks aber sieht dieses seine Herrschaft über den gemeinen Kaufmann als eine schon gewohnte und durchaus begründete an, indem es dem gemeinen Kaufmann die Statuten seiner in Ellenbogen gestifteten Gesellschaft bestätigt und vornehmlich den Bürgern von Lübeck, welche zu ihr gehören, dieselben wohl zu halten einschärft, da im Uebertretungsfall gegen jeden, wer es auch sei, und gegen seine aufsätzigen Bürger so eingeschritten werden würde, daß Andere ein Beispiel der Furcht und des Schreckens daran haben sollten *).

 

Ganz entschieden endlich wird die Abhängigkeit des gemeinen Kaufmanns und des Hofs zu Nowgorod von den Städten in dem Receß der Abgeordneten der Seestädte zu Lübeck vom 24. Juni 1366 ausgesprochen, wo es heißt: „von dem Wisbyschen und Lübischen Drittel ist beschlossen worden, daß die Kaufleute, welche sich in Nowgorod befinden, ohne Vorwissen und Einwilligung Lübecks, Wisby’s und der übrigen Städte, an die sie vorher deshalb schreiben müssen, keine großen, gewichtigen und viel umfassenden Einrichtungen machen sollen.“ **) — Eben dieses allgemeine Gesetz wurde unter demselben Datum, „den Oldermännern und dem gemeinen Kaufmann der deutschen Hanse zu Nowgorod,“ zur Nachachtung bekannt gemacht ***). Aber schon viel früher hatte sich dasselbe für besondere Fälle practisch geltend gemacht, wie wir aus einer Verordnung des Hofs zu Nowgorod vom Jahre 1332 ersehen, in welcher es heißt: daß von dem Oldermann des Hofs,

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*) Ebendaselbst S. 321 und 323.
**) Ebendaselbst S. 582.
***) Ebendaselbst S. 583.

 

 

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Erste Abtheil. Die hanseatische Zeit des Mittelalters.

 

seinen Weisesten und dem gemeinen deutschen Kaufmann in ihrer allgemeinen Versammlung beschlossen worden sei, bei Verlust von S. Peters Recht das Kaufen verfälschten Gutes zu verbieten, „nach dem Gebote, also die Städte in den Hof zu Nowgorod geboten hatten.“ *)

 

War auf diese Weise der gemeine Kaufmann erst factisch, dann auch gesetzlich, um seine politische Selbstständigkeit gekommen, so mußte die Umwandlung der Verfassung des Hofs sich zunächst an den Befugnissen und Rechten, die den Vorstehern desselben, den Oldermännern zustanden, bemerkbar machen. Früher war, wie wir sahen, die Wahl der Oldermänner frei gewesen, gleich viel, aus welchen Städten sie sein mochten; allein das Herkommen hatte mit sich gebracht, daß sie aus den vornehmsten Handelsstädten, Wisby und Lübeck, gewählt wurden, und da sie nun selbst dieser Städte Mitbürger waren, mochten sie sich um so weniger dem übergreifenden und auf Kosten der Gesellschaft sich geltend machenden Einfluß derselben entgegensetzen. So kam es schon im Jahre 1346 zu einem Beschluß, durch den nicht nur die Wahl der Olderleute auf die Bürger der genannten beiden Städte beschränkt, sondern überdies noch festgesetzt wurde, daß diese Wahl nur durch die von den Städten hiezu abgesandten Wahlmänner vorgenommen werden sollte **). Und zwar sollte des Hofs Oldermann wechselsweise ein Mal aus Lübeck, das andere Mal von Gothland erkoren werden; zugleich aber wurde die Macht dieses Oldermanns bedeutend erhöht, um die Freiheit des Hofs um so mehr herabzudrücken. Sobald nämlich der Oldermann des Hofs sein Amt antrat, mußten S. Peters Elterleute (deren es jetzt zwei gab) ihm die Schlüssel übergeben, alle Aemter hörten auf und ihm stand es zu, sie aufs Neue zu vertheilen und zu besetzen. Ja sogar die Elterleute S. Peters erhielt er Gewalt zu ernennen, und zwar mußten diese gleichfalls von Lübeck und von Gothland sein, und nur wenn keine Lübecker und Gothländer gegenwärtig wären, sollte man dazu Leute ernennen, die sich zufällig im Hofe befänden, doch nicht auf längere Zeit, als bis Jemand von Lübeck und von Gothland käme, dann gleich sollten die

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*) Ebendaselbst S. 282.
**) Ebendaselbst S. 275 und 276.

 

 

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Viertes Cap. Förderung des welthistorischen Moments.

 

Weisesten von ihnen ernannt werden *). Endlich im Jahre 1363 erhöhete man die Macht des Oldermanns des Hofs auch noch dadurch, daß seine Unabsetzbarkeit erklärt wurde.

 

Hatten so die Städte die Verwaltung des Hofs an sich gebracht, so konnten zugleich auch erst jetzt, durch die Art, wie die Elterleute gewählt wurden, Lübeck und Wisby, als alleinige Beherrscher des Hofs, über die übrigen Mitstädte einen durchgreifenderen Einfluß ausüben. Da aber ein Theil dieser Städte, vornehmlich die livländischen nicht immer gleiches Interesse mit den wendischen theilte, so mußte das gebieterische Ansehen, das sich Lübeck anmaßte, nothwendig Unzufriedenheit und Widerspruch bei jenen hervorrufen. Riga ließ es daher auch an Reclamationen gegen die einseitige Besetzung der Olderleute durch Lübeck und Wisby nicht fehlen; allein es wurde von dem gemeinen Kaufmann zu Nowgorod überstimmt, der allerdings Recht haben mochte, wenn er sagte, daß die Aeltesten unter ihnen sich nicht erinnerten, daß die Rigaer jemals zu Olderleuten erwählt worden seien, unmöglich aber konnte es geneigt sein, dem gemeinen Kaufmann in der Erklärung beizustimmen: Lübeck stets unterwürfig zu sein und jeden zum Oldermann anzunehmen, den diese Stadt nebst Gothland definitiv dazu bestimmen werde **). Nichts desto weniger setzte sich, trotz des Widerspruchs Einzelner, fest, was in der Natur der Dinge begründet war. Lübeck und Wisby als Vorstände aller behufs des nordischen Handels mit einander verbundenen Städte, für die auch jetzt erst der gemeinschaftliche Name der deutschen Hanse aufkommt ***) (1330), theilten sich in die Herrschaft, die sie vorzüglich bei der Leitung und Regierung des Hofs zu Nowgorod geltend machten, und nur dadurch, daß die schwächeren Städte untergeordneten Ranges sich den stärkeren und bedeutenderen anschlossen, nur durch das gemeinschaftliche, feste Zusammenhalten aller ins Gesammt, wurde es möglich, allgemeinere Maßregeln zum Schutz und Gedeihen des Handels in Ausführung zu bringen. „Erwerbung gemeinschaftlicher Rechte und Freiheiten im Auslande, Schutz des Verkehrs zu Wasser wie zu Lande, Erhaltung der Einigkeit und Ordnung unter den

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*) Ebendaselbst S. 276.
**) Ebendaselbst S. 221 und 222.
***) Lappenberg, urkundl. Gesch. der deutschen Hanse, S. 47.

 

 

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Erste Abtheil. Die hanseatische Zeit des Mittelalters.

 

Gliedern des Bundes, Bestrafung der den Beschlüssen desselben nicht Folge leistenden Städte; diese und ähnliche Zwecke waren es, welche die Abgeordneten der Städte jetzt zu ihren besonderen Vereinen und aus ihren allgemeinen, gewöhnlich in Lübeck gehaltenen Tagsatzungen zusammenführten“; das glückliche Erreichen dieser Zwecke aber war es, was zu einer Zeit, wo Willkür und wildes Faustrecht die Grundlagen der Staaten zu zertrümmern drohten, die hanseatischen Städte zu einer Macht erhob, welche zur See und zu Lande und zwar durch die Förderung großer Interessen herrschend, die Culturentwicklung der neuern Zeit so wesentlich begünstigt hat.

 

Diese Umwandlung der hanseatischen Verwaltung, die so von dem kaufmännischen Verein in den Gesammtverein der Städte übergegangen war, konnte durch nichts sich glänzender rechtfertigen und ihre innere Nothwendigkeit großartiger bethätigen, als durch das einmüthige Zusammenhalten sämmtlicher Hansestädte gegen den König Waldemar III. von Dänemark, der durch die Eroberung Wisbys, des Mittelpuncts ihrer Vereinigung, sie alle an ihrer Ehre und Existenz gekränkt und angegriffen hatte. — Im Jahre 1361 traten die wendischen Städte zu einem Bündniß zusammen, zu dessen Förderung auch die preußischen Städte wenigstens allen Handel mit Dänemark aufgaben. Ihnen gesellten sich noch in demselben Jahre Hamburg, Bremen und Kiel bei, desgleichen auch der Graf Heinrich von Holstein und der Herzog von Mecklenburg, und unter Anführung des Grafen von Holstein und des Bürgermeisters Johann von Wittenberg gelang es ihnen alsbald dem Könige Gothland wieder zu entreißen und seine Flotte zu schlagen. Als aber ein paar Jahre darnach der König Waldemar sich für die abgesetzten Könige von Schweden, Magnus und Hakon, erklärte, den von den Hansen unterstützten Herzog Albrecht von Mecklenburg aber nicht anders als König in Schweden anerkennen wollte, als wenn er ihm aufs Neue Gothland und Oeland abträte, „da sahen die Städte wohl ein, daß von der Art der Beendigung dieser verschiedenen Verwirrungen, ihr Ansehen, ihr Handel, ihre Freiheit abhingen. Sie verbanden sich daher im Jahre 1367 mit einander zu Köln, um mit den Waffen ihre Widersacher zu bekämpfen, in einer größeren Ausdehnung als es bisher geschehen war. Alle östlich und westlich an den deutschen Küsten belegenen Städte traten

 

 

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Viertes Cap. Förderung des welthistorischen Moments.

 

bestimmter, als es je zuvor der Fall war, gegen die beiden Könige Waldemar von Dänemark und Hakon von Norwegen in eine Verbindung zusammen, die zu Köln im Jahre 1367 von den daselbst versammelten Abgeordneten einiger Städte der Ost- und Westsee, wie es scheint, Namens Aller, wie sie an den Küsten von Livland und Preußen bis zum Zuidersee, Holland und Seeland lagen, abgeschlossen ward“. *). Hakon zwangen sie zur Anerkennung Albrechts und Bestätigung aller Privilegien, die sie in Norwegen inne hatten, (in den Jahren 1369 und 1370) indem sie auf den Küsten dieses Landes einfielen, Kirchen und Klöster plünderten und 200 Dörfer in Asche legten. — Noch glücklicher waren sie gegen Dänemark. Im Jahre 1365 eroberten sie Kopenhagen, Helsingoer, den Schlüssel des Sundes; auch Nykiobing und Falsterbo fielen in ihre Hände; sie konnten den Frieden dictiren: auf 15 Jahre blieben die Hansen im Besitz aller festen Plätze in Schonen und aller dazu gehörigen Landstrecken. **).

 

Allein trotz dieses glücklichere Resultats des einigen Zusammenhaltens der Städte, traten doch die Differenzen innerhalb des Bundes nach Beseitigung der gemeinsamen Gefahr, wieder um so offener hervor, da die verschiedenen und auseinandergehenden Interessen der einzelnen Bundesglieder selbst; immer mehr zum Vorschein kommen mußten, je weiter sich ihre Handelsthätigkeit entwickelte.

 

Jene großen, gemeinsamen, schöpferischen Elemente, welche in dem Bunde der deutschen Hanse, so wie in der Gesellschaft des gemeinen Kaufmanns lagen, hatten nebst der Gründung des Hofs zu Nowgorod auch die Colonisation von Livland herbeigeführt: der deutschen Hanse, so wie den Deutschen überhaupt hatte Russland seine erste Verbindung mit dem civilisirten Europa zu verdanken gehabt. Mußte nicht hinwiederum auch das Moment der Trennung, welches den Untergang der Hanse verursachte, dem deutschen Leben in den Ostseeprovinzen Tod und Verderben bringen, und die durch die letzteren vermittelte Verbindung Rußlands mit den Deutschen der Vernichtung entgegen führen?

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*) Lappenberg, urkundliche Geschichte d. d. Hanse, S. 61 und 62.
**) Ebendaselbst S. 65.

 

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Erste Abtheil. Die hanseatische Zeit des Mittelalters." .

 

Fünftes Capitel.

 

Absonderungsprincip und Oberhand der Sonderinteressen.

 

Hier ist es Vor Allem die Eifersucht der um die Vorherrschaft buhlenden Städte des Bundes selbst, Lübecks und Wisbys, von wo wir auszugehen haben. War Wisby, so lange die Gesellschaft des gemeinen Kaufmanns die Blüthe der hanseatischen Macht vorbereitete, durch seine insularische Lage sowohl, wie durch seine geringere Entfernung von Nowgorod, der Mittelpunct des gesammten nordischen Handelsverkehrs und das eigentliche Haupt der an diesem Handel Theil habenden Städte geworden; so mußte in eben dem Verhältniß als die Herrschaft der Städte sich hob, das Ansehen des gemeinen Kaufmanns aber in Verfall gerieth, Lübeck in der Mitte sämmtlicher den Bund der Hanse bildenden Städte des Festlandes gelegen, ein immer entschiedeneres Uebergewicht über Gothland erhalten. — Dieser sich allmälig von selbst geltend machende Einfluß Lübecks über die übrigen Städte der Hanse hatte zu Wege gebracht, daß eine große Anzahl hansischer Städte sich mit lübischem Recht bewidmen ließ. Nichts war daher natürlicher, als daß diese Städte auch in streitigen Fällen sich an Lübeck wandten und daß dieses hinwiederum hierauf ein ausschließliches Recht auf die Herrschaft des Hofs zu begründen suchte. So brach schon zu Ende des dreizehnten Jahrhunderts zwischen Lübeck und Wisby ein heftiger Zwist über die Vorherrschaft des Hofs aus. Ein großer Theil der sächsischen, wendischen, preußischen und westphälischen Städte traten Lübeck bei, namentlich Köln, Dortmund, Paderborn, Minden, Lemgo; ferner Magdeburg, Halle, Braunschweig, Goslar, Hildesheim, Hannover und Lüneburg, Rostock, Stralsund, Wismar, Greifswald, Kiel, Stade und endlich auch Riga nach anfänglicher Weigerung; dahingegen Danzig, Elbingen, Hamburg, Münster, Soest, Osnabrück und Bremen; sodann Reval, Dorpat, Pernau, Königsberg, Thorn, Kulm und Braunsberg, Anklam, Demin und Stettin nebst vielen andern hielten zu Wisby. Noch ist uns ein eindringliches Schreiben Wisbys an den Magistrat von Osnabrück erhalten, um das Jahr 1294, durch welches diesem dafür gedankt wird, daß es Lübecks Aufforderung nicht gefolgt sei, die Freiheiten und Rechte der Gothland und den Hof zu Nowgorod

 

 

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Fünftes Cap. Absonderungsprincip u. Sonderinteressen.

 

besuchenden Kaufleute aus Lübeck zu übertragen und mit lübischem Recht zu vertauschen. Zugleich wird ihm eingeschärft nicht zu vergessen, daß seine Vorfahren es ja gewesen, die vor uralten Zeiten, diese Freiheiten als derselben Urheber und Mitstifter zuerst in den Hof von Nowgorod gebracht hätten, und wie dieselben von dem gemeinen Kaufmann auf dem Hof sowohl wie in Gothland auch von jeher bis auf die gegenwärtige Zeit einmüthig gehalten worden seien. Es scheine den Kaufleuten daher höchst befremdend, daß jeder Kaufmann, der sich in Nowgorod oder Gothland aufhalte, mit Zurücklassung seiner Güter sich nach Lübeck begeben solle, um zu seinem Recht zu gelangen, und darum werde der Magistrat von Osnabrück gebeten, ohne Einwilligung der östlichen Städte der Aufforderung Lübecks auch in Zukunft nicht Folge zu leisten *).

 

Solchen Bemühungen und der Eifersucht der übrigen Städte auf Lübecks Uebermacht hatte Wisby es zu verdanken, daß es neben diesem die Mitherrschaft des Hofs bis ins funfzehnte Jahrhundert hinein behauptete; nachdem es aber durch die Eroberung vom Jahre 1361 seinen alten Glanz eingebüßt hatte, konnte es nie recht zu Kräften kommen, bis es zu Anfang des sechzehnten Jahrhunderts wieder zu gänzlicher Unscheinbarkeit hinabsank.

 

Auch andere Städte des Bundes mußten zu ähnlichen Beschwerden wie Wisby Veranlassung finden, da zu allen Zeiten die gleichmäßige Vertheilung der Macht unter die mit einander verbundenen politischen Gemeinheiten zu den schwierigsten Räthseln der Staatskunst gehört hat. Ueber beide, die östlichen wie die westlichen Theile des Bundes suchte Lübeck nebst den übrigen wendischen Städten seinen Einfluß weiter auszudehnen, als es mit dem Vortheil und Wohl der ersteren verträglich war. — Wie wenig Riga damit zufrieden war, daß Lübeck die ausschließliche Leitung des Hofs zu Nowgorod an sich riß, hatten wir schon oben Gelegenheit zu bemerken **). Riga aber und die livländischen Städte überhaupt konnten mit Recht Anspruch darauf machen, mit besonderer Rücksicht behandelt zu werden, da die

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*) Wigand‘s Archiv der Geschichte und Alterthumskunde Westphalens, B. I. Heft 4· S. 18.

**) S. S. 42 f.

 

 

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Erste Abtheil. Die hanseatische Zeit des Mittelalters.

 

Hanse in ihrem nowgorodischen Handel fast ganz von den livländischen Ostseeprovinzen abhängig war, seitdem die Schweden durch die Eroberung von Karelien und die Erbauung Wiburgs (im Jahre 1293) die Wasserfahrt durch die Newa beherrschten, welche bei den fortwährenden Kriegen mit den Russen, trotz der ab- und zu erneuerten Privilegien auf eine freie Fahrt durch die Newa nach Nowgorod, doch immer wieder aufs Neue bedroht wurde. Man sah sich daher genöthigt, die livländischen Seestädte zu den eigentlichen Hafenstädten Nowgorods zu machen, und zu diesem Zweck mußten sie mit besonderen Privilegien ausgestattet werden. So gewährte schon im Jahre 1294 König Erich von Dänemark den Bürgern von Lübeck und von Gothland und den Kaufleuten aller Seestädte, die die Ostsee befahren wollten, auf ihre Bitte die freie Fahrt durch ganz Ehstland und Wirland der Narowa entlang bis nach Nowgorod zu, *) und im Jahre 1346 wurde ausdrücklich (zugleich mit der Absicht die hansesche Verwaltung einer stärkeren Controle zu unterwerfen) von den Vorstehern des Hofs zu Nowgorod und dem gemeinen Kaufmann der Beschluß gefaßt, Niemand solle sein Gut auf verbotenen Wegen, sei es durch Preußen, Kurland, Oesel oder Schweden, führen, sondern allein über Riga und Pernau.

 

Auch Riga mußte nun ein größerer Einfluß auf die Verwaltung des Hofs zu Nowgorod eingeräumt werden. Allein die Vortheile jener Maßregeln, deren Ausführung in späterer Zeit immer schwieriger ward je mehr die Handelsthätigkeit auch unter den fremden Nationen zunahm, wurden auf eine für die freie Entwicklung der Ostseeprovinzen unerträgliche Weise großentheils dadurch wieder aufgehoben, daß Lübeck nebst den übrigen wendischen Städten den Zwischenhandel zwischen den östlichen und westlichen Gliedern des Bundes auch da noch sich allein vorbehalten wollte, als diese solcher Hülfe nicht mehr bedurften, und die Niederländer die direkte Fahrt nach Livland eben so gern unternahmen, wie die Livländer, vornehmlich seit den letzten Jahrzehnden des vierzehnten Jahrhunderts, es an Versuchen, von der Ostsee aus die Westsee zu befahren, nicht fehlen ließen.

 

Zwischen den wendischen und den niederländischen Städten

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*) Cassel, Sammlung ungedruckter Urkunden, S. 7.

 

 

 

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Fünftes Cap. Absonderungsprincip u. Sonderinteressen.

 

brach die Handelseifersucht schon in den ersten Jahrzehnden des funfzehnten Jahrhunderts zu offenbarem Krieg aus. Während des neunjährigen Krieges, den jene mit Erich von Dänemark (1426 — 1435) führten, hielten diese, um neue Handelsvortheile und Ersatz für die erlittene Zurücksetzung zu erlangen, sich zu dem Feinde der Hanse. Hierdurch kam es zum völligen Bruch, indem mehrere Statute erlassen wurden, in denen es hieß: „daß keiner von den Niederländern auf einem hansischen Comptoir zugelassen, keinem die russische Sprache in Livland gelehrt, keines ihrer Schiffe von Hansen nach Livland befrachtet und kein holländisches Tuch, wie es wenigstens bisweilen geboten ward, in den Bundesstädten verkauft werden sollte“. *)

 

Nach diesem Kriege kam es zu einer dauernden Versöhnung nie wieder, nur einige von den unbedeutenderen Städten der Niederländer blieben noch fernerhin mit dem Bunde in Gemeinschaft.

 

Etwas länger zwar als mit den niederländischen, erhielt sich noch zwischen den wendischen und den livländischen Städten ein leidliches Vernehmen, allein mit dem gänzlichen Ausschluß der Niederländer, wie auch der Engländer von der Ostsee, konnten die livländischen Städte unmöglich einverstanden sein, so sehr auch die Beschränkungen, denen die Niederländer und die Engländer als Gäste unterworfen waren, in ihrem eigenen Interesse lagen; vielmehr sahen sie, die Livländer, es nicht ungern, „daß sie durch die Ankunft dieser Fremden die ausländischen Waaren wohlfeiler erhielten, ihre und die durch ihre Hände gehenden polnischen, lithauischen und russischen Güter schneller und bequemer umsetzen konnten, als wenn sie, wie es bisher zum Theil der Fall war, der westlich belegenen Hansestädte zu diesem Zweck sich bedienten“.

 

Noch näher aber wurden die Livländer bei diesem Treiben der wendischen Städte betheiligt, als diese auch sie nicht mehr den Sund wollten passiren lassen, sondern verlangten, sie sollten mit ihren Schiffen blos, wie das sonst der Fall gewesen sei, auf die Trawe kommen. **) So bedurfte es auch hier nur eines

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*) Sartorius Geschichte der hansischen Bundes, Thl. II. S. 278 flg. und S. 395.
**) Ders. im. a. W., Thl. III. S. 196, Thl. II. S. 294.

 

 

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Erste Abtheil. Die hanseatische Zeit des Mittelalters.

 

äußeren Anlasses, um die schon vorhandene Spaltung zwischen den livländischen und den wendischen Städten zu einer vollkommenen Trennung zu bringen. Diese war in der Vernichtung des nowgorodischen Freistaats durch Iwan III. Wasseljewitsch (1478), so wie in der durch denselben Autokraten im Jahre 1498 vollzogenen Aufhebung des deutschen Hofs zu Nowgorod gegeben. — Durch diesen doppelten Akt der Selbstherrschaft ward eine große Vergangenheit zum Abschluß gebracht. Viele Hunderte von angesehenen Bürgern mußten in die Verbannung wandern, die nicht durch gewaltsam aus anderen Gegenden des Reichs an ihre Stelle gesetzte Unterthanen ersetzt werden konnten. — Eben diejenigen, durch die allein der alte Wohlstand sich wieder herstellen ließ, die deutschen Kaufleute des Hofs zu Nowgorod, wurden, statt ihre Vorrechte dem Bedürfniß der Zeit gemäß auf das billige Maß des Rechts zurückzuführen, ihrer Güter und ihrer persönlichen Freiheit beraubt. Somit war die bisher durch den deutschen Hof gesetzlich garantirte Verbindung der Deutschen mit Nowgorod aufgelöst, der Staat auf dem die Vermittlung Rußlands mit dem europäischen Westen beruhte, in Verfall gerathen und „der Brunnquell“ der hansischen Macht versiegt. — Fruchtlos waren die Bemühungen Lübecks, den nicht zu verschmerzenden Verlust durch Herstellung des Hofs zu Nowgorod wieder gut zu machen. — Ohne die hierauf bezüglichen Wünsche und Forderungen der Hanse sonderlich zu beachten, schlossen die livländischen Städte mit dem Beherrscher von Rußland einseitige, ihren besonderen Vortheil wahrende Verträge ab, begünstigten fortwährend den verbotenen Verkehr mit Engländern und Holländern und hoben factisch allen Verband mit dem Bunde auf, so daß dieser eines Gliedes nach dem anderen beraubt, macht- und kraftlos dastand, Livland aber selbst sich, als es im Jahre 1558 von Iwan IV. Wassiljewitsch mit Krieg überzogen ward, von unvermeidlichem Ruin bedroht sah.

 

Waren nun wirklich alle Fäden eines vernünftigen Zusammenhanges zwischen der in so vielen Beziehungen großen Vergangenheit des Mittelalters und der zunächst bevorstehenden Zukunft sinnlos abgeschnitten; hatte Rußland wirklich auch die Anfänge seiner Cultur wieder eingebüßt, sollte es auch die ihm benachbarten, es zu seiner Europäisirung führenden Culturländer

 

 

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Fünftes Cap. Absonderungsprincip u. Sonderinteressen

 

in die Barbarei und bodenloses Elend mit sich hinabziehen, war auch in diesen deutschen Communen selbst jenes großartige welthistorische Moment der Entwicklung von dem Particularismus so durch und durch zersetzt, so ganz und gar ertödtet; oder läßt sich nicht vielmehr auch hier jene ewige Metamorphose des stets aus dem Tode neues Leben gebärenden allwaltenden Weltgeistes nachweisen, der die wirksamen Urkräfte, die das Leben erzeugen, dem nur das Oberflächliche schauenden Auge im geheimnißvollen Moment der Schöpfung entzieht, um sie bald verjüngt in vollkommenerer Gestalt an das Licht emporzusenden?

 

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Zweite Abtheilung.

 

Neue Anfänge. Livlands Anschluß an die östlichen Großmächte: Polen, Schweden, Rußland.

 

 

 

Zweifelnd mag der Leser Bedenken tragen über den historischen Optimismus des Verfassers, wenn er die Resultate, zu denen wir jetzt gelangt sind, doppelte Auflösung, innere Zerrüttung des blühendsten Reichs im alten Rußland, Verfall der Hanse und des deutschen Hofs zu Nowgorod und Zerstörung der deutschen Ostseeprovinzen, mit dem zusammenhält, was von uns verheißen ward, als wir zuerst den Untergang von Nowgorod berührten: durch die deutschen Ostseeprovinzen zu erwartende Regeneration der durch die nowgorod-wisbysche Verbindung nur erst angebahnten und vorbereiteten Verhältnisse; er wird aber ohne Weiteres durch das factische Resultat der Gegenwart die Ansicht des Verfassers gerechtfertigt finden, wenn er erwägt, wie schon seitdem sie dem russischen Reiche einverleibt wurden, seit mehr als 100 Jahren diese deutschen Ostseeprovinzen die in ihnen liegende Bestimmung immer erfreulicher und bedeutungsvoller zu entwickeln und herauszustellen fortgefahren haben. Diese factische Gewißheit überhebt uns der trostlosen Aufgabe, dem anderthalb Jahrhundert, die ganze Zwischenzeit hindurch, vom Ende der Ordensherrschaft bis zur Vereinigung Livlands mit Rußland, währenden Gährungsproceß dieses isolirten Küstenlandes in all‘ seinen Einzelheiten nachzuspüren, und ebenso wenig verstatten uns die hier gesteckten Grenzen, ausführlich auf die von Iwan IV. Wassiljewitsch an, bis auf Peter den Großen, wenn auch nur spärlich sich kund thuenden Zeichen einer modernen Staatsbildung in Rußland aufmerksam zu machen; genug: auch die Zeit der Noth und der Drangsale war eine Zeit des Uebergangs; aus dem Untergang vergangener Größe gingen die Geburtswehen einer reicheren, vielumfassenderen Neuzeit hervor, und selbst der Despotismns, wenn er das Moment der Bewegung

 

 

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Zweite Abtheil. Neue Anfänge.

 

und des Fortschritts in sich schließt, ist besser, als eine in sich verdumpfte republicanische Anarchie.

 

Nowgorod wenigstens hatte seine Ausgabe schlecht gelöst und ein auffallendes Beispiel seiner nationalen Unmündigkeit und seiner geistigen Unfreiheit gegeben. Wenn irgendwo in Rußland, hätte sich in Nowgorod eine der europäischen Cultur sich annähernde nationale Bildung erzeugen müssen; durch den lebendigsten Verkehr mit dem Auslande mußten von allen Seiten die vorhandenen Keime geistiger Eigenthümlichkeit angeregt und zu eigenen Productionen geweckt werden; allein nicht einmal in den materiellen Gewerbszweigen, da doch der Russe sonst zu allen mechanischen Fertigkeiten ein angeborenes Talent besitzt, machte der Nowgoroder bedeutende Fortschritte; anstellig und gewandt im Handel und Verkehr, ließ er sich doch von dem Deutschen, dem alleinigen Herrn des Großhandels auf den Kleinhandel beschränken. Auch die Kirche blieb bei ihren griechisch-starren Formen, die selbst einer nur scholastischen Gelehrsamkeit entbehrten.

 

So zeigte sich, wie diese Nation nur durch eine strenge Zucht und Erziehung von oben aus allmälig auf den Weg geführt werden konnte, der als ein nothwendiger und unerläßlicher sämmtlichen Nationen vorgezeichnet zu sein scheint, die sich dem Christenthum als der Religion der Bewegung und des Fortschritts angeschlossen haben. — Keine Nation darf in ihrer natürlichen Gestalt, als solche, sich denjenigen ebenbürtig achten im Geiste, die zu Vorkämpfern der Geschichte sich dadurch erhoben, daß sie sämmtliche Culturstufen der Vergangenheit in sich aufnahmen, bis auch sie diese, durch das Heraustreten aus ihren nationalen Beschränktheiten sich angeeignet hat.

 

Das Streben diese Culturmomente der Vergangenheit ihrem noch unmündigen Volke mitzutheile, hat den Beherrschern von Rußland die absoluteste Macht verliehen, die je existirte und zugleich auch die stärkste, in so weit sich ihr Absolutismus lediglich auf das Princip der Bewegung und des Fortschritts begründete, und nicht, wie das anderen absoluten Staaten zum Vorwurf gemacht worden ist, wo der Absolutismus von der Geistlichkeit ausging, auf das der Retardation und Rückschritts. Auch hat dieser Staat, von Anfang seiner Erhebung an, dadurch vor allen westlichen Staaten einen außerordentlichen Vorsprung gehabt, daß

 

 

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Zweite Abtheil. Neue Anfänge.

 

er durch die ungeheuere Kluft der Intelligenz, durch die sich die Regierung über die Masse der nationalen Bevölkerung erhob, eine Kraft und Energie entwickelte, zu der es die westlichen Staaten, wegen der noch nicht in Einklang gebrachten ständischen Unterschiede und wegen ihrer freieren, organischen, daher langsam und stufenweise von innen heraus zum Leben gedeihenden, nachhaltigen Entwicklung noch nicht zu bringen vermochten. Die gesammte materielle Volkskraft war der russischen Regierung disponibel, indem sie allein die Intelligenz repräsentirte.

 

Das ist der Vorzug, den dieser Staat durch seine dem Westen entlehnte Bildung vor allen westlichen Staaten voraus hat, wodurch er sie alle an concentrirter Einheit und in seinen Beziehungen nach außen an Thatkraft überflügelt hat. Allein es findet auch noch ein anderer Hauptunterschied zwischen ihm und den westlichen Staaten statt, welcher den letzteren hinwiederum, wiewohl diese bei einer ihrem Wesen nach viel complicirteren Organisation nur viel langsamer zu wirkungsreicher Ruhe gelangen können, einen Vorzug vor jenem einräumt, der nicht minder zu beachten ist.

 

Es ist nicht zu leugnen, daß in Rußland im Grunde nur die Regierung den Staat ausmacht; sie allein ist im Besitz der Intelligenz, was sie für gut hält, kann daher nur auf mechanischem Wege durchgeführt werden *). Diese selbst, die Regierung, hat keine andere Garantie als die Macht, während bei den westlichen Staaten alles Dasjenige, was durch das Wort Staat bezeichnet wird,

 

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*) Dieser Satz, daß in Rußland der Staat von der Regierung ausgeht, mag in der folgenden die Herrschaft Iwans IV. charakterisirenden Stelle eines gleichzeitigen Chronisten seine Erläuterung und historische Begründung finden: „Leges, quibus utantur, paucas admotum habent, eamque fere solam, ut Principis voluntatem pro lege observent. De eo ita illis persuasum est, Metropolitis maxime opinionem hanc eorum iuvantibus, per Principem tamquam interpretem Deum suum coniungi, ac prout de Deo meriti sint, ita Principem vel benignum in se vel asperum esse. Itaque voluntati eius non secus ac divinae, seu turpia scu homesta, seu mala seu bona iubeat, omnibus in rebus parendum pro fidei decreto habent, illeque vitae ac necis omniumque rerum summam in suos potestatem obtinet. Quod ut ad potentiam comparandam conficiendaque bella maximum habet momentum, unum omnibus rebus summa cum auctoritate praeesse, omnia imperia solum administrare, eundem et consiliorum dominum et rerum omnium nuctorem esse; exiguo temporis spatio copias quam maximas cogere posse, fortinis civium ad potentiam suam stabiliendam pro suis uti; et quemadmodum iis rebus maxime auctoritas ac opes Mosci creverunt, ita crudelitas quoque eius ac dominandi asperitas vehementer confirmata est. Heidensteinii de bello Moscovitico Lib. I. Starczewski historiae Ruthenicae scriptores exteri, Vol. II. p. 95.

 

 

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Zweite Abtheil. Neue Anfänge.

 

nicht nur durch die Regierung repräsentirt wird, sondern mit dem Leben des Volkes selbst verwachsen ist. Es ist nicht zu verkennen, daß die russische Regierung unwillkürlich diesen Mangel an Gleichheit aufzuheben sich stets gedrungen gefühlt und das noch aufzuklärende Volksbewußtsein mit ihren europäisirenden Bestrebungen in Uebereinstimmung und Einklang zu bringen sich, gewissermaßen genöthigt gesehen hat. Dies geht deutlich aus ihren Bemühungen hervor, von Anfang an, als sie sich der Aufgabe bewußt wurde, die ihr als Repräsentantin des Staates oblag, nicht nur Ausländer, vornehmlich Deutsche, Künstler und Gelehrte, Staats- und Geschäftsmänner, Handwerker und freie Landleute mit allen Rechten ihrer ausländischen Unterthanschaft ins Land zu ziehen, um die noch mangelnde Volksbildung anzuregen, sondern daß sie vorzüglich auch darnach trachtete, gerade die Provinzen, durch welche bisher die Ausgleichung mit dem cultivirten Auslande statt gefunden hatte, die Ostseeprovinzen, dem russischen Staatskörper einzuverleiben, mit Zusicherung und Garantie aller Rechte und Privilegien, kurz der gesammten Verfassung, durch welche dieselben sich zu einer von der russischen Nation noch nicht erreichten Culturstufe erhoben hatten.

 

Durch diese staatskluge Maxime der russischen Regierung gewannen die Ostseeprovinzen, die während der langen Zuckungen und Krämpfe, unter denen in ganz Europa die Geburten der neuen Staaten aus dem aufgelösten Zustande des Mittelalters hervorgingen, sich selbst verloren zu haben schienen, auf einmal eine neue, würdigere Stellung. Anfangs war es allerdings zweifelhaft, ob ihnen von Rußland dieses ihr natürliches Recht würde gehalten werden; darum sträubten sie sich anderthalb Jahrhunderte lang, die ihnen von der Natur selbst angewiesene Stellung einzunehmen, und mit Recht: denn die bis dahin so heterogen sich abstoßenden Theile mußten erst Zeit gewinnen, ihre gegenseitige Stellung zu einander zu begreifen, und die Möglichkeit einer harmonischen Vereinigung vorzubereiten.

 

Die endlich durch Peter den Großen durchgesetzte Vereinigung Rußlands mit den Ostseeprovinzen als Basis einer vernünftigen Zukunft angenommen, läßt sich die Zeit von der beginnenden Trennung Livlands von der Hanse und vom Untergange des Ordensstaates bis zur Vereinigung mit Rußland, als eine Zeit

 

 

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Zweite Abtheil. Livland unter den östlichen Großmächten.

 

der Versuche das Rechte zu finden, ansehen, und sowohl um diese Ansicht zu rechtfertigen, als auch um die Nothwendigkeit dieser Versuche selbst darzuthun und durch das Chaos der Zerstörung den Gang der Fortentwicklung nachzuweisen, mag es uns verstattet sein, die so bezeichnete Uebergangsepoche der livländischem Geschichte, wenn auch nur nach ihren Hauptumrissen, dem Leser ins Gedächtniß zurückzurufen.

 

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Erstes Capitel.

 

Abfall Livlands von der deutschen Hanse und Untergang des livländischen Ordensstaates.

 

 

Der Untergang des livländischen Ordensstaates, durch den Verfall der Hanse veranlaßt, stand mit dem damaligen Zustande des deutschen Reichs in nahem Zusammenhang. Bei der allgemeinen Umgestaltung der Dinge trat während des Uebergangs vom Mittelalter in die neuere Zeit das Neue mit dem Alten in so schroffen Gegensatz, daß das deutsche Reich darüber, statt wie die übrigen neuen Staaten sich in seiner nationalen Einheit zusammenzufassen, wie es schien, für immer auseinanderbrach. Und so mußte auch dort, wo die mittelalterlichen Gegensätze am ausgebildetesten sich gegenüber standen, ohne durch ein angestammtes Oberhaupt vermittelt zu werden, im deutschen Osten, in Preußen und in Livland das Reich die ersten schmerzlichen Wunden erhalten. Preußen war zum Theil einer fremden, auch slawischen Macht anheim gefallen, Livland aber wurde das Opfer mehrerer, und verschwindet, auf eine lange Reihe von Jahren, durch vernichtenden Krieg in seiner Existenz bedroht und in beständiger Schwankung zwischen den es umzingelnden Hauptmächten gehalten, aus der Reihe der in der europäischen Staatenentwicklung einen selbstständigen Platz behauptenden Länder. Und wie durch seine unmittelbare Berührung mit dem Auslande der Handelsstand den Pulsschlag des sich neu entwickelnden europäischen Lebens zuerst in sich empfinden mußte, so nahm auch die Auflösung der alten Verhältnisse mit ihm ihren Anfang. Da das Monopol, das die Hanse im Hofe zu Nowgorod ausgeübt hatte, natürlich von den fremden Holländern und Engländern nicht beachtet wurde, und diese, statt der den Hansen bei Verlust von Ehre, Gut und hansischem Recht gebotenen Fahrt durch Livland, den verbotenen Weg

 

 

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Erstes Cap. Untergang des livländischen Qrdensstaates.

 

über Wiburg und Stockholm einschlugen, und die Deutschen selbst anfingen, ihre hansischen Statute zu umgehen, so machten die Livländer bald keinen Unterschied mehr zwischen Hansen und Fremden, sondern gingen einzig und allein ihrem Vortheil nach. Die hansischen Beschlüsse gemeinsamer Gesandtschaften an den russischen Großfürsten, welche die Wiederherstellung der Niederlage zu Nowgorod bezweckten, ließen sie sich nicht sehr angelegen sein *); dagegen brachten im Jahre 1509 Meister, Bischöfe und Städte von Livland mit Wasilii Iwanowitsch einen einseitigen Vertrag zu Stande, zu Folge dessen sicheres Geleit im Verkehr für die Unterthanen beider Theile ausbedungen wurde, die Russen aber, namentlich die Nowgoroder und die Pleskower, bei der Ausfuhr aus Livland nur einer kleinen Abgabe unterworfen werden sollten. Aehnliche Verträge schlossen die Livländer auch in den Jahren 1517 und 1521, ohne Einwilligung der übrigen Städte, mit Nowgorod und Pleskow ab, und im Jahre 1540 fingen sie sogar an den Grundsatz, daß Gast mit Gast in Livland nicht handeln dürfe, ganz gegen alles Herkommen auch auf die Hanseaten auszudehnen, „indem diese fernerhin nicht mehr unmittelbar bei ihnen mit den Russen verkehren, sondern gleich allen anderen Fremden von den Kaufleuten der livländischen Städte abhängig sein und ihrer Zwischenhand sich bedienen sollten, wodurch die letzteren dann Herren des Preises und des ganzen Verkehrs wurden.“ **) Als aber im Jahre 1549 von den Hanseaten aufs Neue eine Gesandtschaft wegen Errichtung des Comptoirs zu Nowgorod beschlossen ward, deren Kosten durch einen Pfundzoll in Livland zusammengebracht werden sollten, setzten sich vornehmlich Riga und Dorpat entschieden dagegen, indem sie erklärten, „im russischen Staate sei keine Ordnung, die Großen beraubten die Fremden, und die russischen Kaufleute kauften jetzt selbst von den Bauern das Pelzwerk; man werde nicht mehr vermögen, daß

 

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*) S. die Recesse von den Jahren 1506, 1507, 1511, 1525 und 1538 bei Sartorius Gesch. des hanseatischen Bundes, Thl. III. S. 192, 197 und 198. Auch der Brief, den die wendischen Städte im Jahre 1539 an die livländischen Städte und an den Zaar von Rußland schrieben, blieb ohne Erfolg. In demselben baten sie im Namen der 73 Hansestädte um Wiederherstellung der Niederlage zu Nowgorod, „da diese dem russischen Reiche so ersprießlich gewesen, und auch den russischen Namen in fremden Landen bekannt gemacht habe.“ Sartorius, Thl. III. S. 198.

**) Ebendas. S. 199.

 

 

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Zweite Abtheil. Livland unter den östlichen Großmächten.

 

die Russen die Waaren auf die wieder zu errichtende Niederlage zu Nowgorod brächten. — Nicht aus Eigennutz widersetze es sich, gab Riga vor: es habe wenig Handel nach Nowgorod, mehr nach Pleskow und Smolensk.“ Und eben so widerstrebend äußerte sich diese Stadt in den Jahren 1553 und 1554 im Namen aller livländischen Städte, „sie, die Livländer, könnten keinen Pfundzoll bei sich zugeben, da so viel fremde Nationen, die bei ihnen des Handels wegen erschienen, dadurch aufgebracht werden würden. Sie widerriethen eine Gesandtschaft nach Rußland, da dort kein Recht gelte. Sie sprächen gegen die Errichtung des Comptoirs, da die von Smolensk und Pleskow ohnehin ungehindert mit ihren Gütern nach Livland kämen, und da, wenn jene Niederlage auch wirklich wieder errichtet würde, man dennoch die Russen nicht werde vermögen können, dahin vorzugs- oder ausschließungsweise ihre Güter zu bringen, indem sie über Polen mit den Oberdeutschen, namentlich den Augsburgern und Nürnbergern, einen Handel angeknüpft hätten.“ Und weit entfernt, den Hanseaten, auf ihr wiederholt ausgesprochenes Verlangen, in Livland selbst eine Erleichterung im russischen Verkehr zu verstatten, zwangen sie dieselben vielmehr, „wenn sie mit ihren Gütern bei ihnen anlangten, diese zu bestimmten, ihnen vorgeschriebenen Preisen zu verkaufen. Hamburg klagte, daß man den Ihrigen den freien Salzhandel störe, daß sie einen Verlust von 100,000 Gulden auf diese Weise erlitten hätten. Alle Vorstellungen aber, welche die Hanse bei den Städten und dem Meister von Livland gegen dies unerhörte, unbrüderliche Verfahren machten, blieben fruchtlos.“ *) Denn wirklich waren die livländischen Städte bei diesem Versuche, sich von den für die Fortentwicklung der neueren Zeit nicht mehr passenden und in einen mittelalterlichen Kastenzwang ausartenden mercantilen Verhältnissen und Interessen zu emancipiren, nicht schlecht gefahren; vielmehr waren sie auf dem besten Wege ihr Ziel zu erreichen. „Der Handel,“ so meldet ein gleichzeitiger Berichterstatter, „schlug sich also, nach der Zerstörung des Comptoirs von Nowgorod, wieder nach Riga, Reval und Dörpt, wodurch die Städte bis zum Jahre 1550 sehr angewachsen.“ **)

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*) Derselbe S. 202, 204 und 205.
**) Nyenstädt‘s Livländische Chronik in den Monumentis Livoniae Antiquae, Band II. S. 40. Arndt, Livl. Chronik. Thl. II. S. 158.

 

 

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Erstes Cap. Untergang des livländischen Ordensstaates.

 

Allein viel schwieriger sah es mit der Reorganisation der inneren Verhältnisse in diesen Provinzen aus. Schon von dem Ursprunge ihrer Colonisation an schrieben sich hier die inneren Zerwürfnisse zwischen der Geistlichkeit und dem Ritterorden her. Das Verhältniß beider Stände zu einander war von Hause aus ein verfehltes, während es in Preußen in umgekehrter Weise sich herausstellte, indem hier durch die Machtsprüche der Päpste selbst der Stand, auf dem die Erhaltung des Staates vorzugsweise beruhte auch dem anderen, dem geistlichen übergeordnet wurde. Neuen Zündstoff hatte zu dem schon glimmenden Brande das Licht der neuen Lehre hinzugetragen. Zu groß war die innere Gährung, als daß diese nur durch ihren Handel blühenden Küstenländer dem drohenden Andrang einer großen Landmacht hätten widerstehen können.

 

Schon im Jahre 1480 hatte Iwan III. Wassiljewitsch einen Einfall in Livland gemacht, Fellin und Tarwast erobert, viele Bewohner in die Gefangenschaft geführt und die ganze Gegend weit und breit verwüstet. Im Jahre 1499 erneuerten die Russen ihre Raubzüge um Narwa, Dorpat und Oesel herum *). Doch damals stand Livlands ruhmgekrönter Meister, der ritterliche Walther von Plettenberg, dem geängstigten Lande als rettender Beschützer zur Seite (1494 - 1535) und zeigte mit seinen „eisernen Männern“ was Einsicht, Kraft und Muth über die ungeordnete Masse vermag.

 

In Folge seines glänzenden Sieges bei Pleskow **) (13. September 1502) wurde dem livländischen Ordensstaate ein funfzigjähriger Friede zu Theil. Während dieser Ruhezeit fuhr Wassilii IV. Iwanowitsch, in derselben strengen Weise seines Vaters fort, den neuen Staat durch Sicherstellung vor äußeren und inneren Feinden und durch Aufnahme europäischer Bildungselemente zu befestigen. „Pskow wurde auch des Schattens von Freiheit beraubt, welchen ihm wegen bereitwilliger Unterwerfung sein Vater noch gelassen hatte“ ***) (1509). Durch die Eroberung von Smolensk (1514)

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*) Arndt S. 159 und 175.

**) In dieser Schlacht standen 7000 Mann Reiterei, 1500 deutsche Knechte, 5000 kurische und lettische und einige hundert ehstnische Bauern 90,000 Mann Russen gegenüber, von denen 40,000 geblieben sein sollen. Gadebusch, livländische Jahrbücher Thl. I. Absch. II. S. 263.

***) Ewers, Geschichte der Russen, S. 203.

 

 

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Zweite Abtheil. Livland unter den östlichen Großmächten.

 

stärkte der Großfürst sich gegen Polen, und mit der Unterwerfung des Fürsten von Severien verschwand das letzte Theilfürstenthum in Rußland (1523). Des mit Livland abgeschlossenen Handelsvertrages ist bereits Erwähnung geschehen; auch mit anderen Fürsten des Auslandes wurden Verbindungen angeknüpft und die Dänen im Handel den deutschen Hansestädten gleich gestellt *).

 

Wenn nun dieser schon damals riesenhafte Staat, in dem nur ein Wille existirte, seine ganze Kraft nach außen wandte und unverrückt sein Ziel verfolgte, mußte er nicht durch das bloße Schrecken der Macht siegen, noch ehe seine Heerschaaren sich in Bewegung setzten, den Feind zu erdrücken?

 

Iwan IV. Wassiljewitsch, der Grausame, brach schon als vierzehnjähriger Jüngling mit energischer Strenge den aristokratischen Uebermuth seiner Großen (1544). Als er hierauf, mit Hülfe des von ihm errichteten stehenden Heeres der Strelitzen Kasan erobert (1552) und Astrachan in Besitz genommen hatte (1554), rückte er, um seinem lang verhaltenen Groll Luft zu machen, drohend gegen die Küsten der Ostsee heran.

 

Mit Recht argwöhnend, daß der russische Zaar die Bemühungen, sein Reich emporzubringen, einseitig zunächst nur den Zweigen der Cultur zuwenden werde, die sich unmittelbar zur Vermehrung der ihnen gefährlichen Macht benutzen ließen, hatten die Livländer durch Hermann von Brugeney, Plettenbergs Nachfolger, bei dem Kaiser Karl V. die Erlaubniß ausgewirkt, daß den Gelehrten, Künstlern und Handwerkern, welche sich Iwan IV., 300 an der Zahl, aus Deutschland verschrieben hatte, die denselben schon ausgefertigten Pässe in Lübeck wieder abgenommen würden (1547). Hiezu kam das Verbot des deutschen Kaisers, Metalle, Panzer oder andere Kriegsbedürfnisse nach Rußland einzuführen (1553). Als daher die Livländer den Bedingungen des im Jahre 1554 durch ihre Gesandten auf 15 Jahre erneuerten Waffenstillstandes nicht nachkamen, indem der Bischof von Dorpat sich weigerte, den nach drei Jahren zu zahlenden Glaubenszins mit den rückständigen Schulden abzutragen, wurde durch Iwan IV., der mit gewaltiger Heeresmacht raschen Schritts Narwa (12. Mai 1558), Neuhausen, Wesenberg, Oberpahlen, Ringen und Dorpat (19. Juli) eroberte *), die sofortige Auflösung des gealterten Ordensstaats herbeigeführt.

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*) Ewers im a. W. S. 204

 

 

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Erstes Cap. Untergang des livländischen Ordensstaates.

 

 

Nicht im Stande, sich selbst zu erhalten, denn so eingewurzelt war der tödtliche Haß zwischen dem Erzbischof von Riga und dem Ordensmeister von Livland, daß auch die drohendste Gefahr den Ausbruch des bürgerlichen Krieges nicht verhindert hatte (1556), blieb den livländischen Ständen nichts anderes übrig, als sich den fremden Nachbaren freiwillig in die Arme zu werfen, von denen sie mehr Schutz und Gerechtigkeit glaubten erwarten zu dürfen, als vom russischen Zaar, welcher Dorpat bei seiner Unterweisung zwar all‘ seine Privilegien und Rechte vollkommen anerkannte, nichts destoweniger aber wenige Jahre darnach die angesehensten Bürger dieser Stadt wegen Verdachts der Untreue nach Sibirien, Kasan und Astrachan abführen ließ **) (1564).

 

Schon im August 1559 schloß Gotthard Kettler, der letzte Herrmeister, mit dem König Sigismund August von Polen zu Wilna einen vorläufigen Vertrag ab, vermöge dessen er sich selbst mit seinem Orden und seinen Ordensländern in des Königs Schutz begab; im folgenden Jahre verkaufte der Bischof Münchhausen von Oesel und Pilten seine Bisthümer an den Herzog Magnus von Holstein, den Bruder des Königs Friedrich II. von Dänemark, wodurch die Insel Oesel bis zu ihrer im Frieden zu Bremsebrö (1645) erfolgten Abtretung an Schweden mit der Krone Dänemark verbunden ward, und am 4. und 6. Juni desselben Jahres, leisteten, unter Zusicherung ihrer Rechte und Verfassung, die Ritterschaft des Herzogthums Ehstland und die Bürgerschaft der Stadt Neval Gustav Wasa‘s Sohn, Erich XIV., König von Schweden, die Huldigung. — Hierauf kamen auch die durch Kettler, den Erzbischof von Riga, Wilhelm Markgraf zu Brandenburg, und die Abgeordneten der Städte und Stände Livlands auf dem Reichstag zu Wilna mit dem König von Polen erneuerten Unterhandlungen am 19. October 1561 zum Abschluß. Der Ordensmeister Gotthard erhielt als erblicher Herzog von Kurland und Semgallen das am diesseitigen Ufer der Düna gelegene Ordensland, Sigismund August aber die noch übrigen Länder des Ordens am rechten Ufer der Düna. —

 

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*) Arndt, Livl. Chronik, Thl. II. S. 282. Gadebusch, Livl. Jahrb., I. S. 430
**) Kelch, livländische Historia, S. 235.

 

 

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62

 

Zweite Abtheil. Livland unter den östlichen Großmächten.

 

So also war das alte Livland, worunter man während der Ordensherrschaft die drei heutigen Tages unter dem Namen der deutschen Ostseeprovinzen des russischen Reichs zusammengefaßten Provinzen zu verstehen pflegte, in fünf verschiedene Herrschaften zerfallen, von denen die drei wichtigsten, Polen, Schweden und Russen, ihre Ansprüche auf alleinigen Besitz gegenseitig geltend zu machen suchten. — Am meisten hatte während des Wechsels der nun folgenden Kämpfe, das eigentliche Livland zu leiden. Diese Provinz, in der Mitte zwischen Kurland und Ehstland gelegen und durch ihren Handel bedeutender als ihre beiden Schwestern, machte von jeher den Mittelpunkt der diesen drei Provinzen gemeinsamen Landesgeschichte aus. Darum werden wir auch fernerhin nur an diese Provinz in der weiteren Entwicklung unserer Aufgabe uns vorzugsweise halten können.

 

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Zweiter Kapitel.

 

Polnische Herrschaft.

 

Am 28. November des Jahres 1561 unterschrieb und beschwor Sigismund August II., König von Polen, das nach ihm seinen Namen tragende Privilegium Sigismundi Augusti. Da dasselbe von der Zeit seiner Ertheilung an, bis auf den heutigen Tag, von Herrschern und Beherrschten als der Grund- und Eckstein der livländischen Landesverfassung angesehen worden ist, halten wir es nicht für überflüssig, den Leser auf die Hauptpuncte desselben ausdrücklich aufmerksam zu machen:

 

I. Die Ritterschaft bittet: daß unangetastet und unverletzlich gelassen werde die Religion, welche sie nach den evangelischen und apostolischen Schriften der reinen Kirche, nach den Beschlüssen der nicänischen Kirchenversammlung und nach der augsburgischen Confession bisher bewahrt habe, und daß sie niemals durch irgend ein Gebot, Censurspruch oder Hinzusetzung einer geistlichen oder weltlichen Gerichtsbarkeit, darin bedrückt oder beunruhigt werde; widrigenfalls sie sich vorbehalte, nach der Regel der heiligen Schrift, welche will, daß man Gott mehr gehorchen soll, als den Menschen,

 

 

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Zweites Cap. Politische Herrschaft.

 

ihre Religion und die gewohnten Kirchengebräuche aufrecht zu erhalten, und aus keinem Grunde davon im Geringsten abzuweichen.

 

IV. Da nichts das gemeine Wesen so sehr erschüttern kann, als Veränderung der Gesetze, Gewohnheiten und Gebräuche, so haben Ew. K. M. schon im Voraus durch den Fürsten Nic. Radzivil die schriftliche Versicherung ertheilt, daß die Provinz und alle Stände bei deutscher Obrigkeit und eigenem deutschen Rechte (jura Germanorum propria et consueta) erhalten werden solle. Ueberdies aber wird gebeten, daß, zur Abfassung eines eigenen Provinzialrechts aus den Gewohnheiten, Privilegien und gefällten Urtheilen, im Rechte Wohlbewanderte durch den König erwählt werden, welche den von ihnen abgefaßten Entwurf nach Beistimmung der gemeinsamen Stände Livlands dem Könige zur Anerkennung, Bestätigung und Bekanntmachung unterlegen.

 

V. Nur Eingeborenen und Wohlbesitzlichen sind Würden, Aemter und Hauptmannschaften zu übertragen.

 

VI. Wiewohl das Mittel der Appellation an den königlichen Thron ein Hoheitsrecht ist, so wäre es wünschenswerth und wird gebeten, daß um der Bequemlichkeit willen ein höchster Gerichtshof für ganz Livland in Riga durch von der Ritterschaft aus Eingeborenen zu erwählende, vom Könige aber zu bestätigende Richter gebildet werde, von dem nur in sehr wichtigen Sachen an den König unmittelbar, bei Strafe der frivole appellantes, gegangen werden dürfe.

 

VIII. Die Eingesessenen erhalten das Recht, Gesammthandsverträge (Erbverbrüderungen) zu errichten, wie überhaupt ungehinderter Disposition über ihre Besitzungen.

 

X. Der eingesessene Adel erhält das Erbfolgerecht in gerader und Seitenlinie, auf männliche und weibliche Anverwandte.

 

XI. Der König übernimmt die Livländer bei dem römischen Kaiser und dem deutschen Reiche zu vertreten, ne censura Imperii publica aliave infami nota vexemur etc.

 

XVIII. Kein Fürst, keine Behörde darf ohne richterliche Entscheidung nach vorgängigem ordentlichen Proceß adelige oder andere Einwohner ihres Vermögens u. s. w. berauben , sondern jeder

 

 

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Zweite Abtheil. Livland unter den östlichen Großmächten.

 

soll sein Recht vor dem ordentlichen Gerichte oder Landtage betreiben *).

 

Durch diese Zusicherungen und durch die übrigen Bestimmungen des ertheilten Privilegiums vor aller Willkür geschützt, so wie durch Anschluß an ein großes und mächtiges Reich, das bald, durch Stephan Bathoris sieggekrönten Feldzug, wieder in den Besitz des ganzen Stromgebiets der Düna kam, auch in seinen mercantilen Interessen sicher gestellt, hätte Livland einer neuen Blüthe der Cultur und des Wohlstandes entgegenreifen müssen; allein wie ließe sich wohl erwarten, daß Fremde Aufrechthaltung ihres angeborenen Rechts bei einer Nation finden würden, welche weder aus Pietät für einen angeerbten Herrscher zu willenlosem Gehorsam geneigt, noch durch die Ehrfurcht vor dem Gesetz in sich selbst einen Halt findend, die Eitelkeit einer sich selbst genügenden, beschränkten Nationalität und Individualität bis zu dem Grade steigerte, daß sich sogar die Willkür des Einzelnen, sich über den Willen des Ganzen zu setzen, gesetzlich für befugt hielt?

 

Im richtigen Vorgefühl der unabwendbaren Beeinträchtigungen wußte Riga zwar fast zwanzig Jahre lang, bis zu der am 14. Januar 1581 erfolgten Unterwerfung als freie Stadt die polnische Oberherrschaft von sich abzuwehren, doch länger vermochte es, alleinstehend, nicht dem allgemeinen Loos zu entgehen, das die Provinz, freilich nicht ohne selbst die erste Veranlassung und Gelegenheit dazu gegeben zu haben, schon seit längerer Zeit erduldete. Denn mit der Verwaltung des Herzogs von Kurland, Gotthard Kettlers, unzufrieden, hatte der Adel im Jahre 1567 den König um einen polnischen Gouverneur gebeten, der ihm alsbald in der Person des Großmarschalls von Litthauen, Johann von Chodkiewicz gegeben wurde. Und nun blieben auch die Folgen von diesem Schritte nicht lange aus. Mit dem polnischen Gouverneur zogen auch polnische Verwaltung und Regierungsweise in Livland ein, und während Polen, Schweden und Russen sich mit ausgesuchter Grausamkeit bekriegten, hatte das unglückliche, doppelt und dreifach gepeinigte Land alle Marter einer herrschsüchtigen, argwöhnischen, sich ihrer Herrschaft nicht sicher fühlenden

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*) S. „Die livländischen Landesprivilegien und deren Confirmationen,“ S. 28 - 32, und Arndt‘s livländische Chronik, Thl. II. S. 279 – 289.

 

 

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Zweites Cap. Polnische Herrschaft

 

Regierung zu erdulden, und wiewohl zu Folge des im Jahre 1580 zwischen Stephan Bathori mit seinem Schwager, dem Könige Johann III. von Schweden, geschlossenen Bündnisses der weit um sich greifende Zaar von Nußland, bald wieder zurückgedrängt, auch Wesenberg, Habsal, Narwa und Iwangorod an Schweden verlor und Dorpat den Polen räumen mußte, so traten doch diese nun erst mit ihren Anmaßungen um so frecher hervor.

 

Auch in Livland zeigte sich die durch die Jesuiten herbeigeführte Reaction des restaurirten Katholicismus wirksam. Der tapfere und gelehrte König Stephan war in dieser Beziehung mit dem Schein eines eifrigen Proselyten ganz den Wünschen seiner Polen zu Willen. In dem am 10. Januar 1582 zwischen Stephan und Iwan IV. zu Sapolski abgeschlossenen Frieden, durch welchen Rußland auf alle seine livländischen Besitzungen zu Gunsten Polens verzichtete, wurde auf Betreiben des berechnenden Jesuiten Possevin auf die kriegsgefangenen Livländer als Ketzer, und um den Adligen unter ihnen nicht ihre Güter wieder einräumen zu müssen, keine Rücksicht genommen. Viele von ihnen starben im Elende, hunderte siedelten sich später, da ihnen dies zur Bedingung der Freiheit gemacht wurde, im Innern von Rußland an.

 

Kaum hatte hierauf der König Stephan (12. März 1582), gefolgt von dem Großkanzler Zamoisky, vielen Senatoren und anderen polnischen und lithauischen Großen seinen Einzug in Riga gehalten, als er ohne Scheu mit seinen entnationalisirenden Plänen hervortrat. Die Jacobikirche mußte den Polen eingeräumt werden , das Marien-Magdalenenkloster wurde in ein Jesuitencollegium verwandelt, Jesuiten mußte man auch in Kokenhufen und Dorpat aufnehmen, und in Wenden ließ der König sogar sein neues , katholisches Bisthum einrichten und ausstatten *).

 

Behufs einer consequenten Durchführung seiner Maßregeln wurde alsbald durch die livländischen Satzungen, vom 4. December 1582 (constitutiones Livoniae) das Land nach polnischer Weise in Woiwodschaften und Starosteien eingetheilt und die Handhabung der Justiz im gemeinen Leben den Castellanen zu Wenden, Pernau und Dorpat übertragen, wogegen die Rechte

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*) Vgl. auch „die livländischen Landesprivilegien und deren Confirmation“ ; S. 41

 

 

 

 

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Zweite Abtheil. Livland unter den östlichen Großmächten.

 

des Adels auf den Landtagen und in den Landgerichten eine genauere Erörterung und engere Begrenzung erlitten. — Im März des folgenden Jahres endlich (1583) eröffnete im Namen des Königs der Gouverneur Radziwil, Cardinal und zeitheriger Bischof von Wilna, dem auf dem Landtage zu Riga versammelten Adel und sämmtlichen Ständen: daß seine königliche Majestät die Belehnungen, Verschenkungen und Verpfändungen der Schloßhöfe und Dörfer in Livland, die von dem Administrator Joh. Chodkiewicz ausgegangen seien, nicht gedächten für gültig und genehm zu halten, doch sollten alle älteren Belehnungen der Erzbischöfe zu Riga und der Herrmeister bestätigt werden, bis auf die, welche der letzte Erzbischof, Wilhelm, Markgraf zu Brandenburg, und der letzte Herrmeister, Gotthard Kettler, ertheilt hatten. Als hierauf im Januar 1584 die livländischen Deputirten sich nach Wilna begaben, um auf dem Reichstag daselbst über diese ihnen drohenden und die schon erlittenen, verletzenden Beeinträchtigungen ihrer Landesrechte, ihres Eigenthums, ihrer Personen und ihres Glaubens Beschwerde zu führen , mußten sie, statt Recht zu finden, noch den Hohn erdulden, daß der Sohn des Großschatzmeisters von Lithauen, ein zehnjähriger Knabe, in einer zierlich gesetzten Willkommensrede den König also anredete: „Se. Majestät möge doch jetzt nach rühmlichst erlangtem Frieden mit den Russen, nicht länger säumen, Dasjenige ins Werk zu setzen, wovon ihn der russische Krieg bisher zurückgehalten habe, und die ketzerischen Transmarinos, so sich in Livland gesammelt hätten, gänzlich auszurotten und wieder übers Meer treiben, um die Lithauer und Polen in den Besitz dieses schönen Landes zu setzen.“ In dem Sinn dieser Rede wurde die auf dem oben erwähnten livländischen Landtage gleichfalls schon von dem Cardinal Radziwil angekündigte allgemeine Revision der Landgüter in Ausführung gebracht. — Vorzüglich hatte der König Stephan es darauf abgesehen, die Güter der im dörptschen Kreise während der russischen Zwischenherrschaft aus ihren Besitzthümern vertriebenen Edelleute zur königlichen Domänenverwaltung zu schlagen; aber auch viele polnische und lithauische Große erhielten aus Gnade und Gunstbezeigung bedeutende Schenkungen.

 

Während so das Land das Aergste erfahren mußte, ging es

 

 

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Zweites Cap. Polnische Herrschaft.

 

in den Städten nicht besser her. Im höchsten Grade zog die Bürgerschaft von Riga den Zorn des Königs auf sich, als sie durch die polnisch-katholischen Umtriebe zu tumultuarischen Excessen verleitet, am 27. Juni und am 1. Juli 1586 den Secretair Tastius und den Stadtsyndiens Welling hatte enthaupten lassen, weil diese sich von dem Verdachte, Urheber und Anstifter von der Uebergabe der Jacobikirche gewesen zu sein, nicht hatten reinigen können. Stephan erklärte den dieser Umtriebe wegen nach Grodno beschiedenen Deputirten der Stadt rund heraus (26. November), daß all‘ ihre Transacten und Privilegien null und nichtig und ihnen hinfüro alle Hoffnung, zu Gnade zu kommen, benommen sein solle, als er, in Folge eines epileptischen Anfalls, eines raschen Todes starb, am 2. December 1586 *).

 

Als hierauf am 20. Juni 1587 sämmtliche Stände auf dem Reichstage zu Warschau zur Wahl eines neuen Königs zusammen traten, ergriffen die livländischen Städte und die Abgeordneten des Adels auch diese Gelegenheit, über die heillosen Eingriffes in ihre Landesrechte Klage zu erheben. Besonders die letzteren führten die energischste Sprache, indem sie erklärten, vor Gericht sei ihnen die Zunge gebunden, im eigenen Vaterlande zwänge man sie als Vertriebene umherzuirren, die deutsche Nation und Sprache in Livland suche man zu unterdrücken und auszurotten, doch werde nichts sie schrecken, ihre Noth und ihre Qual ungescheut und offen vorzutragen, zumal die Redefreiheit nicht das geringste Stück der politischen Freiheit sei **). - Doch erfolglos verhalten ihre Worte. - In Riga schritten hierauf Giese und Brinken tollkühn zur That, und trieben Jesuiten zum Thore hinaus, während in Warschau Sigismund, der katholisch erzogene Sohn Johanns III. von Schweden, durch die Bemühungen seiner Mutterschwester, der verwittweten Königin Anna von Polen, und des Großkanzlers Zamoiski, über seinen Mitbewerber, Maximilian von Oestreich, den Sieg davontrug. — Was Schweden von diesem Sigismund fürchtete, hatte Livland in der That unter seiner Regierung in vollem Maße zu erdulden. Nicht nur in Riga wurden die Jesuiten wieder eingesetzt (1591), auch auf dem Lande vertrieb man lutherische Prediger, um ihre Kirchen

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*) Kelch, livländesche Historia, S. 421.
**) Kelch, livländische Historia, S. 426.

 

 

 

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Zweite Abtheil. Livland unter den östlichen Großmächten.

 

katholischen Pfaffen einzuräumen, die, hiermit nicht begnügt, auf den Bau neuer Kapellen drangen. In Bezug auf den Güterbesitz aber war schon im März 1589 auf dem Reichstage zu Warschau beschlossen worden, daß sowohl eingeborene Livländer, wie auch Andere, die ihnen geschenkten Domänengüter auf Lebenszeit behalten, die übrigen vom Adel jedoch nur im Besitz der Güter, mit welchen sie bis auf die Zeit des Erzbischofs Wilhelm belehnt worden, bestätigt werden sollten. —

 

Das Verkehrte hielten die Polen und ihr König für das Rechte, und in ihrer Verkehrtheit schienen sie nicht begreifen zu wollen, dass eine Regierung, deren Witz nur im Zerstören des nationalen Lebens besteht, dessen Organ sie sein soll, sich selbst aufhebt. — Nach dem Tode Johanns III. (17. November 1592) vereinigte Sigismund die Reiche Schweden und Polen, deren Grenzen durch die zu beiden gehörigen Provinzen Ehst- und Livland sich berührten. Doch des angeerbten Reiches Schweden ging der gewählte Polenkönig, den seine religiösen Grundsätze das wahre Bedürfnis seiner Nation verkennen ließen, durch die entscheidende Schlacht von Stangbrö (1598) verlustig, und nun mußte sich der Krieg unmittelbar auf die Nebenländer hinübenspielen. Nachdem Karl von Südermanland, der im Jahre 1594 von den schwedischen Ständen zum Reichsvorsteher ernannte Oheim des Königs Sigismund, auch die in Finnland dem letzteren noch ergebene Partei auf seine Seite gebracht hatte, nahm er sofort Narwa in Besitz (1599), und im folgenden Jahre erklärte, wiederholt dazu aufgefordert, ganz Ehstland nebst der Stadt Reval, sich von dem Reiche Schweden nicht trennen zu wollen, wogegen dem ehstländischen Adel am 13. September die (später von Gustav Adolf aufs Neue den 17. September 1613 und den 24. November 1613 bekräftigte) völlige Bestätigung aller adeligen Freiheiten, Privilegien, Gerichte, Gerechtigkeiten, Recesse und löblichen Landesgewohnheiten von dem Herzog Karl ertheilt ward *). Doch nicht einmal jetzt, zur Zeit der drohendsten Gefahr mochten die Polen sich mäßigen in ihrer Habsucht. Durch die im Jahre 1599 vom König Sigismund niedergesetzte Revisionscommission wurde eine nicht geringe Anzahl livländischer Edelleute, welchen

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*) Friebe, Handbuch der Geschichte Liv-, Ehst- und Kurlands, Bd. IV. S. 122.

 

 

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Zweites Cap. Polnische Herrschaft

 

man bisher noch ihr Eigenthum gelassen, ihrer Güter beraubt; zu Grunde gerichtet wie sie waren, suchten und fanden sie Schutz bei Boris Godunow, dem Zaar von Rußland *). Wie weit aber die Barbarei gegangen sein muß, läßt sich daraus abnehmen, daß im dörptschen Kreise, dem, wie schon bemerkt, am ärgsten mitgespielt war, „kaum fünf oder sechs eingeborene Livländer, laut den noch vorhandenen Protokollen, Güter besaßen, welche sie durch Dokumente, die ihr Kauf- oder Erbrecht bewiesen, den gierigen Händen der Polen entrissen hatten. Alles übrige waren königliche Domänen oder verschenkte Güter“ **).

 

Unter solchen Umständen konnte es dem Herzog Karl nicht schwer fallen, auch in Livland sich Anhang zu verschaffen. Seine Armee wuchs, kurze Zeit nachdem er mit ihr die Grenzen dieses Landes betreten hatte, aufs Doppelte an, die Stadt Pernau und die Schlösser Salis, Oberpahlen, Lais und Fellin mußten sich ergeben, und einem dreimaligen Sturm konnte auch Dünaburg nicht widerstehen. Bald darauf fielen Wenden, Wolmar, Lemsal, Uerkull und Dorpat (1. Januar 1601) in die Hände der siegreichen Schweden. Doch trotz dieser anfänglich so günstigen Erfolge, war es dem Herzog Karl, der im März 1604 endlich die mehrmals ausgeschlagene Krone von den Ständen annahm, nicht vorbehalten, das begonnene Werk zu Ende zu führen. Die Polen zogen neue Verstärkungen an sich, nahmen in den Jahren 1602 und 1603 unter ihren Feldherren Zamoiski und Chodkiewicz fast ganz Livland wieder in Besitz und hätten nach der bedeutenden Niederlage, welche Karl IX. bei Kirchholm erlitt (27. September 1605), die Schweden mit leichter Mühe selbst aus Ehstland verdrängen können, wenn nicht alle ihre Kräfte, durch die in Rußland nachdem Absterben des rurikschen Mannsstammes ausbrechenden dimitrischen Verwirrungen, wären in Anspruch genommen worden. Nachdem aber auch die Russen sich der Polen erledigt und den inneren Frieden durch Erhebung Michael Feodorowitsch Romanows (1613) wieder hergestellt hatten, war auf dem schwedischen Thron Karl IX. Gustav Adolf gefolgt, der zur Entscheidung der größten Weltgeschicke berufen, in dem wieder aufgenommenen Kriege mit Rußland und Polen der Welt zeigte,

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*) Kelch, livländische Historia, S. 470.
**) Friebe im a. W., Bd. III. S. 305.

 

 

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Zweite Abtheil. Livland unter den östlichen Großmächten.

 

was die Zukunft von ihm zu erwarten habe. Durch sein entschlossenes Vordringen und die Belagerung von Pleskow erzwang sich der junge König den vortheilhaften Frieden von Stolbova (18. Februar 1617), zu Folge dessen Kerholm und Ingermanland an Schweden kamen, Ehstland also mit Finnland in unmittelbare Verbindung gesetzt; die Russen aber von den Küsten der Ostsee gänzlich ausgeschlossen wurden. Von dieser Seite sicher gestellt, benutzte Gustaf Adolf die gewonnene Kraft, sich gegen seinen persönlichen Erbfeind, Sigismund von Polen, zu rüsten, und da dieser einen billigen Frieden hartnäckig verweigerte, ließ er im Jahre 1621 eine Armee von 20,000 Mann bei Dünamünde landen, mit welcher er nach fünfwöchentlicher Belagerung Riga zur Uebergabe zwang (16. September). So sehr aber auch diese Stadt sowohl jetzt, wie schon früher, die Besitznahme Livlands den Schweden durch ihre tapfere Gegenwehr erschwert hatte; so ließ ihr neuer Beherrscher sie den geleisteten Widerstand doch nicht anders entgelten, als daß er bei der Bestätigung der Privilegien die huldreiche Mahnung hinzufügte, es möge dieselbe mit gleicher Treue, wie sie an Polen gehalten, fortan auch der schwedischen Krone sich ergeben zeigen. — Als hierauf Sigismund, trotz der erlittenen Verluste, sich nicht milder stimmen ließ, sondern sogar Anstalten traf, von Danzig aus nach Schweden überzusetzen (1622), erschien Gustav Adolf im Jahre 1625 aufs Neue in Livland, und jetzt gelang es ihm, in kurzer Zelt, nach der Eroberung Dorpats (18. August) und einiger kleinen Flecken und Schlösser, sich in Besitz fast der ganzen Provinz zu setzen.

 

Um jedoch diese Eroberung als eine gesicherte, der schwedischen Krone bleibende, ansehen zu können, dazu sollten erst die nicht weniger glücklichen Erfolge führen, welche des Königs Kriegsunternehmungen in Preußen begleiteten. Denn nachdem er im Juli des Jahres 1626 mit 26,000 Mann bei Pillau gelandet war und, ehe sich die Polen dessen versahen, Braunsberg, Frauenburg, Elbingen, Marienburg, Derschau, Stumm und Christberg in seine Gewalt gebracht hatte, erlangte er durch den drei Jahre darauf im December 1629 bei Altmark in Westpreußen auf sechs Jahre geschlossenen Waffenstillstand, daß, gegen Rückgabe eines Theiles der genannten Städte Preußens, die Schweden Alles, was sie in Livland besaßen, behalten sollten.

 

 

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Drittes Cap. Schwedische Herrschaft.

 

Somit würden wir, da den letzteren dieser Besitz für die gänzliche Räumung der preußischen Eroberungen durch den im Jahre 1635 den 12. September erneuerten, sechs und zwanzigjährigen Waffenstillstandes zu Stummsdorf gelassen, durch den Frieden von Oliva im Jahre 1660 aber förmlich anerkannt wurde, das genannte Jahr 1629 als das der factischen Verzichtsleistung der Polen auf Livland zu bezeichnen haben, wenn gleich die recht- und vertragsmäßige Vereinigung des Herzogthums Livland mit Schweden, schon von der am 12. und 13. Juli 1602 durch den Herzog Karl von Südermanland den gesammten Ständen von Livland zugesicherten und confirmirten Landesverfassung zu datiren ist *).

 

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Drittes Capitel.

 

Schwedische Herrschaft.

 

Fragen wir nun nach dem Unterschied zwischen der neuen Herrschaft und der politischen, so stellt sich dieser keineswegs in einem zu Gunsten der ersteren besonders vortheilhaften Lichte heraus. Schwedens großer König zwar, der Livland seinem Reiche einverleibte, that für den Wohlstand dieser Provinz, was er konnte; allein der Glanz seines Ruhmes riß die ihm nachfolgenden Regenten in einer Bahn fort, in der sie weder sich noch ihr Reich zu halten vermochten. Um die Mitte des siebzehnten Jahrhunderts lag allenthalben, so weit die Wirkungen und Gegenwirkungen des Reformationswerkes reichten, die Aristokratie im Kampf auf Leben und Tod mit der obersten Staatsgewalt. Auch Schweden, in seiner inneren Organisation von der gefährlichsten Krisis bedroht, und außer Stande, für die fremden Theile des Reichs uneigennützige Sorge zu tragen, sog den neueroberten Ländern, die erst zu einem Ganzen mit ihm verwachsen sollten, die letzten Kräfte aus, statt ihnen mit gesundem und frischem Blut neue Lebenswärme zuzuführen. — Gustav Adolf freilich hatte das Eine, worauf es vor Allem ankam, wohl in Obacht genommen. Sitte, Recht und Wissenschaft sollten im

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*) Vgl. die livländischen Landesprivilegien etc., S. 55 ff.

 

 

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Zweite Abtheil. Livland unter den östlichen Großmächten.

 

verwilderten Livland das gesunkene, in seinen Grundfesten zerrüttete Leben wieder emporbringen. Noch während seiner dortigen Anwesenheit ließ er es sich angelegen sein, die Instandsetzung der Kirchen in Liv- und Ehstland pflichtgetreuen Behörden und ihren Vorständen, den neuerrichteten Consistorien mit ihren Superintendenten anzuvertrauen. Durch eine verbesserte Gerichtsordnung half er nicht minder einem tief gefühlten Bedürfniß ab. Im Jahre 1630 wurde zu Dorpat ein Hofgericht niedergesetzt, das nebst dem Präsidenten und Vicepräsidenten mit sechs adeligen und eben so viel bürgerlichen Beisitzern besetzt ward. Diesem untergeordnet wurden nach der Zahl der damaligen Kreise vier Landgerichte in Riga, Wenden, Dorpat und Pernau, und drei Schloßgerichte in Riga, Kokenhusen und Dorpat. Nachdem endlich in den Jahren 1630 und 31 durch Errichtung von Gymnasien und Bürgerschulen zu Reval, Riga und Dorpat auch das heranwachsende Geschlecht väterlich bedacht war, unterzeichnete Gustav Adolf, der Glaubensheld in Wort und That, um diesen Bestrebungen den Schlußsteins aufzusetzen, noch wenige Monate vor seinem Tode am 30. Juni 1632 im Feldlager bei Nürnberg, wo er Wallenstein gegenüber stand, den Fundationsbrief der Universität Dorpat, welche in allen Stücken der ersten Universität des Reichs Upsala, gleich gestellt, bald darauf eröffnet wurde.

 

Allein trotz dieser wohlthätigen Maaßregeln, hatte unter eben dieser Regierung ein schon von den Polen verschuldetes Uebel noch tiefer Wurzel fassen können, das nicht anders auszurotten war, als indem man die Axt an den Baum legte, mit dem Sturz der Schwedenherrschaft. — Weder Sitte und Recht noch Wissenschaft können bestehen und gedeihen, wenn sie nicht auf dem ungemischten Boden einer unverletzbaren Nationalität angebaut werden. Gustav Adolf aber hatte ein durchaus fremdes Element in den livländischen Landstaat gebracht, indem er fast alle Domänen schwedischen Grafen und Freiherrn schenkte, und während Christinens Minderjährigkeit nahm dieser Uebelstand noch dadurch zu, daß auch die noch übrigen Domänen ebenfalls (und zwar nach dem norkiobingischen, dem Privilegium Sigismund Augusts durchaus zuwiderlaufenden Reichstagsschluß vom Jahre 1604) verlehnt oder verschenkt wurden, so daß zu ihrer Zeit die Hälfte oder gering gerechnet der dritte Theil von Livland

 

 

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Drittes Cap. Schwedische Herrschaft.

 

aus schwedischen Grafschaften und Baronieen bestand. — Diese schwedischen Donatarien *) standen, als stimmfähige Mitglieder der schwedischen Reichsversammlung von der jetzt (1637) zu einer engeren Vereinigung zusammentretenden Corporation der livländischen Ritterschaft getrennt, völlig außerhalb der Verfassung des Herzogthums Livland, welches dem Olivaer Frieden gemäß auch fernerhin auf Grundlage seiner Privilegien einen eigenen und abgesonderten „Landstaat“ bilden sollte. Und sogar auch an den gemeinschaftlichen Lasten weigerten diese Donatarien sich Theil zu nehmen; nicht einmal der gewöhnliche auf ihren Gütern lastende Roßdienst und die sogenannte Station, eine Abgabe an Korn und Heu, war von ihnen zu erlangen, die Kosten aber des Festungsbaues in Riga bürdeten sie den Livländern allein auf.

 

Solcher von der schwedischen Aristokratie ausgehenden Unordnung, welche durch die ohnehin schon große, aus den kostspieligen Kriegen entstandenen Finanznoth in Schweden noch immer mehr gesteigert wurde, mußte durch energische Mittel abgeholfen werden. Schon beim Regierungsantritte Karl Gustavs (1655) war daher von den schwedischen Reichsständen beschlossen worden, daß der Adel den vierten Theil der Güter, welche er seit dem Tode Gustav Adolfs an sich gerissen hatte, wieder herausgeben sollte. Nur die grossen Kriegsunternehmungen dieses kühnen Königs ließen es nicht zur Ausführung des gefaßten Beschlusses kommen, der überdies in den deutschen Besitzungen und in Liv- und Ehstland nur nach Maßgabe der besonderen, diesen Ländern ertheilten Privilegien in Anwendung gebracht werden sollte; wenn gleich Karl Gustav trotz dieser Bestimmung auch hierin seinem eigenen Sinn folgen zu wollen schien. — Während er im Begriff stand das polnische Reich umzustürzen, fiel der Zaar Alexei Michailowitsch mit einer Armee von 120,000 Mann in Ehst- und Livland ein, rückte mit 60,000 Mann vor Riga, das sich mit einer Besatzung von 5000 Mann sechs Wochen lang mit dem rühmlichsten Erfolge vertheidigte (vom 21. August bis zum 5. October) und zwang Dorpat zur Uebergabe. Als man aber in dieser Noth Karl Gustav um Hülfe und Beistand bat und zugleich um die Bestätigung der Privilegien nachsuchte,

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*) Friebe im a. W. Bd. IV. S. 178 und 179.

 

 

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Zweite Abtheil. Livland unter den östlichen Großmächten.

 

antwortete er: „Schweden habe jetzt so viele Feinde, daß es nicht an Livland allein denken könne, was die Privilegien beträfe, so wäre es auch Zeit sie nach erfolgtem Frieden zu bestätigen, wenn dem Könige vorher der Eid der Treue wäre geleistet worden“ *).

 

Den höchsten Grad aber erreichten die unerträglichen Bedrückungen der Gouverneure, die unerschwinglichen Auflagen der Regierung, das unerhört rechtswidrige System des Königs unter Karl XI., der über den Staat dachte, nicht wie nach ihm Friedrich der Große, sondern wie mit ihm Ludwig XIV. Doch freilich ist auch dieses System untadelhaft und unangreifbar, wenn die höchste Regierungsweisheit in einem abstracten, schlechthin unbedingten Gehorsam der Unterthanen ihren Schwerpunkt hat. — Nach der Niederlage, die ihm der große Kurfürst bei Fehrbellin beigebracht hatte (1675), unternahm dieser König es, die Macht der Regierung auf Kosten des Wohlstandes seiner Unterthanen zu begründen. Dem schwedischen Adel nahm er mit Bewilligung der übrigen Stände, der Bauern, der Bürger und der Geistlichkeit, welche nichts dabei zu verlieren hatten, die Güter weg, die jener unter den früheren Regierungen, Theils durch Kauf an sich gebracht, Theils geschenkt erhalten hatte. — An diesen schwedischen Reichstagsschluß war der livländische Landstaat nicht gebunden. Auch hatte der König überdies im Jahre 1678 den livländischen Deputirten, welche über die von den schwedischen Donatarien ausgehenden Bedrückungen der kleineren Gutsbesitzer Beschwerde führten, und um Nachlaß der zu den bewilligten Abgaben noch dazu verlangten Hälfte aller Erndteeinkünfte baten, eine Generalconfirmation über alle Erb-Lehn und Pfandgüter so wie über sämmtliche Privilegien, Rechte und Freiheiten, Immunitäten, Gewohnheiten und Ritterrechte ertheilt und ins Besondere zu versichern geruht, daß keine in Schweden von dortigen Ständen bewilligte Reduction, mit der man die Livländer bedrohen möchte, in Livland vorgenommen, daß alle Landesbedienungen blos von Eingeboenen besetzt werden und dass überhaupt nichts Anderes geschehen sollte, als was mit der Ritterschaft in Livland besonders würde abgehandelt werden **). Nichts destoweniger ging der König hier noch weiter als in Schweden. Doch konnte anfänglich, als auch in Livland,

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*) Friebe im a. W., Bd. IV. S. 242.
**) Rechtliches Responium in peinlichen Sachen wider Etiche von der Liefländischen Ritterschaft, und in Sonderheit wider Herrn Capitain Joh. Reinhold Patkul, gedruckt im Jahre 1701, S. 8.

 

 

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Drittes Cap. Schwedische Herrschaft.

 

aber nur mit den Besitzungen der schwedischen Grafen und Barone die Reduktion vorgenommen wurde, die livländische Ritterschaft hiegegen nichts einzuwenden haben. Indessen erging alsbald ein Decret, daß überhaupt alle Besitzer der Lehngüter, welche nach norkiobingischem Beschluß verschenkt waren, ihre Güter räumen sollten und zwar auch dann, wenn die gegenwärtigen Besitzer diese Güter durch Kauf oder Pfandschaft aus den Händen des ersten Besitzers an sich gebracht hatten, nur daß diesen die zehnjährige Nutzung ihrer Güter bis zu der dann förmlich erfolgenden Abtretung an die schwedische Krone, als Ersatz für den Werth derselben anzusetzen, verstattet sein sollte.

 

Und doch hatten viele livländische Edelleute schon während der Regierung der Königin Christine gegen Erlegung einer bestimmten Summe ihre Güter für allodial erklären lassen *). Die Ritterschaft machte daher zu wiederholten Malen (1681, 1685, 1687) die gemessensten Vorstellungen gegen diese erzwungene Entäußerung ihres Eigenthums, doch wurden diese entweder gar nicht beachtet oder mit den Zeichen und den Worten der höchsten Ungnade zurückgewiesen, und statt der zu erwartenden Ermäßigung ließ Karl XI. vielmehr ohne vorhergegangene Mittheilung an den livländischen Adel im Jahre 1688 einen Befehl ergehen, kraft dessen alle Güter ohne Ausnahme, die zu irgend einer Zeit dem Staat gehört hätten (d. h. alle die überhaupt seit der Lehnsherrschaft des Ritterordens existirten) der Reduction unterworfen werden sollten. Als daher im folgenden Jahre der König von der Ritterschaft verlangte, sie solle Behufs einer Revision der Privilegien ihre Deputirten nach Stockholm senden, wurden zu diesem Ende der Landrath Gustav Budberg und der Capitain Reinhold Patkul ernannt und nebst der Wahrung der Landesrechte ins Besondere gegen die vorgenommene Reduction der Güter aufs Neue nach bestem Vermögen Einsprache zu thun, beauftragt. Zum Empfang mußten diese Deputirten von den Ministern des Königs vernehmen: daß das Privilegium Sigismund Augusts,, das im Frieden von Oliva aufs Neue in Kraft getreten war, ein nichtiges Document sei und nächstens ganz und

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*) Friebe im a. W. Bd. IV. S. 196.

 

 

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gar kassirt werden würde. — Bei dieser Erklärung konnte freilich die Klage der Deputation nicht in Betracht kommen, daß nicht allein die alten Tafelgüter, sondern auch der größte Theil der Privatgüter und also wirklich fünf Sechstheile des Landes zur Domäne geschlagen würden, und daß, wenn die Reduction angedeuteter Maßen annoch in polnische und herrmeisterliche Zeiten zurückgesetzt werden sollte, bald ohne Ausnahme Niemand mehr in seinem Eigenthum verbleiben könnte *). Bei diesem Stand der Sachen ließ die Ritterschaft am 30. Mai 1692 eine auf allgemeinem Landtag beschlossene und von den Landräthen und dem Landmarschall unterschriebene Bittschrift nach Stockholm an den König abgehen, in der es unter Anderem heißt: „die Noth und das Elend ihres armen Vaterlandes sei so groß, daß sie (die Edelleute) sich schämten ihren Zustand zu erzählen; ihr Elend erwachse daraus, daß man sie nicht allein ihres durch Geld, getreue Dienste, Blut und Leben erworbenen Eigenthums beharrlich entsetze, sondern daß man ihnen sogar unter solchen Verhängnissen auch sämmtliche Mobilien wegnehme und nicht einmal so viel von dem Verlorenen lassen wolle, daß sie Leib und Leben erhalten könnten. — Mancher, der Güter wohl mehr denn 20,000 Thaler an Werth besessen und solche durch die Reduction verloren habe, könne sich nicht einmal die Arrende dieser Güter auswirken, wenn er gleich so gut wie ein Anderer das Ausbedungene leisten könne und wolle, — und mit Thränen müßten sie versichern, welchergestalt einer nach dem Andern sich aus seinem Vaterlande, darinnen er und seine Vorfahren seit vielen Jahrhunderten her in Ehren und Wohlstand gesessen, sich wegzubegeben und die benachbarten Grenzen zur Sicherheit und Unterhalt seines Lebens mit Weib und Kindern zu suchen, genöthigt werde. Zudem werde die Arrende so hoch angerechnet, daß wenn einer, nur um unter Dach zu sein, sich sein reducirtes Gut zur Arrende erbäte, auch das noch von Jahr zu Jahr zusetzen müsse, was er an Mobilien besitze, und zu ihrem Gram müßten sie ferner hören, daß ihr Elend manchem unbedachtsamen Menschen ein Liedlein in ihren Zusammenkünften sei, und man sich nicht scheue öffentlich zu sagen, daß in zehn Jahren kein Deutscher mehr in diesem Lande sein werde.

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*) Rechtliches Responsum u. s. w. S. 18.

 

 

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Drittes Cap. Schwedische Herrschaft.

 

Dergestalt könnten sie nicht mithin zu bekennen, daß der Ritterschaft hinfüro bei so anwachsenden mannichfaltigen Drangsalen, Beides, in dem Zeitlichen und Ewigen, ihr Vaterland fast ein Ekel werden müsse. Sie schlossen endlich diese trübselige Eingabe mit der Versicherung, daß sie alle ins Gesammt, wenn sie diese ihnen bis an die Seele gehenden schweren Lasten und Unglücksfälle betrachteten, nichts Anderes vor Augen hätten, als Auswandern aus dem Vaterlande, wozu ja bereits schon so viele wären gebracht worden. Ja sie könnten Sr. Königl. Maj. allerunterthänigst versichern, daß, wenn ihnen der allerhöchste Gott die Wahl hätte anheim stellen wollen, entweder schwere Kriege von den sonst benachbarten Feinden, oder diese kummervollen Zeiten zu ertragen, sie nach der Erfahrung von Beidem nicht wüßten, ob sie nicht jene für diese zu erwählen würden Ursache gehabt haben.

 

Und was war der Erfolg dieser Vorstellung? — daß die energischsten Vertheidiger vaterländischer Rechte als Hochverräther behandelt wurden, die Ritterschaft aber ihrer althergebrachten, wohlbegründeten Verfassung und aller Rechte eines freien und selbstständigen Standes verlustig ging (1694). Das waren unter Karl XI. von Schweden Livlands Geschicke. Der für die livländischen Zustände damaliger Zeit theilnehmende Leser mag aus den von uns dieser Abhandlung beigefügten Ausschriften des Freiherrn Schoulz von Ascheraden trefflichem, immer noch ungedruckten „Versuch über die Geschichte von Livland und dessen Staatsrecht“ ausführlichere Kunde schöpfen *). Was erfolgte, ist bekannt. Bald nach Karls XI. Tode (1697) kam es zur völkerrechtlichen Entscheidung. Der patriotische Patkul zwar fiel als Opfer seiner ehrenfesten Standhaftigkeit, Karl der Zwölfte aber, der ritterlich für den Ruhm eines großartigen Heldenmuths sein Reich aufs Spiel setzte, mußte Beides, Lohn und Verlust, hinnehmen , wie seine Thaten es verdienten.

 

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Schlußbetrachtung.

 

Russische Herrschaft.

 

Peter der Große erreichte das Ziel, welchem seit mehr denn zwei Jahrhunderten die Beherrscher von Russland nachgestrebt hatten.

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*) S. das Vorwort.

 

 

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Zweite Abtheil. Livland unter den östlichen Großmächten.

 

Wie in der Geschichte des Mittelalters das Reich der Franken das erste ist, welches von Chlodwig an durch seine Tendenz nach außen die Möglichkeit einer europäischen Gesammtstaatsentwicklung vorbereitete, bis Karl der Große durch Zusammenfassung seines Reichs die Einheit der romanisch-germanischen Völkerentwicklung zuerst factisch, im Großen darstellte, so schien es von Iwan III. Wassiliewitsch an, die Aufgabe der Regenten Rußlands zu sein, in dem slawischen Osten die diesem abgehenden mittelalterlichen Culturmomente durch Aufnahme und Bevorzugung westeuropäischer Ansiedler nachträglich hineinzuschaffen und das nicht zur Entwicklung gekommene, durch die Tartarenherrschaft völlig absorbirte Warägerthum durch neue Fermente zu ersetzen.

 

Diese Tendenz der Europäisirung ist, um es wiederholt zu sagen, das Fundament des russischen Absolutismus und seine Stärke, wie andrerseits ein nicht zu übersehender Grund des Verfalls von Polen in der Ausstoßung des Germanismus lag.

 

Peter der Große, mit scharfem Blick die Bedürfnisse seiner Nation erkennend, gab ihr selbst zuerst das Beispiel der Vereinbarkeit slawischer Nationalität mit europäischer Bildung, er selbst ließ es sich, ihr zu dieser Mittel und Wege zu weisen, als sein höchstes Lebensziel angelegen sein. Durch Einverleibung der Küstenländer der Ostsee gab er seinem Reiche nicht nur eine sichere materielle Basis, sondern indem er den unterworfenen Provinzen sämmtliche unter schwedischer Herrschaft verletzte und geschändete Rechte aufs Neue und auf ewiges Zeiten unverbrüchlich zusicherte *), bereitete er auch für die spätere Zukunft die Möglichkeit eines stetig wachsenden Zuflusses geistiger Kräfte vor, welche in einer ungestörten Entwicklung ihres national-deutschen Lebens den Urquell, aus dem sie entsprungen waren, sich rein und ungetrübt erhalten konnten. Es ist hier nicht der Ort ausführlich auseinanderzusetzen, welch‘ ungeheueren Antheil bei der Leitung der russischen Staatsmaschine die Ausländer überhaupt von Peter des Großen Zeit an, und vorzugsweise die Deutschen, und unter diesen die Bewohner der Ostseeprovinzen gehabt haben; auch ist es nicht unsres Amtes der werdenden Geschichte, die der That angehört, mit Worten vorzugreifen: wir Mitlebende alle sind dazu berufen,

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*) S. „Die livländischen Landesprivilegien und deren Confirmationen“, S. 126 – 146.

 

 

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Schlußbetrachtung. Russische Herrschaft.

 

auf die Zeichen der Zeit Acht zu haben. Doch billigend werde anerkannt, was auch von den Nachfolgern Peters des Großen im Geistes ihres großen Vorgängers ausgeführt worden ist, um auf der von der Geschichte vorgezeichneten Bahn der Entwicklung fortzuschreiten. Petersburg am Ausfluß der majestätischen Newa gelegen, durch das dazu gehörige Finnland von der Gefahr befreit, sich wie Nowgorod vom Ausgang seiner überseeischen Verbindungen abgeschnitten zu sehen, unmittelbar ins Meer hinausschauend und den Schiffen aller Nationen zugänglich, ist ein zweites Nowgorod geworden, das für den russischen Coloß dasselbe ist, was Nowgorod für sich war. Und Livland, diese in den ruhen Osten vorgeschobene Mark des Deutschthums, der durch ihre unmittelbare Vereinigung mit Russland freilich zur Zeit nur die Möglichkeit eines freien Handels in Aussicht gestellt ist, kann noch heut zu Tage als großartige Erweiterung des fast verschollenen Hofs der Deutschen zu Nowgorod angesehen werden.

 

Während der nowgorod-wisbyschen Zeit hatte der geistige Einfluß deutscher Nationalität auf die slawische nur ein indirekter sein können, durch die Vereinigung Rußlands aber mit den deutschen Ostseeprovinzen hat sich dieser deutsche Einfluß auch von hier aus seit geraumer Zeit schon geltend gemacht. Und in diesen Beziehung darf die Bedeutung der vom Kaiser Alexander I. neu gestifteten Universität Dorpat, die bisher den Namen einer deutschen nicht unrühmlich behauptet hat, nicht zu gering angeschlagen werden. Auch hat noch die gegenwärtige Regierung den Grundsatz, die Russen durch die Deutschen zu bilden, um ein nahe liegendes Beispiel zu wählen, praktisch dadurch anerkannt, daß auf kaiserlichen Befehl theils zu Professoren bestimmte Russen zu ihrer Vorbildung nach Dorpat geschickt, theils aber auch deutsche Zöglinge der Universität Dorpat zu Professoren an den russischen Universitäten ernannt worden sind. Hierin sehen wir die Möglichkeit der Vereinigung verschiedener Nationalitäten innerhalb eines Staats gegeben. Wenn daher häufig die Ansicht ausgesprochen worden ist, daß in einem Staate nur eine Sprache herrschen solle, oder hinwiederum, daß das Gebiet einer Sprache sich auch zu einem Staate zusammenfassen müsse; so können wir diesen Satz nur bedingungsweise gelten lassen. Es ist nicht zu leugnen, daß das Princip der Staatseinheit, in beschränktem Sinn gefaßt,

 

 

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Zweite Abtheil. Livland unter den östlichen Großmächten.

 

das einem größeren Staate unterworfene fremde Staatsgebiet häufig in eine aller nationalen Selbstständigkeit, Kraft und Freiheit ermangelnde Zwittergestalt umwandelt; andrerseits aber ist nicht zu verkennen, daß kein Mittel geeigneter sein kann, einen Staat von verderblicher Stagnation abzuhalten oder zurückzubringen und das Princip universellen Lebens zur Entwickelung zu bringen, als die Verbindung verschiedener Sprachgebiete innerhalb eines Staates, so nämlich, daß einem jeden sein göttliches Recht heilig und unverletzt gehalten wird. Ist dies der Fall, wird die eigene Nationalität nicht verletzt, so kann die Berührung mit den fremden nicht anders als wohlthätig wirken. Der Geist allein ist es, der ohne Zwang herrscht. Innerhalb eines Volks müssen die Volksdialecte der Schriftsprache weichen; über unentwickelte Nationen machen sich die gebildeteren Sprachen geltend. Doch nie ist eine auf diese Weise ihren milden Einfluß ausübende Sprache so despotisch aufgetreten, daß sie eine wirklich große nach eigener Bildung ringende Nation, zum Dank für ihr humanes Entgegenkommen ihrer Nationalität beraubt hätte. Wir Deutsche sind trotz des lateinischen Papstthums und der griechischen Schulen weder Lateiner noch Griechen geworden, aber wir haben das Römer- und das Griechenthum in uns aufgenommen. Ebenso wenig würden die Russen von der deutschen Sprache für ihre Nationalität zu fürchten haben. Wenn aber umgekehrt in neuester Zeit mehrfach die Befürchtung laut geworden ist, als beabsichtige die russische Regierung eine planmäßige Entnationalisirung und Russificirung der Deutschen in den Ostseeprovinzen; so kann der Verfasser dieses Entwurfs einer Darstellung der nowgorod-wisbyschen und livländisch-russischen Angelegenheiten nicht umhin die Ueberzeugug auszusprechen, daß dem die wahren Bedürfnisse seiner russischen und seiner deutschen Unterthanen mit gleicher Liebe umfassenden Herrscherauge die Mittel nicht fehlen werden, diese ebenso wichtige als schwierige Aufgabe der Politik der Gegenwart, die Vereinbarung verschiedener Nationalitäten innerhalb Eines Staates, einem glücklichen und der natürlichen Lage der Dinge entsprechenden Ziele entgegen zu führen.

 

 

 

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Des Freiherrn

Fr. Schoulz von Ascheraden
Geschichte der Reduction in Livland

 

unter der Regierung Karls XI.,

Königs von Schweden.

 

 

 

 

 

 

 

 

Quelle:

 

Dr. Ernst Herrmann. Beiträge zur Geschichte des russischen Reiches. S. I-XXVI.,1-80

I. Ueber die Verbindung Nowgorods mit Wisby und der Deutschen mit den Russen.

Leipzig, 1843. Verlag der J. C. Hinrichsschen Buchhandlung.

 

Bildnachweis: Eingefügte Fotos wurden beim FABL-Besuch des Europäischen Hansemuseums in Lübeck im Oktober 2018 aufgenommen.

 

 

 

 

Johann Gotthelf von Stritter

(geb. 1740 in Idstein, gest. 1801 in Rußland) war nach der Allgemeinen Deutschen Biographie von 1893 ein Geschichtsforscher, der an der Universität Halle studierte und sich in der Folge nach St. Petersburg begab. 1780 wurde er zum Archivar an dem Reichsarchiv zu St. Petersburg, 1785 zum Hofrath und Aufseher des Reichsarchives zu Moskau ernannt. Seine Verdienste zur Aufklärung der Geschichte Rußlands trugen ihm schließlich den Rang eines russischen Staatsrathes und den von der Kaiserin Katharina gestifteten St. Wladimirorden ein. Zu den Wünschen der Herrscherin gehörte es, dass eine zuverlässige und vollständige Geschichte Rußlands zu Stande komme. Ab 1768 begann Stritter im Auftrag der kaiserlichen Akademie mit umfassenden Archivrecherchen bei den Byzantinern. Der ihm gestellten Aufgabe kam er in einer Weise nach, die ihm den Dank und die Anerkennung der Kaiserin und aller Kenner eintrug. Sein Werk ist grundlegend für die wissenschaftliche Erforschung der älteren Zustände und Begebenheiten des großen russischen Reichs geworden. Die "Aufsätze, betreffend die russische Geschichte" in der Bibliothek der Großfürsten Alexander und Constantin (Berlin und Stettin 1784-1789, Th. 2-9), welche die Kaiserin Katharina verfaßte, beruhen auf einem großen handschriftlichen Werke Stritter's und reichen bis zum Jahre 1225 (das russische Original bis 1276).

 

Quelle: "Stritter, Johann Gotthelf von", in: Allgemeine Deutsche Biographie (1893)

 

Die "Aufsätze, betreffend die russische Geschichte" sind ebenfalls im St. Petersburgischen Journal folgender Jahrgänge und Bände erschienen:

 

1783 1. Bd. S. 155-180.

1783 2. Bd. S. 75-176.

1783 3. Bd. S. 36-122.

1783 4. Bd. S. 43-208.

1784 1. Bd. S. 3-257.

1785 1. Bd. S. 1-411.

 

Die Zeit von 1247 - 1263 ist in dem Werk zu entnehmen: "Materialien zur Kenntniß des Russischen Reichs." Herausgegeben von Heinrich Storch, Russisch-Kaiserlichem Hofrath, Korrespondenten der Kaiserl. Akademie der Wissenschaften zu St. Petersburg, und Mitglied der freyen ökonomischen Gesellschaft daselbst. Zweyter Band. S. 118 - 160 Leipzig, 1798. bey Johann Friedrich Hartknoch.

 

 

Wer sich u. a. weiter für die Entwicklung Groß-Nowgorods interessiert, dem seien die Aufsätze, betreffend die russische Geschichte empfohlen.

 

 

 

 

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Aufsäze betreffend die rußische Geschichte. *)

 

Vorrede.

 

Diese rußische Geschichte betreffende Aufsäze, sind für die Jugend entworfen, zu einer Zeit, da in fremden Sprachen Bücher unter dem Namen der rußischen Geschichte herauskommen, die man eher partheiische Erdichtungen nennen könnte. Denn jedes Blat dienet zum Beweise mit was für feindseligen Gesinnungen es geschrieben sey, jeder Umstand wird nicht nur in verkehrter Gestalt dargestellet, sondern man schämt sich auch nicht selbigem boshafte Erklärungen beyzufügen.

 

Diese Schriftsteller sagen zwar, daß sie rußische Annalisten und Geschichtschreiber vor Augen gehabt haben, entweder aber haben sie selbige nicht gelesen, oder sie haben die rußische Sprache schlecht verstanden, oder ihre Feder ist von blinder Leidenschaft geführt worden.

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*) Diese Aufsäze sind neulich in rußischer Sprache erschienen, und ihrer besondern Wichtigkeit wegen mit möglichster Treue ins deutsche übersezt. Die Anmerkungen unter dem Text sind von der Hand des Verfassers der Urschrift. Der Uebersezer.

 

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Der unpartheiische Leser nehme sich die Mühe einen Zeitraum der rußischen Geschichte mit den Geschichten der Zeitverwandten der rußischen Großfürsten jedes Jahrhunderts zu vergleichen, so wird er deutlich die Denkungsart jedes Zeitalters wahrnehmen, und daß das menschliche Geschlecht überall und auf der ganzen Welt einerley Leidenschaften, Wünsche und Absichten, gehabt, und zur Erlangung derselben nicht selten einerley Mittel gebraucht habe. Alle europäische Völker waren bis zur Annahme der heiligen Taufe im Aberglauben und Gözendienst versunken und hatten ihre besondere Grundsäze und Rechte; als sie mit dem Licht des Evangeliums erleuchtet wurden, empfingen sie andre ihnen bis dahin unbekannte Grundsäze, welche die am Alten klebende Gebräuche, Meinungen, und Denkart der Leute, nicht anders als nach und nach verändern konnten. *)

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*) Der Sammler dieser die rußische Geschichte betreffenden Aufsäze, gehört nicht zur Zahl der im Busen ernährten schlangen; er bemühte sich lebenslang die Pflicht eines dankbaren Herzens zu erfüllen. Er denkt daß das Lobenswürdige nicht ohne Lob, und das Unlöbliche nicht ohne Tadel bleiben werde, aber die Güte des Guten zu vermindern oder die Fehler des Fehlerhaften zu vergrößern, und dadurch einem ungeschickten Arzt oder einem mit Unwissenheit erfüllten Kinderlehrer ähnlich zu werden, ist seine sache nicht.

 

 

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Erster Zeitraum.

1.
Historie ist ein griechisches Wort und bezeichnet Begebenheiten oder Geschichte.

 

2.

Die Geschichte ist eine Beschreibung geschehener Dinge und Thaten; sie lehret Gutes thun und sich vor Bösem hüten.

3.

Durch die Beschreibung werden uns geschehene Sachen und Thaten so dargestellt, als wenn wir sie selbst gesehen hätten.

4.

Jedem Volk ist die Beschreibung seiner eigenen Geschichte und Erdbeschreibung nöthiger als die Geschichte und Beschreibung fremder Völker, indessen kann ohne Kenntnis der Geschichte fremder, besonders aber der Begebenheiten und Thaten benachbarter Völker, die Kenntnis der unsrigen weder deutlich noch hinlänglich seyn.

 

5.

In der Geschichte werden nicht nur Sitten Handlungen und Thaten beschrieben, sondern durch sie wird auch den Weisen, Gerechten, Milden, Tapfern, Standhaften, Beharrlichen und Treuen, Ehre und Ruhm; den Unweisen, Ungerechten, Harten, Feigen, Leichtsinnigen und Ungetreuen Schande und Schmach vor der Welt zugetheilt.

 

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6.

Die Geschichte theilet sich überhaupt in die geistliche Geschichte, und in die weltliche Beschreibung derjenigen Begebenheiten die in der heiligen Schrift nicht enthalten sind.

7.

Die rußische Geschichte kann man in fünf Epochen oder Zeiträume eintheilen.

 

Erster Zeitraum, bis auf den Großfürsten Rurik, oder bis aufs Jahr 862 nach Christi Geburt.

 

Zweiter Zeitraum, von dem Großfürsten Rurik bis zur Ankunft der Tatarn oder vom Jahre 862 bis 1224.

 

Dritter Zeitraum, von der Ankunft der Tatarn bis zur Vertreibung der Tatarn, oder vom Jahre 1224 bis 1462.

 

Vierter Zeitraum, von der Vertreibung der Tatarn bis zur Gelangung des Zaren Michaila Feodorowitsch auf den rußischen Thron, oder vom Jahre 1462 bis 1613.

 

Fünfter Zeitraum, von der Gelangung des Zaren Michaila Feodorowitsch auf den rußischen Thron, bis auf die gegenwärtige Zeit, oder von 1613 bis jezt.

 

8.

Den ersten Zeitraum der rußischen Geschichte kann man wieder in drey Zeitalter abtheilen.

 

Das erste, ist die Zeit von der Schöpfung der Welt bis zur Sündfluth, von welcher wir außer der heiligen Schrift gar keine Nachricht haben.

 

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Das zweite, ist diejenige Zeit nach der Sündfluth, von der wir ausser der heiligen Schrift keine Nachricht haben.

 

Das dritte, ist die Zeit von welcher Nachrichten bis zu uns gelangt sind, die sich aber nicht in der heiligen Schrift befinden.

 

Anlangend das erste und zweyte Zeitalter, von welchen außer der heiligen Schrift keine Nachrichten vorhanden sind, das ist, von Erschaffung der Welt bis zur Sündfluth und eine Zeit nach der Sündfluth, von diesen findet man eine Erzählung in dem ersten Buche Mosis.

 

9.

Anlangend das dritte dieser Zeitalter, von welchem Nachrichten bis auf uns gekommen sind, deren aber in der heiligen Schrift nicht erwähnt wird, so sind diese Nachrichten von dreyerley Art:
Erstens, fabelhafte Nachrichten.
Zweitens, fabelhafte Nachrichten mit wahren vermischt.
Drittens, Nachrichten die keinem Zweifel unterworfen sind.

 

10.

Zum Beyspiel: Es ist nach den Berichten der Schriftsteller unzweifelhaft, das Rurik im Jahr 862 nach Christi Geburt nach Nowogrod gekommen ist.

 

11.

Von Ruriks Abkunft aber findet man in einigen Schriftstellern fabelhafte Nachrichten mit wahren vermischt, in andern blos fabelhafteNachrichten.

 

 

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160

 

12.

Der nowogrodsche Annalist meldet folgendes: ein Fürst Slawän 1) und sein Bruder Skyph oder Scyth 2) führten viele Kriege in Osten, wendeten sich hierauf nach Westen und eroberten viele Länder um das schwarze Meer und die Donau.

3) Fürst Slawän lies seinen Sohn Bastard bey der Donau, ging nach Mitternacht, und erbaute eine grose Stadt, die er nach seinem Namen Slawänsk nannte.

4) Fürst Scyth blieb beym Polus-Meotis und wohnte in der Wüste, wo er sich von der Viehzucht nährte, daher diese Gegend Groß-Scythien genannt wurde.

5) Nach Gründung der großen Stadt starb Fürst Slawän, und nach ihm regierten seine Kinder und Enkel viele hundert Jahre.

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1) Hier sieht man das Fabelhafte mit Wahrem vermischt. Die Namen der Fürsten sind vielleicht Namen zweyer Völker, der Slawen und Scythen. Die Fürsten werden Brüder genannt, obgleich die Slawen und Scythen verschiedene Völker waren.
2) Daß die Slawen und Scythen viele Kriege in Osten und Westen geführt und viele Länder erobert haben, ist unzweifelhaft.
3) Die Slawen legten überall wohin sie kamen Städte an.
4) Die Scythen hatten keine feste Wohnsitze.
5) Einige halten diese Stadt für Nowogrod andere für Alt-Ladoga.

 

 

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Nach diesem lebte Fürst Wandal 6) welcher über Slawen herrschend, in Norden, Osten, und Westen zu Lande, und zu Wasser, kriegete, und in die große Stadt zurük kam, nachdem er viele Völker unterworfen hatte.

 

Hierauf sandte Fürst Wandal seine Vasallen und Anverwandte die Fürsten Gardorik und Hunnigard 7) mit einem großen Heer Slawen, Russen, und Tschuden nach Westen; diese eroberten auf ihrem Zuge viele Länder, und kamen nicht zurück; FürstWandal gerieth hierüber in Zorn, nahm ihnen alles Land ab, von einem Meere zum andern, und vertheilte es unter seine Söhne. Er hatte aber drey Söhne, nemlich Isbor, Wladimir und Stolposwät, und erbaute jedem dieser Söhne eine Stadt die er nach ihren Namen benannte.

 

Er selbst lebte viele Jahre in der großen Stadt und starb im hohen Alter. Nach ihm starben auch Isbor und Stolposwät, und Wladimir übernahm die Herrschaft über das ganze Land. Wladimir hatte eine sehr schöne und kluge Frau von warägischer Abkunft mit Namen Adwinda, der in alten Liedern sehr oft Erwähnung geschiehet.

 

Nach Wladimirs und Adwindens Tode herrschten deren Söhne und Enkel bis auf Buriwoi den

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6) Hier wird wiederum dem Fürsten der Name des Volks beigelegt.
7) so nannten die nordischen fremden Schriftsteller Rußland.

Erster Band 1783.

 

 

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neunten seines Geschlechts. 8) Buriwoi hatte öftere Kriege mit den Warägern und siegte über sie, endlich aber ward er selbst von den Warägern überwunden, welche der großen Stadt, und den Slawen, Russen, und Tschuden einen schweren Tribut auflegten.

 

Die durch diesen Tribut hart bedrückte Völker sandten zu Gostomüsl Buriwois Sohn, und baten ihn, er möchte sie von den Warägern befreien. Gostomüsl vertrieb die Waräger und erbaute eine Stadt am Meere nach dem Namen seines ältesten sohnes Wübör; er schloß Frieden mit den Warägern und es war Ruhe und Stille im Lande.

 

Gostomüsl war ein tapferer und weiser Mann, der von den Nachbarn geehrt, und von allen Leuten seiner Gerechtigkeit wegen geliebt ward; auch kamen aus fernen Gegenden zu Lande und zu Wasser viele Fürsten zu ihm, seine Weisheit zu hören, sein Gericht zu sehen, und von ihm Rath und Unterricht zu bitten; weil er deshalb überall berühmt war.

 

Gostomüsl hatte vier Söhne, und drey Töchter; die Söhne starben vor dem Vater; die älteste Tochter ward mit dem Fürsten von Isborsk vermählt und war die Mutter der Fürstin Olga; die

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8) Andere zählen vierzehn Grade in absteigender Linie bis auf Gostomüsl Buriwois Sohn, und rechnen auf jeden Fürsten fünf und zwanzig Jahre, welches 350 Jahre ausmacht; folglich würde dieses Geschlecht ohngefähr bis zum Jahre 480 nach Christi Geburt herauf steigen.

 

 

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mitlere Tochter Umila war die Gemahlin eines finnischen Königes von warägischer Abkunft: aus dieser Ehe entsproßen Rurik und seine Brüder.

 

Gostomüsl empfahl durch seinen lezten Willen seinen Unterthanen, man möchte nach seinem Tode seinen Enkel von seiner zweiten Tochter, den warägischen Fürsten Rurik mit seinen Brüdern Sineus und Truwor 9) zur Herrschaft über Nowgorod berufen.

 

 

13.

Zu den fabelhaften Erzählungen rechnet man die Sage, daß Fürst Rurik und seine Brüder Abstämmlinge von Pruß, einem Vetter des Kaisers August gewesen, und daß ihre Vorfahren zugleich mit dem römischen Fürsten Polemon oder Publius Liwonus, und mit ihnen zwey hundert und funfzig edle Römer, unter welchen verschiedene von den ansehnlichsten Geschlechtern der Ursinen, Kolonnen, Kesarinen und Kentawren, aus Italien zu Schiffe über das mittelländische Meer, um Spanien und Portugal herum, durch den Sund in das warägische Meer oder die Ostsee gekommen. Dieses ist ein offenbares Märchen, da es bekannt ist, das nach Nero, keine einzige Seele von Augusts Geschlecht übrig geblieben ist.

 

14.

Der slawische Fürstenstamm endigte sich in Nowgorod mit Gostomüsl.

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9) Diese Namen sind gothisch und sarmatisch.

 

 

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Alle slawische Stämme hatten den Gebrauch, sowohl ihre männliche als weibliche Namen aus ihrer eignen Sprache zu entlehnen. Man bemerkt, das die slawische Völker gern überall das Wort Slawa (Ruhm) anzubringen gesucht haben. Die Namen der Fürsten und Anführer dieses Volks waren oft mit dem Wort Slawa zusammen gesezt: als Swätoslaw, Jaroslaw, Isjäslaw, Mstislaw, Metscheslaw, Sudislaw, Rostislaw, Radislaw, Boleslaw, Wladislaw, Wenzeslaw, Wüscheslaw, Släwomür, Preslawa, Wosmislaw, Budislawa, Podrashislawa, Sbüslawa, u. s. w. Selbst in den Volksliedern besteht der Chor oder Zwischengesang von jeher bis jezt, aus dem Wort Slawa. Auch leiten verschiedene Schriftsteller den Namen des slawischen Volks von Slawa oder den ruhmvollen Thaten der Slawen ab.

 

Die Slawen hielten mehr auf den Krieg als auf Künste und Wissenschaften; es ist also kein Wunder daß unter ihnen keine beredte Geschichtschreiber gewesen sind; indesen ist aus Nestor und andern zu ersehen, daß sie alte geschriebene Geschichtbücher gehabt haben, die aber verlohren gegangen oder noch nicht aufgefunden, folglich nicht bis zu uns gelangt sind.

 

Die Slawen hatten schon lange vor Christi Geburt ihre Schrift, und waren ihren Nachbarn unter ihrem eigenthümlichen, zuweilen auch unter verschiedenen andern Namen bekannt. Die große Ausbreitung der slawischen Sprache beweiset die Ausbreitung

 

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des slawischen Volks, schon vor Ruriks Zeiten sprach fast ganz Rußland die slawische Sprache. Viele Völker haben durch Eroberungen ihre Sprache verlohren, die slawische Sprache aber ist von den durch Slawen besiegten Völkern angenommen worden.

 

Die Slawen wohnten in festen Wohnsizen, führten ihre Kriege zu Fuß, mit einem kleinen Schilde in der einen und einem kurzen Spies in der andern Hand, trugen einfache kurze Kleider, und sprachen alle einerley Sprache, obgleich sie aus verschiedenen Stämmen bestanden. Die Slawen waren von einerley Größe und Ansehen, lauter wohlgewachsene, gesunde und starke Leute, nicht sehr weiß von Gesicht, und von dunkelbraunen Haaren.

 

Die Slawen bemächtigten sich so vieler Provinzen in Osten, Süden, Westen, und Norden, daß in Europa kaum irgend ein Ländchen übrig blieb, welches sie nicht berührt hätten. Wo sie nur hinkamen, baueten sie Städte, von welchen viele bis jezt slawische Namen führen.

 

Da der slawische Fürstenstamm, welcher im Jahr 860 mit Gostomüsl ausging, ohngefähr bis zum Jahr 480 nach Christi Geburt hinaufsteigt, so kann man zuverläßig festsezen, daß die Slawen schon vor dem Jahre 480 nach Rußland gekommen sind.

 

 

15.

Die alten rußischen Schriftsteller als Joakim und Nestor, nennen Rußland, welches sonst Ruß genannt ward, auch Rusia.

 

 

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Die Namen Rus und Rusia bezeichneten zwar anfänglich ein kleines Volk, breiteten sich aber hierauf, durch Klugheit, Muth und Tapferkeit dieses Volks, weit und breit aus, so das die Russen Herren eines sehr großen Landes wurden.

 

Wenn sie aber hie und da Verlust erlitten haben, so geschahe dieses durch schädliche Stritigkeiten und innerliche Unruhen.

 

Eine Strecke Landes von Finnland gegen Morgen bis an das uralische Gebürge, und vom weissen Meer nach Süden bis an die Düna und die polozkische Provinz, folglich ganz Karelien, ein Theil von Kapland, Groß-Rußland, und die Seeküsten, nebst dem heutigen Permien, heißen schon vor Ankunft der Slawen Rus oder Rußland. Der Ladoga-See hies vormals More ruskoe oder das rußische Meer.

 

Ob schon vor Ankunft der Slawen, in Rußland rußische Fürsten geherrschet haben, ist bisher durch keine zuverläsige Nachrichten festgesezt worden; wahrscheinlich aber ist es, daß das Volk nicht ohne Obrigkeit und ohne Beherrscher gewesen.

 

Die schwedischen und norwegischen Schriftsteller nennen verschiedene rußische Zaren unter dem Namen der Gardorikischen uud Holmogardischen Könige. Einige Schriftsteller melden, daß die Waräger den rußischen Fürsten Kriegsvölker gegeben, und das die Rußen ihren Nachbarn in ihren Kriegen Hülfe geleistet haben.

 

 

 

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Das Wort Knäs (Fürst) wird in den ältesten Schriften anstat des griechischen Igemon und Stratiarch, Heerführer oder oberster Befehlshaber der Armee, gebraucht.

 

Der Name Ruß war bey den Griechen schon lange vor Rurik bekannt. Die nordischen fremden Schriftsteller benennen das alte Rußland mit verschiedenen Namen, als Biarmien oder Permien, Gardorik, Ostrogard, Chunigard, Ulmigard und Cholmogard.

 

Auf lateinisch wird Rußland auch Ruthenia genannt.

 

Alle nordische Schriftsteller melden, daß die Russen in Norden des Handels wegen über die Ostsee (welche von den Russen das warägische Meer genannt wurde) nach Dänemark Schweden und Norwegen gegangen sind.

 

Die südlichen Schriftsteller melden, das die Russen von alten Zeiten her zur See nach Indien, Syrien, und bis nach Egypten Handel getrieben haben.

 

Die alten rußischen Geseze oder Gesezbücher sind ein hinlänglicher Beweis für das Alter der russischen Schrift; folglich hatten die Russen lange vor Rurik ihre Schrift. Eine Stadt der alten Russen an dem Ausflusse des Lowat nahe am Ilmen-See, wird bis jezt Staraja-Rus oder Rußa genannt. Die Stadt Staraja-Rußa (Alt Rußa) war vor Nowgorod (Neustadt).

 

 

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Als die Slawen die Russen unterwarfen, baueten sie in Rußland eine neue Stadt, nannten selbige zum Unterschied von Staraja-Rußa, oder Stara Gardorik, Groß-Nowgorod (die große neue Stadt) und wohneten daselbst; die Einwohner von Staraja-Rußa aber zogen nach Nowgorod.

 

Die rußischen Schriftsteller erwähnen einer großen Stadt Namens Ladoga, an der Stelle wo jezt das Kirchdorf Staraja-Ladoga liegt, in welcher bis zur Verlegung der Residenz nach Groß-Nowogorod der siz der Fürsten gewesen ist.

 

Nahe bey Staraja-Ladoga sieht man bis jezt Ruinen, welche das Haus des Großfürsten Rurik genannt werden.

 

Dreißig Werste von Groß-Nowogorod lag eine berühmte stadt Cholmograd, welches auf sarmatisch die dritte stadt heißt; zu dieser Stadt stellten die nordische Könige gewöhnlich Wallfahrten an.

 

Es ist den Umständen nach wahrscheinlich, daß diese Stadt an dem Flusse Msta gelegen habe, an der Stelle des gegenwärtigen Kirchdorfs Bronniza. Hier ist auf einem sehr hohen Hügel bis jezt ein alter Wall und Brunnen zu sehen.

 

Die Slawen überwanden nach ihrer Ankunft die Russen.

 

Die Russen vermischten sich mit den Slawen und wurden für ein Volk angesehen. Die Slawen-Russen vereinigten sich, durch die nach Gostomüsls Tode geschehene Anerkennung der warägischen Fürsten, mit den Warägern.

 

 

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16.

Man sagt, die Russen sollen schon vor 310 Jahren vor Christi Geburt dem Könige Philip von Macedonien, und seinem Sohne Alexander im Kriege Hülfe geleistet, und von lezterm für ihre Tapferkeit einen mit goldenen Buchstaben geschriebenen Brief erhalten haben, welcher in dem Archiv des türkischen Sultans liegen soll. Da man aber die sultanischen Bäder mit Archiv-Schriften heizt, so ists wahrscheinlich, daß auch dieser Brief längstens dazu verbraucht worden ist, wenn er jemals da gelegen hat.

 

17.
Die alten rußischen Schriftsteller erwähnen häufig der Waräger, als Stammverwandten der Slawen, besonders daß von ihnen Ruriks Geschlecht den rußischen Thron vom Jahre 862 bis 1598, folglich 736 Jahre, mit abwechselndem Glück erblich besessen habe; auch stammen viele heutige adeliche Geschlechter in Rußland und Polen von den Warägern ab.

 

Es ist aus der Geschichte deutlich zu ersehen, das die Waräger an der Ostsee oder dem baltischen Meer gewohnt haben, welches von den Russen das warägische Meer genannt wurde. Eigentlich war das warägische Meer derjenige Theil der Ostsee, welcher zwischen Ingermannland und Finnland liegt.

 

Mit Rurik kamen viele Waräger nach Rußland, welche bey ihm in Größerm Ansehen waren als die Slawen; denn in der Geschichte seiner Zeit werden überall warägische Namen genannt.

 

 

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Die Waräger führten vor Rurik Kriege mit den Russen, und gaben zuweilen den rußischen Fürsten Truppen, zuweilen waren sie mit den Russen verbündet und dienten ihnen im Kriege für Sold.

 

DieWaräger wohnten an den Küsten des warägischen Meeres; sie fuhren vom Frühlinge bis zum Herbst auf diesem Meere herum und beherrschten es; die Waräger forderten von ihren Königen und Anführern nicht nur Entschlossenheit sondern auch Klugheit; da sie sich beständig zu kriegerischen Unternehmungen auf dem Meer befanden, so verkauften sie an einem Ort, was sie am andern von dem Feinde erbeutet hatten.

 

18.

Die rußischen Schriftsteller erzählen: das Fürst Kii ums Jahr 430 nach Christi Geburt mit seinen Brüdern Schtschek und Chorew, mit seiner Schwester Libed oder Lebed, und mit vielem Volk an die Ufer des Dniepers gekommen sey und sich daselbst niedergelassen habe. Der älteste Bruder Kii bauete eine Stadt und nannte sie nach seinem Namen Kiew. Um Kiew waren damals große Wälder und Wildnisse, die zur Jagd dienlich waren.

 

Der zweite Bruder Schtschek bauete die Stadt Schtschekowiza.

 

Der dritte Bruder Chorew bauete die Stadt Chorewiza, die nachher Wüschgorod genannt wurde.

 

Ihre Schwester Lebed gab dem Fluß Lebed den Namen, und bauete an selbigem eine Stadt gleichfals Lebed genannt.

 

 

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Die Geschichtschreiber erzählen 1) daß diese Männer weise und verständige Leute 2) daß sie ansehnliche Fürsten ihres Volks und 3) daß sie Leute von sanften und milden Sitten gewesen.

 

Alles dieses beweiset sich selbst dadurch, daß sie nach ihrer Ankunft Städte gegründet haben. Unstreitig gehöret mehr Weisheit und Verstand zum bauen als zum zerstöhren.

 

Wenn sie nicht Leute und Vermögen gehabt hätten, so konnten sie keine Städte bauen.

 

Das Anlegen der Städte selbst zeuget von ihren Sitten und Neigungen.

 

Einige Schriftsteller glauben, daß Kii und seine Brüder von persischer oder scythischer Herkunft gewe sen; Städte bauen war aber gewöhnlich keine Sache für Scythen.

 

Andere behaupten ausdrücklich, daß Kii und seine Brüder Slawen gewesen und mit vielem Volk angekommen sind. Daß die Slawen um diese Zeit in Bewegung gewesen und Eroberungen gemacht haben, wird durch die vorerwähnte um das Jahr 480 erfolgte Ankunft der slawischen Fürsten in die nördlichen Gegenden Rußlands bewiesen; aber die Namen Kii, Schtschek und Chorew kommen nicht mit dem slawischen Gebrauch überein, die Namen der Fürsten und Heerführer aus ihrer eigenen Sprache zu entlehnen.

 

Noch andere Schriststeller sagen, daß Kii und seine Brüder aus der Wüste gekommen, daß sie polänische Fürsten gewesen, daß die Polänen die slawische

 

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Sprache geredet haben, daß nach Kiis Schtscheks und Chorews Tode, ihre Kinder und Nachkommen, jeder in seinem Erbtheil, lange Zeit bis auf Oskold und Dir mit Ordnung und Pracht regiert haben; daß gedachte Fürsten andre Fürsten unter sich gehabt, die sie zu Heerführern und Feldherren ihrer Truppen gebraucht haben; daß von den abgetheilten Fürsten einer Radim geheißen, von welchem das Volk der Radimitschen den Namen erhalten, ein anderer Wädka oder Wadko, welcher sich an der Wätka und theils an der Wolga festgesezt und den Wätitschen oder Wätschanen den Namen gegeben, ein dritter Duleb der am Fluße Bug geherrscht habe, und von dem die Duleben benannt worden.

 

Nestor sagt ausdrücklich, daß die Polänen, Drewier, Bushanen, Radimitschen, Wätitschen, Chorwaten und Duleben von den Griechen Gros-Scythien genannt worden sind.

 

 

19.

Der Name Scyth (Skyph) ist sehr alt, und war den Schriftstellern des höchsten Alterthums schon bekannt.

 

Aber kein einziges Volk hat sich selbst Scythen genannt.

 

Die Griechen nannten die Bewohner eines großen Strichs von Afrika, Asien, und Europa, Scythen, und begriffen unter diesem Namen viele Völker, als Slawen, Sarmaten, und Tatarn.

 

Nach dem Bericht der griechischen Schriftsteller,

 

 

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haben die nördlichsten Scythen am kaspischen Meer in Kuban, der Kabarda, am Flusse Don und bis zum Dnieper gewohnt oder sich aufgehalten.

 

Klein Scythien hieß die Krim, und die gewesene krimische Stepe, oder das jezige asowische Gouvernement.

 

Einige scythische Stämme hatten unumschränkte Beherrscher, welches ihnen nach ihrem Zustande, zur Beförderung des gemeinen Bestens und zur Erhaltung der Ruhe und Sicherheit, sehr nöthig war.

 

Die griechischen Schriftsteller nennen die Beherrscher der Scythen Basilews, die lateinischen Rex, einige auch Kachan oder Kagan.

 

Man sagt, daß die Scythen es nicht leiden konnten, daß andere Völker sich für älter als sie ausgaben.

 

Justin erwähnt eines alten Streites zwischen den Egyptiern und Scythen wegen des Alterthums ihres Volks. Die Scythen waren nach seinem Vorgeben hiebey der Meinung, daß ihr Land ehe bevölkert gewesen seyn müßte; denn, sagten sie, wenn im Anfange der Dinge das Feuer geherrschet hätte, so müßte ihre Gegend als die kälteste am ersten kühl, und folglich wohnbar geworden seyn; sollte aber anfangs das Wasser die Welt bedeckt haben, so wäre ihre Gegend als die höchste zuerst trocken geworden.

 

Umsonst aber sucht ein Volk sich vor dem andern durch sein Alterthum ein Ansehen zu geben, da es uns aus der heiligen Schrift bekannt ist, dasßalle Völker

 

 

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Adams Nachkommen sind, und daß nach der Sündfluth Noas Geschlecht die ganze Erde bevölkert habe. Wenn aber ja ein Vorzugsstreit unter Völkern statt finden sollte, so müßte es nicht des bloßen Alterthums wegen seyn, sondern etwan darüber, welches Volk sich früher als andere durch Wohlgesitheit und andere Tugenden berühmt gemacht habe.

 

Von den Sitten und Gebräuchen der alten Scythen wird erzählt; daß sie die Freundschaft sehr hoch geschäzt, und sichs zur Ehre und zum Ruhm gerechnet haben, dem Freunde in aller Noth und Gefahr zu helfen.

 

Sie suchten vorzüglich die Freundschaft beherzter Leute.

 

Wenn sie einen Freund gewählt hatten, so verbanden sie sich, die Freundschaft bis zum Tode zu erhalten.

 

Die Scythen glaubten, daß man nicht mehr als drey Freunde haben könne.

 

Sie beschäftigten sich nicht mit dem Ackerbau, sondern mit der Viehzucht.

 

Sie hatten keine Häuser sondern blos Lagerplätze.

 

Ihre Weiber und Kinder führten sie von einem Ort zum andern in Wägen die mit Häuten oder Laube bedeckt waren.

 

Die Veränderungen ihrer lagerplätze, geschahen der Viehweide wegen.

 

Sie gingen selten zu Fuß, sondern waren beständig zu Pferde, oder fuhren auf Wägen.

 

Ihre Speise war gesottene Milch und Pferdemilch.

 

 

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Sie kleideten sich Winters und Sommers in Thierhäute.

 

Es gehörte bey ihnen zum Puz, einen gespannten Bogen in der Hand zu führen.

 

Gold und Edelsteine verachteten sie, und schäzten nur die Tugend.

 

Die Gerechtigkeit wurde bey ihnen nach der gesunden Vernunft ohne geschriebene Geseze verwaltet.

 

Diebstal war bey ihnen strenge verboten, und wurde hart bestraft.

 

Dieses würkte so viel, daß ihre zahlreiche Heerden ohne Hirten weideten.

 

Alle ihre Geseze giengen darauf, Tugend und Herzhaftigkeit einzuflössen.

 

Alle Schriftsteller loben einmüthig die Tugenden, besonders aber die Gerechtigkeit der Scythen.

 

Ihre Ehen waren aus vier Ursachen glücklich, 1) weil die Kinder in der Tugend erzogen und unterrichtet wurden, 2) weil die Männer den Weibern und die Weiber den Männern aufrichtig ergeben waren, 3) weil sowohl diese als jene einen Abscheu gegen das Laster hatten, 4) weil das Gesez gegen den Uebertreter der ehelichen Verbindung strenge war.

 

Die scythischen Mädchen hatten kein ander Heirathsgut als die Tugenden ihrer Eltern.

 

Die Mädchen konnten sich nicht verheirathen, ehe sie im Kriege gewesen waren; ein muthloser Bräutigam fand keine Braut; denn die Mädchen hielten es für Schande, einen Feigen zum Manne zu nehmen.

 

 

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Die Scythen hatten folgenden Gebrauch ihre Kriegs-Völker zu zählen; sie rückten ins Feld, und jeder Kriegsmann warf einen Pfeil in ein Gefäß.

 

Ein Volk welches keine feste Wohnsize hat, beschäftiget sich gewöhnlich nicht mit Künsten und Wissenschafften. Die Noth aber ist die Mutter der Erfindungen.

 

Die Scythen hatten Zimmerleute um ihre Wägen zu machen, Riemer und Gärber zur Verarbeitung der Häute, und Handwercker zur Verfertigung der Bogen, Pfeile, Säbel, Spiese, Panzer, und Schilde.

 

Die größte Macht der Scythen bestand in Reuterey und Schützen.

 

Sie schoßen, im vollen Galop reitend, Pfeile nach dem Ziel.

 

Die Weiber gaben ihren Männern in dieser Kunst und im Reiten nichts nach; daher das Sprichwort entstanden: die Scythen sind so geschickt im Bogenschießen als die Griechen im Leyerspielen.

 

In dem ganzen Alterthum siegten die Scythen jederzeit, entweder für sich oder für ihre Bundesgenosen.

 

Dreymal haben die Scythen ganz Asien besiegt.

 

Den persischen König Darius trieben sie mit Schimpf zurück.

 

Cyrus konnte mit seinem ganzen Heer gegen die Scythen nichts ausrichten.

 

Sopyrion Alexanders Feldherr ward von ihn überwunden.

 

 

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Den Römern sind die Scythen nie unterworfen gewesen.

 

Bloß Alexander von Macedonien war gegen die Scythen glücklich und schloß mit ihnen Bündnis.

 

Der erste scythische König soll Skyph geheißen haben.

 

Anacharsys eines scythischen Königes Sohn und Bruder des Königes Kadwid studierte zu Solons Zeit in Athen. Plutarch erzehlt von ihm, daß er die Schiffsanker und andre nüzliche Sachen erfunden habe, und zu den sieben griechischen Weisen gerechnet worden sey.

 

Man hatte zu Athen marmorne Bildsäulen, in welchen er mit einem gespannten Bogen und mit einem Buche vorgestellt wurde.

 

Plinius erzehlt, das Skill des scytischen Königes Ariatne und der Königin Istrina Sohn, bey den Griechen in der Stadt Borysten am Dnieper in Wissenschafften unterrichtet worden sey.

 

Die Griechen nannten den Fluß Dnieper Borysten und den Don Tanais.

 

Abaris ein aus den nördlichen Gegenden nach Athen geschickter scythischer Gesandte hat einige Bücher geschrieben, derer viele alte Schriftsteller Erwähnung thun.

 

 

20.

 

Vorstehende Beschreibung des ersten Zeitraums der Geschichte des nördlichen Rußlands, stellt die Russen und Rußland bis zum Jahre 480 nach Christi Geburt, mit dem gegenwärtigen Zustande

 

Erster Band 1783.

 

 

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verglichen, gleichsam in der Kindheit dar. Indessen erstrecken sich die Gränzen Rußlands um diese Zeit schon auf 9 Grade der Bereite und 28 Grade der Länge, und sind folglich ausgebreiteter als die Gränzen verschiedener europäischen Königreiche des gegenwärtigen Zeitalters.

 

Die Russen geben und erhalten Hülfsvölker, sind folglich mit ihren Nachbarn in Verbindung und unterhalten mit ihnen ein dem beyderseitigen Nutzen gemäßes gegenseitiges Zutrauen.

 

Dergleichen Bündniße konnten schwerlich ohne Verträge bestehen.

 

Zu Friedens Zeiten handeln die Russen, nach den Berichten der nordlichen und südlichen Schrifftsteller, in Norden mit Dänemarck Schweden und Norwegen, in Süden mit Indien, Syrien und bis nach Egypten.

 

Sie hatten ihre Schrifft und geschriebene Geseze.

 

Wie sollten sie auch ohne selbige gewesen seyn, da sie so wichtige Sachen und Geschäfte unternahmen.

 

Sie haben drey ansehnliche Städte erbauet: nemlich, die große Stadt (Ladoga) Staraja-Rußa, welches Groß-Nowogorod mit Einwohnern versah, und Cholmgorod wohin die nordischen Könige gewöhnlich Wallfahrten anstellten.

 

Die Slawen überwanden bey ihrer Ankunft die Russen.

 

Dieses waren die Slawen deren Namen die Schriftsteller von den berühmtenThaten dieses Volks ableiten. Dieses war das slawische Fußvolk, welches

 

 

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in Osten Süden Westen und Norden so viele Provinzen eroberte, daß in Europa kaum ein Ländchen übrig blieb, welches sie nicht berührt hätten.

 

Die Russen vermischten sich mit den Slawen, wurden mit ihnen für ein Volk angesehen, und nahmen die slawische Sprache an.

 

Das Geschlecht der slawischen Fürsten regierte in Rußland vom Jahr 480 bis 860, und endigte sich mit Gostomüsl.

 

Die Slawen-Russen vereinigten sich mit den Waräger-Russen die an den Küsten des warägischen oder baltischen Meeres wohnten und selbiges beherrschten.

 

Die Waräger forderten von ihren Königen und Feldherrn Entschlossenheit und Klugheit.

 

Die Slawen-Russen erhielten also durch diese Vereinigung mit den Waräger-Russen geschickte Seefahrer und entschlossene kluge Fürsten und Feldherrn; die Folge hiervon gehört zum zweiten Zeitraum.

 

In den südlichen Grenzen Rußlands ward ums Jahr 430 nach Christi Geburt an dem Flusse Dnieper die Stadt Kiew nebst andern Städten gegründet, von Fürsten die aus denjenigen Gegenden kamen, welche die Griechen unter dem gemeinschaftlichen Namen Scythiens begriffen, und die mit den Slawen eine Sprache hatten.

 

Die nördlichen Scythen hatten ihre veränderlichen Lagerplätze an dem Dnieper.

 

Sie hatten unumschränkte Beherrscher.

 

 

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Die Scythen konnten nicht leiden daß andre Völker sich für älter als sie ausgaben.

 

Sie schäzten Freundschaft und Tugend, liebten herzhafte Leute, verachteten den Reichthum, beschäftigten sich mit der Viehzucht, und kleideten sich Winters und Sommers in einerley Kleidung. sie waren beständig zu Pferde, hielten die Waffen für den besten Putz, verwalteten das Recht nach der gesunden Vernunft, hatten keine geschriebene Geseze und straften die Laster strenge.

 

Die Tapferkeit und Gerechtigkeit der Scythen war bey den angrenzenden Völkern berühmt.

 

Ihre Ehen waren glücklich, weil ihre Sitten unverderbt waren.

 

Wissenschaften und Künste waren ihnen wenig bekannt, doch hatten sie Handwerker.

 

Die größte Macht der Scythen bestand in Reuterey und Schützen.

 

Die Weiber gingen mit ihren Männern in den Krieg, die Mädchen verheyratheten sich nicht, ehe sie einem Feldzuge beigewohnt hatten.

 

Die Bräute verachteten muthlose Freyer.

 

Dreymal besiegten die Scythen ganz Asien.

 

Alexander allein war gegen die Scythen glücklich und schloß mit ihnen Bündnis.

 

So beschreiben die Geschichtschreiber die südlichen Nachbarn der Russen: was aber von den Zeiten Ruriks an in den südlichen Grenzen und bey diesem Volk für Thaten Geschäfte und Veränderungen vorgefallen sind, dieses gehört zum zweiten Zeitraume.

 

 

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Quelle:

 

 

Neues St. Pertersburger Journal vom Jahre 1783. Erster Band. S. 155-180 St. Petersburg, gedruckt in der privegirten Buchdruckerey bey Schnoor.

 

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Aufsäze betreffend die rußische Geschichte. *)

 

(Fortsetzung.)

 

Zweiter Zeitraum

 

21.

Der zweite Zeitraum der rußischen Geschichte geht von dem Großfürsten Rurik bis zur Ankunft der Tatarn, oder vom Jahre 862 bis 1224.

 

Den zweiten Zeitraum der rußischen Geschichte kann man in zwey Zeiten abtheilen.

 

Die erste Zeit, ehe Rußland durch die heilige Taufe erleuchtet worden, oder vom Jahre 862 bis 988.

 

Die zweite Zeit, nachdem Rußland durch die heilige Taufe erleuchtet worden, oder vom Jahre 988 bis 1224.

 

 

22.

Großfürst Rurik I.

 

Die Geschichtschreiber melden, daß Gostomüsl kurz vor seinem Ende, im Jahr 860 nach Christi Geburt, die Landes-Aeltesten der Slawen, Russen

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*) S. St. Petersburgisches Journal 1783 erster Band, Seite 155.

 

 

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76

 

Tschuden 1), Weßen 2), Meren 3), Kriwitschen 4), und Drägowitschen 5), zusammenberufen und zu ihnen gesagt habe: „er sähe zwischen ihnen Uneinigkeiten, ein jeder von ihnen wolle nach seinen eignen Gedanken und Lüsten herrschen und richten, wodurch die Regierung des Landes und der Sachen aufgehalten werde, und Groß-Nowogrods völliger Untergang erfolgen könnte; sie vermöchten nicht sich selbst zu regieren, und hätten also einen Fürsten nöthig der sie beherrsche; hiezu befänden sich drey Brüder, Fürsten von edler Abkunft, unter den Warägern, die durch ihre Klugheit und Tapferkeit berühmt wären.“

 

Die Nowogroder folgten Gostomüsls klugem Rath, und schickten nach seinem Tode im Jahre 860, einige ihrer ansehnlichsten Bürger als Gesandte zu den Warägern, um die drey fürstliche Brüder, Rurik, Sineus und Truwor, zur Herrschaft über sich einzuladen.

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1) Die Russen nannten Ehstland und Liefland Tschud. Tschud bezeichnet in der sarmatischen Sprache einen Nachbar.
2) Die Sarmaten nannten Belo-Osero auf sarmatisch Wüßa.
3) Die Morduanen nennen sich selbst Meren.
4) Die Kriwitschen waren Sarmaten unter slawischer Herrschaft
5) Die Drägowitschen waren Sarmaten unter slawischer Herrschaft, an der Düna um Polozk.

 

 

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Als die Gesandten zu den Warägern kamen, sagten sie zu den Fürsten unter andern folgende denkwürdige Worte: „Unser Land ist groß und fruchtbar, es ist aber keine Ordnung darin, kommt und herrschet über uns.“

 

Da Rurik und seine Brüder von der Uneinigkeit, der Ausgelassenheit, dem Uebermuth und der Unordnung unter den Nowogrodern hörten, konnten sie sich kaum zur Erfüllung gedachter Bitte entschliessen.

 

Endlich liessen sie sich den Vorschlag der Gesandten gefallen.

 

Fürst Rurik und seine Brüder brachen mit ihren Hausgenossen auf, nahmen eine ansehnliche Zahl ihres Volks mit sich, und kamen im Jahr 861 aus dem Lande der Waräger in die rußische Grenzen.

 

Der älteste Bruder Rurik nach Staraja-Ladoga, welche Stadt er befestigen ließ.

 

Sineus ins Weß-Jegonskische am Belo-Osero. Der dritte Bruder Truwor nach Isborsk, der damaligen Hauptstadt dieser Gegend, weil Pskow noch nicht da war.

 

Die Fürsten wurden von allen rußischen Ständen mit großer Freude empfangen.

 

Nach zwey Jahren starb Fürst Sineus am Belo-Osero ohne Erben; ihm folgte Fürst Truwor, welcher aber gleichfalls bald darauf (im Jahr 864) in Isborsk starb.

 

Die Gräber dieser Fürsten wurden nach damaligem

 

 

 

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Gebrauch durch Aufschüttung großer Erd hügel bezeichnet, welche bis jezt zu sehen sind. Nach dem Tode beyder Brüder Sineus und Truwor, vereinigte Fürst Rurik von Nowogorod beyde Fürstenthümer, Belo-Osero und Isborsk, mit dem nowogorodschen.

 

Im vierten Jahre seiner Regierung begab er sich aus der alten Stadt (Ladoga) nach Groß-Nowogorod am Ilmen-see; er vermehrte den Bau dieser Stadt, und sorgte für Recht und Gerechtigkeit im Lande. Um Recht und Gericht überall aufrecht zu erhalten, schickte er Fürsten (Befehlshaber) in die Städte Polozk, Rostow, Belo-Osero, Isborsk, Smolensk und Murom. Die Fürsten dieser Städte waren also (sagt Nestor) warägische Ankömmlinge, die Einwohner aber waren, in Nowogorod Slawen, in Polozk Drägwitschen, in Smolensk Kriwitschen, in Rostow Meren, in Belo-Osero Weßen, in Murom Muromen.

 

Rurik selbst nannte sich Großfürst, um sich dadurch von seinen untergebenen Fürsten, deren eine ansehnliche Zahl unter seinen Befehlen stand, zu unterscheiden. Der Name Großfürst (Knäs Welikii) bedeutet eben das was die Griechen durch Archikrator oder Basileis bezeichneten.

 

Nach dem Tode (des finnischen Königes) des Vaters des Großfürsten Rurik, herrschte dieser über die Waräger-Russen, die ihm Tribut zahlten und Truppen gaben.

 

 

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Die am Dnieper wohnende Slawen, Poslänen und Goränen genannt, welche von den Kosaren 6) gedruckt wurden, die Kiew und die übrigen umliegenden Gegenden beherrschten, von selbigen einen schweren Tribut erhoben, und über dieses allerley harte Arbeiten verlangten, sandten ihre ansehnlichsten Männer an den Großfürsten Rurik, mit Bitte er wolle ihnen seinen Sohn oder einen andern Fürsten von seiner Verwandschaft schicken, um über sie zu herrschen. Rurik gab ihnen Oskold und schickte mit ihm Kriegs-Völker ab.

 

Oskold war des Großfürsten Ruriks Stief-Sohn, ein Sohn seiner Gemahlin von ihrem ersten Manne.

 

Oskold bat sich bey seiner Abreise von dem Großfürsten die Erlaubnis aus, einen Feldzug nach Konstantinopel zu thun, versammelte darauf ein Heer, gieng nach Süden gegen Smolensk, und von Smolensk auf dem Dnieper zu Wasser nach Kiew; er überwand zuerst die Kosaren und kam in Kiew an.

 

Oskold blieb einige Zeit in Kiew, vermehrte seine Truppen durch Waräger, und hatte Krieg mit Polen und mit den Drewiern.

 

Im Jahr 865 unternahm Oskold einen Feldzug gegen die Griechen; er gieng zu Wasser auf ohngefähr zwey hundert Kähnen und andern

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6) Die alten Scythen.

 

 

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Fahrzeugen den Dnieper herab, über das schwarze Meer nach Konstantinopel; im vierzehnten Jahre der Regierung des griechischen Kaisers Michael. Der griechische Kaiser führte damals sein Heer gegen die Saracenen an, und war bis zum schwarzen Flusse gekommen, als ihm der in Konstantinopel zurückgelassene Eparch oder Stathalter die Nachricht zusandte, daß die Russen gegen Konstantinopel im Anzuge wären. Der Kaiser kam auf diese Nachricht zurück; Oskold gieng mit den Polänen zu Schiffe in den Kanal zwischen dem schwarzen und mittelländischen Meer, welcher der thracische Bosphor genannt wurde, und umringte die Stadt Konstantinopel so, daß der Kaiser kaum hinein kommen konnte.

 

Die Griechen hoften damals schon auf keine Hülfe zu ihrer Vertheidigung, und wendeten sich allein mit ihrem Gebet zu Gott. Des Morgens entstand ein Sturm und durch diesen Sturm eine starke Bewegung der Meeres-Wellen, welche die rußischen Schiffe auf die Ufer und Untiefen warf; so daß nur ein kleiner Theil derselben nach Hause kam.

 

Oskold kam mit den übriggebliebenen nach Kiew, von da er bald darauf einen Feldzug gegen die Petschenegen 7) und nach diesem gegen die Kriwitschen (Smolensk) unternahm.

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7) Die Petschenegen sind Tatarn welche sonst auch Komanen genannt werden.

 

 

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Oskold wird bey den griechischen Schriftstellern Fürst Roß genannt.

 

Als Oskold sich mit diesen Feldzügen beschäftigte, und der Großfürst Rurik für die Sicherheit seiner Grenzen sorgte, entstanden in Nowogorod innerliche Unruhen, nach den Berichten der Schriftsteller von dem Neide der Nowogoroder gegen die Waräger.

 

Der Urheber derselben war ein tapferer Mann Namens Wadim, ein slawischer Fürst.

 

Man glaubt, die Beschwerde habe darin bestanden, daß das slawische Volk gering geachtet würde, und nur wenige Slawen in Ansehen stünden, weil überall Waräger verschickt und gebraucht würden.

 

Der Großfürst Rurik aber dämpfte diese Unruhen bald und bestrafte die Rädelsführer.

 

Zu dieser Zeit flohen viele Slawen von Rurik aus Nowogorod nach Kiew, weil sie nicht als Knechte der Waräger angesehen seyn wollten.

 

Als der Großfürst Rurik vor dem Ende seines Lebens sehr krank und schwach ward, und die zarte Kindheit seines zweyjährigen Sohnes Igor in Erwägung zog, übergab er die Regierung und seinen Sohn seinem Schwager (Frauen Bruder) dem urmannisch-warägischen Fürsten Oleg, und starb im Jahr 879 in Nowogorod, wo er auch begraben ist. Er regierte 17 Jahre.

 

Zweiter Band 1783.

 

 

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Der Großfürst Rurik hatte eine Gemahlin die er sehr liebte, Namens Efanda oder Endwinda (Hedwig), Tochter eines urmannischen Fürsten. Als sie im Jahre 877 ihren Sohn Igor gebahr, gab ihr der Großfürst die versprochene Stadt Ishora.

 

Geschlechts-Register Ruriks I.

 

Ein finnischer König – – – oo Dessen Gemahlin Umila, Tochter des nowogorodschen Fürsten Gostomüsl.

 

Aus dieser Ehe entsprossen:

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► Rurik, Großfürst des nördlichen Rußlands von 862 bis 879.

oo Dessen Gemahlin Efanda, eine urmannische Fürstin, welche ihm seinen Sohn Igor gebahr, aus ihrer ersten Ehe aber einen Sohn Namens Oskold hatte. Deren Bruder war der urmannische Fürst Olg oder Oleg.

 

► Sineus, Fürst zu Belo-Osero von 862 bis 864

 

► Truwor, Fürst zu Isborsk von 862 bis 864, und zu Belo-Osero von 864 bis 865.

 

 

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Ruriks Zeitverwandte, vom Jahre 862 bis 879 waren:

 

In Griechenland. Kaiser. Michael von 842 bis 867. Basil von 867 bis 886.

 

In Deutschland. Kaiser. Ludwig II. von 855 bis 871. Karl II. von 875 bis 877. Ein dreyjähriges Zwischenreich.

 

In Polen. König. Simowiet von 861 bis 892.

 

In Bolgarien. Zar. Bogoris von 844 bis 896.

 

In Arabien. Kalifen. Mostain Willa XXXI. Kalif von 862 bis 866. Motas XXXII. Kalif von 866 bis 869. Motadi Willa XXXIII. Kalif von 869 bis 870. Motamed Willa XXXIV. Kalif von 870 bis 892.

 

In Frankreich. Könige. Karl der kahle von 840 bis 877. Ludwig II. von 877 bis 879.

 

In England. Könige. Etelred I. von 866 bis 871. Alfred der Große von 871 bis 900.

 

In Spanien. König. Alfonsus III. von 866 bis 912.

 

 

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Patriarchen zu Konstantinopel. Photius von 857 bis 867. Ignatius von 867 bis 877. Photius von 877 bis 886.

 

Römische Päbste. Nicolaus I. von 858 bis 867. Adrian II. von 867 bis 872. Johann VIII. von 872 bis 882.

 

Patriarchen zu Alexandrien. Michael von 859 bis 872. Michael von 872 bis 908.

 

Patriarch zu Jerusalem. Theodosius von 862 bis 879.

 

Patriarchen zu Antiochien. Nikolaus von 846 bis 870. Stephan von 870 bis 870. Theodosius von 870 bis 880.

 

 

In Rußland. Abgetheilte Fürsten.

 

In Belo-Osero. Sineus von 862 bis 863. Truwor von 863 bis 864.

 

In Isborsk. Truwor von 862 bis 864.

 

In Kiew. Oskold von 863 bis 883.

 

In Ishora. Endwinda.

 

 

 

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23.

Großfürst Igor I.

Nach dem Tode des Großfürsten Rurik, folgte ihm in dem erblichen Besitz des nowgorodschen Fürstenthums, oder des nördlichen Rußlands, sein Sohn Igor Rurikowitsch; da dieser aber nur zwey Jahre, folglich in der zartesten Kindheit war, so verwaltete, laut dem Testament des Großfürsten Rurik, Igors Vetter und Führer, der urmannisch-warägische Fürst Oleg, die bürgerlichen und Kriegsgeschäfte.

 

Die Geschichtschreiber erzehlen, daß Oleg ein weiser Mann und ein erfahrner und tapferer Krieger gewesen.

 

Er machte den Anfang seiner Vormundschaftsverwaltung mit einer Reise durch die rußische Provinzen.

 

Als er auf die Stelle kam, wo sich die Flüsse Moskwa, Jausa und Neglinnaja vereinigen, erbauete er eine kleine Stadt, nannte sie Moskwa und übergab den Besitz derselben einem seiner Verwandten.

 

Nach diesem vernahm Oleg die Beschwerden der Kiewer über Oskold; da er nun selbige vermuthlich gegründet befand und von dem unglücklichen Zuge nach Konstantinopel und dem Verlust vieler Leute und Schiffe Nachricht erhielt, verfügte er sich selbst nach Kiew.

 

Oleg nahm den jungen Großfürsten Igor mit sich, versammlete ein ansehnliches Heer und ging

 

 

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zuerst nach Smolensk, welche Stadt er den Kriwitschen abnahm, und zuverläßigen Personen anvertraute; hierauf sezte er sich mit Igors gesammten Kriegs-Völkern auf Fahrzeuge und fuhr den Dnieper herab bis zur Stadt Kiew; er kam im Jahre 883 vor der Stadt an und ließ Oskold den Fürsten von Kiew zu sich entbieten. Als Oskold mit den Kiewern zu ihm vor die Stadt kam, nahm Oleg Igorn auf seine Arme und sagte zu den Kiewern: „Dieser ist der Erbe aller rußischen Fürstenthümer, Oskold aber ist kein unumschränkter Fürst, noch von Ruriks Geschlecht, sondern Igors Unterthan, der ihn des Fürstenthums entsezt und bestraft.“ (Hieraus ist zu ersehen, daß Oleg mit Oskold als mit Igors Vasallen verfahren sey. Einige Schriftsteller meinen, der Anlaß zu diesem Vorfalle habe darin bestanden, daß Oskold auf seinem Zuge nach Konstantinopel die christliche Religion angenommen, welches die Kiewer erfahren und Oleg hinterbracht hätten, mit der Beschwerde, Oskold habe ohne Vorwissen des Großfürsten die Taufe angenommen und wolle die Religion des Volks verändern.)

 

Hierauf ging Oleg mit dem Großfürsten Igor in die Stadt Kiew, und erklärte selbige zur Hauptstadt von Rußland; die Regierung der übrigen Provinzen des Reichs übergab er den vornehmsten Bojaren und legte den Städten Tribut auf.

 

 

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Der Stadt Nowogrod drey hundert Griwen.

Den Drewiern, deren Hauptstadt Korosten war, von jedem Hofe einen schwarzen Marder.

Den Seweriern einen leichten Tribut.

Den Radimitschen verbot er, den Kosaren Tribut zu geben, er befahl ihnen selbigen dem Großfürsten zu zahlen, und versprach, sie wieder die Kosaren zu vertheidigen.

 

Hierauf fing Oleg an in allen Gegenden Rußlands Städte zu bauen. Um diese Zeit kamen die Ugern (Ungarn) von Osten her; sie gingen Kiew vorbey, über die Berge, nach der Wallachey und Wolhynien.

 

Als Igor sein 27stes Jahr erreicht hatte, wählte Oleg für ihn eine Braut aus Isborsk, eine tugendhafte Jungfrau Namens Prekraßa, welcher Oleg den Namen Olga beilegte; sie war aus einem weßischen Stamm Wibuzka genannt, Gostomüsls Urenkelin, eine Enkelin seiner ältesten Tochter, und ward im Jahre 904, im 20sten Jahre ihres Alters, mit dem Großfürsten Igor vermählt.

 

Im Jahre 906 versammelte Oleg in Kiew ein großes rußisches Heer, nemlich: Waräger, Slawen, Tschuden, Kriwitschen, Meren, Polänen, Sewerier, Drewier, Radimitschen, Wätitschen, Chorwaten, Ulepen und Tiwerzen.

 

Der Großfürst Igor blieb in Kiew, Oleg aber brach theils zu Pferde theils zu Schiffe auf, ging mit zwey tausend Fahrzeugen, die mit achtzigtausend Kriegern besezt waren, im Jahr 907 nach

 

 

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Christi Geburt, aus dem Dnieper über das schwarze Meer in das griechische Gebiet, und nahm viele Städte ein; als er aber gegen Konstantinopel im Anzuge war, legten die dasigen Einwohner eine starke eiserne Kette über den Bosphor und verschlossen ihm den Eingang. Oleg der hievon Nachricht erhielt, ließ die Leute aus den Fahrzeugen aussetzen, die Fahrzeuge über Land ziehen und näherte sich der Stadt Konstantinopel. (Einige Schriftsteller erzehlen, er habe die Fahrzeuge auf Räder gesezt, einen günstigen Wind abgewartet, die Segel aufziehen lassen und sey auf der Ebene gegen die Stadt gefahren.) Der griechische Kaiser Leo, schickte aus der Stadt Lebensmittel, bat um Frieden, und versprach Geschenke. Oleg nahm die Lebensmittel nicht an und verlangte zwanzig Griwen auf jeden Krieger; er hatte aber zwey tausend Schiffe und auf jedem SAchiff vierzig Mann. Der griechische Kaiser entschloß sich diesen Tribut zu zahlen. Oleg zog sich von der Stadt zurück, blieb nicht weit davon stehn, und schickte zu dem griechischen Kaiser seine Gesandten: Karl, Farlow, Waremund, Rulaw,und Stemid, (Aus diesen Namen bemerkt man, daß der erste und dritte Gesandte Waräger, der zweite und vierte aber Slawen gewesen.) welche einen Vergleich auf folgende Bedingungen schlossen.

 

Erstens. Die Griechen sollten an die zwey tausend Schiffe, auf jedes Schiff vierzig Mann gerechnet, jedem Mann zwölf Griwen zahlen, welches überhaupt neun hundert und sechzig tausend Griwen

 

 

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ausmacht. (Ein schwerer Tribut zur damaligen Zeit, da viel weniger Geld im Umlaufe war als in den nachfolgenden Zeiten.)

 

Zweitens. Die Griechen sollten ins künftige den rußischen Städten einen jährlichen Tribut zahlen, nemlich: an Kiew, Tschernigow, Perejaslawl, Rostow, Lubitsch und andere Städte,wo unter Igors Oberherrschaft besondere Fürsten regierten.

 

Drittens. Die nach Griechenland kommende Russen, sollten von den griechischen Kaisern mit Lebensmitteln unterhalten werden; wenn aber ein Gesandter ankäme, sollte ihm ein sechsmonatlicher Unterhalt, eine bequeme Wohnung, und zu seiner Rückreise die erforderlichen Lebensmittel, Anker, Segel und Schiffs-Taue unentgeltlich gegeben werden. (Hieraus ist zu ersehen, daß die Gesandten ihre Reisen zu Wasser gethan haben.)

 

Viertens. Die rußischen Handelsleute sollten von den Griechen nichts umsonst fordern, und in den griechischen Städten und Dörfern niemand beleidigen.

 

Fünftens. Die nach Griechenland kommende Russen sollten bey St. Mamas 1) verweilen, wo ihre Namen aufgeschrieben und sie mit Lebensmitteln versorgt werden sollten.

 

Sechstens. Es wird den Russen untersagt, ohne Erlaubnis des Kaisers nach Konstantinopel

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1) Ein Kloster bey der Einfahrt in den Bosphor.

 

 

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zu kommen; wenn man es ihnen aber erlauben wird, so sollen nicht mehr als funfzig Mann unbewafnet und unter griechischer Aufsicht in die Stadt kommen.

 

Siebentens. Die rußischen Kaufleute sollen in Konstantinopel keinen Zoll bezahlen.

 

Nach Unterzeichnung des Vergleichs hatte Oleg eine Zusammenkunft mit dem griechischen Kaiser, und der Friede wurde von beiden Theilen mit einem Eide bekräftiget.

 

Einige Schriftsteller erzehlen, daß Oleg bey seiner Abreise, Igors Schild, auf welchem ein Kriegsmann zu Pferde vorgestellt gewesen, zum Andenken in Konstantinopel gelassen habe, und daß bis jezt ein Gemälde davon über der galatischen Pforte zu sehen seyn soll. Auch erzählt man, Oleg habe den Russen für ihre Fahrzeuge seidene, den Slawen baumwollene und den Warägern leinene segel zu weben befohlen; da aber die seidene Segel der Russen und die baumwollene der Slawen bald vom Sturm zerrissen worden, hätten die Russen und Slawen gesagt: laßt uns lieber Segel von Leinewand nehmen, denn der Wind weiß nicht was theuer sondern nur was stark ist.

 

Als Oleg mit Ruhm und vielem Golde und Silber und kostbaren Sachen nach Kiew zurück kam, ward er von dem Volk der Weise genannt. Nach diesem schickte Oleg zur Befestigung des Friedens und Schliessung eines Freundschafts-Vertrages wiederum folgende Personen, als Igors Gesandte an den griechischen Kaiser Leo, nemlich: Karl, Ingerd,

 

 

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Farlow, Welmind, Rulaw, Gudü, Aktew, Trian, Lidul, Fest und Stemid. Diese kamen nach Konstantinopel und schlossen mit den Bevollmächtigten des griechischen Kaisers einen aus siebenzehn Punkten bestehenden Vertrag, von welchen die vornehmsten folgende waren: Erstens, die Russen und Griechen sollen ewige Freunde und Bundesgenossen bleiben; Zweitens, den beiderseitigen Unterthanen soll bey erlittenen Beleidigungen nach Recht und nach den Landesgesezen 2) des Beleidigers Genugthuung geschehen; Drittens, die von Sturm beschädigten Schiffe eines oder des andern Volks sollen dem Eigenthümer zurück gegeben werden, u. s. w.

 

DieserVertrag wurde im Jahre 912 den 15ten September an einem Montage unterschrieben und mit einem Eide bekräftiget.

 

Der Kaiser Leo schickte die rußischen Gesandten mit vielen Geschenken in ihre Heimath zurück, und ließ ihnen vor ihrer Abreise seine Schätze zeigen und sie mit den Lehren und Gebräuchen der Christen bekannt machen.

 

Die Gesandten kamen nach Kiew zurück, wo Oleg im Namen des Großfürsten Igor den Frieden und das Bündnis mit den Griechen bestätigte, und da er mit allen Nachbaren Frieden hatte, ein vergnügtes Leben führte und der durch seine Weisheit erworbenen allgemeinen Ruhe genos.

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2) Hiedurch wird bewiesen daß die Russen damals eben so wie die Griechen ihre Gesetze gehabt haben.

 

 

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Bey Annäherung des Herbstes, sagen die Verfasser der Jahrbücher, gedachte Oleg an sein Lieblings-Roß, und befahl es vorzuführen, da er aber hörte, daß es in seiner Abwesenheit gestorben war, sezte er sich zu Pferde und ritt das Gerippe dieses Rosses vorbey, aus dessen Kopf eine Schlange herausschlüpfte und ihn am Fuß verwundete, wovon Oleg im Jahre 912 starb: und alle Leute beweinten ihn und klageten sehr.

 

Oleg hatte Rußland mit und unter dem Großfürsten Igor drey und dreysig Jahre regiert; er wurde auf dem Berge Tschekowiza begraben.

 

Olegs Weisheit, Erfahrenheit, und Tapferkeit erwarben der fürstlichen Gewalt unter dem Volke Zutrauen, Ehrerbietung und Folgsamkeit. Nach Olegs Tode fing der Großfürst Igor Rurikowitsch an selbst zu regieren (im Jahr 912) im 36sten Jahre seines Alters.

 

Im Jahre 913 weigerten sich die Drewier Igorn Tribut und Kriegsvölker zu geben.

 

Igor versammelte ein Heer, zog gegen die Drewier, überwand sie und legte ihnen zur Strafe ihres Ungehorsams eine Größere Schazung auf; die auferlegte Schazung aber vertheilte er unter seine verdiente Feldherrn und Truppen. Ferner sandte Igor einen seiner Feldherrn Namens Swenteld (einen Waräger) die Uglizen 3) zum Gehorsam zu bringen; sie widersezten sich zwar, als aber

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3) Uglize vom Flusse Ugla, jezt Orel.

 

 

 

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Swenteld sich nach einer dreyjährigen Belagerung der Stadt Pereßetschen (im Jahr 916) bemächtigte gingen die Uglizen den Dnieper herab, und verliessen die leere Stadt.

 

Im Jahre 915 kamen die Petschenegen zuerst in das rußische Gebiet. Igor schickte Ihnen entgegen und schloß mit ihnen Frieden.

 

Der griechische Kaiser nahm petschenegische Kriegsvölker in Sold; als aber die Petschenegen zu den Griechen kamen, und gewahr wurden, daß die griechischen Feldherren in Streit und Uneinigkeit lebten und die gemeine Sache und das gemeine Beste nicht zu Herzen nahmen, verliessen sie die Griechen, kehrten in ihre Heimath zurück, und gaben dadurch dem bolgarischen Zaren Gelegenheit über die Griechen die Oberhand zu erhalten und sich vieler griechischen Städte und selbst der Stadt Adrianopel zu bemächtigen.

 

Im Jahre 920 unternahm Igor wiederum einen Feldzug gegen die Petschenegen.

 

In eben diesem Jahre wurde dem Großfürsten Igor ein Sohn gebohren, welchen die Großfürstin Olga Swätoslaw nannte.

 

Im Jahre 921 schickte Igor nach Griechenland um den Tribut abzuholen; als er aber erfuhr, daß die Griechen den ihnen im Vergleich auferlegten jährlichen Tribut nicht bezahlen wollten, rüstete er Kriegsvölker und Schiffe aus, und wollte gegen die Griechen zu Felde ziehen. Die Griechen aber kamen diesem Zuge durch Bezahlung des Tributs zuvor.

 

 

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Als die Griechen von Igors Kriegs-Rüstung hörten, schlossen sie Frieden mit dem Bolgaren.

 

Nach diesem thaten die Ugern (Ungarn) einen Zug gegen Konstantinopel. Der Kaiser Roman kaufte sie mit Tribut ab, zum nicht geringen Nachtheil, Schimpf und Schaden des griechischen Reichs, welches durch innere Streitigkeiten und Unordnung bis zu diesem Grade gesunken war.

 

Im Jahre 941 schickte Igor nach dem jährlichen Tribut, welchen die Griechen nicht gehörig bezahlten; da er selbigen nicht erhielt, unternahm er mit vielem Volk in Kähnen einen Zug gegen Konstantinopel.

 

Da die Bolgaren dieses höreten, gaben sie dem griechischen Kaiser Nachricht, daß die Russen gegen Konstantinopel im Anzuge wären.

 

Igor eroberte nach seiner Ankunft die bithynische Gegend bis nach Heraklea, das paphlagonische Land und das ganze niekomedische Gebiet, und bemächtigte sich vieler griechischen Fahrzeuge. Die Griechen hatten damals in diesen Gegenden weder Truppen noch Anführer; bald aber kamen die Feldherren Pamphil Demestwennick mit vierzig tausend Mann, Phoka Patrikii mit den Macedoniern und Feodor Stratig mit den thracischen Völkern, und umringten das rußische Heer.

 

Igor hielt Kriegsrath und drang durch die Griechen, und es geschah eine große Schlacht. Die rußischen Völker überwältigten die griechischen; die Russen kamen des Abends zu ihren Fahrzeugen;

 

 

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Igor sezte sich in derselben Nacht zu Schiffe, und sties mit seinem Volk vom Ufer ab.

 

Der Kaiser schickte alle in Konstantinopel vorräthige Truppen mit den Patricius und Bewahrer der Kaiserlichen Kleider Theophan auf dem Hippodrom (ein Platz wo in Konstantinopel Pferde-Rennen angestellt wurden). Theophan rüstete die Seetruppen aus, und zog gegen die Russen welche er in ihren Kähnen erwartete, um sie anzugreifen. Unterdessen stand er an einem festen Ort verborgen, bey einer Baake (griechisch Pharos) auf welcher zur Erleuchtung der vorübergehenden Schiffe in der Nacht Feuer gehalten ward. Als der Patricius Theophan auf die rußischen Schiffe stieß, fing sich zwischen dem Griechen und Russen eine Schlacht an, in welcher die Russen die Griechen überwältigten. Die Griechen aber fingen an aus Röhren Feuer in die rußische Kähne zu werfen 4) die Kähne geriethen in Brand, die Russen bemüheten sich das Feuer zu löschen und in die See zu entkommen, doch kam nicht mehr als der dritte Theil von ihnen mit Igor nach Rußland zurück, weil einige ins Wasser fielen, andere den Griechen in die Hände geriethen.

 

Igor verlohr im Unglück nicht den Muth; er fing nach seiner Rückkunft an neue Kriegsvölker zu

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4) Dieses Feuer sagt man war eine schon längst von den Griechen erfundene Zusammensezung, welche nachher verlohren gegangen ist.

 

 

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werben, schickte übers Meer zu den Warägern und bot sie gegen die Griechen auf, um den gehabten Unfall wieder gut zu machen.

 

Im Jahre 944 versammelte Igor alle seine Kriegsvölker, Slawen, Polänen, Russen, Kriwitschen und Tiwerzen; er nahm Petschenegen in Sold und zog zum zweitenmal in Fahrzeugen und mit Reuterey gegen die Griechen. Als die Korßuner dieses hörten, liessen sie dem Kaiser melden, daß die Russen auf Schiffen im Anzuge wären, auch schickten sie dieselbe Nachricht nach Bolgarien, mit dem Zusatz, daß Igor Petschenegen in Sold genommen habe, und das die Reuterey zu Lande anrücke. Der griechische Kaiser sandte auf diese Nachricht einige vornehme Reichsbediente zu Igor, mit der Bitte, er wolle seinen Feldzug einstellen und die mit Oleg verabredete Summe (Tribut) für alle verflossene Jahre in Empfang nehmen; auch schickte der Kaiser den Petschenegen Gold und viele Geschenke. Als Igor zu Wasser bis an die Mündung der Donau gekommen war, und die Gesandten des griechischen Kaisers angenommen hatte, berief er seine Räthe zusammen und machte ihnen die Rede der Gesandten bekannt. Igors Räthe sagten zu ihm: „wenn der griechische Kaiser den Tribut bezahlen will, was können wir mehreres fordern? Es ist besser das gewünschte ohne Krieg zu erlangen. Wer kann wissen, wem das Glück im Kriege günstig seyn wird.“ Igor erkannte diesen Rath für heilsam, nahm die von den Griechen gesandte Geschenke an,

 

 

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befahl daß die Gesandten mit dem versprochenen Tribut sich in Kiew einfinden sollten, und kehrte selbst dahin zurück; Die Petschenegen aber sandte er gegen die Bolgaren.

 

Im Jahre 945 schickte der griechische Kaiser, zur Befestigung des vorigen Friedens Gesandte, zu Igor, welche den versprochenen Tribut mitbrachten.

 

Igor schickte hierauf seine Gesandten mit einem schreiben 5) an den Kaiser und schloß einen neuen aus siebenzehn Punkten bestehenden Vertrag, in welchem die vorigen Verträge zum Grunde gelegt wurden und über dieses im zehnten Artikel folgender merkwürdige Punkt festgesezt ward: „Anlangend das korßunische Gebiet und die darin befindlichen Städte, haben die rußischen Fürsten keine Gewalt selbige zu bekriegen oder einzunehmen; wenn sie (die Korßuner) aber Gelegenheit zur Feindschaft geben sollten, und der rußische Fürst (vom griechischen Kaiser) Recht verlangen wird, so wird der griechische Kaiser Truppen abschicken und Recht leisten.“

 

Aus diesem Punkt ist zu ersehen, das die rußischen Fürsten, vor diesem Tractat, vor und während Igors Regierung, das korßunische Gebiet (die Krimm) mit Krieg überzogen haben, wovon indessen die schriftlichen Nachrichten entweder verlohren gegangen oder noch nicht aufgefunden sind.

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5) Dieses beweiset, daß man damals in Rußland zu schreiben verstand.

 

Zweiter Band 1783.

 

 

 

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Im dreyzehnten Punkt ist folgendes enthalten: „Wenn aber die Schwarzen oder Bolgaren die korsunische Gegenden mit Krieg überziehen sollten, so soll der rußische Fürst sie nicht durchlassen, damit sie diesem Grenzgebiet 6) keinen schaden zufügen.“

 

Im siebenzehnten Punkt ist zum Vortheil der Griechen folgendes festgesezt: „Wenn die Griechen von dem Großfürsten Hülfsvölker verlangen würden, so sollten sie selbige schriftlich fordern, damit hiedurch in andern Ländern kund werde, welche Freundschaft zwischen den Griechen und Russen herrsche 7).“

 

Aus der Art der Unterzeichnung und Bestätigung dieses Vertrages, ist zu ersehen, daß damals schon viele Christen in Rußland gewesen sind.

 

Der Vertrag ward im Jahre 945 den 20sten April in der 3ten Woche nach Ostern unterschrieben.

 

Nach der Rückkunft der Gesandten des Großfürsten Igor nach Kiew, und nach der Ankunft der griechischen Gesandten, bekräftigte Igor den gedachten Vertrag mit einem Eide, welches nach der Erzehlung der Geschichtschreiber auf folgende Art geschah: „Des Morgens berief er die Gesandten zu

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6) Die Griechen, oder vielmehr die Genueser unter griechischer Oberherrschaft, waren im Besitz der Korßunischen (Krimischen) Städte; folglich ist dieser Punkt ihnen zum Vortheil festgesezt worden.

7) Hieraus ist zu ersehen, wie viele Achtung man damals schon für Rußland gehabt habe.

 

 

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sich und ging auf einen Hügel, und man legte seine Waffen, Schilde, Rüstung und Gold nieder, und man leistete einen Eid; die christliche Russen führte man zur Küßung des Kreuzes in die Kirche des heiligen Elias; denn es waren damals schon viele Waräger, Slawen und Russen, Christen.“

 

Igor entließ die Gesandten der Griechen mit Geschenken und gab ihnen verschiedene griechische Gefangene mit.

 

Die Geschichtschreiber sagen; „und es war wegen dieses Friedens allgemeine große Freude und Ruhe überall, und Künste und Handel vermehrten sich dadurch bey den Russen und Griechen.“

 

Igor hatte nun Frieden mit allen Nachbarn und blieb in Kiew,und dachte darauf wie er den Drewiern einen neuen und größern Tribut auflegen wollte. Er zog mit einem Heer gegen sie unter Anführung Swinelds, hob von ihnen eine harte Schazung, und fügte ihnen viel Leid zu. Er kam nach Kiew zurück, ließ seine Truppen nach ihrer Heimath ziehen und gieng mit einem kleinen Theil derselben wiederum gegen die Drewier, um noch mehrern Tribut einzunehmen. Als Maldiw, Niskitens Sohn, Fürst der Drewier, hörte, daß Igor gegen sie im Anzuge sey, schickte er seine Gesandten mit folgender Bitte zu ihm: „verheere und vertilge uns nicht, du hast den ganzen Tribut gehoben,laß uns in Ruhe.“

 

Igor achtete auf die Bitte der Drewier nicht, zog gegen sie und lagerte sich vor die Stadt Korosten. Die Drewier aber kamen in der Nacht aus

 

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der Stadt Korosten, fielen unvermuthet Igors Lager an und erschlugen ihn und die wenigen Leute die mit ihm waren (im Jahr 945).

 

Igor starb im 68sten Jahre seines Alters, nachdem er 66 Jahr regieret hatte.

 

Er ward in einem Walde bey der Stadt Korosten an einem Bache begraben, wo noch jezt ein sehr großer Hügel Igors Grab genannt wird.

 

 

Geschlechts-Register Igors I.

 

Ein finnischer König – – – oo Dessen Gemahlin Umila Gostomüsls Tochter.

 

Der urmannische Fürst Oleg, Igors Vormund von 879 bis 912

 

Efandens Sohn erster Ehe Oskold. Fürst zu Kiew von 863 bis 883

 

► Rurik I.Großfürst des nördlichen Rußlands von 862 bis 879.

oo Dessen Gemahlin, Efanda, eine urmannische Prinzesin

 

► Igor I. Großfürst des nördlichen und südlichen Ruslands von 879 bis 945

oo Dessen Gemahlin, Olga, Gestomüsls Urenkelin, eine Enkelin seiner ältesten Tochter.

 

► Swätoslaw.

 

 

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Igors Zeitverwandte, von 879 bis 945, waren:

 

In Griechenland. Kaiser. Basil von 867 bis 886. Leo VI. Basils Sohn von 911 bis 912. Konstantin VI. von 912 bis 959.

 

In Deutschland. Kaiser. Karl der dicke von 880 bis 888. Arnulf von 888 bis 899. Ludwig IV. von 899 bis 912. Konrad I. von 912 bis 918. Heinrich I. von 918 bis 936. Otto der Große von 936 bis 979.

 

In Polen. Könige. Simowiet von 861 bis 892. Lesko IV. von 892 bis 913. Simomüsl von 913 bis 964.

 

In Bolgarien. Zaren. Bogoris von 844 bis 860. Presiäm v. 860 bis 867. Michael von 867 bis 870. Wlastimir v. 870 bis 880. Simeon von 880 bis 927, Peter von 927 bis 970.

 

In Böhmen. Fürsten. Borsiwoi von 890 bis 902. Spitignei I. von 902 bis 907. Wratislaw I. von 907 bis 916. Wenzeslaw I. von 916 bis 938. Boleslaw I. von 938 bis 967.

In Sachsen. Fürsten. Otto I. von 880 bis 912. Heinrich I. von 912 bis 936. Otto II. von 936 bis 960.

 

 

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In Baiern. Fürsten. Liutpolk von 889 bis 907. Arnulf von 907 bis 937. Bertold von 937 bis 945.

 

In der Pfalz. Fürsten. Eberhard von 925 bis 939. Herman I. von 939 bis 993.

 

In Brandenburg. Fürsten. Siegfried von 927 bis 937. Heron von 937 bis 965.

 

In Dänemark. König. Harald von 930 bis 980.

 

In Arabien. Kalifen. Motamed Willa XXXIV. Kalif von 870 bis 892. Motaded Willa XXXV. Kalif von 892 bis 902. Mustaf Willa XXXVI. Kalif von 902 bis 908. Mokrader Willa XXXVII. Kalif von 908 bis 932. Kager XXXVIII. Kalif von 932 bis 934. Radi XXXIX. Kalif von 934 bis 940. Motaki XL. Kalif von 940 bis 944. Mostaksi XLI. Kalif von 944 bis 946.

 

In Egypten. Kalifen. Owoidalla von 909 bis 935. Kaem Awul Kasem von 935 bis 945.

 

In Frankreich. Könige. Ludwig III. von 879 bis 882. Karl der dicke von 882 bis 887. Eudes von 887 bis 896. Karl III. von 896 bis 929. Ludwig IV. Von 929 bis 954.

 

 

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In England. Könige. Alfred der Große von 871 bis 900. Eduard I. von 900 bis 924. Abelstan von 924 bis 940. Edmond von 940 bis 946.

 

In Spanien. Könige. Alphons III. von 866 bis 912. Garsias I. von 912 bis 913. Ordon II. Von 913 bis 923. Froila II. Von 923 bis 924. Alphons IV. Von 924 bis 932. Ramir II. Von 932 bis 950.

 

Patriarchen zu Konstantinopel. Photius von 877 bis 886. Stephan von 886 bis 893. Anton von 893 bis 895. Nicolas von 895 bis 906. Ephim von 906 bis 911. Nicolas von 911 bis 925. Stephan von 925 bis 928. Triphon von 928 bis 931. Theofilakt von 931 bis 956.

 

Römische Päbste. Johann VIII. von 872 bis 882. Marin von 882 bis 884. Adrian von 884 bis 885. Stephan von 885 bis 891. Formosus von 891 bis 896. Bonifatius von 896 bis 896. Stephan von 896 bis 897. Roman von 897 bis 898. Theodor von 898 bis 898. Johann IX. von 898 bis 900. Benedikt IV. von 900 bis 903. Christoph von 903 bis 904.

 

 

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Sergius von 904 bis 911. Anastasius III. von 911 bis 913. Landon von 913 bis 914. Johann X. von 914 bis 928. Leo VI. von 928 bis 929. Stephan VII. von 929 bis 931. Johann XI. von 931 bis 936. Leo VII. von 936 bis 939. Stephan VIII. von 939 bis 942. Marin II. von 942 bis 946.

 

Patriarchen zu Alexandrien. Michael von 872 bis 908. Christodul von 908 bis 933. Eustichius von 933 bis 940. Sophron von 940 bis 968.

 

Patriarchen von Jerusalem. Elias von 879 bis 907. Sergius von 907 bis 911. Leontius von 911 bis 927. Anastasius von 927 bis 928. Nikolaus von 928 bis 937. Christoph yon 937 bis ___ . bis Johann von ___ bis 969.

 

Patriarchen zu Antiochien. Theodosius von 870 bis 886. Eustachius von 886 bis 892. Simeon von 892 bis 904. Elias von 904 bis 934. Theodosius von 934 bis 938. Theodor ____ bis ___. Agapius 938 Christoph ___ bis 969.

In Rußland. Abgetheilte Fürsten.

 

In Kiew. Oskold von 863 bis 883.

 

 

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24.

Großfürst Swätoslaw I.

Nach des Großfürsten Igor Rurikowitsch Tode, folgte ihm in dem erblichen Besitz der vereinigten Fürstenthümer des nördlichen und südlichen Rußlands sein Sohn Swätoslaw Igorewitsch, damals (im Jahr 945) fünf und zwanzig Jahre alt, weil er im Jahre 920 nach Christi Geburt gebohren war. Swätoslaws Führer war Asmund (ein Waräger). Swätoslaw hatte von seiner Kindheit an Neigung zu Kriegssachen, und gewöhnte sich von früher Jugend zur Mäßigkeit.

 

Wenn er mit der Armee im Felde war, führte er nicht viel überflüßiges Gepäcke und Geräthe mit sich, sondern speisete und kleidete sich eben so wie seine Truppen, (die Geschichtschreiber erzehlen, er habe luftgedörrtes Fleisch und trocken Brodt gegessen) schlief auf der Erde auf einer Filzdecke, den Sattel unter seinem Haupte, sein Mantel aber diente ihm zum Zelte. Zu seinen Vertrauten wählte er geschickte oder tapfere Leute, so wie er sich nachher selbst zeigte. Die Annalisten sagen, daß er leicht, schnell, thätig, statlich und lebhaft gewesen sey. Wenn er von einem benachbarten Volk beleidigt war, fing er ehe keinen Krieg an, bis er zum voraus bekannt gemacht hatte, daß, wenn man den Frieden wünsche, man Gesandte zur Schliesung eines Vergleichs schicken möchte, wenn

 

 

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man aber dieses nicht thun wolle, so werde er kommen und den Frieden erzwingen.

 

So lange seine Mutter die Großfürstin Olga am Leben war, achtete der Großfürst Swätoslaw wenig auf die Regierung des Reichs, sondern beschäftigte sich mit Kriegsanstalten.

 

Die Geschichtschreiber melden, daß Swätoslaw selten in Kiew gewesen, und sich in allem auf die Weisheit und Erfahrung seiner Mutter verlassen habe.

 

Zur Zeit des Todes des Großfürsten Igor (im Jahr 945) war die Großfürstin Olga mit ihrem Sohne Swätoslaw in Kiew, der Anführer der Truppen aber war Sweneld, Mstischens Vater.

 

Die Drewier befürchteten, daß die gegen Igor begangene Frevelthat nicht unbestraft bleiben würde, sie dachten auf Mittel, und hoften die Sache durch List gut zu machen, ihre Unabhängigkeit zu erhalten, und wenn sie bey der Veränderung der Regierung in Kiew dazu Gelegenheit fänden, die Schwäche der Russen zu nutzen.

 

Um diese ihre Anschläge auszuführen, ernannten sie Gesandte, und schickten sie mit Entschuldigungen und Vorschlägen zu einer sehr genauen Verbindung, an den Hof des Großfürsten Swätoslaw. (Die Geschichtschreiber melden, als wenn die Gesandten die Vermählung ihres Fürsten Maldiw mit der Großfürstin Olga in Vorschlag gebracht hätten; dieses hat zwar wenig Wahrscheinlichkeit, weil die Großfürstin Olga damals

 

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schon 60 Jahr alt war, indessen konnte doch von der andern Seite eine solche Verbindung dem Fürsten Maldiw, wegen des Antheils welchen die Großfürstin Olga an der Regierung hatte, schmeichelhaft scheinen.)

 

Die Gesandtschaft der Drewier wurde äusserlich mit Anstande aufgenommen. Die Großfürstin Olga vernahm die Ursache der Ankunft der Gesandten und antwortete: sie wäre in ihrem Witwenstande den Drewiern noch Dank schuldig, daß sie so viele Achtung für sie bezeigten, sie könne ihren Mann nicht wieder erwecken, sie wünsche das Vergangene zu vergessen und mit ihnen in die genaueste Verbindung zu treten, und wolle sie auf eine der Wichtigkeit ihrer Gesandtschaft angemessene Art aufnehmen.

 

Als die drewische Gesandten eine so freundliche Antwort erhielten (wahrscheinlich schrieben sie solche der Schwäche zu) wurden sie selbst sehr stolz und hatten thörichte Einfälle 1). Die Großfürstin

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1) Die Geschichtschreiber erzehlen, die Dreswier hätten verlangt, daß die Kiewer sie in Kähnen auf ihren Köpfen nach dem fürstlichen Hofe tragen sollten. Der Dnieper hat in Kiew steile Ufer, und der fürstliche Hof stand auf einer Anhöhe, es könnte also wohl seyn, daß die drewischen Gesandten eben so thörichte Einfälle gehabt haben, als man in den vergangenen Zeiten bey andern unaufgeklärten Völkern antrift.

 

 

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Olga schickte, vielleicht dieserwegen, vielleicht auch um Zeit zu gewinnen, einen Boten an die Drewier, und ließ ihnen eben das was den Gesandten gesagt worden war, bekannt machen, mit dem Ansuchen, die Drewier möchten zu so wichtigen Unterhandlungen eine größere Zahl ihrer ansehnlichsten Männer zu ihr schicken, mit welchen sie alles verabreden könnte.

 

Als die Drewier diese Nachricht erhielten, fertigten sie funfzig ihrer ansehnlichsten Männer ab, welche Olga unter dem Vorwande, daß sie von der weiten Reise ausruhen möchten, nicht vor sich ließ, sondern wiederum einen Boten zu den Drewiern schickte, mit der Anzeige, daß sie nach Erhaltung der lezteren Gesandtschaft selbst zur Schliessung des Bündnisses zu ihnen komme, aber vor allen Dingen zuerst auf dem Grabe ihres Gemahls ein Trisna (Gedächtnißfest) zu feiern wünsche. Sie selbst aber versammelte ein Heer, und zog gegen die Drewier. Als sie sich denselben näherte, wählte sie eine kleine Zahl ihrer treuesten und zuverläßigsten Krieger, mit welchen sie in die Stadt Korosten einzog, wo sie mit großer Freude empfangen ward.

 

Olga verlangte, daß man ihr ohne Verzug Igors Grab zeigen sollte, sie begab sich dahin und weinete sehr um ihren Mann. Hierauf befahl sie den Kiewern und Drewiern, einen großen Erdhügel aufzuschütten, nach dessen Vollendung sie, dem damaligen Gebrauch gemäß, ein Gedächtnißfest

 

 

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zu feiern verordnete. Die Drewier fragten, wo die von ihnen abgeschickte Männer wären? Olga antwortete, daß sie mit den Leuten ihres Sohnes nachkämen. Hierauf befahl Olga ihren Bedienten die Drewier zu bewirthen, sie selbst ging in ein anderes Zelt und erwartete ihre nachgebliebene Truppen, nach deren Ankunft sie die Drewier umringen und die Schuldigen bestrafen ließ. Sie kehrete eiligst nach Kiew zurück, und versammelte mehrere Truppen zum Feldzuge gegen die Drewier, um selbige völlig ihrer Herrschaft zu unterwerfen. Olga ging mit ihrem Sohne Swätoslaw und ihrer Armee von neuem nach dem Lande der Drewier, welche ihr mit gesammter Macht entgegen kamen. Der Großfürst Swätoslaw führte zum erstenmale, aber mit vieler Tapferkeit, seine Truppen an, Sweneld und Asmund folgten treulich seinem Beyspiele; die rußischen Truppen fochten muthig und überwanden nach einigem Widerstande die Drewier.

 

Die Drewier flohen und verschlossen sich in ihre Städte. Olga zog mit ihrem Sohne gegen Korosten und stand mit den Truppen vor der Stadt; gegen die andern Städte aber schickte sie Feldherren. Man stand den ganzen Sommer über ohne sich der Stadt Korosten zu bemächtigen. Gegen das Ende des Sommers schickte man in die Stadt um sie zur Uebergabe aufzufordern, die Drewier versprachen die Stadt zu übergeben, wenn man sie wegen ihrer Frevelthat gegen Igor, unbestraft lassen wollte, und verbanden sich einen mäßigen Tribut zu geben.

 

 

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Während der Unterhandlungen, wegen der Uebergabe und des Tributs, entstand in der Stadt ein Brand, wodurch ganz Korosten zu Grunde ging, die Einwohner aber flohen aus der Stadt.

 

Olga befahl ihren Truppen, die Drewier aufzufangen und festzunehmen, einige zu strafen, andere als Arbeitsleute zu vertheilen, den übrigen aber einen Tribut aufzulegen, von welchem zwey Theile nach Kiew an den Großfürsten, der dritte aber für sie selbst nach Wüschegrad geliefert werden sollte, weil Wüschegrad Olgens Erbtheil oder ihre Morgengabe war.

 

Nach diesem zog die Großfürstin Olga und der Großfürst Swätoslaw mit dem ganzen Heere durch das drewische Land, um gute Ordnung einzuführen; sie trafen überall gute Anstalten und Anordnungen und kehrten nach Kiew zurück.

 

Im Jahre 947 blieb der Großfürst Swätoslaw in Kiew, Olga aber ging mit vielen Großen auf der Msta und dem Flusse Pola nach Nowogrod, theilte die Gegend in Bezirke, und ordnete längst der Luga Steuern und Schazungen an.

 

Die Annalisten sagen: Olga begab sich aus Nowogrod nach ihrem Vaterlande wo sie gebohren war, ins Weß-Wibuzkische, und als sie in dieser Gegend an einem Flus kam, welcher der große Fluß hieß, an die Stelle wo ein Fluß Pskowa genannt darinn fällt, (es war aber an dieser Stelle ein großer Wald) und voraussahe, daß in dieser Gegend eine

 

 

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Stadt nüzlich und vorheilhaft seyn würde, befahl sie die Stadt Pskow (Pleskow) anzulegen und zu bevölkern; sie gab dazu viel Gold und Silber, bauete viele Fleken und Dörfer, vertheilte sie in Bezirkel kehrte nach Kiew zurück und lebte mit ihrem Sohne in Liebe und Eintracht.

 

Während der Reise der Großfürstin Olga, ward dem Großfürsten Swätoslaw, in dem Flecken Budätin nahe bei Pskow, von Olgens Haushälterinn Maluscha sein dritter Sohn gebohren, welchen er Wladimir nannte.

 

Olgens angebohrner Scharfsinn glänzte auch mitten in der Dunkelheit ihres Zeitalters; ihre der Tugend geneigte Seele fand in den damalige Grundsätzen Sitten und Gebräuchen viel unvollständiges und Verbesserung bedürftiges. Ihr großer Verstand begrif was ihr noch unbekannt wäre. In ihrer Nachbarschaft befand sich das griechische Reich welches bey vorfallenden Geschäften oft die Aufmerksamkeit der Beherrscher Rußlands auf sich zog. Aus selbigem kamen Ueberfluß, Handel, Kenntnisse und sogar Begriffe von Sachen welche den in den rußischen Ländern angenommenen entgegen waren. In der Stadt Kiew selbst befanden sich unter den Augen der Großfürstin Olga nicht nur Griechen sondern auch der griechischen Religion zugethane Unterthanen des Großfürsten Swätoslaw, Russen, Slawen und Waräger, welche ein enthaltsames, tugendhaftes Leben führten, Wohlwollen und Liebe

 

 

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des Nächsten lehrten, und sich durch Sanftmuth, Gehorsam, Ergebenheit und Geduld allgemeines Lob erwarben.

 

Die unwiederlegbaren Gründe so vieles guten befestigten sich ohne Mühe in einer Wahrheitliebenden Seele. Olga mit dem Gefühl der Wahrheit erfüllt, empfand ein Verlangen nach Griechenland zu reisen, um mit der heiligen Taufe die wahre christliche Lehre anzunehmen, welches sie in Kiew nicht sowohl thun konnte, wo der größte Theil des Volks noch ohne Kenntnis der christlichen Religion lebte.

 

Im Jahre 955 ging die Großfürstin Olga von einer ansehnlichen Zahl der vornehmsten Männer begleitet, mit vielen Schätzen zu Wasser nach Konstantinopel, wozu der Vortheil der Geschäfte und Bedürfnisse ihres Reichs die Veranlassung zu seyn schien.

 

Damals regierte in Griechenland Kaiser Konstantin VI. Prophyrogenet, Sohn des Kaisers Leo, welchem Olga bey ihrer Ankunft in Konstantinopel, nach damaligem Gebrauch, viele Geschenke brachte.

 

Die griechischen Schriftsteller melden, daß der Kaiser, die Kaiserin, das kaiserliche Haus, und alle vornehme Hofbedienten zum Empfange eines so hohen Gastes in ganz besonderer Pracht erschienen, und daß während desselben Anwesenheit in der Hauptstadt nichts als Freudenbezeigungen, beständige Gesänge, Lustbarkeiten und feierliche Gastmähle veranstaltet worden sind.

 

 

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Die rußischen Schriftsteller erzehlen, daß der griechische Kaiser die Schönheit der Großfürstin (nach ihren Jahren) und ihre Klugheit mit Bewunderung betrachtet, und im Gespräch unter andern zu ihr gesagt habe: „Du bist vieler Reiche würdig, und auch dieser Thron würde durch dich glücklich seyn“ worauf die Großfürstin geantwortet habe: „Ich bin hieher gekommen, um die christliche Religion zu lernen und zu verstehen, und wünsche getauft zu werden, wenn du selbst mein Pathe seyn willst.“ Der Kaiser vernahm diese ihre gute Gesinnungen mit Freuden, er befahl alles zu ihrer Taufe vorzubereiten, und führte sie selbst zur heiligen Taufe die der Patriarch Theophilakt verrichtete, und in welcher ihr der Name Helena 2) beygelegt wurde; der griechische Kaiser gab ihr viele Geschenke und ließ sie in ihr Land ziehen. Die Großfürstin Olga empfing den Seegen des Patriarchen von Konstantinopel,

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2) Einige Schriftsteller erzehlen, der Kaiser habe ihr nach der heiligen Taufe zugeredet, sich mit ihm zu vermählen, sie aber habe sich damit entschuldiget, das er ihr Pathe wäre. Da aber Olga damals siebenzig Jahr alt war, so ist der Heyrathsantrag unwahrscheinlich, welcher auch völlig dadurch wiederlegt wird, daß Konstantin damals eine Gemahlin hatte, welche die Großfürstin Olga und alle bey ihr befindliche Bojaren nach ihrem Stande aufgenommen und bewirthet hat.

 

Zweiter Band 1783.

 

 

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kehrte nach Rußland zurück, und ermahnete nach ihrer Ankunft in Kiew ihren Sohn, daß er sich taufen lassen möchte. Dieser aber antwortete ihr: „wie soll ich mich allein taufen lassen, die übrigen wollen nicht.“ Die Großfürstin erwiederte hierauf: „wenn du dich nur taufen liessest, so würden alle übrige dasselbe thun;“ Swätoslaw nahm aber die Taufe nicht an, weil er befürchtete daß ihn seine Truppen, die nicht getauft waren, im Streit verlassen möchten.

 

Im Jahre 956 schickte der Kaiser Konstantin Gesandten an die Großfürstin Olga und ihren Sohn Swätoslaw, und ließ um Hülfsvölker bitten.

 

Olga war damals mit den Griechen unzufrieden, welche ihr auf gewisse Sachen keine entscheidende Antwort gegeben, und sie darauf lange in Skutari hatten warten lassen; ihr Sohn Swätoslaw liebte die Griechen nicht, beide aber hielten dafür, daß es ein zu weiter Weg wäre, den Griechen jenseit Konstantinopel Hülfsvölker zu schicken; sie gaben also keine Truppen, sondern beschenkten die Gesandten und liessen sie mit Ehren ziehen.

 

Im Jahre 965 unternahm der Großfürst Swätoslaw einen Feldzug gegen die Kosaren, welche ihm mit ihrem Fürsten oder Kagan entgegen kamen.

 

Swätoslaw überwand die Kosaren und eroberte die Stadt Belowesh. Hierauf zog er gegen die Jaßen und Kosogen, überwand sie und brachte viele derselben als neue Anbauer nach Kiew.

 

 

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Im Jahre 967 zog Swätoslaw auf Verabredung mit dem griechischen Kaiser Nicephor, und wegen seiner eigenen Beschwerden gegen die Bolgaren, die den Kosaren Hülfe geleistet hatten, gegen die Donau, und traf am Dniester die Bolgaren, Kosaren, Kosogen 3) und Jasen, welche ihn jenseit des Flusses mit einer großen Macht erwarteten.

 

Swätoslaw sezte höher nach der Quelle zu über den Dniester, zog daselbst die ihm von den Ungarn zu Hülfe geschickten Truppen an sich, erreichte hierauf den Feind, überwand die Bolgaren, Kosaren, Kosogen und Jaßen, eroberte achtzig Städte an dem Dniester, der Donau, dem Prut, dem Seret, der Olta und an andern (in diese fallenden) Flüssen und blieb selbst in Perejaslawez 4) an der Donau, wohin ihm die Griechen den verabredeten, jährlichen Tribut ohne Weigerung zuschickten. Mit den Ungarn lebte Swätoslaw in Liebe, Einigkeit und Freundschaft, in Rücksicht seiner Vermählung mit der ungarischen Prinzessin Preslawa, welche ihm zwey söhne nemlich Jaropolk und Oleg gebahr.

 

Im Jahre 968 beschäftigte sich der Großfürst Swätoslaw in Perejaslawez an der Donau mit Kriegssachen.

 

Die Großfürstin Olga lebte mit ihren drey Enkeln Jaropolk, Oleg und Wladimir in Kiew und besorgte die Landessachen (die bürgerlichen oder innerlichen Geschäfte).

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3) Die Koßogen und Jaßen wohnten in der Moldau.
4) Jezt die Stadt Rußtschug.

 

 

 

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Um diese Zeit kamen die Petschenegen unvermuthet vor Kiew und umringten die Stadt von allen Seiten. Kiew hatte damals keine Truppen, die Einwohner aber vertheidigten die Stadt, und hielten sich so gut sie konnten. Man konnte Swätoslawen keine Nachricht geben, weil die Petschenegen alle Wege besezt hatten, auch nicht zuliessen aus dem Dnieper Wasser zu holen. Als der Feldherr Pretitsch, welcher damals jenseit des Dniepers in Tschernigow war, hievon Nachricht erhielt, rüstete er eilends so viele Truppen aus, als er zusammen bringen konnte, ging in Kähnen und mit Reuterey den Fluß herab, und stand jenseit des Dniepers gegen über Kiew (in der Niederung) so daß er die Kähne vor sich hatte.

 

Die kiewischen Aeltesten suchten einen Menschen den sie mit der Nachricht, von der äussersten Noth, in der die Stadt war, zum Feldherrn schicken könnten, und fanden einen der petschenegischen Sprache vollkommen kundigen Mann, der sich erbot diese Nachricht dem Feldherrn jenseit des Dniepers zu überbringen. Er ging in derselben Nacht aus der Stadt mit einem Zaum durchs petschenegische Lager, als wenn er ein Pferd suchte, und erkundigte sich bey denen die ihm begegneten ob sie nicht sein Pferd gesehen hätten.

 

Da die Petschenegen ihn für einen der ihrigen hielten, so erreichte er den Dnieper, warf seine Kleider ab und schwamm durch den Fluß; die Petschenegen die dieses bemerkten, sezten ihm zwar eilends

 

 

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nach, konnten ihm aber nichts anhaben. Als die mit dem tschernigowischen Feldherrn angekommenen rußischen Truppen diesen im Dnieper schwimmenden Menschen gewahr wurden, schickten sie ihm einige Kähne zu Hülfe, nahmen ihn in einen Kahn und brachten ihn zum Feldherrn, dem er die Noth in welcher sich Kiew befand bekannt machte.

 

Der Feldherr Pretitsch hielt einen Kriegsrath, in welchem fast alle einmüthig vorstellten, das man mit so wenigen Leuten als sie bey sich hätten die Stadt gegen eine überlegene Macht nicht vertheidigen könne, und daß es gleichfalls ohne Nutzen seyn würde, die Truppen ohne hinlängliche Lebensmittel in die Stadt zu führen. Pretitsch aber welcher über legte das er Kähne hätte und das die Petschenegen ihm ohne Kähne auf dem Wasser nichts anhaben könnten, faßte den endlichen Entschluß, mit seinen Kähnen über den Fluß zu gehen und sagte: „wenn man die Stadt nicht vertheidigen und ihr Hülse leisten kann, so können wir wenigstens die Grosfürstin und die jungen Prinzen mit uns nehmen und auf diese Seite bringen.“

 

Er verfuhr hierauf wie folget: man sezte sich des Nachts in die Kähne und blies beym Anbruch des Tages die Trompete und ging gerade auf die Stadt zu, die Leute in der Stadt aber, die dieses höreten, thaten einen Ausfall und griffen die Petschenegen an. Als die Petschenegen sahen daß sie von vorne und im Rücken angegriffen wurden und glaubten daß Swätoslaw selbst der Stadt zu Hülfe gekommmen

 

 

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wäre, flohen sie aus Furcht vor ihm von der Stadt; so furchtbar war ihnen selbst der Name des Großfürsten Swätoslaw, weil er ein geschickter Mann und ein sehr tapferer Krieger war.

 

Unterdessen begab sich die Großfürstin Olga mit ihren drey Enkeln Jaropolk, Oleg und Wladimir und mit ihren Leuten aus Kiew zu den Kähnen, und entfernte sich von der Stadt. Als es helle ward, kam der petschenegische Fürst mit wenigen Leuten zurück, näherte sich den rußischen Truppen und verlangte, daß der Fürst oder Feldherr zur Unterredung zu ihm kommen sollte. Der Feldherr Pretitsch ritt zu ihm, und der petschenegische Fürst fragte: „Wer ist zur Stadt gekommen, ists der Fürst selbst oder ein Feldherr?“

 

Pretitsch antwortete: „Ich bin Swätoslaws Feldherr, und komme mit dem Vortrab, nach mir folgt ein sehr großes Heer unter eigener Anführung des Fürsten.“ Der petschenegische Fürst sagte hierauf: “sey mein Freund, und laß uns Friede machen;“ Pretitsch willigte hierein und sie gaben einander die Hand. Der petschenegische Fürst schenkte Pretitschen ein Pferd, einen Säbel und Pfeile, Pretitsch aber gab dem Fürsten ein Schild und ein Schwerdt. Hierauf entfernte sich der petschenegische Fürst mit seiner Armee von der Stadt und kehrte in sein Land zurück, ohne sich der Stadt Kiew bemächtiget zu haben.

 

Nun sandte die Großfürsten Olga zum Großfürsten Swätoslaw und ließ ihm sagen: „Du Fürst

 

 

 

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vertheidigest entfernte Grenzen, und hast dein altes Erbtheil Kiew, deine Mutter und deine Kinder ohne Schutz verlassen; dieses haben die Petschenegen gehört, und sind gekommen, und hätten sich bald der Stadt bemächtiget. Wenn du nicht kommen und uns beschützen wirst, so ist sehr zu befürchten, sie werden wieder kommen und sich dieser Residenz deiner Voreltern bemächtigen. Besonders aber solltest du dich deiner Mutter in ihrem Alter und deiner Kinder erbarmen, damit sie nicht fremden Völkern in die Hände fallen.“

 

Als Swätoslaw dieses vernahm, kam er eiligst mit einem Heer nach Kiew, und bedauerte die Seinen wegen der von den Petschenegen erlittenen Bedrängnisse; er zog ohne Verzug gegen die Petschenegen, traf und überwand sie, schloß mit ihnen Frieden und kehrte nach Kiew zurück.

 

Im Jahre 969 ward der Großfürst Swätoslaw, nach einem kurzem Aufenthalt in Kiew, des Lebens daselbst überdrüßig, und sagte zu seiner Mutter und den Bojaren: „Ich finde kein Vergnügen in Kiew zu seyn, sondern mag lieber in Perejaslawez an der Donau wohnen; denn da ist das Herz meines Reichs, wo alles Gute zusammen fließt. Von den Griechen bekomme ich Stoffe und Kleider, Gold, Wein und allerley Früchte; aus Böhmen und Ungarn Silber und Pferde; aus Rußland Pelzwerk, Wachs, Honig und Kriegsleute.“ Olga ermahnete ihn und sagte: er möchte bis zu ihrem Ende bey ihr bleiben; sie war aber damals schon krank

 

 

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und starb einige Tage nachher im 84sten Jahre ihres Alters. Sie ward in Kiew in der Zehenden-Kirche begraben, und nicht nur von ihrem Sohn und ihren Enkeln sondern auch von dem ganzen Volk betrauret und beweint.

 

Da die heilige Olga selbst von dem Geschlecht der slawischen Fürsten war, so brachte sie das slawische Volk wieder in Ansehen. Man bemerkt bey den um sie gewesenen Anführern und obrigkeitlichen Personen überall slawische Namen. Olga brachte die slawische Sprache in gemeinen Gebrauch. Es ist bekannt, daß Völker und Volkssprachen sich durch die Weisheit und Aufmerksamkeit der Regenten vergrößern und ausbreiten. So wie sich ein weiser Regent die Ehre und Sprache seines Volks angelegen seyn läßt, so blühet die Sprache dieses Volks. Viele Volkssprachen sind durch ein entgegengeseztes Verhalten verlohren gegangen.

 

Die Großfürstin Olga hat vorzüglich durch die Annahme der heiligen Taufe und durch die aus dem griechischen ins slawische übersezte Kirchenbücher der slawischen Sprache Bestand gegeben.

 

Swätoslaw verblieb nach dem Tode seiner Mutter einige Zeit in Kiew und ordnete die ganze Regierung.

 

Im Jahre 970 bestellete er seinen ältesten Sohn Jaropolk zum Herrn über Kiew, und seinen zweiten Sohn Oleg im Lande der Drewier. Um diese Zeit baten die Nowogroder Swätoslawen um

 

 

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einen seiner Söhne, sie zu regieren: Swätoslaw stellte ihnen frey zu bitten welchen sie wollten; sie baten eifrig um einen der älteren, aber Jaropolk und Oleg schlugen es ab. Einer der nowogrodschen Gesandten Namens Dobrinä rieth den Nowogrodern, um den jüngsten Sohn Wladimir zu bitten, welcher von Dobrinä's Schwester Maluscha, der Tochter eines Ljubezischen Slawen Kapluscha Malko, gebohren war. (Maluscha war eine Anverwandtin und Haushälterin der Großfürstin Olga und unter ihrer Aufsicht erzogen worden.) Die Nowogroder ließen sich diesen Rath gefallen, und baten Swätoslaw, er möchte ihnen seinen Sohn Wladimir geben: Swätoslaw war hierüber vergnügt und gab ihn gerne; die Nowogroder nahmen Wladimir zu sich, und er reisete mit Dobrinä nach Nowogrod.

 

Im Jahre 971 beschäftigte sich Swätoslaw in Kiew mit Landes-Ordnungen. Indes hatten die Bolgaren von Swätoslaws Zuge nach Kiew gegen die Petschenegen gehört, und kamen und umringten die Stadt Perejaslawez an der Donau. Swätoslaws Feldherr Wolk vertheidigte die Stadt aus allen Kräften; da er aber Mangel an Lebensmitteln litte, befahl er seinen Truppen insgeheim Kähne anzuschaffen, sezte sich in diese Kähne und ging mit allen Truppen und ihren Besizlichkeiten die Donau herab; die Bolgaren aber konnten ihm nichts anhaben, weil er alle Kähne mit sich geführt hatte. Wolk der bey seiner Ankunft zu der Mündung des

 

 

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Dniesters erfuhr, daß Swätoslaw mit einem Heer im Anzuge sey, ging den Dniester herauf und vereinigte sich mit ihm, die Bolgaren aber bemächtigten sich der Stadt Perejaslawez an der Donau, und befestigten sie so stark, als möglich war. Als Swätoslaw vor Perejaslawez ankam, verschlossen die Bolgaren die Stadt und fingen an, sich herzhaft zu vertheidigen; Swätoslaw aber bemächtigte sich der Stadt durch einen tapfern Sturm.

 

Da nun Swätoslaw von den gefangenen Bolgaren (unter welchen sich zwey Söhne des bogarischen Zaren Peters, Namens Boris und Roman, befanden) erfuhr, daß die Griechen die Bolgaren angestiftet hätten, ihn mit Krieg zu überziehen, sandte er nach Konstantinopel und ließ dem Kaiser für sein Unrecht den Krieg ankündigen. DerKaiser entschuldigte sich in seiner Antwort damit, daß die Bolgaren ihn fälschlich beschuldiget hätten, und sprach: Nehmt den Tribut. Während der Zeit aber daß man wegen des Tributs in Unterhandlung war, erfuhren die Griechen mit wie viel Kriegsvolk Swätoslaw gegen sie im Anzuge sey, und schickten doppelt so viel Truppen, und keinen Tribut. Swätoslaw versammelte alle seine Truppen, rüstete sie, und führte sie gegen die Griechen an. Als die bey Swätoslaw befindliche Russen, Ungarn und Polen das sehr große griechische Heer gewahr wurden, geriethen sie in Erstaunen, Swätoslaw aber sagte zu ihnen: „Es bleibt uns kein ander Mittel als ihnen die Spitze zu bieten; laßt uns nicht unsern Ruhm beflecken.

 

 

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Werden wir überwunden, so laßt uns auf dem Platze sterben, denn die Todten wissen von keiner Scham. Sollten wir aber fliehen, so würden wir einen ewigen Schimpf auf uns bringen. Dieser wegen werde ich nicht fliehen; laßt uns fest stehen und tapfer für unsere Ehre und unser Vaterland fechten, ich aber werde vor euch hergehen.“ Hier auf sagten alle: „wo du seyn wirst wollen wir auch seyn.“ Swätoslaw aber erhielt den Sieg und die Griechen flohen.

 

Swätoslaw folgte ihnen nach Thracien und nahm viele Städte ein. Als der griechische Kaiser von dem vorgefallenen Unglück Nachricht erhielt, berief er seine Großen zu Rath, und verlangte von ihnen zu wissen, was zu thun wäre; weil er glaubte das man Swätoslawen mit Gewalt der Waffen nicht wiederstehen könne. Die Großen gaben hierauf den Rath, man sollte Swätoslawen Geschenke schicken und ihn zum Frieden ermahnen. Der griechische Kaiser willigte in diesen Rath und sandte zu Swätoslaw einen weisen Mann mit Geschenken, welchem zugleich aufgetragen ward, sich nach Swätoslaws Zustande zu erkundigen.

 

Sobald Swätoslaw die Ankunft des griechischen Gesandten erfuhr, befahl er ihn vorzulassen; da dieser aber nach damaligem Gebrauch seine Ehrerbietung bezeigt und die Geschenke, bestehend in Gold, Silber, Stoffen und andern kostbaren Sachen dargebracht hatte, sahe Swätoslaw die Geschenke nicht an,

 

 

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und sagte zu seinen Hofbedienten: „Nehmt dieses und theilt es denen aus die es nöthig haben; zu dem Gesandten aber sprach er: „Ich habe Gold und Silber und dergleichen genug,und kriege nicht dieser Sachen wegen, sondern wegen des Unrechts des griechischen Kaisers; wenn ihr Frieden haben wollt, so werde ich ihn gern ertheilen, nur bezahlt den Verträgen gemäß was ihr seit einigen Jahren schuldig seyd.“

 

Die Gesandten kamen zum Kaiser zurück und meldeten ihm alles was vorgefallen war. Hierauf rieth man dem Kaiser, Swätoslawen Waffen zum Geschenk zu schicken, und der Kaiser sandte ihm ein Schwerdt und andere Waffen. Swätoslaw nahm diese ihm gebrachte Geschenke an, lobte die Waffen, und dankte dem Kaiser dafür. Als die Gesandten dem Kaiser alles vorgefallene gemeldet hatten und die Großen des griechischen Reichs davon benachrichtiget waren, sprachen sie von Swätoslawen mit bewunderndem Erstaunen; sie gedachten aller seiner tapfern Unternehmungen und Thaten, seiner Enthaltsamkeit und Mäßigung, wie er die Reichthümer verachte, die Waffen schäze und rühme, und die Ehre seines Vaterlandes blos zur Vertheidigung des Rechts und zur Bestrafung des Unrechts anwende; sie bedauerten daß Swätoslaw nicht zur Herrschaft über das griechische Reich gebohren war, und sagten (selbst in Gegenwart ihres Kaisers): „Wir würden froh seyn, einem solchen Herrn zu dienen, der den Ruhm und die Ehre seines Reichs erhöhet.“

 

 

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Swätoslaw sezte indessen seinen Zug fort, und war schon nahe bey Konstantinopel, als wiederum griechische Gesandte ankamen, und den verabredeten Tribut mitbrachten. Swätoslaw fand hierauf für gut nach Kiew zurück zu kehren, beschloß den Friedensvertrag mit den Griechen zu beendigen, und schickte Gesandte nach der Stadt Dester an den griechischen Kaiser, der sich damals in dieser Stadt befand. Der griechische Kaiser war hierüber froh; die Gesandten schlossen mit seinen Bevollmächtigten einen ewigen Frieden und unverbrüchliche Freundschaft, und sezten einen schriftlichen Vertrag auf, in welchem man die vorigen unter dem Zaren Igor geschlossenen Verträge bestätigte. Dieser Vertrag ward am 11ten Julius des Jahres 971 von Swätoslaws Gesandten Sweneld, und von dem griechischen Sinklit Theophan unterzeichnet.

 

Nach diesem mit den Griechen geschlossenen Frieden gieng Swätoslaw aus Perejaslawez an der Donau, in Kähnen die Donau herab, und auf dem Meere zur Mündung des Dniepers. Sein Feldherr Sweneld rieth ihm, er sollte lieber über Land zu Pferde als in Kähnen nach Kiew zurückkehren, weil die Petschenegen an den Wasserfällen des Dniepers ständen; Swätoslaw aber folgte seinem Rath nicht, sondern ging mit wenigen Leuten in Kähnen den Fluß herauf, und ließ die Armee zu Lande ziehen. Sweneld begleitete den Großfürsten. Die Petschenegen besezten indessen die Wasserfälle so daß Swätoslaw,

 

 

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als er dieselben erreicht hatte, vor der Menge der Petschenegen nicht durchkommen konnte. Er zog sich also zurück, blieb bey Beloberesh stehen, und verschanzte sich so gut er konnte, litte aber wegen Mangels hinlänglicher Lebensmittel nicht geringe Noth. Im Anfange des Frühlings (des 972sten Jahres) bewaffnete Swätoslaw seine Truppen und ging von besagtem Ort den Dnieper herauf, da er aber an die Wasserfälle des Dniepers kam, ward er von dem petschenegischen Fürsten Kurä überfallen und überwunden. Der Großfürst Swätoslaw war während des Gefechts auf den Kähnen zwischen den Wasserfällen, und ertrank im Dnieper; der Feldherr Sweneld aber kam mit den übriggebliebenen Leuten nach Kiew zurück.

 

Der Großfürst Swätoslaw starb im zwey und funfzigsten Jahre seines Alters und ward nahe bey den Wasserfällen des Dniepers begraben. Er regierte sieben und zwanzig Jahr.

 

Seine Gemahlin war die ungarische Prinzesin Predslawa, von welcher er zwey söhne hatte, nemlich Jaropolk und Oleg; von Maluscha, der Großfürstin Olga Haushälterin, einer Tochter des Slawen Kapluscha Malko aus Liubetsch, hatte er einen Sohn Wladimir.

 

 

 

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Geschlechts-Register Swätoslaw's I.

 

► Igor I. Großfürst des nördlichen und südlichen Rußlands von 879 bis 945.

oo seine Gemahlin Olga, von welcher

 

Swätoslaw I. Großfürst von ganz Rußland von 945 bis 972.

oo 1. Dessen Gemahlin, die ungarische Prin zesin Predslawa, von welcher Jaropolk und Oleg

2. Maluscha, von welcher Wladimir.

 

Swätoslaws Zeitverwandte, vom Jahre 945 bis 972 waren:

 

In Griechenland. Kaiser. Konstantin VI. von 912 bis 959. Roman I. von 959 bis 963. Nicephor von 963 bis 969. Johann von 969 bis 976.

 

In Deutschland. Kaiser. Otto der Große von 936 bis 973.

 

In Polen. Könige. Simomüsl von 913 bis 964. Miezislaw von 964 bis 999.

 

In Bolgarien. Zaren. Peter von 927 bis 970. Boris von 970 bis 974.

 

In Dänemark. König. Harald von 930 bis 980.

 

In Arabien. Kalifen. Mostakst XLI. Kalif von 944 bis 946. Moti XLII. Kalif von 946 bis 974.

 

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In Egypten. Kalifen. Almansor von 945 bis 953. Moes von 953 bis 975.

 

In Frankreich. Könige. Ludwig IV. von 929 bis 954. Lothar von 954 bis 986.

 

In England. Könige. Edmond von 940 bis 946. Edred von 946 bis 955. Edwein von 955 bis 959. Edgar von 959 bis 975.

 

In Spanien. Könige. Ramir II. von 932 bis 950. Ordon III. von 950 bis 955. Sanches von 955 bis 967. Ramir III. von 967 bis 982.

 

Patriarchen zu Konstantinopel. Theofilakt von 931 bis 956. Poliekt von 956 bis 970. Basil von 970 bis 974.

 

Römische Päbste. Marin II. von 942 bis 946. Agapet von 946 bis 956. Johann XII. von 956 bis 963. Leo VIII. Von 963 bis 965. Johann XIII. von 965 bis 972.

 

Patriarchen zu Alexandrien. Sofron von 940 bis 968. Elias von 968 bis 977.

 

Patriarchen zu Jerusalem. Johann von ___ bis 969. Christoph ___

 

Patriarchen zu Antiochien. Theodor ___ Agapius 938 Christoph ___ bis 969. Theodor von 969 bis 985.

 

In Rußland. Abgerheilte Fürsten.

 

In Kiew. Jaropolk von 970 bis 980.

 

Bey den Drewiern. Oleg von 970 bis 977.

 

In Nowgorod. Wladimir von 970 bis 988.

 

In Polozk. Rochwold von ___ bis 980.

 

In Wüschegrad. Die Großfürstin Olga.

 

 

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25.

 

Großfürst Jaropolk I.

 

Der Großfürst Swätoslaw ernannte im Jahre 970 seinen ältesten Sohn Jaropolk zum regierenden Fürsten in Kiew.

 

Den zweiten Oleg, über die Drewier.

 

Den dritten Wladimir, schickte er auf Bitte der Nowogoroder nach Nowogorod.

 

Dieser Eintheilung zufolge theilte sich nach dem Tode des Großfürsten Swätoslaw, das unter ihm vereinigt gewesene rußische Reich in drey Theile, nemlich: das Fürstenthum Kiew oder Süd-Rußland blieb unter der Herrschaft des Großfürsten Jaropolk Swätoslawitsch.

 

Die Drewier oder das westliche Rußland blieb unter der Herrschaft des Fürsten Oleg Swätoslawitsch.

 

Nowogorod oder Nord-Rußland blieb unter der Herrschaft des Fürsten Wladimir Swätoslawitsch. Dieser ward im Jahre 947 gebohren und war bey dem Tode seines Vaters (im Jahr 972) fünf und zwanzig Jahre alt; sein ältester Bruder Jaropolk konnte in diesem Jahre, nach ohngefährer Berechnung, nicht weniger als sieben und zwanzig Jahre alt seyn, dem mittlern, Bruder Oleg giebt man ohngefähr sechs und zwanzig Jahre.

 

Die Geschichtschreiber erzehlen, daß der Großfürst Jaropolk Swätoslawitsch tapfer, stark,

 

Zweiter Band 1783.

 

 

 

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wohlgesinnt, sanftmüthig und gegen jedermann gnädig gewesen sey, aber nicht hinlängliche Standhaftigkeit und Klugheit besessen habe, und besonders unüberlegt bösen Rathgebern gefolgt sey. Obgleich er selbst die Taufe nicht annahm, schäzte er doch die christliche Religion und verbot niemanden sich taufen zu lassen.

 

Nach Swätoslaws Tode blieb Jaropolk in Kiew, seine Brüder aber in ihren abgetheilten Fürstenthümern, und es herrschte unter ihnen Liebe, und Ruhe in ganz Rußland.

 

Im Jahre 975 ging Ljut Swenelds Sohn aus Kiew auf die Jagd, er kam auf dieser Jagd ins drewische Gebiet und traf von ohngefähr den drewischen Fürsten Oleg im Walde an, wo zwischen ihnen wegen des Fanges der Thiere ein Streit entstand. Oleg glaubte daß Ljut sich frech betrage und ihn beleidige; Ljut sahe dieses als eine Beleidigung an, und als eine Geringschäzung der Verdienste seines Vaters Sweneld.

 

Ljuts Vater Sweneld mischte sich in diesen Streit und wurde sehr gegen Oleg aufgebracht; er vergaß die Gnade und Wohlthaten des Vaters, stiftete Uneinigkeit unter den Kindern, fing an Jaropolk gegen Oleg einzunehmen, und stellte ihm vor, daß Oleg ihn als den älteren Bruder wenig ehre und seine treue Diener gering schäze, daß der älteste Bruder wegen des Vorrechts der Geburt und der Jahre den jüngeren in Unterwürfigkeit halten müsse; daß die

 

 

 

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Macht des Großfürstentums durch Olegs Erbtheil geschwächt worden sey; daß Jaropolk Großfürst sey und die übrigen Fürsten ihm unterworfen seyn müßten, und daß der Großfürst unumschränkte Gewalt besitze und alles thun könne was er wolle; folglich auch seinen Bruder seines Erbtheils berauben könne.

 

Die Schriftsteller melden, das Jaropolk den bösen Reden gegen seinen Bruder lange kein Gehör gegeben habe, und der brüderlichen Liebe treu geblieben sey.

 

Es ist wahrscheinlich, daß Sweneld selbst von Schmeichlern und Ohrenbläsern umgeben gewesen, welche sich ihm gefällig und beliebt machen wollen, und daher Olegen zureden lassen und Nachricht ertheilt haben, als ob der älteste Bruder mißvergnügt sey, daß das Großfürstliche Gebiet durch das Erbtheil des jüngern vermindert worden, und daß er darauf denke, wie er Oleg des ihm von seinem Vater zugetheilten Antheils berauben könne.

 

Mit diesen und ähnlichen Reden bemüheten sie sich (vier Jahre lang) aus einer persönlichen Uneinigkeit Olegs mit Ljut und Sweneld Mißtrauen, Verdacht und Feindschaft zwischen den Brüdern zu erregen, woraus endlich (im Jahre 977) ein öffentlicher Streit entstand.

 

Bey einer solchen Lage der Gemüther konnten die nicht genau bestimmten Gränzen der Ländereyen sehr leicht zum Vorwande des Streits dienen.

 

 

 

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Jeder Theil bestand auf seinem Sinn, und gab in keiner Sache nach.

 

Jaropolk rüstete sich und überzog das drewische Land.

 

Oleg ging mit seinem Heere den Kiewern entgegen, um seine Rechte zu vertheidigen.

 

Jaropolk überwand Oleg.

 

Oleg flohe mit seinen Truppen vom Schlachtfelde in eine Stadt Owrutsch genannt, wo ein Damm und eine Zugbrücke war und kam bis zur Stadtpforte: die Truppen eilten in die Stadt zu kommen, drängten und stießen einander und warfen im großen Gedränge Oleg selbst von der Brücke herab.

 

Als Jaropolk in die Stadt eingezogen war, erkundigte er sich wo Oleg wäre, und da er nichts von ihm erfahren konnte, schickte er viele Leute aus ihn überall zu suchen. Die ausgeschickten suchten überall und fanden ihn nicht, worauf ein Drewier erzehlte, er habe gestern gesehen wie die Drewier sich auf der Brücke gedrängt und Oleg von der Brücke gestoßen hätten. Jaropolk schickte so gleich nach dem Damm, man fand Oleg, zog ihn aus dem Wasser und legte ihn auf einen Teppich. Da Jaropolk dieses hörte kam er eiligst hinzu, weinete sehr, war untröstlich und sprach: O Leute, Leute wozu habt ihr‘s gebracht! Er warf besonders seinen Zorn auf Sweneld; dieser aber verbarg sich und die Schriftsteller erwehnen seiner nirgends mehr.

 

 

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Einige Leute beschuldigten Jaropolk, daß er an allem schuld sey, weil er die Schwachheit begangen habe, bösen Reden des Volks Gehör zu geben, andere schrieben ihm das Laster einer unmäßigen Herrschsucht zu, weil er sich bemüht hätte, seinem Bruder das Seine zu nehmen; niemand aber rechtfertigte Jaropolk, welcher in dieser unglücklichen Sache von allen verurtheilt ward.

 

Oleg ward an einem Ort neben der Stadt Owrutsch mit Ehren begraben, und man schüttete über ihm einen hohen Erdhügel auf, welcher noch bis jezt zu sehen ist.

 

Nach Olegs Tode übernahm Jaropolk die Herrschaft über die Drewier.

 

Als Fürst Wladimir zu Nowogorod von dem unglücklichen Streite zwischen seinen Brüdern, von Olegs Tode, von Jaropolks Besiznehmung des drewischen Landes, und von den verschiedenen Reden unter dem Volke hörte, und erfuhr, daß sein Bruder viele Truppen bey sich habe (Wladimir selbst hatte um diese Zeit kein Heer versammelt) befürchtete er, Jaropolk möchte ihm Nowogorod nehmen.

 

Wladimir hatte um diese Zeit Beschwerden gegen den Fürsten von Polozk, Rochwold, der das nowogorodsche Gebiet bekriegt und die Stadt Pskow eingenommen hatte; er hielt also für gut zu den Warägern zu reisen, und daselbst für Geld Truppen zu werben.

 

 

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Als Jaropolk Nachricht erhielt, daß Wladimir aus Verdacht gegen ihn aus Nowogorod zu den Warägern, um Truppen zu werben, abgegangen sey, gab er gewissen Rathgebern Gehör, die der Meinung waren, er müßte sich dieser Gelegenheit bedienen, um alle rußische Fürstenthümer wieder unter eine Herrschaft zu bringen. Er schickte seine Stathalter nach Nowogorod und kam dadurch zum völligen Besiz der Alleinherrschaft über ganz Rußland.

 

Im Jahre 978 zog Jaropolk mit einem Heer gegen die Petschenegen, überwand sie, und legte ihnen Tribut auf.

 

Im Jahre 979 trat der petschenegische Fürst Ildei in Jaropolks Dienste. Jaropolk nahm ihn gnädig auf, gab ihm Plaz zur Erbauung einer Stadt und Ländereyen, und hielt ihn in großen Ehren.

 

In demselben Jahre kamen Gesandte des römischen Pabstes zu dem Großfürsten Jaropolk.

 

In diesem Jahre kamen auch Gesandte aus Griechenland, welche Friede und Freundschaft auf die vorigen Bedingungen befestigten und den jährlichen Tribut zu entrichten versprachen; Jaropolk versprach dagegen, die Griechen, Bolgaren und Korßuner nicht zu bekriegen, auch im nöthigen Falle die Griechen mit Hülfsvölkern zu unterstützen. (Man merkt hiebey an, daß die Verträge mit den Griechen vielleicht alle acht Jahre erneuert worden sind, denn vom Jahre

 

 

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912 bis 979 findet man in der Geschichte acht Gesandtschaften zur Erneuerung der Verträge.)

 

Im Jahre 980 kam Wladimir aus dem Lande der Waräger mit Kriegsvölkern nach Nowogorod zurück, und fand daselbst Jaropolks Stathalter und andre seiner Leute, die er aus der Stadt vertrieb, und seinem Bruder sagen ließ: er werde wegen des ihm selbst und Oleg zugefügten Unrechts mit den Waffen in der Hand Rechenschaft fordern. Nach Abfertigung dieser Leute blieb Wladimir in Nowogorod, vermehrte seine Truppen und verordnete seinen Oheim Dobrinä zum Posadnik (so nannte man in Nowogorod die fürstlichen Stathalter).

 

Die Geschichtschreiber erzehlen, daß Jaropolk, über die Nachricht von Wladimirs Vorhaben, betrübt gewesen, weil er Olegs Tod nicht gewünscht hatte, und nun der zweite Bruder Krieg anfing; er habe deshalb zu Wladimir geschickt und ihm zureden lassen, zu gleicher Zeit aber habe er Truppen in Smolensk ausgerüstet welche Wladimirs kriegerische Unternehmungen aufhalten sollten.

 

Wladimir der von diesem und jenem Nachricht erhielt, wollte in Nowogorod bleiben; sein Oheim Dobrinä aber munterte ihn auf den Krieg anzufangen.

 

Beyde Brüder, Jaropolk und Wladimir, befanden, jeder für sich und fast zu gleicher Zeit,

 

 

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für gut, den Fürsten von Polozk Rochwold 1) zum Bündnis einzuladen, und um dieses desto besser zu befördern dessen Tochter Rogneda oder Rogmida zur Gemahlin zu verlangen. Rochwold wollte hiebey nichts selbst entscheiden, sondern überließ die Sache dem freyen Willen seiner Tochter, welcher er das Verlangen beyder Fürsten eröfnete. Er stellte ihr die Gesandten vor und fragte sie, mit wem sie sich vermählen wollte. Sie antwortete: „Ich will nicht dem Magd-Sohne 2) die Füße entkleiden 3); ich wähle Jaropolk zum Manne.“

 

Die Gesandten kamen von Rochwold zurück und erzehlten die Antwort seiner Tochter Rogneda. Jaropolk machte Anstalten seine Braut zu empfangen.

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1) Rochwold stammte von den mit Rurik angekommenen warägischen Fürsten ab, von welchen er einen zum Fürsten von Polozk bestellt hatte, so wie den Fürsten Tur in Turow, von dem diese Stadt den Namen hat und viele andre Fürsten in andern Städten, wie dessen schon vorher in der Geschichte Ruriks und Igors erwähnt worden ist.
2) Wladimir wird hier der Magd-Sohn genannt, weil seine Mutter Maluscha, bey der Großfürstin Olga in Diensten gewesen war.
3) Bey den Warägern herrschte ein alter Gebrauch, welcher auch bis jezt unter den finnischen Bauern üblich ist, daß die Braut am Hochzeittage zum Zeichen der Unterwürfigkeit gegen ihren künftigen Mann, dem Bräutigam einen Fuß entkleiden muß.

 

 

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Wladimir der über Rognedens verächtliche Antwort sehr aufgebracht war schrieb solche Rochwolds Geneigtheit für Jaropolk zu. Er versammelte viele Truppen, Waräger, Slawen, Russen und Tschuden, und zog gegen Rochwold nach Polozk, zu eben der Zeit als man Rogneda dem Fürsten Jaropolk nach Kiew zuführen wollte.

 

Als Rochwold hörte daß Wladimir ihn mit Krieg überziehe, ging er ihm mit seinen Truppen aus Polozk entgegen.

 

Wladimir überwand Rochwold und bemächtigte sich der Stadt Polozk, in welcher sich Rogneda befand, die Wladimirs Gemahlin ward und Gorislawa genannt wurde.

 

Wladimir vermehrte in Polozk seine Truppen durch Polozker und Kriwitschen.

 

Als Jaropolk von der Eroberung der Stadt Polozk und von Wladimirs Vermählung hörte, fing er an ein Heer auszurüsten und wollte selbst gegen Wladimir zu Felde ziehen.

 

Die Verfasser der Jahrbücher erzehlen, daß Jaropolk damals seinen Liebling und Ober-Feldherrn Namens Bljud bey sich gehabt, der ihm den Rath gegeben habe, er möchte nicht zu Felde ziehen und die Truppen nicht umsonst ermüden, sondern in Kiew bleiben, Wladimir sey bey den Seinen nicht beliebt, die ihm seine Geburt vorwürfen und ihn den Magd-Sohn nenneten, wenn Wladimirs Truppen Jaropolk sehen würden,

 

 

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würden sie ohne Schwerdtstreich zu ihm übergehen, und seinen Bruder verlassen.

 

Dobrinä versicherte von seiner Seite Wladimir, daß Jaropolk beym Volke nicht beliebt sey, welches ihm Olegs Unglück vorwerfe.

 

Wladimir zog mit Dobrinä gegen die von Jaropolk nach Smolensk geschickte Truppen, überwand sie und sezte von da seinen Zug nach Kiew fort. Jaropolk aber schloß sich mit seinen Leuten und dem Feldherrn Bjud in Kiew ein.

 

Wladimir stand bey Dorogoshiza zwischen Doroshen und einem Götzen-Tempel, an einem Graben, und grif die Stadt muthig an.

 

Die Kiewer liebten Jaropolk, und vertheidigten die Stadt mit vieler Tapferkeit. Bljud rieth, die Truppen nicht aus der Stadt zu lassen. Andere riethen, sie nicht in der Stadt abzumatten, sondern ins Feld zu rücken, die Belagerer unerschrocken anzugreifen und zurück zu treiben; Jaropolk aber der sich mehr auf seinen bösen Liebling verließ, folgte diesem Rath nicht. Da Jaropolks Truppen sahen, daß sie in der Stadt ohne Nuzen enge eingeschlossen gehalten wurden, gingen sie nach und nach heimlich davon. Der Feldherr Bljud trat insgeheim mit Wladimir in Unterhandlung, und sagte gleich nach dessen Ankunft vor der Stadt zu Jaropolk: daß die Kiewer die Stadt nicht weiter vertheidigen wollten, weil sie sähen, daß die Truppen sich durch das Verlaufen

 

 

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vermindert hätten; er rieth daher Jaropolken die Stadt zu verlassen. Jaropolk traute unüberlegt seinem Lieblinge, verließ Kiew, begab sich in die Stadt Rodnä an der Mündung der Terga, und befestigte sich daselbst.

 

Als Jaropolk die Stadt verlassen hatte, und die Kiewer sich ohne Anführer und ohne Vertheidigung sahen, öfneten sie Wladimirn die Thore, welcher nach seinem Einzuge Truppen gegen Rodnä abschickte, und solches einige Zeit belagerte. Hierauf sagte der Feldherr Blud wiederum zu Jaropolk: „du siehest wie viele Truppen dein Bruder hat, wir können ihm durchaus nicht widerstehen, mache Frieden mit deinem Bruder.“ Jaropolk ließ bey Wladimir um Frieden ansuchen und wollte sich hierauf selbst zu seinem Bruder begeben, als einer seiner Treuen, Namens Waräshko, ihm solches abrieth, und ihm zuredete, er möchte zu den Petschenegen gehen und von da Truppen mit sich bringen. Jaropolk folgte diesem Rath nicht, sondern ging zu seinem Bruder; als er aber in den Hof kam, wo Wladimir wohnte, ward er vor der Thüre des Hauses, auf Anregen der Schmeichler Wladimirs, ermordet; in Gegenwart des Feldherrn Bljud der ihn nicht vertheidigte, und die andern davon abhielt. Bljud ward hiedurch Jaropolks Verräther, die Schmeichler aber befleckten Wladimirs Ruhm. Bljud ward von Wladimir am dritten Tage bestraft, und wahrscheinlich blieben auch

 

 

 

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die Schmeichler nicht ohne Strafe. Waräshko der Jaropolk frühzeitigen Tod mit angesehen hatte, flohe zu den Petschenegen und kriegete mit selbigen gegen Wladimir.

 

Jaropolk starb im Jahre 980 im fünf und dreysigsten Jahre seines Alters. Er hatte acht Jahre regieret, und ward in Kiew begraben. Seine Gemahlin war eine Griechin Predslawa von welcher ihm nach seinem Tode ein Sohn Namens Swätopolk gebohren wurde.

 

Geschlechts - Register Jaropolks I.

 

Swätoslaw I. Großfürst von ganz Rußland von 945 - bis 972.

oo 1) Dessen Gemahlin Predslawa eine ungarische Prin zesin, von welcher

 

► 1. Jaropolk I. Großfürst des südlichen Ruslands von 972 bis 980, vermählt mit einer Griechin Predslawa, von welcher Swätopolk gebohren ward.

 

► 2. Oleg, Fürst der Drewier von 970 bis 977.

 

oo 2) Maluscha, von welcher

 

► 3. Wladimir, Fürst zu Nowogorod von 970 bis 980.

 

 

 

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Jaropolks Zeitverwandte, vom Jahre 972 bis 980 waren:

 

In Griechenland. Kaiser. Johann von 969 bis 976. Basil von 976 bis 1026.

 

In Deutschland. Kaiser. Otto der Große von 936 bis 973. Otto II. von 973 bis 983.

 

In Polen. König. Miezislaw von 964 bis 999.

 

In Böhmen. Fürst. Boleslaw I. von 967 bis 999.

 

In Sachsen. Fürsten. Hermann von 960 bis 973. Weino von 973 bis 1010.

 

In der Pfalz. Fürst. Hermann von 939 bis 993.

 

In Brandenburg. Fürst. Theodor von 965 bis 985.

 

In Baiern. Fürsten. Heinrich II. von 955 bis 976. Otto I. von 976 bis 982.

 

In Braunschweig. Fürsten. Bruno I. von 955 bis 972. Bruno II. von 972 bis 1006.

 

In Bolgarien. Zaren. Boris von 970 bis 974. Samuel von 974 bis 1014.

 

In Dänemark. König. Harald von 930 bis 980.

 

 

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In Arabien. Kalifen. Moti XLII. Kalif von 946 bis 974. Tay XLIII. Kalif von 974 bis 991.

 

In Egypten. Kalifen. Moes von 953 bis 975. Asis von 975 bis 996.

 

In Frankreich. König. Lothar von 954 bis 986.

 

In England. Könige. Edgar von 959 bis 975. Eduard II. von 975 bis 978. Etelred II. von 978 bis 1014.

 

In Spanien. König. Ramir III. von 967 bis 982.

 

Patriarchen zu Konstantinopel. Basil von 970 bis 974. Anton von 974 bis 979. Eine Zeit von vier Jahren, in welcher kein Patriarch war.

 

Römische Päbste. Benedikt VI. von 972 bis 974. Domnus II. von 974 bis 974. Benedikt VII. von 974 bis 983.

 

Patriarchen zu Alexandrien. Mina von 958 bis 977. Ephraim von 977 bis 981.

 

Patriarchen zu Jerusalem. Christoph von 969 bis ___. Thomas von ___ bis 975. Alexander ___ ___

 

Patriarchen zu Antiochien. Theodor von 969 bis 985.

 

In Rußland. Abgetheilte Fürsten.

 

Im drewischen Gebiet. Oleg Swätoslawitsch von 970 bis 977.

 

In Nowgorod. Wladimir von 970 bis 980.

 

In Polozk. Rochwold von ___ bis 980.

 

 

 

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26.

 

Großfürst Wladimir I. in der heiligen Taufe Waßilii genannt.

 

Der Großfürst Wladimir Swätoslawitsch ward nach des Großfürsten Jaropolk Tode im Jahre 980 unumschränkter Beherrscher des ganzen vereinigten Rußlands. Die Geschichtschreiber erzehlen, der Großfürst Wladimir, sey ein weiser, scharfsinniger, gnädiger und gerechter Herr gewesen. An seinem Hofe herrschte viele Pracht; er bauete viele Städte und öffentliche Gebäude, bevölkerte Städte und Wüsten, rief aus allen Gegenden gelehrte Leute, Wissenschaften, Künste und tapfere Ritter 1) nach Rußland und war freygebig in Belohnung der Verdienste.

 

Die Annalisten sagen: Wladimir hing sein Herz an die Weiber, wie Salomo.

 

Die griechischen Schriftsteller aber beschreiben Wladimir, vor seiner Taufe als halsstarrig und eigenwillig.

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1) Unter diesen waren Jan oder Joann Usmowitsch, Alexander Popowitsch, Ilia Iwanowitsch Muromez, Andrian Dobränkow, Dobrinä Nikitisch, und Rogdai welcher gegen jede Macht allein auszog, und viele andre. Von diesen wird in den Volks-Märchen vieles erzehlt.

 

 

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Nachdem Wladimir den Thron bestiegen hatte blieb er in Kiew, und verordnete seinen Oheim Dobrinä zur Stathalter in Nowgorod.

 

Nach diesem baten die mit Wladimir angekommene Waräger, und sprachen: die Stadt Kiew ist durch uns erobert worden; wir müssen von jedem Manne zwey Griwen haben. Wladimir aber überredete sie zu warten bis der Tribut gehoben wäre. Hierauf baten die Waräger wiederum, daß man sie bey den Griechen in Dienste treten lassen möchte, wozu Wladimir gerne seine Einwilligung gab. Er wählte aus ihnen die besten und tapfersten Leute aus, denen er bey sich Belohnungen und Unterhalt gab; die übrigen aber gingen nach Konstantinopel 2).

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2) Die Waräger dienten in Konstantinopel und hatten bey Hofe die nächste Wache um die Person des Kaisers; sie standen an den Thüren der kaiserlichen Zimmer, und an andern vornehmen Stellen, und genossen das Vorrecht dem Kaiser zu beyden Seiten zu stehen und zu gehen. Sie hatten sich durch Treue und Diensteifer bey den griechischen Kaisern so viel Zutrauen erworben, daß man sie für die treuesten und zuverläßigsten Leute unter allem Kriegsvolke hielt. Ihr vornehmstes Gewehr war eine zweyschneidige Streitaxt, weshalb, sie auch Axtträger genannt wurden. Diese Streitaxte waren an einer Seite breit und scharf und dienten so statt eines Schwerdtes, von der andern Seite aber lang und spizig, um an statt eines Spieses gebraucht zu werden; man trug sie gewöhnlich auf der Schulter. Der Akoluph oder Anführer der Waräger, trug einen goldgewirkten Hut, wie der griechische Groß-Admiral. Zum Oberkleide trugen sie, so wie die übrigen griechischen Hofbedienten einen mit Gold durchwirkten purpurfarbenen Askaranik (eine bis an die Knie reichende, an beiden Seiten offene, mit Perlen besezte persische Kleidung) vorne und hinten mit dem Bildnisse des Kaisers.

 

 

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Im Jahre 981 hatte Wladimir Krieg mit Metscheslaw dem Fürsten der Lächen und Lentschen, welcher zwar von Wladimirs Feldherrn zweymal geschlagen ward, aber doch den Krieg fortsezte. Wladimir rückte also selbst in Polen ein, schlug Metscheslaw an der Weichsel, und bemächtigte sich verschiedener lächischen Städte. Metscheslaw bat Wladimir um Frieden, und gab ihm die fünf Städte Peremüschl, Tscherwen, Bjelsh, Swenigorod, Radom, und andere; Wladimir gab ihm Frieden und legte den Lächen einen jährlichen Tribut auf.

 

Im Jahre 982 zog Wladimir gegen die Wätitschen, welche aufgehöret hatten Tribut zu zahlen und sich mit den Petschenegen beschickten, um mit ihnen gemeinschaftlich Wiederstand zu thun; Wladimir überwand sie und legten ihnen denselben Tribut auf, den sein Vater von ihnen gehoben hatte.

 

Zweiter Band 1783.

 

 

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Im Jahre 983 zog Wladimir gegen die Jatwägen 3), schlug sie, bemächtigte sich ihres Landes und kehrte nach Kiew zurück.

 

Im Jahre 984 zog Wladimir gegen die Radimitschen 4), und sandte einen seiner Feldherren Namens Woltschii-Chwost (Wolfsschwanz) vor sich her, welcher die Radimitschen am Flusse Peschtschana traf und überwand, und ihnen eine Schazung auflegte, von welchem Siege sehr lange in Rußland das Sprichwort im Gebrauch blieb: die Radimitschen laufen vor einem Wolfsschwanz.

 

Im Jahre 985 brachte Wladimir ein großes Heer zusammen, berief seinen Oheim Dobrinä mit den Nowogorodern zu sich, und zog in Kähnen den Dnieper herab gegen die Bolgaren 5) und Serbier; die rußische Reuterey aber nebst den Torken 6) Wolhinen und Tscherwenen schickte er

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3) Die Jatwägen, Jasigen, oder Jatätschen waren ein sehr kriegerisches sarmatisches Volk, welches vor Zeiten an der Donau, nachher aber am Bug wohnete, wohin dieser Feldzug Wladimirs gerichtet war.
4) Die Radimitschen waren ein slawisches Volk, an dem Flusse Pesch schana, welcher in die Beresa fällt, sie wohneten auch an dem Flusse Sosha, welcher sich in den Dnieper ergießt.
5) Diese Bolgaren hatten ihre Wohnsitze am schwarzen Meere jenseit der Donau.
6) Diese Torken werden von den Griechen ausdrücklich Türken genannt. Der griechische Schriftsteller Ptolomäus sezt eine stadt Toroka nahe bey die Halbinsel Krim.

 

 

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gerades Weges ins bolgarische Gebiet, und ließ den Bolgaren sagen: daß er zur Genugthuung für die vielen Verlezungen der vorigen mit seinem Vater und Bruder geschlossenen Verträge, und für die seinen Unterthanen zugefügte Beleidigungen einen Tribut verlange. Die Bolgaren, welche sich dazu nicht verstehen wollten, vereinigten sich mit den Serbiern und rüsteten sich gegen Wladimir, Wladimir aber überwand sie, schloß mit ihnen Frieden, legte ihnen eine Schazung auf und kehrte mit Ruhm nach Kiew zurück; die gemachte Beute aber vertheilte er unter seine Truppen die er nach ihrer Heimath ziehen ließ.

 

Wladimir der unter seinem Volk großen Ruhm erworben hatte, zog so wohl durch seine Macht als besonders durch sein unterbrochenes Kriegesglück und seine vielen Siege, die Aufmerksamkeit aller umliegenden Gegenden auf sich; jedes Volk suchte sein Wohlwollen und seine Freundschaft, und wünschte mit ihm in nähere Verbindung und Gemeinschaft zu treten, wozu der wankende Zustand des damals in Rußland herrschenden Volks-Aberglaubens eine gute Gelegenheit darbot.

 

Wladimir hatte sich zwar selbst im Anfange seiner Regierung äußerst bemüht diesem Aberglauben durch Pracht seinen verlohrnen Glanz wieder zu geben, hatte aber damit nicht zu Stande kommen können. Diesem Umstande kann

 

 

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man mit Wahrscheinlichkeit die von verschiedenen Völkern an Wladimir abgefertigte Gesandtschaften zuschreiben, um sich mit ihm so wohl durch Bündnisse als durch die Gemeinschaft des Glaubens zu vereinigen. Zuerst schickten die an der Wolga wohnenden Bolgaren Gesandten zu ihm, um ihn zur Annahme der mohametanischen Lehre zu überreden. Wladimir hörete sie an, und gab zur Antwort: „eure Lehre ist für diese Gegenden sehr unbequem,“ womit er die Gesandten, nachdem er sie beschenkt hatte, entließ. Hierauf kamen die Gesandten des römischen Pabstes, welchen Wladimir zur Antwort gab: „Geht eures Weges, unsre Väter haben diese Lehre nicht angenommen.“ Die Geschichtschreiber melden, daß Wladimirn bey den Römern vorzüglich die Gewalt des Pabstes und das Gebet in der dem Volk unbekannten lateinischen Sprache mißfällig gewesen sey. Nach diesem schickten die in Kiew wohnende kosarische Juden zu Wladimir, und liessen ihm ihre Religion empfehlen. Wladimir fragte sie: „wo ist euer Land?“ sie antworteten: „in Jerusalem.“ Wladimir fragte weiter „wohnt ihr denn da?“ worauf sie erwiederten: „Gott gerieth über unsre Väter in Zorn, und zerstreuete uns unsrer Sünden wegen, in alle Gegenden.“ Wladimir ließ sie hierauf im Zorne von sich, und sprach: „Wie wollet ihr andere eure Religion lehren die ihr selbst nicht bewahret habt.“ Einige Zeit hierauf schickte der

 

 

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griechische Kaiser den Philosophen Kir zu Wladimir, welcher mit ihm von der griechisch-katholischen Religion sprach. Wladimir wurde durch seine Lehren sehr gerührt, beschloß aber in seinem Herzen, noch ein wenig zu warten, um alle Religionen näher zu untersuchen. Er beschenkte den Philosophen und entließ ihn mit vieler Ehre.

 

Im Jahre 987 berief Wladimir seine Großen und die Stadt-Aeltesten zu sich, und machte ihnen bekannt: daß zuerst die wolgischen Bolgaren zu ihm geschickt und ihm angerathen hätten ihre Religion anzunehmen, hierauf wären die Römer gekommen und hätten ihre Religion angepriesen, nach diesen hätten sich die Juden eingefunden, endlich aber wären die Griechen gekommen; die Reden des Philosophen Kir wären weise, nicht ohne Bewunderung zu hören und sehr angenehm gewesen 7); er erkundigte sich also bey ihnen, wozu sie ihm riethen? Die Großen und Stadt-Aeltesten riethen ihm, und beschlossen, in alle gedachte Gegenden gelehrte Leute abzuschicken,

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7) Daß Wladimir Neigung für die Lehren des Philosophen Kir gehabt habe, ist um so viel weniger zu verwundern, weil ihm die rechtgläubige Religion nicht unbekannt war, da er bey seiner Großmutter der Großfürstin Olga erzogen worden war; auch hatte er sich noch vor seiner Taufe mit einer Tschechin vermählt.

 

 

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um jede Religion zu untersuchen, und jede Art des Gottesdienstes zu beobachten.

 

Die Geschichtschreiber melden, daß dieser Rath Wladimirn und allem Volk wohl gefallen habe 8). Wladimir schickte also zehn redliche und kluge Männer aus, und befahl ihnen sich zuerst zu den Bolgaren zu begeben und ihre Religion zu untersuchen. Diese Männer gingen aus und sahen und hörten alles was ihren Auftrag betraf; sie kamen nach Kiew zurück und gaben Wladimirn und seinen Großen von allem Bericht. Wladimir befahl ihnen zu den Deutschen zu gehen, um die lateinische Religion als Augenzeugen zu untersuchen, hierauf aber sich zu den Griechen zu verfügen. Sie kamen zu den Deutschen und beobachteten ihren Gottesdienst, worauf sie sich nach Konstantinopel begaben und vor dem Kaiser Basil erschienen, wo sie mit großer Ehre empfangen wurden. Der Patriarch von Konstantinopel unterrichtete sie und erklärte ihnen die rechtgläubige Religion; auch zeigte man ihnen die Pracht der Kirchen. Sie lobten die Religion und den Gottesdienst, und wurden hierauf von dem Kaiser mit großen Geschenken und vieler Ehre entlassen. Als sie nach Rußland zurückkamen,

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8) Hieraus ist zu ersehen, daß unter Wladimirs Unterthanen damals schon viele Christen oder viele der christlichen Religion geneigte und des damaligen Aberglaubens überdrüßige Leute gewesen seyn müssen.

 

 

 

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kamen, berief Wladimir seine Bojaren und die Aeltesten der Stadt zusammen, und befahl den Gesandten, der ganzen Versammlung bekannt zu machen, was sie an jedem Ort gesehen und gehöret hätten. Die Gesandten sprachen umständlich von jeder Religion, lobten aber vorzüglich die griechische; sie bezeigten ein eifriges Verlangen die heilige Taufe zu empfangen, und baten Wladimirn, er möchte ihnen erlauben nach Konstantinopel zu reisen, um den griechisch-katholischen Glauben anzunehmen.

 

Die versammelten Großen und Stadt-Aeltesten hörten alles dieses mit Aufmerksamkeit an, und sagten zu Wladimir, daß seine Großmutter die Großfürstin Olga, als eine sehr kluge Fürstin, es wohl verstanden hätte, die beste Religion zu wählen. Wladimir erwiederte hierauf: wenn sie alle einig wären, die griechische Religion anzunehmen, so wolle er es mit ihnen thun. Hierauf fragte er sie weiter, wo und wie sie ihm solche anzunehmen riethen? Sie überliessen alles dem Wohlgefallen des Großfürsten, worauf ein ganzes Jahr mit Ueberlegungen und Anstalten zu der vollkommenen Vollendung dieses Werks zugebracht wurde.

 

Im Jahre 988 beschlos Wladimir einen Feldzug gegen Korßun zu unternehmen. (Wahrscheinlich war die Veranlassung zu diesem Feldzuge gegen Korßun wiederum die, daß die Griechen nicht ihr Wort gehalten und diejenigen Verträge nicht erfüllt hatten, welche, wie es scheint, jederzeit innerhalb acht Jahren,

 

 

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oder nach Verlauf dieses Termins, erneuert wurden. Diesesmal wünschte Wladimir den vorigen Punkten, noch einen neuen Vorschlag beyzufügen; er wollte nemlich sich von dem griechischen Kaiser dessen Schwester die Prinzeßin Anna zur Gemahlin erbitten. Wladimir war gewohnt, solche Mittel zu wählen, die seinen Wünschen Vorschlägen und Forderungen das größte Gewicht und Nachdruck geben konnten.) Er versammelte ein großes Heer und zog im Frühlinge gegen die griechische Stadt Korßun 9), die Korßuner aber schlossen sich in ihre Stadt ein. Wladimir stand am Liman, einen Pfeilschuß von der Stadt, und ließ die Einwohner zur Uebergabe auffordern, die Einwohner aber welche sich auf ihre Festungswerke und auf die von den Griechen zu erhaltende Hülfe verließen, achteten auf diese Aufforderung nicht und vertheidigten sich so gut sie konnten. Wladimir befahl hierauf näher an die Stadt zu rücken, die Mauern zu untergraben und die Wasserröhren abzuschneiden. Als die Korßuner sahen daß die Stadt bald Mangel an Wasser

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9) Die Schriftsteller sind in Rücksicht dieser Stadt verschiedener Meinung: Einige behaupten ausdrücklich, daß es Kinburn sey, andre nehmen an, es sey der jetzige achtiarische Hafen am schwarzen Meer in der Krim, noch andre halten es für die Stadt Kaffa in derselben Halbinsel. Da aber die Annalisten namentlich Korßun am Liman nennen, so scheints am wahrscheinlichsten, daß es Kinburn gewesen sey.

 

 

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haben würde, schlossen sie mit Wladimirn einen Vertrag und öffneten ihm die Thore. Wladimir zog mit seinen Truppen in die Stadt ein, und sandte hierauf zu dem griechischen Kaiser Basil Romans Sohn, mit dem Vorschlage den geschlossenen ewigen Frieden zu erneuern, wobey er sich zugleich die Schwester des Kaisers, die Prinzeßin Anna, zur Gemahlin erbat. Der griechische Kaiser hörte diesen Vorschlag mit Vergnügen an, nahm sich aber Zeit zur Ueberlegung, und beschloß nach reiflicher Erwägung der Sache, den Frieden anzunehmen, auf Wladimirs Bitte aber antwortete er: wenn sich der Großfürst taufen lassen würde, wolle er sich nicht weigern, ihm die Prinzeßin zur Gemahlin zu geben. Als Wladimir diese Antwort erhielt, befahl er, dem Kaiser zu melden: daß er bereit sey sich taufen zu lassen, wenn man ihm die griechische Prinzeßin und mit ihr zugleich einige Geistlichen zuschicken wollte, die ihn in dem griechisch-katholischen Glauben unterrichten und befestigen könnten. Der Kaiser war über diese Antwort erfreut und suchte die Prinzeßin Anna zu überreden, die sich aber anfangs durchaus nicht bequemen wollte, sich mit dem Großfürsten Wladimir zu vermählen, wenn er nicht vorher die Taufe annehmen wollte. Der Kaiser und der Patriarch ermahneten sie indessen, und sagten, erstens: „wenn der Großfürst Wladimir ihr zu Liebe die christliche Religion annehmen würde, so habe sie von Gott große Belohnung zu erwarten,“ zweitens: „wisse sie ja selbst wie viele Gefahr, Schaden und

 

 

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Verlust Griechenland von den Russen erlitten habe, sie würde also durch eine solche Verbindung ihr Vaterland von vielem Unglücke befreyen, und den ewigen Dank des ganzen Volks empfangen.“ Hiedurch überredete man die Prinzeßin Anna 10) sich mit dem Großfürsten Wladimir zu vermählen; der Kaiser befestigte den Vertrag mit Wladimir, man schickte die Prinzeßin ab und gab ihr verschiedene vornehme Personen und gelehrte Priester zur Begleitung. Die Prinzeßin nahm von dem Kaiser und dem Volk mit vielen Thränen Abschied, sezte sich zu Schiffe und fuhr zur See nach Korßun. Die Korßuner gingen ihr mit gewöhnlichen Feierlichkeiten entgegen, führten sie in die Stadt und begleiteten sie bis zu dem für sie zubereiteten Hause. Um diese Zeit ward Wladimir an den Augen krank, welches ihn sehr verdrüßlich und traurig machte, weil er sich bey diesem Unglück nicht zu helfen wußte; das Volk aber fing an zu glauben, daß Wladimir seitdem er die Prinzeßin im Lande habe in seiner Gesinnung die christliche Religion anzunehmen wankend geworden sey. Als die Prinzeßin Anna von diesem Gerüchte Nachricht erhielt, schickte sie zu Wladimir und ließ ihm sagen: „er habe sie und ihren Bruder versichert, daß er die heilige Taufe annehmen wolle, jezt aber höre sie von seiner Krankheit,

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10) Eine Schwester der kaiserlichen Prinzeßin Anna, Namens Epiphania, war mit dem römischen Kaiser Otto II. vermählt.

 

 

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und komme auf die Vermuthung, daß er in seinem Entschluß wanke, wofür er von Gott durch diese Krankheit gestraft werde; wenn er also von dieser Krankheit befreyt seyn wolle, so möchte er sich ohne Verzug taufen lassen.“ Wladimir hörte dieses an und sagte zu den Umstehenden; „wenn dieses erfüllt und ich durch die Taufe sehend würde, so würde Gott an mir ein wahres Wunder thun.“

 

Hierauf befahl Wladimir daß man ihm die Taufe ertheilen sollte, welche der Bischof von Korßun mit den Priestern der Prinzeßin verrichtete, wobey dem Großfürsten der Name Wasilii beigelegt wurde. Einige Schriftsteller erzehlen, daß es ihm während der Taufe wie Schuppen von den Augen gefallen, und er wieder sehend geworden sey. Viele seiner Großen liessen sich in der Kirche des heiligen Jacobs taufen die mitten in der Stadt auf dem Markte stand. Wladimirs Hofstaat stand bey dem Eingange der Kirche, der Hofstaat der Prinzeßin aber hinter dem Altar. Bald nach der Taufe kam auch die Vermählung zu Stande, welche der Bischof von Korßun einsegnete. Wladimir gab dem griechischen Kaiser die Stadt Korßun zurück, und reisete selbst mit der Zarin Anna nach Kiew ab.

 

Nach Wladimirs Rückkunft nach Kiew, liessen sich seine Kinder und viele seiner Großen taufen. Da dieses unter dem Volk bekannt wurde, gingen viele mit Freuden zur Taufe nach dem Flusse Potschaina, und sprachen unter sich: „Wenn dieses

 

 

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nicht gut wäre, so hätten der Fürst und die Bojaren es nicht angenommen.“ Bald hiereuf befahl Wladimir Kirchen und Schulen für die Kinder der Vornehmen, Mitlern und Armen zu bauen, und es wurden viele Schulen errichtet.

 

Als Wladimir nach diesem sahe daß Kiew, um es gegen die Petschenegen zu schüzen, mit zu wenig Städten umgeben sey, befahl er an den Flüssen Deßna, Ostra, Trubesh, Sula und Stugna Städte anzulegen, die er mit zuverläßigen Leuten aus den Slawen, Kriwitschen, Tschuden, Wätitschen und andern seiner Unterthanen und Ankömmlingen bevölkerte, weil die Petschenegen diese Gegenden durch öftere Einfälle beunruhigten, obgleich sie oft selbst zurückgeschlagen und überwunden wurden; sie durch Friedensverträge zur Ruhe zu bringen, war ihrer vielen Beherrscher wegen nicht wohl thunlich.

 

Nach vielen guten Anordnungen im Lande lebte Wladimir, der christlichen Lehre gemäß, als ein Muster der Rechtschaffenheit. Da er beschlossen hatte steinerne Kirchen zu bauen, so sandte er nach Konstantinopel um zu diesem Bau verschiedene Handwerker anzunehmen.

 

Im Jahre 989 bauete Wladimir zwey Kirchen.

 

Im Jahre 990 legte Wladimir Belgorodok am Flusse Rupana an, welches er mit ansehnlichen Einkünften versah und aus andern Städten bevölkerte, weil er diese Stadt liebte.

 

 

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In demselben Jahre brachte Wladimir wegen des öftern feindseligen Betragens des polnischen Fürsten Metscheslaw ein Heer zusammen, und zog wieder ihn zu Felde; er traf ihn jenseit der Weichsel und überwand ihn, Metscheslaw flohe nach Krakau, schickte Gesandte mit großen Geschenken, und ließ um Frieden bitten; Wladimir schloß mit ihm Frieden, und kehrte nach Kiew zurück.

 

In eben diesem Jahre kamen Gesandten des griechischen Kaisers an, um die Friedensverträge zu erneuern; mit ihnen kamen der Mitropolit Michail, vier Bischöfe die gebohrne Slawen waren, und verschiedene Handwerker zum Bau der steinernen Kirchen.

 

Im Jahre 991 reisete der Mitropolit Michail, nach erbetener Erlaubnis vom Großfürsten, in Begleitung verschiedener ansehnlichen Bojaren und ihrer Bedienten, nebst vier Bischöfen und Wladimirs Oheim Dobrinä, in Rußland herum bis Rostow; er unterrichtete mit ihnen das Volk in der christlichen Religion, und sezte Bischöfe ein, nemlich den Bischof Joakim (der ein Jahrbuch geschrieben hat) in Nowogrod, und den Bischof Feodor in Rostow. Als die Nowogroder erfuhren, daß Wladimirs Oheim Dobrinä mit den Bischöfen zu ihnen käme, wiedersezten sie sich ihm; sie verschlossen die Stadtpforte liessen ihn nicht in die Stadt und hoben die Brücke auf. Dobrinä ermahnete sie zwar mit freundlichen Worten, sie wollten aber nichts davon hören. Die Bischöfe waren indessen auf der Handelsseite

 

 

 

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der Stadt, gingen auf den Märkten und Straßen herum und lehrten das Volk. In dieser Lage blieben die Nowogroder zwey Tage lang, in welchen sich einige hundert taufen liessen; das Volk aber brach Dobrinäs Haus ab und bemächtigte sich alles dessen was darinn war. Wladimirs Tüßäzkii Putäta, ein kluger und tapferer Mann brachte indessen Kähne zusammen, wählte fünf hundert Rostower, fuhr mit ihnen in der Nacht oberhalb der Stadt auf die andre Seite des Flusses und kam vor den Augen der Nowogroder in die Stadt, welche diese Truppen für ihre eigene hielten. Als er zu Ugonaews (des Rädelsführers) Hause kam, ließ er ihn und andre Urheber der Wiedersezlichkeit festnehmen, und schickte auf die andere Seite des Flusses um Dobrinä davon zu benachrichtigen, der am Anbruche des Tages mit allen bey ihm befindlichen Truppen ankam.

 

Als die Nowogroder die Stellung der Truppen beider Feldherren sahen, fertigten sie ihre ansehnlichsten Männer ab, welche zu Dobrinä kamen und um Frieden baten. Dobrinä zog seine Truppen zusammen, und verbot ihnen Unordnungen und Plünderungen zu begehen. Der Poßadnik Worobei Stojans Sohn, der bey Wladimirs Hofe erzogen und sehr beredt war, ging hierauf auf den Marktpläzen herum und ermahnete die Nowogroder sich taufen zu lassen; es wurden viele getauft und die Feldherren befahlen, zum Unterschiede zwischen den getauften und ungetauften, erstern ein

 

 

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Kreuz um den Hals zu legen. Einige Schriftsteller behaupten, daß hievon der in Rußland herrschende Gebrauch ein Kreuz um den Hals zu tragen, herstamme. Nach diesem kehrte Putäta nach Kiew zurück, wo in diesem Jahre eine große Ueberschwemmung war.

 

Um diese Zeit kamen Gesandten des römischen Pabstes an; Wladimir nahm sie mit Ehren auf und schickte gleichfalls einen Gesandten an den Pabst.

 

Im Jahre 992 begab sich Wladimir an den Dniester, und legte in dem Lande Tscherwen (in Wolhynien) eine Stadt an, die er nach seinem Namen Wladimir nannte; er bauete eine Kirche, ließ den Bischof Stephan daselbst, und kehrte vergnügt zurück.

 

Damals waren bey Wladimirs Hofe Gesandte des Königes von Polen Boleslaw des tapfern, des Königes von Ungarn Stephan I. und des böhmischen Königes Udalrik, welche ihm zu seiner Taufe Glück wünschten und ihm viele Geschenke brachten.

 

Im Jahre 993 zog Wladimir dem Könige von Ungarn zu Hülse nach Siebenbürgen und dem Lande der Chorwaten; er erfochte verschiedene Siege und kam mit Ruhm nach Kiew zurück.

 

Die Geschichtschreiber erzehlen, daß die Petschenegen um diese Zeit an den Dnieper gekommen, und längst dem Flusse Sula Einfälle gethan haben. Wladimir rüstete ein Heer aus, ging ihnen entgegen

 

 

 

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und traf sie an dem Flusse Trubesh bey einer Furth, wo Perejaslawl liegt. Wladimir stand an einer, die Petschenegen abern an der ander Seite des Flusses, und jedes Heer blieb an seiner Seite des Flusses stehen. Der petschenegische Fürst kam an den Fluß geritten, und rief Wladimir zur Unterredung. Er that ihm den Vorschlag, man möchte von jeder Seite einen Mann aufstellen und sprach: „Wenn dein Kriegsmann meinen überwindet, so werde ich euch drey Jahre lang nicht bekriegen, wenn aber mein Kriegsmann den eurigen zu Boden wirft, so bezahlt uns einen Tribut, von dem Schwerdte deines Heeres“ (Es war in alten Zeiten bey vielen Völkern gebräuchlich, das man im Gesichte der Heere dergleichen Zweykämpfe anordnete). Die Sache wurde zwischen Wladimir und dem petschenegischen Fürsten beschlossen, und jeder ging seines Weges. Als Wladimir in sein Lager kam, ließ er unter seinem ganzen Heere wie auch in dem Lager der Berenditschen und Torken nachfragen: „findet sich ein Mann der es mit dem petschenegischen Kämpfer aufnehmen will,“ es fand sich aber niemand. Am folgenden Tage kamen die Petschenegen an den Fluß stelleten ihren Kämpfer dar, und forderten seinen Gegner aus dem rußischen Heere auf. Jezt kam ein alter Mann zu Wladimir und sprach: er habe fünf söhne, von welchen der jüngste solche Stärke besitze, daß er eine Ochsenhaut mit den Händen in zwey stücke reissen könne. Der Großfürst schickte hierauf so gleich nach ihm

 

 

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und lies den Petschenegen sagen, daß sie drey Tage warten möchten. Als die Abgeschickten den Jüngling zum Fürsten brachten, machte er ihm die Aufforderung der Petschenegen bekannt. Der Jüngling erwiederte: „ich weis nicht ob ich den Kampf annehmen kann, prüfet mich und erforschet meine Kraft, befiehl einen großen und starken Stier zu suchen, damit ich meine Stärke nicht an einen Menschen beweisen darf.“ Man brachte einen Stier, Wladimir sahe die Stärke des Jünglings und sprach: du kannst mit dem Petschenegen kämpfen. Als der bestimmte Tag erschien, kamen die Petschenegen wiederum des Morgens frühe und forderten jemand zum Zweykampf auf, indem sie ihren Kämpfer zum Kampf bereit ohne Waffen darstellten. Beide Heere näherten sich gerüstet, dem Flusse. Der petschenegische Kämpfer war sehr groß; Wladimir stellte ihm den seinen entgegen. Der Petschenege betrachtete die mäßige Größe des rußischen Kämpfers, und spottete seiner. Man maß einen Platz zwischen beyden Heeren ab, in dessen Mitte die Kämpfer zusammen kamen. Als sie einander erreichen konnten, griffen sie sich fest an, gleich darauf aber stieß der Gärber Johann dem Petschenegen mit dem Kopfe gegen den Bauch, der Petschenege wankte auf seinen Füßen und fiel zur Erde, der Gärber aber stieß ihn mit dem Fuße. Als die Petschenegen dieses sahen, geriethen sie in Verwirrung und flohen, Wladimir eilte ihnen mit seinem Heere nach und verfolgte sie bis zum Abende.

 

Zweiter Band 1783.

 

 

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Wladimir ließ die Gegend an der vorgedachten Furth befestigen, er erhob den Gärber und seinen Vater zu hohen Ehren, gab ihnen viel Haabe und Gut, und kehrte mit Sieg und Ruhm nach Kiew zurück.

 

Im Jahre 994 zog Wladimir gegen die Bolgaren,überwand sie und kehrte nach Kiew zurück.

 

In eben diesem Jahre war eine große Dürre und brennende Hitze, wovon in vielen Gegenden das Getreide auf dem Felde verdorrete.

 

In demselben Jahre kamen die von Wladimir an den Pabst abgefertigte Gesandte zurück.

 

Im Jahre 996 erbauete Wladimir in Kiew eine, der heiligen Mutter Gottes geweihete steinerne Kirche, schenkte ihr (und zum Unterhalt der Armenhäuser, Krankenhäuser, Schulen u. dgl.) den zehnten Theil seiner Einkünfte, und gab an dem Tage der Kirchweihe den Bojaren und Stadt-Aeltesten ein großes Fest, den Armen aber viel Almosen.

 

Bald darauf kamen Petschenegen nach Waßilew, welches Wladimir nach seinem Taufnahmen benannt hatte (jezt Waßilkow). Wladimir der bey der Nachricht von dem petschenegischen Feldzuge um diese Stadt besorgt war, und ihr ehe er ein hinlängliches Heer zusammen gebracht hatte, eilige Hülfe leisten wollte, zog mit einer kleinen Anzahl Truppen gegen die Petschenegen, die ihn in einer Niederung unvermuthet mit einer großen Macht überfielen. Wladimir wollte ihnen zwar mit dem kleinen, bey ihm befindlichen Heere, Widerstand thun,

 

 

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seine Truppen aber flohen davon. Als er nun fast ganz allein zu Fuße nachgeblieben war, weil man ihm sein Pferd unter dem Leibe erschlagen hatte, und er kein anderes erhalten konnte; so verbarg er sich unter einer Brücke, rettete sich dadurch von der Gefangenschaft, und kehrte nach Kiew zurück. Hier beschäftigte er sich mit der Erbauung verschiedener Kirchen und anderer öffentlichen Gebäude, er feierte prächtige Feste wozu er viele Personen einlud, er gab sehr reichliche Almosen, war mildthätig gegen jedermann, und befahl allen Nothleidenden, auf seinen Hof zu kommen, wo seine Schatzmeister jedem nach seinem Bedürfnis, Speisen, Getränke, und Geld austheilten; denjenigen aber die wegen Alter und Schwachheit nicht zu ihm kommen konnten, schickte er dergleichen Almosen in ihre Wohnung. Dieses that er am Sonnabende, Sontags aber ließ er nach Vollendung des Gottesdienstes in seinem Hause für die Bojaren, für alle seine Hofleute und andre vornehme Personen Gastmahle anrichten, welches auch ohne ihn geschahe, wenn er in andre Städte oder Dörfer verreisete; zu diesen Gastmahlen ließ Wladimir silbernes Tischgeräthe machen.

 

Der Großfürst Wladimir hielt sehr viel auf weise und aufrichtige Räthe und berathschlagte sich mit ihnen täglich über Reichs und Kriegs-Geschäfte und die Verwaltung des Rechts unter seinen Unterthanen; weil er überzeugt war, daß er hiedurch dem Reiche Stärke, Reichthum und Ruhm erwerbe.

 

 

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Mit den benachbarten Regenten Boleslaw von Polen, Stephan von Ungarn und Udalrik von Böhmen hielt er Frieden und Freundschaft und alle ehrten ihn als den ältesten und mächtigsten der slawischen Fürsten.

 

Wladimir fand in seinem Herzen Vergnügen an unbegränzter Güte und ging in dieser Tugend so weit, daß Gerechtigkeit und gesezliches Gericht erschlaften, und Straßenraub und Diebstal dadurch sich überall verbreiteten; so das endlich der Mitropolit Leontii und die Bischöfe ihm zuredeten und vorstellten; daß alle Gewalt von Gott komme, und daß er von dem allmächtigen Schöpfer dazu gesezt sey Recht und Gerechtigkeit zu handhaben, wobey das vornehmste sey, die Bösen und Widerspenstigen zu zähmen und zu bessern, den Unterdrückten und Guten aber Gnade und Schutz angedeihen zu lassen. Wladimir achtete auf diese Vorstellung, und befahl nach den Gesezen seines Großvaters und Vaters zu richten.

 

Einige Zeit nachher stelleten Wladimirs Räthe ihm vor, daß er zwar viele Kriegsvölker habe, Rußland aber den Einfällen der Fremden offen stehe; denn, sagten sie, „du ziehest selbst nicht gegen sie zu Felde und schickest auch deine Feldherrn nicht gegen sie aus, wodurch die Truppen (in ihren Kriegsübungen) laß werden, die Pferde und Waffen umsonst verderben,und das Land verwüstet wird.“ Wladimir nahm diesen dem Reiche heilsamen Rath gnädig auf, befahl Truppen auszurüsten,

 

 

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und aus Kiew gegen die Petschenegen, aus Nowogrod aber gegen die Tschuden zu Felde zu ziehen. Die Truppen zogen aus, und kehrten siegreich zurück, die Petschenegen hielten sich ruhig und wagten es nicht Einfälle in Rußland zu thun.

 

Im Jahre 997, da Wladimir von den Petschenegen keinen Einfall befürchtete, fand er für gut, selbst gegen die Tschuden zu Felde zu ziehen und sie seiner Herrschaft zu unterwerfen; er verstärkte sein Heer durch Kriwitschen (Smolensk) 11) und verfügte sich nach Nowogrod. Als die Petschenegen Nachricht erhielten, daß weder der Fürst noch Truppen in Kiew wären, kamen sie in großer Anzahl und umringten die Stadt Belgorod so, daß niemand heraus gehen noch das Nöthige in die Stadt bringen konnte, wodurch nach einiger Zeit daselbst eine Hungersnoth entstand. Da nun von niemanden Hülfe zu erwarten war, weil kein Heer in Bereitschaft stand, und in Kiew nicht so bald eines zusammen gebracht werden konnte, hielten die Bürger von Belgorod einen Rath und beschlossen, die Stadt den Petschenegen zu übergeben.

 

Die Geschichtschreiber erzehlen, daß damals ein gewisser alter Mann der nicht im Rathe gewesen war, die aus der Versammlung kommende gefragt habe, worüber sie gerathschlagt und was sie beschlossen hätten; da er nun hierauf erfahren, daß man am folgenden Morgen den Petschenegen die

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11) Kriwitsch heißt auf sarmatisch die Höhe der Flüsse.

 

 

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Stadtthore öffnen wolle, habe er die Stadtältesten zusammen berufen und zu ihnen gesagt: „höret mich! haltet euch noch drey Tage und thut was ich euch befehlen werde.“ Als die Bürger ihm in dieser äußersten Noth Gehorsam versprochen hatten, befahl er aus jedem Hofe eine Handvoll Haber, und so viel Weizen und Kleyen als möglich wäre, zusammen zu bringen, welches alles ohne Anstand befolgt wurde. Hierauf machte er einen dünnen Teig, woraus man den Sauerbrey zu kochen pflegt, er ließ einen Brunnen graben, sezte ein großes Faß auf den Boden desselben und goß den vorgedachten Teig hinein. Nach diesem befahl er Honig zu suchen, und da man in dem fürstlichen Keller ein Körbchen voll Honig fand, ließ er daraus einen süßen Meth bereiten, und goß ihn in einen andern dem vorigen ähnlichen Brunnen. Am folgenden Morgen schickte er zu den Petschenegen und ließ einige der vornehmsten zur Unterredung in die Stadt berufen.

 

Die Petschenegen waren darüber froh, schickten zehn ihrer ansehnlichsten Männer in die Stadt, und ließen sich eben so viele Personen aus der Stadt zum Unterpfande geben. Als die abgeschickten Petschenegen in die Stadt kamen, nahm man sie sehr wohl auf, und sagte zu ihnen; sie würden die Stadt durch Hunger und Gewalt nicht zur Uebergabe zwingen, wenn sie auch zehn Jahre vor selbiger stehen wollten; sie möchten nur zusehen, was für Speisen die Brunnen darbieten, womit man sich gar leicht so lange behelfen könne, bis der Fürst Truppen

 

 

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schicken werde. Die Petschenegen liesen sich hiedurch überreden, gingen nach ihrem Lager, wechselten die Geiseln gegen einander aus, verliessen die Stadt, und kehrten in ihr Land zurück.

 

Wladimir kehrte nach Unterwerfung der Tschuden nach Kiew zurück, und als er daselbst vernahm, daß die Petschenegen einen Einfall gethan hätten, schickte er ihnen Truppen auf dem Fuße nach, welche aber ohne sie erreicht zu haben zurück kamen.

 

Im Jahre 1000 rüstete Wladimir im Frühlinge wiederum Truppen aus und zog gegen die Bolgaren; er eroberte Perejaslawez an der Donau und verblieb daselbst bis zum Friedensschluß.

 

Um diese Zeit kam ein großes Heer Petschenegen gegen Kiew und umringte die Stadt, welches die Einwohner in großes Schrecken sezte; Indessen that Alexander Popowitsch (Wladimirs Feldherr) mit den Truppen in der Nacht einen Ausfall und trieb die Petschenegen zurück, wofür Wladimir zur Bezeugung seiner Gnade ihm eine goldene Kette um den Hals hing und ihn zu einem der Großen seines Hauses machte.

 

Im Jahre 1001 schickte Wladimir die Feldherren Alexander Popowitsch und Jan Usmowitsch welcher den starken Petschenegen bey Perejaslawl überwältiget hatte, gegen die Petschenegen. Sie zogen mit einem Heere aus, überwanden die Petschenegen, nahmen den Fürsten Rodaman mit drey Söhnen gefangen und brachten ihn zu Wladimir nach Kiew. Wladimir feierte dieses Sieges wegen in Kiew ein großes Fest.

 

 

 

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Die Geschichtschreiber erzehlen, daß Wladimir in dem nemlichen Jahre, durch eine lobwürdige Wißbegierde bewogen, besondere Leute als Reisende, einige nach Rom, andere nach Jerusalem, Egypten und Babylon geschickt habe, um die Länder und Städte wie auch die Gebräuche, Ordnungen und Regierung jedes Landes zu beschreiben. (Wahrscheinlich hatte Wladimir Beschreibungen seines eigenen und der benachbarten Reiche, als, des bolgarischen, griechischen und anderer, deren Kenntnis besonders nöthig war; diese Beschreibungen aber sind nicht bis zu uns gelangt). Tatischtschew sagt hiebey: prächtige Gebäude entfernter Gegenden sind Sachen die unsere Wißbegierde vergnügen; aber die Gesetze und Ordnungen, die Verwaltung der Gerechtigkeit, die Belohnung guter Thaten, die Ausrottung der Laster, die Kriegs-Ordnung und Kriegs-Kunst, die Sitten und Denkart der Völker und die Vortheile die man durch den Handel von ihnen erlangen kann, sind Sachen deren Untersuchung uns nothwendig ist.

 

Im Jahre 1003 war eine reiche Erndte und ein Ueberfluß an Getreide und andern Früchten des Landes.

 

Im Jahre 1004 thaten die Petschenegen wieder einen Einfall und umringten Belgrad worauf Wladimir die Feldherrn Alexander Popowitsch und Jan Usmowitsch mit einem Heere gegen sie ausschickte. Als die Petschenegen hörten, daß diese Truppen gegen sie im Anzuge wären, hoben sie die Belagerung auf und flohen in die Stepe.

 

 

 

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Im Jahre 1006 schickten die wolgischen Bolgaren 12) Abgesandte zu Wladimir, welche um die Erlaubnis anhielten in den Städten an der Wolga und Oka Handel zu treiben; Wladimir erlaubte ihnen mit Vergnügen in allen Städten und Oertern mit den rußischen Kaufleuten zu handeln, und gab diesen gleichfalls die Erlaubnis, zu den Bolgaren zu reisen, um von ihnen das nöthige zu kaufen.

 

Im Jahre 1014 befahl Wladimir Truppen zu versammeln, die Wege zu bessern und Brücken zu bauen, und wollte selbst gegen Nowogrod zu Felde ziehen, weil die Nowogroder sich geweigert hatten ihm den Tribut zu zahlen, aber er ward hieran durch eine Krankheit gehindert.

 

Um eben diese Zeit kamen Gesandte des lettischen (litauischen) Fürsten Boleslaw zu Wladimir und mit ihnen zugleich Gesandte der Tschechen (Böhmen) und Ungarn,von welchen jeder um eine seiner Töchter anhielt. Wladimir versprach dem Fürsten Boleslaw, seine älteste Tochter Premislawa mit dem tschechischen Fürsten, und seine mittlere Tochter Predslawa, die er sehr liebte, mit dem Könige von Ungarn zu vermählen; weshalb er im Frühlinge mit ihnen zu Wladimir in Wolhinien eine Zusammenkunft halten wolle.

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12) Die wolgischen Bolgaren legten sich mit solchem Eifer auf Handel und Gewerbe, daß sie des Handels wegen durch Persien nach Indien, durch Rußland nordwerts nach Schweden und Dänemark, und über das schwarze Meer bis nach Egypten reiseten.

 

 

 

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Im Jahre 1015 hörten die Nowogroder daß Wladimir gegen sie im Anzuge sey und schickten zu den Warägern um Hülfs-Truppen zu bitten. Um eben diese Zeit erfuhr Wladimir das die Petschenegen einen Einfall in Rußland thun wollten; er schickte seinen Sohn Boris mit Truppen gegen sie, und starb bald darauf, den 15ten Julius, in Berestow, im 68 Jahre seines Alters. Seine Bedienten und Feldherren hielten seinen Tod geheim, wickelten seinen Leichnam in einen Teppich und brachten ihn heimlich nach Kiew.

 

Er hatte 35 Jahre über ganz Rußland geherrscht, und ward in Kiew in der Zehenden-Kirche begraben.

 

Seine Gemahlinnen bis zu seiner Taufe waren:

1. Eine Warägerin von welcher 1) Fürst Wüscheslaw.

 

2. Die polozkische Prinzeßin Rogneda oder Gorislawa, mit welcher er sich im Jahre 976 vermählte. Sie nahm den christlichen Glauben an, ging in ein Kloster wo sie Anastasia genannt wurde und starb im Jahr 1000.

Von Rogneda hatte Wladimir drey Söhne und zwey Töchter, nemlich:

2) Fürst Isäslaw.

3) Fürst Jaroslaw.

4) Fürst Wsewolod.

5) Die Prinzeßin Predslawa, nachherige Gemahlin des Königes von Böhmen, und

6) Die Prinzeßin Premislawa,welche mit dem Könige von Ungarn vermählt ward.

 

 

 

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3. Malfreda eine böhmische Prinzeßin die im Jahre 1000 starb, von welcher,

7) Fürst Wetscheslaw.

 

4. Adil oder Olga eine Tschechin, von welcher

8) Fürst Swätoslaw.

9) Fürst Mstislaw.

10) Fürst Stanislaw.

 

5. Milolika eine Bolgarin, die Wladimir vorzüglich liebte, von welcher

11) Fürst Boris.

12) Fürst Gleb.

Nach seiner Taufe ließ Wladimir seine übrigen Gemahlinnen von sich, und gab so wohl ihnen als den von ihnen erzeugten Söhnen abgetheilte Besizungen. Er selbst vermählte sich nach christlichem Gebrauch mit der kaiserlichen Prinzeßin Anna, die im Jahre 1011 starb, von welcher

13) Die Prinzeßin Maria, nachher Dobrognewa genannt, Gemahlin des Königes von Pohlen Kasimir I. für welche in Krakau eine griechisch-katholische Kirche gebaut wurde.

 

Wladimir nahm seine Neffen an Kindesstatt an, nemlich: Swäropolk Jaropolks Sohn; Sudislaw und Podswisd, Söhne des Fürsten Oleg Swätoslawitsch.

 

Da Wladimir nach seiner Taufe (im Jahre 988) seine Gemahlinnen und Kinder, die er zu der Zeit hatte, von sich zu lassen wünschte, folgte er dem Beyspiele seines Vaters Swätoslaw Igorewitsch, indem er jedem Sohne und jedem an Kindesstatt angenommenen Neffen sein abgetheiltes Fürstenthum gab, nemlich:

 

 

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1) Dem Fürsten Wüscheslaw Nowogrod; dieser starb vor seinem Vater im Jahre 1010.

2) Dem Fürsten Isäslaw Polozk, dieser starb im Jahre 1001 und hatte seinen Sohn Brätschislaw zum Nachfolger.

3) Dem Fürsten Jaroslaw Rostow, und nach Wüscheslaws Tode Nowogrod.

4) Dem Fürsten Wsewolod, Wladimir in Wolhinien.

5) Dem Fürsten Wetscheslaw Tschernigow.

6) Dem Fürsten Swätoslaw das drewische Gebiet. Dieser hatte von einer ungarischen Prinzeßin einen Sohn Johann oder Jan der im Jahre 1002 gebohren war.

7) Dem Fürsten Mstislaw, Tmutarakan. (Die Geschichtschreiber nennen die tmutarakanischen Fürsten wechselsweise bald tmutarakanische, bald räsanische; es ist also wahrscheinlich, daß Tmutarakan am Flusse Prona nahe bey Räsan gelegen habe.)

8) Dem Fürsten Stanislaw Smolensk.

9) Dem Fürsten Boris, (nach Jaroslaws Versezung nach Nowogrod) Rostow.

10) Dem Fürsten Gleb Murom.

 

Seinen an Kindesstatt angenommenen Neffen, gab Wladimir folgende abgerheilte Fürstenthümer. 11) Dem Fürsten Swätopolk Turow.

12) Dem Fürsten Sudislaw Pskow, und

13) Dem Fürsten Podswisd Berestow.

 

 

 

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Geschlechts-Register Wladimirs I.

 

Swätoslaw I. Großfürst von ganz Rußland von 945 bis 972.

oo I. Dessen Gemahlin Predslawa eine ungarische Prinzeßin, von welcher

 

1) Jaropolk I. Großfürst des südlichen Rußlands von 972 bis 980, vermählt mit einer Griechin Predslawa, von welcher

Swätopolk l. Fürst zu Turow von 988 bis 1015. hernach Großfürst von 1015 bis 1020.

 

2) Olg, Fürst der Drewier von 970 bis 977. Dessen Kinder Sudislaw, Fürst zu Pskow von 988 bis 1036. Podswisd, Fürst zu Berestow von 988 bis –

 

oo II. Maluscha, von welcher

 

3) Wladimir, Fürst zu Nowogrod von 970 bis 980. nachher Großfürst von 980 bis 1015. Dessen Gemahlinnen waren:

oo I. Eine Warägerin, von welcher

1. Fürst Wüscheslaw

 

oo II. Rogneda od. Gorislawa, Fürstin zu Polozk, von welcher

2. Fürst Isäslaw

3. Fürst Jaroslaw

4. Fürst Wsewolod

5. Prinzeßin Predslawa, vermählt mit dem Könige von Böhmen

6. Prinzeßin Premislawa, vermählt mit dem Könige von Ungarn

 

oo III. Malfreda, eine böhmische Prinzeßin, von welcher

7. Fürst Wetscheslaw

 

oo IV. Adil oder Olga eine Tschechin, von welcher

8. Fürst Swätoslaw

9. Fürst Mstislaw

10. Fürst Stanislaw

 

oo V. Milolika eine Bolgarin, von welcher

11. Fürst Boris und

12. Fürst Gleb

 

oo VI. Die griechisch-kaiserliche Prinzeßin Anna, nachher Dobrognewa genannt, von welcher

13. Die Prinzeßin Maria, Gemahlin des Königs von Pohlen Kasimir I.

 

 

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Wladimirs Zeitverwandte, vom Jahre 980 bis 1015 waren:

 

In Griechenland. Kaiser. Basil von 976 bis 1026.

 

In Deutschland. Kaiser. Otto II. von 973 bis 983. Otto III. von 983 bis 1002. Heinrich II. von 1002 bis 1024.

 

In Polen. Könige. Mieczislaw von 964 bis 999. Boleslaw I. der tapfere von 999 bis 1025.

 

In Böhmen. Fürsten. Boleslaw II. v. 967 bis 999. Boleslaw III. von 999 bis 1002. Jaromir von 1002 bis 1012. Udalrik von 1012 bis 1037.

 

In Sachsen. Fürsten. Weino von 973 bis 1010. Bernhard II. von 1010 bis 1062.

 

In der Pfalz. Fürsten. Hermann I. von 939 bis 993. Eson von 993 bis 1035.

 

In Brandenburg. Fürsten. Theodor von 965 bis 985. Lothar von 985 bis 1003. Werner von 1003 bis 1010. Bernhard I. von 1010 bis 1018.

 

In Baiern. Fürsten. Otto I. von 976 bis 982. Heinrich II. von 982 bis 995. Heinrich III. von 995 bis 1005. Heinrich IV. von 1005 bis 1027.

 

In Braunschweig. Fürsten. Bruno II. von 972 bis 1006. Ludolf von 1006 bis 1038.

 

In Bolgarien. Zaren. Samuel von 974 bis 1014. Radomir von 1014 bis 1015.

 

In Dänemark. König. Sweno I. von 980 bis 1015.

 

 

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In Arabien. Kalifen. Tay XLIII. Kalif von 974 bis 991. Kader XLIV. Kalif von 991 bis 1031.

 

In Egypten. Kalifen. Asis von 975 bis 996. Hakem Wamrilla von 996 bis 1021.

 

In Frankreich. Könige. Lothar von 954 bis 986. Ludwig V. von 986 bis 987. Hugo von 987 bis 996. Robert von 996 bis 1031.

 

In England. Könige. Etelred von 978 bis 1014. Sweno von 1014 bis 1015.

 

In Spanien. Könige. Ramir II. von 967 bis 982. Bermud II von 982 bis 999. Alphons V. von 999 bis 1027.

 

Patriarchen zu Konstantinopel. Nikolaus von 983 bis 996. Sisim von 996 bis 999. Sergius von 999 bis 1019.

 

Römische Päbste. Benedikt VII. von 974 bis 983. Johann XIV. von 983 bis 985. Johann XV. von 985 bis 985. Johann XVI. von 985 bis 996. Gregor IV. von 996 bis 999. Silvester II. von 999 bis 1003. Johann XVII. von 1003 bis 1003. Johann XVIII. von 1003 bis 1009. Sergius IV. von 1009 bis 1012. Benedikt VIII. von 1012 bis 1024.

 

Patriarchen zu Alexandrien. Ephraim von 977 bis 981. Philotheus von 981 bis 1005. Zacharias von 1005 bis 1032.

 

Patriarchen zu Jerusalem. Christoph von 969 bis ___. Joseph von ___ bis ___. Jeremias von 984 bis 1012. Arsenius von 1012 bis 1023.

 

Patriarchen zu Antiochien. Theodor von 969 bis 985. Agapus von 985 bis 1004. Johann von 1004 bis ___. Nikolaus von ___ bis ___.

 

 

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176

 

Mitropoliten. In Kiew. Michael von 988 bis 992. Leontii von 992 bis 1035.

 

In Rußland. Abgetheilte Fürsten.

 

In Nowogrod. Wüscheslaw Wladimirowitsch von 988 bis 1010. Jaroslaw Wladimirowitsch von 1010 bis 1025.

 

In Polozk. Isäslaw Wladimirowitsch von 988 bis 1001. Brätschislaw Isäslawitsch von 1001 bis ___.

 

In Rostow. Jaroslaw Wladimirowitsch von 988 bis 1010. Boris Wladimirowitsch von 1010 bis 1015.

 

In Wladimir in Wolhinien. Wsewolod Wladimirowitsch von 988 bis ___.

 

In Tschernigow. Wetscheslaw Wladimirowitsch von 988 bis ___.

 

Bey den Drewiern. Swätoslaw Wladimirowitsch von 988 bis 1015.

 

In Tmutarakan. Mstislaw Wladimirowitsch von 988 bis 1034.

 

In Smolensk. Stanislaw Wladimirowitsch von 988 bis ___.

 

In Murom. Gleb Wladimirowitsch von 1010 bis 1015.

 

In Torow. Swätopolk Jaropolkowitsch von 988 bis 1015.

 

In Pskow. Sudislaw Olgowitsch von 988 bis 1036.

 

In Berestow. Podswisd Olgowitsch von 988 bis ___.

 

 

 

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Quelle:

 

Neues St. Pertersburger Journal vom Jahre 1783. Zweiter Band. S. 75-176 Mit Bewilligung des Ober-Polizey-Amts. St. Petersburg, gedruckt in der privegirten Buchdruckerey bey Schnoor.

 

 

 

 

 

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36

 

Aufsäze betreffend die rußische Geschichte. *)

(Fortsetzung)

 

Großfürst Swätopolk I.

 

Nach dem Tode des Großfürsten Wladimir Swätoslawitsch (im Jahr 1015) theilte sich Rußland in dreyzehn Fürstenthümer, welche den Söhnen und an Kindesstatt angenommenen Neffen dieses Großfürsten verliehen waren.

 

Zur Zeit seines Todes war sein adoptirter Neffe, Fürst Swätopolk, ein Sohn seines ältesten Bruders Jaropolk, Befehlshaber in Kiew.

 

Als Fürst Swätopolk Jaropolkowitsch das Absterben des Großfürsten Wladimir erfuhr, suchte er die Kiewer durch Geschenke und freundliches Betragen auf seine Seite zu bringen, diejenigen Kiewer aber, deren Brüder, Blutsfreunde und Verwandten mit dem Fürsten Boris gegen die Petschenegen zu Felde waren, bezeigten mehrere Neigung für diesen Fürsten, weil Boris ein sanfter und gütiger Prinz war.

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*) S. St. Petersburgisches Journal 1783 zweiter Band, Seite 75.

 

 

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37

 

Da Swätopolk die verschiedenen Gesinnungen der Kiewer bemerkte, und sich auf dem Throne seines Vaters in Kiew zu befestigen wünschte, schickte er zu dem Fürsten Boris und ließ ihm sagen, daß er mit ihm in Liebe und Eintracht zu leben wünsche, und nicht nur das ihm von Wladimir gegebene Erbtheil bestätigen, sondern auch vergrössern wolle. Eben dieses ließ er dem Fürsten Gleb in Murom (dem leiblichen Bruder des Fürsten Boris) sagen und beyde Fürsten zu sich nach Kiew einladen.

 

Boris war damals mit einem Heere gegen die Petschenegen zu Felde gezogen, hatte sie aber nicht einholen können, und war auf seinem Rückzuge bis zu dem Flusse Alta gekommen, als er die Nachricht von dem Tode seines Vaters erfuhr, worüber er sich sehr betrübte.

 

Sobald diese Nachricht unter den Truppen bekannt wurde, bezeigten sie ihr Verlangen den Fürsten Boris auf den kiewschen Thron zu bringen. Die Befehlshaber des Heeres kamen zu ihm, versicherten ihn ihrer Treue, und suchten ihn zu bewegen seine Einwilligung zu geben. Boris aber, der sieben aeltere leibliche Brüder und drey Vettern vor sich hatte, und die Verwirrungen eines innerlichen Krieges verabscheuete, antwortete: daß er den ältesten seines Geschlechts als einen Vater ehre und gegen ihn keinen Krieg führen werde. Da die Truppen diese edelmüthige und wohlgesinnte Antwort vernahmen, fingen sie an zu befürchten, das Swätopolk ihnen sowohl die dem Boris gemachten Anerbietungen als auch ihr langes Verweilen bey demselben, als ein Verbrechen anrechnen würde; sie verlohren den Muth und gingen einer nach dem andern in ihre Heimath zurück, so daß Boris niemand als seine Bedienten bey sich behielt.

 

Während daß die vom Swätopolk an Boris mit Versicherungen von Liebe und Eintracht abgefertigte Gesandten auf dem Wege waren, verbreitete sich in Kiew das Gerücht von der Anhänglichkeit des Heeres an Boris, und von den ihm geschehenen Vorschlägen ihn auf den kiewschen Thron zu bringen.

 

Als Swätopolk dieses hörte, reisete er heimlich in der Nacht aus Kiew nach Wüschegrad, rief einen gewissen Putescha, einen Kriegsbefehlshaber, und die wüschegradschen Bojaren zu sich und fragte sie; „ob sie gut gegen ihn gesinnt wären?“ sie versicherten ihn ihrer Treue. Hierauf erzehlte er ihnen den Zustand der Sachen und berathschlagte mit ihnen was zu thun sey. Ihr boshafter Rath zeuget von den rauhen Sitten des damaligen Zeitalters, in welchem das Volk in Grundsäzen aufwuchs, die weder mit der Rechtschaffenheit noch mit guter bürgerlicher Ordnung bestehen konnten. Die Geschichtschreiber erzehlen man habe beschlossen Boris zu ermorden und habe heimlich Leute abgeschickt solches auszuführen. Eben hiedurch aber ward Swätopolks Verfassung wankender, hiedurch vermehrte sich die Unruhe und Besorgnis seines Gemüths und das gerechte Mißtrauen seiner Brüder gegen ihn.

 

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Um diese Zeit schickte Wladimirs Tochter Predslawa, die sich in Kiew aufhielt, zu Jaroslaw nach Nowgorod, und meldete ihm den Tod seines Vaters und Bruders. Jaroslaw benachrichtigte hievon seinen Bruder Gleb und rieth ihm, nicht nach Kiew zu reisen. Gleb war schon auf dem Wege und ging zu Wasser den Dnieper herab, wo er unvermuthet von bewafneten Leuten überfallen und ermordet ward. Aller Verdacht dieser Begebenheit fiel auf Swätopolk, welcher von allen gehaßt wurde.

 

Als Swätoslaw, der im drewischen Gebiet und der nächste bey Kiew war, von dem Tode seiner Brüder hörte, und aus Verdacht gegen Swätopolk sehr für sich selbst besorgt war, begab er sich nach Ungarn zu seinem Schwiegervater dem Könige von Ungarn.

 

Swätopolk aber suchte sich immer mehr in Kiew zu befestigen und machte deshalb den Kiewern und den ansehnlichsten Personen der übrigen Fürstenthümer, reichliche Geschenke.

 

Jaroslaw hielt sich damals in Nowgorod auf, wo sich diejenigen Waräger bey ihm einfanden, nach denen die Nowgoroder geschickt hatten, als sie Wladimirn den Tribut verweigerten; diese Waräger thaten den Nowgorodern viele Gewaltthätigkeit und Unrecht an, wodurch häufige Streitigkeiten und Schlägereien zwischen den Warägern und Nowgorodern entstanden. Als Jaroslaw dieses sahe zürnte er über die Nowgoroder

 

 

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und zog aus der Stadt auf sein Landhaus, wo er die schuldigen Nowgoroder die die Waräger erschlagen hatten, bestrafen ließ. Da er aber bald darauf durch seine Schwester von dem was in Kiew vorgefallen war Nachricht erhielt, ließ er die Nowgoroder einladen, daß sie zu ihm herauskommen möchten, worauf er ihnen vorschlug einen Feldzug nach Kiew zu thun und den Ungerechtigkeiten Swätopolks gegen seine Brüder Einhalt zu thun. Die Nowgoroder antworteten, sie wären dazu bereit.

 

Jaroslaw brachte also gegen 5000 Waräger und Nowgoroder zusammen und zog gegen Swätopolk zu Felde.

 

Als Swätopolk von den Anzuge Jaroslaws aus Nowgorod Nachricht erhielt, rüstete er ein großes Heer Russen und Petschenegen aus und ging Jaroslaw bis Ljubitsch entgegen, wo er im Anfange des Herbstes (im Jahre 1016) an dem einem, so wie Jaroslaw am andern Ufer des Dniepers stand. So standen sie des hohen Wassers wegen drey Wochen lang gegen einander über, bis sich das Wasser im Dnieper verminderte.

 

Swätopolk der seine Stellung zwischen zwo Seen genommen hatte, belustigte sich und trank mit seinen Großen; als aber der Frost einfiel, bewafnete Jaroslaw seine Truppen in der Nacht, befahl ihnen ihre Köpfe mit weißen Tüchern zu umwinden (wie es von Alters her bey den rußischen

 

 

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Kriegsvölkern im Gebrauch war, um sich dadurch von den Feinden zu unterscheiden) und sezte beym Aufgange der Sonne über den Fluß. Nachdem alle Truppen ans Land gesezt waren, befahl er die Böthe vom Ufer zu entfernen, munterte seine Mannschaft zur Tapferkeit und Treue auf, und näherte sich Swätopolken, welchen man so wenig auf seiner Hut fand, daß er nicht einmal sein ganzes Heer in Schlachtordnung stellen konnte, sondern nur mit einem Theil desselben, so viel er in der Eile zusammen bringen konnte, vorrückte. Seine Petschenegen standen hinter den Seen und konnten ihm keine Hülfe leisten. Swätopolk war gezwungen sich auf den See zurück zu ziehen, wo das Eis durchbrach, und viele im Wasser umkamen. Als er dieses sahe, flüchtete er mit wenigen seiner Leute nach Polen zu seinem Schwiegervater Boleslaw, die Petschenegen aber entflohen in die Step. Jaroslaws Leute verfolgten die fliehenden und machten viele Gefangene. Nach diesem Siege befahl Jaroslaw den rußischen Truppen, die unter Swätopolk gedient hatten, nach Kiew zurück zu gehen, wohin er sich auch selbst verfügte.

 

Jaroslaw, war damals 38 Jahr alt.

 

Im Jahre 1017 brannte die Stadt Kiew ab, worauf Jaroslaw nahe bey der alten eine neue Stadt anlegte.

 

In eben dem Jahre kamen die Petschenegen unvermuthet nach Kiew.

 

 

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Jaroslaw konnte in der Eile kaum einige Truppen zusammen bringen um den Feinden das Eindringen in die alte Stadt zu wehren, als er aber gegen Abend seine Truppen versammelt hatte, schlug er die Petschenegen, verfolgte sie im freyen Felde und kam mit vielen Gefangenen zurück.

 

Im Jahre 1018 hatte Swätopolk, der sich in Polen aufhielt, von dem Könige von Polen Boleslaw dem Tapfern, Hülfe gegen Jaroslaw erbeten. Die Geschichtschreiber erzehlen daß Boleslaw (der die Absicht hatte Rußland durch innerliche Unruhen zu entkräften und die von Wladimir eroberten Städte Peremüschl, Tscherwen, Belsh, Swenigorod und andere wieder zu Polen zu bringen) Swätopolken Hülfe versprochen, ein Heer versammelt, den Kaiser Heinrich um Hülfstruppen gebeten und selbige erhalten habe.

 

Swätopolk brachte ebenfalls ein Heer von Wolhiniern und Turowern zusammen und so zogen sie gegen Jaroslaw.

 

Jaroslaw ging mit einem vereinigten Heer von Russen, Warägern und Slawen Boleslaw und Swätopolk entgegen, traf sie in Wolhinien am Flusse Bug und nahm seine Stellung an der einen, Boleslaw aber an der andern Seite des Flusses.

 

Die Geschichtschreiber erzehlen, Boleslaw sey zwar sehr groß und schwer gewesen, so daß

 

 

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er nicht zu Pferde sitzen können, er habe aber ein Heer mit Klugheit und Tapferkeit anzuführen gewußt.

 

Boleslaw ließ auf Anrathen seiner Großen Jaroslawen Friedens-Vorschläge thun; Swätopolk aber, der nichts vom Frieden wissen wollte, munterte alle zur Schlacht auf; (weil er nach dem Großfürstenthume und der Stadt Kiew lüstern war)

 

Boleslaw ging hierauf plözlich mit seinem ganzen Heere an einer seichten Stelle über den Fluß; Jaroslaw aber der sich auf die Friedens-Unterhandlungen verlassen, und keine Anstalten zur Schlacht getroffen hatte, konnte sein Heer nicht geschwinde genug in Ordnung stellen und ward daher von Boleslaw überwunden.

 

In diesem Treffen ward Jaroslaws Feldherr Budü erschlagen, über den Boleslaw, seiner beleidigenden Prahlerey wegen, sehr erzürnt gewesen war.

 

Nach dieser Schlacht ging Jaroslaw über Kiew, von da er den Rest seiner Truppen mit sich nahm, nach Nowgorod, und bat daselbst den Poßadnik Swätin Dobrinä‘s Sohn, für ihn Truppen in Bereitschaft zu halten, wenn Swätopolk gegen ihn zu Felde ziehen sollte.

 

 

Die Nowgoroder versprachen ihm alle Hülfe und sagten: „wir sind noch im Stande Boleslaw und Swätopolk die Spitze zu bieten.“ Sie beschlossen eine Schazung zu heben, von jedem Bauer 4 Kun,

 

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von jedem Starost 5 Griwen, von jedem Bojaren 18 Griwen; sie schickten hierauf zu den Warägern um Trupen in Sold zu nehmen, und gaben ihnen Geld, so daß Jaroslaw ein ansehnliches Heer zusammen brachte.

 

Als Boleslaw nach Kiew kam, befahl er die Truppen, ihres Unterhalts wegen, in die Städte und Dörfer zu verlegen, wo sie den Einwohnern unerträgliche Bedrängnisse anthaten, worüber in verschiedenen Dörfern viele Polen erschlagen wurden. Da Boleslaw dieses erfuhr und auf die Vermuthung kam, daß es mit Vorwissen Swätopolks geschehe, gerieth er über ihn in Zorn, verließ bald darauf Kiew und nahm viele von Jaroslaws Anhängern und seine zwey Schwestern mit sich (welche beyde durch Boleslaws Vermittelung versprochen waren, nemlich Premislawa an den König von Böhmen und Predslawa an den König von Ungarn).

 

Auf seinem Rückzuge eroberte Boleslaw die tscherwenischen Städte, welche Wladimir dem Metscheslaw abgenommen hatte.

 

Swätopolk blieb in Kiew und hielt sich daselbst für sicher, als Jaroslaw, der von Boleslaws Abzuge Nachricht erhalten hatte, ihn widerum mit Krieg überzog und besiegte. Swätopolk flohe zu den Petschenegen.

 

Jaroslaw aber eroberte Kiew und das ganze Swätopolk gehörige Gebiet.

 

 

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Im Jahre 1019 kam Swätopolk mit vielen Petschenegen nach Perejaslawl; Jaroslaw rüstete gleichfalls ein Heer aus und zog ihm entgegen. Als er bis an die Alta vorgerückt war, fing sich beym Anbruche des Tages eine Schlacht an, die sich des Abends mit Jaroslaws Siege endigte. Swätopolk sezte über den Dnieper und wollte nach Böhmen flüchten, er kam auf seiner Flucht in klein Polen nach Brzecz zu Boleslaws Stathalter, und wollte sich von da zum Könige nach Gnesen verfügen, um von ihm Hülfe zu erbitten, ward aber auf dem Wege krank und starb im 39sten Jahre seines Alters.

 

Er hatte vier Jahre regiert.

 

Seine Gemahlin war eine Tochter des Königes Boleslaw von Polen.

 

Geschlechts-Register Swätopolks I.

 

Jaropolk. I. Großfürst des südlichen Rußlands von 972 bis 980.

oo Dessen Gemahlin Predslawa eine Griechin von welcher

 

► Swätopolk I. Fürst zu Turow von 988 bis 1015, hierauf Großfürst des südlichen Rußlands von 1015 bis 102o. Er war mit einer Tochter des Königs Boleslaw von Polen vermählt.

 

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Swätopolks Zeitverwandte, vom Jahre 1015 bis 1020 waren:

 

In Griechenland. Kaiser. Basil von 976 bis 1026.

 

In Deutschland. Kaiser. Heinrich II. von 1002 bis 1024.

 

In Polen. König. Boleslaw I. der tapfere von 999 bis 1025.

 

In Böhmen. Fürst. Udalrik von 1012 bis 1037.

 

In Sachsen. Fürst. Bernhard II. von 1010 bis 1062.

 

In der Pfalz. Fürst. Eson von 993 bis 1035.

 

In Brandenburg. Fürsten. Bernhard I. von 1010 bis 1018. Bernhard II. von 1018 bis 1046.

 

In Baiern. Fürst. Heinrich IV. oder Eselon, von 1005 bis 1027.

 

 

In Braunschweig. Fürst. Ludolf von 1006 bis 1038.

 

In Bolgarien. Zar. Wladislaw von 1015 bis 1018.

 

In Dänemark. König. Kanut II. von 1015 bis 1036.

 

In Arabien. Kalif. Kader XLIV Kalif von 991 bis 1031.

 

In Egypten. Kalif. Hakem Wanrilla von 996 bis 1021.

 

In Frankreich. König. Robert von 996 bis 1031.

 

 

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In England. Könige. Etelred II. von 1015 bis 1016. Edmond II. von 1016 bis 1017. Kanut von 1017 bis 1036.

 

In Spanien. König. Alphons V. von 999 bis 1027.

 

Patriarchen zu Konstantinopel. Sergius von 999 bis 1019. Eustathius von 1019 bis - 1025.

 

Römischer Pabst. Benedikt VIII. von 1012 bis 1024.

 

Patriarch zu Alexandrien. Zacharias von 1005 bis 1032.

 

Patriarch zu Jerusalem. Arsenius von 1012 bis 1023.

 

Patriarchen zu Antiochien. Elias von ___ bis ___. Theodor von ___ bis 1051.

 

Mitropolit zu Kiew. Leontii von 992 bis 1035.

 

In Rußland. Abgetheilte Fürsten.

 

In Nowgorod. Jaroslaw Wladimirowitsch von 1010 bis 1025.

 

In Polozk. Brätschislaw Isäslawitsch von 1001 bis ___.

 

In Rostow. Boris Wladimirowitsch von 1010 bis 1015.

 

In Wladimir in Wolhinien. Wsewolod Wladimirowitsch von 988 bis ___.

 

In Tschernigow. Wetscheslaw Wladimirowitsch von 988 bis ___.

 

Bey den Drewiern. Swätoslaw Wladimirowitsch von 988 bis 1015.

 

 

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In Tmutarakan. Mstislaw Wladimirowitsch von 988 bis 1034.

In Smolensk. Stanislaw Wladimirowitsch von 988 bis ___.

 

In Murom. Gleb Wladimirowitsch von 1010 bis 1015.

 

In Pskow. Sudislaw Olgowitsch von 988 bis 1036.

 

In Berestow. Podswisd Olgowitsch von 988 bis ___.

 

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28.

Großfürst Jaroslaw I. in der heiligen Taufe Georg genannt.

Nach dem Tode des Großfürsten Swätopolk Jaropolkowitsch, im Jahre 1020, folgte ihm sein Vetter Großfürst Jaroslaw Wladimirowitsch in der Alleinherrschaft über das nördliche und südliche Rußland.

 

Abgetheilte Fürstenthümer besaßen

1) Fürst Brätschislaw Isäslawitsch, des Fürsten Isäslaw Wladimirowitsch Sohn, Polozk.

2) Fürst Wsewolod Wladimirowitsch, Wladimir in Wolhinien.

3) Fürst Wetscheslaw Wladimirowitsch, Tschernigow.

4) Fürst Mstislaw Wladimirowitsch, Tmutarakan (sonst Räsan).

5) Fürst Stanislaw Wladimirowitsch, Smolensk.

6) Fürst Sudislaw Olgowitsch, Pskow.

 

Die Geschichtschreiber erzehlen daß der Großfürst Jaroslaw I. eben so thätig in der Regierung des Reichs als tapfer gewesen, daß er die erfochtenen Siege zu nutzen gewußt, und Verdienste freygebig belohnt habe.

 

Jaroslaw kam nach seinem Siege über Swätopolk Jaropolkowitsch (im Jahre 1020) mit seinem ganzen Heere nach Kiew.

 

Dritter Band 1783.

 

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Hieselbst theilte er seinen Truppen Belohnungen aus, nemlich: den Oberbefehlshabern jedem funfzig Griwen, den übrigen nach Verhältniß, und den gemeinen Soldaten jedem eine Griwna.

 

Jaroslaw beschenkte die Nowgoroder, ließ sie nach Hause ziehen, und belohnte sie überdem mit einem erneuerten Gerichts-Briefe, nach welchem Gericht gehalten werden sollte. Dieser Brief welcher Geseze enthielt, war damals von Jaroslaw blos erneuert und vermehrt worden, denn die nowgorodschen Geseze sind sehr alt.

 

In eben diesem Jahre ward Jaroslawen (von seiner Gemahlin der königlich schwedischen Prinzeßin Ingegerd) ein Sohn gebohren, den er Wladimir nannte.

 

Um eben diese Zeit entstanden in Nowgorod gesezwidrige Unruhen; Jaroslaw dämpfte dieselben, und verwies den widerspänstigen nowgorodschen Poßadnik Konstantin nach Murom.

 

Im J. 1021 erfuhr Fürst Brätschislaw Isäslawitsch von Polozk (Wladimirs des ersten Enkel) daß der Großfürst Jaroslaw mit seinen Kriegsvölkern in Kiew sey; er versammelte ein Heer, kam mit selbigem nach Nowgorod und zog in die Stadt ein. Ein Theil der Nowgoroder hatte sich vorher mit Brätschislaw in Unterhandlung eingelassen, und ihm die Eroberung der Stadt als sehr leicht vorgestellt, ein anderer Theil der Nowgoroder aber, unter welchen viele ansehnliche

 

 

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Personen waren, wollten Brätschislaw nicht für ihren Fürsten erkennen, sondern blieben Jaroslaw getreu. Unter dieser Zahl befanden sich auch besonders diejenigen Kriegsleute, welche der Großfürst wohl belohnt nach Hause geschickt hatte.

 

Als Brätschislaw die verschiedenen Gesinnungen der Nowgoroder bemerkte, und zugleich von der Annäherung der in Kiew gewesenen Truppen benachrichtiget wurde, bemächtigte er sich der Personen und des Vermögens vieler übel gesinnten vornehmen Nowgoroder, trat seinen Rückzug nach Polozk an und erreichte den Fluß Sudima, wo er von Jaroslaw, welcher aus Kiew kam, eingehohlt und überwunden ward. Jaroslaw befreiete die gefangenen Nowgoroder und schickte sie in ihre Stadt zurück, er selbst verfügte sich wiederum nach Kiew, Brätschislaw aber entfloh nach Polozk.

 

Im Jahre 1022 unternahm Jaroslaw einen Feldzug gegen Brest (in Polen). Um eben diese Zeit zog Fürst Mstislaw von Tmutarakan gegen die Koßogen. Als der koßogische Fürst Rededä hievon Nachricht erhielt, rückte er Mstislawen mit einem großen Heere entgegen.

 

Hierauf schickte Rededä zu Mstislaw und ließ ihn zu einem Zweykampf im Ringen auffodern. Die Geschichtschreiber erzehlen, daß Mstislaw, der kein leichtsinniger Mann gewesen, sich bis zum folgenden Morgen Bedenkzeit genommen,

 

 

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und alsdann seine Antwort zu schicken versprochen habe. Mstislaw wußte daß Rededä sehr stark war, verließ sich aber dabey auf seine eigene Geschicklichkeit und Stärke, weil ihn von Jugend an niemand im Ringen überwunden hatte. Er ließ also des Morgens frühe Rededä sagen, daß er an dem bestimmten Ort erscheinen möchte, und begab sich selbst unbewafnet dahin, worauf beyde aus allen Kräften rangen, bis Rededä, ungeachtet seiner Größe und Stärke von Mstislawen zu Boden geworfen und überwunden ward. Nach diesem zog Mstislaw in Rededäns Land, und legte den Koßogen eine Schazung auf, worauf er nach Tmutarakan zurück kehrte, und eine der heiligen Mutter Gottes geweihete Kirche bauete.

 

Im Jahre 1023 schickte Fürst Mstislaw von Tmutarakan, nachdem er die Koßogen unter seine Oberherrschaft gebracht hatte, zu dem Großfürsten Jaroslaw und bat ihn um eine Vergrößerung seines Landes aus den Besitzungen seiner verstorbenen Brüder. (Diese verstorbene Brüder waren Wetscheslaw, Swätoslaw, Boris, Gleb und Podswisd). Der Großfürst gab ihm zwar Murom, Mstislaw aber war damit nicht zufrieden sondern verlangte ein mehreres; da er dieses nicht erlangte hielt er seine eigene Truppen wie auch die Kosaren und Koßogen in Bereitschaft und wartete auf gelegene Zeit.

 

Im Jahre 1024 reisete der Großfürst Jaroslaw

 

 

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nach Nowgorod, ohne einen Angrif von Seiten des Fürsten Mstislaw zu befürchten.

 

Indessen kam Fürst Mstislaw von Tmutarakan nach Kiew, die Kiewer aber nahmen ihn nicht an, worauf er sich der Stadt Tschernigow bemächtigte.

 

Um diese Zeit war eine große Hungersnoth im susdalschen Gebiet und es gingen viele Leute die Wolga herab zu den Bolgaren, wo sie so viel Getreide aufkauften, daß sie ihr ganzes Land damit versorgen konnten. Die Geschichtschreiber erzehlen, diese Hungersnoth sey durch Lügen- Propheten verursacht worden, welche den Leuten eingebildet hatten, daß in diesem Jahre kein Getreide wachsen würde, daher viele aus Furcht für Mißwachs weder pflügen noch säen wollten, und hiedurch würklich in große Noth geriethen.

 

Als der Großfürst Jaroslaw hörte, daß sein Bruder Fürst Mstislaw von Tmutarakan wider ihn einen Aufstand erregt und Tschernigow eingenommen habe, sandte er nach Warägern, worauf nach den Erzehlungen der Geschichtschreiber der warägische Fürst Jakup, ein Sohn des Königes Olaus von Schweden, des Großfürsten Jaroslaws Schwager und leiblicher Bruder der Großfürstin Ingegerd mit warägischen Truppen zu ihm kam. Dieser Fürst hatte blöde Augen, und trug deswegen einen mit Gold durchwürkten Schirm über den Augen.

 

 

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Der Großfürst Jaroslaw zog mit dem warägischen Fürsten Jakup gegen Mstislaw, Fürst Mstislaw von Tmutarakan ging ihm auf erhaltene Nachricht bis Listwen entgegen, wo beide Fürsten aufeinander trafen und des Abends ihre Völker in Schlachtordnung stellten.

 

Fürst Mstislaw stellte die Sewerier den Warägern entgegen und blieb selbst in der Mit te; die Tmutarakaner und Tschernigower stellte er auf beide Flügel; (zur rechten und zur linken der Sewerier) Es war eine sehr finstre Nacht mit Donner Bliz und Regen.

 

Die Geschichtschreiber erzehlen, daß Fürst Mstislaw eben so viel Tapferkeit als Kriegslist beseßen habe.

 

Als Mstislaw unter seinen Truppen besondere Lust zum Gefechte bemerkte, und die Zeit bequem fand, ließ er sein ganzes Heer gegen Jaroslaw anrücken, welches Jaroslaw von seiner Seite gleichfalls that. Die Waräger thaten den ersten Angrif auf die Sewerier, worauf beyde Flügel ein heftigts Gefecht anfingen, doch konnte lange kein Theil den andern von der Stelle bringen.

 

Als Mstislaw bemerkte daß die Sewerier zu weichen anfingen, nahm er einen Theil seiner Truppen vom Flügel und grif selbst die Waräger mit vieler Tapferkeit an; da diese wichen stieß er auf die Nowgoroder und schlug sie in die Flucht. Da der Großfürst Jaroslaw sahe,

 

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daß seine Truppen das Schlachtfeld verlohren hatten, zog er sich zurück, und kam mit dem warägischen Fürsten Jakup nach Nowgorod.

 

Jaroslaw blieb in Nowgorod, Jakup aber kehrte in sein Land zurück.

 

Mstislaw der das Feld behauptet hatte, sahe beym Anbruche des Tages, daß seine eigenen Truppen wenig gelitten hatten und daß das Treffen nur zwischen den Seweriern und Warägern vorgefallen war, welches ihn sehr vergnügte; da er aber überlegte, daß die Macht des Großfürsten der seinigen weit überlegen sey, fand er ungeachtet der jezt erhaltenen Vortheile für gut, Jaroslawen Friedensvorschläge zu thun, welche der Großfürst annahm und sich mit dem Fürsten Mstislaw von Tmutarakan versöhnte. Der kiewsche Thron blieb dem Großfürsten Jaroslaw als dem ältesten Bruder, Tschernigow aber mit dem ganzen Gebiet bis zum Dnieper ward dem Fürsten Mstislaw abgetreten.

 

In eben diesem Jahre wurde Jaroslawen sein zweiter Sohn gebohren, welcher von ihm Isäslaw in der heiligen Taufe aber Dmitrii genannt wurde.

 

Im Jahre 1026 rüstete der Großfürst Jaroslaw im Frühlinge ein großes Heer aus, und kam nach Kiew, wo er den mit seinem Bruder Fürsten Mstislaw Wladimirowitsch geschlossenen Frieden bestätigte. Beide Brüder kamen bey Gorodez zusammen und theilten Rußland bis

 

 

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zum Dnieper, so daß Jaroslaw den westlichen Mstislaw aber den östlichen Theil erhielt. Von dieser Zeit an lebten beide Fürsten in brüderlicher Liebe und Eintracht, der innere Streit und Aufruhr legte sich und ganz Rußland genoß einer vollkommenen Ruhe.

 

Im Jahre 1027 wurde Jaroslawen sein dritter Sohn gebohren, welchen er Swätoslaw nannte.

 

Im Jahre 1028 zeigte sich am Himmel ein Komet, welcher vier Monate lang zu sehen war.

 

Im Jahre 1029 zog Jaroslaw gegen die Jaßen, machte viele Gefangene, und versezte selbige nach Rußland.

 

Im Jahre 1030 zog Jaroslaw gegen die Polen, besiegte sie, und nahm Boleslaws Sohne (Mstislaw II. von Polen) Belsh und andere Städte, welche dessen Vater erobert hatte; auch brachte er viele polnische Gefangene mit sich, die er in verschiedenen rußischen Städten ansezte.

 

In demselben Jahre ward Jaroslawen sein vierter Sohn gebohren, welchen er Wsewolod nannte.

 

In eben diesem Jahre unternahm der Großfürst im Sommer einen Feldzug nach Liefland, um die Aufrührer und Widerspenstigen zum Gehorsam zu bringen. Er bestrafte sie und legte eine Stadt an (Dörpt) die er nach seinem Namen Juriew Liwonskii nannte, und wohin nach seinem Befehle, ganz Ehstland und

 

 

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Liefland den Tribut abliefern sollten: denn diese beide Fürstenthümer standen damals unter seiner Oberherrschaft und die Grenze seines Reichs erstreckte sich bis Memel.

 

Im Jahre 1031 versammelte Jaroslaw seine Truppen, zog die Hülfsvölker seines Bruders Mstislaw an sich, und unternahm einen neuen Feldzug gegen Polen, in welchem er die übrigen tscherwenischen Städte wieder unter seine Herrschaft brachte; hierauf sezte er den Krieg in Polen fort und brachte viele gefangene Polen mit sich, die er an den Fluß Rßi und um die Stadt Tschernigow ansezte.

 

Im Jahre 1032 erbauete Jaroslaw verschiedene Städte an dem Fluße Rßi und jenseit des Dniepers.

 

In demselben Jahre ward Jaroslawen eine Tochter gebohren, die er Elisabeth nannte.

 

In eben diesem Jahre unternahmen die Nowgoroder unter ihrem Feldherrn Uleb einen Feldzug nach den sibirischen Gebürgen, welche auf rußisch Pojas kamenoi und Welikii Kamen, auf tatarisch aber Ural genannt werden, (die Griechen und Römer nannten sie Riphäen). Die Nowgoroder wurden damals von den Jugern zurückgeschlagen.

 

Im Jahre 1033 starb in Tmutarakan Ewstachii ein Sohn des Fürsten Mstislaw Wladimirowitsch.

 

Im Jahre 1034 ward Fürst Mstislaw von

 

 

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Tmutarakan auf der Jagd krank und starb. Er ward in Tschernigow bey der Heilands-Kirche begraben, die er selbst angelegt hatte, und die bey seinem Leben schon höher aufgebaut war, als ein Reuter auf dem Pferde stehend mit der Hand reichen konnte.

 

Die Geschichtschreiber erzehlen, daß Fürst Mstislaw einen schwerfälligen Körper, röthliche Haare, und eine röthliche Gesichtsfarbe, große Augen und hohe Augenbraunen gehabt, daß er tapfer im Kriege, verständig und gütig gewesen, und daß er seine Diener geliebt und, ihren Verdiensten gemäß, freigebig belohnet habe. Das Fürstenthum Tmutarakan wurde nach seinem Tode von dem Großfürsten Jaroslaw in Besitz genommen.

 

In eben diesem Jahre ward dem Großfürsten Jaroslaw sein fünfter Sohn Wätscheslaw gebohren.

 

Im Jahre 1035 begab sich Jaroslaw nach Nowgorod, und bestellete seinen ältesten Sohn Wladimir zum Regenten dieser Stadt; die Nowgoroder aber baten Jaroslawen, er möchte ihnen einen andern Brief geben, um darnach Gericht zu halten und Steuern zu heben, weil der den er vorher ertheilt hatte, nicht brauchbar wäre. Jaroslaw ließ die ansehnlichsten Leute nach Kiew zusammen berufen, und befahl den Kiewern, Nowgorodern und den Bürgern anderer Städte, Geseze zu entwerfen, welches auch geschah. Hierauf

 

 

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gab ihnen Jaroslaw Briefe wie Gericht zu halten und Steuern zu heben, und gebot daß in allen Städten unverbrüchlich darnach verfahren werden sollte.

 

Im Jahre 1036 ward Jaroslawen sein sechster Sohn gebohren, welchen er Igor nannte.

 

Um diese Zeit war Jaroslaw in Nowgorod, wo er die Nachricht erhielt, daß die Petschenegen Kiew umringt hätten; er versammelte ein Heer von Warägern, Slawen und Russen, ging ungesäumt den Dnieper herab und zog in Kiew ein, die Reuterey aber, welche um eben die Zeit in dieser Gegend ankam, führte er in der Nacht über den Fluß in die Stadt. Hierauf ließ er die Truppen des Morgens vor die Stadt ins Feld rücken und stellete sie in Schlachtordnung, so daß die Waräger in der Mitte, die Kiewer auf dem rechten und die Nowgoroder auf dem linken Flügel zu stehen kamen. Die Petschenegen griffen hierauf das rußische Heer an und es kam zu einem Treffen, welches sich des Abends mit der Niederlage der Petschenegen endigte. Es kamen viele Petschenegen auf der Flucht in der Sutena, Setomla und in andern Flüssen um, auch verlohren sie ihr ganzes Gepäcke, welches Jaroslaws Truppen zur Beute ward.

 

Nach diesem befahl Jaroslaw seinen Truppen die Stadt Kiew mit einer Mauer zu befestigen.

 

In eben diesem Jahre ließ Jaroslaw seinen Vetter Fürsten Sudislaw von Pskow, welcher durch seine Feinde bey ihm verleumdet war, zu Pskow ins Gefängnis sezen.

 

 

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Im Jahre 1037 vollendete Jaroslaw die Festungswerke der Stadt Kiew, und ließ die Kirche der heiligen Sophia, welche die Großfürstin Olga angelegt hatte, von neuem ausbauen, auch bauete er das Kloster des heiligen Georgs welches nach seinem Namen, und das Kloster der heiligen Irina welches nach dem Namen seiner Gemahlin benannt wurde. Die christliche Religion fing an sich auszubreiten und blühender zu werden, denn Jaroslaw liebte die Kirchengeseze, fand seine Lust an Büchern und las oft ganze Tage und Nächte durch; er versammelte viele Schreiber, welche Bücher aus dem griechischen ins slawische übersezten und befahl viele Bücher zum Unterricht des Volks zu verfertigen, die er vielfältig abschreiben und zu Kiew in der Kirche der heiligen Sophia niederlegen ließ. Er baute viele Kirchen in Städten und Flecken, bestimmte den Geistlichen ihren Gehalt, und gab ihnen Vorschriften, wie sie das Volk in dem Geseze Gottes unterrichten sollten.

 

(Die Geschichtschreiber sagen, daß die Wissenschaften in Rußland bis zur Ankunft der Tatarn sich sehr ausgebreitet haben, aber durch die Ankunft der Tatarn wider verlohren gegangen sind.)

 

Im Jahre 1038 zog Jaroslaw gegen die Jatwägen und überwand sie, konnte sich aber ihrer Städte nicht bemächtigen, weil er keine Leute verliehren wollte, er kehrte also mit vielem Vieh und anderer Beute nach Rußland zurück.

 

In eben diesem Jahre ward dem Großfürsten

 

 

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Jaroslaw ein Enkel und dem Fürsten Wladimir Jaroslawitsch ein Sohn gebohren, welcher Rostislaw, in der heiligen Taufe aber Michael genannt ward.

 

Im Jahre 1040 zog Jaroslaw gegen die Litauer, unterwarf sie seiner Oberherrschaft, legte ihnen eine Schazung auf, und kehrte nach Rußland zurück.

 

Im Jahre 1041 zog Jaroslaw in Kähnen auf dem Fluse Bug gegen die Masuren (welche damals Polen den Gehorsam aufgekündigt hatten) und brachte viele Gefangene mit sich zurück, die er in die rußischen Städte verpflanzte.

 

In eben diesem Jahre schloß König Kasimir der erste, nachdem er sich zum Könige in Polen hatte krönen lassen, Frieden mit dem Großfürsten Jaroslaw, und vermählte sich zur bessern Befestigung der Freundschaft mit Jaroslaws Schwester Maria, einer Tochter Wladimirs des ersten und der griechisch kaiserlichen Prinzeßin Anna, welche ihren Gemahl viel Gold und Perlen zu brachte. Kasimir trat Jaroslawen die von Boleslaw in Rußland eroberten Städte ab und gab ihm gegen acht hundert Gefangene zurück, Jaroslaw aber verband sich, Kasimirn gegen die Deutschen, Masuren, Böhmen und Preußen Hülfe zu leisten.

 

Im Jahre 1042 zog Fürst Wladimir Jaroslawitsch aus Nowogrod gegen die Jemen oder Jamen (ein Volk welches auf der Nordseite des Ladoga-Sees von Karelien bis an die Dwina wohnete

 

 

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und von den nördlichen Schriftstellern Biarmier genannt wird) und besiegte sie; es kam aber eine Seuche unter die Pferde seines Kriegsheeres, so daß wenige zurück gebracht wurden.

 

Im Jahre 1043 sandte der Großfürst Jaroslaw im Frühlinge seinen Sohn Wladimir Jaroslawitsch mit einem großen Heere, unter Anführung des Feldherrn Wüschata Janews Vater, gegen die Griechen, weil man einen rußischen Gesandten von vornehmen Geschlecht auf einem öffentlichen Platz in Konstantinopol umgebracht hatte.

 

Fürst Wladimir reisete in Kähnen ab.

 

Die Geschichtschreiber erzehlen, der griechische Kaiser habe damals dem Fürsten Wladimir Friedensvorschläge thun lassen, Wladimir aber habe drey Gold-Griwen auf jeden Mann gefordert, wozu sich die Griechen nicht hätten verstehen wollen.

 

Als Wladimir zur Mündung der Donau kam, und die bey ihm befindliche Feldherren erfahren hatten, daß die Griechen mit vielen Schiffen gegen sie in See gegangen wären, riethen sie ihrem Fürsten die Truppen ans Land zu sezen und den Krieg zu Lande zu führen, die Kähne aber an einem festen Orte aufzubehalten, die Waräger aber (welche an Unternehmungen zur See gewohnt waren) riethen ihm, zur See nach Konstantinopel zu gehen. Fürst Wladimir folgte den Rath der Waräger und zog in Kähnen gegen Konstantinopel. Er begegnete bald den griechischen schiffen und es schickte sich alles zur Schlacht an, als ein großer sturm entstand,

 

 

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welcher viele rußische Kähne und selbst das Schiff auf welchem sich Fürst Wladimir Jaroslawitsch befand, zu Grunde richtete, so daß Wladimir kaum von Jaroslaws Feldherrn Iwan Wtorimitsch aus dem Wasser gerettet und aufs Schiff genommen werden konnte. Die übrigen bey Wladimir befindlichen Truppen waren, sechs tausend Mann stark, ans Land gestiegen, standen zum Theil ohne Kleider am Ufer und wollten nicht mit ihrem Fürsten ziehen, sondern nach Rußland zurückkehren, weil wenige Schiffe übrig geblieben waren. Der Feldherr Wüschata sprach hierauf zu Wladimir: „ich gehe nicht mit euch, sondern mit dem Heere, es sey zum leben oder sterben, er stieg hiebey aus dem Schiffe, blieb bey dem Heere und wollte nach Rußland zurückkehren. Unterdessen hatten die Griechen erfahren, das die rußischen Fahrzeuge durch Sturm zu Grunde gerichtet und ans Ufer geworfen wären, und schickten vierzehn Fahrzeuge gegen Wladimir aus.

 

Als Fürst Wladimir sich von den Griechen verfolgt sahe, grif er sie ungeachtet der geringen Anzahl seiner auf den Fahrzeugen befindlichen Truppen mit solcher Tapferkeit an, daß er alle ihre Fahrzeuge zerstreute und zu Grunde richtete, daß aber indessen seine eigene Fahrzeuge sehr beschädiget waren und seine Leute sich sehr vermindert hatten, so blieb ihm nichts andero übrig, als nach Rußland zurück zu kehren, welches er auch that.

 

 

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Der Feldherr Wüschata ward nebst den ans Ufer geworfenen Leuten, von den Griechen gefangen genommen und nach Konstantinopel geführt.

 

Nach drey Jahren schloß Jaroslaw Frieden mit den Griechen und vermählte seinen Sohn Fürsten Wsewolod Jaroslawitsch mit der Prinzeßin Tochter des Kaisers Konstantin Monomach; bey dieser Gelegenheit wurde Wüschata nebst den bey ihm befindlichen Leuten zu Jaroslaw nach Rußland zurück geschickt.

 

Im Jahre 1044 starb Fürst Brätscheslaw von Polozk Isäslaws Sohn und Enkel Wladimirs des ersten. Ihm folgte sein Sohn Wseslaw von welchem die Schriftsteller erwehnen, daß er ein harter Fürst gewesen.

 

In eben diesem Jahre unternahm der Großfürst Jaroslaw Wladimirowitsch einen Feldzug ge gen Litauen und kehrte siegreich zurück.

 

Im Frühlinge dieses Jahres legte Jaroslaw die Stadt Nowgorod (Sewerskoi) an, welche in demselben Jahre völlig zu Stande gebracht ward.

 

Im Jahre 1045 legte Fürst Wladimir Jaroslawitsch die Kirche der heiligen Sophia in Groß-Nowgorod an.

 

Im Jahre 1047 unternahm der Großfürst Jaroslaw auf Bitte seines Eidams des Königes Kasimir von Polen einen Feldzug gegen die Masuren, die er besiegte und nebst ihrem Lande dem König Kasimir unterwarf.

 

Im Jahre 1050 den 10ten Februar starb Jaroslaws Gemahlin Ingegerd.

 

 

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Im Jahr 1051 ward dem Fürsten Isäslaw Jaroslawitsch sein zweiter Sohn gebohren, welcher Swätopolk, in der heiligen Taufe aber Michail genannt wurde.

 

Da um diese Zeit der rußische Mitropolit verstorben war, wollte der Großfürst Jaroslaw, der damals mit den Griechen in keinem guten Vernehmen stand, nicht ferner zugeben, daß der konstantinopolitanische Patriarch in Rußland Befehle ertheile und den Reichthum des Landes an sich ziehe; er befahl also daß die rußischen Bischöfe sich versammeln und nach den Vorschriften der heiligen Apostel einen Mitropoliten wählen und einsezen sollten. Die Bischöfe versammelten sich, und verordneten einen Russen Namens Ilarion zum Mitropoliten, denn bisher waren ausser Michael alle Mitropoliten Griechen oder Bolgaren gewesen.

 

In diesem Jahre kam Antonius von den heiligen Bergen (Athos) und fing an in einer Höhle zu leben, welche der auf Jaroslaws Befehl neu erwählte Mitropolit Ilarion in einem Walde beym Dnieper nicht weit von Kiew ausgraben ließ; dieses war der Anfang des petscherischen Klosters in Kiew.

 

Um diese Zeit kam ein vornehmer Mann Namens Schimon oder Simon Afrikanowitsch (welcher ein Neffe des warägischen Fürsten Jakup gewesen seyn soll) mit seinem Sohne Georg aus den Landen der Waräger nach Rußland und hatte großen Antheil an dem Bau der petscherischen Kirche, wo er

 

Dritter Band 1783.

 

 

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auch begraben ist. Von diesem stammen die adelichen Geschlechter Woronzow, Weljaminow, Istlenjew und Solowzow.

 

Im Jahre 1052 den 4ten October starb in Nowgorod Fürst Wladimir, der älteste Sohn des Großfürsten Jaroslaw, und ward in der Kirche der heiligen Sophia die er selbst erbaut hatte begraben.

 

Ihm folgte in Nowgorod und Rostow sein Sohn Rostislaw.

 

Im Jahre 1053 wurde dem Fürsten Wsewolod, Jaroslaws viertem Sohne, von der griechisch kaiserlichen Prinzeßin ein Sohn gebohren, welcher Wladimir genannt wurde.

 

Im Jahre 1054 wurde der Großfürst Jaroslaw auf einer Reise nach Wüschegorod krank, worauf er seine Söhne zusammen berufen ließ und zu ihnen sprach: „meine Söhne! ich gebe euch ein Gebot, liebet einer den andern, weil ihr Brüder und Kinder eines Vaters und einer Mutter seyd: lebet untereinander in Liebe und Eintracht, unterwerft euch eure Widersacher und bringt euer Leben in Ruhe und Vergnügen zu, denn es ist gut und schön, wenn Brüder in Liebe und Eintracht leben. Wenn ihr aber in Neid, Streit und Feindschaft leben werdet, so werdet ihr selbst umkommen und das Land eures Vaters und eurer Voreltern, die es mit großer Mühe erworben haben, zu Grunde richten.“ Nachdem der Großfürst Jaroslaw dieses gesagt hatte, übergab er den kiewschen Thron mit allen dazu gehörigen Ländern seinem Sohne den

 

 

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Fürsten Isäslaw, und befahl seinen übrigen Söhnen Isäslawen zu gehorchen so wie sie ihm selbst gehorcht hatten, wobey er ihnen die Worte des Herrn wiederholte: wenn ein Reich uneins wird so kann es nicht bestehen. Isäslawen aber befahl er ein Vater aller seiner Brüder zu seyn.

 

Dem Fürsten Swätoslaw gab er Tschernigow und Tmutarakan.

Dem Fürsten Wsewolod, Perejaslawl.

Dem Fürsten Wetscheslaw, Smolensk.

Dem Fürsten Igor, Wladimir in Wolhinien,

Hiebey verbot er allen seinen Söhnen, daß niemand des andern Grenzen schmälern noch seinem Bruder aus seinem Erbtheil vertreiben sollte.

 

Nach diesem starb der Großfürst Jaroslaw Wladimirowitsch am 20sten Februar 1054 im 76sten Jahre seines Alters.

 

Er war im Jahre 978 gebohren. Er wurde in der Kirche der heiligen Sophia in Kiew begraben.

 

Er hatte 35 Jahre regiert.

 

Seine Gemahlin war Ingegerd eine Tochter des Königs Olaus von Schweden. Die Geschichtschreiber erzehlen, das die Prinzeßin Ingegerd in Rußland Irina genannt worden, und daß sie Ingermanland nebst dem schloß Aldeigoborg beseßen, nach ihrer Vermählung aber mit dem Großfürsten Jaroslaw, so wohl Ingermanland als gedachtes Schloß ihrem Verwandten Ragnuald abgetreten habe.

 

 

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Der Großfürst Jaroslaw hatte von der Großfürstin Ingegerd oder Irina folgende Kinder, nemlich:

 

1) Fürst Wladimir Jaroslawitsch gebohren im Jahre 1020. Er starb vor seinem Vater im Jahre 1052 im zwey und dreysigsten Jahre seines Alters, seine Gemahlin war eine Tochter der Königes Harald des zweyten von England, von welcher ihm in Jahre 1038 ein Sohn Namens Rostislaw gebohren ward.

 

2) Fürst Isäslaw Jaroslawitsch, gebohren im Jahre 1024.

 

3) Fürst Swätoslaw Jaroslawitsch, gebohren im Jahre 1027.

 

4) Fürst Wsewolod Jaroslawitsch gebohren im Jahre 1030, vermählt mit einer griechisch kaiserlichen Prinzeßin, von welcher ihm im Jahre 1053 ein Sohn Namens Wladimir gebohren ward.

 

5) Fürst Wetscheslaw Jaroslawitsch gebohren im Jahre 1034.

 

6) Fürst Igor Jaroslawitsch, gebohren im Jahre 1036.

 

7) Die Prinzeßin Elisabeth Jaroslawna, gebohren im Jahre 1032, vermählt mit dem Könige Harald von Norwegen. Die Geschichtschreiber erzehlen, König Harald von Norwegen sey bey dem Großfürsten Jaroslaw gewesen, und habe sich mit dessen Tochter der Prinzeßin Elisabeth vereheligt; er sey im Winter aus Cholmogard abgereiset, und im Frühlinge in Aldeigoburg angekommen, von da

 

 

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er gleichfalls im Frühlinge auf Fahrzeugen abgesegelt sey.

 

8) Die Prinzeßin Anna Jaroslawna, vermählt mit dem Könige von Frankreich Heinrich dem ersten. Nach dieser Prinzeßin kam im Jahre 1051 ein Bischof von Meaux als Gesandter, mit welchen sie nach Frankreich abreisete.

 

9) Die Prinzeßin Nastasia Jaroslawna, vermählt mit dem Könige von Ungarn Andreas. sie ward in Ungarn Agmunde genannt.

 

 

Geschlechts-Register Jaroslaws I.

► Wladimir I. Fürst von Nowgorod von 970 bis 980, hierauf Großfürst von ganz Rußland von 980 bis 1015, hatte von seiner zweiten Gemahlin der Prinzeßin von Polozk Rogneda oder Gorislawa einen Sohn Jaroslaw, welcher anfangs Fürst zu Nowgorod, darauf vom Jahre 1020 bis 1054 Großfürst des nördlichen und südlichen Rußlands war.

oo Dessen Gemahlin war Ingegerd, eine Tochter des Königes Olaus von Schweden.

 

Aus dieser Ehe entsprossen:

1) Fürst Wladimir

2) Fürst Isäslaw

3) Fürst Swätoslaw.

4) Fürst Wsewolod

5) Fürst Wätscheslaw

6) Fürst Igor

7) Die Prinzeßin Elisabeth, Gemahlin des Königes Harald von Norwegen.

8) Die Prinzeßin Anna, Gemahlin Königs Heinrich I. von Frankreich.

9) Die Prinzeßin Nastasia, Gemahlin des Königes Andreas von Ungarn.

 

 

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Jaroslaws Zeitverwandte, vom Jahre 1020 bis 1054 waren:

 

In Griechenland. Kaiser. Basil von 976 bis 1026. Konstantin von 1026 bis 1028. Roman IlI. von 1028 bis 1034. Michael IV. von 1034 bis 1041. Michael V. von 1041 bis - 1042. Die Kaiserin Zöe von 1042 bis 1050. Konstantin IX. von 1050 bis 1054.

 

In Deutschland. Kaiser. Heinrich II. von 1002 bis 1024. Konrad II. von 1024 bis 1039. Heinrich III. von 1039 bis 1056.

 

In Polen. Könige. Boleslaw I. von 999 bis 1025. Mstislaw II. von 1025 bis 1034. Ein Zwischenreich von 1034 bis 1041. Kasimir l. von 1041 bis 1058.

 

In Böhmen. Fürsten. Udalrik von 1012 bis 1037. Bretscheslaw I. von 1037 bis 1055.

 

In Sachsen. Fürst. Bernhard II. von 1010 bis 1062.

 

In der Pfalz. Fürsten. Eson von 993 bis 1035. Otto von 1035 bis 1045. Heinrich von 1045 bis 1056.

 

In Brandenburg. Fürsten. Bernhard II. von 1018 bis 1046. Wilhelm von 1046 bis 1056.

 

In Baiern. Fürsten. Heinrich IV. von 1005 bis 1027. Heinrich V. von 1027 bis 1043

 

 

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Heinrich VI. von 1043 bis 1049. Konrad I. vob 1049 bis 1053. Konrad II. von 1053 bis 1056.

 

In Braunschweig. Fürsten. Ludolf von 1006 bis 1038. Bruno III. von 1038 bis 1057.

 

In Bolgarien. König. Johann von 1015 bis 1018.

 

In Ungarn. Könige. Stephan I. von 997 bis 1038. Peter von 1038 bis 1041. Awa oder Owon von 1041 bis 1044. Peter von 1044 bis 1047. Andreas von 1047 bis 1061.

 

In Dänemark. Könige. Kanut II. von 1015 bis 1036. Kanut III. von 1036 bis 1042. Magnus von 1042 bis 1048. Sweno II. von 1048 bis 1074.

 

In Arabien. Kader XLIV Kalif von 991 bis 1031. Kaem Wamrilla XLV Kalif von 1031 bis 1075.

 

In Egypten. Kalifen. Hakem Wamrilla von 996 bis 1021. Dager von 1021 bis 1036. Awu Tamin Mostanser von 1036 bis 1094.

 

In Frankreich. Könige. Robert von 996 bis 1031. Heinrich I. von 1031 bis 1060.

 

In England. Könige. Kanut von 1017 bis 1036. Harald I. von 1036 bis 1040. Kanut II. von 1040 bis 1042. Eduard III. von 1042 bis 1066.

 

In Spanien. Könige. Alphons V. von 999 bis 1027.

 

 

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Bermud III. von 1027 bis 1037. Ferdinand I. von 1037 bis 1065.

 

In Toskana. Groß-Herzoge. Raginaur von 1014 bis 1027. Bonifacius II. von 1027 bis 1052. Fridrich von 1052 bis 1055.

 

Patriarchen zu Konstantinopel. Eustaphius von 1019 bis 1025. Alexis von 1025 bis 1043. Michael von 1043 bis 1059.

 

Römische Päbste. Benedikt VIII. von 1012 bis 1024. Johann XIX. von 1024 bis 1033. Benedikt IX. von 1033 bis 1044. Gregorius VI. von 1044 bis 1046. Klemens II. von 1046 bis 1048. Damas II. von 1048 bis 1048. Leo IX. von 1048 bis 1055.

 

Patriarchen zu Alexandrien. Zacharias von 1005 bis 1032. Sanut von 1032 bis 1047. Christodul von 1047 bis 1078.

 

Patriarchen zu Jerusalem. Arsenius von 1012 bis 1023. Jordan von 1023 bis ___. Nicephor von ___ bis 1059.

 

Patriarchen zu Antiochien. Elias von __ bis __. Theodor von __ bis 1051. Basil von 1051 bis 1052. Peter von 1052 bis ___.

 

Mitropoliten zu Kiew. Leontii von 992 bis 1035. Jona von 1035 bis 1037. Theopert von 1037 bis 1039. Kirill von 1039 bis 1051. Ilarion von 1051 bis 1071.

 

In Rußland. Abgetheilte Fürsten.

 

In Polozk. Brätschislaw Isäslawitsch von 1001 bis 1041. Wseslaw Brätschislawitsch von 1041 bis ___.

 

 

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In Wladimir in Wolhinien. Wsewolod Wladimirowitsch von 988 bis ___. Igor Jaroslawitsch von 1054 bis ___.

 

In Tschernigow. Wetscheslaw von Wladimirowitsch 988 bis ___. Mstislaw Wladimirowitsch von 1026 bis 1034. Swätoslaw Jaroslawitsch von 1034 bis___.

 

In Tmutarakan. Mstislaw Wladimirowitsch von 988 bis 1034.

 

In Smolensk. Stanislaw Wladimirowitsch von 988 bis ___. Wetscheslaw Jaroslawitsch von 1054 bis 1056.

 

In Pskow. Sudislaw Olgowitsch von 988 bis 1036.

 

In Murom. Mstislaw Wladimirowitsch von 1023 bis 1034.

 

In Nowgorod. Wladimir Jaroslawitsch von 1035 bis 1052. Rostislaw Wladimirowitsch von 1052 bis ___.

 

In Rostow. Rostislaw Wladimirowitsch von 1052 bis ___.

 

In Perejaslawl. Wsewolod Jaroslawitsch von 1054 bis ___.

 

 

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29.

Großfürst Isäslaw I. in der heil. Taufe Dmitrii genannt.

Nach dem Tode des Großfürsten Jaroslaw Wladimirowitsch, im Jahre 1054, gelangte sein Sohn Isäslaw Jaroslawitsch laut dem lezten Willen seines Vaters zum Besiz des großfürstlichen Thrones von ganz Rußland.

 

Abgetheilte Fürstenthümer besasen

 

1) Fürst Swätoslaw Jaroslawitsch, Tschernigow und Tmutarakan *).

 

2) Fürst Wsewolod Jaroslawitsch, Perejaslawl.

 

3) Fürst Wetscheslaw Jaroslawitsch, Smolensk.

 

4) Fürst Igor Jaroslawitsch, Wladimir in Wohinien.

 

5) Fürst Wseslaw Brätschislawitsch, Polozk.

 

6) Fürst Rostislaw Wladimirowitsch Jaroslaws Enkel, Rostow und Susdal.

 

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*) Die Geschichtschreiber erwehnen, daß von diesem Fürsten Swätoslaw Jaroslawitsch von Tschernigow die räsanischen und muromischen, von den räsanischen Fürsten aber die pronskischen Fürsten abstammten. Auch war er der Anherr der tschernigowischen Fürsten von welchen folgende adeliche Geschlechter abstammen, als Gluchowskoi, Nowosilskoi, Odoewskoi, Belewskoi, Worotünskoi, Oßowizkoi, Swenigorodskoi, Schustow, Swenzow, Nosdrowatoi, Rjumin, Boraschew, Tokmakow, Spätschei, Mesezkoi, Borätinskoi, Chotätowskoi und Odürew.

 

 

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Der Großfürst Isäslaw Jaroslawitsch war schön von Ansehen, groß von Wuchs, aufrichtig und ein Freund der Wahrheit, Arglist und Falschheit war ferne von ihm, er wußte nichts von Rachbegier und rächete sich an niemand.

 

Im Jahre 1055 begab sich der Großfürst Isäslaw nach Nowgorod, wo er einen gewissen Stromil zum Poßadnik (Stathalter) verordnete.

 

In diesem Jahre kamen die Polowzer (sonst auch Petschenegen genannt) unter ihrem Anführer Bljusch vor Perejaslaw, schlossen mit dem Fürsten Wsewolod Jaroslawitsch Frieden, und kehrten in ihr Land zurück.

 

Im Jahre 1056 zog der nowgorodsche Poßadnik Stromil mit einem Heere gegen die Tschuden und eroberte ihre Stadt Osik-Kedishiw d. i. Sonnen-Hand (Was dieses für eine Stadt gewesen sey, ist schwer zu bestimmen. Die rußische Schriftsteller übersezten so wie die griechischen die Namen aller Städte in ihre eigene Sprache).

 

Im Jahre 1057 starb Fürst Wetscheslaw Jaroslawitsch in Smolensk, worauf der Großfürst Jsäslaw der erste, seinen Bruder Igor Jaroslawitsch aus Wladimir in Wolhinien nach Smolensk versezte.

 

Im Jahre 1058 besiegte der Großfürst Isä-slaw die Goläden *).

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*) Was die Goläden für ein Volk gewesen und wo sie gewohnt haben, ist nicht bekannt; einige Schriftsteller erwähnen ihrer als eines in Litauen wohnhaft gewesenen Volks.

 

 

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Im Jahre 1059 befreiete der Großfürst Isäslaw, auf Anrathen seiner Brüder Swätoslaw und Wsewolod, seinen Vetter Sudislaw Olgowitsch von Pskow aus dem Gefängniße in welchem er seit dem Jahre 1035 gesessen hatte. Dieser Fürst der damals schon ein hohes Alter erreicht hatte, ward ein Mönch, und führte in dem petscherischen Kloster zu Kiew ein gottseliges Leben.

 

Im Jahre 1060 starb Fürst Igor Jaroslawitsch in Smolensk.

 

In eben diesem Jahre zog der Großfürst Isäslaw in Begleitung seiner Brüder der Fürsten Swätoslaw und Wsewolod und seines Neffen Fürsten Wseslaw Brätschislawitsch von Polozk, mit einem großen vereinigten Heere zu Pferde und in Kähnen gegen die Torken (welche zwischen dem Dnieper und Bug um die Flüsse Ingul wohneten und sich mit den Polowzern vermischten) *). Als die Torken hievon Nachricht erhielten entflohen sie ins weite Feld, das rußische Heer aber kam in ihre Wohnsitze verfolgte die flüchtigen und machte viele Gefangene, welche der Großfürst in verschiedenen rußischen Städten ansezte.

 

In eben diesem Jahre unternahm Isäslaw einen Feldzug gegen die Sßolen. (Einige Schriftsteller glauben das die Sßolen oder Sußolen an der preußischen und kurländischen Grenze gewohnt haben, und jezt Samogitier oder Shmud genannt werden,

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*) Die Türken nennen den Dnieper Usü.

 

 

 

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welches sie daraus schliessen, weil die Sßolen es für sich bequem fanden einen Angrif auf Pskow zu thun.) Der Großfürst legte dem ganzen Lande der Sßolen eine Schazung von 2000 Griwen auf, welche sie zu bezahlen, versprachen, als aber die rußischen Truppen in ihr Land zurückgezogen waren, erregten die Sßolen einen Aufstand, vertrieben die Steuer-Einnehmer des Großfürsten und thaten im Frühlinge am St. GeorgensTage (den 23sten April) einen Einfall ins pskowische Gebiet. Hierauf zogen die Pleskower und Nowgoroder gegen sie, und lieferten ihnen ein Treffen, in welchem das rußische Heer den sieg erhielt.

 

Im Jahre 1061 hat der polowzische (oder petschenegische) Fürst Sokal einen feindlichen Einfall ins perejaslawische Gebiet, und fing an Dörfer zu verbrennen und die Einwohner gefangen zu nehmen. Füest Wsewolod von Perejaslaw versammelte so viele Truppen als in der Eile möglich war, und zog selbst aus Perejaslaw gegen sie zu Felde, ohne die Hülfstruppen seiner Brüder zu erwarten; es kam am 2ten Februar zu einem Treffen in welchem Wsewolod von der sehr überlegenen Macht der Polowzer überwunden ward. Da die Polowzer hierauf keinen Widerstand fanden, drangen sie tiefer ins Land, wo sie viele Gefangene machten und viel Vieh erbeuteten.

 

Im Jahre 1963 starb Jaroslaws Vetter Fürst Sudislaw Olgowitsch in Kiew, wo er in der Kirche des heil. Georgs feierlich begraben ward.

 

 

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In diesem Jahre floß der Wolchow in Nowgorod fünf Tage lang rückwärts. (Einige Schriftsteller sagen, dieses sey daher entstanden, weil der Fluß oberhalb der Wasserfälle vom Eise verstopft gewesen, und da das Wasser aus dem Ilmen-See stark in den Wolchow strömt, so habe es vor dem Eise im Flusse nicht sogleich durchkommen können, weshalb es sich zurück in den Ilmen-See ergossen. habe; Obgleich nun das Wasser im Ilmen-See wegen der vielen in diesen See fallenden Flüsse etwas höher als gewöhnlich gestanden haben müßte, so möchte doch der Unterschied wegen der Größe des Sees und der Kürze der Zeit nicht sehr merklich gewesen seyn.)

 

Im Jahre 1064 bezeigte sich Fürst Rostislaw Wladimirowitsch, welcher nach seines Vaters (des Fürsten Wladimir Jaroslawitsch) Tode Rostow und Susdal erhalten hatte, nach dem Tode des Fürsten Igor Jaroslawitsch aber von dem Großfürsten Isäslaw nach Wladimir in Wolhinien versezt worden war, mit diesem seinem neuen Besizthum unzufrieden, und wollte zu Rostow und Susdal noch Tmutarakan haben. Er kam nach Tmutarakan, bemächtigte sich desselben und vertrieb den Fürsten Gleb Swätoslawitsch. Fürst Rostislaw hatte bey dieser Gelegenheit zwey Söhne des nowgorodschen Stathalters Stromil Namens Porai und Wüschata bey sich. Als Fürst Swätoslaw Jaroslawitsch von Tmutarakan von diesem Vorfalle Nachricht erhielt, zog er selbst gegen seinen Neffen

 

 

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Rostislaw Wladimirowitsch zu Felde, welcher bey Swätoslaw Annäherung die Stadt Tmutarakan verließ und die Flucht nahm. Swätoslaw kam nach Tmutarakan, sezte seinen Sohn Gleb Swätoslawitsch wiederum in Besitz dieser Stadt und kehrte nach Tschernigow zurück, worauf Fürst Rostislaw wieder vor Tmutarakan erschien und den Fürsten Gleb daraus vertrieb, welcher sich zu seinem Vater nach Tschernigow begab.

 

Um diese Zeit zeigte sich sieben Tage lang ein sehr großer Stern (ein Komet) der einen blutfarbigten Schein hatte, und des Abends gleich nach Sonnen-Untergang aufging.

 

In eben diesem Jahre kam Fürst Sokal mit den Polowzern wieder nach Rußland, und machte viele Gefangene. Hierauf zog der Großfürst Isäslaw selbst gegen ihn zu Felde und lieferte ihm am ersten November beym Fluße Siowsk ein Treffen, in welchem die Polowzer geschlagen, und ihr Fürst Sokal nebst vielen andern Fürsten dieses Volks gefangen genommen wurde.

 

Im Jahr 1065 ließ Fürst Rostislaw Wladimirowitsch, welcher von dem Großfürsten Isäslaw Jaroslawitsch aus Rostow und Susdal nach Wladimir in Wolhinien versezt worden war, und verschiedenene Gegenden um den Dniester und die Donau beherrschte, von den Koßogen und Jaßen (in der Wallachey) und andern Völkern Tribut einnehmen und machte sich auch den Griechen furchtbar.

 

 

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Fürst Rostislaw Wladimirowitsch starb am 3ten Februar dieses Jahres.

 

Die Geschichtschreiber melden, daß Fürst Rostislaw ein tapferer Mann, von mitlerm Wuchs, schön von Ansehen, und gütig gewesen. seine Gemahlin wollte nach seinem Tode sich mit ihren Kindern zu ihrem Vater nach Ungarn begeben; der Großfürst Isäslaw verbot ihr zwar nicht nach Ungarn zu reisen, erlaubte es aber Rostislaws Kindern nicht.

 

In eben diesem Jahre ward die Prinzeßin Wüscheslawa des Fürsten Swätoslaw von Tschernigow Tochter, mit dem Könige von Polen Boleslaw II. vermählt.

 

Im Jahre 1066 fing Fürst Wseslaw Brätschislawitsch von Polozk Krieg an, und bemächtigte sich der Stadt Nowgorod. (Die Geschichtschreiber erwähnen daß die Fürsten von Polozk oft Versuche gegen Nowgorod gemacht, aber selbst den mehresten Schaden davongetragen haben.) Der Großfürst Isäslaw vereinigte sich mit seinen Brüdern den Fürsten Swätoslaw von Tschernigow und Wsewolod von Perejaslaw und alle drey zogen mit ihren vereinigten Truppen in einem sehr strengen Winter gegen Wseslaw zu Felde. Sie bemächtigten sich auf ihrem Wege ohne Widerstand der Stadt Minsk und erreichten am 4ten März die Nemona wo ihnen Fürst Wseslaw von Polozk entgegen kam. Beide Armeen lieferten einander am 10ten März auf der Nemona im tiefen Schnee ein Treffen, Fürst Wseslaw von Polozk wurde geschlagen und flohe

 

 

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nach Polozk; er sahe sich zu fernerm Widerstande unfähig und ließ den Großfürsten um Frieden bitten. Der Großfürst versprach auf diese Bitte sich mit ihm zu versöhnen und ihm alles verlohrne wider zu geben, wenn er selbst zu ihm kommen wollte. Wseslaw kam im Frühlinge zu Wasser auf dem Dnieper nach Orscha, wo sich der Großfürst Isäslaw damals mit seinen Brüdern aufhielt, sobald er aber ins Großfürstliche Zelt eintrat, ward er auf Anrathen des Fürsten Swätoslaw von Tschernigow mit seinen zwey Söhnen festgenommen und nach Kiew gebracht.

 

Im Jahre 1067 kamen die Polowzer (sonst Petschenegen) mit einer großen Macht nach Rußland. Der Großfürst Isäslaw und seine Brüder Swätoslaw von Tschernigow und Wsewolod von Perejaslaw zogen ihnen bis zum Fluse Olta entgegen und griffen sie in einer Nacht mit vereinigten Kräften an, die rußischen Völker wurden aber geschlagen und zerstreuten sich. Der Großfürst kam mit dem Fürsten Wsewolod von Perejaslaw nach Kiew, Swätoslaw aber nach Tschernigow. Unterdessen erregten die kiewschen Truppen, welche von ihrer Flucht in großer Unordnung nach der Stadt gekommen waren, einen Aufstand, schickten nach genommener Verabredung zum Großfürsten und ließen ihm sagen: „die Polowzer haben sich jezt ins Land zerstreut und verwüsten es, wir bitten, laß uns Waffen und Pferde geben, wenn wir diese erhalten,

 

Dritter Band 1783.

 

 

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so wollen wir uns schon wehren.“ Der Großfürst Isäslaw achtete auf ihre Bitte nicht und gab ihnen weder Waffen noch Pferde. Hierauf erregten sie einen neuen Aufstand gegen den Feldherrn Koßnätschka, unter dem Vorwande daß sie durch dessen unordentliche Anführung von den Polowzern überwunden worden wären und daß der Großfürst ihnen auf sein Anrathen keine Waffen und Pferde gebe. Sie gingen in großer Menge auf den Berg zu dem Hause des Feldherrn Kosnätschka, da sie aber diesen nicht fanden blieben sie bey dem Hofe stehen wo Fürst Wseslaw von Polozk mit seinen Söhnen gefangen saß, worauf einige der Anführer den übrigen zuredeten und anriethen, man möchte den Fürsten Wseslaw befreien und als einen erfahrenen Feldherrn gegen die Feinde abfertigen. Jezt theilten sich die Aufrührer in zwey Partheyen, von welchen eine sich nach dem Gefängnise worin sich Fürst Wseslaw von Polozk mit seinen Söhnen befand, die andere aber über die Brükke nach dem Hofe des Großfürsten Isäslaw begab. So bald leztere den Großfürsten, welcher mit seinen Großen im Vorhofe stand, gewahr wurden, warfen sie ihm auf eine schimpfliche Art seine Niderlage gegen die Polowzer und andere Versehen vor, und verlangten daß ihnen der Feldherr Kosnätschka und andre Großen zum Gericht ausgeliefert würden. Um eben diese Zeit erfuhr der Großfürst daß ein Haufen Aufrührer

 

 

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das Gefängnis erbrochen, den Fürsten Wseslaw mit vielem Geschrey und Lärmen befreit habe, und dabey ihn, seine Brüder und seine Großen schmähe. Bey dieser Gelegenheit riethen die getreuen Großen dem Großfürsten Isäslaw sich zu bewaffnen und zu vertheidigen, die Schmeichler und Feigen aber riethen ihm aus Kiew zu entfliehen. Der Großfürst hörte den Rath der Feigen und verlohr selbst den Muth. Er verließ mit seinem Bruder Wsewolod von Perejaslaw die Stadt Kiew, und begab sich nach Polen; das Volk aber welches den Großfürsten fliehen sahe, plünderte sein Haus und alles darinn befindliche Gold, Silber Pelzwerk u. d. gl. Fürst Wseslaw Brätschislawitsch blieb in Kiew und herrschte daselbst. Unterdessen waren die Polowzer, welche durch ihren Sieg aufgemuntert und von dem Aufstande in Kiew benachrichtiget waren, bis Tschernigow, wo sich damals Fürst Swätoslaw befand, vorgedrungen. Swätoslaw brachte einige Truppen zusammen und zog gegen den Fluß Siowsk wider die Feinde. Als die in diesen Gegenden vertheilten Polowzer Swätoslawen mit seinen Truppen gewahr wurden, gaben sie den übrigen Nachricht davon, worauf sich eine große Menge Polowzer zusammen zog, und dem Fürsten Swätoslaw von Tschernigow entgegen ging. Swätoslaw ließ bey dem Anblick der großen Uebermacht des Feindes den Muth nicht sinken sondern stellte seine Truppen in Schlachtordnung

 

 

 

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und ermahnte sie mit folgenden Worten zum tapfern Widerstande: „Es ist besser für uns, hier unsere Tapferkeit zu zeigen und ohne unsers Lebens zu schonen mit Ehren zu sterben, als aus Furcht vor der Menge mit Schande davon zu gehen, und unsre Weiber, Kinder Verwandte und alles was wir besitzen den Feinden Preis zu geben.“ Da nun Swätoslaw hier auf sahe und hörte, wie alle Truppen große Lust zum Gefechte bezeigten, grif er die Polowzer an, und schlug sie in die Flucht, obgleich er nur gegen drey tausend Mann hatte, die Polowzer aber gegen zwölf tausend Mann stark waren. Die Polowzer flohen über den Fluß Siow, wo viele ertranken, andre aber, unter welchen ein vornehmer Fürst war, von den Tschernigowern gefangen wurden. Dieses Treffen geschah am 12ten November, worauf Fürst Swätoslaw siegreich nach Tschernigow zurück kam.

 

Um diese Zeit starb die Gemahlin des Fürsten Wsewolod Jaroslawitsch, eine Tochter des Kaisers Konstantin Monomach.

 

Im Jahre 1068 zog der Großfürst Isäslaw, nachdem er von dem Könige in Polen Boleslaw II. Hülfe erbeten hatte, mit dem Könige und einer polnischen Armee gegen den Fürsten Wseslaw von Polozk, der damals Kiew beherrschte. Fürst Wseslaw zog ihnen auf erhaltene Nachricht mit einer Armee entgegen und sezte sich bey Belograd. Als der Großfürst sich

 

 

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dieser Stadt näherte fingen die Kiewer an zu wanken und geriethen in Angst, Reue und Muthlosigkeit. Fürst Wseslaw, der nun wohl sahe, daß er sich auf die Kiewer nicht verlassen könne, entflohe in der Nacht heimlich aus Belograd nach Polozk. Da die Kiewer am folgenden Morgen erfuhren daß sie vom Fürsten Wseslaw verlassen wären, kehrten sie nach Kiew zurück, hielten einen Rath, schickten zu den Fürsten Swätoslaw von Tschernigow und Wsewolod von Perejaslaw, und ließen sie mit folgenden Worten um ihre Fürsprache bitten. „Wir haben übel gethan und unsern Großfürsten erzürnt, und sind bereit ihn um Verzeihung zu bitten; da er aber Polen mit sich gebracht hat, die uns zu Grunde richten möchten, so bitten wir euch, kommt nach Kiew, in die Stadt eures Vaters, und laßt uns nicht zu Grunde gehen; wenn ihr aber uns nicht helfen wollt, so werden wir gezwungen seyn unsere Stadt anzuzünden, und nach Griechenland zu gehen.“ Fürst Swätoslaw von Tschernigow gab ihnen zur Antwort die Versicherung, daß er und sein Bruder Wsewolod von Perejaslawl ihren Untergang nicht zugeben und für sie beym Großfürsten Fürsprache thun würden, durch welche Versicherung sich die Kiewer beruhigen ließen.

 

Im Jahre 1069 schickten die Fürsten Swätoslaw von Tschernigow und Wsewolod von Perejaslawl würklich Großfürsten Isäslaw

 

 

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und ließen ihm melden, daß die Kiewer ihn um Verzeihung bäten und Wseslaw Kiew verlassen habe, er möchte also keine Polen nach Kiew bringen und selbst ohne Bedenken ankommen, weil sich ihm niemand widersezen werde. Wenn er aber ferner zürnen und die Stadt verheeren wollte, so würden sie gezwungen seyn den Thron und die Stadt ihres Vaters zu vertheidigen. Da nun die Kiewer zugleich ihre ansehnlichsten Leute mitgeschickt hatten um von dem Großfürsten Isäslaw Verzeihung zu erbitten, so entschloß sich der Großfürst die polnischen Truppen zurück zu lassen und begab sich mit dem Könige Boleslaw dem zweyten und einer geringen Anzahl Polen nach Kiew. Die Kiewer empfingen ihn bey seiner Ankunft vor der Stadt mit vielen Ehrenbezeugungen und bereueten ihr begangenes Verbrechen. Isäslaw nahm am 2ten May von seinem Throne wiederum Besitz und vertheilte die Polen zu ihrem Unterhalt in die umliegenden Dörfer. Da aber die Polen viele Gewaltthätigkeiten und Plünderungen verübten, wollten die rußischen Einwohner solches nicht leiden sondern erschlugen einige Polen und kamen mit vielen Beschwerden ein, weshalb König Boleslaw der zweyte von Polen mit seinem ganzen Heere in sein Land zurückzog.

 

In eben diesem Jahre sandte der Großfürst Isäslaw seinen Sohn Mstislaw mit einem Heere nach Polozk, um den Fürsten Wseslaw zu

 

 

 

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vertreiben; Mstislaw erfüllte in kurzem diesem Befehl und sezte sich nach Wseslaws Vertreibung selbst in Besitz des polozkischen Fürstenthums, starb aber bald darauf in Polozk.

 

Als der Großfürst den Tod seines Sohnes Mstislaw erfuhr, schickte er seinen zweyten Sohn Swätopolk an dessen Stelle. Unterdessen wollte sich Fürst Wseslaw, nachdem er Polozk verlassen hatte, der Stadt Nowgorod bemächtigen, Fürst Gleb von Tmutarakan aber, ein Sohn des Fürsten Swätoslaw von Tschernigow, zog die nowgorodschen Truppen zusammen, mit welchen er dem Fürsten Wseslaw eilig entgegen ging und ihn am 23sten Oktober an dem Flusse Wisen überwand.

 

Im Jahre 1070 wurde dem Fürsten Wsewolod von Perejaslaw (von seiner zweiten Gemahlinn Anna) ein Sohn gebohren, welcher Rostislaw genannt wurde.

 

In diesem Jahre ward die Kirche zum heiligen Michael in dem Kloster des heiligen Andreas zu Wüdobush angelegt, welches Kloster nachher das wsewolodsche genannt wurde; (denn Fürst Wsewolod hatte in der heiligen Taufe den Namen Andrei erhalten.)

 

Im Jahre 1071 thaten die Polowzer Einfälle um Rostowez und Snätin (Städte an der Sula oberhalb Ljubna, von Wladimir dem ersten erbauet.)

 

In diesem Jahre kam Fürst Wseslaw

 

 

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unvermuthet vor Polozk, und vertrieb den großfürstlichen Prinzen Swätopolk; bald darauf aber kam Jaropolk, der dritte Sohn des Großfürsten Isäslaw mit einem Heere an, besiegte den Fürsten Wseslaw bey Golätitschesk, und nahm selbst Polozk in Besitz.

 

Um eben diese Zeit kam ein Lügenprophet nach Kiew, welcher den Leuten vorhersagte, daß der Dnieper fünf Jahre lang rückwärts fließen werde, und daß da wo jezt Griechenland, Rußland, und wo jezt Rußland, Griechenland seyn werde, welchen Träumereien viele einfältige Leute unüberlegt Glauben beymasen. Auch in Rostow waren bey einer Hungersnoth dergleichen Lügner, welche von da an der Wolga herumzogen und den Leuten einbildeten, daß die Weiber der Reichen ihren Leib, einige mit Getreide, andere mit Fleisch, andere mit Fischen, andere mit Marder Fellen u. d. gl. angefüllt hätten: einige Leute führten hierauf Weiber und Mädchen zu ihnen, bey welchen sie durch Betrug das zeigten, was sie gesagt hatten. Diese Betrüger kamen hierauf nach Belo-Osero, wo sich gegen 300 Personen zu ihnen schlugen, die sich überall von dem Vermögen einfältiger Leute bereicherten. In dessen traf sich‘s daß eben damals des Fürsten Swätoslaw Feldherr Jan Wüschatitsch zur Steuer-Einnahme in diese Gegend kam, welcher von dieser Tollheit hörte, die Rädelsführer zu sich rufen ließ, sie ihrer begangenen Betrügereien

 

 

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überführte, und sie bestrafte, worauf die übrigen sich verliefen. Dergleichen Betrüger zeigten sich auch in Nowgorod, und bekamen einen großen Anhang; als aber Fürst Gleb Swätoslawitsch ihren Anführer bestrafen ließ zerstreueten sich die übrigen bald.

 

Im Jahre 1073 entstanden Mißhelligkeiten zwischen dem Großfürsten Isäslaw und seinen Brüdern. Fürst Swätoslaw von Tschernigow wollte seine Besitzungen vergrössern, verachtete den lezten Willen seines Vaters und war der Anfänger der Feindschaft. Er überredete den Fürsten Wsewolod von Perejaslaw, (durch die Vorstellung daß sie für ihre vorige Verdienste von ihrem Bruder nicht nur keine Belohnung empfangen hätten, sondern jezt auch ihre Besitzungen mit ihren Kindern theilen müßten; daß der Großfürst sich mit dem Fürsten Wseslaw versöhnen, ihm Polozk geben geben und hierauf mit ihm vereinigt sie leicht aus den ihnen von ihrem Vater zugetheilten Besitzungen vertreiben könnte) worauf sie vorläufig beschlossen, daß sie ihrer eigenen Sicherheit wegen auf alle Fälle Truppen zusammen bringen und den Großfürsten Isäslaw durch Bitten oder Thätlichkeit bewegen wollten; welches beides zu thun sie mit einem Heer vor Kiew erschienen. Da der Großfürst Isäslaw damals keine Truppen versammelt hatte und wohl sahe daß er seinen Brüdern nicht widerstehen könne, nahm er seine Gemahlin, seine Söhne die Prinzen

 

 

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Swätopolk und Jaropolk und sein ganzes Vermögen mit sich, und begab sich aus Kiew nach Wladimir in Wolhinien und von da nach Polen, wo er gegen Geschenke Hülfstruppen zu erhalten hoffte. Der König Boleslaw II. nahm ihn mit vieler Ehre auf, und viele polnische Großen erhielten für ihre Versprechen ansehnliche Geschenke, sie leisteten ihm aber nicht nur keine Hülfe sondern gaben ihm auch keinen ruhigen Aufenthalt bis er von dannen ging, weil sie besorgten, seine Brüder möchten sie mit Krieg überziehen; auch fand König Boleslaw II. von Polen nicht für gut mit seinem Schwiegervater dem Fürsten Swätoslaw Krieg zu führen. Endlich ließ der Großfürst Isäslaw seine Gemahlin in Polen und ging mit seinem Prinzen Jaropolk nach Deutschland zum Kaiser Heinrich den vierten, um von selbigem Hülfe zu erbitten. Er fand den Kaiser in der Stadt Maynz. Heinrich der vierte war damals mit den Unruhen Deutschlands beschäftiget, und gab ihm keine Hülfe, versprach ihm aber, daß er sich bemühen wolle seine Sachen mit der Zeit in Ordnung zu bringen. Isäslaw hielt sich gegen drey Jahre lang in Deutschland auf, und sandte während dieser Zeit seinen Sohn Jaropolk nach Rom, um die Reliquien der Apostel Peter und Paul zu verehren, welchem er zugleich auftrug den Pabst zu bewegen, den König von Polen Boleslaw II. zu zwingen, das er sich‘s angelegen seyn lasse

 

 

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ihn, den Großfürsten Isäslaw, widerum nach Kiew zu führen.

 

Nachdem der Großfürst Isäslaw Kiew verlassen hatte, zogen die Fürsten Swätoslaw von Tschernigow und Wsewolod von Perejaslaw am 22sten März in die Stadt ein. Sie besorgten zwar anfangs der Großfürst möchte Truppen zusammen bringen und wiederum zurückkehren, weshalb sie sich nach Berestow begaben; da sie aber erfuhren daß er aus Wladimir in Wolhinien nach Polen gereist wäre, kehrten sie nach Kiew zurück und fingen an ihre Besitzungen zu vergrößern und zu berichtigen. Fürst Swätoslaw blieb in Kiew und trat seinem Bruder Wsewolod Tschernigow mit dem dazu gehörigen Gebiete ab, seinen Sohn den Fürsten Boris sezte er über Wüschegrad, seinen zweiten Sohn Gleb über Perejaslawl, seinen dritten Sohn David über Nowgorod, seinen vierten Sohn Olg über Rostow.

 

Im Jahre 1075 kamen Gesandte des Kaisers Heinrichs des vierten aus Deutschland (nemlich Burchard Probst der Haupt-Kirche in Trier mit seinen Gehülfen) nach Kiew zum Fürsten Swätoslaw, um selbigen zur Versöhnung mit seinem Bruder dem Großfürsten Isäslaw zu bewegen. Fürst Swätoslaw, bezeigte bey dieser Gelegenheit vielen Stolz und gar keine Neigung zum Frieden, wobey er den Gesandten seine grossen Schäze sehen ließ. Die Gesandten betrachteten diese Reichthümer von Gold, Silber, Edelgesteinen,

 

 

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Stoffen und allerhand Kostbarkeiten und sprachen: „dieses alles ist nichts, weil es todt wie Erde da liegt, weit herrlicher als alles dieses ist die Tugend, deren allein sich ein Regent rühmen sollte; alle Regenten besitzen Reichthümer, und es giebt viele Regenten, aber sie rühmen sich deren nicht.“

 

Um diese Zeit und während seines Aufenthalts in Deutschland vermählte der Großfürst Isäslaw seine Tochter die Prinzeßin Praskewia mit dem Markgrafen von Brandenburg Heinrich dem ersten, welche sich nach dem Tode dieses ihres ersten Mannes mit dem Kaiser Heinrich dem vierten vermählte. Sie ward in Deutschland Adelheid genannt.

 

Im Jahre 1076 sandte Fürst Swätoslaw auf Bitte seines Eidams des Königes von Polen ihm die Fürsten Wladimir Wsewolodowitsch und Olg Swätoslawitsch mit einem großen Heere gegen den König Wlatislaw von Böhmen (der Boleslaw dem zweyten Mähren nehmen wollte) zu Hülfe. Als der König von Böhmen hörte, daß die rußischen Truppen sich mit den polnischen vereinigt hätten, schickte er seinen Feldherrn Lopata zum Könige von Polen und ließ um Frieden bitten: er bezahlte 1000 Griwen Silber für die Kriegskosten und versöhnte sich mit Boleslaw. Nach diesem mit dem Könige von Böhmen geschlossenen Frieden, machte der König von Polen den Fürsten Wladimir und Olg bekannt, daß der Krieg mit dem Könige von Böhmen geendigt sey, und daß er nunmehr einen Feldzug

 

 

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gegen die Preussen und Pommern unternehmen wolle. Da aber die Fürsten Wladimir Wsewolodowitsch und Olg Swätoslawitsch erfuhren, daß die Polen für ihren Frieden mit den Böhmen Geld genommen hätten, sie selbst aber nach vergebener Mühe zurückkehren sollten, ließen sie dem Könige von Polen zur Antwort sagen: sie wären auf seine Bitte gekommen um als Bundesgenossen gegen den König von Böhmen zu kriegen, da sie aber jezt erfahren hätten, daß er allein Frieden geschlossen habe, so überließen sie zwar dieses seinem Willen, weil sie aber einmal sich für Feinde des Königes von Böhmen erklärt hätten, so erlaube es die Ehre ihrer Väter und des rußischen Reichs nicht, ohne Frieden zurückzukehren, sie würden also diesen Frieden mit Ehren in Böhmen suchen, und wollten ihn nicht hindern die Preussen und Pommern zu bekriegen, gegen welche sie keine Feindschaft hätten. Hier auf rückten die ru0ischen Fürsten ungesäumt vor die Stadt Glaz und bemächtigen sich derselben. Der König von Böhmen schickte seinen Bruder einen Bischof und viele seiner Großen mit Friedens-Vorschlägen zu Wladimir; die Fürsten Wladimir und Olg traten in Friedens-Unterhandlungen und erhielten zu ihrer Entschädigung 1000 Griwen Silber und viele Geschenke, welche sie unter das Kriegsvolk vertheilten, und hierauf selbst glücklich zu den ihrigen zurück kehrten.

 

Während dieses Feldzuges ward dem Fürsten Wladimir Wsewolodowitsch am ersten Junius sein erster

 

 

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Sohn gebohren, welcher Mstislaw, in der heiligen Taufe aber Peter genannt wurde. In eben diesem Jahre verfiel Fürst Swätoslaw in eine schwere Krankheit, an welcher er den 27sten December starb. Sein Leichnahm wurde in Tschernigow bey der Kirche zum allgütigen Heilande begraben. Er hatte sein Alter auf 49 Jahre gebracht.

 

Nach dem Tode des Fürsten Swätoslaw begab sich sein jüngerer Bruder Wsewolod so gleich nach Kiew, und lies seinen Sohn Wladimir in Tschernigow, worauf Boris Swätoslawitsch am 4ten May 1077 nach Tschernigow kam um sich dieser Stadt zu bemächtigen. Fürst Wladimir Wsewolodowitsch war damals in Kiew, kam aber am achten Tage nach Tschernigow zurück und vertrieb den Fürsten Boris, welcher sich wieder nach Tmutarakan begab.

 

Um diese Zeit schickte der griechische Kaiser Michael VII., nachdem er von den Bolgaren geschlagen worden war und die Korßuner ihm den Gehorsam aufgekündigt hatten, Gesandte nebst großen Geschenken und Versprechen zum Fürsten Wsewolod, und ließ ihn um Hülfe gegen die Bolgaren und Korßuner bitten. Wsewolod wollte ihm selbst zu Hülfe ziehen und fertigte indessen seinen Sohn Wladimir Wsewolodowitsch und den Fürsten Gleb gegen die Korßuner ab, womit er die Gesandten entließ. Da aber bald darauf aus Griechenland Nachricht einlief, daß der Kaiser Michael gestorben sey, und Kaiser

 

 

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Nicephor, mit welchem Wsewolod in keiner Verbindung stand, den Thron bestiegen habe, ließ Wsewolod seine Armee auseinander gehen und berief seinen Sohn Wladimir aus Korßun zurück.

 

In eben diesem Jahre hatte der Großfürst Isäslaw, nach erhaltener Nachricht daß sein Bruder Swätoslaw gestorben sey, von dem Könige Boleslaw II. von Polen Hülfs-Truppen erbeten und zog in Hofnung auf die ihm von seinem Neffen Fürsten Rostislaw Wladimirowitsch aus Wladimir in Wolhinien versprochene Hülfe nach Kiew zurück. Fürst Wsewolod brachte auf diese Nachricht gleichfals seine Truppen zusammen und ging ihm nach Wolhinien entgegen. Sie kamen hierauf beyn Fluße Gorünä zusammen, wo sie sich miteinander versöhnten und festsezten, daß der Großfürst Isäslaw Kiew und das dazu gehörige Gebiet in Besiz nehmen, Fürst Wsewolod aber Tschernigow behalten sollte. Hierauf kam der Großfürst Isäslaw am 15ten Julius nach Kiew, Fürst Wsewolod aber kehrte nach Tschernigow zurück, wo sich sein Neffe Oleg bis zum 10ten April 1078 bey ihm aufhielt. An diesem Tage gerieth Fürst Oleg Swätoslawitsch mit seinem Vetter Wsewolod von Tschernigow in Streit, und begab sich aus Tschernigow nach Tmutarakan.

 

Um diese Zeit unternahm Fürst Gleb Swätoslawitsch aus Nowgorod einen Feldzug nach Sawolotschie gegen die Jemen, von welchen er im Treffen besiegt und erschlagen wurde. Die Geschichtschreiber

 

 

 

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erwehnen, das Fürst Gelb ein sehr gnädiger, sanftmüthiger, thätiger, wohlgewachsener, schöner und mit allen Tugenden gezierter Mann gewesen sey.

 

Sein Leichnam wurde nach Tschernigow gebracht und den 22sten Julius bey der Kirche zum allgütigen Heilande begraben.

 

Der Großfürst Isäslaw schickte seinen Sohn Swätopolk nach Nowgorod, ließ seinen zweiten Sohn Jaropolk in Wüschegrad, und gab dem Für sten Wladimir Wsewolodowitsch Smolensk. Indessen wollten Swätoslaws Söhne Boris und Olg mit ihren Fürstenthümern Tmutarakan und Murom nicht zufrieden seyn, sondern rüsteten Truppen aus, riefen die Polowzer zu Hülfe und unternahmen einen Kriegszug gegen ihren Vetter den Fürsten Wsewolod, welcher ihnen mit einer geringen Anzahl Truppen entgegen zog. Sie trafen einander an der Soshza wo es am 26sten August zu einem Treffen kam, in welchem Wsewolod von der Menge der Polowzer überwunden ward, worauf Boris und Olg mit den Polowzern nach Tschernigow kamen und ihr Vaterland verheereten. Fürst Wsewolod, der sich aus seinem Fürstenthume vertrieben sahe, begab sich im Vertrauen auf die Bruderliebe des Großfürsten Isäslaw und weil er sonst keine andre Hülfe zu hoffen hatte nach Kiew, und bat seinen Bruder um Hülfe. Der Großfürst Isäslaw, erwägte den unglücklichen Zustand seines Bruders, versprach, als ein sanftmü higer Mann der keine Rache in seinem Herzen

 

 

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ihm Hülfe zu leisten, und befahl so gleich alle seine Truppen zusammen zu ziehen. Als dieses geschehen war, zog er mit seinem Sohne Jaropolk, seinem Bruder Wsewolod, und seinem Neffen Wladimir Wsewolodowitsch gegen Tschernigow, dessen Einwohner bey Annäherung der Großfürstlichen Armee sich in die Stadt einschlossen. Olg und Boris waren damals nicht in der Stadt, sondern hatten sich um Truppen zusammen zu bringen nach Tmutarakan begeben, sie hatten aber befohlen daß sich die Stadt bis zu ihrer Rückkunft halten sollte, und die Tschernigower wagten es nicht, sich zu unterwerfen und die Thore zu öffnen.

 

So bald der Großfürst Isäslaw vor Tschernigow ankam, befahl er die Stadt anzugreifen. Fürst Wladimir Wsewolodowitsch that einen Angrif auf das östliche Thor von der streshenschen Seite und bemächtigte sich der äußeren Stadt, die Bürger aber zogen sich in‘s innere Schloß, wo sie sehr in der Enge waren. Indessen erfuhr der Großfürst daß die Fürsten Boris und Olg mit einem ansehnlichen Heere herbey rückten, er befahl also die Belagerung aufzuheben und ging ihnen eiligst entgegen, um seine Neffen zu hindern, sich mit den Polowzern zu vereinigen. Als Fürst Olg die Armee des Großfürsten Isäslaw ansichtig ward, redete er seinem Bruder Boris zu und bat ihn, er möchte ihrem Vetter (dem Großfürsten Isäslaw) Friedensvorschläge thun und ihn ohne Krieg um Vermehrung ihrer Besizungen bitten lassen, weil es für sie nicht ohne Gefahr wäre

 

Dritter Band 1783.

 

 

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gegen die große vereinigte Macht ihrer Vettern (des Großfürsten Isäslaw und Fürsten Wsewolod von Tschernigow) sich in eine Schlacht einzulassen. Boris verlachte seinen Bruder, verwieß ihm daß er sich vor der Menge fürchte, rühmte sich daß er allein gegen alle fechten wolle, und überredete solcher gestalt den Fürsten Olg, worauf sie sich zur Schlacht anschickten. Beide Heere kamen beym Dorfe Neshatina-Niwa zusammen und lieferten einander ein Treffen, in welchem Fürst Boris Swätoslawitsch gleich beym ersten Angriffe auf dem Plaze blieb, und hierauf die Armee des Fürsten Olg Swätoslawitsch bald zum Weichen gebracht ward. Der Großfürst Isäslaw stand indessen unter dem Fußvolk und munterte seine Truppen auf, als einer der Feinde schleunig auf ihn zulief und ihn mit einem Spieße, welches er ihm von hinten bey der schulter in den Leib stieß, erstach. Das Treffen dauerte zwar hier auf noch einige Zeit fort, Olg wurde aber bald völlig geschlagen und rettete sich kaum mit einigen wenigen Leuten nach Tmutarakan. Dieses geschah am 3ten Oktober des Jahres 1078. Der Leichnam des Großfürsten Isäslaw wurde (auf Befehl seines Bruders Wsewolod Jaroslawitsch) zu Wasser fortgebracht und bey Gorodez (jezt Ostr) ausgestellt, wohin ihm die Kiewer entgegen kamen, ihn auf einen Leichenwagen sezten, und unter Begleitung vieler Geistlichen und vieles Volks nach Kiew führten, wobey der Leichengesang vor dem lauten Weinen des Volks nicht zu hören war, weil alle,

 

 

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groß und klein, den Großfürsten Isäslaw Jaroslawitsch bedauerten. Fürst Jaropolk Isäslawitsch ging vor dem Sarge seines Vaters her, man brachte den Leichnam in die Kirche der heiligen Mutter Gottes und legte ihn in einen steinernen Sarg.

 

Der Großfürst Isäslaw hatte 54 Jahr gelebt und 24 regiert.

 

Dieser Großfürst hatte sich mit einer polnischen Prinzeßin vermählt, die im Jahre 1107 verstarb, von welcher er folgende Kinder hatte.

 

1) Fürst Mstislaw Isäslawitsch.

 

2) Fürst Swätopolk Isäslawitsch in der heiligen Taufe Michael genannt.

 

3) Fürst Jaropolk Isäslawitsch in der heiligen Taufe Peter genannt.

 

4) Fürst Jurii oder Georg Isäslawitsch.

 

5) Die Prinzeßin Praskewia, welche zu erst mit dem Markgrafen von Brandenburg nachher aber mit dem deutschen Kaiser Heinrich dem 4ten vermählt wurde, und im Jahre 1109 verstarb.

 

Geschlechts-Register Isäslaws I.

 

Jaroslaw I. Fürst zu Nowgorod, hierauf vom Jahre 1020 bis 1054 Großfürst des nördlichen und südlichen Rußlands,

oo vermählt mit Ingegerd einer Tochter des Königes Olow von Schweden, von welcher

 

 

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► Isäslaw I. Großfürst von ganz Rußland von 1054 bis 1078,

oo vermählt mit einer polnischen Prinzeßin. Aus dieser Ehe entsprossen:

 

1) Fürst Mstislaw

2) Fürst Swätopolk

3) Fürst Jaropolk

4) Fürst Jurii oder Georg

5) Die Prinzeßin Praskewia, welche zuerst mit - dem Markgrafen von Brandenburg Heinrich I. zur zweiten Ehe aber mit dem deutschen Kaiser Heinrich IV. vermählt wurde.

 

Isäslaws Zeitverwandte, vom Jahre 1054 bis 1078 waren:

 

In Griechenland. Kaiser. Die Kaiserin Theodora von 1054 bis 1056. Michael V. von 1056 bis 1057. Isaak von 1057 bis 1059. Konstantin X. von 1059 bis 1067. Die Kaiserin Eudoria von 1067 bis 1067. Michael VI. von 1067 bis 1068. Andronikus I. von 1068 bis 1069. Konstantin IX. von 1069 bis 1071. Roman IV. von 1071 bis 1072. Michael VII. Von 1072 bis 1078.

 

In Deutschland. Kaiser. Heinrich III. von 1039 bis 1056. Heinrich IV. von 1056 bis 1106.

 

 

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In Polen. Könige. Kasimir I. von 1041 bis 1058. Boleslaw II. von 1058 bis 1081.

 

In Böhmen. Fürsten. Bretschislaw I. von 1037 bis 1055. Sbitignei II. von 1055 bis 1061. Wratislaw II. von 1061 bis 1092.

 

In Sachsen. Fürsten. Bernhard II. von 1010 bis 1062. Otto von 1962 bis 1073. Magnus von 1073 bis 1106.

 

In der Pfalz. Fürst. Heinrich von 1045 bis 1095.

 

In Brandenburg. Fürsten. Wilhelm von 1046 bis 1056. Udon I. von 1056 bis 1082.

 

In Baiern. Fürsten. Konrad II. von 1053 bis 1056. Die Kaiserin Agnes von von 1056 bis 1061. Otto II. von 1061 bis 1071. Welf I. von 1071 bis 1102.

 

In Braunschweig. Fürsten. Bruno III. von 1038 bis 1057. Egbert I. von 1057 bis 1068. Egbert II. von 1068 bis 1090.

 

In Ungarn. Könige. Andreas I. von 1047 bis 1061. Bela I. von 1061 bis 1063. Salomon von 1063 bis 1074. Geisa von 1074 bis 1077. Wladislaw I. von 1077 bis 1095.

 

 

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102

 

In Dänemark. Könige. Sweno II. von 1048 bis 1074. Harald IX. von 1074 bis 1080.

 

In Arabien. Kalifen. Kaem Wamrilla XLV Kalif von 1031 bis 1075. Mostadi Wamrilla XLVI Kalif von 1075 bis 1094.

 

In Egypten. Kalif. Awutamin Mostader von 1036 bis 1094.

 

In Ikonium. Sultan. Soliman von 1074 bis 1085.

 

In Alepo. Sultan. Tutusch von 1078 bis 1095.

 

In Frankreich. Könige. Heinrich I. von 1031 bis 1060. Philipp I. von 1060 bis 1108.

 

In England. Könige. Eduard III. von 1042 bis 1066. Harald II. von 1066 bis 1066. Wilhelm von 1066 bis 1087.

 

In Schottland. König. Malkolm III. von 1037 bis 1093.

 

In Spanien. Könige. Ferdinand I. von 1037 bis 1065. Alphons von 1065 bis 1109.

 

In Toskana. Groß-Herzoge. Fridrich von 1052 bis 1055. Gottfried von 1055 bis 1076. Matilda v. 1076 bis 1115.

 

Patriarchen zu Konstantinopel. Michael von 1043 bis 1059. Konstantin von 1059 bis 1064. Johann von 1064 bis 1075. Kosmus von 1075 bis 1081.

 

 

 

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Römische Päbste. Leo IX. von 1048 bis 1055. Victor II. von 1055 bis 1057. Stephan IX. von 1057 bis 1058. Benedikt X. von 1058 bis 1058. Nikolaus II. von 1058 bis 1061. Alexander II. von 1061 bis 1073. Gregorius VII. von 1073 bis 1086.

 

Patriarch zu Alexandrien. Christodul von 1047 bis 1078.

 

Patriarchen zu Jerusalem. Nicephor von 1048 bis 1059. Sophron von 1059 bis ___. Ephim von ___ bis 1094.

 

Patriarchen zu Antiochien. Peter von 1052 bis ___. Theodosius von ___ bis ___. Emilian von ___ bis 1089.

 

Mitropoliten zu Kiew. Hilarion von 1051 bis 1071. Ephraim von 1071 bis 1072. Georg von 1072 bis 1080.

 

In Rußland. Abgetheilte Fürsten.

 

In Polozk. Wseslaw Brätschislawitsch von 1041 bis 1101.

 

In Wladimir in Wolhinien. Igor Jaroslawitsch von 1054 bis 1056. Rostislaw Wladimirowitsch von 1056 bis 1065.

 

In Smolensk. Wetscheslaw Jaroslawitsch von 1054 bis 1056. Igor Jaroslawitsch von 1056 bis 1060. Wladimir Wsewolodowitsch von 1077 bis ___.

 

In Tschernigow. Swätoslaw Jaroslawitsch von 1034 bis 1073. Wsewolod Jaroslawitsch von 1073 bis ___.

 

In Perejaslawl. Wsewolod Jaroslawitsch von 1054 bis 1073. Gleb Swätoslawitsch von 1073 bis ___.

 

 

 

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104

 

In Rostow. Rostislaw Wladimirowitsch von 1052 bis 1056. Olg Swätoslawitsch von 1073 bis ___.

 

In Tmutarakan. Swätoslaw Jaroslawitsch von 1054 bis 1078. Gleb Swätoslawitsch von 1064 bis 1073. Olg Swätoslawitsch von 1073 bis ___.

 

In Susdal. Rostislaw Wladimirowitsch von 1052 bis 1056.

 

In Wüschgrad. Boris Swätoslawitsch von 1073 bis 1078. Jaropolk Isäslawitsch von 1078 bis ___.

 

In Nowgorod. David Swätoslawitsch von 1073 bis 1077. Gleb Swätoslawitsch von 1077 bis 1078. Swätopolk Isäslawitsch von 1078 bis ___.

 

In Kiew. Swätopolk Jaroslawitsch von 1073 bis 1076.

 

In Murom. Gleb Swätoslawitsch von 1073 bis ___.

 

 

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30.

Großfürst Wsewolod I. in der heiligen Taufe Andrei genannt.

Nach dem Tode des Großfürsten Isäslaw Jaroslawitsch, im Jahre 1078, kam sein Bruder Fürst Wsewolod Jaroslawitsch von Tschernigow (als der älteste und angesehenste seines Stammes) am 6ten September nach Kiew, und übernahm im neun und vierzigsten Jahre seines Alters die Großfürstliche Regierung von ganz Rußland.

 

1) seinen Sohn den Fürsten Wladimir Wsewolodowitsch versezte er aus Smolensk nach Tschernigow.

 

2) Dem Fürsten Rostislaw Wsewolodowitsch, gab er Perejaslawl.

 

Den Kindern des Großfürsten Isäslaw ließ Wsewolod ihre vorigen ihnen von ihrem Vater verliehenen Besitzungen, nemlich:

 

3) Dem Fürsten Swätopolk Isäslawitsch, Nowgorod.

 

4) Dem Fürsten Jaropolk Isäslawitsch, Wüschegrad, welchem der Großfürst Wsewolod Wladimir in Wolhinien beyfügte.

 

5) Dem Fürsten David Igorewitsch, gab der Großfürst Wsewolod, Turow.

 

6) Dem Fürsten Olg Swätoslawitsch, Tmutarakan.

 

7) Dem Fürsten David Swätoslawitsch, Murom mit dem dazu gehörigen Gebiete.

 

 

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8) Das abgetheilte Fürstenthum des Fürsten Roman Swätoslawitsch gränzte an Perejaslaw und an die Länder der Polowzer.

 

9) Dem Fürsten Jaroslaw Swätoslawitsch, Räsan.

 

10) Fürst Wolodar Rostislawitsch, war im Besitz von Peremüschl.

 

11) Dem Fürsten Waßilko Rostislawitsch, Terebowl.

 

12) Dem Fürsten Rurik Rostislawitsch, Swenigorod.

 

13) Ob Fürst Roman Wseslawitsch gleichfalls ein abgetheiltes Fürstenthum erhalten habe, ist nicht bekannt.

 

Die Geschichtschreiber melden, daß der Großfürst Wsewolod gottesfürchtig, gerecht, ein Feind der Lügen und Falschheit, sehr mildthätig gegen Kirchen und Schulen und sehr enthaltsam in seinen Leidenschaften gewesen sey, und daß zu seiner Zeit, so lange bis er selbst matt und schwach ward, glückliche Tage in Rußland herrschten.

 

Im Jahre 1097 kam Fürst Roman Swätoslawitsch, der mit seinem Antheil nicht zufrieden war, mit einer Menge Polowzer vor Perejaslawl, um den Großfürsten Wsewolod dieses Fürstenthums zu berauben, der Großfürst aber kam selbst nach Perejaslawl und schloß mit den Polowzern Frieden. Da Fürst Roman Swätoslawitsch sich von den Polowzern verlassen sahe, erzürnte er sich über die polowzischen Fürsten,

 

 

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woher anfangs Mißhelligkeiten und endlich eine Schlägerey entstand, so das Fürst Roman Swätoslawitsch am 2osten August (des 1079sten Jahres) von den Polowzern erschlagen ward.

 

Um diese Zeit nahmen die unter der Oberherrschaft des Fürsten Olg Swätoslawitsch von Tmutarakan stehende Kosaren, diesen ihren Fürsten aus Haß (wegen schwerer Auflagen) gefangen und führten ihn über das Meer nach Konstantinopel. Als der Großfürst hievon Nachricht erhielt, sandte er einen gewissen Ratibor als Stathalter nach Tmutarakan.

 

Im Jahre 1080 betrugen sich die perejaslawschen Torken (Unterthanen des Großfürsten) sehr wiederspenstig und ungehorsam; der Großfürsten schickte seinen Sohn den Fürsten Wladimir Wsewolodowitsch von Tschernigow mit einigen Truppen gegen sie, welcher sie zwar gerüstet fand aber sie, ungeachtet ihrer überlegenen Menge, angrif und überwand, die Rädelsführer bestrafte und hiedurch diesem Aufstande gegen den Fürsten Wsewolod ein Ende machte.

 

Im Jahre 1081 kamen die Fürsten David Igorewitsch von Turow und Wolodar Rostislawitsch von Peremüschl (um ihre Besizungen durch das von dem Großfürsten eingenommene Antheil des Fürsten Olg Swätoslawitsch zu vergrößern) vor Tmutarakan, eroberten selbiges

 

 

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ungesäumt am 18ten May, und vertrieben den Großfürstlichen Stathalter Ratibor, wobey ihnen die Kosaren behülflich waren.

 

Im Jahre 1082 hatte Fürst Olg Swätoslawitsch in Konstantinopel seine Freyheit erhalten, und kam nach Tmutarakan, wo er die Fürsten David Igorewitsch und Wolodar Rostislawitsch fand und festnehmen ließ. Er bestrafte die Polowzer (sonst Kosaren und Petschenegen) die seinen Bruder Roman Swätoslawitsch erschlagen, und ihn selbst gefangen nach Konstantinopel geschickt hatten, versöhnte sich in demselben Jahre mit den Fürsten David Igorewitsch und Wolodar Rostislawitsch, welche er in ihre Fürstenthümer jenseit des Dniepers entließ, nemlich David nach Turow und Wolodar nach Peremüschl.

 

In diesem Jahre verbreitete sich die Pest über ganz Rußland.

 

In eben diesem Jahre schickte der deutsche Kaiser Heinrich der vierte den Bischof Adelbert von Olmüz mit vielen Geschenken als Gesandten an den Großfürsten Wsewolod, und ließ selbigen um seine Freundschaft und zugleich um Hülfe gegen den König Geisa von Ungarn bitten.

 

Der Großfürst Wsewolod brachte ungesäumt Truppen zusammen, und zog mit seinem Sohne Wladimir von Tschernigow und seinen Neffen David Igorewitsch von Turow und Jaropolk Isäslawitsch von Wladimir in Wolhinien

 

 

 

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und ihren vereinigten Truppen gegen die Gebürge, schickte aber vorher seinen Feldherrn Tschudin an den König Geisa von Ungarn, um selbigen zum Frieden mit dem Kaiser Heinrich dem vierten zu bewegen. Der König von Ungarn schickte von seiner Seite Gesandte mit vielen Geschenken an den Großfürsten Wsewolod und ließ ihn um Hülfe gegen den Kaiser Heinrich den vierten bitten, indem er vorstellte, daß der Kaiser ihm vieles Unrecht angethan hätte. Der Großfürst befahl seinem Feldherrn Tschudin zum Kaiser zu reisen, wohin ihn die königlich ungarischen Gesandten mit Friedensvorschlägen unter des Großfürsten Wsewolods Vermittelung begleiteten, der Großfürst selbst aber kehrte von den Gebürgen nach Kiew zurück.

 

Im Jahre 1084 kam Fürst Jaropolk Isäslawitsch von Wladimir (in Wolhinien) am Ostertage zu seinem Vetter dem Großfürsten Wsewolod nach Kiew, und beschwerte sich daß Fürst David Igorewitsch von Turow nebst Wolodar Rostislawitsch von Peremüschl und Wasilko Rostislawitsch von Trembowl ihn aus Wladimir in Wolhinien vertrieben hätten. Der Großfürst Wsewolod erzürnte sich hierüber sehr, und schickte so gleich seinen Sohn Fürsten Wladimir von Tschernigow mit einem Heere aus, welcher die Fürsten David Igorewitsch von Turow, Wolodar Rostislawitsch von Peremüschl, und Waßilko Rostislawitsch, aus Wladimir in Wolhinien

 

 

 

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vertrieb, den Fürsten Jaropolk Isäslawitsch wieder in sein Fürstenthum einsezte und selbst zurück kehrte. Indessen begab sich Fürst David Igorewitsch nach seiner Vertreibung aus Wladimir in Wolhinien an den Dnieper, fiel bey Olescha (in der Gegend der Wasserfälle des Dniepers) die griechischen Kaufleute an, und raubte ihnen ihre Waaren. Als der Großfürst Wsewolod hievon Nachricht erhielt, befahl er den Fürsten David Igorewitsch zu ihm nach Kiew zu bringen, wo er ihm wegen seiner vielen Vergehungen strenge Verweise gab, hierauf aber (in Betracht der Reue des Fürsten) mit ihm Mitleiden hatte, ihm Dorogobusch am Fluse Gorinä nicht weit von Luzk in Wolhinien ertheilte, und ihn dahin entließ.

 

Im Jahre 1085 vernahm Fürst Jaropolk Isäslawitsch, daß der unlängst von ihm verklagte Fürst David Igorewitsch von dem Grosfürsten Wsewolod Dorogobusch erhalten habe, und ward darüber sehr aufgebracht, welches den Schmeichlern Gelegenheit gab, ihn zum Kriege gegen seinen Vetter den Großfürsten anzureizen. Fürst Jaropolk Isäslawitsch von Wladimir in Wolhinien folgte dem Rath der bösen Rathgeber und versammelte ein Heer um einen Feldzug nach Kiew zu thun, wozu ihm auch die Polen (welche sich öfters bemüheten die innerlichen Unruhen zwischen den rußischen Fürsten zu vermehren,)

 

 

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aufmunterten. Da der Großfürst Wsewolod hievon Nachricht erhielt, schickte er ihm seinen Sohn Wladimir Wsewolodowitsch von Tschernigow mit einem Heere entgegen. Jaropolk Isäslawitsch von Wladimir in Wolhinien, der damals bey Luzk stand, befürchtete hierauf, das er nicht im Stande seyn werde dem Großfürsten zu wiederstehen; er ließ seine Mutter und seine Gemahlin in Luzk, und begab sich selbst nach Polen, um daselbst Hülfstruppen zu suchen und den Krieg mit vereinigter Macht zu führen. Indessen kam Fürst Wladimir von Tschernigow in Begleitung des Fürsten David Igorewitsch von Dorogobusch bald vor der Stadt Luzk an; die Einwohner von Luzk wagten es nicht diesem Fürsten zu widerstehen und öfneten ihm die Thore, worauf Wladimir Wsewolodowitsch in die Stadt einzog, die Mutter und Gemahlin des Fürsten Jaropolk Isäslawitsch mit ihren Reichthümern gefangen nahm und nach Kiew sandte, selbst aber seinen Zug nach Wladimir in Wolhinien fortsezte, wo man ihm gleichfalls die Thore eröfnete und ihn nach damaligem Gebrauch empfing. Fürst Wladimir Wsewolodowitsch von Tschernigow übergab auf Befehl des Großfürsten Wsewolod das Fürstenthum Wladimir in Wolhinien dem Fürsten David Igorewitsch und hielt sich daselbst so lange auf, als zu vermuthen war, daß Fürst Jaropolk Isäslawitsch mit den Polen ankommen möchte, weil er glaubte, daß dadurch vielleicht ein Krieg mit Polen entstehen könnte.

 

 

 

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Im Jahre 1086 legte der Großfürst Wsewolod die Kirche zum heiligen Andreas an, und er bauete bey selbiger ein Frauen-Kloster, in welchem sich seine älteste Tochter, die Prinzeßin Anna, zur Nonne einkleiden ließ, welche hierauf mehrere Nonnen versammelte, beständig in diesem Kloster im Gebet und Fasten verblieb, die Klosterregeln genau beobachtete, und ihre Zeit mit lesen zubrachte: sie nahm auch junge Mädchen auf, die sie im lesen und schreiben, in Handarbeiten, im Gesange, im Nähen und in andern nüzlichen Kenntnisen unterrichtete, um sie dadurch von Jugend auf zum Verstehen des göttlichen Gesezes und zur Arbeitsamkeit zu gewöhnen.

 

Als Fürst Jaropolk Isäslawitsch, der sich in Polen aufhielt ohne von den Polen Hülfe erlangen zu können, vernahm, daß Fürst Wladimir von Tschernigow seine Städte erobert, und seinr Mutter und Gemahlin mit allem ihrem Vermögen gefangen genommen hätte, fand er endlich, im Jahre 1087, für gut, sich seinem Vetter dem Großfürsten Wsewolod zu unterwerfen. Er kehrte nach Wladimir in Wolhinien zurück und kam nach einiger Unterhandlung zum Fürsten Wladimir Wsewolodowitsch von Tschernigow, um durch dessen Vermittelung von dem Großfürsten Wsewolod Verzeihung zu erhalten. Fürst Wladimir Wsewolodowitsch von Tschernigow nahm ihn auf Befehl seines Vaters (des Großfürsten) als seinen älteren Bruder mit Ehren auf, schloß mit ihm Frieden und kehrte selbst nach Tschernigow

 

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zurück. Sobald der Großfürst von seinem Sohne Nachricht erhielt, daß der Friede geschloßen sey, entließ er sogleich die Mutter und Gemahlin des Fürsten Jaropolk Isäslawitsch mit allen ihrem Vermögen nach Wladimir in Wolhinien. Hierauf reisete Fürst Jaropolk Isäslawitsch nach einem kurzen Aufenthalt zu Wladimir in Wolhinien auf einem Wagen nach Swenigrad, und ward, nach dem Bericht der Geschichtschreiber, nicht weit von gedachter Stadt von einem Mörder umgebracht. Er starb am 22sten November. Seine Diener nahmen seinen Leichnam und brachten ihn nach Wladimir in Wolhinien und von da nach Kiew, wo er im Kloster des heiligen Dmitrii in der Kirche zum Apostel Peter, begraben ward. Die Annalisten sagen, daß Fürst Jaropolk Isäslawitsch gottesfürchtig, sanftmüthig, liebreich gegen seine Brüder, freygebig und aufrichtig gewesen sey.

 

Nach dem Tode des Fürsten Jaropolk Isäslawitsch ertheilte der Großfürst das Fürstenthum Wladimir in Wolhinien seinem Neffen David Igorewitsch.

 

Ferner ertheilte der Großfürst dem Fürsten Swätopolk Isäslawitsch von Nowgorod, Turow, welcher sich hierauf aus Nowgorod nach Turow verfügte.

 

Um diese Zeit geschahen in Wolhinien und an der Oka Räubereien, wodurch viele bolgarische Handelsleute um ihre Waaren kamen.

 

Die Bolgaren schickten zu den Fürsten Olg

 

Dritter Band 1783.

 

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Swätoslawitsch von Murom und seinem Bruder Jaroslaw Swätoslawitsch und liessen um eine Entschädigung für ihre verlohrne Waaren anhalten, da sie aber keine Gerechtigkeit erhielten, kamen sie selbst mit Kriegsvölkern vor Murom und bemächtigten sich der Stadt.

 

Um diese Zeit schickte der Großfürst Wsewolod, wegen der öfteren Klagen der Fürsten David Igorewitsch von Wladimir in Wolhinien und Swätopolk Isäslawitsch von Turow, gegen die zwey Brüder Fürsten Wolodar Rostislawitsch von Peremüschl und Wasilko Rostislawitsch von Trebowl, Gesandte ab, um leztere zum Frieden zu ermahnen. Da er aber sahe daß seine Gesandten diese Fürsten nicht zum Frieden bewegen konnten, begab er sich selbst mit kiewschen, tschernigowischen und perejaslawischen Truppen nach Swenigorod, und ließ die beiden fürstlichen Brüder zu sich entbieten, dem mit ihnen verbundenen polnischen Fürsten aber ließ er andeuten, er möchte allen dem Gebiet der Fürsten Swätopolk Isäslawitsch von Turow und David Igorewitsch von Wladimir in Wolhinien zugefügten Schaden ersetzen, und die Gefangene ausliefern.

 

Die Fürsten Wolodar und Wasilko sahen die überlegene Macht des Großfürsten Wsewolod, kamen zu ihm und erhielten Frieden. Da aber die Polen niemand geschickt hatten, befahl der Großfürst seinem Sohne Wladimir Wsewolodowitsch von Tschernigow und seinen Neffen Swätopolk Isäslawitsch von Turow, Oleg Swätoslawitsch von Murom

 

 

 

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und David Igorewitsch von Wladimir in Wolhinien, sie mit Krieg zu überziehen, und kehrte selbst nach Kiew zurück.

 

Im Jahre 1089 ward im petscherischen Kloster eine steinerne Kirche zur Entschlafung der heiligsten Mutter Gottes vollendet und am 14ten August von dem Mitropoliten Johann eingeweihet, zur Zeit des rechtgläubigen Großfürsten Wsewolod und seiner Söhne Wladimir von Tschernigow und Rostislaw von Perejaslaw, des Tüßazki von Kiew Jan, und des Abts in petscherischen Kloster Johann.

 

In demselben Jahre reisete die großfürstliche Prinzeßin Anna, die eine Nonne geworden war, nach Konstantinopel zu ihren Verwandten; denn ihre Mutter war eine griechische Prinzeßin und Tochter des Kaisers Konstantin Monomach gewesen. Der Großfürst schickte mit ihr einige vornehme Gesandte an den griechischen Kaiser und ließ zugleich den Patriarchen zu Konstantinopel um einen gelehrten Mitropoliten bitten.

 

Im Jahre 1090 kam die Tochter des Großfürsten die Nonne Anna, aus Konstantinopel zurück, und brachte den Mitropoliten Johann mit sich.

 

In diesem Jahre ward in Perejaslaw die Kirche des heiligen Michael durch den perejaslawischen Bischof Ephrem eingeweihet, welcher sie selbst sehr geräumig erbauet hatte. Er versah diese Kirche mit reichem Geräthe, erbauete ein öffentliches Bad von Steinen, dergleichen bis dahin

 

 

 

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in Rußland nie gewesen war, und verschönerte die Stadt Perejaslaw vor andern Städten

mit vielen ansehnlichen Gebäuden, wodurch er seinen Namen in Rußland berühmt machte.

 

In diesem Jahre kam ein von dem Pabste aus Rom abgesandter Mitropolit Namens Theodor, von Geburt ein Grieche, nach Rußland.

 

In eben diesem Jahre war in ganz Rußland ein großer Ueberflus an allerley Früchten Obst und Getreide.

 

In diesem Jahre ward dem Fürsten Wladimir Wsewolodowitsch von Tschernigow, sein vierter Sohn gebohren, welcher Jurii genannt wurde.

 

Um diese Zeit war ein schwerer Krieg mit den Polowzern, welche drey Städte Peßotschen Perewolok und Ustje eingenommen hatten.

 

Auch starben damals in ganz Rußland viele Leute an verschiedenen Krankheiten.

 

Um eben diese Zeit starb in Peremüschl Fürst Rurik Rostislawitsch, ein Sohn des Fürsten Rostislaw Wladimirowitsch.

 

Im Jahre 1093 den 13ten April starb der Großfürst Wsewolod Jaroslawitsch, im 64 Jahre seines Alters. Dieser Großfürst litte vielen Verdruß von den abgetheilten Fürsten, die mit den ihnen verliehenen Fürstenthümern nicht zufrieden waren, und immer nach größern Besitzungen trachteten. Er theilte vor seinem Tode viele Städte unter sie aus, damit sie nach ihm ruhig bleiben möchten.

 

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Aber auch hiedurch konnte er weder ihre Habsucht befriedigen, noch ihren Beschwerden und Vorwürfen entgehen. Die Mißhelligkeiten und Unruhen unter den abgetheilten Fürsten währeten beständig fort, weil sie größtentheils dem Rathe der sie umgebenden Schmeichler und jungen Leute folgten, welche Mittel fanden sie untereinander, Brüder gegen Brüder, und mit dem Großfürsten in Streitigkeiten zu verwickeln, wenn aber dieser sie zur brüderlichen Liebe ermahnete, wurden sie über ihn unwillig und achteten weder seinen Rath noch den Rath der Alten und weisen Großen. Hiedurch geschahe es, daß überall unter dem Volk Handhabung der Gerechtigkeit, Schutz der Beleidigten, und Züchtigung und Bestrafung der Bösen mangelte, und daß die Richter zu rauben anfingen und mit Recht und Gericht ein Gewerbe trieben. Der Großfürst Wsewolod war damals schon alt und siech, und konnte hievon keine genaue Kenntnis erlangen. Als er hierauf in eine schwere Krankheit verfiel schickte er nach seinem Sohne Wladimir von Tschernigow, gab seinen Kindern den Fürsten, Wladimir und Rostislaw gute Ermahnungen und starb, und ward in der Kirche zur heiligen Sophia begraben.

 

Er hatte 15 Jahre regiert. Seine erste Gemahlin war eine griechisch kaiserliche Prinzeßin und Tochter des Kaisers Konstantin Monomach die im Jahre 1067 starb. Von ihr waren:

 

1) Fürst Wladimir Wsewolodowitsch von Tschernigow.

 

 

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2) Eine Tochter Namens Anna die sich dem Klosterleben widmete.

 

Seine zweite Gemahlin war eine polowzische Prinzeßin Anna genannt. Von dieser waren:

 

3) Fürst Rostislaw Wsewolodowitsch von Perejaslaw, der im Jahre 1070 gebohren war, und im Jahre 1093 starb.

 

4) Die Prinzeßin Eupraxia, die sich dem Klosterleben widmete.

 

5) Die Prinzeßin Irina, die gleichfalls ins Kloster ging.

 

 

Geschlechts-Register Wsewolods I.

 

Jaroslaw I. Fürst von Nowgorod, nachher Großfürst des nördlichen und südlichen Rußlands von 1020 bis 1054.

oo Dessen Gemahlin Ingegerd Tochter des Königes Olow von Schweden, von welcher:

 

► Wsewolod I. Fürst von Tschernigow, nachher Großfürst von ganz Rußland von 1078 bis 1093.

 

I. oo Dessen erste Gemahlin, war eine griechische Prinzeßin, Tochter des Kaisers Konstantin Monomach, von welcher:

 

1) Fürst Wladimir

2) Die Prinzeßin Anna.

 

II. oo Seine zweite Gemahlin war eine polowzische Prinzeßin Anna, von welcher:

 

3) Fürst Rostislaw

4) Die Prinzeßin Eupraxia

5) Die Prinzeßin Irina.

 

 

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Wsewolods Zeitverwandte, vom Jahre 1078 bis 1093 waren:

 

In Griechenland. Kaiser. Nicephor von 1078 bis 1081. Alexis I. v. 1081 bis 1118.

 

In Deutschland. Kaiser. Heinrich IV. von 1056 bis 1106.

 

In Polen. Könige. Boleslaw II. von 1058 bis 1081. Wladislaw I. von 1081 bis 1102.

 

In Böhmen. Fürsten. Wratislaw II. von 1061 bis 1092. Konrad I. von 1092 bis 1093.

 

In Sachsen. Fürst. Magnus von 1073 bis 1106.

 

In der Pfalz. Fürst. Heinrich von 1045 bis 1095.

 

In Brandenburg. Fürsten. Udon I. von 1056 bis 1082. Heinrich I. von 1082 bis 1087. Udon II. von 1087 b. 1106.

 

In Baiern. Fürst. Welf I. von 1071 bis 1102.

 

In Braunschweig. Fürsten. Egbert II. von 1068 bis 1090. Gertrud von 1090 bis 1113.

 

In Ungarn. König. Wladislaw I. von 1077 bis 1095.

 

In Dänemark. Könige. Harald IX. von 1074 bis 1080. Kanut IV. von 1080 bis 1086. Olg oder Olaus IV. von 1086 bis 1095.

 

 

 

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In Arabien. Kalif. Mostadi Wamrilla XLVI Kalif von 1075 bis 1094.

 

In Egypten. Kalif. Awutamin Mostader von 1036 bis 1094.

 

In Ikonium. Sultane. Soliman von 1074 bis 1085. Kilidsche Arslan von 1085 bis 1107.

 

In Alepo. Sultan. Tutusch von 1078 bis 1095.

 

In Damas. Sultan. Dakan von ___ bis 1095.

 

In Frankreich. König. Philipp I. von 1060 bis 1108.

 

In England. Könige. Wilhelm I. von 1066 bis 1087. Wilhelm II. von 1087 bis 1100.

 

In Schottland. König. Malkolm III. von 1057 bis 1093.

 

In Spanien. König. Alphons von 1065 bis 1109.

 

In Toskana. Groß-Herzog. Matilda von 1076 bis 1115.

 

Patriarchen zu Konstantinopel. Kosmus von 1075 bis 1081. Eustrat von 1081 bis 1084. Nikolaus von 1084 bis 1111.

 

Römische Päbste. Gregorius VII. von 1073 bis 1086. Victor III. von 1086 bis 1088. Urban II. von 1088 bis 1099.

 

Patriarch zu Alexandrien. Cirill von 1078 bis 1092. Michael von 1092 bis 1103.

 

Patriarchen zu Jerusalem. Ephim von ___ bis 1094.

 

 

 

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121

 

Patriarchen zu Antiochien. Emilian von ___ bis 1089. Nicephor von 1089 bis ___. Johann von ___ bis 1098.

 

Mitropoliten zu Kiew. Georg von 1072 bis 1080. Johann von 1080 bis 1090. Johann von 1090 bis 1091. Ephrem von 1091 bis 1097.

 

In Rußland. Abgetheilte Fürsten.

 

In Smolensk. Wladimir Wsewolodowitsch von 1077 bis 1078.

 

In Perejaslawl. Gleb Swätoslawitsch von 1073 bis 1078. Rostislaw Wsewolodowitsch von 1078 bis 1093.

 

In Rostow. Olg Swätoslawitsch von 1073 bis ___.

 

In Nowgorod. Swätopolk Isäslawitsch von 1078 bis 1087. David Swätoslawitsch von 1087 bis 1094. Gleb Swätoslawitsch von ___ bis ___.

 

In Wüschgrad. Jaropolk Isäslawitsch von 1078 bis 1087.

 

In Tschernigow. Wladimir Wsewolodowitsch von 1078 bis 1094.

 

In Wladimir in Wolhinien. Jaropolk Isäslawitsch von 1078 bis 1087. David Igorewitsch von 1078 bis ___. Rostislaw Wladimirowitsch von ___ bis ___.

 

In Turow. David Igorewitsch von 1078 bis 1087. Swätopolk Isäslawitsch 1087 bis 1093.

 

In Tmutarakan. Olg Swätoslawitsch von 1073 bis ___.

 

In Murom. David Swätoslawitsch von 1078 bis 1094.

 

In Peremüschl. Wolodar Rostislawitsch von 1078 bis ___.

 

 

 

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122

 

In Räsan. Jaroslaw Swätoslawitsch von 1078 bis ___.

 

In Terebowl. Waßilko Rostislawitsch von 1078 bis __.

 

Das abgetheilte Fürstenthum des Fürsten Roman Swätoslawitsch gränzte an das polowzische Gebiet und an Perejaslaw von 1078 bis 1079.

 

In Swenigorod. Rurik Rostislawitsch von 1078 bis 1089.

 

In Polozk. Wseslaw Brätschislawitsch von 1041 bis 1101. Mstislaw Isäslawitsch von 1069 bis ___.

 

In Dorogobusch am Flusse Gorünä. David Igorewitsch von 1080 bis 1087.

 

 

 

Quelle:

 

Neues St. Petersburger Journal vom Jahre 1783. Dritter Band. Mit Bewilligung des Ober-Polizey-Amts. St. Petersburg, aus der Schnoorschen Buchdruckerey. S. 36-122

 

 

 

 

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Aufsäze betreffend die rußische Geschichte *). (Fortsezung.)

 

31.

Großfürst Swätopolk II. in der heiligen Taufe Michail genannt.

Nach dem Tode des Großfürsten Wsewolod Jaroslawitsch, im Jahre 1093, baten zwar die Kiewer den Fürsten Wladimir Wsewolodowitsch von Tschernigow, er möchte von dem kiewschen Throne Besitz nehmen; dieser aber hielt dafür, das es ihm nicht nur schwer seyn würde solches vor einem ältern Fürsten seines Stammes zu thun, sondern daß es auch dabey nicht ohne bürgerlichen Krieg abgehen könnte. Er schickte also zu dem Fürsten Swätopolk Isäslawitsch von Turow, um ihm den Tod seines Vaters, des Großfürsten Wsewolod Jaroslawitsch, bekannt zu machen, damit er als der älteste des fürstlichen Stammes nach Kiew kommen und den Thron des Großfürstenthums und des südlichen Rußlands einnehmen möchte. Fürst Wladimir Wsewolodowitsch verfügte sich hierauf selbst nach Tschernigow, Fürst Rostislaw Wsewolodowitsch aber kehrte in sein Fürstenthum Perejaslawl zurück.

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*) S. St. Petersburgisches Journal 1783, dritter Band, Seite 75.

 

 

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Fürst Swätopolk Isäslawitsch von Turow kam nach Verlauf der Osterwoche, am 24sten April, in Kiew an, und ward von den kiewschen Großen und einer Menge Volks vor der Stadt, an der Stadtpforte aber von dem Bischofe von Jurjew Marin mit dem heiligen Kreuze empfangen. Er begab sich nach Gebrauch zuerst nach der Kirche, hierauf aber nach der großfürstlichen Wohnung, und bestieg den Thron seines Vaters und Großvaters in Frieden. Die Geschichtschreiber erzählen: der Großfürst Swätopolk Isäslawitsch war groß von Wuchs und hager, er hatte schwärzliches schlichtes Haar, einen langen Bart und ein scharfes Gesicht; er las gerne Bücher und hatte ein so gutes Gedächtnis, daß er vorlängst geschehene Sachen, so als wenn sie aufgezeichnet wären erzehlen konnte; er aß seines kränklichen Zustandes wegen wenig und selten; zum Kriege hatte er keine Neigung; wenn er über jemand in Zorn gerieth, so vergaß ers bald wieder. Zu seinen Fehlern aber gehörte, daß er habsüchtig, geizig, stolz und unvorsichtig war, und bösem Rathe folgte. Da die Polowzer höreten, daß der Großfürst Wsewolod gestorben sey, daß unter den rußischen Fürsten ein gutes Vernehmen herrsche, und daß der Großfürst Swätopolk seinen Thron ohne alle Unruhe in Besitz genommen habe, schickten sie Gesandte an den Großfürsten, um

 

 

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den Frieden zu bestätigen. Wahrscheinlich müssen die Vorschläge der polowzischen Gesandten beleidigende Bedingungen, oder dem Großfürsten Swätopolk unerträgliche Zumuthungen enthalten haben; denn er berathschlagte sich deshalb mit den Leuten die mit ihm gekommen waren, (diese Räthe waren, wie die Geschichtschreiber sagen, mit den Geschäften und der Verfassung des Reichs unbekannt) welche die Macht der Polowzer verachteten, dem Großfürsten einen unvorsichtigen das Völkerrecht und die allgemeine Sicherheit beleidigenden Rath gaben, und den schluß faßten, mit den polowzischen Gesandten so zu verfahren, wie man damals mit den Gefangenen umging; man ließ sie festnehmen und ins Gefängnis sezen.

 

Sobald die Polowzer hievon Nachricht erhielten, thaten sie einen Einfall in Rußland, und umringten mit einem großen Heere die Stadt Tortschesk *).

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*) Es ist oben der Städte Pesotschen, Perewolok und Ustje, so wie hier der Stadt Tortschesk erwähnet worden. Pesotschen heist jezt Pestschano und liegt nicht weit vom Dnieper am Flusse Supoi; Perewoloka, jezt Perewolotschna liegt am Ausflusse der Worskla; Ustje war entweder das heutige Tschigirin Dubrowa an der Mündung der Sula oder Krementschuck an der Mündung des Psol; Tortschesk lag am Flusse Roß, in welcher Gegend die Torken Wohnsitze und Städte hatten; der Fluß Stugna fällt bey Tripol in den Dnieper.

 

 

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Der Großfürst Swätopolk Isäslawitsch befahl auf diese Nachricht sogleich ein Heer zusammen zu ziehen, und wollte den Polowzern mit einer geringen Macht entgegen gehen. Schmeichler und Unwissende waren hierin seiner Meinung und riethen ihm den Feldzug ohne Bedenken anzutreten, die kiewschen Großen aber gaben ihm den Rath, er möchte nicht allein zu Felde ziehen und sich einer überflüßigen Gefahr aussezen, sondern vielmehr zuerst den Polowzern Geschenke schicken, und die Sache gütlich zu vermitteln suchen, wenn er aber durchaus Krieg haben wollte, oder anders keinen Frieden erlangen könnte, so möchte er den Fürsten Wladimir Wsewolodowitsch von Tschernigow ersuchen lassen, daß er ihm entweder selbst zu Hülfe komme, oder Hülfstruppen schicke. Der Großfürst konnte sich kaum entschliessen den Fürsten Wladimir um Hülfe bitten zu lassen. Fürst Wladimir von Tschernigow brachte sogleich Truppen zusammen, fertigte sie vor sich her nach Kiew ab, und schickte zu gleicher Zeit zu seinem Bruder dem Fürsten Rostislaw Wsewolodowitsch von Perejaslaw, damit auch dieser dem Großfürsten Hülfstruppen zusenden möchte. Fürst Wladimir Wsewolodowitsch kam bald hierauf selbst in Kiew an, sezte über den Dnieper und vereinigte sich, bey dem Kloster des heiligen Michael an der Wüdobitscha, mit der Armee des Großfürsten Swätopolk. Fürst Wladimir lobte bey seiner Zusammenkunft mit dem Großfürsten

 

 

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die Rathgeber nicht, die ihn veranlaßt hatten die polowzischen Gesandten zu beschimpfen, der Großfürst aber vertheidigte das Geschehene. Diese verschiedene Gesinnungen verursachten Mißhelligkeiten zwischen dem Großfürsten und dem Fürsten von Tschernigow, während das die Polowzer Rußland an vielen Orten verheereten. Da die kiewschen Großen dieses sahen, und befürchteten, die Uneinigkeit zwischen dem Großfürsten und dem Fürsten von Tschernigow möchten noch weitere Folgen haben, fingen sie an beyde des gemeinen Bestens wegen zu friedlichen Gesinnungen zu ermahnen, mit Bitte, sie möchten allen Streit bey Seite sezen, und zur Vertheidigung des Vaterlandes dem Feinde entgegen gehen. Fürst Wladimir Wsewolodowitsch von Tschernigow bestand darauf, man müsse den Polowzern Friedensvorschläge thun lassen, der Großfürst aber, welcher wie die Geschichtschreiber sagen die Geschenke die man den Gesandten mitgeben müßte bedauert haben soll, wollte versuchen, die Polowzer zuerst durch Krieg zu vertreiben und alsdann von Frieden zu reden. Da Fürst Wladimir von Tschernigow sahe, daß der Großfürst Swätopolk auf seinem Entschluß beharre, willigte er in die Ausführung desselben; beyde Fürsten endigten ihre Streitigkeiten, gaben einander ihr Wort, daß sie durch Küssung des Kreuzes bekräftigten, und rückten mit der Armee gegen Tripol vor. Als man bis zum Flusse Stugna gekommen war, berief der Großfürst

 

 

 

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Swätopolk die Fürsten Wladimir von Tschernigow und Rostislaw von Perejaslaw nebst allen ansehnlichen Feldherren zum Kriegesrath und stellte ihnen vor, daß er gesonnen sey über den Fluß zu gehen. Fürst Wladimir von Tschernigow erklärte sich nach Anhörung dieses Vorschlages für das Gegentheil und sagte, man möchte, ehe man über den Fluß ginge, den Polowzern Friedens-Vorschläge thun lassen, welcher Meinung viele der ansehnlichsten Feldherren beytraten; einige Kiewer aber und alle Schmeichler des Großfürsten Swätopolk wollten von keinem Frieden hören, sondern vielmehr ein Treffen liefern und in dieser Absicht über den Fluß gehen. Der Großfürst faßte den Entschluß über den Fluß zu gehen, welcher damals aus seinen Ufern getreten war; der Uebergang war sehr beschwerlich; Fürst Wladimir von Tschernigow folgte mit seinen Truppen dem Großfürsten und nach ihm Fürst Rostislaw von Perejaslaw; man blieb nahe am Flusse stehen, der Großfürst auf dem rechten Flügel, Fürst Wladimir von Tschernigow auf dem linken, Fürst Rostislaw von Perejaslaw zwischen beyden in der Mitte. So hatten sie sich am 26sten May in Schlachtordnung gestellt, als an demselben Tage die Polowzer mit ihrer ganzen Macht anrückten, und die Schützen in guter Ordnung vor sich her ziehen liessen. Die rußischen Fürstenstan den zwischen Verschanzungen, die Polowzer griffen zuerst den Großfürsten Swätopolk an und brachten

 

 

 

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seine Truppen, nach einem kurzen Gefechte zum Weichen; der Großfürst that zwar mit den seinen (den Turowern und seiner Leibwache) noch lange Wiederstand, als aber alle Kiewer das Feld verliessen, sahe er sich gezwungen ihnen zu folgen. Unterdessen hatten die Fürsten Wladimir von Tschernigow und Rostislaw von Perejaslawl im Treffen mit den Polowzern die Oberhand, und trieben selbige weit zurück, als aber nach der Niederlage des Großfürsten alle Polowzer sich gegen den Fürsten Wladimir von Tschernigow wendeten, und das Gefecht noch einige Zeit blutig fortgewähret hatte, sahe Fürst Wladimir von Tschernigow endlich, das es völlig unmöglich wäre, der überlegenen Menge zu wiederstehen, und befahl nach genommener Verabredung mit seinem Bruder Rostislaw von Perejaslaw, sich nach und nach dem Flusse Stugna zu nähern; worauf man so gut als thunlich war, über den Fluß sezte und den Uebergang deckte. Indessen war Fürst Rostislaw von Perejaslawl, der durch den Fluß reiten wollte im reißenden Strom vom Pferde geworfen, und fing vor den Augen seines Bruders an zu sinken. Fürst Wladimir ritte sogleich selbst in den Fluß und wollte seinen Bruder ergreifen, sein Pferd aber ward durch die Stärke des Stromes und das Andringen der andern Pferde so entkräftet, daß er bald selbst umgekommen wäre; Fürst Rostislaw Wsewolodowitsch von Perejaslawl aber ertrank im Flusse. Als

 

Vierter Band 1783.

 

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Fürst Wladimir von Tschernigow mit den übrig gebliebenen Truppen über die Stugna gekommen war, ließ er einige Kriegsleute nach, um den Körper seines Bruders zu suchen, und gieng ungesäumt über den Dnieper; er weinete untröstlich um seinen Bruder, betrauerte nicht minder den unglücklichen Verlust so vieler Leute bey Tripol, und kehrte betrübt nach Tschernigow zurück. Indessen wurde der Leichnam des Fürsten Rostislaw von Perejaslawl, den man nicht ohne Mühe gefunden hatte, nach Kiew gebracht, wo er von seiner Mutter und allen Kiewern mit lautem Weinen, über den Verlust dieses jungen Fürsten, empfangen, und in der Kirche der heil. Sophia begraben ward.

 

Der Großfürst Swätopolk flüchtete aus dem Treffen nach der Stadt Tripol, blieb daselbst bis zum Abende, und reisete in der Nacht nach Kiew ab.

 

Die Polowzer hatten zwar viele Leute verlohren, bedienten sich aber ihres Glücks um sich in Rußland zu verbreiten; ein Theil von ihnen verheerete überall das Land und machte Gefangene, der andere gieng die Stadt Tortschesk zu erobern.

 

Die Torken vertheidigten sich aus allen Kräften; da aber die Polowzer sahen, daß sie sich der Stadt mit Gewalt nicht bemächtigen konnten, kamen sie auf den Einfall, das die Stadt vorbeyfliessende Wasser abzudämmen,

 

 

 

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welches sie mit grosser Mühe zu Stande brachten, so das sie den Fluß verschütteten, und das Wasser in die von der Stadt entfernte Niederungen abliessen. Die Einwohner der Stadt fingen hier auf an Durst zu leiden, und sandten zum Großfürsten Swätopolk, um von ihm Hülfe zu erbitten. Der Großfürst schickte ihnen 500 Mann und einen ansehnlichen Vorrath von Lebensmitteln, die Polowzer aber liessen diese Hülfe nicht durch, und hielten die Stadt zehn Wochen lang belagert. Nach diesem vertheilten sie sich in zwey Haufen, von welchen einer die Belagerung der Stadt fortsezte, der andere aber gegen Kiew vorrückte und sich zwischen Kiew und Wüschegrad sezte.

 

Der Großfürst Swätopolk brachte so viele Truppen zusammen, als möglich war, und wollte sich, ungeachtet es ihm eifrig gerathen ward, zu keinem Frieden bequemen; er zog am 23sten Julius selbst aus Kiew aus, und grif die Polowzer an. Die Polowzer liessen ihre Truppen von beyden Seiten sich etwas zurück ziehen, worauf der Großfürst Swätopolk der dieses gewahr ward, die weichenden zu verfolgen befahl. sobald aber die rußischen Truppen sich getheilt hatten, schlossen sich, wie die Geschichtschreiber melden, die Polowzer wieder, griffen mit ihrer gesammten Macht die Truppen des Großfürsten an und brachten sie in Unordnung; und dieses Unglück war größer als das bey Tripol, weil der Großfürst

 

 

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selbst sich kaum mit den übriggebliebenen Leuten nach Kiew retten konnte.

 

Nach diesem Siege kehrten die Polowzer nach der Stadt Tortschesk zurück, deren Einwohner von Hunger entkräftet sich zu ergeben gezwungen waren; die Polowzer verbrannten die eroberte Stadt, nahmen die Einwohner gefangen, und kehrten in ihre Wohnpläze zurück.

 

Am ersten Oktober starb Fürst Rostislaw Mstislawitsch, ein Enkel des Großfürsten Isäslaw Jaroslawitsch und Neffe des Großfürsten Swätopolk.

 

Im Jahre 1094 sahe der Großfürst Swätoslaw, daß die Polowzer sein Land verheereten, daß er mit Gewalt der Waffen nichts gegen sie ausgerichtet habe, und daß er vom Fürsten Wladimir von Tschernigow, und den übrigen rußischen Fürsten, die wie er wohl wußte sein Verfahren gegen die Polowzer nicht gut hiessen, keine Hülfe erwarten könne, welches ihn nach einer zwiefachen Niederlage auf die Gedanken brachte, denen die ihm zum Frieden mit den Polowzern gerathen hatten Gehör zu geben. Um aber diesen Frieden desto mehr zu befestigen, vermählte er sich selbst mit Helena der Tochter eines ansehnlichen polowzischen Fürsten Tugorkan.

 

Fürst Olg Swätoslawitsch von Tmutarakan hatte schon lange dem Fürsten Wladimir Wsewolodowitsch den Besitz des Fürstenthums Tschernigow beneidet; da er nun erfuhr, daß dieser

 

 

 

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Fürst seine besten Leute bey Tripol verlohren hätte, brachte er ein Heer zusammen, nahm viele Polowzer in Sold, erschien darauf vor Tschernigow, und umringte die Stadt. Da Fürst Wladimir Wsewolodowitsch keine Truppen in Bereitschaft hatte, und folglich keinen Wiederstand thun konnte, schloß er mit dem Fürsten von Tmutarakan Frieden, und trat ihm Tschernigow ab; worauf er selbst sich nach Perejaslawl in die Stadt seines Vaters verfügte, Fürst Olg aber von Tschernigow, der Stadt seines Vaters, Besitz nahm. Indessen waren die Polowzer mißvergnügt, daß man ihnen nicht zugelassen hatte, das Land zu verheeren, und fingen an, die Gegenden um Tschernigow zu plündern, und zu verwüsten; Fürst Olg aber konnte ihnen solches nicht wehren noch sie zurückhalten weil er sie selbst mit sich gebracht hatte. Dieses war das drittemal, daß die Polowzer nach Rußland kamen.

 

Am 26sten August dieses Jahres kamen Heuschrecken nach Rußland, und verzehreten alles Gras und vieles Getreide auf dem Felde. Einige Schriftsteller melden, diese Heuschrecken wären so merkwürdig gewesen, daß die westlichen und südlichen Geschichtschreiber ihrer erwähnen.

 

Im Jahre 1095 kamen Polowzer unter Anführung ihrer Befehlshaber Itlär und Kitan vor Perejaslawl und forderten von dem Fürsten Wladimir Geschenke, um sein Gebiet nicht zu verheeren. Fürst Wladimir Wsewolodowitsch traf

 

 

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mit ihnen die Verabredung, daß man von beyden Seiten einander Geissel geben wolle, bis er von dem Großfürsten Swätopolk Erlaubnis erhalten werde, mit ihnen einen Vertrag zu schliessen; worauf Fürst Wladimir den Polowzern seinen Sohn Swätoslaw Wladimirowitsch übergab, die Polowzer aber ihren Fürsten Itlär in die Stadt schickten, welchem man das Haus des Feldherrn Ratibor einräumte. Kitan stand indessen mit seinen Truppen vor der Stadt zwischen den Festungswerken. Bald darauf kam ein von den Großfürsten abgefertigter Gesandter, Namens Slawata zum Fürsten Wladimir Wsewolodowitsch, mit dem Vorschlage, daß man gegen die Polowzer gemeinschaftliche Sache machen und auch den Fürsten Olg Swätoslawitsch dazu einladen sollte. Als Slawata die Lage der Sachen sahe, bewog er Ratiborn dem Fürsten Wladimir anzurathen, daß man den Fürsten Itlär mit seiner Begleitung, und wenns thunlich wäre, auch den Fürsten Kitan umbringen möchte (indem er vorstellte, die Polowzer würden, ihrer Anführer beraubt, aufhören Geschenke zu fordern, welche doch nichts anders wären, als ein schmählicher Tribut, den ihnen die rußischen Fürsten zahlten). Ratibor fing an dem Fürsten Wladimir hierüber Vorstellung zu thun, Wladimir aber verwarf einen Vorschlag den er dem Geseze Gottes, seiner Ehre und dem gegebenen Versprechen zuwieder fand, und der ausserdem seinen Sohn Swätoslaw,

 

 

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der als Geisel in der Gewalt der Polowzer war, einer gleichen Gefahr aussezte. Slawata und Ratibor antworteten hierauf: die Polowzer hätten oftmals ihr Wort gegeben Rußland nicht zu bekriegen, und hätten dafür Geschenke empfangen, sie kämen aber immer wieder und verheereten das Land unter keinem andern Vorwande, als daß dieses nicht durch sie, sondern durch ihre Brüder oder Kinder geschehen sey. Fürst Wladimir erwiederte: „Ich will um nichts in der Welt mein einmal gegebenes Wort brechen, und dann solches lebenslang bereuen. “ Slawata und Ratibor waren mit dieser abschlägigen Antwort nicht zufrieden, und gedachten, nach ihrer Meinung etwas fürs gemeine Beste zu thun. Slawata begab sich des Abends mit einigen Torken ins polowzische Lager, bemächtigte sich daselbst des Fürsten Swätoslaw (welchen die Polowzer die nichts böses befürchteten, unbewacht hielten) und brachte ihn in die Stadt; er nahm hierauf einige Truppen zu sich, überfiel vor Anbruch des Tages den Fürsten Kitan und seine Leute im Schlafe, und brachte sie sämmtlich ums Leben, worauf er wieder zurück kehrte und eben so mit dem Fürsten Itlär und seiner Begleitung verfuhr. Als Fürst Wladimir erfuhr was geschehen war, gab er sogleich zu dem ihm von Seiten des Großfürsten Swätopolk durch den Feldherrn Slawata geschehenen Vorschlage seine Einwilligung, nemlich sich mit ihm zu verbinden, und gemeinschaftlich

 

 

 

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mit dem Fürsten Olg Swätoslawitsch einen Feldzug gegen die Polowzer zu thun. Hierauf schickte man ohne Verzug nach Tschernigow zum Fürsten Olg Swätoslawitsch, mit dem Ansuchen, er möchte Truppen aufbringen, und mit dem Großfürsten Swätopolk und dem Fürsten Wladimir Wsewolodowitsch gegen die Polowzer zu Felde ziehen. Fürst Olg Swätoslawitsch versprach zwar mit seinen Truppen zu ihnen zu stoßen, sobald sie mit den ihrigen aufbrechen würden, er fürchtete sich aber sehr solches ins Werk zu richten; theils weil er dem Großfürsten Swätopolk wegen der ehemaligen Feindschaft ihrer Eltern nicht trauete, denn Fürst Swätoslaw Jaroslawitsch hatte seinen Bruder den Großfürsten Isäslaw Jaroslawitsch aus Kiew vertrieben, theils wegen seiner persönlichen Mißhelligkeiten mit dem Fürsten Wladimir Wsewolodowitsch, den er selbst aus Tschernigow vertrieben hatte, und der sich dieser Gelegenheit sich zu rächen bedienen könnte. Die Geschichtschreiber sagen: weil Olg ein herrschsüchtiger Fürst gewesen, so habe er in der Schwäche des Großfürsten und des Fürsten Wladimir seine Rechnung gefunden, weshalb er weder selbst zu Felde gezogen sey, noch Hülfstruppen geschickt habe. Da der Großfürst Swätopolk und Fürst Wladimir Wsewolodowitsch die Gesinnungen des Fürsten Olg Swätoslawitsch kannten, so baueten sie auf sein Versprechen nicht, warteten auch nicht auf ihn, sondern zogen gegen die Lagerpläze der

 

 

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Polowzer, überwanden daselbst die Feinde, und kamen mit einer großen Beute an Vieh, Kameelen und Pferden in ihr Land zurück. Als der Großfürst Swätopolk nach seiner Rückkunft aus diesem Feldzuge sahe, daß Fürst Olg sein gegebenes Wort mit Truppen zu ihm zu stoßen, nicht gehalten habe, ließ er ihm solches verweisen und ihm sagen: er wisse selbst wie oft die Polowzer Rußland verheeret hätten; nun hätte er, der Großfürst Swätopolk, um das Vaterland von solchem Unheil zu befreien, sich mit dem Fürsten Wladimir Wsewolodowitsch verbunden, um mit einem Heere gegen die Polowzer zu ziehen, wozu man auch ihn eingeladen habe; er habe hierauf zwar sein Wort gegeben, sey aber weder selbst erschienen, noch habe er Hülfstruppen geschickt; überdem wisse man, daß er, Fürst Olg, den Sohn des polowzischen Fürsten Itlär bey sich habe, wenn er also gut gesinnt und seinem Vaterlande treuer als den Polowzern wäre so solle er Itlärs Sohn dem Großfürsten zusenden. Fürst Olg gehorchte indessen dem Großfürsten nicht, woraus nicht geringe Mißhelligkeiten entstanden.

 

Um diese Zeit fielen die Korßuner verschiedene rußische Schiffe an, und bemächtigten sich derselben nebst allen darauf befindlichen, den Unterthanen des Großfürsten und des Fürsten Wladimir Wsewolodowitsch gehörigen Waaren. Der Großfürst und Fürst Wladimir ließen beym Kaiser Alexis und bey den Korßunern um Entschädigung

 

 

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ansuchen, da sie aber keine hinlängliche Genugthuung erhielten, zog Fürst Wladimir Wsewolodowitsch nebst den Fürsten David Igorewitsch und Jaroslaw Jaropoltschitsch mit großfürstl. Truppen und Torken und Kosaren gegen Korßun, und schlug bey Kaffa das korßunische Heer, worauf die Korßuner allen Schaden und alle Kosten bezahlten, und um Frieden baten,Fürst Wladimir Wsewolodowitsch aber mit großer Ehre und Reichthum zurück kehrte.

 

Als der Großfürst Swätopolk erfuhr, daß Fürst Olg Swätoslawitsch von Tmutarakan und seine Brüder das rostowische und susdalische Gebiet mit gar zu übermäßigen Abgaben beschwerten, fand er für gut, den Fürsten Mstislaw Wladimirowitsch aus Smolensk nach Rostow und Susdal zu versezen, worauf er den Fürsten Isäslaw Wladimirowitsch von einigen zuverläßigen Großen begleitet, nach Smolensk sandte.

 

In demselben Jahre kam ein großer Haufe Polowzer vor Jurjew und stand daselbst den ganzen Sommer über. Da indessen die Einwohner in die Gefangenschaft zu gerathen befürchteten, verliessen sie die Stadt Jurjew und begaben sich nach Kiew und andern Städten; der Großfürst aber ließ für sie auf dem Hügel Wätitschew (auf der westlichen Seite des Dniepers unterhalb Tripol) eine neue Stadt bauen, die er nach seinem Namen Swätopoltsch nannte.

 

Fürst David Swätoslawitsch von Nowgorod, der zwar ein sanftmüthiger, gütiger und gerechter

 

 

 

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Mann war, aber den Nowgorobern, bey ihrer Unbeständigkeit und ihren innerlichen Uneinigkeiten nicht alles zu Dank machen konnte, begab sich aus Nowgorod nach Smolensk und übernahm die Regierung dieses Fürstenthums, aus welchem er den Fürsten Isäslaw Wladimirowitsch vertrieb. Die Nowgoroder liessen hierauf um den Fürsten Mstislaw Wladimirowitsch von Rostow und Susdal bitten, welcher ihnen auch zugesandt wurde, doch nach vorläufigem Versprechen von Seiten der Nowgoroder, daß sie keinen andern Fürsten verlangen und diesen bis an sein Lebensende in Ehren halten wollten, worauf die Nowgoroder ihm und allen seinen Nachkommen den Eid der Treue leisteten. Fürst Wladimir vermählte seinen Sohn Mstislaw von Nowgorod mit des Poßadniks Tochter Christine und kehrte selbst nach Perejaslawl zurück; Fürst Isäslaw Wladimirowitsch erhielt Murom, Fürst David Swätoslawitsch aber wurde in dem ruhigen Besitz von Smolensk gelassen. Da Fürst David Swätoslawitsch erfuhr, daß Fürst Mstislaw Wladimirowitsch nach Nowgorod gesandt worden wäre, verließ er Smolensk und reisete wiederum nach Nowgorod, die Nowgoroder aber liessen ihm sagen, er möchte nicht zu ihnen kommen, weil sie einen Fürsten hätten, mit welcher Nachricht er wiederum nach Smolensk zurück kehrte.

 

Fürst Isäslaw Wladimirowitsch wurde bey seiner Ankunft in Murom mit vieler Ehre empfangen; er fand zwar daselbst einen Stadthalter des Fürsten Olg,

 

 

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der sich ihm wiedersezke, den er aber festnehmen und ins Gefängnis sezen ließ.

 

In eben diesem Jahre kamen zu Ende des Augustmonaths wiederum Heuschrecken nach Rußland, die nach Osten zogen, und sowohl das Gras als Getreide verzehrten.

 

Im Jahre 1096 schickte der Großfürst Swätopolk nach genommener Verabredung mit dem Fürsten Wladimir Wsewolodowitsch zum Fürsten Olg Swätoslawitsch, um ihn zur Versammlung der Fürsten nach Kiew einzuladen, wobey er ihm zugleich folgendes schrieb: Da er nebst seinen Brüdern (den Fürsten David Swätoslawitsch, Roman Swätoslawitsch und Jaroslaw Swätoslawitsch) mehr als alle übrige Fürsten mit andern wegen ihren Besizungen in Streit und Feindschaft lebe, und ohne seine Beschwerden dem Großfürsten anzuzeigen, Polowzer nach Rußland bringe, die das Land verheereten und verwüsteten, so habe er, der Großfürst, für gut befunden, daß alle Fürsten in Kiew zusammen kommen möchten, wo ihre Streitigkeiten durch eine Versammlung der vornehmsten geistlichen und weltlichen Personen untersucht, und hierauf mit beygefügtem Schluß dem Großfürsten vorgelegt werden sollten. In dieser Absicht berufe er ihn, Fürsten Olg, um das etwa ihm oder seinen Brüdern zugefügte Unrecht anzuzeigen, damit solches untersucht und gehoben, gutes Vernehmen, Eintracht und Freundschaft gestiftet, und endlich Rußland mit

 

 

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vereinigten Kräften gegen die Anfälle fremder Völker vertheidiget werden könne.

 

Fürst Olg nahm diese seiner Denkungsart gar nicht gemäße Gesandtschaft mit Stolz auf und antwortete: es wäre ihm nicht anständig, von Unterthanen gerichtet zu werden, auch sey dergleichen nie geschehen; wenn jemand wider ihn Beschwerden habe, könne er solches mit ihm selbst abmachen. Er gehorchte also dem Großfürsten nicht und reisete nicht nach Kiew, sondern berathschlagte sich vielmehr mit Schmeichlern, die alles loben was die Fürsten nur sagen und thun, er nahm die Schmeicheley für Wahrheit auf, ward dadurch stolz und verachtete alle andre. Der Großfürst Swätopolk schrieb hier auf zum zweitenmale an ihm: Man könne aus seinem Verfahren deutlich ersehen, das er weder gegen die Polowzer habe zu Felde ziehen mögen, noch auf der zur Bestimmung und Beendigung der innern Fehden und Streitigkeiten angesezten Versammlung der Fürsten in Kiew erscheinen wolle, woraus man schliessen müsse, daß er böse Gesinnungen hege, und den Polowzern Hülfe zu leisten gedenke; da man nun dieses nicht zugeben könne, so müsse man zur Beruhigung des Vaterlandes solchem Uebel mit Gewalt zuvorkommen. Bald nach diesem versammelte der Großfürst Swätopolk ein Heer, und unternahm mit den Fürsten Wladimir Wsewolodowitsch, David Igorewitsch und Jaroslaw Jaropolkowitsch einen Feldzug gegen Tschernigow. Fürst Olg Swätoslawitsch ließ, sobald er hievon Nachricht erhielt, einen

 

 

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Feldherrn und Truppen in Tschernigow zurück, und flüchtete selbst am 3ten May an einem Sonnabende nach Starodub. Als der Großfürst vor Tschernigow ankam, und erfuhr, daß Fürst Olg davon gegangen sey, rückte er mit der ganzen Armee vor Starodub. Er traf den Fürsten Olg in dieser Stadt und befahl selbige von allen Seiten anzugreifen; Fürst Olg aber vertheidigte sich aufs äußerste. Es riethen zwar einige die Stadt mit Holz zu umlegen und anzustecken, Fürst Wladimir Wsewolodowitsch aber, der ein sehr menschenfreundlicher Mann war, widersezte sich diesem Vorschlage und sagte: daß man dadurch unschuldige Leute zu Grunde richten würde. Die Belagerung währete also 33 Tage. Die Bürger und Truppen die sich sehr in die Enge getrieben und in grosser Noth sahen, baten zwar den Fürsten Olg er möchte mit dem Großfürsten Swätopolk und den übrigen Fürsten Frieden schliessen, sie konnten ihn aber lange nicht dazu überreden; endlich ließ er doch seinen Stolz fahren und schickte zu dem Großfürsten Swätopolk, um bey ihm Verzeihung und Frieden zu erbitten. Man antwortete hierauf, er möchte die Stadt verlassen und den Großfürsten persönlich bitten, wobey man versicherte, daß ihm kein Leid geschehen solle. Fürst Olg kam in Begleitung einiger Großen aus der Stadt zum Großfürsten Swätopolk, wo auch die übrigen Fürsten versammelt waren, bat um Verzeihung und versprach dem Großfürsten inskünftige gehorsam zu seyn; der Großfürst schloß mit ihm Frieden und befahl ihm,

 

 

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sich zu seinem Bruder David Swätoslawitsch nach Smolensk zu begeben, um mit ihm gemeinschaftlich zur Berichtigung aller Streitigkeiten auf der Versammlung der Fürsten in Kiew zu erscheinen.

 

Indessen beschloß der Großfürst nebst dem Fürsten Wladimir Wsewolodowitsch und den übrigen bey ihm befindlichen Fürsten, Tschernigow dem Fürsten David Swätoslawitsch zu geben, den Fürsten Olg Swätoslawitsch seines unruhigen Gemüths wegen nach Murom zu versezen, dem Fürsten Jaroslaw Jaropoltschitsch Nowgorod-Sewerski, dem Fürsten Swätoslaw Tmutarakan zu geben, und den Fürsten Isäslaw Wladimirowitsch wiederum in Smolensk einzusetzen, welches alles dem Fürsten Olg nicht vor der Versammlung der Fürsten bekannt gemacht wurde. Nachdem man alles dieses festgesezt, und von dem Fürsten Olg eine Versicherung genommen hatte, giengen die Fürsten jeder in seine Besizung, der Großfürst Swätopolk aber nach Kiew zurück.

 

Um diese Zeit war der polowzische Fürst Bonak mit einem Heere vor Kiew erschienen, und ein anderer polowzischer Fürst Namens Kurä gegen Perejaslawl vorgerückt. Als der Großfürst hievon Nachricht erhielt, ließ er seine Kriegsvölker nicht auseinander gehen, sondern zog sogleich in Begleitung des Fürsten Wladimir Wsewolodowitsch gegen die Polowzer, welche auf die Nachricht von dem Anzuge des Großfürsten unverzüglich die Flucht ergriffen. Nach diesem kam der polowzische Fürst Tugorkan,

 

 

 

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des Großfürsten Schwiegervater, am 31sten May vor Perejaslawl und blieb neben der Stadt stehen. Die Perejaslawer verschlossen ihre Stadt, vertheidigten sich tapfer, und fertigten sogleich jemanden mit der Nachricht an den Fürsten Wladimir nach Kiew ab, daß die Polowzer seine Stadt belagert hielten. Der Großfürst zog ohne Verzug mit dem Fürsten Wladimir Wsewolodowitsch längst dem Dnieper, bis an eine vom Walde entblößte Stelle vor Perejaslawl, wo sie in solcher Stille über den Fluß sezten, daß die Polowzer nichts davon erfuhren, worauf sie ihre Völker am 19ten Julius bey Anbruch des Tages in Schlachtordnung stellten und sich der Stadt näherten, die Einwohner aber sobald sie dieses gewahr wurden, ihnen mit großer Freude entgegen kamen. Die Polowzer, die damals jenseit der Trubesh standen, stelleten sich, als sie von der Ankunft der Fürsten höreten, in Schlachtordnung, und erwarteten sie. Der Großfürst hielt sich nicht bey der Stadt auf, sondern gieng mit dem Fürsten Wladimir Wsewolodowitsch gerade über die Trubesh gegen die Polowzer. Fürst Wladimir wollte seine Truppen jenseit des Flusses in Schlachtordnung stellen, diese aber wurden die Polowzer nicht sobald ansichtig, als sie ohne Befehle abzuwarten auf selbige zustürzten, sie in Verwirrung brachten, und in die Flucht trieben. Fürst Tugorkan, sein Sohn und verschiedene andere ansehnliche polowzische Fürsten blieben auf dem Platze; einige andere wurden gefangen.

 

 

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Als der Großfürst des Morgens erfuhr, daß man die Leichname seines Schwiegervaters und Schwagers auf dem Schlachtfelde gefunden habe, befahl er selbige nach Kiew zu bringen, sie bey Berestow zwischen den Wegen zu begraben, und über ihrem Grabe einen großen Erdhügel aufzuschütten.

 

In demselben Monathe kam der polowzische Fürst Bonak wiederum unvermuthet vor Kiew und plünderte das petscherische Kloster nebst verschiedenen andern Oertern.

 

Fürst Olg Swätoslawitsch verfügte sich nach seinem gegebenen Worte aus Starodub nach Smolensk, um in Gesellschaft seines Bruders des Fürsten David Swätoslawitsch auf der vom Großfürsten angesezten Versammlung zu erscheinen; da aber Fürst David sich damals nicht in Smolensk befand, sondern nach Toropez verreiset war, liessen die Einwohner von Smolensk, die des Fürsten Olgs unruhigen Geist kannten, und sich zu ihm nichts gutes versahen, ihn nicht in die Stadt. Er begab sich also nach Räsan, brachte daselbst ein Heer zusammen, und zog nach Murom gegen den Fürsten Isäslaw Wladimirowitsch, welcher auf diese Nachricht aus Rostow, Susdal und Belo-Osero Truppen kommen ließ, und sich zu seiner Vertheidigung anschickte. Fürst Olg Swätoslawitsch kam gerades Weges vor Murom, und ließ dem Fürsten Isäslaw sagen: dieses Gebiet gehöre ihm, er möchte also selbiges

 

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verlassen und zu seinem Vater gehen, dem er neulich Tschernigow abgetreten habe. Fürst Isäslaw Wladimirowitsch schlug dem Fürsten Olg seine Forderung ab, und stellete seine Völker vor der Stadt in Schlachtordnung, worauf es zwischen ihnen zum Treffen kam. Die Truppen des Fürsten Isäslaw Wladimirowitsch fingen schon an die Oberhand zu gewinnen, als dieser, der ein junger Mann war und noch kein Treffen gesehen hatte, aus Unvorsichtigkeit mit wenigen Leuten mitten unter die Feinde ritt, wo er umringt und erschlagen ward. Dieses geschahe am 6ten September. Als seine Truppen dieses sahen, verliessen sie das Treffen und flohen, einige über den Fluß Leßia andere in die Stadt. Fürst Olg Swätoslawitsch hielt hierauf seinen Einzug in die Stadt, und ward von den Muromern mit Ehren empfangen. Der Leichnam des Fürsten Isäslaw Wladimirowitsch ward in dem Heilands Kloster begraben, von da ihn nachher sein Bruder Mstislaw Wladimirowitsch nach Nowgorod bringen, und in der Kirche der heiligen Sophia begraben ließ.

 

Fürst Olg Swätoslawitsch begab sich nach der Eroberung von Murom unverzüglich ins Susdalische Gebiet, und bemächtigte sich der Stadt Susdal und anderer Städte; hierauf kam er vor Rostow, dessen Einwohner sich ihm ohne Widerstand unterwarfen, ferner bemächtigte er sich des ganzen Gebiets von Jurjew- Polskoi, sezte in

 

 

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den Städten seine Stathalter ein, und befahl für sich Tribut zu heben. Als Fürst Mstislaw Wladimirowitsch von Nowgorod hievon Nachricht erhielt, ließ er dem Fürsten Olg Swätoslawitsch sagen, er möchte sein Gebiet in Ruhe lassen und nach Murom zurück kehren, indessen wolle er sich beym Großfürsten Swätopolk und bey seinem Vater Wladimir Wsewolodowitsch verwenden, um zwischen ihnen allen Frieden zu stiften. Fürst Olg Swätoslawitsch der auf sein Glück stolz geworden war, verwarf nicht nur diesen Vorschlag des Fürsten Mstislaw Wladimirowitsch, sondern gedachte ihn selbst aus Nowgorod zu vertreiben, und sich dieser Stadt zu bemächtigen. In dieser Absicht schickte er sogleich seinen Bruder Jaroslaw Swätoslawitsch mit einigen Truppen die Wolga herauf ins nowgorodsche Gebiet, und blieb selbst in Rostow, um ein größeres Heer aufzubringen, mit welchem er ins Feld rückte und vor der Stadt stehen blieb. Da Fürst Mstislaw Wladimirowitsch die Absicht des Fürsten Olg erfuhr, berief er die vornehmsten Nowgoroder zusammen, machte ihnen das vorgefallene bekannt, verlangte dabey ihren Rath und sprach: wenn sie ihm keine Truppen geben und dem Fürsten Olg zuvor kommen wollten, so würde er gezwungen seyn, sie ehe Fürst Olg ankäme, zu verlassen, und sich zu seinem Vater zu begeben. Die Nowgoroder beschlossen hierauf einmüthig ein Heer aufzubringen, gegen den Fürsten Olg Swätoslawitsch

 

 

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zu Felde zu ziehen, und ihn aus den Besizungen des Fürsten Mstislaw Wladimirowitsch, seines Vaters und seiner Brüder zu vertreiben. Sie zogen eiligst Truppen zusammen, mit denen sie zum voraus einen gewissen Dobrüna Raguilowitsch abfertigten, der gegen die Wolga vorrückte und in Kimera und andern Orten die Steuereinnehmer des Fürsten Olg aufhob. Fürst Jaroslaw Swätoslawitsch stand damals mit seinen Truppen an der Medwediza (welcher Fluß dreißig Werste unterhalb Kimera von der Nordseite in die Wolga fließt) und kehrte auf die Nachricht, daß die nowgorodsche Armee näher komme, und die Steuereinnehmer aufgehoben habe zu seinem Bruder Olg zurück. Bald darauf schlugen die Truppen des Fürsten Mstislaw von Nowgorod bey Gorodischtsche den Vortrab des Fürsten Olg, welcher sich, ohne den Fürsten Mstislaw näher zu erwarten, nach Rostow, und als ihm Fürst Mstislaw dahin folgte, weiter nach Susdal und von da nach Murom zurück zog. Als Fürst Mstislaw sahe, daß Olg vor ihm flohe, ließ er ihm Friedensvorschläge thun, welche Fürst Olg annahm. Fürst Mstislaw verlegte in Zuversicht auf die Friedensunterhandlungen seine Truppen auf die umliegende Dörfer, und behielt aus Mangel an Lebensmitteln nur wenige Leute bey sich. Als er hierauf am Sonnabende der ersten Fasten-Woche mit seinen Großen des Mittags zu Tische sas, kam eiligst die Nachricht an,

 

 

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daß Fürst Olg gegen Susdal im Anzuge sey und schon die Kläsma erreicht habe. Fürst Mstislaw von Nowgorod, welcher zwar jung aber scharfsichtig und in gefährlichen Fällen von geschwinder Entschliessung war, ließ sogleich alle bey ihm befindliche Leute zusammen kommen, und schickte geschwinde Boten auf die Dörfer, um die Truppen eiligst zu ihm zu versammeln, welche sich auch ohne Verzug bey ihm in Susdal einfanden. Da Fürst Olg bey seiner Ankunft vor Susdal die Truppen des Fürsten Mstislaw vor der Stadt in guter Ordnung fand, erstaunte er und wagte es nicht sie anzugreifen. Man blieb also vier Tage lang in derselben Stellung, in welcher Zeit Fürst Mstislaw Nachricht, daß sein Vater Fürst Wladimir Wsewolodowitsch ihm seinen Sohn Wetscheslaw Wladimirowitsch mit Truppen und Polowzern zu Hülfe schicke, weshalb er keinen Angrif that, sondern vielmehr die Friedensunterhandlungen mit dem Fürsten Olg fortsezte. Fürst Wetscheslaw Wladimirowitsch vereinigte sich am Donnerstage der zweiten Fasten- Woche so vorsichtig mit seinem Bruder Mstislaw von Nowgorod, daß Fürst Olg nichts davon erfuhr, welcher seine Truppen zusammenzog und sie am Freytage bey Anbruche des Tages gegen Mstislaw, den er unbereitet zu finden hofte, anführte. Fürst Mstislaw hatte ihm inzwischen selbst zuvorkommen wollen, und hatte deshalb seine Truppen vor Anbruche des Tages auf folgende Art in Schlachtordnung

 

 

 

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gestellt: Zur rechten stand das nowgorodische Fußvolk 2), welches er der Anführung eines tapfern und kriegserfahrnen Feldherrn Wladimir Polowtschin genannt Kuman, übergeben hatte; in der Mitte stand Fürst Mstislaw selbst mit den Rostowern 3) und Susdalern; zur linken aber gegen das Feld Fürst Wetscheslaw mit der ganzen Reuterey und den Polowzern 4). Als beyde Heere einander nahe kamen, führte der Feldherr Wladimir Kuman sein Fußvolk dem Fürsten Olg in die Flanke, bemächtigte sich der ganzen dasigen Anhöhe, und ließ unter Olgs Fußvolk Pfeile abschiessen, wodurch selbiges in Unordnung gerieth und zurück wich. Als Fürst Olg dieses gewahr ward, konnte er seine Völker nicht mehr in die gehörige Ordnung stellen, sondern war gezwungen sie so wie sie standen ins Treffen zu führen. Er selbst stand in der Mitte gegen den Fürsten Mstislaw, Fürst Jaroslaw aber gegen den Fürsten Wetscheslaw. Fürst Mstislaw von Nowgorod gewann bald über den Fürsten Olg die Oberhand; schlug sein Fußvolk, drang in die Mitte desselben und theilte die feindliche Armee in zwey Theile. Nun fiel Wladimir Kuman dem Fußvolk des Fürsten Olg in den Rücken, worauf Fürst Olg selbst das Schlachtfeld verließ. Nachdem Fürst Mstislaw

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2) Nachkommen der Slawen und Russen.

3) Nachkommen der Meren.

4) Nachkommen der Scythen.

 

 

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Mstislaw nebst dem Feldherrn Wladimir Kuman das Fußvolk zum Weichen gebracht hatten, halfen sie dem Fürsten Wetscheslaw die Reuterey vom Plaz vertreiben, worauf alle die Flucht ergriffen. Fürst Mstislaw von Nowgorod befahl, die Flüchtigen nicht zu verfolgen. Fürst Olg kam nach Murom, ließ daselbst seinen Bruder Jaroslaw zurück, und begab sich selbst mit wenigen Leuten nach Räsan, Fürst Mstislaw, der den Fürsten Olg zum Frieden zu zwingen wünschte, zog mit seinen besten Truppen gegen Murom, als er aber erfuhr daß Fürst Olg nach Räsan geflüchtet wäre, schloß er einen besondern Frieden mit dem Fürsten Jaroslaw Swätoslawitsch, befreyete seine in Murom gefangen gewesene Leute, ließ den Leichnam seines Bruders Isäslaw von da nach Nowgorod führen, und sezte seinen Zug an der Oka gegen Räsan fort. Fürst Olg verließ auf die Nachricht von der Annähernng des Fürsten Mstislaw Räsan und flohe ins Feld, Fürst Mstislaw kam nach Räsan, befreyete seine Gefangene, blieb einige Zeit daselbst, und ließ dem Fürsten Olg sagen: Er solle nicht weiter fliehen, und nicht Schuz bey den Polowzern suchen, sondern vielmehr zurück kommen, und seine Brüder um Frieden bitten, die ihm eine anständige Besizung in Rußland nicht versagen würden; wobey er zugleich versprach, daß er selbst zu seinem Vater schicken und für ihn bitten lassen wolle. Als Fürst Olg seinen verlassenen Zustand und die Großmuth des Fürsten Mstislaw in Erwägung zog, welcher jezt alle Besizungen des

 

 

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Fürsten Og in seiner Gewalt hatte, ohne die ihm zugefügte Beleidigungen an den Unterthanen desselben zu rächen, und ohne sie zu plündern und zu Grunde richten zu lassen, so wie Olg mit Mstislaws Unterthanen im susdalschen und rostowschen Gebiete gethan hatte, über dieses aber auch Olgs Gemahlin und Kinder mit Achtung und Freundschaft begegnete und aufnahm, ward er durch diese Großmuth und Mäßigung des Fürsten Mstislaw gerührt, versprach alles was er ihm auftragen würde zu erfüllen, und kam nach Räsan zurück. Fürst Mstislaw kehrte nach Susdal und von da mit großem Ruhm und Ehre nach Nowgorod zurück.

 

Im Jahre 1097 berief der Großfürst Swätopolk Isäslawitsch alle Fürsten nach Kiew, um die Angelegenheiten des Landes zu berichtigen, worauf die Fürsten David Swätoslawitsch von Tschernigow, und sein Bruder Olg Swätoslawitsch von Tmutarakan, Fürst Wladimir Wsewolodowitsch von Perejaslawl, Fürst David Jgorewitsch von Wladimir (in Wolhynien) und Fürst Waßilko Rostislawitsch von Terebowl in Lubitsch zusammen kamen. Nach dem sich die Fürsten versammelt hatten, redete der Großfürst Swätopolk sie in seinem Zelt folgendermassen an: „Geliebte Brüder und Söhne! Ihr wisset und sehet selbst was für eine Unordnung unter uns in Rußland herrschet; die Enkel und Urenkel Jaroslaws sind wegen geringer Besizungen in Streit gerathen, bekümmern sich nicht um die Entscheidung des Aeltesten ihres Stammes

 

 

 

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und verschaffen sich selbst Recht mit den Waffen in der Hand, so daß ihr einander zu Grunde richtet und mordet. Die Polowzer unsere gemeinschaftliche Feinde sehen diese Verwirrung und freuen sich, sie fallen von allen Seiten ein, verheeren unser Vaterland, erschlagen viele Leute und schleppen andre in die Gefangenschaft, wodurch schon so viele Oerter wüste und öde geworden sind; ihr aber bemerkt die Verminderung eurer Einkünfte und sucht eure Besizungen durch ungerechte Beraubung anderer zu vergrössern. Dieserwegen habe ich euch gebeten, daß ihr zusammen kommen, und einem jeden das was ihm mit Unrecht genommen worden zurück geben möchtet, damit ein jeder mit seinem Gebiete zufrieden sey; gegen unsere gemeinschaftlichen Feinde aber müssen wir so einig gesinnt seyn, daß wir alle einmüthig die Grenzen eines jeden unter uns gegen die Anfälle der Fremden schüzen und vertheidigen, und nicht die geringste Verheerung statt finden lassen.“ Als die Fürsten diese Anrede des Großfürsten Swätopolk angehört hatten, berathschlagten sie sich ein jeder mit seinen Großen, und sezten durch einen gemeinschaftlichen Schluß fest:

 

1) Daß ein jeder das von seinem Vater erhaltene Erbtheil ohne es zu überschreiten besitzen sollte, nemlich:

 

2) Der Großfürst Swätopolk, als Isäslaws Sohn, und die Enkel Isäslaws, Turow, Sluzk,Pinsk und alle Städte diesseit Pripet bis zum Bug. )

 

 

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3) Der Grosfürst Swätopolk, als Großfürst, Kiew und das ganze dazu gehörige Gebiet bis zum Flusse Gorünä, wie auch Groß-Nowgorod.

 

4) Die Söhne des Fürsten Swätoslaw Jaroslawitsch, die Besizthümer ihres Vaters, Tschernigow, Nowgorod-Sewerskii, die Wätitschen, Murom und Tmutarakan (Räsan).

 

5) Fürst Wladimir Wsewolodowitsch, Rostow, Smolensk und Susdal.

 

6) Fürst David Igorewitsch, Wladimir (in Wolhynien) und Luzk an der Gorünä.

 

7) Die Enkel des Fürsten Wladimir Jaroslawitsch von seinem Sohne Rostislaw Wladimirowitsch, die tscherwenischen Städte, Tscherwen, Peremüschl, Terebowl, Swenigorod u. s. w.

 

Als die Fürsten dieses festgesezt hatten, gaben sie sich darauf ihr eidlich Wort, und verbanden sich zu mehrerer Sicherheit, daß wenn einer von ihnen die Waffen ergriffe, alle gemeinschaftlich gegen ihn zu Felde ziehen sollten, bis der Beleidigte geschüzt und der Beleidiger zum Frieden gezwungen worden. Hierauf gingen sie alle freundschaftlich und vergnügt auseinander, und jeder in seine Besizungen zurück, und es war deshalb große Freude und Ruhe in ganz Rußland.

 

Der Großfürst Swätopolk Isäslawitsch kehrte in Begleitung des Fürsten David Igorewitsch von Wladimir in Wolhynien nach Kiew zurück. Hier bemerkten die Leute, welche in den Streitigkeiten und Mißhelligkeiten der Fürsten ihren Vortheil

 

 

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fanden, daß Fürst David Igorewitsch von Wladimir in Wolhynien ein wankelmüthiger und zu Fehden geneigter Mann sey, weil er gerne Verläumdern sein Ohr lieh, und selbige weder von sich entfernte, noch die Verläumdungen zu vernichten oder zu verachten wußte; sie fingen also an ihn mit folgender Verläumdung zu unterhalten: Fürst Wladimir Wsewolodowitsch von Rostow und Smolensk habe sich mit dem Fürsten Waßilko Rostislawitsch von Terebowl gegen den Großfürsten Swätopolk und gegen ihn den Fürsten David von Wladimir in Wolhynien verbunden, um beide aus ihren Besizungen zu vertreiben. Der leichtgläubige Fürst David von Wladimir nahm diese Lüge für Wahrheit auf, fing an den Großfürsten gegen den Fürsten Waßilko Rostislawitsch einzunehmen, und ihn durch folgende arglistige Reden zu beunruhigen: Man habe Verdacht, daß Fürst Jaropolk des Großfürsten Bruder, auf Anregen des Fürsten Waßilko umgebracht worden sey. Die vermeintliche Ursache die man deshalb angab war, weil Jaropolks Vater Großfürst Isäslaw I. dem Fürsten Waßilko und seinen Brüdern Wladimir in Wolhynien genommen, und solches dem Fürsten Jaropolk gegeben habe. Diesem fügte man ferner hinzu, daß die treulosen Diener des Fürsten Jaropolk sich zu den Fürsten Wolodar und Waßilko nach Peremüschl geflüchtet hätten. Fürst David rieth also dem Großfürsten, er möchte darauf denken sich selbst zu schützen und keinem unerwarteten Zufalle auszusezen.

 

 

 

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Der Großfürst wollte dieses nicht glauben und sagte zum Fürsten David: „er wisse nicht ob die Sache wahr oder eine von den Feinden der öffentlichen Ruhe ausgedachte Verläumdung sey und wolle nicht leichtsinnig glauben, auch könne niemand ohne offenbaren Nachtheil Krieg anfangen, weil alle Fürsten und er der Großfürst selbst ihr Wort darauf gegeben hätten.“ Fürst David Igorewitsch hörte nun zwar auf mit dem Großfürsten weiter davon zu reden, dieser aber fing selbst an wankelmüthig zu werden und sich mit dem Fürsten David zu berathschlagen, wie man die Macht des Fürsten Wladimir Wsewolodowitsch von Rostow und Smolensk zu gedachtem seinem vermeintlichen Unternehmen, vermindern könnte, worauf sie mit einander verabredeten, daß man den Fürsten Waßilko Rostislawitsch ausser Stand sezen müsse ihm Hülfe zu leisten.

 

Die Fürsten Wladimir Wsewolodowitsch und Waßilko Rostislawitsch wußten nichts davon, wie man sie in Kiew verläumdete. Fürst David Igorewitsch aber der den Großfürsten in seinem Gemüthe beunruhiget sahe, rieth ihm den Fürsten Waßilko nach Kiew zu rufen. Indessen traf sichs, daß Fürst Waßilko, der sich bey dem Fürsten David Swätoslawitsch von Tschernigow verweilt hatte, am 4ten November nach Kiew kam. Sobald der Großfürst Swätopolk und Fürst David Igorewitsch erfuhren, daß Fürst Waßilko Rostislawitsch in Kiew angekommen sey, und mit seinem Gepäcke bey Rudniza stehe,

 

 

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stehe, schickten sie des Morgens zu ihm und liessen ihn auf den Namenstag des Großfürsten zum Mittagsmal einladen. Fürst Waßilko, den häusliche Geschäfte zu eilen zwangen, entschuldigte sich und ließ den Großfürsten bitten, er möchte ihm dieses seiner äusersten Eile wegen nicht übel nehmen. Fürst David schickte hierauf seinen Bedienten zum Fürsten Waßilko, und ließ ihn bitten, er möchte dem Willen des Großfürsten nicht zuwider seyn, Fürst Waßilko aber entschuldigte sich wieder mit der Unmöglichkeit länger zu verweilen. Der Großfürst Swätopolk und Fürst David nahmen diese abschlägige Antwort für eine Beleidigung und für eine Art der Bestätigung vorgedachter Verläumdungen auf. Dieses verursachte eine große Bewegung in den Gemüthern der sie umgebenden Heuchler und Schmeichler, die sich verlauten ließen: Es wäre jezt deutlich genug, wie wenig Achtung Fürst Waßilko für den Großfürsten habe, weil er in dessen eigener Residenz und sogar zum Namensfeste eingeladen, nicht zu ihm kommen wolle; hieraus schlossen sie dann ferner, daß er aus keiner andern Ursache in solcher Eile nach seinem Fürstenthume reise, als um sich zu einem unversehenen Anfalle gegen den Großfürsten vorzubereiten. Fürst David trat selbst dieser Meinung bey und rieth dem Großfürsten, er solle zu ihrer beider Sicherheit dem Fürsten Waßilko zuvorkommen, ihn zu sich rufen und gefangen nehmen lassen. Der Großfürst war unentschlossen und wußte nicht was er thun sollte; seine getreuesten Räthe zusammen zu rufen

 

 

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hielt er für bedenklich, weil Fürst Waßilko da durch etwas von dem Geheimnis erfahren könnte, er folgte also dem Rathe des Fürsten David, und ließ den Fürsten Waßilko bitten, er möchte nur auf eine kurze Zeit zu ihm kommen, weil er mit ihm etwas zu sprechen habe, und sich nebst dem Fürsten David mit ihm wegen einer nöthigen Sache berathschlagen wolle. Fürst Waßilko sezte sich zu Pferde und begab sich von wenigen seiner Leute begleitet zum Großfürsten. Er begegnete zwar unterweges einem seiner Hofbedienten, der ihn versicherte, er habe von zuverläßigen Leuten erfahren, daß der Großfürst und Fürst David ihn festzunehmen beschlossen hätten; Fürst Waßilko aber hielt dieses für ungegründet und kam beym Großfürsten an, der ihn nach damaligen Gebrauch empfing. Bald darauf fand sich auch Fürst David ein. Der Großfürst bat den Füsten Waßilko, er möchte bey ihm bis zu seinem Namenstage (den 8ten November) verweilen, Fürst Waßilko aber erwiederte darauf: es würde ihm sehr angenehm seyn wenn er dem Großfürsten hierin gefällig seyn könnte, er habe aber große Ursache nach Hause zu eilen, weil sich in seinen Besizungen Unruhen entsponnen hätten; während dieser Zeit saß Fürst David stumm und sprach kein Wort. Da der Großfürst sahe, daß Fürst Waßilko sich mit gutem Grunde entschuldige, und nicht wußte was er darauf sagen sollte, bat er ihn mit ihm zu frühstücken, welches sich Fürst Waßilko gefallen ließ. Hierauf sagte er zu ihm, er möchte sich vom Fürsten David Gesellschaft leisten

 

 

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leisten lassen und gieng selbst aus dem Zimmer. Fürst Waßilko fing an mit dem Fürsten David von seiner Abreise zu sprechen, dieser aber saß nach dem Bericht der Geschichtschreiber, von seinem Gewissen geängstiget wie taub und stumm und gieng bald davon, worauf sogleich die Bedienten des Großfürsten die Thüre verschlossen, dem Fürsten Waßilko doppelte Ketten anlegten und Wache zu ihm stellten. Dieses geschahe am 5ten November; Fürst Waßilko blieb den ganzen Tag und die folgende Nacht bis zum Morgen in diesem Zustande, und bat beständig man möchte ihm sein Verbrechen anzeigen. Am 6ten November berief der Großfürst Swätopolk die ansehnlichsten Großen zusammen, und machte ihnen bekannt was Fürst David Igorewitsch ihm von den Fürsten Waßilko und Wladimir gesagt habe. Die Großen hörten die Rede des Großfürsten an und antworteten: „Es gebühret einem Fürsten seine Ehre mit Recht zu schüzen, nur muß er vorher die Wahrheit der Sache untersucht haben. Wenn David Dir die Wahrheit gesagt hat, so verdient Waßilko für sein Verbrechen gegen Dich hart gestraft zu werden; wenn dieses aber Verläumdung und Waßilko unschuldig ist, so muß der Verläumder gestraft werden.“ Ferner riethen die Großen dem Großfürsten er möchte so lange bis die Sache völlig untersucht und die Wahrheit entdeckt wäre, die Fürsten David und Waßilko auf gleiche Art begegnen, und ohne Verzug die übrigen Fürsten zusammen rufen, um ein Gericht zu veranstalten, in welchem

 

 

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die Sache untersucht und aufgeklärt, und die Strafe des Schuldigen festgesezt werden könnte. Zu eben der Zeit kam auch die von der gefänglichen Haft des Fürsten Waßilko benachrichtigte Geistlichkeit zum Großfürsten und bat um seine Befreyung, wobey sie die Worte der heiligen Schrift anführte: „Es geziemet sich nicht mit Unrecht über seinen Bruder zu zürnen;“ auch zeigte sie viele zu seiner Rechtfertigung dienende Umstände an. Der Großfürst gedachte und wünschte nach dem Rath der Großen und den Bitten der Geistlichkeit zu handeln (welches auch geschehen wäre, wenn er Zutrauen zu sich selbst gehabt und seinem Gewissen gehorcht hätte); Fürst David aber der in dem Rathe der Großen für sich keine Sicherheit fand, und befürchtete der Großfürst möchte in dieser Sache anders verfahren, als es ihm angenehm, nüzlich und nöthig war, ließ ihn nicht zur Ueberlegung kommen, und stellte ihm vor: seine, des Großfürsten, eigene Sicherheit erfordere, das der Stöhrer derselben ungesäumt und andern zum Beyspiele gestraft werde. Der Großfürst willigte zwar hierin, wollte aber durch Milderung der Strafe die Vorwürfe derer die anders dachten, vermindern. Fürst David ließ sich vernehmen: wenn der Großfürst den Fürsten Waßilko in Freyheit sezen oder in Kiew gefangen halten wollte, so möchte er sich daran erinnern, und bedenken wie es seinem Vater in einem ähnlichen Fall mit dem Fürsten Wseslaw von Polozk ergangen sey. Hier entstand nun die Frage: wo Fürst Waßilko am

 

 

 

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sichersten in Verwahrung gehalten werden könnte, da dann Fürst David leicht behaupten konnte, er müßte ihm übergeben werden, weil ihm selbst äußerst daran gelegen war, das Fürst Waßilko sicher bewacht würde. Nach vielem hierüber entstandenem Streite ward der Großfürst Swätopolk zu einer solchen Geistes Schwäche gebracht, daß er den Rath der weisen Großen verachtete, und den Fürsten Waßilko seinem Feinde dem Fürsten David übergab, welcher ihn in derselben Nacht unter guter Begleitung heimlich nach Belograd führen ließ, wo man ihn, damit niemand etwas davon erführe, in eine leere Hütte brachte. Hier verübten fünf Bediente des Großfürsten und des Fürsten David an ihm eine bis dahin in Rußland unerhörte That, indem sie ihn seines Gesichts beraubeten. Die Geschichtschreiber erwähnen, Fürst Waßilfo sey so stark gewesen, daß er sich von allen diesen fünf Leuten befreiet haben würde, wenn er einige Waffen zur Hand gehabt hätte, auch habe er sich ohne Waffen, so gut er konnte, vertheidiget. Als man ihn hierauf am sechsten Tage nach Wladimir in Wolhynien gebracht hatte, kam auch Fürst David daselbst an, welcher ungesäumt ein Heer versammelte, in die Besizungen des Fürsten Waßilko einfiel, und sich der Stadt Terebowl und anderer Städte bemächtigte, die Waßilko‘s Bruder, Fürst Wolodar Rostislawitsch nicht vertheidigen konnte.

 

Die Geschichtschreiber melden, Fürst Wladimir Wsewolodowitsch habe die ungerechte Verläumdung

 

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gegen ihn, und die daher erfolgte Blendung des Fürsten Waßilko mit Abscheu vernommen, und sich sehr über ein Unglück betrübt, dergleichen vorher nie in Rußland vorgefallen war; er habe dabey überlegt, das wenn man ein solches Uebel einreissen liesse, solches den Fall und Untergang des ganzen Reichs nach sich ziehen müsse, in welcher Rücksicht er an die Fürsten David Swätoslawitsch und Olg Swätoslawitsch geschrieben habe: „Der Großfürst Swätopolk und David Igorewitsch hätten sich an dem Fürsten Waßilko Rostislawitsch aus blossem Neide vergangen, um ihn seines väterlichen Erbes zu berauben, ohne solches ihnen den übrigen Fürsten anzuzeigen (wie solches bey der Versammlung der Fürsten festgesezt und eidlich bekräftiget worden). Wenn sie nun dieses ungestraft liessen, so möchten sie alle darunter leiden, den Polowzern aber ihren gemeinschaftlichen Feinden werde durch die Uneinigkeiten der rußischen Fürsten Gelegenheit gegeben werden, das Reich desto mehr und ungehindert zu verheeren. Da sie nun auf der Versammlung zu Ljubetsch festgesezt hätten: wenn einer der rußischen Fürsten gegen den andern mit Unrecht die Waffen ergriffe, so sollen alle Fürsten den Unschuldigen schüzen und den Schuldigen zum Frieden zwingen, und wenn es ihr Wille sey solches ins Werk zu richten, so rathe er ihnen sich bey Gorodez einzufinden, wohin er sich ungesäumt mit seinen Truppen verfügen werde.“ Die Fürsten David Swätoslawitsch und Olg Swätoslawitsch,

 

 

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die schon lange die heimliche Feindschaft des Großfürsten fürchteten, und die Eintracht zwischen ihm und dem Fürsten Wladimir Wsewolodowitsch mit neidischen Augen betrachtet hatten, entschlossen sich sogleich die Truppen auszurüsten, die sie gegen die Polowzer geworben hatten, und zogen gerades Weges vor Kiew, wo Fürst Wladimir einen Tag vor ihnen angekommen war, und seine Stellung bey einer Furth gegenüber der Stadt genommen hatte. Die Fürsten hielten gleich nach ihrer Zusammenkunft einen Rath; Fürst Olg rieth, und drang darauf, man möchte gerade nach Kiew gehen; Fürst David aber rieth, man sollte ehe keinen Krieg anfangen bis man den Großfürsten Swätopolk befragen lassen, warum er mit dem Fürsten Waßilko so umgegangen sey; denn sagte er, einen Menschen unbefragt verurtheilen und strafen, ist wider Gottes Gesez. Die Fürsten Wladimir Wsewolodowitsch und Olg Swätoslawitsch liessen sich diesen Vorschlag gefallen, und fertigten einige ihrer Großen mit gedachtem Auftrage an den Großfürsten Swätopolk ab.

 

Der Großfürst schob in seiner Antwort die Schuld auf den Fürsten David Igorewitsch, welcher ihm hinterbracht hätte, daß Waßilko in seinem Gebiet die treulosen Knechte seines, des Großfürsten, Bruders Jaropolk Isäslawitsch verberge, und das Waßilko sich mit Wladimir Wsewolodowitsch verbunden habe, um ihm, dem Großfürsten, Turow, Pinsk, Brest und Pogorünä zu nehmen; er habe also seinen Feind blos zu seiner Selbstvertheidigung

 

 

 

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gedemüthiget, und ihn dem Fürsten David Igorewitsch übergeben, welcher ihn mit sich genommen habe, und mit ihm nach seinem Gutbefinden verfahren sey. Die Gesandten erwiederten, sie wüßten sehr wohl, das Fürst Waßilko in Kiew im Hause des Großfürsten gefangen genommen worden, und das mit ihm nichts ohne des Großfürsten Willen geschehen sey, worauf sie ohne weitere Antwort zu erhalten zurück kehrten.

 

Nach der Rückkunft der Gesandten beschlossen die Fürsten David, Olg und Wladimir am folgenden Morgen gegen Kiew vorzurücken, und liessen den Kiewern bekannt machen: wenn sie nicht zugleich mit Swätopolk zu Grunde gerichtet seyn wollten, so möchten sie sich seiner als eines Eidbrüchigen und Uebertreters der Geseze nicht annehmen. Als der Großfürst von der Annäherung der Fürsten Nachricht erhielt, und sich auf die Kiewer, bey denen er nicht beliebt war, nicht verlassen konnte, wollte er aus Kiew entweichen, einige Kiewer aber hielten ihn auf und riethen ihm, seinen Hochmuth fahren zu lassen, Stadt und Land nicht der Verheerung auszusezen, sondern vielmehr auf Mittel zu denken, sich mit den Fürsten zu verSöhnen. In dieser Gesinnung sandte man die Großfürstin Anna, zweyte Gemahlin des Großfürsten Wsewolod Jaroslawitsch und Stiefmutter des Fürsten Wladimir, nebst dem Mitropoliten Nikifor an Wladimir ab, mit der Bitte: die Fürsten möchten keinen Krieg

 

 

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anfangen, und die Residenz ihrer Väter und Großväter nicht verwüsten, damit die ungläubigen Feinde keine Gelegenheit fänden sich über die innerlichen Unruhen (zwischen den rußischen Fürsten) zu freuen; denn sagten sie, wenn die Fürsten Krieg anfangen sollten, so würden die Feinde, die Polowzer, bald gerüstet erscheinen, und sich des Landes bemächtigen, das ihre der Fürsten Väter und Vorfahren mit vieler Mühe und Tapferkeit erworben und in Ordnung gebracht hätten. Ferner sagten sie, der Großfürst Swätopolk erkenne sein Vergehen, bereue das Geschehene und verspreche, so weit es ihm möglich seyn werde nach der Fürsten Willen zu handeln, sie bäten daher, als Gesandte, für ihn und für sich selbst, wobey sie die Fürsten umständlich zur Bruderliebe und Erhaltung des Reichs ermahnten. Fürst Wladimir wurde durch diese Vorstellungen gerührt und sprach: „Wohl wahr, daß unsere Väter und Vorfahren Rußland beschüzt, vergrößert, und in gute Ordnung gebracht haben, wir aber suchen es zu Grunde zu richten, indem der Großfürst Swätopolk und Fürst David Igorewitsch jezt eine solche Frevelthat begangen haben, dergleichen bisher in Rußland unerhört gewesen ist; wenn wir sie also jezt nicht zähmen, so müssen wir noch grösseres Unheil befürchten; Noth und Selbsterhaltung zwingen uns also zu einem Kriege, von dem wir nicht unverrichteter Sachen, und ohne gehörige Anordnungen zu

 

 

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treffen abstehen können.“ Nachdem Wladimir Wsewolodowitsch die Sache mit dem Fürsten Olg und David reiflich überlegt hatte, gab er endlich den Bitten und Ermahnungen seiner Stiefmutter nach, die er aus Ehrerbietung gegen seinen Vater als seine eigene Mutter ehrte, er bezeigte zugleich seine Hochachtung für den heiligen Stand des Mitropoliten, und versprach für sich und die Fürsten Olg und David Frieden zu schliessen, wenn der Großfürst Swätopolk ihren gerechten Forderungen nicht zuwider seyn würde.

 

Die Großfürstin Anna und der Mitropolit kehrten mit dieser Antwort der Fürsten nach Kiew zurück, und machten selbige dem Großfürsten Swätopolk und den vornehmsten Großen bekannt.

 

Der Großfürst fürchtete vor allen den Fürsten Wladimir Wsewolodowitsch, welches man den Gesinnungen zuschrieb, die Fürst David Igorewitsch bey ihm erregt hatte. Die Großfürstin Anna, der Mitropolit und die mit ihnen gewesenen Großen versicherten ihm zwar, daß Fürst Wladimir ihn vor allen andern bedaure, und den Frieden zu befördern suche, sie konnten ihn aber kaum bewegen ihren Worten zu glauben. Indessen riethen ihm alle Großen zum Frieden, worauf er den Fürsten Wladimir ersuchen lies, die Fürsten möchten Gesandte zur Schliessung eines Vertrages abfertigen. Die Fürsten schickten hier auf ihre Gesandte nach Kiew, die nach vielem Streit folgenden Vertrag zu Stande brachten:

 

 

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1) Der Großfürst Swätopolk soll selbst gegen den Fürsten David Igorewitsch, von dem er so arglistig betrogen worden, zu Felde ziehen, und ihn als einen Friedensstöhrer gefangen den Fürsten zum Gericht überliefern, oder ihn aus Wladimir in Wolhynien vertreiben. 2) Er soll den Fürsten Waßilko Rostislawitsch befreyen, und ihm seine Besizungen mit Vergütung alles Schadens wiedererstatten. Beide Theile bekräftigten diesen Vertrag mit einem Eide und giengen auseinander.

 

Unterdessen ward Fürst Waßilko zu Wladimir in Wolhynien scharf bewacht und niemand zu ihm gelassen, damit er nicht etwas erfahren und mit den Fürsten Unterhandlungen anfangen möchte. Als sich hierauf die Zeit der Großen Fasten näherte, traf sichs, daß Silvester Abt des widobischen Klosters zum heiligen Michael, zur Besuchung der Schulen und Unterweisung der Lehrer, nach Wladimir in Wolhynien kam. Fürst David Igorewitsch hatte indessen vernommen, daß die Fürsten Wladimir, Olg und David gemeinschaftlich gegen den Großfürsten zu Felde gezogen wären, selbigen zum Frieden gezwungen und gegen ihn, den Fürsten David, gemeine Sache gemacht hätten; er gerieth hierüber in große Verlegenheit und begann darauf zu denken, wie er sich mit dem Fürsten Waßilko verSöhnen könnte. Er sandte in einer Nacht nach dem Abt Silvester und bediente sich seiner zur Vermittelung des Friedens. Der Abt Silvester schreibt,

 

 

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daß er einsmals da er mit dem Fürsten Waßilko Rostislawitsch allein gewesen von ihm unter andern folgendes gehört habe: „Er, Fürst Waßilko, höre von den Bedienten des Fürsten David, daß dieser ihn den Polen, mit denen er im beständigen Streit gewesen, übergeben wolle; er fürchte den Tod nicht und habe jederzeit dafür gehalten, daß fürs Vaterland zu sterben eine löbliche und ewigen Ruhms würdige That sey. Da er erfahren hätte, daß die Berenditschen, Torken und Petschenegen freiwillig in seine „Dienste treten wollten, sey er Willens gewesen, den Großfürsten Swätopolk, nebst den Fürsten Wladimir und David um Truppen zu bitten, um mit selbigen zuerst gegen die Polen zu Felde zu ziehen, und sie dergestalt zu schwächen, daß sie Rußland inskünftige keinen Schaden thun könnten; nach diesem habe er die Bolgaren an der Donau bekriegen und die gemachten Gefangenen in seinen Besizungen ansezen, hierauf aber die Polowzer bändigen und schwächen wollen, um dadurch Rußland von allen Seiten Ruhe zu schaffen; wider seine Brüder aber und die übrigen Fürsten habe er nie etwas im Sinne gehabt.“

 

Nach einigen Unterhandlungen in welchen Fürst David dem Fürsten Waßilko die Freyheit und Wiedergabe einiger Städte versprach, erbat sich Fürst Wailko vom Fürsten David einen seiner Bedienten und sandte selbigen an den

 

 

 

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Großfürsten Swätopolk und den Fürsten Wladimir, mit der Bitte; sie möchten seinetwegen kein Christenblut vergiessen, da er ihnen bekannt mache, daß er mit dem Fürsten David einen Vertrag und Frieden zu schliessen gesonnen sey. Da der Großfürst und Fürst Wladimir erfuhren, daß Waßilko und David sich verSöhnen wollten, und dabey die Beschwerlichkeiten des Weges in Betrachtung zogen, kehrten sie ohne den Frieden abzuwarten zurück.

 

Sobald Fürst David von dieser Rückkehr hörete, vergaß er das dem Fürsten Waßilko gegebene Wort, und faßte den Entschluß anstat der versprochenen Befreyung und Wiedergabe der Städte, im Frühlinge die übrigen Städte des Fürsten Waßilko und seines Bruders Wolodar einzunehmen, wozu er mit einem Heere aufbrach. Fürst Wolodar Rostislawitsch versammelte auf die hievon erhaltene Nachricht sogleich so viele Truppen als er habhaft werden konnte, rief die Ungarn zu Hülfe, und zog dem Fürsten David entgegen, welchen er bey Bushk antraf. Die Geschichtschreiber berichten, daß Fürst David Igorewitsch wenig Herzhaftigkeit und Tapferkeit besessen und deshalb sich in Bushk eingeschlossen habe. Fürst Wolodar hatte zwar viel weniger Truppen, erschien aber ohne Verzug vor Bushk, umringte die Stadt, so daß niemand weder herein noch heraus konnte, und ließ dem Fürsten David sagen: er solle seinen Bruder zu ihm

 

 

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entlassen und ihm die eroberten Städte wiedergeben, in welchem Fall er mit ihm Frieden schliessen, widrigenfalls aber ihn als einen Räuber behandeln werde. Fürst David schickte hierauf sogleich nach dem Fürsten Waßilko, ertheilte ihm die Freyheit und versprach dabey, ohne Verzug alle Städte zurück zu geben, worauf der Friede geschlossen wurde und alle auseinander giengen.

 

Fürst Waßilko blieb in Terebowl, Wolodar aber kehrte nach Peremüschl zurück. David kam nach Wladimir in Wolhynien und bemühete sich die übrigen Städte, welche er nach dem Vertrage den Fürsten Waßilko und Wolodar erstatten sollte, für sich zu behalten, weil, wie er sagte, Fürst Waßilko bey seinem Auffenthalt zu Wladimir in Wolhynien ihm selbige abgetreten hätte.

 

Als die Fürsten Wolodar und Waßilko diese Zweyzüngigkeit und Unbeständigkeit des Fürsten David sahen, brachten sie im Anfange des folgenden Frühlings ein Heer auf, zogen gegen ihn zu Felde und ließen den Fürsten Wladimir, den sie von dem arglistigen Verfahren des Fürsten David benachrichtigten, um Hülfe bitten.

 

Fürst David brachte zwar ungesäumt ein Heer zusammen, und zog den Fürsten Wolodar und Waßilko bis Wsewolosh entgegen, da sich aber gedachte Fürsten näherten, wagte es David nicht ihnen im Felde die Spize zu bieten, sondern kehrte nach Wladimir in Wolhynien zurück

 

 

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und schloß sich mit seinen Truppen in dieser Stadt ein, auf deren Befestigung er sich verließ.

 

Die Fürsten Wolodar und Waßilko kamen vor Wsewolosh und bemächtigten sich ungesäumt dieser Stadt mit stürmender Hand, hierauf rückten sie vor Wladimir in Wolhynien, umringten die Stadt und liessen den Einwohnern kund thun: daß sie nicht gegen die Stadt noch gegen die Einwohner derselben ausgezogen wären, sondern gegen den Fürsten David und seine bösen Rathgeber Tjurjuck, Lasar und Waßilii, die den Fürsten David zum Bösen verführt hätten und auf deren Rath er einen der Brüder geblendet, und sich ihrer Städte bemächtiget, hierauf nach geschlossenem und eidlich bekräftigten Frieden sein gegebenes Wort gebrochen habe und die gedachten Städte nicht abliefern wolle; sie forderten also daß diese bösen Rathgeber ihnen ausgeliefert würden, wogegen sie den Wladimiren und ihrer Stadt Frieden versprachen. Die Bürger hielten einen öffentlichen Rath, schickten zum Fürsten David Igorewitsch und liessen ihm die Forderung der beyden fürstlichen Brüder bekannt machen. Fürst David dem dieses sehr nahe gieng, befahl den Räthen heimlich davon zu reisen, und sagte denen an ihn abgefertigten Personen, daß diese Räthe nicht bey ihm wären. Da er aber hierauf befürchtete das Volk möchte sich empören und den Fürsten die Thore öffnen, ließ er sie wieder zu sich rufen und überlieferte die Räthe Tjurjuck, Lasar und Waßilii dem Volke, dieses aber schickte sie den Fürsten

 

 

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Wolodar und Waßilko zu, welche noch an denselben Tage einen Frieden schlossen und die bösen Rathgeber henken liessen.

 

Im Jahre 1098 erfuhr der Großfürst Swätopolk, daß Fürst David Igorewitsch von den Fürsten Wolodar und Waßilko überwunden wäre, und brach mit einem Heere gegen Berest auf, um nach seinem den Fürsten gegebenen Worte den Fürsten David zu vertreiben, mehr aber um seinem Sohne den Besiz von Wladimir in Wolhynien zu verschaffen. Fürst David reisete auf diese Nachricht nach Polen zum Könige Wladislaw, um von ihm Hülfe zu erbitten. Die Polen empfingen von ihm viele Geschenke und funfzig Griwen Gold, wogegen sie ihm Truppen zu geben versprachen, nachher aber sagten sie, der Großfürst Swätopolk habe den König Wladislaw zu einer Zusammenkunft in Berest eingeladen, wohin er ihn begleiten möchte; sie versprachen dabey zwischen ihm und dem Großfürsten Frieden zu stiften. Fürst David war zwar hiemit nicht sehr zufrieden, reisete aber doch mit dem Könige nach Berest ab. Als sie da selbst ankamen, stand der Großfürst Swätopolk in der Stadt, dem Könige Wladislaw aber und seiner Begleitung, war eine Gegend am Flusse Bug angewiesen. Am folgenden Morgen kam König Wladislaw mit vielen seiner Großen in die Stadt; der Großfürst Swätopolk schickte ihm seinen Sohn bis zum Hofplaz entgegen, empfing ihn selbst mitten im Saale, und veranstaltete ihm zu Ehren ein großes Gastmal.

 

 

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Am folgenden Tage lud König Wladislaw den Großfürsten Swätopolk zu sich zur Mittagstafel, der Großfürst kam mit allen seinen Großen zu ihm über den Bug, und ward vom Könige und seinen Großen am Ufer empfangen, und man belustigte sich den ganzen Tag. Des Abends begleitete König Wladislaw den Großfürsten wiederum bis zum Ufer des Bugs. Nach diesem hatten sie öftere Zusammenkünfte um sich ihre Angelegenheiten zu besprechen, bey welcher Gelegenheit unter andern die Vermählung des königlichen Prinzen Boleslaw mit einer Tochter des Großfürsten Swätopolk verabredet, weil aber beyde noch in Kindesjahren waren, die Vermählung auf fünf Jahre verschoben wurde.

 

Die Polen vergaßen die vom Fürsten David erhaltene Geschenke und versprachen dem Großfürsten gegen diesen Fürsten gemeinschaftliche Sache zu machen, ihn aus Wladimir in Wolhynien zu vertreiben, und wenn er von da nach Polen flüchten sollte, ihn nicht aufzunehmen, oder ihn dem Großfürsten gefangen zu überliefern, welcher Vertrag mit einem Eide bekräftiget wurde. Nach diesem machte König Wladislaw dem Fürsten David bekannt, er habe den Großfürsten nicht zum Frieden bewegen können, weshalb er nach Hause reisen und sich zum Kriege anschicken möchte; er verspreche indessen ihn im äußersten Nothfalle nicht zu verlassen. Fürst David kehrte also unverrichteter Sache nach Wladimir in Wolhynien zurück, der Großfürst Swätopolk aber schickte nach gehaltenem Kriegsrathe einen

 

 

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Theil seines Heeres gegen Pinsk und begab sich selbst nach Dorogobusch, wo er seine Truppen abwartete und mit ihnen gegen Wladimir in Wolhynien vorrückte. Fürst David besaß weder Macht noch Herzhaftigkeit genug um dem Großfürsten Swätopolk im Felde zu widerstehen, und schloß sich daher in die Stadt ein, welche der Großfürst umringte und sieben Wochen lang belagert hielt. Als Fürst David Igorewitsch endlich sahe, daß er weder von den Polen noch sonst von irgend jemand Hülfe erwarten könne, daß die Einwohner von Wladimir wegen der Enge des Raums und des Mangels an Lebensmitteln große Noth litten, und die Großen ihm beständig zum Frieden riethen, schickte er Gesandte an den Großfürsten und ließ ihn um Frieden, um einen freyen Abzug aus Wladimir in Wolhynien und um die Abtretung von Tscherwen bitten. Der Großfürst wollte sich zwar anfangs nicht hiezu bequemen, willigte aber nach vieler Bitte darin, da denn der Friede geschlossen und eidlich bekräftiget wurde. Fürst David zog mit seiner Gemahlin, seinen Kindern und Bedienten und seinem ganzen Vermögen aus der Stadt, und begab sich nach Tscherwen, der Großfürst aber hielt seinen Einzug in Wladimir, wo er von den Bürgern mit großen Feyerlichkeiten empfangen wurde.

 

Als Fürst David Igorewitsch in Tscherwen angekommen war und den geringen Umfang seiner Besizung sahe, war er zwar sehr betrübt, er ließ aber nicht alle Hofnung fahren, sondern dachte vielmehr

 

 

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darauf, wie er den Großfürsten unversehens aus Wladimir in Wolhynien vertreiben könnte, weshalb er sich wiederum zum Könige Wladislaw nach Polen begab.

 

Nachdem der Großfürst Swätopolk den Fürsten David vertrieben und mit ihm Frieden geschlossen hatte, beschloß er die Macht der Fürsten Wolodar und Waßilko zu schwächen. Weil er nun dieses für sehr leicht hielt, so schickte er zu ihnen und ließ ihnen kund thun: Wladimir in Wolhynien und das ganze Land Tscherwen habe zum Gebiet seines Vaters und seines Bruders Jaropolk Isäslawitsch gehört, sie möchten also so lange bis ihnen andere Besizungen angewiesen würden Peremüschl behalten und ihm alle tscherwenischen Städte ohne Krieg abtreten.

 

Die Geschichtschreiber melden, die Fürsten Wolodar und Waßilko hätten hierauf folgendes geantwortet: „Unser Großvater Fürst Wladimir Jaroslawitsch war der älteste Bruder Deines Vaters Isäslaw Jaroslawitsch und unser Vater Fürst Rostislaw Wladimirowitsch hatte das Alter vor Dir. Nach unsers Großvaters des Fürsten Wladimirs Tode gab Dein Vater der Großfürst Isäslaw Jaroslawitsch unserm Vater die Stadt Wladimir in Wolhynien mit dem ganzen Lande Tscherwen, wogegen die Fürsten Swätoslaw Jaroslawitsch und Wsewolod Jaroslawitsch weit größere Besizungen als unser Vater erhielten; was aber verliehen wurde das ward durch einen Eid bestätiget, worüber

 

 

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wir Deines Vaters Briefe haben. Nach dem Tode unsers Vaters blieben wir zwar klein nach, Dein Vater aber gedachte des unserm Vater gegebenen Worts, und nahm uns Wladimir in Wolhynien nicht; da aber Dein Vater verstorben war, achtete Dein Bruder Fürst Jaropolk Isäslawitsch weder der eidlichen Versicherung seines Vaters, noch der Ermahnung seines Vetters des Großfürsten Wsewolod, und raubte uns Wladimir in Wolhynien, wir aber ließen uns daran genügen was wir damals erhielten, und uns Dein Bruder mit einem Eide zusicherte. Wir verlangen jezt nichts mehreres von Dir, wenn Du aber mit dem Deinigen nicht zufrieden, uns unsers väterlichen Erbes berauben willst, so stellen wir dieses dem Gerichte Gottes anheim; er gebe es wem er wolle, wir aber werden Dir kein Dorf geben, sondern bitten ergebenst, Du wollest der Versicherung Deines Vaters und Deines auf der Versammlung der Fürsten gegebenen Wortes gedenken und uns in Ruhe lassen; wir aber die Dich mit nichts beleidiget haben, und Dich jederzeit als den Großfürsten und Aeltesten unsers Stammes ehren, versprechen in diesen Gesinnungen zu beharren.“

 

Der Großfürst Swätopolk ließ sich indessen nicht zur Aenderung seines Entschlusses bewegen, sondern zog mit einem Heere gegen sie. Die Fürsten Wolodar und Waßilko zogen alle ihre Truppen zusammen und trafen den Großfürsten auf dem Felde Roshie, wo beyde Heere sich in Schlachtordnung stelleten,

 

 

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und sich einander näherten. Da Fürst Waßilko nicht selbst fechten konnte, nahm er anstatt der Waffen ein Kreuz in die Hand, hob selbiges in die Höhe, ritt vor dem Heere umher und sprach: „Swätopolk hat mir bey Küssung dieses Kreuzes versprochen, uns zu schüzen und zu lieben, er ist aber dessen nicht eingedenk, sondern hat mich zuerst meines Gesichts beraubt und will mich jezt auch meines Lebens und meines Erbes berauben; Gott sey Richter zwischen uns! , Hiedurch flößte Fürst Waßilko seinen Truppen so vielen Muth ein, daß sie alle mit großer Begierde, und mit dem Entschluß zu sterben oder zu siegen ins Treffen giengen, welches sogleich seinen Anfang nahm. Fürst Wolodar that ungeachtet der überlegenen Macht des großfürstlichen Heeres einen herzhaften Angriff, seine Truppen folgten seinem Beispiele, Fürst Waßilko ritt unter dem Heere herum, munterte die Truppen auf und stärkte sie durch seine Ermahnungen, so daß die Armee des Großfürsten bald zum Weichen gebracht ward. sobald die Fürsten Wolodar und Waßilko das großfürstliche Heer völlig geschlagen hatten, blieben sie auf dem Schlachtfelde stehen, verboten die Flüchtigen zu verfolgen und sprachen: „Wir sind nicht gekommen fremde Länder zu verheeren und Leute zu erschlagen, sondern uns und unser Gebiet zu vertheidigen; da uns nun Gott hierinnen seine Hülfe gezeigt hat, so sind wir nicht gesinnt unsern Fuß in ein fremdes Gebiet zu sezen.“

 

Vierter Band 1783.

 

 

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Der Großfürst Swätopolk begab sich in Begleitung seiner von einer Beyschläferin erzeugten Söhne Mstislawez und Jaroslawez, seines Neffen des Fürsten Jaroslaw Jaropoltschitsch und des Fürsten Swätoscha Davidowitsch, eines Sohnes des Fürsten David Swätoslawitsch, nach Wladimir in Wolhynien, wohin ihm seine übriggebliebene Truppen folgten. Nach einem kurzen Aufenthalt daselbst, ließ er seinen Sohn Mstislawez in dieser Stadt, schickte seinen Sohn Jaroslawez nach Ungarn um von seinem Eidame Hülfe zu erbitten, und kehrte selbst nach Kiew zurück. Jaroslawez erbat vom Könige Koloman von Ungarn ein Heer, bey welchem sich zwey Bischöfe Koman und Laurentius befanden, und zog mit selbigem über die Gebürge ins Gebiet der Fürsten Wolodar und Waßilko. Fürst Wolodar der hievon Nachricht erhielt befestigte Peremüschl und bereitete sich mit allem möglichen Eifer zur Gegenwehr.

 

In demselben Jahre legte Fürst Mstislaw Wladimirowitsch in Nowgorod in der alten Stadt eine Kirche zur Verkündigung der heiligen Mutter Gottes an.

 

Im Jahre 1099 kam Fürst David Igorewitsch unverrichteter Sachen aus Polen zurück, und fand für gut mit den Fürsten Wolodar und Waßilko gemeine Sache zu machen, und sich mit ihnen zu verbinden. Er reisete in dieser Absicht nach Peremüschl wo man ihn mit Ehre und Freundschaft aufnahm, und sich mit ihm gemeinschaftlich wegen der

 

 

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Vertheidigung gegen die Ungarn berathschlagte. Fürst Wolodar Rostislawitsch gedachte ohne die Polowzer zu Hülfe zu rufen sich in der Stadt zu vertheidigen, und ließ zugleich den König Koloman von Ungarn mit folgenden Worten um Frieden bitten: „Du bist unser naher Verwandter von Seiten unserer Mutter der Fürstin Anna; da wir Dich nun nicht beleidiget haben, so solltest Du uns Wohlthaten erzeigen, Du hilfst aber Swätopolken in seinem Unrecht, der uns versprochen hat mit uns in Frieden zu leben, und uns gegen unsere Widersacher zu schüzen, jezt aber ohne alle unsere Schuld uns unsers väterlichen Erbes berauben will.“ Die Geschichtschreiber melden, der König von Ungarn sey zum Frieden geneigt gewesen, Swätopolk aber habe nicht eher Frieden schliessen wollen, bis er die beyden Fürsten aller ihrer Besizungen beraubt hätte, weshalb Fürst Wolodar gezwungen gewesen sich den Vorschlag des Fürsten David Igorewitsch, daß man die Polowzer zu Hülfe rufen sollte, gefallen zu lassen. Fürst David ließ seine Gemahlin bey ihrem Bruder dem Fürsten Wolodar, und reisete selbst ohne Verzug zu den Polowzern.

 

Um diese Zeit kam Jaroslawez mit dem Könige Koloman von Ungarn vor Peremüschl, welches sogleich umringt ward. Der König stand mit seinem Gepäcke an dem Flusse Wagrutsch, Fürst Wolodar aber schloß sich in die Stadt ein. Fürst David Igorewitsch begegnete auf seinem Wege den polowzischen Fürsten Bonak, welcher

 

 

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auf Ansuchen der großfürstlichen Gesandten mit 8000 Mann anrückte.

 

Fürst David Igorewitsch brachte den polowzischen Fürsten durch Verheissung einer von den Ungarn zu machenden reichen Beute auf seine Seite, und kam mit ihm nach Peremüschl zurück.

 

Der polowzische Fürst Bonak theilte am frühen Morgen sein Heer in drey Haufen, von welchen er zwey mit dem Fürsten David Igorewitsch im Hinterhalte ließ, den dritten aber selbst gegen die Ungarn, anführte, zugleich fertigte er den Fürsten Altunop mit 50 Mann ab, um die ungarische Armee auszukundschaften und zu dieser Absicht Gefangene zu machen. Altunop erschien vor dem ungarischen Heer, ließ seine Leute einmal ihre Pfeile abschiessen und kehrte zum Fürsten Bonak zurück. Bonak näherte sich der ungarischen Armee und grief sie an, schien aber nach einem kurzen Gefechte zu weichen. Die Ungarn die solches für eine wirkliche Flucht hielten, rückten vor, verliessen ihre Schlachtordnung und verfolgten ihn, wurden aber als sie den Hinterhalt vorbey waren, vom Fürsten David Igorewitsch und den bey ihm befindlichen Truppen im Rücken angegriffen; sie wollten sich zwar hierauf wieder in Ordnung stellen, die Polowzer aber liessen sie nicht dazu kommen, und versperreten ihnen von allen Seiten den Weg.

 

Um diese Zeit erfuhr auch Fürst Wolodar Rostislawitsch, daß Fürst David Igorewitsch mit den Polowzern angekommen wäre, und that aus der

 

 

 

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Stadt einen Ausfall aufs ungarische Lager, wodurch die Ungarn völlig in Unordnung geriethen, ihr Gepäcke verliessen und flohen. Fürst David Igorewitsch und Fürst Bonak verfolgten sie zwey Tage lang und machten viele Gefangene; auch kamen viele Ungarn bey der Ueberfahrt über die Flüsse San und Wagrutsch ums Leben, andre aber und unter diesen die beiden ungarischen Bischöfe waren auf dem Schlachtfelde geblieben. Der König Koloman von Ungarn rettete sich selbst nicht ohne Mühe und kam mit wenigen Leuten in sein Land zurück.

 

Nach diesem Siege über die Ungarn feierten die rußischen Fürsten Gott dem Herrn ein Dankfest.

 

Die Fürsten Wolodar und Waßilko dankten dem Fürsten David Igorewitsch sehr, daß er die Polowzer herbey geführt hatte.

 

Die Polowzer wurden nach dem Siege über die Ungarn von den rußischen Fürsten beschenkt, und mit Ehren entlassen.

 

Als der Großfürst Swätopolk hievon in Wladimir in Wolhynien Nachricht erhielt, ließ er seine Söhne daselbst zurück und begab sich selbst nach Kiew. Fürst David Igorewitsch versäumte nun keine Zeit, er nahm die Truppen der Fürsten Wolodar und Waßilko zu sich, bemächtigte sich sogleich der Städte Tscherwen und Suten und erschien vor Wladimir in Wolhynien, worauf sich Swätopolks Sohn Jaroslawez nach Polen begab, dessen Bruder Mstislawez aber sich mit den bey ihm

 

 

 

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befindlichen Berestern, Pinskern, und Wügoschewzern in die Stadt einschloß. Fürst David umringte die Stadt und that öftere Angriffe. Einsmals rückten seine Truppen vor den Schießplaz, und es kam zu einem Gefechte, in welchem es von allen Seiten Pfeile regnete und Mstislawez Swätopoltschisch unversehens von einem Pfeile unter der Achsel getroffen ward, wovon er gleich nach dem Gefecht am 12ten Junius in der Nacht starb. Da die Anführer der Truppen besorgten, die Leute möchten hiedurch zur Uebergabe der Stadt bewogen werden, hielten sie seinen Tod drey Tage lang geheim, und machten ihn am vierten Tage des Abends dem Volke mit folgenden Worten bekannt: „obgleich unser Fürst umgekommen ist, so müssen wir doch die Stadt nicht übergeben so lange wir uns noch halten können.“ Sie liessen den Fürsten David um einen freyen Durchzug bitten, schickten hierauf zum Großfürsten Swätopolk und liessen ihm sagen, das sein Sohn erschossen worden, und die Leute in der Stadt vom Hunger entkräftet wären, wenn er ihnen nicht Truppen zu Hülfe schicken würde, so würden sie gezwungen seyn, sich dem Fürsten David zu übergeben.

 

Der Großfürst war über diese Nachricht sehr betrübt, fertigte aber bald seinen Feldherrn Putäta mit einigen Truppen ab, und ließ zugleich den damals in Luzk befindlichen Fürsten Nikola Swätoscha bitten, er möchte zum Entsaze der Stadt Wladimir in Wolhynien behülflich seyn.

 

 

 

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Fürst David Igorewitsch hatte damals Gesandte an den Fürsten Nikola Swätoscha geschickt, um mit ihm einen Vertrag und Bündnis gegen den Großfürsten Swätopolk zu schliessen. Fürst Nikola Swätoscha hatte sich zwar zu keinem Bündnisse mit den Fürsten David entschliessen wollen, hatte ihm aber versprochen keinen Antheil am Kriege zu nehmen. Sobald indessen der Feldherr Putäta mit seinen Truppen vor Luzk ankam und die Bitte und Versicherung des Großfürsten bekannt gemacht hatte, änderte Fürst Nikola Swätoscha seine Meynung, ließ die Gesandten des Fürsten David festnehmen und ins Gefängnis sezen, vereinigte sich sogleich mit Putäta, zog mit der Armee gegen den Fürsten David zu Felde, und erschien am 5ten August zur Mittagszeit vor Wladimir in Wolhynien. Fürst David Igorewitsch, der sich auf die Versicherung des Fürsten Nikola Swätoscha verließ und die Antwort des Großfürsten wegen eines zu schliessenden Friedens erwartete, stand ohne Vorsicht vor der Stadt und hielt selbst Mittagsruhe, als ihn Fürst Nikola Swätoscha unversehens überfiel und das Gefecht anfing, worauf auch die Belagerten einen Ausfall thaten und seine Truppen angriffen. Fürst David Igorewitsch gewann kaum so viele Zeit um sich mit seinem Neffen Mstislaw und einigen wenigen seiner Leute mit der Flucht zu retten, seine übrige Truppen aber verliefen sich. Fürst Nikola Swätoscha hielt seinen Einzug

 

 

 

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in Wladimir in Wolhynien, sezte daselbst einen gewissen Waßilii zum großfürstlichen Stadthalter ein, und kehrte selbst nach Luzk zurück.

 

Fürst David der sehr darüber aufgebracht war, das Fürst Nikola Swätoscha sein Wort gebrochen hatte, reisete wiederum ins polowzische Gebiet zu dem polowzischen Fürsten Bonak, schloß mit selbigem einen Vertrag, erschien hierauf ungesäumt vor Luzk, und belagerte die Stadt. Da Fürst Rikola seine Schwäche sahe, und überdem wußte, daß die Einwohner von Luzk ihn haßten und die Stadt ohne seinen Befehl übergeben wollten, war er gezwungen um Frieden zu bitten. Fürst David entließ ihn zu seinem Vater nach Tschernigow, nahm selbst Luzk in Besiz und zog gegen Wladimir in Wolhynien. Jezt verließ der großfürstliche Stadthalter die Stadt und gieng davon, Fürst David zog in sein voriges Fürstenthum Wladimir wieder ein, und der Krieg erreichte hiemit von beyden Theilen sein Ende.

 

Bald darauf berief der Großfürst die Fürsten zu Recht und Gericht nach Kiew.

 

Am 18ten August desselben Jahres legte Fürst Wladimir Wsewolodowitsch Gorodez an der Wstra an, welches vorher von den Polowzern verheeret worden war, und besezte es mit neuen Einwohnern.

 

Im Jahre 1100 am 10ten Junius gieng Fürst Mstislaw ein Neffe des Fürsten David Igorewitsch zur See um Kauffahrer aufzufangen.

 

 

 

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In demselben Jahre lud der Großfürst Swätopolk, der seinen Krieg mit dem Fürsten David Igorewitsch nicht länger fortsezen wollte, die Fürsten zur Berathschlagung ein. Die Fürsten Wladimir Wsewolodowitsch, David Swätoslawitsch und Olg Swätoslawitsch kamen am 30sten Junius bey Wätitschew zusammen, Wolodar Rostislawitsch schickte Gesandte um seine Beschwerden anzubringen, auch fand sich am 2ten Julius Fürst David Igorewitsch bey ihnen ein, worauf man sich wegen Beendigung der durch David Igorewitsch erregten innerlichen Unruhen berathschlagte. Um diese Zeit kam Fürst David Igorewitsch ins Zelt, in welchem alle Fürsten auf einem Teppiche saßen, und ward nach gewöhnlicher Begrüßung auf den selben Teppich zum Sitzen genöthiget. Da er aber sahe, das ihm niemand etwas von der Ursache der Zusammenkunft eröfnete, fragte er: „wozu habt ihr mich hieher berufen? hat jemand eine Sache zu mir, so zeigt mirs an, ich bin bereit euch zu antworten.“ Hierauf erwiederte Fürst Wladimir Wsewolodowitsch: „Du hast zu uns geschickt und uns sagen lassen, daß Du von dem Großfürsten Swätopolk beleidiget seyst, und daß wir zusammen kommen und die Sache untersuchen möchten, um derentwillen Du selbst zu uns zu kommen versprochen hast. Da wir nun Ruhe und Frieden zu sehen wünschen, haben wir uns auf Dein Verlangen versammelt; nun bist Du angekommen und erwähnest Deiner

 

 

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Beschwerden nicht, wir aber haben keine Ursache Dir solche anzuzeigen.“

 

Fürst David Igorewitsch hörte dieses an, konnte aber nichts darauf antworten, weil er, seines Unrechts bewußt, von dem Großfürsten vor allen Fürsten überwiesen zu werden befürchtete. Jezt giengen alle Fürsten aus dem Zelt, sezten sich zu Pferde, und berathschlagten sich, jeder Fürst besonders mit seinen Großen, so wie es damals im Gebrauch war, daß man sich zu Pferde sezte, wenn etwas nöthiges zum Schluß gebracht werden sollte. Fürst David Igorewitsch saß von allen abgesondert, weil über ihn Gericht gehalten wurde, und die Fürsten ihn nicht zu sich liessen. Sie kamen hierauf nach gepflogener Berathschlagung alle zusammen und sezten fest: Fürst David Igorewitsch solle des Besitzes von Wladimir in Wolhynien entsezt werden, und Bushesk erhalten, mit welchem Schluß man von Seiten des Großfürsten den Feldherrn Putäta, von Seiten des Fürsten Wladimir Wsewolodowitsch, die Feldherrn Orgost und Ratibor, und von seiten der Fürsten David Swätoslawitsch und Olg Swätoslawitsch den Feldherrn Tortschin an den Fürsten David abschickte, die ihm folgendes bekannt machten: „Da er den Saamen schwerer Zwietracht in Rußland ausgestreuet, das Schwerd unter die Brüder geworfen, und dadurch viel unschuldiges Blut vergossen habe, so sey es nicht anständig ihm Wladimir in Wolhynien zu ertheilen,

 

 

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der Großfürst Swätopolk gebe ihm aber für sich anstatt dessen Bushesk, Ostrog, Dubno und Tschertorüsk (alles Städte in Wolhynien); Fürst Wladimir gebe ihm aus brüderlicher Liebe zur Vergütung der Unkosten 200 Griwen Silber, und die Fürsten Olg und David gleichfalls 200 Griwen, womit er zufrieden seyn, und in Ruhe leben müsse, wenn er nicht alles verlieren wolle.

 

Hierauf schickte man mit den Deputirten der Fürsten Wolodar Rostislawitsch und Waßilko Rostislawitsch Gesandte an diese Fürsten, und ließ ihnen bekannt machen, daß die Fürsten im Rath beschlossen hätten, dem Fürsten Wolodar Peremüschl mit dem dazu gehörigen Gebiet zu ertheilen, seinem Bruder Fürsten Waßilko aber die Wahl zu lassen, ob er bey seinem Bruder bleiben oder nach Kiew kommen wolle, wo er eine anständige Versorgung erhalten sollte, Wladimir in Wolhynien aber habe man dem großfürstlichen Prinzen Jaroslawez gegeben. Die Fürsten Wolodar und Waßilko waren mit diesem Schlusse nicht zufrieden, und befolgten ihn nicht; Fürst David Igorewitsch aber nahm Bushesk in Besitz und erhielt hiezu von dem Großfürsten Swätopolk noch Dorogobusch wo er bis an seinem Tode verblieb.

 

In diesem Jahre war in Kiew und Wladimir in Wolhynien ein Erdbeben und es zeigte sich im Winter ein Stern in Norden, mit einem großen und langen Schweif (ein Komet)

 

 

 

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Im Jahre 1101 am 14ten April starb Fürst Wseslaw Brätschislawitsch von Polozk, und ward in Polozk begraben.

 

Am 3ten May dieses Jahres legte Fürst Wladimir Wsewolodowitsch in Smolensk eine der heiligen Mutter Gottes gewidmete steinerne Hauptkirche an.

 

In eben diesem Jahre bekriegte Fürst Jaroslaw Jaropoltschitsch von Berest, ein Enkel des Großfürsten Isäslaw Jaroslawitsch, seinen Vetter den Großfürsten Swätopolk, welcher aber auf die erste Nachricht hievon mit einer Armee gegen ihn auszog, ihn in Berest belagerte, sich seiner bemächtigte und ihn gefangen nach Kiew brachte, wo er ihn doch nach vielen Bitten des Mitropoliten und anderer Großen auf sein gegebenes Wort in Freyheit sezte.

 

In demselben Jahre berief der Großfürst Swätopolk die Fürsten Wladimir, David, Olg und Jaroslaw mit ihren Brüdern nach Solotitschi, wo Gesandte von allen polowzischen Fürsten angekommen waren, um mit allen rußischen Fürsten Frieden zu schliessen. Der Großfürst berathschlagte sich mit den Fürsten seinen Brüdern, und gab hierauf den Gesandten zur Antwort, daß ihre Fürsten selbst bey Sakowa zusammen kommen möchten, welches sie auch ungesäumt thaten, worauf man nach vielen Unterhandlungen den Frieden am 15ten September zu Stande brachte, von beyden Seiten ansehnliche Geisel gab, und auseinander gieng.

 

 

 

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Im Jahre 1102 entflohe Fürst Jaroslaw Jaropoltschitsch, welcher in Kiew auf freyen Fuß lebte, am ersten October aus der Stadt, ward aber von Jaroslawez, einem Sohne des Großfürsten Swätopolk bey dem Flusse Nur aufgefangen und am 20sten December wieder nach Kiew gebracht, wo er deshalb ins Gefängnis gesezt wurde.

 

Der Großfürst Swätopolk berief sich auf den alten Gebrauch, nach welchem Groß-Nowgorod zum Antheil der Aeltesten des fürstlichen Stammes oder ihrer Kinder gerechnet ward, wie auch auf den im Jahre 1096 geschlossenen Vertrag, und verlangte durchaus den Besitz gedachter Stadt, wo damals Fürst Mstislaw Wladimirowitsch ein Sohn des Fürsten Wladimir Wsewolodowitsch seinen Auffenthalt hatte, und zur großen Zufriedenheit der Nowgoroder regierte. Die Nowgoroder wollten zwar niemand anders als Mstislaw Wladimirowitsch zu ihren Fürsten haben, Fürst Wladimir Wsewolodowitsch aber ließ seinen Sohn zu sich rufen, und machte den Nowgorodern bekannt: Groß-Nowgorod gehöre dem Großfürsten Swätopolk als dem ältesten des fürstlichen Stammes, dem Fürsten Mstislaw aber sey der Besitz von Wladimir in Wolhynien verliehen worden. Die Nowgoroder sandten hierauf einige ihrer ansehnlichsten Männer ab, und liessen den Großfürsten Swätopolk und den Fürsten Wladimir um die Rückkehr des Fürsten

 

 

 

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Mstislaw bitten. Fürst Wladimir Wsewolodowitsch schickte den Fürsten Mstislaw Wladimirowitsch mit einem Gesandten nach Kiew, und ließ dem Großfürsten sagen, Fürst Mstislaw wäre aus Nowgorod gekommen, er möchte also Befehle ertheilen ihn nach Wladimir in Wolhynien zu begleiten, die Nowgoroder aber baten den Großfürsten unabläßig, er möchte ihnen den Fürsten Mstislaw Wladimirowitsch wiedergeben, und sprachen: „Fürst Mstislaw wäre ihnen von dem Großfürsten Wsewolod als ein Kind übergeben worden, sie hätten ihn erzogen, und in allen einem Fürsten nöthigen Kenntnissen unterrichtet, und wären mit seiner Regierung und seinem ganzen Betragen zufrieden.“ Der Großfürst stritte lange mit den Nowgorodern, erlaubte ihnen aber endlich zu ihrem großen Vergnügen nach Hause zu reisen und den Fürsten Mstislaw Wladimirowitsch mit sich zu nehmen. Am 8ten August dieses Jahres starb Fürst Jaroslaw Jaropoltschitsch im Gefängnisse und hinterließ einen Sohn namens Jurji.

 

In eben diesem Jahre ward Sbislawa eine Tochter des Großfürsten Swätopolk ihrem Gemahl dem polnischen Prinzen Boleslaw zugesandt.

 

In eben diesem Jahre ward dem Fürsten Wladimir Wsewolodowitsch ein Sohn Andrei gebohren.

 

In eben diesem Jahre zog Fürst Boris Wseslawitsch von Polozk gegen die Jatwägen,

 

 

 

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besiegte sie und legte auf seinem Rückzuge eine Stadt an, die er nach seinem Namen Borisow nannte und mit Einwohnern besezte.

 

Da die Polowzer nicht lange Frieden hielten und beständig neue verheerende Einfälle in Rußland thaten, kamen der Großfürst Swätopolk Isäslawitsch, und Fürst Wladimir Wsewolodowitsch im Jahre 1103 bey Dolobsk zusammen, um sich wegen eines gemeinschaftlich zu unternehmenden Feldzuges gegen die Polowzer zu berathschlagen. Bey dieser Zusammenkunft saßen der Großfürst mit seinen Großen und Fürst Wladimir mit den seinen jeder in einem besondern Zelte.

 

Die Räthe des Großfürsten Swätopolk hielten für gut den Feldzug bis zum Herbst und nach der Erndte aufzuschieben, weil die Bauern bey einem Feldzuge im Frühlinge ihre Aecker versäumen und dadurch nicht geringen Schaden leiden würden *); Fürst Wladimir aber hielt dieses für sehr unüberlegt und sprach: „ist es denn besser, wenn wir um der Bauern zu schonen uns von den Polowzern bekriegen lassen, die bey ihren Einfällen die Ackersleute, sammt ihren Weibern, Kindern, Pferden und Vieh gefangen nehmen, und mit sich wegführen, welches sie

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*) Man hatte damals keine andere Kriegsvölker als Bauern, die in demselben Jahre vom Pfluge genommen wurden, und nach Endigung des Feldzuges wiederum dahin zurückkehrten.

 

 

 

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sie fast jedes Jahr thun, je nachdem die Leute irgendwo fahrläßiger sind, und sich mehr um ihre häusliche Geschäfte als um die gemeine Vertheidigung bekümmern, wodurch dann die Verwüstung von Jahr zu Jahr größer wird; brechen wir jezt auf, so werden zwar einige Aecker nicht gepflügt werden, wenn wir aber den Feind in schrecken sezen, und ihn von Einfällen abhalten, so werden die Nachbleibende, hiedurch gesichert, zuverläßig doppelt so viel pflügen und ärndten; wenn uns dann Gott hilft unsre Feinde besiegen, so werden sie lange keine Einfälle und Verheerungen des Landes wagen. Auch ist der Frühling darin für uns vortheilhaft, das unsre Pferde bey Kräften sind, die polowzischen aber sich noch nicht erholet haben und mit den unsrigen nicht gleiche Dienste thun können. *)“ Man kam endlich nach langem Streit überein dem Rathe des Fürsten Wladimir Wsewolodowitsch zu folgen, und ertheilte Befehl, daß sich die Truppen versammeln sollten.

 

Hierauf sandte man zu dem tschernigowschen Fürsten Olg und David, um sie zur Vereinigung mit den Fürsten Swätopolk und Wladimir einzuladen; Fürst David machte sich sogleich auf, und kam zu ihnen, Fürst Olg aber entschuldigte sich mit Krankheit.

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*) Hieraus bemerkt man, daß die polowzischen Pferde im Winter und Sommer im Felde geblieben, die rußischen aber zur Winterzeit im Stalle gehalten worden sind.

 

 

 

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Fürst Wladimir Wsewolodowitsch brach nach getroffener Verabredung zuerst auf, und nahm seinen Weg über Perejaslaw; ihm folgte der Großfürst Swätopolk Isäslawitsch mit seiner Armee, und mit ihm Fürst David Swätoslawitsch, Fürst David Wseslawitsch von Polozk, Fürst Mstislaw Igors Enkel, Fürst Wseslaw Jaropoltschitsch des Großfürsten Neffe und Fürst Jaropolk Wladimirowitsch mit den Smolenskern. Die Fürsten selbst zogen zu Pferde, liessen das Fußvolk und schwere Gepäcke auf dem Flusse bis zu den Wasserfällen herabführen, und machten bey Tortschi neben der Insel Chortitsch unterhalb der Wasserfälle und oberhalb Konskiewodü Halt, wo sie sich bewafneten, eine Wache bey den Fahrzeugen zurückließen, in die Step vorrückten und am vierten Tage den Suten erreichten. Als die Polowzer erfuhren, daß die Russen gegen sie im Anzuge wären, versammelten sie gleichfalls einen Kriegsrath, zu welchem sich viele polowzische Fürsten einfanden, die mit einander überlegten was zu thun sey. Fürst Urußoba, ein bejahrter Mann, betrachtete den schlechten Zustand der polowzischen Pferde, und rieth vor allen, man sollte den rußischen Fürsten Gesandte schicken, und sich um einen Frieden bemühen, die jungen Fürsten aber widersezten sich diesem und sprachen zu ihm mit Verachtung: „Du fürchtest die Russen, wir aber fürchten sie nicht und wollen ihnen herzhaft entgegen gehen; anstatt sie zu beschenken und den Frieden zu kaufen, können wir lieber von ihnen gute Beute machen.“ Diese jungen

 

Vierter Band 1783.

 

 

 

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Fürsten trafen also einen gemeinschaftlichen Schluß, giengen dem rußischen Heere entgegen, und schickten den berühmten polowzischen Fürsten Antunop vor sich her. Indessen war von rußischer Seite Fürst Jaropolk Wladimirowitsch gleichfalls mit dem Vortrabe abgeordnet worden, welcher auf die Polowzer traf und sie mit solchem Vortheile angrif, daß Fürst Antunop mit allen seinen Leuten völlig geschlagen ward, und sich kaum selbst mit der Flucht retten konnte. Dieser Vorfall munterte die rußischen Truppen sehr aus, die Polowzer aber, die von diesem ihrem Verluste nichts erfuhren, näherten sich dem rußischen Heere, erreichten es am 4ten April bey Anbruch des Tages, und fingen das Treffen an, ergriffen aber bald die Flucht und wurden von den Russen so weit als es thunlich war verfolgt, die viele Gefangene zurück brachten. In dieser Schlacht blieben zwanzig polowzische Fürsten auf dem Plaz, unter welchen die Fürsten Urußoba, Araslanop, Kotschei, Kitanop, Kuman, Pukitan, Asup, dem damals Asow zugehörte, Kurkatsch, Tschenegrep, Surbar etc. die vornehmsten waren; Fürst Weledus aber ward gefangen. Von der rußischen Armee waren nur wenige und unter diesen keiner von vornehmen Stande geblieben. Man erbeutete viele Pferde, Vieh und Kameele, nebst dem polowzischen Lager mit Weibern und Kindern und andern Leuten; auch kamen die bey den Polowzern befindliche Torken mit ihren Hausgenossen und ihrem Vieh zum Großfürsten und brachten verschiedene rußische Gefangene mit sich.

 

 

 

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Nach diesem versammelten sich alle rußische Fürsten, feierten Gott dem Herrn ein Dankfest, und kehrten ungesäumt mit vieler Beute und großem Ruhm siegreich in ihr Land zurück.

 

In demselben Jahre fanden sich im Anfange des Augusts Heuschrecken ein, die vielen Schaden auf den Feldern verursachten.

 

In demselben Jahre zog Fürst Jaroslaw Swätoslawitsch von Räsan gegen die Morduanen und ward von ihnen in einer großen Schlacht überwunden.

 

Im Jahre 1104 am 20sten Julius reisete die Prinzeßin Maria, eine Tochter des Fürsten Wladimir Wsewolodowitsch, nach Konstantinopel, um mit dem Prinzen Leo, einem Sohne des Kaiser Alexis vermählt zu werden.

 

Am 21sten August dieses Jahres reisete die Prinzeßin Predslawa, eine Tochter des Großfürsten Swätopolk zu ihrer Vermählung mit dem königlich ungarischen Prinzen Emmerich aus Rußland ab.

 

Gegen das Ende des Sommers schickte der Großfürst Swätopolk seine Truppen nebst dem Fürsten Jaropolk Wladimiritsch gegen den Fürsten Gleb Wseslawitsch von Minsk, welchem Feldzuge auch Fürst Olg Swätoslawitsch in Begleitung des Fürsten David Wseslawitsch beywohnte, sie kamen aber alle zurück, ohne etwas von Wichtigkeit unternommen zu haben.

 

In demselben Jahre ward dem Großfürsten Swätopolk ein Sohn gebohren, welcher den Namen Brätschislaw erhielt.

 

 

 

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Am 16ten December starb Fürst Wetscheslaw Jaropoltschitsch.

 

In demselben Jahre zeigte sich ein Komet welcher einen ganzen Monath lang zu sehen war.

 

Im Winter überfiel der polowzische Fürst Bonak die Torken und Berendeer in ihren Wohnsizen im Walde.

 

Im Jahre 1106 that ein Haufe Polowzer einen Einfall in der Gegend von Sarezk; der Großfürst Swätopolk aber sandte den Feldherrn Jan Sacharjitsch wieder sie, der sie einholte und die befreiten Gefangene nach Kiew brachte.

 

Am 17ten Februar dieses Jahres ließ sich Fürst Nikola Swätoscha, ein Sohn des Fürsten David Swätoslawitsch von Tschernigow im petscherischen Kloster zum Mönche aufnehmen.

 

In diesem Jahre ward Ewpraxia eine Tochter des Großfürsten Wsewolod Jaroslawitsch zur Nonne eingekleidet.

 

In diesem Jahre war eine Sonnenfinsternis.

 

In demselben Jahre unternahmen die polozkischen Fürsten, Söhne des Fürsten Wseslaw, einen Feldzug gegen die Simegolen (die Semgallen in Kurland) diese aber versammelten sich in großer Menge, überfielen die Polozker unversehens aus den Wäldern und überwanden sie.

 

Im Jahre 1107 erschien der polowzische Fürst Bonak vor Perejaslawl, und kehrte mit einem Haufen erbeuteter Pferde zurück, bald darauf aber kam er nebst dem Fürsten Schurakan dem ältern wieder

 

 

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und nahm seine Stellung bey Luben. Der Großfürst Swätopolk vereinigte sich mit dem Fürsten Wladimir Wsewolodowitsch von Perejaslawl, Olg Swätoslawitsch von Tschernigow, Wätscheslaw Wladimirowitsch, und Jaropolk Wladimirowitsch von Smolensk, und brach mit ihnen und ihren Truppen nach Luben auf. Die Fürsten giengen am 12ten August in der sechsten Tages-Stunde (nach jeziger Rechnung um 11 Uhr Vormittags, weil man damals die Stunden von Aufgang der Sonnen bis zum Untergange, und vom Untergange der Sonnen bis zum Aufgange zählte) über die Sula, griffen die Polowzer ehe sie sich in Ordnung stellen konnten ohne Verzug mit ihrer ganzen Macht an, und besiegten sie, erbeuteten viele Pferde und verfolgten sie bis Chorol. In diesem Treffen blieb der polowzische Fürst Tasa, Bonaks Bruder, auf dem Plaze, Fürst Sugra wurde mit seinem Bruder gefangen, Fürst Schurakan aber rettete sich kaum mit der Flucht, auch erbeutete man das ganze Gepäcke.

 

Der Großfürst feierte mit allen übrigen Fürsten ein Dankfest, und kam am 15ten August mit Sieg und Beute nach Kiew zurück, wo dieses Sieges wegen große Freude herrschte.

 

Die Geschichtschreiber erzählen, daß Fürst Wladimir Wsewolodowitsch, als der weiseste und tapferste aller Fürsten (seiner Zeitgenossen) gerathen habe, daß man ungeachtet dieses Sieges auf Mittel denken müßte, um völlige Ruhe und Frieden mit den Polowzern zu gründen, wozu unter andern in Vorschlag gebracht ward, daß die Fürsten

 

 

 

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Wladimir und Olg jeder einen seiner Söhne mit einer polowzischen Prinzeßin vermählen sollten, weil man dadurch die Polowzer nicht nur zur Freundschaft, sondern auch zur Annahme der christlichen Religion und zu einer ruhigen gesitteten Lebensart zu bewegen hofte. Als dieses für gut befunden worden, wurde die Sache durch Gesandte berichtiget, die polowzischen Fürsten versprachen sich mit ihren Familien beym Chorol einzufinden, die Fürsten Wladimir Wsewolodowitsch, David Swätoslawitsch und Olg Swätoslawitsch erschienen mit vieler Pracht am besagten Ort und bestätigten den Vertrag. Fürst Wladimir nahm für seinen Sohn Jurii Wladimiritsch eine Tochter des Fürsten Aepin, Fürst Osenews Enkelin, Fürst Olg aber für seinen Sohn Swätoslaw Olgowitsch eine Tochter des Fürsten Aepa, Grigrenews Sohn; die Vermählung ward den 12ten Januar 1108 vollzogen, und man reisete von beiden Seiten vergnügt auseinander.

 

Am 4ten Januar des J. 1108 starb die Gemahlin des Großfürsten Isäslaw, des Großfürsten Swätopolks Mutter.

 

Am 5ten Februar dieses Jahres in der Abend-Dämmerung war in Kiew ein Erdbeben.

 

Am 7ten May starb die zweite Gemahlin des Fürsten Wladimir Wsewolodowitsch.

 

Am 11ten Julius legte der Großfürst Swätopolk die Kirche zum heiligen Michail mit der goldenen Spize an, welche nach seinem Namen benannt wurde, weil er in der heiligen Taufe den Namen Michail erhalten hatte.

 

 

 

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In diesem Jahre stand das Wasser in den Flüssen Dnieper, Desna und Pripet so hoch, als es bey Menschengedenken nicht gestanden hatte.

 

Am 20sten Julius starb Irina die Tochter die Tochter des Großfürsten Wsewolod Jaroslawitsch.

 

Im Jahre 1109 am 1oten Julius verstarb in ihrem Kloster Ewpraxia die Tochter des Großfürsten Wsewolod Jaroslawitsch.

 

Im J. 1110 zog des Fürsten Wladimir Wsewolodowitsch Feldherr Dmitrii Woronitsch gegen die Polowzer an den Donez, und kehrte nach einem am 1 Febr. gegen sie erfochtenen Siege wieder zurück.

 

Da man die Polowzer durch nichts zur Ruhe bringen, noch ihren Einfällen Einhalt thun konnte, so zogen der Großfürst Swätopolk, Fürst Wladimir Wsewolodowitsch und Fürst David Swätoslawitsch nach genommener Verabredung im Frühlinge dieses Jahres gegen sie zu Felde, wurden aber durch große Kälte und Pferdesterben zum Rückzuge gezwungen. Bald darauf erschienen die Polowzer in großer Menge unvermuthet um Perejaslaw, machten bey Tutschin an der Sema viele Gefangene, und kehrten in ihr Land zurück.

 

Im Jahre 1111 sandte Fürst Wladimir Wsewolodowitsch zum Großfürsten Swätopolk und ließ ihm, in Betracht der öftern Einfälle der Polowzer und dadurch verursachten Verheerungen des Reichs, den Vorschlag thun, er möchte im Frühlinge die Fürsten zusammenberufen und Rath halten, welches der Großfürst zu thun versprach. Fürst Wladimir reisete ohne Zeitverlust selbst nach Kiew die Fürsten

 

 

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kamen bey Dolobsk zusammen, und faßten nach reifer Ueberlegung den Schlus, im Winter gegen die Polowzer zu Felde zu ziehen, welches sie auch dem Fürsten David in Tschernigow anzeigen ließen, der die sache gut hieß, und seinen Brüdern und Neffen sagen ließ, daß sie sich bereit halten sollten. Die Fürsten versammelten ihre Kriegsvölker und machten sich bald auf den Weg, nemlich der Großfürst Swätopolk mit seinem Sohne Jaroslawez, Fürst Wladimir Wsewolodowitsch mit seinen vier Söhnen Wetscheslaw, Jaropolk, Andrei, und Jurii, Fürst David Swätoslawitsch mit seinen Söhnen und Neffen; sie vereinigten sich am Freytage der zweyten Fasten-Woche an der Alta, und brachen an demselben Tage auf. Am Sonnabende kamen sie an den Chorol, wo sie des wenigen Schnees wegen, und um das Gepäcke zu vermindern die Schlitten stehen ließen. In der dritten Fasten-Woche kamen sie an den Psel und von da an die Worskla; sie machten jenseit der Worskla am Fluße Goltwa Halte, und warteten daselbst die nachgebliebenen Truppen ab, hierauf brachen sie Mittwochs in der vierten Fasten-Woche wieder auf und sezten über viele Flüsse. Am Dienstage der sechsten Fasten-Woche kamen sie zum Donez, legten daselbst ihre Waffen an, ordneten die Stellung der Truppen und sezten ihren Zug weiter fort. sie kamen des Abends zur Stadt des Fürsten Schurakan *) und liessen die Einwohner befragen

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*) Am Donez findet man bis jezt viele alte verfallene Städte.

 

 

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ob sie sich wehren wollten; diese brachten Brod, Fische und Honig heraus und baten um Gnade und Schonung ihrer Stadt; die Fürsten nahmen von ihnen Brandschazung, blieben daselbst nur eine Nacht, und kamen Mittwochs zur Stadt des Fürsten Sugrow. Sie ließen die Bewohner gleichfalls zum voraus befragen: ob sie sich vertheidigen wollten; diese aber die sich auf die Festigkeit ihrer Stadt und auf die Menge der Einwohner verließen, unterwarfen sich nicht, sondern gaben eine stolze Antwort, worauf die Fürsten die Stadt von allen Seiten umringten, und sich derselben bald bemächtigten. Am Donnerstage kamen sie zum Fluße Donez-Sewerskoi, wo sich die Polowzer am Freytage als am 24sten März in großer Menge vor dem rußischen Heere sehen ließen. Als die rußischen Fürsten sie näher kommen sahen, giengen sie ihnen sogleich entgegen, ermahneten ihre Truppen zur Tapferkeit und stelleten sich, der Großfürst Swätopolk. mit seinen Leuten in der Mitte, Fürst Wladimir Wsewolodowitsch und seine Söhne auf den rechten, die tschernigowischen und alle übrige Fürsten auf den linken Flügel. Sie riefen Gott zu Hülfe und fingen das Treffen an; die Russen erhielten nach einiger Zeit die Oberhand, die Polowzer verliessen das Schlachtfeld, und das Treffen endigte sich mit einbrechender Nacht. Am Morgen des folgenden Sonnabends, als am Tage des heiligen Lazarus, und der Verkündigung der heiligen Mutter Gottes, feierten die Fürsten alle versammelt das Fest, und brachten Gott dem Herrn Lob und Dank der ihnen Sieg verliehen -

 

 

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hatte; sie blieben zwey Tage nemlich Sonnabend und Sonntag an diesem Ort, und bereiteten sich zu neuen Thaten, weil sie vernommen hatten, daß die Polowzer von der andern Seite des Dons herüber gekommen wären, und sich zusammen zögen. Am Montage der Charwoche, als am 27sten März, ka men sie zum Fluße Salniza und wurden eine große Menge Polowzer gewahr. Die Polowzer fingen an sich um das rußische Heer herum zu ziehen, um es von allen Seiten anzugreifen, die rußischen Fürsten aber gaben ihnen hiezu keine Zeit, sondern giengen sogleich in wohlgeordneten Haufen auf sie zu, da denn Fürst Wladimir Wsewolodowitsch zur Rechten den ersten Angrif that. Jezt erhob sich von der rechten Seite ein finsteres Gewitter, mit starkem Donner. Fürst Wladimir kehrte sogleich seinen rechten Flügel gegen den Feind, und wandte sich gegen das Feld, so daß seine Truppen das Ungewitter im Rücken hatten; er ritte zwischen den Reihen herum, und ermahnete alle, sie sollten auf Gottes Gnade hoffen und herzhaft vordringen. Das Gefecht ward nun allgemein und währete lange, die rußischen Truppen und Pferde fingen an zu ermatten, die rußischen Fürsten aber ritten unter ihren Truppen umher, beschworen sie inständig, und flößten ihnen durch ihr Beispiel neuem Muth ein, indem sie ungeachtet des fortwährenden finstern Gewitters und ungewöhnlich heftigen Donners, und ungeachtet ihrer Ermüdung, selbst in die Haufen der Polowzer eindrangen, sie auseinander trieben, und die Widerstehende herzhaft angriefen. Als Fürst Wladimir

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Wsewolodowitsch sahe, daß die Truppen des Großfürsten Swätopolk sehr ermüdet schon zu weichen anfingen, übergab er die seinigen seinem Sohne Jaropolk Wladimirowitsch, nahm seine Söhne und einige seiner Truppen zu sich, ritte vor dem großfürstlichen Truppen mitten unter die Polowzer, und rief mit starker Stimme: Wo ist ein Gott, groß wie unser Gott! Da dieses die großfürstlichen und seine eigene Leute gewahr wurden, stürzten sie alle hinter ihm her, in den Feind, wodurch das polowzische Fußvolk getrennt ward, und in Unordnung gerieth. Jezt ergriffen die Polowzer die Flucht, die Russen sezten ihnen nach und brachten einige tausend Gefangene und noch weit mehr Pferde und Vieh nach Rußland. Die rußischen Fürsten behielten nichts für sich, sondern überliessen die ganze Beute dem Heere und begnügten sich mit einem Siege, desgleichen sie bisher nie erfochten hatten. Sie ließen solches dem griechischen Kaiser, wie auch den Königen von Ungarn, Polen, Böhmen und andern bekannt machen; in Rußland aber ward auf ihren Befehl in allen Kirchen ein Dankfest gefeiert.

 

Am 7ten October desselben Jahres starb die Fürstin Anna, Stiefmutter des Fürsten Wladimir Wsewolodowitsch, und Mutter des Fürsten Rostislaw, welche im Kloster des heiligen Andrei begraben ward.

 

Im Jahre 1112 zog Fürst Jaroslawez ein Sohn des Großfürsten Swätopolk zum zweitenmal gegen die Jatwägen und besiegte sie. Nach seiner Rückkunft aus diesem Kriege sandte er nach Groß-Nowgorod

 

 

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zum Fürsten Mstislaw Wladimirowitsch und ließ sich dessen Tochter zur Gemahlin ausbitten, welche am 29sten Junius in Kiew ankam, wo man die Vermählung mit großer Freude feierte.

 

In demselben Jahre vermählte Fürst Wladimir Wsewolodowitsch seine Tochter Sophia mit einem königlich ungarischen Prinzen.

 

Am 13ten May starb Fürst David Igorewitsch.

 

Am 6ten November starb Anna eine Tochter des Großfürsten Wsewolod, und ward in der Kirche des Klosters zum heiligen Andrei (in Kiew) begraben, in welchem sie als Nonne in aller Gottseeligkeit und Enthaltsamkeit gelebt hatte.

 

Im Jahre 1113 den 19ten März in der ersten Tages-Stunde sahe man in Kiew eine Sonnenfinsternis.

 

Im demselben Jahre ward der Großfürst Swätopolk Isäslawitsch bald nach dem Osterfeste krank, und starb am 16ten April in Wüschegorod seines Alters im 54sten Jahre.

 

Er ward in Kiew begraben. Er hatte zwanzig Jahre regiert. seine Gemahlinnen waren:

 

1] Helena, eine Tochter des polowzischen Fürsten Tugorkan, von welcher 1) Fürst Mstislaw, 2) Fürst Isäslaw, 3) Fürst Jaroslaw, 4) Fürst Brätschislaw und zwey Töchter, nemlich Sbislawa Gemahlin des Königs Boleslaw III. von Polen, und Predslawa Gemahlin des Königs von Ungarn.

 

2] Eine zweite Gemahlin deren Name unbekannt ist, von welcher 1) Fürst Mstislawez, 2) Fürst Jaroslawez.

 

 

 

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Geschlechts-Register Swätopolks II.

Isäslaw I. Großfürst von ganz Rußland vom Jahre 1054 bis 1078.

oo Dessen Gemahlin eine polnische Prinzeßin, von welcher:

 

Swätopolk II. zuerst Fürst von Turow, nachher Großfürst von ganz Rußland vom Jahre 1093 bis 1113

oo Dessen Gemahlinen:

 

I. Helena, eine Tochter des polowzischen Fürsten Tugorkan, von welcher :

1) Fürst Mstislaw 2) Fürst Isäslaw 3) Fürst Jaroslaw 4) Fürst Brätschislaw 5) Die Prinzeßin Sbislawa, vermählt mit dem Könige von Polen Boleslaw III. 6) Die Prinzeßin Predslawa, vermählt mit dem Könige Emmerich von Ungarn.

 

II. Eine zweite Gemahlin deren Name unbekannt ist, von welcher: 7) Fürst Mstislawez 8) Fürst Jaroslawez.

 

Swätopolks Zeitverwandte, vom Jahre 1093 bis 1113 waren:

 

In Griechenland. Kaiser. Alexis I. von 1081 bis 1118.

 

In Deutschland. Kaiser. Heinrich IV. von 1056 bis 1106. Heinrich V. von 1106 bis 1125.

 

In Polen. Könige. Wladislaw I. von 1081 bis 1102. Boleslaw III. von 1102 bis 1139.

 

In Böhmen. Fürsten. Bretschislaw II. von 1093 bis 1100. Borsiwoi II. v. 1100 bis 1107. Swätopolk II. v. 1107 bis 1109. Wladislaw III. v. 1109 bis 1125

 

 

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In Sachsen. Fürsten. Magnus von 1073 bis 1106. Lothar von 1106 bis 1136.

 

In der Pfalz. Fürsten. Heinrich von 1045 bis 1095. Siegfried von 1095 bis 1113.

 

In Brandenburg. Fürsten. Udon II. von 1087 bis 1106. Rudolf I. von 1106 bis 1115.

 

In Baiern. Fürsten. Welf I. von 1071 bis 1102. Welf II. von 1102 bis 1119.

 

In Braunschweig. Fürst. Gertrud von 1090 bis 1113.

 

In Ungarn. Könige. Wladislaw I. von 1077 bis 1095. Koloman von 1095 bis 1114.

 

In Dänemark. Könige. Olg oder Olaus IV. von 1086 bis 1095. Erick III. von 1095 bis 1106. Nikolaus von 1106 bis 1135.

 

In Arabien. Kalifen. Mostadi Wamrilla XLVI Kalif von 1075 bis 1094. Mostader XLVII Kalif von 1094 bis 1118.

 

In Egypten. Kalifen. Awu Tamin Mostaser von 1036 bis 1094. Awul Kasem Mostali von 1094 bis 1101. Awul Mansor Amer von 1101 bis 1130.

 

In Ikonium. Sultane. Kilidsche Arslan von 1085 bis 1107. Saisan von 1107 bis 1117.

 

In Alepo. Sultane. Tutusch von 1078 bis1095. Redwan von 1095 bis 1114.

 

In Damask. Sultane. Dekak von 1095 bis 1103. Togtegin von 1103 bis 1127.

 

 

 

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In Frankreich. Könige. Philipp I. von 1060 bis 1108. Ludwig VI. von 1108 bis 1137.

 

In England. Könige. Wilhelm II. von 1087 bis 1100. Heinrich I. von 1100 bis 1135.

 

In Schottland. Könige. Donald VI. von 1093 bis 1094. Dunkan II. von 1094 bis 1095. Donald VI. von 1095 bis 1098. Edgar von 1098 bis 1107. Alexander I. von 1107 bis 1124.

 

In Spanien. Könige. Alphons VI. von 1065 bis 1109. Wraka und Alphons VII. von 1109 bis 1126.

 

In Toskana. Groß-Herzog. Matilda von 1076 bis 1115.

 

Patriarchen zu Konstantinopel. Nikolaus von 1084 b. 1111. Johann von 1111 bis 1134.

 

Römische Päbste. Urban II. von 1088 bis 1099. Paschal II. von 1099 bis 1118.

 

Mitropoliten zu Kiew. Ephrem von 1091 bis 1097. Nikolai von 1097 bis 1107. Nikifor von 1107 bis 1122.

 

In Rußland. Abgetheilte Fürsten.

 

In Tschernigow. Wladimir Wsewolodowitsch von 1078 bis 1094. Olg Swätoslawitsch von 1094 bis 1096. David Swätoslawitsch von 1096 bis ___.

 

In Perejaslawl. Rostislaw Wsewolodowitsch von 1078 bis 1093. Wladimir Wsewolodowitsch von 1093 bis ___.

 

In Smolensk. Mstislaw Wladimirowitsch von ___ bis 1094. Isäslaw Wladimirowitsch von 1094 bis 1095: David Swätoslawitsch von 1073 bis ___.

 

In Rostow. Olg Swätoslawitsch von 1073 bis 1094.

 

In Nowgorod. David Swätoslawitsch von 1087 bis 1095. Mstisaw Wladimirowitsch von 1095 bis ___.

 

 

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In Murom. Isäslaw Wladimirowitsch von 1095 bis 1096.

 

In Räsan. Jaroslaw Swätoslawitsch von 1078 bis ___.

 

In Wladimir in Wolhy. David Igorewitsch von 1087 bis 1100.

 

In Peremüschl. von 1095 bis 1096. Wolodar Rostislawitsch von 1078 bis ___.

 

In Terebowl. Waßilko Rostislawitsch von 1078 bis ___.

 

 

Im Jahre 1096 wurden die Besizungen der Fürsten folgendermaßen bestimmt:

 

1) Dem Großfürsten Swätopolk: als Isäslaws Sohn Turow, Sluzk, Pinsk, und alle Städte disseits des Pripet bis zum Bug.

2) Demselben als Großfürsten das Fürstenthum Kiew mit dem dazu gehörigen Gebiethe bis an den Fluß Gorün, und Groß-Nowgorod.

3) Den Söhnen des Fürsten Swätoslaw Jaroslawitsch, Olg, Jaroslaw, Boris, Gleb, Roman, David Igor und Swätoslaw, Nowgorod-Sewerskoi, die Wätitschen, Murom, und Tmutarakan (Räsan).

4) Dem Fürsten Wladimir Wsewolodowitsch, Perejaslaw, Rostow, Smolensk und Susdal.

5) Dem Fürsten David Igorewitsch, Wladimir in Wolhynien und Luzk bis an den Gorün.

6) Den Enkeln des Fürsten Wladimir Jaroslawitsch von dessen Sohn Fürst Rostislaw Wladimirowitsch den Fürsten Wolodar, Waßilko, Rurik, die tscherwenischen Städte Tscherwen, Peremüschl, Terebowl, Swenigorod und andre mehr;

 

In Polozk. Wseslaws Söhne, David, Roman, Gleb, Swätoslaw, Georg und ihre Vettern Boris, Roman und Rochwold.

 

In Buschsk und Dorogobusch. David Igorewitsch.

 

In Wladimir in Wolhy. Jaroslawez Swätopoltschisch.

 

 

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32.

Großfürst Wladimir II. in der heiligen Taufe Feodor genannt mit dem Zunamen Monomach.

Nach dem im Jahre 1113 erfolgten Tode des Großfürsten Swätopolk Isäslawitsch sandten die kiewschen Großen sogleich zu den rußischen Fürsten um ihnen selbigen bekannt zu machen. Die Kiewer wünschten insgesammt den Fürsten Wladimir Wsewolodowitsch von Perejaslawl auf dem kiewschen Throne zu sehen, weil er vor allen rußischen Fürsten seiner Zeit mit Tugenden geschmückt und mit Siegen gekrönt war. Die Geschichtschreiber sagen: die benachbarten und die seiner Herrschaft unterworfenen Völker fürchteten und liebten ihn, er war nicht stolz, erhob sich nicht im Glück und verzagte im Unglück nicht, er war gegen alle gnädig und freygebig, richtete Recht nach den Gesezen, bestrafte zwar das Verbrechen, milderte aber jederzeit das Schicksal des Schuldigen; er war schön von Gesicht, hatte große Augen, gelbliches krauses Haar, eine hohe Stirne und einen starken Bart; er war nicht sehr groß von Wuchs aber von festem Gliederbau und sehr stark, in Kriegssachen erfahren und tapfer. Er war nur einmal, nemlich bey Tripol, überwunden worden, und mochte dessen nie erwähnen, theils aus Mitleid über seinen damals ertrunkenen Bruder Rostislaw den er

 

Vierter Band 1783.

 

 

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sehr geliebt hatte, theils aus Scham, daß er durch Swätopolks unordentliches Betragen dazu gebracht worden war.

 

Als Fürst Wladimir Wsewolodowitsch von Perejaslawl den Tod des Großfürsten Swätopolk erfuhr, war er sehr betrübt und weinete bitterlich, weil sie einander als leibliche Brüder geliebt hatten. Die Fürsten Olg Swätoslawitsch und David Swätoslawitsch konnten zwar, als Söhne eines ältern Bruders des Großfürsten Wsewolod, Wladimirs Vaters, Ansprüche auf den kiewschen Thron machen, der größte Theil der Kiewer aber wollte nichts von Swätoslaws Nachkommenschaft hören, weil sie dem Großfürsten Isäslaw und seinem Sohne Swätopolk wider diese Fürsten gedient hatten und sich daher zu ihnen nichts gutes versahen. Diese Feindschaft ging in der Stadt Kiew selbst so weit, daß die Häuser derer die Swätoslaws Söhne auf den kiewschen Thron zu bringen suchten, geplündert wurden, unter welchen auch das Haus des Tüsäzki Putäta war. Nach diesem fiel man die Juden an, die unter Swätopolks Regierung verschiedene Vortheile erhalten hatten. Da die kiewschen Großen die Stadt in solcher Verwirrung sahen, sandten sie zum Fürsten Wladimir und baten ihn, er möchte ungesäumt kommen und die Ruhe wieder herstellen. Fürst Wladimir schickte nach dieser Einladung zu den Swätoslawitschen und ließ ihnen bekannt machen, daß er

 

 

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nach Kiew gehe, und mit ihnen wegen des Großfürstenthums einen friedlichen Vertrag zu schliessen wünsche. Hierauf begab er sich selbst nach Kiew, wo er am 20sten April ankam und vor der Stadt von einem zahlreichen Volke, hierauf von den Bojaren, an der Stadtpforte aber von dem Mitropoliten Nikiphor nebst dem Bischofe und der übrigen Geistlichkeit mit Ehrerbietung und großer Freude empfangen und nach dem fürstlichen Hofe geführt ward. Jezt legte sich der Aufruhr, die Kiewer aber baten um Recht gegen die Juden, welche, wie sie sagten, den Christen alle Gewerbe genommen und unter der Regierung des Großfürsten Swätopolk so viel Freyheit und Gewalt gehabt hätten, daß viele Kaufleute und Handwerker dadurch zu Grunde gerichtet worden. Fürst Wladimir antwortete ihnen: Da die Juden in verschiedenen Fürstenthümern überall Eingang gefunden und sich häuslich niederlassen hätten, so gebühre ihm nicht, ohne vorläufige Berathschlagung mit den übrigen Fürsten, in den Anordnungen seiner Vorfahren der vorigen Großfürsten etwas zu ändern, er werde aber ungesäumt die rußischen Fürsten zusammen berufen und ihnen die Sache zur Berathschlagung vorlegen. Er ließ bald hierauf die Fürsten nach Kiew einladen, welche sich bey Widobitscha versammelten und nach reiflicher Ueberlegung festsezten, die Juden mit aller ihrer Haabe aus Rußland zu vertreiben, welches auch würklich ins Werk gerichtet wurde.

 

 

 

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Als die Polowzer erfuhren daß der Großfürst Swätopolk gestorben sey und Wladimir den großfürstlichen Thron in Besitz genommen habe, erschienen sie in großer Menge vor Perejaslawl und verlangten Geschenke.

 

Der Großfürst Wladimir Wsewolodowitsch zog mit dem Fürsten David Swätoslawitsch von Tschernigow gegen sie, um mit ihnen einen Vertrag zu schließen, da aber die Polowzer hörten, daß der Großfürst Wladimir ihnen selbst Geschenke bringe, erschraken sie und flohen davon.

 

Der Großfürst Wladimir übergab die Regierung von Perejaslawl seinem vorher in Smolensk gewesenen Sohne Swätoslaw, kehrte selbst nach Kiew zurück, und schickte seine Söhne Wetscheslaw und Gleb nach Smolensk; sein ältester Sohn besaß Nowgorod und Rostow mit dem dazu gehörigen Gebiete.

 

Als Fürst Olg Swätoslawitsch von Tmutarakan den Tod des Großfürsten Swätopolk erfuhr, wollte er vor Wladimir das Recht der ältern Linie behaupten, und brachte ein Heer zusammen, mit welchem er gegen Kiew vorrückte. Es riethen ihn zwar viele davon ab, indem sie ihm Wladimirs Verdienste vorstellten, dem auch Fürst David Swätoslawitsch das Großfürstenthum freywillig abgetreten habe, Fürst Olg aber blieb bey dem Entschluse sich des Großfürstenthums mit Gewalt zu bemächtigen.

 

Sobald Fürst Mstislaw von

 

 

 

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Nowgorod und Rostow, des Großfürsten Wladimirs ältester Sohn, von diesem Entschlus des Fürsten Olg Swätoslawitsch von Tmutarakan Nachricht erhielt, bot er die nowgorodschen und rostowschen Truppen auf, zog gegen ihn zu Felde und erreichte ihn bey Kolokscha im susdalschen Gebiet. Mstislaw sahe die große Uebermacht des Fürsten Olg und ließ ihm Friedensvorschläge thun, die Olg mit Verachtung verwarf. Hiedurch wurden Fürst Mstislaw und die Nowgoroder so aufgebracht, daß sie den Fürsten Olg, ungeachtet der großen Zahl seiner Truppen, angriffen, besiegten, und ihn nach Murom zu entfliehen und sich an seinem Fürstenthum Tmutarakan zu begnügen zwangen; worauf Fürst Mstislaw mit vielem Ruhm nach Nowgorod zurückkam.

 

In diesem Jahre vermählte der Großfürst Wladimir seinen Sohn Roman mit der Tochter des Fürsten Wolodar Rostislawitsch von Peremüschl, deren Vermählung am 11ten September mit großer Freude vollzogen ward.

 

In Nowgorod legte Fürst Mstislaw Wladimiritsch in dem fürstlichen Hofe auf dem Marktplaze eine dem heiligen Nikolaus gewidmete Kirche an.

 

Am 10ten May starb in Perejaslawl Fürst Swätoslaw Wladimiritsch, an dessen stat der Großfürst Wladimir seinen Sohn Jaropolk verordnete.

 

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In demselben Jahre starb Fürst Roman Wseslawitsch von Polozk.

 

Auch starb Mstislaw, Igors Enkel des Fürsten Davids Sohn.

 

Im Jahre 1114 vergrößerte Fürst Mstislaw Wladimiritsch die Festungswerke in Gros-Now gorod. In demselben Jahre befahl Fürst Mstislaw Wladimiritsch von Nowgorod dem Poßadnik Pawel die Stadt Ladoga weiter herab auf den Sand zu verlegen, und erbauete daselbst eine steinerne Festung.

 

In demselben Jahre war eine Sonnenfinsternis.

 

Am 18ten August starb Fürst Olg Swätoslawitsch von Tmutarakan.

 

Der Großfürst Wladimir erbauete eine Brücke über den Dnieper bey Wüschegrad, wo bis dahin keine gewesen war.

 

Im Jahre 1116 bekriegte Fürst Gleb Wseslawitsch von Polozk den Großfürsten Wladimir, fiel ins smolenskische Gebiet und bemächtigte sich verschiedener Städte. Der Großfürst sandte zwar zu ihm und ließ ihm Ruhe gebieten, er achtete aber hierauf nicht, sondern antwortete mit Stolz und Drohungen. Da nun der Großfürst sich ohne alle Ursache beleidigt sahe, brach er in Begleitung seiner Söhne, wie auch der Söhne des Fürsten David von Tschernigow und der tmukarakanischen Fürsten, mit seiner Armee gegen

 

 

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Smolensk auf, und eroberte die Stadt Orscha mit Sturm, während daß Fürst Jaropolk Wladimiritsch von Perejaslaw nebst den tschernigowischen und tmutarakanischen Fürsten sich der Stadt Druzk bemächtigten. Hierauf zog der Großfürst Wladimir selbst vor Minsk, wo sich Fürst Gleb Wseslawitsch eingeschlossen hatte, weil er im freien Felde zu widerstehen zu wenig Truppen hatte.

 

Da der Großfürst Minsk wohl befestiget fand und um seine Leute zu schonen keinen Sturm wagen wollte, beschloß er die Stadt durch Abschneidung der Lebensmittel zur Uebergabe zu zwingen, und befahl seinen Truppen selbige von allen Seiten einzuschließen, im Lager Hütten zu bauen, auf allen Wegen starke Wachten auszustellen und aus dem Gebiet des Fürsten Gleb für die Leute und Pferde Proviant und Fourage zusammen zu bringen. Als Fürst Gleb Wseslawitsch dieses sahe, sandte er bald einige seiner Großen mit Friedensvorschlägen zum Großfürsten Wladimir, welcher zwar in Betracht daß seine Truppen durch einen bis zum Winter fortgesezten Aufenthalt im Felde entkräftet werden möchten, sehr gerne Frieden schliessen wollte, aber sich nicht so gleich dem Verlangen des Fürsten Gleb geneigt bezeigte, sondern den Gesandten im Zorn abschlägige Antwort gab, und ihnen andeutete: er werde eher keinen Frieden schliessen, noch dem Fürsten Gleb verzeihen, bis man diesen Fürsten selbst

 

 

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und seine Räthe zu ihm bringen werde. Indessen befahl er den Gesandten bey ihrer Abfertigung zu verstehen zu geben, daß Fürst Gleb die übrigen rußischen Fürsten um ihre Fürsprache bitten möchte.

 

Nach der Rückkunft der Gesandten ließ Fürst Gleb, der sich in der äußersten Noth befand, sogleich die Fürsten um Fürsprache ersuchen, der Großfürst aber versprach dem Fürsten Gleb auf diese Fürbitte der Fürsten Vergebung zu ertheilen, wenn er selbst zu ihm kommen und ihn um Verzeihung bitten würde. Am folgenden Morgen erschien Fürst Gleb mit seiner Gemahlin seinen Kindern und seinen Großen in der Versammlung aller rußischen Fürsten vor dem Großfürsten Wladimir, und bat um Verzeihung. Der Großfürst ließ sich von ihm versprechen, daß er inskünftige gehorsam seyn werde, ertheilte ihm nach vielen guten Ermahnungen Verzeihung, und gab ihm seine Städte wieder, worauf er für alle ein Gastmal veranstaltete und mit der ganzen Armee den Rückzug antrat.

 

Fürst Jaropolk Wladimiritsch von Perejaslawl erbauete auf seinen Rückzuge die Stadt Shelna *), bevölkerte sie mit den gefangenen Druzkern, und vereinigte sie mit dem smolenskischen Gebiete.

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*) Es scheint dieser Ort habe an der Stelle gelegen, wo jezt die Stadt Jelna gebauet wird.

 

 

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In diesem Jahre erzürnte sich der griechische Kaiser Alexius über den kaiserlichen Prinzen Leo, Eidam des Großfürsten Wladimir Wsewolodowitsch, da er aber einen Krieg mit Wladimirn vermeiden wollte, schickte er Gesandte an ihn, schloß mit ihm Frieden, und gab dem Prinzen Leo den Besitz verschiedener Städte an der Donau. (Wahrscheinlich geschah dieses durch die Bemühungen des Großfürsten Wladimir Wsewolodowitsch oder aus Achtung gegen ihn). Die Geschichtschreiber erzehlen: der Großfürst Wladimir habe bald nachher, als er von dem am 15ten August 1116 in der Stadt Dester erfolgten Absterben des Prinzen Leo Nachricht erhalten, seinen Feldherrn Iwan Wolschatitsch mit einer Armee in die Besizungen seines Eidams abgefertiget, und in den dasigen Städten Befehlshaber eingesezet, die Griechen aber haben die russischen Befehlshaber diese gewesene Besizungen des Prinzen Leo an der Donau nicht ruhig verwalten lassen, sondern ihnen einige Städte abgenommen und den Stadthalter des Großfürsten auch die übrigen zu verlassen gezwungen; der Großfürst Wladimir habe zwar hierauf seinen Sohn Wetscheslaw nebst dem Feldherrn Foma Ratiboritsch dahin abgefertiget, sie wären aber unverrichteter Sachen zurück gekehrt.

 

In diesem Jahre unternahmen Fürst Jaropolk Wladimiritsch von Perejaslawl und Fürst Wsewolod Ogowitsch einen Feldzug gegen die

 

 

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Polowzer am Donez, bemächtigten sich dreyer polowzischen Städte Balin, Tschewschlujew und Sugrow und kehrten mit vielen Gefangenen zurück; Fürst Jaropolk hatte auch eine schöne Prinzeßin, die Tochter eines jaßischen Fürsten, zu seiner Gefangenen gemacht, mit der er sich nach seiner Ankunft in Kiew vermählte.

 

In diesem Jahre verstarb die Königin Predslawa, Tochter des Fürsten Swätoslaw Jaroslawitsch, als Nonne.

 

In diesem Jahre zogen die Polowzer den Don herauf gegen die Petschenegen und lieferten einander ein hartes Treffen, in welchem die Petschenegen und Torken viele Leute verlohren, und hierauf zum Großfürsten Wladimir nach Rußland kamen, welcher sie nebst andern Völkern (als Bolgaren, Kosaren, Berendeer, Prosänen) in verschiedenen rußischen Städten ansezte.

 

In demselben Jahre starb Fürst Roman Swätoslawitsch von Murom.

 

Der Großfürst Wladimir Wsewolodowitsch vermählte die Prinzeßin Agafia, eine Tochter des Fürsten Mstislaw von Nowgorod und Rostow, mit dem Fürsten Wsewolod Olgowitsch.

 

Fürst Mstislaw Wladimiritsch von Nowgorod und Rostow unternahm einen Feldzug gegen Liefland (welches aufgehöret hatte Tribut zu zahlen) bemächtigte sich am 9ten März der Stadt

 

 

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Medweshja-Golowa oder Bärenkopf *) legte den Tschuden wiederum einen Tribut auf, und kehrte zurück.

 

Im Jahre 1117 befand der Großfürst Wladimir Wsewolodowitsch für gut, seinen ältesten Sohn näher um sich zu haben, er berief also den Fürsten Mstislaw Wladimiritsch aus Nowgorod und wies ihm Wüschegrad zu seiner Besitzung an, in Groß-Nowgorod aber ließ er seinen Enkel Fürsten Wsewolod Mstislawitsch.

 

In demselben Jahre verbündete sich Fürst Jaroslawez Swätopoltschisch von Wladimir in Wolhynien mit den Polen, und ließ sich, da er selbst von unruhigem Gemüth war, durch ihren Rath und ihre Aufmunterung verleiten einen Einfall ins Großfürstliche Gebiet zu thun. Er bemächtigte sich einer dem Großfürsten am Fluße Gorün gehörigen Gegend, suchte die Fürsten Wasßilko und Wolodar Rostislawitsch ihrer Besitzungen zu berauben, und verging sich auf allerley Art an den benachbarten Fürsten, worüber beym Großfürsten häufige Klagen einliefen; über dieses hatte er den Entschluß gefaßt sich von seiner Gemahlin einer Enkelin des Großfürsten ohne alle gegebene Ursache zu trennen. Der Großfürst welcher alle diese Ränke des Fürsten Jaroslawez Swätopoltschisch sahe, ließ ihn durch seine Gesandten

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*) Hier scheint man das Wapen der Stadt für den Namen derselben angenommen zu haben.

 

 

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ermahnen, er achtete aber nicht im geringsten darauf; nach diesem ließ ihn der Großfürst vor das Gericht der Fürsten laden, Fürst Jaroslawez aber weigerte sich zu erscheinen. Jezt berief der Großfürst Wladimir den Fürsten David von Tschernigow und die tmutarakanischen Fürsten zu sich und zog mit einer Armee gegen Wladimir in Wolhynien, die Fürsten Wolodar und Waßilko brachten auf seine Einladung schleunigst Truppen zusammen und vereinigten sich mit ihm, man umringte Wladimir in Wolhynien von allen Seiten, ließ niemand ein noch aus, und blieb 60 Tage lang in dieser Stellung ohne die Stadt zu stürmen, weil man keine Leute verlieren wollte. Da nun Fürst Jaroslawez Swätopoltschisch seine Schwäche und den Mangel an Lebensmitteln sahe, schickte er einige seiner Großen mit Friedensvorschlägen aus der Stadt, der Großfürst aber lies ihm andeuten, daß er selbst kommen und um Verzeihung bitten sollte. Fürst Jaroslawez Swätopoltschisch erschien bald hierauf, fiel dem Großfürsten Wladimir zu Füßen und bat ihn vor allen Fürsten die bey ihm saßen, um Verzeihung, die übrigen Fürsten aber um ihre Fürsprache beym Großfürsten. Der Großfürst Wladimir Wsewolodowitsch verwies ihm mit vielen Worten sein Betragen und ermahnete ihn, mit den übrigen Fürsten in Frieden und Eintracht zu leben, inskünftige niemand zu beleidigen, seine Gemahlin nach Vorschrift der Religion

 

 

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zu lieben, wenn ihm jemand Unrecht thun würde Recht und Gericht zu verlangen, nicht aber sich selbst Recht zu verschaffen, auch wenn er nach Kiew berufen werden sollte, daselbst vor Gericht zu erscheinen. Der Großfürst nahm über alles dieses von dem Fürsten Jaroslawez Swätopoltschisch eine eidliche Versicherung und verzieh ihm, worauf er selbst nach Kiew die übrigen Fürsten aber jeder in sein Gebiet zurückkehrten.

 

In diesem Jahre kamen viele Beloweshen *) nach Rußland, welchen der Großfürst Ländereyen zum Anbau anweisen ließ, die Kaufleute aber sezten sich in verschiedenen Städten. Die Geschichtschreiber bemerken hiebey, daß diese Kolonisten durch die Klugheit und gute Regierung des Großfürsten Wladimir Wsewolodowitsch ins Land gebracht, und Rußland reich und blühend geworden, da es sonst durch Faulheit, Verschwendung und innere oder äußere Bedrückungen verwüstet worden sey.

 

Der Großfürst Wladimir versuchte alle Mittel die Polowzer in Ruhe zu erhalten, da er also hörte, daß Fürst Tugorkan eine Enkelin von seltener Schönheit habe, vermählte er selbige mit seinem Sohne Andrei.

 

Am 26sten September war in Kiew ein Erdbeben.

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*) Belowesha war eine kosarische Stadt welche auf griechisch Olbia oder Miletopol genannt wurde.

 

 

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Im Jahre 1118 versezte der Großfürst Wladimir seinen Sohn Gleb aus Smolensk nach Perejaslawl, legte an der Alta eine den heiligen Boris und Gleb geweihete Kirche an, that selbst eine Reise nach Rostow und Susdal und ließ die vornehmsten Nowgoroder nach Susdal kommen, wo er ihre Geseze mit der Bedingung bestätigte, daß die Nowgoroder inskünftige niemand anders als seine Nachkommen zu ihren Fürsten annehmen, und den vom Großfürsten Jaroslaw Wladimirowitsch angeordneten Tribut, dem ältesten seiner Erben entrichten sollten, gesezt auch daß dieser sich nicht selbst in Nowgorod aufhielte. Die Nowgoroder sandten verschiedene ihrer ansehnlichsten Männer an den Großfürsten, welche obgedachtes unterschrieben und mit einem Eide bekräftigten. Der Großfürst nahm hierauf verschiedene Nowgoroder mit sich nach Kiew, die so lange bey ihm blieben, bis dieses von allen in der Stadt Nowgorod selbst beschworen worden war.

 

Im Jahre 1119 vergaß Fürst Jaroslawez Swätopoltschisch von Wladimir seine gegebene Versicherung, verstieß seine Gemahlin, und dachte darauf dem Großfürsten Kiew zu nehmen. Der Großfürst erfuhr diese Nachricht mit vielem Mißvergnügen und zog um ihm zuvor zu kommen selbst mit einer Armee gegen Wladimir in Wolhynien, worauf Fürst Jaroslawez ohne ihn abzuwarten sich zu seiner Schwester und seinem

 

 

 

 

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Schwager nach Polen verfügte. Der Großfürst übergab Wladimir in Wolhynien seinem Sohne Roman und kehrte selbst nach Kiew zurück.

 

In demselben Jahre ließ der Großfürst Wladimir, um die Besitzungen seines Eidams des kaiserlichen Prinzen Leo dessen in Kindesjahren nachgelassenen Prinzen Waßilii zu sichern, eine Arme zusammen ziehen, rief alle übrige rußische Fürsten zu Hülfe, schickte den Feldherrn Jan Wüschatitsch zum Voraus gegen die Donau ab, und gedachte im Frühlinge selbst mit allen rußischen Fürsten aufzubrechen. Als der Kaiser hievon Nachricht erhielt, fertigte er an den Großfürsten Wladimir eine Gesandschaft ab, nemlich den Mitropoliten Neophyt von Ephesus, die Bischöfe von Mitylene und Milet, und den Stratilat von Antiochien Eustachius; welche folgende Geschenke mitbrachten 1) ein goldenes Kreutz mit einem Stückchen Holz vom Kreutze Christi, 2) eine goldene Kette, 3) eine kaiserliche Krone, welche der griechische Kaiser Konstantin Monomach, Großvater des Großfürsten Wladimir Wsewolodowitsch, getragen hatte *). 4) Einen goldenen emaillirten Zepter eben dieses Kaisers, 5) desselben Reichsapfel, 6) ein Diadem oder Achselschmuck, 7) ein Gefäß von Jaspis zur Salbung

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*) Der Großfürst Wsewolod Jaroslawitsch hatte eine griechische Prinzeßin, eine Tochter des Kaisers Konstantin Monomach, zur Gemahlin, von welcher der Großfürst Wladimir Wsewolodowitsch gebohren war.

 

 

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mit dem heiligen Oehle *). Die Gesandten bestätigten die beständige Anerkennung der kaiserlichen Würde, der griechische Kaiser nannte in seinem Schreiben den Großfürsten, wie gewöhnlich Bruder und Kaiser, und bat dabey um Frieden. Der Großfürst nahm solches freundschaftlich auf, erzeigte den Gesandten viele Ehre und krönete sich in der kiewschen Hauptkirche mit der Kaiserkrone seines Großvaters des Kaisers Konstantin Monomach, bey welcher Gelegenheit der Mitropolit von Ephesus Neophyt den Gottesdienst verrichtete. Von diesem Tage an ward der Großfürst Wladimir nach seinem Großvater, Monomach genannt.

 

Hierauf baten die griechischen Gesandten den Großfürsten Wladimir um seine Enkelin, die Tochter des Fürsten Mstislaw, zur Gemahlin für den kaiserlichen Prinzen Johann. Dieser Antrag war zwar dem Großfürsten nicht unangenehm, da er aber den Griechen wegen des seinem Eidam dem kaiserlichen Prinzen Leo zugefügten Unrechts, und weil sie den Sohn dieses Prinzen den Fürsten Waßilii seines väterlichen Erbes beraubet hatten,

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*) Diese Sachen werden bis jezt in Moskau in der Kunst- und Rüst-Kammer aufbehalten, ausgenommen das Kreuz, welches in der Hauptkirche zur Verkündigung Mariä bewahrt wird.

 

 

 

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nicht wohl traute, so wünschte er deshalb mit dem griechischen Kaiser einen bündigen Vertrag zu schließen. Die Gesandten gaben von ihrer Seite große Versprechungen, der Großfürst entlies sie wohl beschenkt und fertigte mit ihnen zur umständlichen Verabredung einige ansehnliche Männer als Gesandte ab, welche (in Konstantinopel) folgenden Vertrag schlossen: 1) Der Großfürst Wladimir sollte die seinem Enkel Fürsten Waßilii gehörige Städte, dem Prinzen Johann, bestimmten Eidame seines Sohnes Mstislaw, abtreten. 2) Diese abgetretene Städte sollten die Griechen, dem Fürsten Waßilii des Prinzen Leo‘s Sohne, an Gelde vergüten. Die Vollziehung der gedachten Vermählung aber sollte wegen des zu jugendlichen Alters der Verlobten auf zwey Jahre verschoben werden. Hiemit kehrten die Gesandten reichlich beschenkt zum Großfürsten Wladimir zurück, welcher mit dem geschlossenen Vertrage sehr zufrieden und vergnügt war.

 

Am 15ten Januar starb Fürst Roman Wladimiritsch.

 

In diesem Jahre fing Fürst Gleb von Minsk mit den Polozkern von neuem an, die Besizungen der Söhne des Großfürsten Wladimir, nemlich das nowgorodsche und smolenskische Gebiet, zu bekriegen. Der Großfürst der diesen unruhigen Fürsten endlich zur Ruhe zwingen wollte, fertigte seinen Sohn Fürsten Mstislaw in Begleitung seiner Brüder und verschiedener Feldherren

 

Vierter Band 1783.

 

 

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mit einem ansehnlichen Kriegsheere ab, und befahl ihm den Fürsten Gleb selbst gefangen mit sich zu bringen. Fürst Mstislaw umringte Minsk, verwarf alle von dem Fürsten Gleb geschehene Friedensvorschläge, eroberte die Stadt, nahm den Fürsten Gleb gefangen und brachte ihn nach Kiew, wo selbiger für seine Vergehungen, seinen Ungehorsam gegen den Großfürsten, und seine den übrigen rußischen Fürsten verursachte Unruhe und Kosten, bis an seinen Tod im Gefängnis gehalten ward.

 

In demselben Jahre gab der Großfürst Wladimir seinem Sohne Andrei, Wladimir in Wolhynien und fertigte ihn in Begleitung einiger Feldherren dahin ab. In diesem Jahre erneuerte Fürst Wsewolod Mstislawitsch von Nowgorod das nahe bey Nowgorod gelegene Kloster zum heiligen Georg.

 

Um diese Zeit zog Fürst Wolodar Rostislawitsch von Peremüschl dem Könige von Ungarn, auf seine Bitte gegen den deutschen Kaiser zu Hülfe und kam mit vieler Beute in sein Land zurück.

 

Im Jahre 1120 unternahm Fürst Jaropolk Wladimiritsch einen Feldzug gegen die Polowzer jenseit des Donez, und kehrte ohne sie angetroffen zu haben, zurück.

 

Um diese Zeit sandte der Großfürst Wladimir seine Söhne die Fürsten Jurii und Gleb mit rostowschen und susdalschen Truppen gegen

 

 

 

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die an der Wolga wohnende Bolgaren. Die Bolgaren kamen ihnen zu Wasser und zu Lande in großer Menge entgegen; Fürst Jurii aber grif sie tapfer an, besiegte sie, machte viele Gefangene und kam mit Ehre und Ruhm zurück.

 

In diesem Jahre entflohen einige Stämme der Torken und Berenditschen aus Rußland.

 

Fürst Jaroslawez kam mit polnischer Hülfe vor Tscherwen, der dasige Poßadnik aber, Foma Ratiboritsch, rükte ihm aus der Stadt entgegen, schlug die Polen und trieb sie über die Grenze. Hierauf sandte der Großfürst seinen Feldherrn Andrian Petschaina mit einigen Truppen nach Polen, welche mit vielen Gefangenen und großer Beute zurück kamen.

 

Am 28sten Januar starb in Groß-Nowgorod die Fürstin Christina Gemahlin des Fürsten Mstislaw Wladimirowitsch.

 

Im Jahre 1121 war am 10ten März eine Sonnenfinsternis und am 24sten März eine Mondfinsternis.

 

In diesem Jahre war der Großfürst mit seinen Söhnen in Smolensk um die Mißhelligkeiten zwischen den polozkischen Fürsten zu untersuchen, und solche nebst verschiedenen andern Sachen zu berichtigen. Eben damals kam Fürst Jaroslawez Swätopoltschisch mit einigen polnischen Truppen an, und glaubte eine bequeme Zeit gefunden zu haben, sich durch unversehenen Ueberfall der Stadt Wladimir in Wolhynien zu bemächtigen.

 

 

 

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Da er aber hörte daß Fürst Andrei Wladimiritsch Truppen in Bereitschaft habe, befürchtete er starke Gegenwehr und wandte sich gegen Tscherwen, wo sich der Großfürstliche Feldherr Foma Ratiboritsch aufhielt, der eilends Truppen zusammen brachte, sich in die Stadt einschloß und nicht nur selbige tapfer vertheidigte, sondern auch einen Ausfall that, die Polen schlug und verjagte. Als der Großfürst bey seiner Ankunft in Kiew hievon Nachricht erhielt, ertheilte er dem Feldherrn Foma Ratiboritsch großes Lob, machte ihn zum Tüßäzki von Wladimir in Wolhynien und sandte ihm eine Griwna *) mit einer goldenen Kette.

 

Im Jahre 1122 schickte der Großfürst Wladimir seine Enkelin Dobrodea, eine Tochter des Fürsten Mstislaw Wladimiritsch, zu ihrer Vermählung mit dem Kaiser Johann nach Konstantinopel. Sie ward von dem Bischofe Nikita und andern vornehmen Männern begleitet und als eine kaiserliche Braut mit vieler Ehre empfangen; der Bischof Nikita aber wurde von dem Patriarchen zu Konstantinopel zum Mitropoliten ernannt und nach Rußland entlassen.

 

Am 9ten September war in Kiew ein Erdbeben. In diesem Jahre brachte Fürst Wolodar Rostislawitsch von Peremüschl wegen der von polnischer Seite geschehenen Einfälle und Verheerung seines Gebiets

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*) Diese Griwna war nichts anders, als was jezt eine Medaille heißt.

 

 

 

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eine Armee zusammen und zog gegen die Polen zu Felde. Da König Boleslaw von Polen um diese Zeit keine Truppen in Bereitschaft hatte, ließ er dem Fürsten Wolodar von Peremüschl Friedensvorschläge thun und versprach alle Kosten zu bezahlen. Fürst Wolodar verabredete mit den polnischen Gesandten einen Vertrag, und entließ sie mit dem Auftrage daß sich in einer bestimmten Frist Gesandte mit der Bezahlung für allen seinem Gebiet zugefügten Schaden bey ihm einfinden sollten. Er selbst stellete seine Truppen auf eine Anhöhe und ging unterdessen mit wenigen Leuten auf die Jagd, welches die Polen erfuhren und zu einem unversehenen Angrif auf seine Truppen nuzten. Fürst Wolodar zog auf diese Nachricht so viele seiner Truppen an sich, als er zusammen bringen konnte, und vertheidigte sich tapfer, fiel aber nach dem Verlust vieler Leute den Feinden in die Hände, die ihn gefangen nach Polen führten.

 

Fürst Waßilko Rostislawitsch Wolodars Bruder vernahm diesen Vorfall mit vieler Betrübnis und ließ den König Boleslaw um die Befreyung seines Bruders bitten.

 

König Boleslaw forderte für ihn ein schweres Lösegeld, welches durch einen Vertrag auf zwey tausend Griwen Silber *) bestimmt ward. Fürst Waßilko brachte tausend zwey hundert Griwen zusammen

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*) Einige Schriftsteller behaupten, daß die rußische Griwna um diese Zeit ein halb Pfund betragen habe.

 

 

 

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und sandte für die übrigen acht hundert einen Sohn des Fürsten Wolodar Rostislawitsch als Geisel nach Polen. Fürst Wolodar kam aus der Gefangenschaft zurück, brachte ungesäumt einige silberne Gefäße zusammen, und kaufte seinen Sohn los.

 

Um diese Zeit vermählte sich Fürst Mstislaw Wladimiritsch in Nowgorod mit Ljubawa der Tochter des Poßadniks Dmitrii Danilowitsch.

 

Im Jahre 1123 bewog Fürst Jaroslawez Swätopoltschisch, der nach seiner Vertreibung aus Wladimir in Wolhynien vier Jahre in Polen zugebracht hatte, die Könige Boleslaw von Polen und Stephan von Ungarn, ihm zur Wiedererlangung seiner Besizungen behülflich zu seyn. Die Könige brachten vieles Volk zusammen und zogen selbst mit dem Fürsten Jaroslawez zu Felde. König Boleslaw von Polen und Fürst Jaroslawez kamen zuerst nach Peremüschl, und überredeten die Fürsten Wolodar und Waßilko mit ihnen zu ziehen, worauf auch bald der König von Ungarn sich mit seinen Truppen bey ihnen einfand. Da indeßen Fürst Jaroslawez den langsamen Zug des ganzen Heeres nicht abwarten wollte, bat er sich gegen sieben tausend Ungarn und Polen aus, zog mit ihnen vor der Armee her, eroberte verschiedene Städte seines gewesenen Gebiets und erschien vor Wladimir in Wolhynien, wo Fürst Andrei Wladimiritsch, der ihn im guten Vertheidigungs-Zustande erwartete, ihm

 

 

 

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entgegen kam, und am 15ten May einen völligen Sieg erfocht, so daß Fürst Jaroslawez Swätopoltschitsch selbst auf dem Plaze blieb und viele vornehme Ungarn und Polen in die Gefangenschaft geriethen. Als die Könige von Ungarn und Polen vernahmen, daß Fürst Jaroslawez im Treffen geblieben sey, und der Großfürst Wladimir selbst sich mit einer Armee nähere, schickten sie zum Fürsten Andrei Wladimiritsch und ließen ihm sagen: „daß sie weder gegen ihn noch seinen Vater den Großfürsten Feindschaft hegten, sondern blos Bundesgenosen des Fürsten Jaroslawez gewesen wären; da nun dieser erschlagen sey, so hätten sie weiter nichts zu thun, sie wünschten also Frieden und bäten um Aus wechselung der Gefangenen.“ Fürst Andrei gab gern seine Einwilligung zum Frieden, man schloß einen Vertrag und bekräftigte ihn mit einem Eide, worauf die Fürsten die Gefangenen auswechselten und unter sich als nahe Verwandte Gastmaale veranstalteten, so daß jeder Fürst die übrigen zum Mittagsmaale zu sich einlud; nemlich zuerst König Stephan von Ungarn, hierauf König Boleslaw von Polen und am dritten Tage Fürst Andrei von Wladimir in Wolhynien. Man bewirthete und beschenkte einander reichlich und jeder kehrte in Frieden und Freundschaft in sein Land zurück.

 

Als der Großfürst hievon Nachricht erhielt dankte er Gott für diesen Sieg, rühmte seinen

 

 

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Sohn und seine Truppen und kehrte selbst vom Fluße Stir zurück.

 

In demselben Jahre starb Fürst David Swätoslawitsch von Tschernigow, und hatte daselbst seinen jüngern Bruder Fürsten Jaroslaw Swätoslawitsch zum Nachfolger. In diesem Jahre zog Fürst Wsewolod Mstislawitsch aus Nowgorod gegen die Jemen, erreichte, ungeachtet des sehr bösen Wetters und Weges, ihre Armee am Fluße Swir, besiegte sie und kam mit vielen Gefangenen zurück, worauf er sich noch in demselben Jahre in Nowgorod mit Wera der Tochter eines Tüßäzki vermählte.

 

Im Jahre 1124 starb Fürst Waßilko Rostislawitsch von Terebowl.

 

In diesem Jahre starb auch die Gemahlin des Großfürsten Swätopolk Isäslawitsch. In demselben Jahre schickte sich Fürst Wolodar Rostislawisch von Peremüschl zu einem Feldzuge gegen Polen an, welche widerum Einfälle in seine Länder gethan hatten, er ward aber während dieser Kriegsrüstungen krank und starb bald darauf. Das Fürstenthum blieb nach ihm seinen Söhnen, von welchen er dem ältern Wolodimirko, Swenigorod, und dem jüngern Rostislaw, Peremüschl gegeben hatte.

 

Im Jahre 1125, am 19ten May starb der rechtgläubige Großfürst Wladimir Wsewolodowitsch nach seinem mütterlichen Großvater Monomach genannt.

 

 

 

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Seine Regierung über Rußland währete 13 Jahre.

 

Er lebte 73 Jahre, starb an der Alta, und ward in Kiew in der Kirche zur heiligen Sophia neben seinem Vater begraben.

 

Seine Gemahlinnen waren:

oo I. Die königlich schwedische Prinzeßin Christina, eine Tochter des Königes Ingor IV. von Schweden.

oo II. Euphimia, deren Herkunft unbekannt ist.

 

Die Kinder des Großfürsten Wladimir Wsewolodowitsch waren:

Söhne:

1. Fürst Mstislaw *) 2. Fürst Isäslaw 3. Fürst Swätoslaw 4. Fürst Jaroslaw 5. Fürst Jaropolk 6. Fürst Wätscheslaw

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*) Von welchem nach dem Bericht der Geschichtschreiber das Geschlecht der Fürsten von Smolensk, der Fürsten Ostroshki in Wolhynien, der Fürsten Jaroslawskoi und Wäsemskoi in Rußland, und von diesen die Shishemskoi, Daschkow, Porchowskoi, und Kropotkin abstammen.

Von dem Enkel dieses Fürsten Mstislaw, dem Fürsten David Mstislawitsch, stammten die jaroslawischen Fürsten, und von diesen die Geschlechter Troekurew, Kurpskoi, Romanowitsch, Schestunow, Olabischew, Olenkin, Sißeew, Gagin, Penkow, Juchotskoi, Kubenskoi, Schetinin, Sandirewskoi, Saßekin, Sonzew, Shirow, Soßunow, Schachowskoi, Mortkin, Deew, Subatoi, Wekoschkin, Ochlebinin, Chworostin, Sizkoi, Prosorowskoi, Schumarowskoi, Uschatoi, Dulow, Moloshkoi, Schemin, und Sudskoi.

 

 

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7. Fürst Roman 8. Fürst Jurii *) 9. Fürst Andrei 10. Fürst Gelb

 

Töchter:

1. Maria, Gemahlin des griechisch kaiserlichen Prinzen Leo.

2. Sophia, Gemahlin des Königes Bela II. von Ungarn; sie starb als Nonne unter dem Namen Ewpraxia.

3. Anastasia Gemahlin des Königes Boleslaw IV. von Polen.

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*) Von dem Enkel des Fürsten Jurii, Fürsten Konstantin Wsewolodowitsch, stammten nach dem Bericht der Geschichtschreiber die rostowischen Fürsten und von diesen die Fürsten Golenin, die Schtschepin, Priimkow-Rostowskoi, Gwosdeew, Bachtejarow, Chocholkow, Janow, Pushbalskoi, Bruchatoi, Katürew, Buinoßow, Temkin, Britoi, Lastkin, Koßatkin, Lobanow, und Goluboi.

Von dem Sohne des Fürsten Konstantin Wsewolodowitsch, Fürsten Waßilko Konstantinowitsch von Belo-Osero, stammten die beloserschen Fürsten, und von diesen die Fürsten Andomskoi, Badbalskoi, Beloßelskoi, Scheleschpanskoi, Kemskoi, Sugorskoi, Kargolomskoi, Uchtomskoi.

Von dem jüngsten Bruder des Fürsten Konstantin Wsewolodowitsch, Fürsten Joann Wsewolodowitsch, stammten die starodubischen Fürstlichen Geschlechter nemlich, die Fürsten: Posharskoi, Galibeßowskoi, Kriwoborskoi, Romadanowskoi, Lälowskoi, Oßipowskoi, Sorokin, Räpolowskoi, und von diesen die Fürsten: Chilkow, Tatew, Gagarin, Nebogatoi, Palezkoi, Tulupow, und Gundrow.

 

 

 

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Geschlechts-Register Wladimirs. II. mit dem Zunamen Monomach.

 

► Wsewolod I. Fürst von Tschernigow, nachher Großfürst von ganz Rußland vom Jahre 1078 bis 1093.

oo Dessen erste Gemahlin war eine griechisch-kaiserliche Prinzeßin, Tochter des Kaisers Konstantin Monomach, von welcher:

 

► Wladimir II. mit dem Zunamen Monomach Fürst von Perejaslaw, nachher Großfürst von ganz Rußland vom Jahre 1113 bis 1125.

oo Dessen Gemahlinnen waren:

 

I. Die königlich schwedische Prinzeßin Christina des Königes von Schweden Ingor IV. Tochter.

 

II. Euphimia, deren Herkunft nicht bekannt ist.

 

Kinder des Großfürsten Wladimir II.

1) Fürst Mstislaw 2) Fürst Isäslaw 3) Fürst Swätoslaw 4) Fürst Jaroslaw 5) Fürst Jaropolk 6) Fürst Wätscheslaw 7) Fürst Roman 8) Fürst Jurii 9) Fürst Andrei 10) Fürst Gleb

 

11) Die Prinzeßin Maria, vermählt mit dem griechisch kaiserlichen Prinzen Leo.

 

12) Die Prinzeßin Sophia, vermählt mit dem Könige von Ungarn Bela II.

 

13) Anastasia, vermählt mit dem Könige von Polen Boleslaw IV.

 

 

 

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Wladimirs Zeitverwandte, vom Jahre 1113 bis 1125 waren:

 

In Griechenland. Kaiser. Alexis I. von 1081 bis 1118. Johann von 1118 bis 1143.

 

In Deutschland. Kaiser. Heinrich V. von 1006 bis 1125.

 

In Polen. König. Boleslaw III. von 1102 bis 1139.

 

In Böhmen. Fürst. Wladislaw III. von 1102 bis 1125.

 

In Sachsen. Fürst. Lothar von 1106 bis 1136.

 

In der Pfalz. Fürst. Gottfried von 1113 bis ___.

 

In Brandenburg. Fürsten. Rudolf I. von 1106 bis 1115. Heinrich II. v. 1115 bis 1128.

 

In Baiern. Fürsten. Welf II. von 1102 bis 1119. Heinrich Vll. von 1119 bis 1125.

 

In Braunschweig. Fürsten. Richense und Lothar von 1113 bis 1136.

 

In Ungarn. Könige. Koloman von 1095 bis 1114. Stephan II. von 1114 bis 1131.

 

In Dänemark. König. Nikolaus von 1106 bis 1135.

 

In Arabien. Kalifen. Mostader XLVII Kalif von 1094 bis 1118. Mostarched XLVIII Kalif von 1118 bis 1135.

 

In Egypten. Kalif. Awul Mansor Amer von 1101 bis 1130.

 

 

 

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In Ikonium. Sultane. Saisan von 1107 bis 1117. Masud von 1117 bis 1155.

 

In Alepo. Sultane. Redwin von 1095 bis 1114. Alp Arslan von 1114 bis 1115. Sultan Schach von 1115 bis 1117. Ilgast von 1117 bis 1121. Soliman von 1121 bis 1123. Balak von 1123 bis 1124. Timurtasch von 1124 bis 1125.

 

In Damask. Sultan. Togtegin von 1103 bis 1127.

 

In Frankreich. König. Ludwig VI. von 1108 bis 1137.

 

In England. König. Heinrich I. von 1100 bis 1135.

 

In Schottland. Könige. Alexander I. von 1107 bis 1124. David I. von 1124 bis 1153.

 

In Spanien. König. Wraka und Alphons VII. von 1109 bis 1126.

 

In Toskana. Groß-Herzog. Matilda von 1076 bis 1115.

 

Patriarch zu Konstantinopel. Johann von 1111 bis 1134.

 

Römische Päbste. Paschalis II. von 1099 bis 1118. Gelasius II. von 1118 bis 1119. Kalixtus II. von 1119 bis 1124. Honorius II. von 1124 bis 1125.

 

Mitropoliten zu Kiew. Nikifor von 1107 bis 1122. Nikita von 1122 bis 1127.

 

In Rußland. Abgetheilte Fürsten.

 

In Tschernigow. David Swätoslawitsch von 1096 bis 1123. Jaroslaw Swätoslawitsch von 1123 bis ___.

 

In Perejaslawl. Swätoslaw Wladimiritsch von 1113 bis 1115. Jaropolk Wladimiritsch von 1115 bis ___. Gleb Wladimiritsch von 1117 bis ___.

 

 

 

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In Smolensk. Wätscheslaw Wladimiritsch von 1113 bis ___.

 

In Nowgorod und Rostow. Mstislaw Wladimiritsch von ___ bis 1117. Wsewolod Mstislawitsch von 1117 bis ___.

 

In Tmutarakan. Olg Swätoslawitsch von ___ bis 1115. Wsewolod Olgowitsch von 1115 bis ___.

 

In Polozk. Roman Wseslawitsch von ___ bis 1115.

 

In Minsk. Gleb Wseslawitsch von ___ bis ___.

 

In Räsan. Roman Swätoslawitsch von ___ bis ___.

 

In Wüschegrad. Mstislaw Wladimiritsch von 1117 bis ___.

 

In Wladimir in Wolhy. Jaroslawez Swätopoltschisch von ___ bis ___. Roman Wladimiritsch von von 1117 bis 1118. Andrei Wladimiritsch von 1118 bis ___.

 

In Peremüschl. Wolodar Rostislawitsch von ___ bis 1124. Wolodimirko Wolodaritsch von 1124 bis ___.

 

In Terebowl. Waßilko Rostislawitsch von ___ bis 1124.

 

In Swenigorod. Rostislaw Wolodaritsch von 1124 bis ___.

 

 

 

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33.

Großfürst Mstislaw I. in der heiligen Taufe Peter genannt, mit dem Beinamen der Große.

 

Nach dem im Jahre 1125 erfolgten Ableben des Großfürsten Wladimir Wsewolodowitsch, bestieg dessen ältester Sohn Mstislaw Wladimirowitsch in Kiew den großfürstlichen Thron des rußischen Reichs, und ließ solches allen rußischen Fürsten bekannt machen und sie zur Berathschlagung nach Kiew einladen.

 

Die Geschichtschreiber sagen: der Großfürst Mstislaw Wladimirowitsch war gerecht, tapfer im Kriege, ordentlich und klug in allen Geschäften, von seinen Nachbaren geehrt, und gnädig gegen seine Unterthanen.

 

Die Brüder des Großfürsten behielten bey seiner Gelangung zum Thron die ihnen durch das Testament ihres Vaters zugetheilte Besizungen, nemlich:

 

1) Fürst Jaropolk Wladimiritsch, Perejaslawl.

2) Fürst Werscheslaw Wladimiritsch, Turow.

3) Fürst Jurii Wladimiritsch, Rostow und Susdal.

4) Fürst Andrei Wladimiritsch, Wladimir in Wolhynien.

 

Die Söhne des Großfürsten Mstislaw Wladimirowitsch hatten folgende Besizungen.

 

5) Fürst Isäslaw Mstislawitsch, Kursk.

 

 

 

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6) Fürst Wsewolod Mstislawitsch, Groß-Nowgorod.

7) Fürst Rostislaw Mstislawitsch, Smolensk.

 

Die tschernigowischen Fürsten hielten sich zwar für älter im Stamme und glaubten deshalb Ansprüche auf den großfürstlichen Thron zu haben, da ihnen aber Mstislaws Grosmuth Verstand und Tapferkeit bekannt war, verhielten sie sich schweigend; denn sagen die Geschichtschreiber „niemand war damals im Stande ihm zuwider zu reden.“

 

Als die Polowzer erfuhren, das der Großfürst Wladimir Wsewolodowitsch gestorben sey und Mstislaw den großfürstlichen Thron in Besiz genommen habe, kamen sie unter ihrem Anführer Fürsten Bora nach Rußland, um an den Flüssen Sula und Chorol Gefangene zu machen; indem sie sich auf die Hülfe der perejaslawischen Torken verließen, mit denen sie ein geheimes Verständnis und Bündnis hatten. Fürst Jaropolk Wladimiritsch von Perejaslawl ließ, von der Ankunft der Polowzer und ihrem geheimen Verständnise mit den Torken benachrichtiget, die vornehmsten Torken in die Stadt bringen, zog seine perejaslawische Truppen zusammen, machte sich ohne die Hülfe seiner Brüder abzuwarten ungesäumt auf, und traf die Polowzer bey Polkosten. Da diese die geringe Mannschaft des Fürsten Jaropolk sahen, rückten sie so gleich gegen ihn aus, und fingen das Treffen an. Fürst

 

 

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Jaropolk Wladimiritsch, welcher der Tapferkeit seines Vaters und seiner Voreltern nacheiferte, verachtete die Menge der Feinde und grif sie mit seiner Leibwache so heftig an, daß er sie besiegte und in die Flucht trieb, worauf er selbst mit Ruhm und Ehre nach Perejaslawl zurück kam, Gott dem Herrn schuldiges Lob und Dank brachte, und einige der Torken, die sich mit den Polowzern in ein Verständnis eingelassen hatten, andern zum Schrecken bestrafte.

 

Im Jahre 1126 geriethen die Söhne des Fürsten Wolodar Rostislawitsch von Peremüschl, bald nach dem Tode ihres Vaters, in Mißhelligkeiten. Fürst Wladimirko Wolodaritsch wollte seinem Bruder Fürsten Rostislaw Wolodaritsch die ihm von seinem Vater verliehene Besizungen Peremüschl, Swenigorod und Belsh nicht zugestehen, Fürst Rostislaw Wolodaritsch aber das ihn von seinem Vater verliehene Erbtheil nicht seinem ältesten Bruder abtreten. Beyde Brüder wagten es, so lange der Großfürst Wladimir Wsewolodowitsch lebte, aus Furcht vor ihm nicht, gegen einander Krieg anzufangen; denn Wladimir hatte so bald er von ihren Uneinigkeiten hörte einen seiner Großen zu ihnen gesandt, und ihnen andeuten lassen, daß sie sich nicht unterstehen sollten, die Verordnungen ihres Vaters zu übertreten. Nach des Großfürsten Wladimir Wsewolodowitsch Tode aber schickten sich die Fürsten Wladimirko Wolodaritsch von Peremüschl

 

Vierter Band 1783.

 

 

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und Rostislaw von Swenigorod zum Kriege an, und brachten ansehnliche Heere auf. Fürst Wladimir Wolodaritsch rief die Ungarn zu Hülfe, Fürst Rostislaw Wolodaritsch aber ward von den Söhnen des Fürsten Waßilko von Trebowl, den Fürsten Igor Waßilkowitsch und Rostislaw Waßilkowitsch unterstüzt, auch sandte er, ehe er zu Thätlichkeiten schritt, zum Großfürsten Mstislaw Wladimiritsch, bey dem er sich über seinen Bruder beklagte und um Schuz bat.

 

Der Großfürst Mstislaw sandte sogleich Truppen ab, und ernannte einige seiner Großen um die Streitigkeiten der Fürsten von Halitsch *) zu untersuchen, und zwischen ihnen durch billige Bestimmung ihrer Besizungen einen Vergleich zu stiften. Man versammelte sich in Tschirsk, konnte aber den Fürsten Wladimirko Wolodaritsch zu keinem billigen Vergleich bewegen, so das man unverrichteter Sachen auseinander ging.

 

Fürst Wladimirko Wolodaritsch begab sich jezt aus Furcht vor dem Großfürsten Mstislaw mit seiner Gemahlin und seinen Kindern nach Ungarn, um seinen Schwiegervater um Hülfstruppen zu bitten; Fürst Rostislaw Wolodaritsch aber suchte sich durch eine Belagerung der Stadt Swenigorod zu bemächtigen. Diese Stadt ward

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*) So nannte man damals schon die Söhne der Fürsten Wolodar und Waßilko.

 

 

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von einem Feldherrn des Fürsten Wladimirko Wolodaritsch mit drey tausend Ungarn und Halitschern vertheidiget, welche tapfern Widerstand thaten. Als endlich gedachter Feldherr bemerkte, daß die Truppen des Fürsten Rostislaw Wolodaritsch nicht auf ihrer Hut wären, that er einen Ausfall, und schlug den Fürsten Rostislaw so, daß er alles verließ und die Flucht nahm.

 

Fürst Wladimirko Wolodaritsch kam bald darauf aus Ungarn zurück, wagte es aber nicht ferner gegen seinen Bruder zu kriegen, weil er von dem Großfürsten aus seinem Fürstenthume vertrieben zu werden befürchtete.

 

Am 11ten Julius starb Euphimia, gewesene Gemahlin des Großfürsten Wladimir Wsewolodowitsch.

 

Am ersten August war um 8 Uhr in der Nacht in Kiew ein Erdbeben.

 

Im Jahre 1127 starb am 28sten März der vierte Sohn des Fürsten Swätopolk Jaroslawitsch, Brätschislaw Swätopoltschisch, und ward am 5ten April begraben.

 

Fürst Wsewolod Olgowitsch von Tmukarakan kam mit einer Armee vor Tschernigow, und vertrieb seinen Vetter Fürsten Jaroslaw Swätoslawitsch, welcher aller Mittet zum Widerstande beraubt, sich nach Tmutarakan begab, in Räsan seinen Vetter Fürsten Swätoslaw Olgowitsch verließ, und sich weiter nach Murom verfügte. Als der Großfürst Mstislaw Wladimirowitsch erfuhr,

 

 

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daß sein Eidam Fürst Wsewolod von Tmutarakan, in Hofnung auf seine Unterstüzung, den Fürsten Jaroslaw, seinen Vaterbruder, aus Tschernigow vertrieben habe, sandte er ungesäumt zu ihm und ließ ihm andeuten; daß er sogleich Tschernigow räumen und solches widerum dem Fürsten Jaroslaw übergeben sollte; Fürst Wsewolod von Tmutarakan gehorchte aber dem Großfürsten nicht.

 

Der Großfürst Mstislaw nahm seinen Bruder Fürsten Jaropolk Wladimiritsch aus Perejaslawl mit sich, zog mit einem Heere gegen Tschernigow und umringte die Stadt.

 

Als Fürst Wsewolod von Tmutarakan sahe, daß er sich in der Hofnung auf seinen Schwiegervater (den Großfürsten Mstislaw) betrogen habe, und daß selbiger Gerechtigkeit höher als nahe Verwandschaft schäze, sandte er zu ihm und ließ ihn in Unterthänigkeit bitten, er möchte ihm Tschernigow lassen, dem Fürsten Jaroslaw Swätoslawitsch aber zu seinem Theile Tmutarakan verleihen. Fürst Wsewolod Olgowitsch hatte, ehe er etwas von dem Anmarsche des Großfürsten wußte, sieben tausend Polowzer in Sold nehmen lassen, die unter Anführung ihrer Fürsten Oßekul und Ostasch bis Ratimirew-Dubrowa am Wür, vorgerückt waren und dem Fürsten Wsewolod ihre Ankunft melden ließen; Fürst Jaropolk von Perejaslawl aber hatte indessen alle Wege besezen lassen, und in den Städten Befehlshaber bestellt,

 

 

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so daß die an den Fürsten Wsewolod abgefertigte Polowzer beym Fluse Loknä aufgefangen und nach Kursk gebracht wurden. Da die Polowzer zwar von der Ankunft des Großfürsten Mstislaw mit seiner Armee, von ihren Abgefertigten aber gar keine Nachricht erhielten, besorgten sie einen unversehenen Ueberfall von Seiten der rußischen Fürsten, und kehrten eilends zurück.

 

Der Großfürst empfand es besonders sehr übel, daß Fürst Wsewolod Olgowitsch die Polowzer nach Rußland gebracht hatte, und befahl der Stadt Tschernigow heftig zuzusezen; Fürst Wsewolod von Tmutarakan aber, dessen Umstände immer bedrängter wurden, sandte einige seiner Bojaren ab, die den Großfürsten um Verzeihung und Gnade bitten, die großfürstlichen Räthe aber durch Geschenke und Versprechen bewegen sollten, Mstislaws Zorn zu besänftigen und einen den Wünschen des Fürsten Wsewolod entsprechenden Frieden zu Stande zu bringen, worüber die Unterhandlungen bis zum Winter fordauerten. Während dieser Zeit kam Fürst Jaroslaw Swätoslawitsch aus Murom zum Großfürsten, erwähnete des ihm und seinen Brüdern geschehenen Versprechens, daß ihnen niemand Unrecht thun sollte, und bat, der Großfürst möchte seine Sache mit dem Fürsten Wsewolod von Tmutarakan nach Recht und Gerechtigkeit untersuchen, und schlichten. Fürst Wsewolodwolod

 

 

 

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verdoppelte unterdessen seine Bitten und Ränke und sparte seine Geschenke nicht.

 

Viele Großen riethen dem Großfürsten Mstislaw, er sollte seinem Eidam Fürsten Wsewold von Tmutarakan das Fürstenthum Tschernigow lassen; andre aber waren der Meinung, der Großfürst müsse durchaus das dem Fürsten Jaroslaw gebührende Recht des Alters schüzen, und das ihm geschehene Versprechen unverbrüchlich halten.

 

Um diese Zeit stand ein gewisser Grigorii, Abt des Andreas Klosters, bey dem Großfürsten Mstislaw (so wie schon vorher beym Großfürsten Wladimir Wsewolodowitsch) in besondern Gnaden. Dieser war der Meinung, der Großfürst sollte für den Fürsten Jaroslaw keinen Krieg gegen seinen Eidam führen, weil es, wie er sagte, besser wäre, sein Wort nicht zu halten als im Kriege viele unschuldige Leute aufzuopfern. Der Großfürst Mstislaw erwiederte hierauf: „daß er als das Haupt des Reichs sein gegebenes Wort nicht brechen, noch Unrecht und offenbare Beleidigung ohne Schimpf und Schaam leiden könne; er fordere von seinen Unterthanen gerechtes Gericht, und strafe Meineid und Unrecht, werde also selbst weder seinen Eid brechen, noch ein ungerechtes Urtheil fällen.“ Bey diesen guten Gesinnungen für seinen und des Vaterlandes Nutzen Ruhm und Ehre, war der Großfürst von besagtem Abt und seinen Bojaren

 

 

 

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umgeben welche ihm keine Ruhe ließen und beständig zuriethen, er möchte Tschernigow dem Fürsten Wsewolod lassen, für den Fürsten Jaroslaw keinen Krieg führen, und seine Leute schonen, so daß er, der bey seinem guten Vorsaz nicht Festigkeit genug besaß, endlich bewogen wurde, dem Fürsten Wsewolod Tschernigow zu lassen und dem Fürsten Jaroslaw keine Hülfe zu leisten, welcher sehr betrübt nach Murom zurück kehrte.

 

Die Geschichtschreiber melden, der Großfürst habe dieses sein ganzes Leben durch bedauert und dieser Ungerechtigkeit nie ohne Seufzen erwähnet.

 

Um diese Zeit verlieh der Großfürst den Söhnen des Fürsten David das Fürstenthum Nowgorod-Sewerskoi.

 

Um eben diese Zeit schickte der Großfürst Mstislaw auf vier verschiedenen Wegen eine Armee gegen die unruhigen Fürsten von Polozk, welche die seinen Brüdern und Söhnen verliehene Besizungen durch beständige Ueberfälle verwüsteten. Erstens: seinen Brüdern den Fürsten Wetscheslaw Wladimiritsch von Turow und Andrei Wladimiritsch von Wladimir (in Wolhynien) nebst den Fürsten Wsewolod von Gorodez und Isäslaw Jaroslawitsch von Luzk befahl er gegen die Stadt Isäslawl vorzurücken. Zweitens: seinen Sohn Fürsten Wsewolod Mstislawitsch von Nowgorod beorderte er gegen Nekljutsch. Drittens: dem Fürsten Wsewolod Olgowitsch von

 

 

 

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Tschernigow und dessen Brüdern befahl er ihren Zug nach Strishew gegen die Stadt Borißow zu nehmen und gab ihnen den Feldherrn Iwan Woitischitsch mit den Torken zu Hülfe. Viertens: sein Sohn Isäslaw Mstislawitsch sollte aus Kursk gegen Lodoshesk, Fürst Rostislaw Mstislawitsch aber mit den Smolenskern gegen Druzk anrücken. Alle erhielten Befehl sich bey der Stadt Borißow zu vereinigen und am 14ten August ins polozkische Gebiet einzurücken. Fürst Isäslaw Mstislawitsch kam einen Tag vor den übrigen Fürsten an, und überfiel ohne sie abzuwarten, die Stadt Lodoshesk, deren Einwohner zu keiner Vertheidigung gefaßt waren, und ihm die Thore öfneten. Die Fürsten Andrei und Wätscheslaw kamen hierauf vor der Stadt Isäslawl an, deren Bürger sich gegen sie zu vertheidigen anfingen. Fürst Isäslaw verweilete zwey Tage lang bey Lodoshesk, zog hierauf seinen Vettern zu Hülfe, und führte seinen gefangenen Schwager Brätschislaw des Fürsten Mstislaw Wseslawitsch Sohn mit sich, welcher der Stadt Isäslaw zu Hülfe gekommen aber mitten unter die großfürstlichen Truppen gerathen war, und von allen Seiten umringt sich seinem Schwager Isäslaw Mstislawitsch ergeben hatte; auch hatte Fürst Isäslaw verschiedene der vornehmsten Kodosher bey sich, denen er mit aller Achtung begegnete. Als dieses den Bürgern der Stadt Isäslawl bekannt ward, schickten sie dem Fürsten

 

 

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Wätscheslaw von Turow gewisse Bedingungen zu, unter welchen sie sich ergeben und die Stadtthore öfnen wollten, worauf sie in Zuversicht auf ihre Vorstellung an die Fürsten fahrläßig Wache hielten. Indessen schickten die Feldherren der Fürsten Rostislaw von Smolensk, Andrei von Wladimir in Wolhynien und Wätscheslaw von Turow in der Nacht heimlich Truppen in die Stadt. Die Bürger von Isäslawl sahen des Morgens ihre Stadt von großfürstlichen Truppen besezt, und konnten keinen Wiederstand thun, worauf die Fürsten in die Stadt einzogen.

 

Als die Polozker sahen, daß der Großfürst Mstislaw das polozkische Gebiet blos wegen der Ungerechtigkeiten des Fürsten David Fürst Gleb Wseslawitsch Sohns, und ihrer übrigen Fürsten bekriege, vertrieben sie den Fürsten David, mit dem Andeuten daß er durch sein unbilliges Verfahren Anlaß zum Kriege und zum Untergange unschuldiger Leute gegeben habe, nebst seinen Söhnen aus der Stadt, und erbaten sich von dem Großfürsten Mstislaw, den Fürsten Rochwold, Fürst Boris Wseslawitsch Sohn, zu ihrem Regenten. Der Großfürst war hiemit sehr zufrieden, und gab ihnen den Fürsten Rochwold, welchen sie als ihren Regenten mit sich nach Polozk führten.

 

In diesem Jahre fanden sich im Herbste Heuschrecken ein, welche die Feldfrüchte und das Laub in den Wäldern verzehrten.

 

 

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Am 13ten December starb Fürst Isäslaw Swätopoltschisch.

 

Im Jahre 1128 starb Fürst Boris Wseslawitsch von Polozk.

 

In diesem Jahre waren große Ueberschwemmungen.

 

In demselben Jahre legte der Großfürst Mstislaw eine steinerne dem heiligen Feodor geweihete Kirche an.

 

In demselben Jahre sandte der Großfürst Mstislaw seinen Poßadnik Danila nach Nowgorod, wo damals eine große Pest und Hungersnoth herrschte, so daß die Osmina Roggen eine Griwna kostete.

 

Im Jahre 1129 starb Fürst Michail Wetscheslawitsch ein Enkel des Großfürsten Wladimir Wsewolodowitsch. Da der Großfürst Mstislaw nicht nur für die gute Ordnung und Ruhe des Reichs, sondern auch für die Sicherung desselben gegen feindliche Einfälle sorgete, folglich den öftern Beunruhigungen der Grenzen durch die Polowzer Einhalt zu thun wünschte, ließ er allen abgetheilten Fürsten befehlen, daß sie mit ihren Truppen nach Kiew kommen, und entweder, wenn es thunlich wäre selbst, oder durch ihre Feldherrn im Kriegsrathe erscheinen sollten. Dieser Befehl wurde von allen abgetheilten Fürsten angenommen, ausser den Fürsten von Polozk, welche sich bey einer groben Weigerung der Ausrede bedienten, das sie

 

 

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genug zu Hause zu thun hätten. Der Großfürst Mstislaw nahm zwar diese Antwort sehr übel auf, wollte aber keine Zeit verlieren, sondern zog gegen die Polowzer, besiegte sie und trieb sie gegen die Wolga. Nach seiner Rückkunft aus diesem Feldzuge sandte er seine Feldherren gegen Polozk, und ließ den Polozkern bekannt machen: „ihre Fürsten wären ihm ungehorsam und aufsäzig gewesen, indem sie weder selbst zur Vertheidigung des Vaterlandes mit allen Fürsten gegen die Polowzer zu Felde gezogen noch Truppen gesandt hätten, sondern sogar, ohne ihm deshalb Anzeige zu thun, während der Zeit, feindliche Einfälle in die Besizungen seiner Brüder gethan hätten; da er nun wisse, daß ihre Städte und das ganze polozkische Land hieran unschuldig wären, so befehle er blos die polozkische Fürsten vor das Gericht der rußischen Fürsten nach Kiew zu bringen.“ Da die Polozker dieses hörten, weigerten sie sich, ihren Fürsten gegen den Großfürsten Mstislaw Truppen zu geben, und zwangen sie nach Kiew zu reisen.

 

Die Feldherren des Großfürsten nahmen hierauf die Fürsten David, Rostislaw, Swätoslaw, wie auch Waßilii und Johann Rochwolds Söhne, sezten sie mit ihren Gemahlinnen und Kindern auf drey Fahrzeuge und brachten sie nach Kiew. Der Großfürst überwies sie vor allen Fürsten ihres Unrechts, ließ sie wieder auf drey Fahrzeuge sezen, schickte sie den Dnieper

 

 

 

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herab nach Konstantinopel, und bat seinen Eidam den Kaiser Johann in einem Schreiben, sie da selbst wohl bewahren zu lassen. Der Kaiser nahm sie auf, bestimmte ihnen einen hinlänglichen Unterhalt, und schickte sie zu seiner Armee gegen die Sarazenen, wo sie mit Ruhme dieneten. Die Regierung von Polozk übergab der Großfürst hierauf seinem Sohne Isäslaw.

 

In demselben Jahre plünderten die Polen einige aus Mähren kommende rußische Kaufleute. Der Großfürst Mstislaw nahm sich seiner Unterthanen an und verlangte von dem Könige Boleslaw von Polen, daß man diesen Kaufleuten den ihnen zugefügten Schaden völlig vergüten sollte. König Boleslaw schickte Gesandten die einen Vertrag zur Verlängerung des Friedens schloßen und den verursachten Schaden zu bezahlen, wie auch die künftig durch ihr Land reisende Kaufleute zu begleiten und zu schüzen versprachen. Der Großfürst Mstislaw war hiemit zufrieden, und entließ die Gesandten mit vieler Ehre.

 

Im Jahre 1130 unternahm der Großfürst Mstislaw, weil die Litauer für den den Grenzörtern zugefügten Schaden keine Vergütung geben wollten, einen Feldzug nach Litauen, kam nach erhaltener Genugthuung und geschlossenem Frieden nach Nowgorod, legte daselbst auf der Pirogoschtscha eine der heiligen Mutter Gottes geweihete Kirche an, und kehrte von da nach Kiew zurück.

 

 

 

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Am 24sten Junius war in Kiew in der dritten Tagesstunde ein Erdbeben.

 

In diesem Jahre ward dem Großfürsten Mstislaw sein Sohn Wladimir gebohren.

 

In demselben Jahre vermählte der Großfürst seine Tochter Helena mit dem königlich ungarischen Prinzen Geis.

 

Im Jahre 1131 unternahm der Großfürst Mstislaw mit seinen Söhnen und den Fürsten von Tschernigow einen Feldzug gegen Litauen; die Litauer aber flüchteten in die Wälder, aus welchen sie die unvorsichtig vorbeyziehenden großfürstlichen Feldherren überfielen. Der Großfürst kehrte hierauf nach Kiew zurück und beschäftigte sich mit Verbesserungen im innern des Reichs.

 

Im Jahre 1132 ward der Großfürst Mstislaw Wladimirowitsch in der Charwoche von einer Krankheit befallen, woran er den 14ten April, am Freytage der Osterwoche, verstarb. Er regierte sieben, und lebte sechs und funfzig Jahre.

 

Vor seinem Ende ernannte er seinen Bruder Jaropolk Wladimirowitsch von Perejaslawl zu seinem Nachfolger in der großfürstlichen Würde, und empfahl ihm seine Kinder, denen er folgende Besizungen angewiesen hatte: dem Fürsten Wsewolod Mstislawitsch Perejaslawl, dem Fürsten Isäslaw Mstislawitsch Polozk, dem Fürsten Rostislaw Mstislawitsch Smolensk, dem Fürsten Swätopolk

 

 

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Mstislawitsch Nowgorod; den minderjährigen Fürsten Wladimir ließ er nebst seiner Mutter in Kiew, und übergab sie beyde der Vorsorge seines Bruders Jaropolk.

 

Seine Gemahlinnen waren 1) Christina, Tochter eines nowgorodschen Poßadniks. 2) Ljubawa, eine Tochter des nowogorodschen Poßadniks Dmitrii Danilowitsch.

 

Seine Kinder waren

 

Söhne:

1) Wsewolod von Perejaslawl.

2) Isäslaw von Polozk.

3) Rostislaw von Smolensk.

4) Swätopolk von Nowgorod.

5) Wladimir von Luzk.

 

Töchter:

1) Olga, vermählt mit dem Fürsten Jaroslaw von Wladimir.

2) Agafia, Gemahlin des Fürsten Wsewolod von Kiew.

3) Dobrodea, Gemahlin des griechischen Kaisers Johann.

4) Helena, Gemahlin des Königes von Ungarn Geis.

5) Rogneda, Gemahlin eines Fürsten von Polozk.

 

 

 

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Geschlechts-Register Mstislaws I.

►Wladimir II. mit dem Zunamen Monomach Fürst von Perejaslaw, nachher Großfürst von ganz Rußland vom Jahre 1113 bis 1125.

 

oo Seine erste Gemahlin war die königlich schwedische Prinzeßin Christina des Königes von Schweden Ingor IV. Tochter.

 

oo Seine zweite Gemahlin war Anna eine polozkische Prinzeßin.

 

Dessen Sohn Mstislaw I. Großfürst von ganz Rußland vom Jahre 1125 bis 1132.

 

oo Dessen Gemahlinnen waren:

I. Christina, Tochter eines nowgorodschen Poßadniks.

 

II. Ljubawa, des nowgorodschen Poßadniks Dmitrii Danilowitsch Tochter.

 

Dessen Kinder

 

Söhne:

1) Fürst Wsewolod

2) Fürst Isäslaw

3) Fürst Rostislaw

4) Fürst Swätopolk

5) Fürst Wladimir

 

Töchter:

6) Olga, vermählt mit Jaroslaw von Wladimir.

7) Agaphia, vermählt mit Wsewolod von Kiew.

8) Dobrodea, vermählt mit dem griechischen Kaiser Johann.

9) Helena, vermählt mit dem Könige von Ungarn Geis,

10) Rogneda, vermählt mit dem Fürsten von Polozk.

 

 

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176

 

Mstislaws Zeitverwandte vom Jahre 1125 bis 1132 waren:

 

In Griechenland. Kaiser. Johann von 1118 bis 1143.

 

In Deutschland. Kaiser. Lothar II. von 1125 bis 1137.

 

In Polen. König. Boleslaw III. von 1102 bis 1139.

 

In Böhmen. Fürst. Sobislaw I. von 1125 bis 1140.

 

In Sachsen. Fürst. Lothar von 1106 bis 1136.

 

In der Pfalz. Fürst. Wilhelm von ___ bis 1143.

 

In Brandenburg. Fürsten. Heinrich II. v. 1115 bis 1128. Udon III. von 1125 bis 1130. Konrad von 1130 bis 1131.

 

In Baiern. Fürst. Heinrich VIII. von 1125 bis 1139.

 

In Braunschweig. Fürsten. Richense und Lothar von 1113 bis 1136.

 

In Ungarn. Könige. Stephan II. von 1114 bis 1131. Bela II. von 1131 bis 1141.

 

In Dänemark. Nikolaus von 1106 bis 1135.

 

In Arabien. Kalifen. Mostarched XLVIII Kalif von 1118 bis 1135.

 

In Egypten. Kalifen. Awul Mansor Amer von 1101 bis 1130. Afed Bedinilla von 1130 bis 1149.

 

 

 

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In Ikonium. Sultan. Masud von 1117 bis 1155.

 

In Alepo. Sultane. Aksansar Burski von 1125 bis 1127. Masud von 1127 bis 1128. Emagedin Sengi von 1128 bis 1145.

 

In Damask. Sultan. Togtegin von 1103 bis 1127.

 

In Frankreich. König. Ludwig Vl. von 1108 bis 1137.

 

In England. König. Heinrich I. von 1100 bis 1135.

 

In Schottland. König. David I. von 1124 bis 1153.

 

In Spanien. Könige. Wraka und Alphons VII. von 1109 bis 1126. Alfons VIII. von 1126 bis 1157.

 

Patriarch zu Konstantinopel. Johann von 1111 bis 1134.

 

Römische Päbste. Honorius II. von 1124 bis 1130. Inocentius II. von 1130 bis 1143.

 

Mitropoliten zu Kiew. Nikita von 1122 bis 1127. Michail von 1127 bis 1146.

 

In Rußland. Abgetheilte Fürsten.

 

In Perejaslawl. Jaropolk Wladimiritsch

 

In Turow. Wätscheslaw Wladimiritsch

 

In Rostow und Susdal. Juri Wladimiritsch

 

In Wladimir in Wolhy. Andrei Wladimiritsch

 

In Kursk. Isäslaw Mstislawitsch

 

In Nowgorod. Wsewolod Mstislawitsch

 

In Smolensk. Rostislaw Mstislawitsch

 

Vierter Band 1783.

 

 

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In Tschernigow. Jaroslaw Swätoslawitsch

 

In Peremüschl. Wolodimirko Wolodaritsch

 

In Swenigorod. Rostislaw Wolodaritsch

 

In Terebowl. Igor Waßilkowitsch

 

In Tscherwen. Rostislaw Waßilkowitsch

 

In Tmutarakan. Wsewolod Olgowitsch

 

In Räsan. Swätopolk Olgowitsch

 

In Nowgorod-Sewerskii. Des Fürsten David Swätoslawitsch Kinder.

 

In Polozk. David Glebitsch. Rochwold Borißitsch. Isäslaw Mstislawitsch

 

 

 

 

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34.

Großfürst Jaropolk II.

Nach dem im Jahre 1132 erfolgten Tode des Großfürsten Mstislaw Wladimirowitsch ließen die vornehmsten Großen den Fürsten Jaropolk Wladimirowitsch davon benachrichtigen, welcher ungesäumt ankam und am 17ten April seinen Einzug in Kiew hielt, wo er nach gewöhnlicher Art mit dem heiligen Kreuze empfangen und von einer Menge Volks nach dem großfürstlichen Hofe begleitet ward.

 

Die Geschichtschreiber melden, der Großfürst Jaropolk Wladimirowitsch sey gerecht, friedliebend, gnädig gegen jedermann, von aufgewecktem Gemüthe, leutselig und gesprächig gewesen, er habe sich über alle vorkommende Sachen berathschlaget, und sey von allen als ein Vater geliebet worden. sobald Jaropolk Wladimirowitsch dem großfürstlichen Thron in Besiz genommen hatte, berief er, laut dem lezten Willen seines Bruders des Großfürsten Mstislaw, dessen ältesten Sohn den Fürsten Wsewolod Mstislawitsch (in der heiligen Taufe Gawrila genannt) aus Nowgorod zurück, und übergab ihm Perejaslawl, Fürst Jurii Wladimirowitsch von Rostow aber, der hiemit nicht zufrieden war, und das Vorrecht des Alters behauptete, verachtete den lezten Willen seines Bruders, zog ungesäumt aus Rostow nach Perejaslawl und vertrieb den Fürsten Wsewolod Mstislawitsch aus dieser Stadt. Der Großfürst sandte auf die erste Nachricht von dem eigenmächtigen

 

 

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Verfahren des Fürsten Jurii Wladimirowitsch einige Truppen nach Perejaslawl, die ihn wiederum von dannen vertrieben.

 

Fürst Jurii Wladimirowitsch von Rostow, begab sich nach einem achttägigen Aufenthalt in Perejaslawl, nach Susdal, der Großfürst Jaropolk gab Perejaslawl seinem zweiten Neffen Fürsten Isäslaw Mstislawitsch von Polozk, entließ den Fürsten Wsewolod Mstislawitsch widerum nach Nowgorod und sandte den Fürsten Swätopolk Mstislawitsch nach Polozk.

 

Die Polozker welche keinen der Mstislawitschen zum Fürsten haben wollten, vertrieben in kurzem den Fürsten Swätopolk und sezten den Fürsten Waßilko Swätoslawitsch, einen Enkel des Großfürsten Wladimir Wsewolodowitsch an dessen Stelle.

 

Um diese Zeit bat Fürst Wetscheslaw Wladimiritsch von Turow den Großfürsten Jaropolk um Perejaslawl. Da nun der Großfürst innerliche Unruhen abzuwenden wünschte, um so mehr da Fürst Wetscheslaw sich mit dem Fürsten Jurii verbunden hatte, so übergab er Perejaslawl dem Fürsten Wetscheslaw, versezte den Fürsten Isäslaw Mstislawitsch aus Perejaslawl nach Minsk, und vermehrete dessen Besizungen mit Turow und Pinsk wodurch er den Neffen mit seinen Vettern versöhnte.

 

Im Jahre 1133 sandte der Großfürst Jaropolk Wladimirowitsch nach Nowgorod, um die von seinem Vater angeordnete petscherische Steuer einzufordern, die Nowgoroder wiedersezten sich ihm aber

 

 

 

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in verschiedenen Sachen. Die Geschichtschreiber werfen hiebey die Schuld auf den Fürsten Wsewolod Mstislawitsch, welcher nicht nur gelinde sondern schwach gewesen, und die Nowgoroder nicht in der gehörigen Ordnung gehalten habe, wodurch sie in solche Zügellosigkeit verfallen wären. Der Großfürst Jaropolk Wladimirowitsch sandte deshalb den Fürsten Isäslaw Mstislawitsch von Minsk nach Nowgorod, welcher die Nowgoroder gleich nach seiner Ankunft zur Bezahlung der petscherischen Steuer anhielt. *)

 

In diesem Jahre beleidigte Fürst Jurii Wladimirowitsch von Rostow nicht nur selbst seinen Neffen Fürsten Rostislaw Mstislawitsch von Smolensk, sondern bewog auch seinen Bruder Fürsten Wetscheslaw Wladimirowitsch von Perejaslawl, dem Fürsten Isäslaw Mstislawitsch von Minsk, Turow zu nehmen. Da aber der Großfürst Jaropolk Wladimirowitsch Ruhe zu stiften wünschte, und verhindern wollte, daß nicht durch innerliche Unruhen den benachbarten Völkern, als den Polowzern, Polen und Litauern Gelegenheit gegeben würde Einfälle in Rußland

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*) Unter Wladimir I. wurde festgesezt, daß Nowgorod dem Großfürsten 2000 Griwen zahlen sollte; da aber die Nowgoroder ihr Gebiet erweitert, und ihre Einkünfte durch Unterwerfung der Jugrer bis an den Fluß Petschera vermehret hatten, so wurde ihnen diese petscherische Steuer vom Fluße Petschera außer der von den vorigen Großfürsten angeordneten aufgelegt.

 

 

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zu thun, so berief er alle seine Brüder im Winter nach Kiew und hielt in ihrer Versammlung folgende Anrede. „Meine geliebten Brüder! das Leben des Menschen ist eitel und alles ist vergänglich, nur Rechtschaffenheit, Wahrheit und Frieden erwerben Unsterblichkeit, da im Gegentheil Bosheit, Neid und Feindschaft besonders gegen Brüder, nicht nur in diesem Leben ängstigen und quälen, sondern auch nach dem Tode, Gottes strenges Gericht und Schmach bey den Menschen nach sich ziehen. Sind nicht unsre Väter und Vorväter gestorben? Wie aber ein jeder von ihnen gelebt hat, solch ein Gedächtnis hat er hinterlassen. So müssen wir auch sterben und jeder wird den Lohn seiner Werke empfangen, niemand wird von dem was einer dem andern entrissen hat etwas mit sich nehmen, und ungerecht erworbenes Gut wird unsern Kindern nicht bleiben, wie euch von unsern Voreltern her so viele Beyspiele bekannt und vor Augen sind. Wo ist des Bruderfeindes Jaropolks Erbe? Wo ist des neidischen Olgs Vermögen und Ruhm? Seine Kinder selbst schämen sich seiner Thaten, da unsers Vaters und Großvaters Sanftmuth, Gerechtigkeit und Bruderliebe auch nach dem Tode glänzen und überall gerühmet werden; diesen sollten wir nachfolgen um auch solches Glücks und solcher Ehre würdig zu seyn. Ich sehe aber jezt mit Betrübnis, wie unerlaubt ihr das väterliche Gebot übertretet, die Liebe und väterliche Wohlthaten unsers ältesten Bruders Mstislaw

 

 

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vergesset und seinen Kindern Unrecht thut, ohne daran zu denken daß ihr selbst Kinder habt, und selbigen ein Beispiel des Bruderhaßes gebet. Wolle ihr nicht daß eure Kinder einander aus ihren Besizungen vertreiben sollen, gebt ihnen selbst Beispiele der Bruderliebe, so werden eure Ermahnungen und euer lezter Wille bey ihnen bessern Eindruck machen. Es ist euch noch in gutem Andenken, wie unser Bruder und ihr Vater Mstislaw, nach dem Tode unsers Vaters und nach dessen Vermächtnis, uns allen unsre Besizungen austheilte und niemanden vertrieb, sondern vielmehr alle schüzte und vertheidigte, und wenn er ja zuweilen über einen von uns in Zorn gerieth, solches nie anders als mit Recht that, daher wir und alle Fürsten ihn als einen Vater ehreten. so werden uns auch jezt seine Kinder ehren wenn wir ihnen kein Unrecht thun. Da er uns dieses als unser Gebieter andeutete und hieraus als Bruder zärtlich bat, konnte niemand von uns wiederstehen, wir überließen alles seinem Willen und versprachen unverbrüchlich Frieden und Freundschaft zu bewahren.“

 

Nach dieser Ermahnung traf der Großfürst Jaropolk Wladimirowitsch einige Anordnungen wegen der Besizungen der Fürsten, worauf er dem Fürsten Isäslaw Mstislawitsch Drogotschin, welches allein ihm Fürst Wetscheslaw übrig gelassen hatte, und dazu Pinsk verlieh und ihn reichlich beschenkt entließ. Fürst Wetscheslaw, der dem Rathe

 

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unruhiger Leute Gehör gab, wollte sich nicht mit Perejaslawl begnügen sondern auch Turow haben, da er nun dieses nicht von dem Großfürsten erhalten konnte, zog er selbst mit Truppen dahin. Als er indessen erfuhr, daß man ihn nicht in die Stadt einlassen werde, kehrte er zurück und zog gleich darauf gegen Räsan, um einen Versuch zu machen, dieses Gebiet den Jaroslawitschen zu entreißen, welches ihm von dem Großfürsten untersagt ward.

 

In diesem Jahre hatten die Tschuden (Liefländer) auf das Gerücht von den Zwistigkeiten der rußischen Fürsten, Nowgorod den Tribut versagt, und sich der Stadt Jurjew bemächtiget; Fürst Wsewolod Mstislawitsch von Nowgorod aber versammlete die nowgorodschen Truppen, zog im Winter zu Felde, besiegte am 9ten Februar (1134) die versammleten Tschuden, eroberte die Stadt Jurjew, bestrafte die Rädelsführer des Aufstandes, und kehrte mit dem gehobenen Tribute von ganz Liefland *) nach Nowgorod zurück.

 

Im Jahre 1134 kam Fürst Wetscheslaw Wladimirowitsch nach einem kurzem Aufenthalt in Räsan nach Perejaslaw zurück, worauf der Großfürst Jaropolk zu ihm sandte, ihm sein unordentliches Betragen und seine Einfälle in fremde Gebiete verweisen und ihn dabey ermahnen ließ, er möchte sein

 

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*) Dieses beweiset, daß ganz Liefland von Alters her zu Rußland gehöret habe.

 

 

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eigenes Gebiet (Perejaslawl) ruhig beherrschen, und mit selbigem vergnügt, keine fremde Grenzen beunruhigen. Wetscheslaw achtete den Rath des Großfürsten seines ältesten Bruders nicht, verließ gleich darauf Perejaslawl und begab sich nach Turow wo damals ihr jüngerer Bruder Fürst Andrei Wladimirowitsch regierte.

 

Im Jahre 1135 schlug Fürst Jurii Wladimirowitsch von Rostow dem Großfürsten einen Tausch seiner Besizungen vor, bat um Perejaslawl und wollte Jaropolken statt dessen Rostow und Susdal, doch nicht mit dem ganzen dazu gehörigen Gebiet geben. Dieser Vorschlag des Fürsten Jurii Wladimirowitsch war indessen den Mstislawitschen sehr unangenehm, welche behaupteten, daß Perejaslawl laut der gegebenen Versicherung des Großfürsten Jaropolk ihnen zugehöre, da sie aber sahen daß ihre Vorstellungen bey ihren Vettern keinen Eingang fänden, ließen sie ihren Schwager Fürsten Wsewolod Olgowitsch von Tschernigow um Hülfe bitten, welcher sogleich eine Armee zusammen brachte und in seinem, seiner Brüder und Neffen Namen Krieg ankündigte. Hierauf verfügte sich Fürst Isäslaw Mstislawitsch von Minsk, mit seinen Truppen nach Nowgorod, von da er nebst seinem Bruder dem Fürsten Wsewolod Mstislawitsch von Nowgorod, nach getroffener Verabredung mit den tschernigowschen Fürsten, gegen Rostow anrückte. Indessen erregten die nowgorodschen Truppen, welche die Wolga herab bis Dubna gekommen waren, einen

 

 

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Aufstand, und kehrten unter folgendem Vorwande zurück: da die Mstislawitschen sich mit den tschernigowschen Fürsten zum Kriege verbunden hätten, so wären sie, die Nowgoroder, zwar bereit, für ihre Fürsten zu stehen und ihnen Frieden zu verschaffen, sie verlangten aber mit den tschernigowischen Fürsten weder Freundschaft noch Bündnis zu haben. Fürst Wsewolod Mstislawitsch sahe sich durch diese Wiederspänstigkeit seiner Truppen gezwungen nach Nowgorod zurück zu kehren, Fürst Isäslaw von Minsk aber blieb in Wolok (Wüschnei- Wolotschok).

 

Als die Verbindung der tschernigowschen Fürsten mit den Mstislawitschen bekannt ward, zog der Großfürst Jaropolk nebst seinen Brüden Jurii und Andrei laut getroffener Verabredung gegen Tschernigow, um die Vereinigung des Fürsten Wsewolod Olgowitsch mit den Mstislawitschen zu hindern. Fürst Wsewolod Olgowitsch von Tschernigow ließ indessen nicht nur seine Bundesgenossen die Mstislawitschen von dem feindlichen Anzuge des Grosfürsten und seiner Brüder benachrichtigen sondern auch Polowzer in Sold nehmen und blieb selbst in seiner Stadt um sich in selbiger zu vertheidigen.

 

Da der Großfürst erfuhr daß die Mstislawitschen von Dubna zurückgekehrt waren, und ferner keine Vereinigung der gedachten Fürsten befürchtete, auch nicht wußte daß Fürst Wsewolod Olgowitsch die Polowzer zu Hülfe gerufen hätte, trat er sogleich seinen Rückzug an; sobald aber die

 

 

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Polowzer sich beym Fürsten Wsewolod Olgowitsch von Tschernigow eingefunden, auch die Fürsten Isäslaw von Minsk und dessen Bruder Swätopolk Mstislawitsch sich mit ihm vereiniget hatten, rückte er ohne Verzug gegen Perejaslaw und Kiew an, und bemächtigte sich der Städte Neshatin an der Wstra und Oborutsche. Der Großfürst Jaropolk war nicht im Stande seine Leute über den Dnieper zu bringen, und stand drey Tage lang bey Gorodez ohne den Feind angreifen noch das Land vertheidigen zu können, endlich wandte er sich gegen Ljubetsch ins tschernigowische Gebiet, wo bald darauf auch Fürst Wsewolod von Nowgorod ankam. Jezt verglichen sich die Fürsten ohne ein Treffen zu wagen, daß sie alle zusammen kommen und ihre Besizungen durch einen Vertrag berichtigen wollten; die Mstislawitschen aber verlangten und bestanden darauf ihre Vettern müßten ihnen alles ausliefern, was ihnen ihr Vater Mstislaw bey seinem Leben verliehen hatte, ohne welche Bedingungen sie keinen Frieden schliessen wollten. Der Großfürst brach hierauf nebst seinen Brüdern Jurii und Andrei mit der Armee gegen Kiew auf, und stand daselbst 8 Tage lang, in welcher Zeit der Friede nach vielen gegenseitigen Unterhandlungen zu Stande kam. Fürst Andrei Wladimirowitsch erhielt Perejaslawl, Fürst Isäslaw Mstislawitsch Wladimir in Wolhynien und Luzk nebst dem dazu gehörigen Gebiete, Fürst Jurii Wladimirowitsch aber kehrte in sein voriges Gebiet Rostow und Susdal zurück.

 

 

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Am ersten December 1135 war in Kiew ein großes Donnerwetter.

 

In diesem Jahre wurde Groß-Nowgorod durch die verschiedenen Gesinnungen seiner Bürger in nicht geringe Unruhen versezt, indem ein Theil derselben den Poßadnik *) und Tüßäzki *) beschuldigte, daß sie von ihrem Zuge gegen Rostow ohne etwas unternommen zu haben zurück gekehrt wären und dadurch ihre Stadt beschimpft hätten. Sie sagten hiebey zur Gegenparthey: „Wenn ihr behauptet, daß wir gegen die Wladimirowitschen, mit den Olgowitschen verbunden, keinen Krieg führen müßten, so denkt ihr hierin nicht recht, denn die Wladimirowitschen sind selbst Schuld daran, da sie ihren Neffen den Söhnen ihres ältesten Bruders des Großfürsten Mstislaw Unrecht thun, sie ihres Erbes berauben wollen, und dazu Polowzer ins Land bringen die Rußland verheeren. Wir haben dem Großfürsten Mstislaw Wladimirowitsch versprochen, und das Kreuz darauf geküßt, daß wir seinen Kindern treu bleiben wollten, und

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*) Die Poßadniken wurden anfangs von den Fürsten verordnet, und in der Folge Namestniken oder Stadthalter genannt. In Kriegeszeiten waren zwey Poßadniken.

**) Es gab in jedem Fürstenthum einen Tüßäzki welcher die Armee anführte. Der Tüßäzki trug gewöhnlich eine goldene Medaille mit einer Kette am Halse. In Nowgorod war der Tüßäzki weniger als der Poßadnik.

 

 

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müssen also die Mstislawitschen schüzen und vertheidigen, es mag sie anfallen wer da will.“ Diese Parthey der Nowgoroder wurde von dem Fürsten Wsewolod Mstislawitsch aufgewiegelt und erschlug viele von der Gegenparthey oder stürzte sie von der Brücke in den Fluß, welches sich am Sonnabende vor Pfingsten zutrug. Als der Großfürst Jaroslaw hievon Nachricht erhielt, bedauerte er beyde Theile und befahl dem Mitropoliten an die Nowgoroder zu schreiben, worauf der Mitropolit an den Bischof und an alle Nowgoroder schrieb, daß sie in Ruhe leben, und die Wiederspänstigen von dem Bischofe in den Bann gethan werden sollten. Die Nowgoroder sandten hierauf sogleich den Abt Isai und die Bojaren Jakun und Waßilko an den Großfürsten und Mitropoliten ab, und ließen um Verzeihung bitten. Der Großfürst ertheilte ihnen nach vielen Verweisen Verzeihung und befahl ihnen ruhig zu leben, der Mitropolit aber reisete selbst nach Nowgorod, wo er anfangs mit aller seinem Stande gebührenden Achtung empfangen wurde. Damals suchten viele Großen das Volk mit Eifer zum Kriege gegen den Fürsten Jurii Wladimirowitsch von Rostow anzureizen, worauf der Mitropolit, der sie hievon auf keine Art abhalten konnte, nach Kiew zurückkehren wollte, die gedachten Großen aber ließen ihn nicht reisen unter dem Vorwande er möchte dem Großfürsten Jaropolk und seinem Bruder Jurii von Rostow ihre Absicht entdecken. Sobald hierauf der Winter anfing und die Flüsse

 

 

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zugefroren waren, brach Fürst Wsewolod Mstislawitsch mit einer Großen aus Nowgorodern, Pskowern und Ladogaern bestehenden Armee am 17ten December gegen Rostow auf. Die Armee litt zwar große Beschwerde vom Frost und Ungestüm, erreichte aber demohngeachtet den Berg Sydanei, wo ihnen am 26sten Jannuar 1136 Fürst Jurii von Rostow mit seiner Armee entgegen kam. Als Fürst Jurii sahe, daß die Nowgoroder seinen Truppen sehr überlegen waren, und die Anhöhen besezt hatten, gieng er nicht gerade auf sie zu, sondern nahm seine Stellung in einiger Entfernung hinter dem Walde, in der Erwartung daß sie zu ihm herabkommen würden und auf dem Fluße angegriffen werden könnten. Unter dessen ließ er ihnen Friedensvorschläge thun, die aber von den Nowgorodern nicht angenommen wurden. Hierauf fertigte Fürst Jurii in der Nacht seinen Feldherrn Korob Jakun mit 500 Mann durch den Wald ab, und befahl ihm die Nowgoroder beym Anbruche des Tages von der rechten Seite unversehens zu überfallen; er selbst aber brach mit der ganzen Armee gegen die Nowgoroder auf, welche so gleich in Schlachtordnung gegen die Rostower anrückten. Als das Gefecht zwischen den Schützen anfing, stand Fürst Wsewolod auf der rechten Seite, neben ihm der Poßadnik Iwanok, der Tüßäzkoi Petrila aber auf der linken Seite, in welcher Stellung sie gegen die Armee des Fürsten Jurii vordrangen, und selbige zum Theil in Unordnung brachten. Jezt fiel Korob die Nowgoroder im Rücken an, Fürst

 

 

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Wsewolod aber der sich von einer großen Macht an gegriffen glaubte, wandte sich und verließ seinen Plaz. Korob verfolgte die flüchtigen Nowgoroder nicht, sondern grif auch das Haupttreffen im Rücken an und brachte es in Verwirrung, worauf Fürst Jurii mit seiner ganzen Armee vordrang und die Nowgoroder besiegte. Der Poßadnik Iwanok, ein tapferer Mann, und der Tüßäzki Petrila Mikulitsch waren nebst vielen Leuten im Treffen geblieben. Nach diesem Siege kehrte Fürst Jurii Wladimirowitsch mit vielem Ruhm nach Susdal die Nowgoroder aber sehr betrübt in ihre Stadt zurück. Als sie in Nowgorod ankamen, fingen sie an einander das gehabte Unglück vorzuwerfen, der größte Theil aber maß solches dem Fürsten Wsewolod Mstislawitsch bey, welcher aus der Stadt vertrieben zu wer den befürchtete, und sich zu den Warägern (nach Finnland welches damals unter schwedischer Oberherrschaft stand) begeben wollte, hierauf aber von den Nowgorodern festgenommen und nebst seiner Gemahlin zwey Monathe und vier Tage lang unter strenger Wache gehalten wurde. Die Ursachen die man deshalb dem Volke bekannt machte, waren:

 

Erstens, daß er das Volk nicht liebe sondern nur allein die Großen achte.

 

Zweitens, daß er in Perejaslawl regieren wollen, und dadurch seine Verachtung gegen den nowgorodschen Fürsten-Sitz bezeiget habe.

 

 

 

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Drittens, daß er im Kriege gegen die Rostower und Susdaler, fast ohne alles Gefecht, vor vielen andern das Schlachtfeld verlassen habe.

 

Viertens, daß er dem Spiele und der Jagd mit Habichten und Hunden zu sehr ergeben sey, und auf den Feldern herumstreife, sich aber des Rechts und der Gerechtigkeit im Lande und unter dem Volke nicht mit gehörigem Eifer annehme.

 

Fünftens, daß er mit dem Fürsten Wsewolod Olgowitsch von Tschernigow ein eigenmächtiges Bündnis geschlossen, und selbiges hierauf ohne alle Ursache wieder aufgehoben habe; welchen Beschu digungen man noch verschiedene ähnliche beyfügte.

 

Hierauf ließen die Nowgoroder den Fürsten Wsewolod Olgowitsch von Tschernigow um seinen jüngern Bruder Swätoslaw Olgowitsch zu ihrem Fürsten bitten, womit Fürst Wsewolod Olgowitsch sehr zufrieden war, und den Fürsten Swätoslaw ungesäumt mit den nowgorodschen Gesandten abfertigte. Sobald Fürst Swätoslaw Olgowitsch in Nowgorod angekommen war, entließen die Nowgoroder den Fürsten Wsewolod Mstislawitsch mit seinem Sohne Wladimir Wsewolodowitsch zum Großfürsten nach Kiew. Der Großfürst war zwar gegen den Fürsten Wsewolod Mstislawitsch sehr aufgebracht, um desto mehr weil er die Nowgoroder durch seine unordentliche Aufführung dazu gebracht hatte,

 

 

 

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daß sie, die sonst jederzeit den Großfürsten ergeben gewesen waren, sich auf eine bis dahin ungewöhnliche Weise unter den Schuz der Fürsten von Tschernigow begeben hatten, da er aber dabey der Liebe seines Bruders, des Fürsten Wsewolods Vaters, gedachte, bestrafte er Wsewoloden blos durch mündliche Verweise, und wies ihm Wüschgrad nebst dem dazu gehörigen Gebiet zu seiner Besizung an.

 

Als in demselben 1136sten Jahre Fürst Andrei Wladimirowitsch, laut der Verordnung des Großfürsten, aus Wladimir in Wolhynien nach Perejaslawl kam, erschien sogleich Fürst Wsewolod Olgowitsch nebst seinen Brüdern vor gedachter Stadt um sich derselben zu bemächtigen, zog sich aber auf die Nachricht daß der Großfürst Jaropolk Perejaslawl zu Hülfe komme, gegen die Quellen des Flusses Supoi zurück, und nahm seine Stellung auf dem Wege, wo der Großfürst vorbey ziehen mußte. Der Großfürst eilte ohne alle seine Truppen abzuwarten nach Perejaslawl, und zog, nach dem Bericht der Geschichte, wie zu einem Gastmale einher. Da er sich nun der Gegend näherte, wo Fürst Wsewolod Olgowitsch mit seinen Truppen stand, und dieselben unvermuthet gewahr ward, glaubte er es wäre nicht die ganze Armee dieses Fürsten und befahl den Seinen sich eiligst zu bewafnen und einen muthigen Angrif zu thun, worauf es zu einem Treffen kam, in welchem die polowzischen Hülfsvölker des Fürsten Wsewolod Olgowitsch zuerst die Flucht ergriffen.

 

Vierter Band 1783.

 

 

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Die Feldherren des Großfürsten Jaropolk glaubten einen völligen Sieg erhalten zu haben und sezten den Polowzern nach, ohne zu bemerken, daß die großfürstliche Armee noch mit dem Fürsten von Tschernigow und seinen Brüdern im Gefechte begriffen sey. Der Großfürst Jaropolk und seine Brüder, die Fürsten Jurii und Andrei, hielten sich zwar sehr tapfer, da sie aber endlich ihre Leute ermattet sahen, sezten sie sich an einen festen Orte, und kehrten von da nach Kiew zurück. Hierauf kam der Tüßäzkoi des Großfürsten, der die Polowzer verfolget hatte, unwissend alles dessen was vorgefallen war, nach dem Schlachtfelde zurück, und gerieth nebst verschiedenen bey ihm befindlichen Befehlshabern in die Gefangenschaft des Fürsten von Tschernigow, andre aber blieben auf dem Plaze. Unter den Gefangenen waren der Tüßäzki nebst David Jarukowitsch, Stanislaw Dutkowitsch und vielen kiewschen Bojaren. Auch war Fürst Waßilii, ein Sohn des griechisch-kaiserlichen Prinzen Leo und Enkel des Großfürsten Wladimir II. Monomach von seiner Tochter Maria, auf dem Plaze geblieben.

 

Der Großfürst und seine Brüder kamen am 8ten August unter allgemeinen Wehklagen des Volks in Kiew an, wo man besonders um den griechischen Fürsten Waßilii Leonowitsch, wegen seiner Tapferkeit und Klugheit, trauerte. Fürst Wsewolod Olgowitsch von Tschernigow gieng über die Desna, stand vier Tage lang bey Wüschgrad, und kehrte nach Tschernigow zurück, von da er Gesandte mit

 

 

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Friedensvorschlägen abschickte. Da diese keinen glücklichen Fortgang hatten, rief er wiederum die Polowzer zu Hülfe und unternahm einen neuen Feldzug gegen Kiew. Er gieng am 29 Decbr. über den Dnieper, eroberte Trepol und Chläpe, erschien vor Kiew und nahm seine Stellung am Lübed wo der Großfürst Jaropolk mit seiner Armee gegen ihn anrückte. Schon hatten die beiderseitigen Schützen einige Tage lang gegeneinander Pfeile gewechselt, und man schickte sich zur Schlacht an, weil man von Seiten des Großfürsten von keinem ihm und seinen Brüdern nachtheiligen Frieden hören wollte, als der Mitropolit beyde Theile eifrigst zum Frieden ermahnete und ihnen den Großen Schaden des ganzen Reichs von innerlichen Unruhen und die Sünde den Untergang unschuldiger Leute zu befördern, vorstellig machte. Der Großfürst Jaropolk nahm die Vorstellung des Mitropoliten wohl auf, schloß am 12ten Januar 1137 Frieden und gab den Fürsten solche Besizungen als sie verlangt hatten; die tschernigowischen Fürsten zogen mit ihren Truppen in ihr Land zurück, und entließen die Polowzer über den Dnieper.

 

In demselben J. vermählte sich Fürst Swätoslaw Olgowitsch in Nowgorod mit einer Wittwe, der Tochter eines Poßadniks Petrila, und ließ sich mit ihr in der Kirche des heiligen Nikolaus durch seinen eigenen Priester trauen, weil der Bischof dieser Ehe zuwider war, indem er den Verdacht hegte daß der Mann dieser Wittwe von des Fürsten Swätoslaw

 

 

 

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Olgowitsch Leuten erschlagen wäre, weshalb auch die Verwandten dieses ersten Mannes den Fürsten, wie unten beschrieben ist, aus Nowgorod zu vertreiben suchten.

 

In diesem Jahre kam Fürst Jurii Wladimirowitsch in seine Besizungen Susdal und Rostow zurück.

 

Im Jahre 1138 theilten sich die Nowgoroder in verschiedene Partheyen, von welchen eine, mit den Pskowern vereinigt, den Fürsten Wsewolod Mstislawitsch nach Nowgorod zurück berufen und den Fürsten Swätoslaw Olgowitsch vertreiben wollte. Diese sandte aus Nowgorod den Tüßäzki Konstantin Iwanko‘s Sohn und Jaschka Daschkow, aus Pskow aber Shiräta Daschkow und Michaila Janowitsch heimlich zum Fürsten Wsewolod Mstislawitsch, die nach Wüschegrad kamen, den Fürsten zu sich einluden und ihn versicherten daß das ganze Volk ihn einstimmig wiederum in Nowgorod zu haben wünsche. Fürst Wsewolod Mstislawitsch reisete, nach erhaltener Erlaubnis seines Vetters des Großfürsten Jaropolk, mit gedachten Gesandten in Begleitung seines Bruders Swätopolk und aller seiner Hofbedienten, nach Pskow, wo sich auf die Nachricht von seiner Ankunft viele Nowgoroder ins Geheim aus ihrer Stadt bey ihm einfanden. Als dieses dem Fürsten Swätoslaw Olgowitsch bekannt wurde, berief er alle vornehmen Nowgoroder zusammen und stellte ihnen vor, sie möchten ihm die Ursachen dieses ihres Betragens anzeigen; wenn sie seiner nicht ferner

 

 

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bedürften, so möchten sie ihn, so wie sie ihn mit Ehren berufen hätten auch mit Ehren entlassen, wenn dieses aber nicht ihre Meinung wäre, so möchten sie die Anfänger solcher Ränke bestrafen, und das Volk beruhigen, weil sonst die Nowgoroder selbst hievon nicht nur Schande und Vorwürfe sondern auch Schaden leiden würden. Die nowgorodschen Großen antworteten hierauf: die Sache wäre von einigen übel gesinnten Leuten angefangen worden, so daß die übrigen nichts davon wüßten; sie selbst aber wären sehr vergnügt ihn bey sich zu haben. Hierauf fingen sie an die Schuldigen aufzusuchen, von welchen sie einige, und unter dieser Zahl einen gewissen Konstantin Neshatin nach ihren Gesezen bestraften, ferner einige Bojaren und gewesene Freunde des Fürsten Wsewolod Wstislawitsch zu einer Geldstrafe verurtheilten, die sich auf anderthalb tausend Griwen belief und zur Ausrüstung eines Kriegsheeres angewandt ward, viele andre Leute aber, und unter diesen einige Unschuldige, ins Gefängnis warfen. Nach diesem zog Fürst Swätoslaw Olgowitsch alle nowgorodsche Truppen zusammen, rief seinen Bruder Gleb Olgowitsch aus Kursk mit den Kurskern und Polowzern zu Hülfe, und unternahm einen Feldzug gegen Pskow, nachdem er den Einwohnern zum voraus andeuten lassen, daß sie den Fürsten Wsewolod Mstislawitsch aus ihrer Stadt entfernen möchten. Die Pskower schlugen ihm dieses ab, verbanden sich alle durch einen Eid, zogen dem Fürsten Swätoslaw Olgowitsch mit

 

 

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ihrer Armee entgegen, legten auf seinem Wege Verhaue an, und besezten alle Posten mit Wachten. Als Fürst Swätopolk dieses erfuhr, und überdem wußte, daß unter den bey ihm befindlichen Leuten, viele dem Fürsten Wsewolod Mstislawitsch heimlich ergeben wären, kehrte er, als er schon bis Dubrowna gekommen war, wiederum nach Nowgorod zurück. Fürst Wsewolod Mstislawitsch kehrte gleichfalls nach Pskow zurück, und fiel in eine Krankheit, woran er bald darauf am 11ten Februar, Donnerstags in der Fastnachtswoche, zum großen Leidwesen der Pskower starb, und in einer der heiligen Dreyeinigkeit geweiheten Kirche, die er selbst erbauet hatte, begraben ward. Dieser Fürst Wsewolod Mstislawitsch, in der heiligen Taufe Gawrila genannt, ist unter die Heiligen gerechnet worden. Nach seinem Tode wollten die Pskower laut ihrem den Großfürsten Wladimir II. und Mstislaw I. geleistetem Eide niemand anders als die Nachkommen dieser Fürsten für ihre Regenten erkennen; sie wählten also Wsewolods Bruder Swätopolk Mstislawitsch zu ihrem Fürsten und ließen in Nowgorod anzeigen, das sie laut ihrer Wladimirs und Mstislaws Geschlecht einmal gegebenen Versicherung, keinen tschernigowschen Fürsten annehmen würden, welches den Nowgorodern sehr unangenehm war.

 

Am 4ten April starb in Kiew Helena Mstislawowna Königin von Ungarn, als Nonne Ewphimia genannt, eine Tochter des Großfürsten Mstislaw Wladimirowitsch.

 

 

 

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Als die Nowgoroder sahen, daß ihnen die Regierung des Fürsten Swätoslaw Olgowitsch sehr nachtheilig war, weil er nemlich mit den Fürsten Jurii Wladimirowitsch von Rostow und Swätopolk Mstislawitsch von Pskow in Streit verwickelt war, wodurch der nowgorodsche Handel litte und weder Getreide noch Salz zugeführt wurde (das starorußische Salz war nicht hinlänglich), ferner auch die um Nowgorod stehende Truppen des Fürsten Swätopolk Olgowitsch den dasigen Einwohnern viel Beleidigungen zufügten, hielten sie am 28sten April einen öffentlichen Rath, und beschlossen: den Fürsten Swätoslaw Olgowitsch aus Nowgorod zu entlassen, mit den Fürsten Jurii von Rostow und Swätopolk von Pskow durch abgefertigte Gesandten Frieden zu schließen, und den Fürsten von Rostow um seinen Sohn Rostislaw zum Fürsten von Nowgorod bitten zu lassen; welches alles zur würklichen Ausführung gebracht wurde. Fürst Swätoslaw Olgowitsch begab sich aus Nowgorod nach Smolensk, und blieb daselbst, Fürst Rostislaw Jurjewitsch aber kam am 25sten May in Nowgorod an.

 

In demselben Jahre riefen die tschernigowischen Fürsten die Polowzer zu Hülfe und bekriegten wiederum den Fürsten Andrei Wladimirowitsch von Perejaslaw. Da Fürst Andrei sahe, daß er weder allein widerstehen noch in der Eile von seinen Brüdern Hülfe erlangen könne, ließ er seinen Bruder den Großfürsten Jaropolk von diesem Vorfalle

 

 

 

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benachrichtigen und verließ selbst Perejaslawl, worauf das perejaslawische Gebiet sowohl von den Polowzern als von seinen eigenen Befehlshabern viele Bedrängniße erlitt. Als die tschernigowischen Fürsten von Seiten des Fürsten Andrei selbst keinen Widerstand fanden, noch jemand ihm zu Hülfe kommen sahen, schien ihnen die Eroberung Perejaslaws gewis zu seyn, der Großfürst Jaropolk aber hatte auf die erste Nachricht vom Fürsten Andrei, sogleich Truppen zusammen gebracht und rückte gegen Perejaslawl an, worauf die Tschernigower sich sogleich zum Rückzuge anschickten. Da aber um eben diese Zeit Fürst Swätoslaw Olgowitsch auf seinem Wege aus Nowgorod nach Smolensk von den Mstislawitschen überfallen und aller seiner Haabe beraubt worden war, und Fürst Wsewolod Olgowitsch hieraus vermuthete, daß zwischen dem Großfürsten und den Mstislawitschen ein genaues Verständnis herrsche, wandte er sich mit den Polowzern gegen die Sula, eroberte Priluki und andre Städte und wollte gegen Kiew vorrücken. Der Großfürst Jaropolk besorgte bey diesem Angrif der tschernigowischen Fürsten, daß er und seine Brüder ihnen schwerlich gewachsen seyn würden, und hatte deshalb den König von Ungarn um Hülfe bitten lassen, welcher ihm ungesäumt zehn tausend Berendeer zuschickte.

 

Unterdessen hatte der Großfürst seine Brüder und Neffen mit den susdalschen, rostowschen, polozkischen, smolenskischen, turowschen und perejaslawischen Truppen, wie auch die Waßilkowitschen aus

 

 

 

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Tscherwen und die Wolodaritschen aus Peremüschl zu sich berufen, und rückte mit ihnen und einem (nach dem Bericht einiger Schriftsteller) aus sechzig tausend Mann bestehenden Heere gegen Tschernigow an. Fürst Wsewolod Olgowitsch wollte auf diese Nachricht zu den Polowzern flüchten, die tschernigowschen Großen aber stelleten ihm vor: „da sein ganzes Gebiet der feindlichen Verwüstung ausgesezt sey; und ihm folglich nichts übrig bleiben werde wohin er wieder zurück kommen könnte, so riethen sie ihm dem Großfürsten Friedensvorschläge thun zu lassen, von dessen Bruderliebe und Billigkeit er eine seinen Bitten gemäße Antwort erwarten könne.“ Fürst Wsewolod Olgowitsch ließ sich diesen Rath gefallen und ließ den Großfürsten um Frieden und Vergessung des vergangenen bitten. Der Großfürst Jaropolk nahm, als ein friedliebender Herr, diese Vorschläge mit Vergnügen an, und schloß einen durch Küssung des Kreuzes bekräftigten Frieden, vermöge dessen die Fürstenthümer Wladimir in Wolhynien und Nowgorod seinen Neffen den Mstislawitschen verblieben, nur daß Nowgorod jährlich die von Jaroslaw verordnete Steuer entrichten sollte, den tschernigowschen Fürsten aber untersagt wurde, auf die den Nachkommen Wladimirs zustehende Besizungen Ansprüche zu machen. Hierauf hielten die Fürsten Gastmale, gaben einander Geschenke, und reiseten freundschaftlich auseinander. Der Großfürst gieng mit allen von jenseit des Dniepers hergekommenen Truppen nach Kiew,

 

 

 

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beschenkte die Ungarn, schickte dem Könige ein Danksagungsschreiben und Geschenke, und entließ die rußischen Kriegsvölker in ihre Wohnungen.

 

In demselben Jahre beschwerten sich die Fürsten von Peremüschl und Tscherwen, Söhne der Fürsten Wolodar und Waßilko, beym Großfürsten Jaropolk über viele ihnen von den Polen zugefügte Beleidigungen, und baten um Hülfe, worauf sich der Großfürst sogleich mit seinen Truppen, nebst seinen Brüdern Wetscheslaw Wladimirowitsch und Andrei Wladimirowitsch und seinem Neffen Isäslaw Mstislawitsch mit ihren Hülfstruppen, auf den Weg machte. Der Großfürst fertigte diesseits Halitsch seinen tapfern Feldherrn und gewesenen Hofmeister des Fürsten Andrei, Namens Sew, gegen das feindliche Lager ab, um zu erfahren, wo und wie die Polen ihre Stellung genommen hätten, und von welcher Seite man ihnen am füglichsten beykommen könnte. Der Feldherr Sew untersuchte mit Aufmerksamkeit die Lage der Gegenden und den Zustand der königlich polnischen Armee, machte auch auf den Dörfern einige Gefangene und brachte sie zu Jaropolk. Der Großfürst erfuhr hiedurch, daß der König von Polen mit seiner Armee jenseit Halitsch in der Ebene zwischen Morästen stehe, und die Berge im Rücken habe, worauf ihm ferner gemeldet wurde, daß die polnische Armee weit stärker als die seinige sey, und daß die Fürsten von Tscherwen und Peremüschl bey den ungarischen Gebürgen ständen. Diese Nachrichten veranlaßten verschiedene

 

 

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Meinungen, einige riethen nicht weiter vorzurücken und dem Könige von Polen Friedensvorschläge zu thun, andre aber, man möchte sich zurück ziehen und zu mehrerer Sicherheit bey Swenigorod sezen. Hierauf sprach Fürst Andrei Wladimirowitsch zum Großfürsten: „Ihr Vater Wladimir und ihr Bruder Mstislaw wären durch ihre Tapferkeit allen benachbarten Völkern so furchtbar gewesen, daß man nichts gegen sie zu unternehmen gewagt hätte; es wäre jezt keine Zeit sich zurück zu ziehen noch vom Frieden zu reden, weil der Feind das erste als eine Flucht ansehen, das leztere aber seinen Stolz vermehren würde; man siege nicht durch die Menge des Volks und der Waffen sondern durch Gottes Gnade und durch Tapferkeit; er rathe also den vortheilhaftesten Plaz auszusuchen und ohne Verzug einen herzhaften Angrif zu thun.“ Der Großfürst Jaropolk beschloß nach langer Berathschlagung, sich um den Feind herum zu ziehen und ihn von den Bergen herab im Rücken anzugreifen, da denn die Fürsten von Peremüschl und Tscherwen entweder sich mit ihm vereinigen oder zu gleicher Zeit von ihrer Seite vordringen könnten. Man fertigte hierauf alles Gepäcke nach Swenigorod ab, welches zu dem Gerücht Gelegenheit gab, daß die ganze Armee sich zurück ziehe. Ferner schickte der Großfürst zwey vornehme Gefangene reichlich beschenkt mit Friedensvorschlägen an den König Boleslaw von Polen, welche den König versicherten, daß sie selbst Jaropolks Rückzug gesehen hätten.

 

 

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Sobald indessen diese Leute abgefertiget waren, zog der Großfürst den ganzen Tag und die folgende Nacht mit seiner ganzen Armee um die Berge herum, und kam um Mitternacht hinter das Gebürge, welches der polnischen Armee im Rücken lag, wo sich auch die Fürsten von Tscherwen und die Fürsten Wladimirko und Rostislaw einfanden, und sich dem rechten Flügel der Polen näherten. Als man nun bey Anbruch des Tages ein Geräusch in dem polnischen Lager hörte, woraus sich abnehmen ließ, daß die Fürsten von Peremüschl das Treffen angefangen hätten, befahl der Großfürst Jaropolk die Trompeten zu blasen, die Trommeln zu schlagen, und den Feind von dem Gebürge herab mit der ganzen Armee anzugreifen, worauf er einen völligen Sieg erfocht. Die polnischen Truppen flohen bey diesem unversehenen Angriffe nach allen Seiten, der König Boleslaw rettete sich kaum selbst mit der Flucht und schickte bald darauf Gesandte zur Schliessung eines Friedensvertrages, nach dessen Bestätigung der Großfürst Jaropolk mit Ehre und Ruhm zurück kehrte *). Im Jahre 1139 starb Fürst Gleb Olgowitsch in Kursk.

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*) Von diesem Kriege haben die polnischen Schriftsteller eine weitläuftige Fabel ersonnen, in welcher nicht einmal die Namen der rußischen Fürsten recht angegeben sind.

 

 

 

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Am 18ten Februar dieses Jahres starb der Großfürst Jaropolk Wladimirowitsch in Kiew, und ward daselbst in der Kirche zum heiligen Andreas begraben, seines Alters im 57sten Jahre.

 

Er hatte als Großfürst sieben Jahre regieret. seine Gemahlin war Helena, eine jaßische Fürstin.

 

Von seinen Kindern ist bis jezt noch nichts bekannt.

 

Geschlechts- Register Jaropolks II.

 

► Wladimir II. genannt Monomach, zuerst Fürst von Perejaslaw, nachher Großfürst von ganz Rußland vom Jahre 1113 bis 1125.

 

oo Seine erste Gemahlin war die schwedische Prinzeßin Christina eine Tochter des Königes von Schweden Ingor IV.

 

oo Seine zweite Gemahlin hieß Ewphimia.

 

Dessen Sohn Jaropolk II. zuerst Fürst von Perejaslaw nachher Großfürst von ganz Rußland vom Jahre 1132 bis 1139.

 

oo Seine Gemahlin war eine jaßische Fürstin Helena.

 

Von seinen Kindern ist nichts bekannt.

 

 

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Jaropolks Zeitverwandte, vom Jahre 1132 bis 1139 waren:

 

In Griechenland. Kaiser. Johann von 1118 bis 1143.

 

In Deutschland. Kaiser. Lothar II. von 1125 bis 1137. Konrad III. von 1137 bis 1152.

 

In Polen. König. Boleslaw III von 1102 bis 1139.

 

In Böhmen. Fürst. Sobislaw I. von 1125 bis 1140.

 

In Sachsen. Fürsten. Lothar von 1106 bis 1136. Heinrich von 1136 bis 1180.

 

In der Pfalz. Fürst. Wilhelm von ___ bis 1140.

 

In Brandenburg. Fürst. Albert von 1131 bis 1169.

 

In Baiern. Fürst. Heinrich VIII. von 1125 bis 1139.

 

In Braunschweig. Fürsten. Richense und Lothar von 1113 bis 1136. Heinrich von 1136 bis 1139.

 

In Ungarn. König. Bela II. von 1131 bis 1141.

 

In Dänemark. Könige. Nikolaus von 1106 bis 1135. Erich IV. von 1135 bis 1139.

 

In Arabien. Kalifen. Mostarched XLVIII Kalif von 1118 bis 1135. Rasched XLIX Kalif von 1135 bis 1136. Moktasi L. Kalif von 1136 bis 1160.

 

 

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In Egypten. Kalif. Afed Ledinilla von 1130 bis 1149.

 

In Ikonium. Sultan. Masuk von 1117 bis 1155.

 

In Alepo. Sultan. Emagedin Sengi von 1128 bis 1145.

 

In Damask. Sultane. Ismail Schamsjel Muluk von 1102 bis 1135. Schegabeudin Mamud von 1135 bis 1139.

 

In Frankreich. Könige. Ludwig VI. von 1108 bis 1137. Ludwig VII. von 1137 bis 1180.

 

In England. Könige. Heinrich I. von 1100 bis 1135. Stephan von 1135 bis 1154.

 

In Schottland. König. David I. von 1124 bis 1153.

 

In Spanien. König. Alfons III. von 1126 bis 1157.

 

In Toskana. Groß-Herzog. Heinrich von 1133 bis 1139.

 

Patriarchen zu Konstantinopel. Johann von 1111 bis 1134. Leo von 1134 bis 1143.

 

Römischer Pabst. Inocentius II. von 1130 bis 1143.

 

Mitropolit zu Kiew. Michail von 1127 bis 1146.

 

In Rußland. Abgetheilte Fürsten.

 

In Pereiaslawl. Wsewolod Mstislawitsch. Isäslaw Mstislawitsch. Wetscheslaw Wladimiritsch. Andrei Wladimiritsch.

 

In Rostow und Susdal. Jurii Wladimiritsch

 

In Nowgorod. Wsewolod Mstislawitsch. Swätoslaw Olgowitsch. Rostislaw Juriewitsch.

 

 

 

 

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In Polozk. Swätopolk Mstislawitsch. Waßilko Swätoslawitsch.

 

In Turow. Wetscheslaw Wladimirowitsch. Andrei Wladimirowitsch.

 

In Minsk, Turow und Pinsk. Isäslaw Mstislawitsch.

 

In Smolensk. Rostislaw Mstislawitsch

 

In Drogotschin. Isäslaw Mstislawitsch.

 

In Räsan. Gleb Jaroslawitsch.

 

In Wladimir in Wolhynien und Luzk. Andrei Wladimirowitsch. Isäslaw Mstislawitsch.

 

In Wüschgrad. Wsewolod Mstislawitsch.

 

In Kursk. Gleb Olgowitsch.

 

In Pskow. Wsewolod Mstislawitsch. Swätopolk Mstislawitsch.

 

In Peremüschl. Wladimirko Wolodaritsch.

 

In Swenigorod. Rostislaw Wolodaritsch.

 

In Terebowl. Igor Waßilkowitsch .

 

In Tscherwen. Rostislaw Waßilkowitsch.

 

In Tmutarakan. Wladimir Davidowitsch. Isäslaw Dawidowitsch

 

In Gorodez. Wsewolod Davidowitsch.

 

In Murom. Jaroslaw.

 

 

 

Quelle:

 

Neues St. Petersburgisches Journal vom Jahre 1783. Vierter Band. S. 43 – 208. Mit Bewilligung des Ober-Polizey-Amts. St. Petersburg, aus der Schnoorschen Buchdruckerey.

 

 

 

 

 

 

Aufsäze betreffend die rußische Geschichte *).

(Fortsezung.)

 

35.

Großfürst Wsewolod II.

 

Im Jahre 1139 kam Fürst Wetscheslaw Wladimirowitsch, nach dem Tode seines Bruders, des Großfürsten Jaropolk Wladimirowitsch, am 22ten Februar in Kiew an, dessen Einwohner ihn gern auf dem großfürstlichen Throne gesehen hätten. Fürst Wsewolod Olgowitsch von Tschernigow aber, hatte nicht so bald den Tod des Großfürsten Jaropolk vernommen, als er seine Brüder die Fürsten Igor Olgowitsch und Swätoslaw Olgowitsch, nebst seinen Vettern den Fürsten Wladimir Davidowitsch und Isäslaw Davidowitsch zu sich berief, ihnen sein Verlangen nach dem großfürstlichen Throne eröfnete, sie um ihre Unterstüzung bat, und ihnen zur Belohnung folgende Besitzungen versprach: seinem Bruder Igor Perejaslawl, seinem zweyten Bruder Swätoslaw Kursk, den Davidowitschen Tschernigow; Fürst

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*) S. St. Petersburgisches Journal 1783, vierter Band, Seite 43.

 

 

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4

 

Wetscheslaw Wladimirowitsch aber sollte Turow behalten. Als man sich hierüber verglichen hatte, schickte er, um die Vereinigung der Mstislawitschen mit den Wladimirowitschen zu hindern, sogleich zum Fürsten Isäslaw Mstislawitsch, und ließ ihm folgendes vorStellen: „obgleich Kiew als ein väterliches Erbe den Mstislawitschen gehöre, so wäre doch kaum zu vermuthen, daß ihre Vettern die Wladimirowitschen sie solches ruhig besizen laßen würden, besonders wäre dieses nicht vom Fürsten Jurii von Rostow zu erwarten, durch den sie schon aus Nowgorod vertrieben, und wenn er, Fürst Wsewolod Olgowitsch, sie nicht unterstüzt hätte, aller ihnen verliehenen Besizungen beraubt worden wären. Wenn er, Fürst Wsewolod, Kiew erhalten sollte, so werde er den Mstislawitschen, denen er auch vorher alles gute gewünscht habe, wie seinen Brüdern begegnen, und ihnen nicht nur die ihnen zuständige Besizungen laßen, sondern auch nach seinem Tode niemand anders als den Fürsten Isäslaw Mstislawitsch zum Nachfolger verordnen, nur möchten sie sich jezt nicht gegen ihn mit ihren Vettern verbinden.“ Fürst Isäslaw Mstislawitsch ließ sich diese ihm vortheilhaft scheinende Vorstellungen gefallen, und beschwor den mit dem Fürsten Wsewolod Olgowitsch geschloßenen Vertrag durch Küssung des Kreuzes. Nach Berichtigung dieser Verträge, kam Fürst Wsewolod Olgowitsch von Tschernigow, nebst den Fürsten Swätoslaw Olgowitsch und Wladimir Davidowitsch mit einigen

 

 

 

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5

 

Truppen nach Wüschegrad, und von da am 1sten März vor Kiew, wo er bey der kopürewischen Seite der Stadt stehenblieb, und dem Fürsten Wetscheslaw sagen ließ, er möchte sich mit Ehren in sein abgetheiltes Fürstenthum begeben, weil Kiew ihm, Fürsten von Tschernigow, nach seinen Vater und Großvater dem Aeltesten in Fürstenstamme, zugehöre. Fürst Wetscheslaw wollte sich zwar nicht hiezu verstehen, die Kiewer aber, welche einen Angrif ihrer Stadt von den Truppen des Fürsten von Tschernigow befürchteten, riethen ihm im Frieden abzureisen, weil er nicht beym ganzen Volke beliebt sey, und daher nicht zu vermuthen wäre, daß alle einmüthig für ihn fechten würden. Fürst Wetscheslaw sandte hierauf den Mitropoliten an den Fürsten von Tschernigow, welcher zwischen ihnen am 4ten März einen Frieden schloß, dem zu Folge Fürst Wsewolod Olgowitsch sich von Wüschegrad zurük zog, Fürst Wetscheslaw Wladimirowitsch aber in aller Stille nach Turow zurük kehrte.

 

Der Fürst von Tschernigow kam am 5ten März in der Fastnachts-Woche in Kiew an, wo er mit gewöhnlichen Feyerlichkeiten empfangen und begleitet ward, und desselben Tages nach Besiznehmung des großfürstlichen Thrones, für seine Brüder und die kiewschen Großen ein Gastmaal veranstaltete, für das Volk auf den Straßen eine Menge Speisen und Getränke ausStellen ließ, und viele Almosen austheilte.

 

Die Geschichtschreiber sagen: der Großfürst Wsewolod Olgowitsch war groß von Wuchs und sehr

 

 

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dick, hatte dünnes Haupthaar, einem breiten Bart, ziemlich große Augen, und eine lange Nase; er war weise im Rath und Gericht, aber mehr den Vergnügungen und Lustbarkeiten als der Rechtspflege ergeben, dabey ein großer Freund des Frauenzimmers.

 

Nach seiner Gelangung zum Throne entließ der Großfürst Wsewolod seinen Vetter Fürsten Wladimir Davidowitsch nach Tschernigow, worauf sein Bruder Fürst Igor Olgowitsch nach Kiew kam, sich hierüber beschwerte, und Tschernigow für sich verlangte, weil ihm, wie er sagte, der Großfürst solches vorher versprochen hatte; da aber Wsewolod dieses Fürstenthum schon dem Fürsten Wladimir übergeben, dem Fürsten Igor aber Perejaslawl versprochen hatte, schlug er diesem seine Foderung ab, womit indessen Fürst Igor nicht wohl zufrieden war.

 

In diesem Jahre kamen zwey polozkische Fürsten aus Griechenland zurük, welche der Großfürst Mstislaw Wladimirowitsch dahin verschickt hatte.

 

Als Fürst Jurii Wladimirowitsch von Rostow und Susdal erfuhr, daß Wsewolod den Großfürstlichen Thron in Besiz genommen habe, versammelte er die Rostower und Susdaler, rief die Nowgoroder zu Hülfe, und zog gegen Kiew, da er aber vernahm, daß die Nowgoroder ihm die verlangten Truppen abgeschlagen hätten, machte er Halt, und schikte einen seiner Feldherren ab, sich der Stadt Novii-Torg (Torshok) zu bemächtigen. Hierauf begab sich Fürst Rostislaw Jurjewitsch, der in Nowgorod vier Jahre und vier Monate regieret hatte, wegen

 

 

 

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des Ungehorsams der Nowgoroder und des Zorns seines Vaters über sie, aus Nowgorod nach Smolensk, die Nowgoroder aber schikten nach Kiew, und ließen den Großfürsten Wsewolod Olgowitsch wiederum um seinen Bruder Swätoslaw Olgowitsch bitten, dem sie den Eid der Treue und des Gehorsams leisteten. Der Großfürst versprach ihnen zwar seinen Bruder bald zu ihnen abzufertigen, säumte aber damit, weil er sich heimlich zu einem Kriege gegen die Wladimirowitschen anschikte. indessen bedienten sich diejenigen Nowgoroder, die einem Fürsten von Wladimirs Nachkommen haben wollten dieser Zögerung, um widerum zum Fürsten Jurii Wladimirowitsch zu schiken, und ihn um seinen Sohn Rostislaw Jurjewitsch bitten zu lassen.

 

Die Geschichtschreiber melden, der Großfürst Wsewolod Olgowitsch habe nicht nur die Macht der abgetheilten Fürsten vermindern, sondern auch mit ihren Besizungen nach seinem Willen verfahren wollen, ohne auf die vorigen von seinen Vorfahren und von ihm selbst gegebene Versicherungen und geschloßene Verträge zu sehen, wozu er besonders durch seinen Bruder den Fürsten Igor Olgowitsch aufgemuntert worden sey.

 

Er beschloß demnach, zuerst seine Schwäger, den Fürsten Rostislaw Mstislawitsch aus Smolensk, und den Fürsten Isäslaw Mstislawitsch, aus Wladimir in Wolhynien zu vertreiben, und ließ deshalb den Fürsten Isäslaw

 

 

 

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Mstislawitsch, unter dem Vorwande einer Berichtigung der Besizungen zu sich berufen, welcher aber die Absicht des Großfürsten erfahren hatte, und weil er in Kiew angehalten zu werden befürchtete, sich entschuldigen ließ, und an seiner stat zwey seiner vornehmsten Räthe schikte. Da der Großfürst sahe, daß Fürst Isäslaw Mstislawitsch nicht zu ihm kommen wolle, zog er eine Armee zusammen, und ließ gedachten Fürsten auffodern, daß er Wladimir in Wolhynien verlassen, und solches dem großfürstlichen Stathalter überliefern sollte. Fürst Isäslaw Mstislawitsch war zwar zu keinem Wiederstande gefaßt, fing aber doch an Truppen zu werben, ließ die Fürsten von Tscherwen, Söhne der Fürsten Wolodar und Waßilko, mit der Vorstellung, daß alle Fürsten von den Gesinnungen des Großfürsten gleiche Gefahr zu fürchten hätten, um Hülfe bitten, und wollte, wenn die Sache übel abliefe, sich zu seinem Bruder nach Smolensk begeben. Bey diesen bedenklichen Umständen erhielt er die Nachricht, daß das Gerücht von seinen starken Zurüstungen die großfürstl. Armee erreicht habe, welche bis auf die Grenze gegen Gorün vorgerükt gewesen sey, hierauf Halt gemacht habe, und nun in großer Unordnung, von niemand verfolgt, nach Kiew zurük fliehe. Der Großfürst Wsewolod vereinigte den Rest seiner Armee, mit den Truppen seines Bruders, des Fürsten Swätoslaw von Kursk, und zog mit ihm gegen Perejaslawl, um den Fürsten Andrei Wladimirowitsch zu vertreiben, dieses Fürstenthum dem Fürsten Swätoslaw

 

 

 

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Olgowitsch zu übergeben, und erstern auf eine Zeitlang nach Kursk zu versezen, welches er dem Fürsten Andrei Wladimirowitsch andeuten ließ. Dieser rief die vornehmsten Perejaslawer zusammen, und befragte sie um ihre Meinung; sie versicherten ihn zwar alle ihrer Treue, stellten ihm aber auch die Unmöglichkeit vor, der überlegenen Macht des Großfürsten zu wiederstehen. Fürst Andrei Wladi mirowitsch erwiederte, daß er entschlossen sey, lieber auf der Stelle zu sterben, als sich des ihm zugehörigen Erbes schimpflich berauben zu laßen, und ließ hierauf dem Großfürsten sagen, „daß er sich nicht lebendig aus seinen Besizungen begeben werde.“ Er befahl zugleich dem Großfürsten zu Gemüthe zu führen, „daß Jaropolk I. durch böse Rathgeber verleitet, seinen Bruder Olg seines Erbes habe berauben wollen, und Ursache an dessen Tode gewesen sey; daß Swätopolk I. sich eben so vergangen habe, daß aber beyden ihr ungerechtes Unternehmen zu selbst eigenem Schaden und Schimpfe gereicht habe.“

 

Der Großfürst Wsewolod Olgowitsch ließ sich durch diese Vorstellung nicht bewegen, sondern fertigte den Fürsten Swätoslaw Olgowitsch gegen Perejaslawl ab und blieb selbst mit einer geringen Anzahl Truppen am Dnieper stehen. Fürst Andrei Wladimirowitsch von Perejaslawl schikte seinen Feldherrn, mit einem Theile seiner Truppen ab, um die großfürstliche Armee auszukundschaften, welcher die Leute des Fürsten Swätoslaw schlecht auf ihrer Hut fand, sie mit besonderer Tapferkeit angrif und besiegte,

 

 

 

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worauf Fürst Andrei Wladimirowitsch selbst, mit allen seinen Truppen, gegen den Großfürsten Wsewolod Olgowitsch aufbrach, ihn in die Flucht schlug, und bis Koran verfolgte, weiter aber den flüchtigen nachzusezen verbot. Der Großfürst sandte am folgenden Morgen einige seiner Großen, zur Befreyung seiner vielen Gefangenen, zum Fürsten Andrei, welche zugleich einen Frieden verabredeten, der am 1sten September geschloßen ward.

 

In demselben Jahre kamen polowzische Fürsten zur Erneuerung des Friedens nach Moloditin, worauf der Großfürst Wsewolod sich in Begleitung des Fürsten Andrei von Perejaslawl gleichfals dahin begab, und den Frieden mit den Polowzern auf die vorigen Bedingungen bestätigte.

 

Diejenigen Nowgoroder die einen Fürsten von Olgs Nachkommen verlangten, hatten den Fürsten Rostislaw Jurjewitsch zu seinem Vater nach Rostow zu reisen gezwungen, ließen hierauf den Großfürsten Wsewolod um seinen Bruder Swätoslaw bitten, und gaben verschiedene der ansehnlichsten Bürger zu Geiseln.

 

Im Jahre 1140 gelang es denjenigen Nowgorodern, die den Fürsten von Wladimirs Stamme treu blieben, den Fürsten Swätoslaw Olgowitsch aus ihrer Stadt zu vertreiben. Fürst Swätoslaw nahm heimlich den Poßadnik Jakun und dessen Bruder Prokopii mit sich, die gegen ihn übelgesinnte Nowgoroder aber ließen ihm nachsezen, bemächtigten sich des Jakuns, und brachten ihn wieder nach Nowgorod,

 

 

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wo sie ihn anfangs von der Brüke in den Fluß zu stürzen droheten, endlich aber durch die Bitten des Bischofs bewogen, gedachten Jakun zu einer Geldstrafe von tausend, seinen Bruder Prokopii aber zu einer Geldstrafe von fünfhundert Griwen Silber verurtheilten, und beyde bis zur völligen Bezahlung ins Gefängnis sezten. Hierauf sandten sie ungesäumt den Bischof Niphont an den Großfürsten ab, und ließen ihn bitten, er möchte seinen Sohn Swätoslaw, der damals noch sehr jung war, zu ihnen schiken. Diese nowgorodschen Gesandten waren aber noch nicht bis Kiew gekommen, als die Wladimirs Stamme ergebene Nowgoroder wiederum im Rathe die Oberhand erhielten, die Ogowitschen von der Regierung in Nowgorod ausschlossen, neue Gesandten an den Großfürsten abfertigten, und ihn ersuchen ließen, er möchte weder seinen Bruder, noch seinen Sohn zu ihnen schiken, weil sie mit dem erstern nicht zufrieden wären, der leztere aber noch ein Kind sey, und nichts regieren könne; da sie nun überdem den Großfürsten Wladimir und Mstislaw bey Küssung des Kreuzes versprochen hätten, daß sie niemand als deren Kinder und Enkel zu ihren Fürsten annehmen würden, so möchte der Großfürst Wsewolod, wenn er den Fürsten Jurii Wladimirowitsch und dessen Kinder nicht in Nowgorod regieren laßen wolle, ihnen seinen Schwager den Fürsten Swätopolk Mstislawitsch zuschicken. Dieser Vorschlag war dem Großfürsten Wsewolod und den übrigen Fürsten seines Hauses nicht angenehm, weil er dem Entwurfe

 

 

 

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der Olgowitschen, Nowgorod und die wichtigsten Besizungen, so wie das Großfürstenthum, aus den Händen der Nachkommen Wladimirs zu reißen, nicht angemeßen war. Der Großfürst hatte, ohne auf die Vorstellungen der Nowgoroder und die zarte Jugend seines Sohnes zu achten, selbigen mit dem Bischofe abfertigen wollen, da aber diese neue Gesandschaft der Nowgoroder ankam, behielt er seinen Sohn zurük, und ließ den Bischof, nebst dem Fürsten Swätopolk Mstislawitsch, und den nowgorodschen Gesandten, nach Berestow in die Gefangenschaft führen, wo sie ein ganzes Jahr saßen. Nach Verlauf dieser Zeit befreyte er die Gesandten, den Bischof, und seinen Schwager den Fürsten Swätopolk Mstislawitsch, und entließ sie insgesammt nach Nowgorod, wozu die Bitten und Thränen der Großfürstin vieles beygetragen hatten.

 

Während daß dieses in Kiew vorging, gedachten die Nowgoroder, die ihren Gesandten und ihren Bischof in Kiew angehalten sahen, ihre Zwistigkeiten und innere Unruhen durch Berufung eines Fürsten zu endigen; besonders da sie großen Mangel an der Getreidezufuhr litten, weil man ihre Kaufleute und Waaren, in den benachbarten Städten des großfürstlichen Gebiets, und des Gebiets der abgetheilten Fürsten, vorzüglich der Olgowitschen, überall anhielt und ins Gefängnis sezte. Diesem zufolge faßten die Nowgoroder folgenden Schluß: „da der Großfürst Wsewolod, seinen Schwager Swätopolk Mstislawitsch nicht zu ihnen reisen laßen wolle, seinen

 

 

 

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Bruder aber, oder seinen Sohn, wieder den, den Großfürsten Wladimir und Mstislaw geleisteten Eid anzunehmen, nicht thunlich sey, so solle man den Fürsten Jurii Wladimirowitsch von Rostow um seinen Sohn bitten laßen“, womit sie sogleich eine Gesandschaft an gedachten Fürsten abfertigten. Fürst Jurii von Rostow schickte ihnen wiederum seinen Sohn Rostislaw Jurjewitsch, welcher aber noch nicht in Nowgorod angekommen war, als die Nowgoroder erfuhren, daß der Großfürst Wsewolod Olgowitsch, ihnen seinen Schwager, den Fürsten Swätopolk Mstislawitsch zugeschikt habe, wodurch ihre Verlegenheit nicht wenig vermehret ward. Endlich beschloßen sie dem Fürsten Swätopolk Geschenke entgegen zu schiken, und ihn bitten zu laßen, daß er ohne Zorn zurük kehren möchte, weil sie ohne ihre Schuld vom Volke zur Annahme eines Sohnes des Fürsten Jurii gezwungen worden wären, und dieses zu einer Zeit, da man wegen seiner Gefangenschaft keine Hofnung haben konnte, ihn zum Regenten zu erhalten. Fürst Swätopolk war indessen hierüber sehr aufgebracht, und bemächtigte sich der zum nowgorodschen Gebiet gehörigen Stadt Torshok.

 

In demselben Jahre gab der Großfürst Wsewolod Olgowitsch seine Tochter Weleslawa an Boleslaw einen Sohn des Königs Wladislaw von Polen, und schikte sie zu ihrer Vermählung nach Polen.

 

In diesem Jahre bezeugten sich die jüngern Brüder des Großfürsten Wsewolod Olgowitsch mit

 

 

 

 

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ihren Besizungen unzufrieden, und baten um eine Vergrößerung derselben; Fürst Swätoslaw von Kursk kam deshalb selbst aus Kursk nach Kiew, kehrte aber so wenig als die übrigen befriediget, zurük.

 

Im Jahre 1141 starb am 20sten Jannuar in Perejaslawl wie die Geschichtschreiber sagen, der treflich gute Fürst Andrei Wladimirowitsch, und ward am 3ten Tage, unter der Trauerbegleitung von ganz Perejaslawl in der Kirche zum heiligen Michael zwischen seinen zwey Großvätern begraben. Nach dem Tode des Fürsten AndreiWladimirowitsch von Perejaslawl, ließ der Grossürst Wsewolod Olgowitsch, dem Fürsten Wetscheslaw Wladimirowitsch von Turow sagen, daß er sich nach Perejaslawl begeben möchte, worauf er Turow mit Kiew vereinigte. Wetscheslaw that dieses sogleich, Fürst Igor Olgowitsch aber, der dadurch beleidiget zu seyn glaubte, verband sich mit den Davidowitschen, und fing einen Krieg an, um dem Fürsten Wetscheslaw wider den Willen des Großfürsten Perejaslawl zu nehmen.

 

In diesem Jahre starb Fürst Wsewolod Davidowitsch von Gorodez, Igors Enkel.

 

Als der Großfürst Wsewolod erfuhr, daß Fürst Igor sich, mit den Davidowitschen verbunden, zum Kriege rüste, um dem Fürsten Wetscheslaw Perejaslawl zu nehmen, und dabey, ohngeachtet der von den Polen gegen die Mstislawitschen erhaltenen Hülfe, es nicht gerne sahe, das diese gegen seine Schwäger

 

 

 

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zu sehr die Oberhand erhalten sollten, schloß er durch seine Gesandten mit dem Fürsten Isäslaw Mstislawitsch von Wladimir in Wolhynien und seinen Brüdern Frieden, und ließ dieses seinem Eidame dem polnischen Fürsten bekant machen.

 

Hierauf ließ der Großfürst seine Brüder die Olgowitschen, und seine Vettern die Davidowitschen, zu einer Zusammenkunft in Wüschgrad einladen, welches sie zwar nicht abschlugen, aber vorher mit ihm gewiße Verabredungen schließen wollten, weshalb sie nahe bey Wüschgrad, nemlich Fürst Swätoslaw Olgowitsch und Wladimir Davidowitsch bey Olshitschi, Fürst Igor Olgowitsch aber bey Gorodez stehen blieben. Der Großfürst schikte einen seiner Großen mit gewißen Vorschlägen zu ihnen, Fürst Igor aber verlangte zu wißen, was der Großfürst ihnen zu geben gesonnen sey. Als er nun erfuhr, daß Wsewolod ihnen aus dem turowschen Gebiet jedem eine Stadt, nemlich die Städte Berest, Dorogobush, Tschertorüsk und Klezk, bestimmt habe, aus seinen eigenen Besizungen aber, ihnen nichts von dem warum sie gebeten hatten, geben wolle, so verabredeten die Fürsten miteinander, den Großfürsten nachdrüklich, um ein Stük des Nowgorod-Sewerischen Gebiets, welches an ihre Besizungen gränzte, zu bitten, welche Verabredung sie mit einem Eide bekräftigten. Dieser Verabredung traten auch die Fürsten Wladimir Davidowitsch und Isäslaw Davidowitsch bey, die sich am folgen den Tage bey Igor einfanden.

 

 

 

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Der Großfürst welcher nichts von diesen Berathschlagungen and Verabredungen der Fürsten wußte, ließ sie zu sich nach Kiew zum Mittagsmale einladen, sie schlugen aber seine Einladung aus, und ließen ihm sagen: „Er habe Kiew durch ihre Hülfe erlangt, und ihnen gewiße Besizungen zu ertheilen versprochen, als dem Fürsten Igor Perejaslawl, welches er nun dem Fürsten Wetscheslawl gegen Turow gegeben habe. Er wolle ihnen jezt solche Städte ertheilen, die nicht an ihre Besizungen gränzten, und ihnen folglich nicht dienlich wären, sie verlangten aber von ihm die Verleihung des tschernigowischen und sewerischen Gebiets.“ Der Großfürst Wsewolod schlug ihnen diese Bitten ab, besonders wollte er ihnen, wie die Geschichtschreiber melden, das sewerische Gebiet, der Wätitschen wegen, nicht abtreten. Sie ließen ihm hierauf sagen; daß sie zwar den Großfürsten als ihren ältesten Bruder in Ehren hielten, wenn er ihnen aber das versprochene nicht geben wolle, würden sie selbst für sich sorgen, womit sie ohne ihre Streitigkeiten zu endigen, auseinander gingen.

 

Nach diesem rüsteten die Fürsten Igor Olgowitsch und Swätoslaw Olgowitsch eine Armee aus, zogen mit selbiger gegen Perejaslawl, und umringten die Stadt.

 

Als Fürst Isäslaw Mstislawitsch von Wladimir in Wolhynien erfuhr, daß Fürst Igor und seine Brüder, seinem Vaterbruder

 

 

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Wetscheslaw aus Perejaslawl zu vertreiben beschlossen hätten, zog er ihm ungesäumt mit einer Armee zu Hülfe, und ließ zugleich seinen Bruder, Fürsten Rostislaw Mstislawitsch von Smolensk, ersuchen, sich mit ihm zu vereinigen. Der Großfürst Wsewolod Olgowitsch hatte indessen, noch ehe Isäslaw ankam, dem Fürsten Wetscheslaw von Perejaslawl, seinen Feldherrn Lasar Sakowskoi mit den Petschenegen *) zu Hülfe geschickt, mit welchen er sich herzhaft vertheidigte. Unterdessen näherten sich die Fürsten Isäslaw und Rostislaw der Stadt Perejaslawl, und ließen, ehe sie über den Dnieper gingen, den Fürsten Igor bitten, er möchte laut dem getroffenen und beschwornen Vertrage, den Fürsten Wetscheslaw in Ruhe laßen, und ihnen keine Ursache geben, sich ihres Vetters, wegen der ihm zugefügten Beleidigungen, anzunehmen. Die Geschichtschreiber melden, daß Fürst Igor hierauf mit Stolz, Verachtung und Drohungen geantwortet habe. Als Fürst Isäslaw diese beleidigende Antwort erhielt, ging er in derselben Nacht, ohne seinen Bruder abzuwarten, über den Dnieper, grif bey Anbruch des Tages die Armee des Fürsten Igor an und erhielt den Sieg,

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*) Die Petschenegen werden von einigen SchriftStellern Schwarzmüzen, zuweilen auch Torken und Berendeer genannt; es scheint daß alle diese Namen einerley bedeuten.

 

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so daß die überwundenen Truppen mit Schimpf und Schande nach Tschernigow flüchteten. Fürst Rostislaw Mstislawitsch von Smolensk, erfuhr auf dem Wege, daß die Olgowitschen von Isäslaw bey Perejaslawl überwunden wären, wandte sich gegen das tschernigowsche Gebiet und eroberte vier Städte, worauf Fürst Isäslaw selbst ungesäumt gegen Tschernigow vorrükte, und sich aller um die Desna und Tschernigow gelegenen Oerter bemächtigte. Als Fürst Wetscheslaw diese ihm bewiesene treue Ergebenheit und Liebe seiner Neffen sahe, übergab er dem Fürsten Isäslaw Perejaslawl, und kehrte selbst wiederum nach Turow zurük.

 

Der Großfürst Wsewolod ließ auf die von dem Siege des Fürsten Isäslaw erhaltene Nachricht selbigem Friedensvorschläge thun, und kam bald mit ihm überein, daß Fürst Isäslaw Mstislawitsch Perejaslawl haben, dagegen aber ihm Wladimir in Wolhynien abtreten sollte, welches der Großfürst seinem Sohne Swätoslaw Wsewolodowitsch ertheilte, und hierauf seine Brüder von dem mit den Mstislawitschen geschloßenen Frieden benachrichtigen ließ. Fürst Igor Olgowitsch rüstete dem ungeachtet heimlich Truppen aus, und umringte unversehens Perejaslawl, mußte aber nach einem dreytägigen Gefechte schimpflich zurük kehren, und ließ hierauf mit dem Fürsten Isäflaw Mstislawitsch vom Frieden reden. Fürst Isäslaw gab zur Antwort, daß er hierin ohne Vorwissen des Großfürsten Wsewolod und seines

 

 

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Bruders Rostislaw Mstislawitsch nichts thun könne, und ließ beyden sogleich davon Nachricht ertheilen.

 

Da der Großfürst Wsewolod sahe, daß Fürst Igor sich nebst den Davidowitschen mit seinen Schwägern den Mstislawitschen in Unterhandlung eingelassen habe, suchte er die angefangene Vereinigung zu stöhren, schikte in dieser Absicht zu seinen Brüdern und Vettern, den Olgowitschen und Davidowitschen, einen aus ihrem Mittel, nemlich seinen Vetter Fürsten Nikola Swätoscha Davidowitsch, und ließ ihnen andeuten, „sie möchten seine Schwäger die Mstislawitschen nicht weiter bekriegen, weil sie ihm Treue und Gehorsam zugesagt hätten;“ Er versprach zugleich seinen Brüdern und Vettern die Städte Rogatschew, Brest, Drogitschin und Klezk zu ertheilen, und bat das sie zur bessern Berichtigung alles dessen selbst zu ihn kommen möchten, welches sie ungesäumt thaten und sich alle an einem Orte versammelten. Der Großfürst Wsewolod ließ bey dieser Gelegenheit den Fürsten Wladimir Davidowitsch und Isäslaw Davidowitsch besonders den Vorschlag thun, sie möchten von seinen Brüdern Igor und Swätoslaw abstehen und mit ihm in Verbindung treten, wofür er sie nach ihrem Verlangen befriedigen werde; Fürst Nikola Swätoscha Davidowitsch überredete sie diesen Vorschlag einzugehen, der Großfürst aber gab ihnen Brest und Drogitschin.

 

Nach diesem schikte der Großfürst zum Fürsten Igor und versprach ihm die Nachfolge in Kiew,

 

 

 

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dem Fürsten Swätoslaw Olgowitsch aber verlieh er Groß-Nowgorod; Fürst Igor war zwar hiemit sehr übel zufrieden, sahe sich aber gezwungen sich mit der Hofnung zu begnügen, worauf die Fürsten auseinander reiseten.

 

Als Fürst Swätoslaw Olgowitsch in Nowgorod ankam, vertrieben die dem Großfürsten Wsewolod ergebene Nowgoroder den Fürsten Rostislaw Jurjewitsch aus der Stadt, diejenigen aber die den Nachkommen Wladimirs und Mstislaws ergeben waren, sahen Swätoslaws Regierung nicht lange mit ruhigen Augen an. Fürst Swätoslaw selbst wollte wegen der Zwistigkeiten und verschiedenen Gesinnungen der Nowgoroder nicht länger bey ihnen bleiben, sondern ließ den Großfürsten bitten, er möchte einen andern an seine Stelle schiken, worauf der Großfürst einige der ansehnlichsten Nowgoroder zu sich berief, um sich bey ihnen nach der Ursache alles deßen und ihren Absichten zu erkundigen. Da nun die Mstislawitschen erfuhren, daß die Nowgoroder den Fürsten Rostislaw Jurjewitsch vertrieben hätten, den Fürsten Swätoslaw Olgowitsch aber nicht länger behalten wollten, ließen sie ihre Schwester die Großfürstin bitten, sie möchte ihren Gemahl zu bewegen suchen, Groß-Nowgorod ihrem Bruder Swätopolk Mstislawitsch zu ertheilen. Der Großfürst erfüllte diese Bitte, und die Nowgoroder nahmen Fürsten Swätopolk Mstislawitsch mit Ehren auf.

 

 

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Fürst Igor Olgowitsch sahe es indessen als eine große Beleidigung an, daß die Nowgoroder seinen Bruder Swätoslaw Otgowitsch, aus Neigung für des Fürsten Jurii von Rostow Sohn, vertrieben hatten, rüstete sich wieder den Rath des Großfürsten Wsewolod und der Davidowitschen zum Kriege gegen den Fürsten von Rostow, ließ nebst seinem Bruder Swätoslaw ihren Vetter Fürsten von Räsan um Hülfstruppen bitten, und rükte von selbigen unterstüzt, in das dem Fürsten Jurii gehörige susdalsche Gebiet; da er aber hörte daß dieser Fürst selbst gegen ihn aufgebrochen sey, kehrte er nach großer Verherung der Gegenden in sein Land zurük.

 

Im Jahre 1142 ließ der polnische Fürst Wladislaw den Großfürsten Wsewolod um Hülfe gegen seine jüngern Brüder bitten, und erhielt von ihm zur Antwort, er werde nicht unterlaßen ihm Hülfe zu leisten, sobald er mit seinen eigenen Brüdern in Richtigkeit seyn werde, worauf er die Olgowitschen, Davidowitschen und Mstislawitschen zu einer Zusammenkunft in Kiew einladen ließ.

 

In demselben Jahre kamen die Jemen in großer Menge vor Ladoga und verheereten einige Gegenden des nowgorodschen Gebiets.

 

In demselben Jahre überfiel ein schwedischer Fürst und Bischof mit sechzig Schnauen drey aus der Fremde kommende nowgorodsche Fahrzeuge und nahm von selbigen hundert und funfzig Mann gefangen.

 

 

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Im Jahre 1143 ward in Kiew eine Zusammenkunft der Fürsten gehalten, auf welcher die Olgowitschen Igor und Swätoslaw, die Davidowitschen Wladimir und Isäslaw, und die Mstislawitschen Isäslaw und Rostislaw erschienen. Die Wladimirowitschen Wetscheslaw und Jurii wußten nichts von dieser Zusammenkunft, die peremüschischen Fürsten Wladimirko und Rostislaw Wolodars Söhne, und die tscherwenischen Igor und Rostislaw Waßilikos Söhne kamen nicht, die Wseslawitschen und Swätoslawitschen, Fürsten von Polozk, wurden nicht eingeladen.

 

Die Fürsten versammelten sich nach ihrer Ankunft im großfürstlichen Hofe und sezten sich im Altan. Hierauf machte der Großfürst Wsewolod bekannt, daß er sie zu dem Ende versammelt habe um von ihnen Rath zu verlangen, wer nach seinem Tode die großfürstliche Würde besizen solle. Er zeigte ihnen die Beyspiele des Großfürsten Wladimir Wsewolodowitsch der den kiewschen Thron seinem Sohne Mstislaw Wladimirowitsch hinterlaßen, und des Großfürsten Mstislaw, der das Großfürstenthum seinem Bruder Jaropolk übergeben habe, und stellete ihnen vor, was für große Unruhen daher entstanden wären, daß die älteren Fürsten solchen die jünger als sie gewesen weder Gehorsam noch Achtung erzeigen, noch das rußische Reich mit ihnen gemeinschaftlich hätten vertheidigen wollen. Hierauf meldete er ihnen, daß er seinen Bruder den Fürsten Igor Olgowitsch zu seinem Nachfolger bestimmt habe, und verlangte

 

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daß die übrigen Fürsten ihm bey Küßung des Kreuzes, sein Testament aufrecht zu erhalten, versprechen sollten. Diese Anrede wurde von allen Fürsten, von einigen nemlich ohne große Ueberlegung, von andern aus Furcht dem Großfürsten zu mißfallen, von einigen aber aus Hofnung eigener Vortheile, so wie es der Großfürst wünschte, beantwortet. Fürst Isäslaw Mstislawitsch allein stand auf, und führte dem Großfürsten zu Gemüthe, daß er ihm ehemals die Nachfolge in Kiew versprochen habe, jezt aber selbige einem andern gebe. Wsewolod erwiederte hierauf: er möchte sich gleichfalls daran erinnern, daß er ehemals, ihn als seinen Vater zu ehren und ihm zu gehorchen versprochen, hierauf aber in Verbindung mit dem Wladimirowitschen ihn und seine Brüder bekrieget habe. Als Fürst Isäslaw Mstislawitsch sahe, daß alle ihre Einwilligung gaben, wollte er nicht weiter streiten und schwieg, worauf man für diesen Tag ungeendigter Sachen auseinander ging.

 

Am folgenden Tage versammelten sich die Fürsten beym Fürsten Wladimir Davidowitsch, und sezten sich im Altan. Jezt wandte sich der Großfürst Wsewolod Olgowitsch zuerst zum Fürsten Igor Olgowitsch und sprach zu ihm: „Da er ihn zu seinem Nachfolger ernenne, so solle er ihm bey Küssung des Kreuzes versprechen, (erstens) allen Fürsten als seinen Brüdern mit gleicher Liebe zu begegnen, (zweytens) wenn jemand von ihnen den andern beleidigen sollte, den Beleidigten zu schüzen, (drittens) den Beleidiger aber zu seiner Besserung und Bestrafung

 

 

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dem Gericht der Fürsten zu überliefern.“ Hierauf wandte sich der Großfürst zu den übrigen Fürsten und verlangte von ihnen daß sie dem Fürsten Igor bey Küssung des Kreuzes versprechen sollten (erstens) „daß jeder seine ihm verliehene Besizungen regieren, (zweytens) keiner dem andern etwas mit Gewalt nehmen (drittens) wenn aber Fürst Igor jemanden etwas freywillig und ungezwungen geben werde, solches von seinem freyen Willen annehmen wolle, (viertens) daß wenn die Fürsten zu Rath und Gericht eingeladen würden, sie unweigerlich erscheinen, und (fünftens) ohne allgemeine Berathschlagung keine fremde Truppen zu Hülfe rufen wollten, worauf zuerst Fürst Igor, dann alle übrige Fürsten ihren Eid ablegten. Nach Endigung der Ernennung des Fürsten Igor zur Nachfolge im Großfürstenthum, machte Wsewolod Olgowitsch den Fürsten bekant, der polnische Fürst Wladislaw habe ihn gegen Versprechung ansehnlicher Vortheile um Hülfe gegen seine Brüder bitten laßen, welches er ihm nicht habe abschlagen können, nur bitte er sie, ihm zu begleiten. Fürst Igor erwiederte hierauf, der Großfürst möchte wegen seiner schwachen Gesundheit nicht selbst zu Felde ziehen, sondern sie zur Ausführung seines Entschlusses abfertigen, wozu alle übrige Fürsten einstimmten.

 

Die Fürsten Igor Olgowitsch, Swätoslaw Olgowitsch und Isäslaw Davidowitsch machten sich bald darauf auf den Weg, Fürst Swätoslaw Wsewolodowitsch von Wladimir in Wolhynien stieß mit

 

 

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seinen Truppen zu ihnen, Fürst Isäslaw Mstislawitsch aber blieb wegen Krankheit zurük. sie vereinigten sich bey Tschirsk, drangen in Masowien ein, und trafen bald zwey Brüder des Fürsten Wladislaw, welche sich an einem festen Orte hinter Morästen gesezt hatten, und von da dem Fürsten Igor um eine Unterredung bitten ließen. Igor antwortete ihnen, da sie Blutsfreunde und nahe Verwandte wären, so könnten sie versichert seyn, das die rußischen Fürsten sie nicht ohne Ursache beleidigen würden, und daß sie also ohne alles Bedenken zu ihnen kommen könnten; worauf sich sogleich Fürst Boleslaw, Wladislaws Bruder, bey Igorn einfand und von allen Fürsten mit Achtung empfangen ward. Man brachte nach langer Unterredung einen Friedensvertrag zu Stande und sandte selbigen dem Fürsten Wladislaw zu, der zwar etwas mehres zu erhalten wünschte, aber den Frieden anzunehmen gezwungen war, in welchen festgesezt wurde, daß ein jeder das seine so wie es ihm sein Vater zugetheilt hatte besizen, Wladislaws Brüder aber diesem Fürsten vier Städte abtreten und dem Fürsten Igor die gehabten Kosten bezahlen sollten. Die rußischen Fürsten warteten hierauf zwölf Tage lang, und nahmen endlich des Wartens überdrüßig, aus den Dörfern Leute und Vieh zum Unterpfande mit sich, traten alsdann ihren Rückzug an, und ließen den polnischen Fürsten die Nichterfüllung

 

 

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ihres Versprechens verweisen, welche bald darauf die Pfänder auslösen und ihre Gefangene befreyen ließen.

 

In diesem Jahre starb in Murom Fürst Jaroslaw Swätoslaws Enkel, und hatte in Murom seinen Bruder Rostislaw zum Nachfolger, sein jüngerer Bruder Gleb aber übernahm die Regierung in Räsan.

 

In demselben Jahre vermählte der Großfürst Wsewolod zwischen Weinachten und dem Feste der Erscheinung Christi, seinen Sohn Swätoslaw von Wladimir in Wolhynien, mit der Tochter des Fürsten Waßilko von Polozk.

 

Die Geschichte meldet, Fürst Isäslaw Mstislawitsch habe für gut befunden, mit seinem Vaterbruder Jurii Wladimirowitsch von Rostow wegen der von dem Großfürsten verordneten Nachfolge Abrede zu nehmen, und sey deshalb zu ihm gereiset. Da aber beyde das Grosfürstenthum nach Wsewolods Tode zu erlangen wünschten, so wurde zwischen ihnen nach langem Streite nichts ausgemacht. Fürst Isäslaw reisete hierauf zu seinem Bruder Rostislaw nach Smolensk und von da zu seinem zweyten Bruder Swätoslaw nach Nowgorod und berathschlagte sich mit ihnen heimlich über vorgedachte Sache.

 

Im Jahre 1144 vermählte sich Fürst Swätopolk Mstislawitsch von Nowgorod am 4ten Januar mit einer pomerschen Fürstin, wobey viele Freudenmale und Lustbarkeiten vorfielen.

 

 

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In diesem Jahre versöhnte sich Fürst Wladimirko Wolodaritsch von Halitsch mit seinem Bruder Rostislaw Wolodaritsch von Swenigorod und seinen Vettern den Waßilkowitschen, unternahm hierauf einen Feldzug gegen die Bolgaren und Griechen, bemächtigte sich aller um die Donau gelegenen Städte, und schloß mit den Griechen und Bolgaren Friede. Nach dem Tode des Fürsten Rostislaw aber wollte Wladimirko Wolodaritsch das ganze tscherwenische Land beherschen, fing an seine Vettern und Neffen zu vertreiben, entriß ihnen ihre Städte, nemlich den Waßilkowitschen Peremüschl, den Rostislawitschen Swenigorod, und dergleichen, und ließ jedem nur eine kleine Stadt übrig, indem er sie beschuldigte, daß sie ihn gegen die Bolgaren schlecht unterstüzt hätten. Da diese Fürsten ihm nicht zu wiederstehen im Stande waren, begaben sie sich nach Kiew und baten den Großfürsten Wsewolod Olgowitsch um Schuz, welcher dem Fürsten von Halitsch andeuten ließ: er solle ihnen nicht Unrecht thun, sondern vielmehr vor der Versammlung der Fürsten in Kiew erscheinen, und daselbst seine Gerechtsame darthun. Fürst Wladimirko Wolodaritsch schlug nicht nur dieses ab, sondern antwortete auch dem Großfürsten unbescheiden, und ließ ihm sagen: er selbst solle ihm sein großväterliches Erbe Wladimir in Wolhynien abtreten, denn wenn er solches nicht thun werde, so werde er solches durch Krieg zu

 

 

 

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erlangen wißen, wozu er schon Truppen in Bereitschaft habe. – Als der Großfürst diese stolze Antwort erhielt, machte er selbige seinen Brüdern Igor und Swätoslaw wie auch den Wladimirowirschen und Davidowitschen bekannt, und stellete ihnen vor, daß sie vom Fürsten von Halitsch, gemeinschaftlich beleidiget und gleicher Gefahr ausgesezt wären, worauf alle zusammen, nemlich die Olgowitschen Igor und Swätoslaw, Fürst Wladimir Davidowitsch, Fürst Wetscheslaw Wladimiromitsch, die Mstislawitschen Isäslaw und Rostislaw und die Glebowitschen, Boris, Gleb und Rostislaw, Gesandten an den Fürsten von Halitsch abfertigten, und ihm bekannt machen ließen, er solle dem Willen des Großfürsten Folge leisten, weil sie ihn sonst alle gemeinschaftlich bekriegen würden. Der Fürst von Halitsch verachtete diese Ermahnung der Fürsten, rief den Ban von Ungarn mit seinen Truppen zu Hülfe, und ertheilte eine stolze Antwort, welches dem Großfürsten Wsewolod in Perejaslawl hinterbracht wurde, wo er sich damals mit seiner Gemahlin Agaphia Mstislawowna bey seinem Schwager Isäslaw Mstislawitsch, welcher seine Tochter mit dem Fürsten Rochwold Borisowitsch von Polozk vermählte, aufhielt. Nach Endigung dieser Vermählungs-Feyer versammelten sich die Fürsten Igor Olgowitsch, Wladimir Davidowitsch, Wetscheslaw Wladimirowitsch, Isäslaw Mstislawitsch, Rostislaw Mstislawitsch

 

 

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und Swätoslaw Wsewoloditsch mit ihren Truppen bey Kiew, und brachen mit dem Großfürsten Wsewolod Olgowitsch gegen den Fürsten Wladimirko von Halitsch auf; Fürst Swätoslaw Olgowitsch aber ward von seinem Bruder dem Großfürsten in Kiew zurük gelaßen.

 

Da der Großfürst indessen erfuhr, daß der König von Ungarn dem Fürsten Wladimirko von Halitsch mit aller seiner Macht zu unterstüzen versprochen hätte, schikte er zum Könige Wladislaw von Polen und ließ seinen Eidam Boleslaw zu Hülfe rufen, welcher mit Wladislaws Erlaubnis sich bald darauf mit seinen Truppen bey der Armee des Großfürsten einfand.

 

Der Großfürst schikte hierauf den Fürsten Isäslaw Davidowitsch an den Don, um Polowzer in Sold zu nehmen, und rükte unterdessen mit der ganzen Armee gegen Terebowl vor, wo ihm der Fürst von Halitsch herzhaft entgegen kam, und an der einen so wie der Großfürst an der andern Seite des Flußes Süret stand. Da man an dieser Stelle nicht bequem über den Fluß sezen konnte, zogen sich beyde Armeen den Fluß herauf, fochten sieben Tage lang gegeneinander, indem der Fürst von Halitsch dem Großfürsten den Uebergang streitig machte, und machten in der Gegend von Swenigrad Halt, wo der Großfürst bey Roshipola, Fürst Wladimirko von Halitsch aber auf den öden Bergen zwischen Morästen stehen blieb, wo ihn Wsewolod auf keine Art beykommen konnte. Um diese Zeit kam Fürst

 

 

 

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Isäslaw Davidowitsch mit den Polowzern an, und bemächtigte sich zweyer dem Fürsten Wladimirko zugehörigen Städte Uschiza und Mikulin, der Großfürst aber näherte sich Swenigrad und stand an der einen Seite des Fluses Belka, worauf der Fürst von Halitsch sich von dem Gebürge herab zog und seine Stellung der großfürstlichen Armee gegen über an der andern Seite des Flußes nahm. Der Großfürst befahl sogleich allen seinen Truppen in der Nacht heimlich Brüken und Flöße über den Fluß zu schlagen, ging gegen Morgen mit einem Theile der Armee über den Fluß, und nahm die dem Fürsten von Halitsch im Rüken liegende Anhöhen ein, welches in solcher Stille bewerkstelliget ward, daß Wladimirko solches nicht eher als nach Anbruch des Tages bemerkte, und als er zuerst die hinter ihm auf den Bergen befindliche Truppen gewahr ward, solche für eine aus Halitsch ankommende Verstärkung hielt. Da er aber erfuhr daß es der Feind wäre, nahm er seine Stellung vor der Stadt in der Ebene, bewafnete seine Truppen und erwartete den Feind; der Großfürst aber, welcher diese Gegend, der Enge des Raums wegen, zum Angriffe sehr unbequem fand, weil die Moräste sich bis zum Fuße des Gebirges erstrekten, befahl seinen Leuten die Wege nach Halitsch und Peremüschl zu besezen. Als die Halitscher dieses sahen, stellten sie dem Fürsten Wladimirko vor, daß man sich weder auf den Schuz der Moräste verlaßen, noch lange an diesem Orte stehen bleiben könne, weil ihre Häuser, Weiber und Kinder dem Feinde zur

 

 

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Beute würden; man müße also die Sache Gott vertrauen und ein Treffen liefern, oder Frieden schließen. Der Fürst von Halitsch sahe die Nothwendigkeit des leztern ein, und ließ den Fürsten Igor Olgowitsch um seine Fürsprache beym Großfürsten bitten, indem er ihm nach Wsewolods Tode mit aller seiner Macht zur Erlangung des Großfürstenthums behülflich zu seyn versprach.

 

Fürst Igor ließ sich durch dieses Versprechen bewegen den Großfürsten inständigst zu bitten, konnte ihn aber lange nicht und nicht anders als durch Bekantmachung dieses Versprechens zum Frieden bewegen, welcher endlich unter der Bedingung geschlossen ward, daß Fürst Wladimirko in Gegenwart aller Fürsten um Verzeihung bitten und zur Erstattung der Kriegskosten ein tausend zwey hundert Griwen Silber bezahlen sollte. Der Fürst von Halitsch erschien noch deßelben Abends vor dem Großfürsten, bat um Verzeihung und ward sowol von Wsewolod als allen übrigen Fürsten mit Achtung empfangen, welche ihm sein Vergehen verziehen, das gedachte Silber in Empfang nahmen, die Städte Uschiza und Mikulin ablieferten und jeder in seine Besizungen zurük kehrten. Nachdem der Großfürst und die übrigen Fürsten diese Gegend verlassen hatten, ließ der Fürst von Halitsch seine Truppen auseinander gehen, und begab sich selbst nach Tismenizi auf die Jagd, die Halitscher aber (welche mit dem schimpflich erworbenen Frieden mißvergnügt waren) sandten nach Swenigrod und ließen den Fürsten

 

 

 

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Iwan Rostislawitsch (Berlädin) zu sich nach Halitsch einladen, welcher durch die Versicherungen der Halitscher geblendet, sich zu ihnen verfügte und mit Freuden empfangen wurde. Fürst Wladimirko Wolodaritsch zog auf die erste Nachricht hievon, seine in der Nähe befindliche Truppen zusammen, erschien unversehens vor Halitsch und umringte die Stadt.

 

Die Halitscher vertheidigten sich drey Tage lang mit vieler Tapferkeit, Fürst Iwan Rostislawitsch aber that einen Ausfall und ward von Wladimirko geschlagen, worauf er mit wenigen Leuten zum Großfürsten nach Kiew flüchtete, Fürst Wladimirko aber in Halitsch einzog und die Aufrührer bestrafte.

 

In eben diesem Jahre vermählte der Großfürst zwey Töchter des Fürsten Wsewolod Mstislawitsch, eine mit dem Fürsten Wladimir Davidowitsch von Tschernigow, die andre mit dem Fürsten Wladimir Jaroslawitsch von Jelez.

 

Am 9ten Junius legte der Großfürst Wsewolod Olgowitsch in Kanew eine steinerne Kirche an.

 

Im Jahre 1145 schikte der polnische Fürst Boleslaw des Großfürsten Eidam und seine Tochter Weleslawa Gesandte nach Kiew, um sich beym Großfürsten Wsewolod über Boleslaws jüngern Bruder zu beschweren und ihn um Hülse zu bitten. Der Großfürst fertigte den Fürsten Wladimir Davidowitsch und mit ihm

 

 

 

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seinen Sohn Swätoslaw Wsewolodowitsch nebst dem Fürsten Wladimirko Wolodaritsch von Halitsch nach Polen ab, welche die Brüder wiederum mit einander versöhnten und mit vielen Geschenken zurück kamen.

 

In demselben Jahre versezte die rechtgläubige Großfürstin Helena den Sarg ihres gewesenen Gemahls des Großfürsten Jaropolk Wladimirowitsch aus seiner Gruft nach der Kirche des heil. Andrei.

 

In diesem Jahre herrschten starke Stürme.

 

Im Jahre 1146 fiel in Kiew in der Osterwoche ein starker Schnee.

 

In diesem Jahre sandte der Fürst Wladimirko Wolodaritsch von Halitsch zum Großfürsten, und ließ sich über vieles erlittene Unrecht beschweren; da er nun hierauf keine Genugthuung erhielt, verwarf er den Friedenstractat, fiel sogleich in die Besizungen des Sohnes des Großfürsten ein, und bemächtigte sich der Stadt Priluki in Wolhynien. Der Großfürst berief sogleich die Olgowitschen und Davidowitschen zu sich, ließ in Kiew den Fürsten Isäslaw Mstislawitsch zurück, brach gegen den Fürsten von Halitsch auf, und umringte Swenigrad. Da sich aber die Stadt nicht ergeben wollte, und er bey Eroberung eines so kleinen Orts, welcher von Wladimirkos Feldherrn Iwan Sacharitsch, einem sehr vorsichtigen Manne, vertheidiget ward, nicht gerne viel Leute aufopfern wollte, hob er die Belagerung auf und kehrte nach Kiew zurück.

 

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Bald nach dieser seiner Rückkunst nach Kiew verfiel der Großfürst Wsewolod in eine schwere Krankheit, und ließ, da er seines Lebens Ende bemerkte, seine Brüder die Fürsten Igor und Swätoslaw zu sich einladen, welche sich sogleich bey Wüschegrad einfanden. Hierauf berief er die kiewschen Großen zu sich und machte ihnen bekannt, daß er zwar seinen Bruder Igor zu seinem Nachfolger verordnet habe, aber doch jezt ihre Meinung zu wissen wünsche, ob sie nichts dawieder einzuwenden haben würden. Jezt trat der Tüßäzkoi Uleb hervor und sprach, daß sie zwar alle zur Befolgung seines Befehls bereit und in Absicht der Nachfolge ihm nicht zuwieder wären, da er aber selbst wisse daß Fürst Isäslaw Mstislawitsch wegen seines Vaters des Großfürsten Mstislaw Wladimirowitsch der wahre Thronerbe sey, und die Stadt Kiew vielleicht ein eben solches Unglück als unter dem Großfürsten Isäslaw zu besorgen habe, so wünsche er, das man die Wladimirowitschen befragen möchte, um den wahren Zustand der Sachen zu erfahren. Da der Großfürst mit dieser Antwort sehr unzufrieden war, trat der Aelteste Lasar Sokolskoi, in der Meinung das jezt hievon zu reden keine Zeit sey, zum Großfürsten und sprach zu ihm: Uleb sey ein alter Mann und habe ohne geschehene Anfrage und Berathschlagung mit den übrigen gesprochen, niemand aber könne seine Anordnung ohne Sünde übertreten; womit man den Großfürsten am Ende seines Lebens nicht ohne Mühe beruhigte.

 

 

 

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Nach diesem hielt Fürst Igor seinen Einzug in Kiew, wo die Kiewer ihm als künftigem Nachfolger bey Küssung des Kreuzes huldigten, am folgenden Tage begab er sich nach Wüschegrad, dessen Einwohner ein gleiches thaten. Unterdessen hatte der Großfürst seinen Eidam den polnischen Fürsten Boleslaw zum Fürsten Isäslaw Mstislawitsch und einem gewissen Miroslaw Andreewitsch zu den Davidowitschen gesandt, um sich bey ihnen zu erkundigen, ob sie seine Verordnung wegen des Fürsten Igor vollkommen anerkennten und selbige vertheidigen würden. Die Fürsten gaben hierauf zur Antwort, daß sie ihr gegebenes Wort ohne hinlängliche Ursache nicht brechen würden, der Großfürst Wsewolod Olgowitsch aber starb ohne diese Antwort zu erhalten am 1sten August und ward in der Kirche der heiligen Märtyrer Boris und Gleb begraben, nachdem er das Großfürstenthum sechs Jahre und sieben Monathe lang besessen hatte. Die Geschichtschreiber sagen, daß die Kiewer unter seiner Regierung nicht geringe Bedrängnisse erlitten, und bey seinem Tode niemand als die bey ihm beliebt gewesenen Weiber um ihn getrauert haben, daß man aber um so mehr den von ihm verordneten Nachfolger wegen seines eigenwilligen und stolzen Gemüths gefürchtet habe.

 

Der Großfürst Wsewolod Olgowitsch hatte zwey Gemahlinnen.

 

Die erste, eine Töchter des Fürsten Nikola Swätoscha.

 

 

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Die zweyte, Agaphia eine Tochter des Großfürsten Mstislaw Wladimirowitsch.

 

Seine hinterlassene Kinder waren, Swätoslaw, Jaroslaw und Jaropolk, und zwey Töchter, nemlich Weleslawa Gemahlin des polnischen Fürsten Boleslaw, und Anna Gemahlin des Fürsten Igor Swätoslawitsch.

 

Geschlechts - Register Wsewolods II.

 

► Wsewolod II. des Fürsten Olg Swätoslawitsch Sohn, zuerst Fürst von Tschernigow, nachher Großfürst von 1139 bis 1156.

 

oo Seine erste Gemahlin war eine Tochter des Fürsten Nikola Swätoscha von Gorodez.

 

oo Die zweite Gemahlin Agaphia, war eine Tochter des Großfürsten Mstislaw Wladimirowitsch.

 

Dessen Kinder:

 

Söhne

I. Fürst Swätoslaw.

2. – Jaroslaw.

3. – Jaropolk.

 

Töchter

4. Weleslawa, Gemahlin des poln. Fürsten Boleslaw.

5. Anna, Gemahlin des Fürsten Igor Swätoslawitsch.

 

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Wsewolods II. Zeitverwandte, vom Jahre 1139 bis 1146 waren:

 

In Griechenland. Kaiser. Johann von 1118 bis 1143. Emanuel von 1143 bis 1180.

 

In Deutschland. Kaiser. Konrad III. von 1137 bis 1152.

 

In Polen. König. Wladislaw II. v. 1139 bis 1146.

 

In Böhmen. Fürsten. Sobislaw I. von 1125 bis 1140. Wladislaw IV. von 1140 bis 1174.

 

In Sachsen. Fürst. Heinrich von 1136 bis 1180.

 

In der Pfalz. Fürsten. Wilhelm von ___ bis 1140. Herman von 1140 bis 1156.

 

In Brandenburg. Fürst. Albert von 1131 bis 1169.

 

In Baiern. Fürsten. Leopold von 1139 bis 1142. Heinrich IX. von 1142 bis 1154

 

In Braunschweig. Fürst. Heinrich von 1139 bis 1195.

 

In Ungarn. Könige. Bela II. von 1131 bis 1141. Geisa II. von 1141 bis 1161.

 

In Dänemark. König. Erich V. von 1139 bis 1147.

 

In Schweden. König. Erich IX. Von 1141 bis 1160.

 

 

 

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In Arabien. Kalif. Moktasi L. Kalif von 1136 bis 1160.

 

In Egypten. Kalif. Ased Ledinilla von 1130 bis 1149.

 

In Ikonium. Sultan, Masut von 1117 bis 1155.

 

In Alepo. Sultane. Emagedin Senai von 1128 bis 1145. Nureddin Mamut von 1145 bis 1174.

 

In Damask. Sultane. Otsche Maledin Mamud von 1139 bis 1145. Modshir Eddin von 1142 bis 1174.

 

In Frankreich. König. Ludwig VII. von 1137 bis 1180.

 

In England. König. David I. von 1135 bis 1154.

 

In Schottland. König. David I. von 1128 bis 1153.

 

In Spanien. König. Alfons III. von 1126 bis 1157.

 

In Portugal. König. Feresa und Alfons I. von 1112 bis 1185.

 

In Toskana. Groß-Herzog. Udalrik von 1139 bis 1153.

 

 

 

 

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Patriarchen zu Konstantinopel. Leo von 1134 bis 1143. Michael von 1143 bis 1146.

 

Römische Päbste. Inocentius II. von 1130 bis 1143. Cölestin II. von 1143 bis 1144. Eugen III. von 1144 bis 1146.

 

Mitropolit zu Kiew. Michail von 1127 bis 1146.

 

In Rußland. Abgetheilte Fürsten.

 

In Turow. Wetscheslaw Wladimirowitsch

 

In Rostow und Susdal. Juri Wladimirowitsch

 

In Tschernigow. Wladimir Davidowitsch

 

In Perejaslawl. Andrei Wladimirowitsch. Wetscheslaw Wladimirowitsch. Isäslaw Mstislawitsch.

 

In Nowgorod. Rostislaw Jurjewitsch. Swätoslaw Olgowitsch. Swätopolk Mstislawitsch. Rostislaw Jurjewitsch.

 

In Smolensk. Rostislaw Mstislawitsch

 

In Wladimir in Wolhynien. Isäslaw Mstislawitsch. Swätoslaw Wsewoloditsch.

 

In Halitsch. Wladimirko Wolodaritsch

 

In Kursk. Swätoslaw Olgowitsch

 

In Torshok. Swätopolk Mstislawitsch

 

In Gorodez. Wsewolod Davidowitsch

 

 

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In Räsan. Gleb Jaroslawitsch.

 

In Peremüschl. Rostislaw Wolodaritsch

 

In Murom. Jaroslaw Jaroslawitsch. Rostislaw Jaroslawitsch.

 

In Polozk. Waßilko Swätoslawitsch. Rochwold Borißowitsch.

 

In Swenigrad. Rostislaw Wolodaritsch. Iwan Rostislawitsch.

 

In Jelez. Wladimir Jaroslawitsch

 

In Terebowl. Igor Waßilkowitsch

 

In Tscherwen. Rostislaw Waßilkowitsch

 

In Tmutarakan. Isäslaw Davidowitsch

 

In Nowgorod-Sewerskoi und Putiml. Igor Olgowitsch.

 

 

 

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Großfürst Isäslaw II.

Nach dem Tode des Großfürsten Wsewolod Olgowitsch, im Jahre 1146, bestrebten sich vier rußische Fürsten von Ruriks Stamme auf den großfürstlichen Thron zu gelangen.

 

Der erste derselben war Fürst Igor Olgowitsch des Großfürsten Wsewolods Bruder. Dieser war, nach dem Bericht der Geschichte, ein tapferer Mann, von mittlerm Wuchse, hager, von brauner Gesichtsfarbe, trug langes Haar und einen schmalen kleinen Bart.

 

Die Kiewer fürchteten sich vor ihm, weil man ihn für sehr streng und von unruhigem unbeständigem Gemüthe hielt. Dieser Fürst war vom Großfürsten Wsewolod Olgowitsch bey seinem Leben, zu seinem Nachfolger verordnet worden.

 

Der zweyte war Fürst Wetscheslaw Wladimirowitsch von Turow. Dieser gründete seine Ansprüche auf das Großfürstenthum darauf, daß er der älteste im Fürstenstamme sey.

 

Der dritte, Fürst Isäslaw Mstislawitsch glaubte, als der älteste Sohn des Großfürsten Mstislaw Wladimirowitsch und Enkel des Großfürsten Wladimir des zweiten, ein unstreitiges Recht auf den kiewschen Thron zu haben.

 

 

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Isäslaw, war nach dem Bericht der Geschichte, redlich und von gutem Gemüthe, von berühmter Tapferkeit, gnädig gegen jedermann und nicht habsüchtig, er belohnte seine Diener freygebig, sorgte mit Eifer für gute Regierung und Gerechtigkeit, und litt aus Ehrliebe keine Beleidigung seiner Ehre und seines Reichs; er war klein von Wuchs aber schön von Gesicht, hatte krauses kurzes Haar, und einen runden Bart.

 

Der vierte war Fürst Georg oder Jurii Wladimirowitsch von Rostow, ein jüngerer Bruder des Fürsten Wetscheslaw von Turow und Vaterbruder des Fürsten Isäslaw Mstislawitsch. Dieser verachtete die Fürsten Igor und Wetscheslaw eben so sehr als er seinen Neffen Isäslaw Mstislawitsch und dessen Brüder beneidete und haßte, und hofte dabey als der mächtigste von allen abgetheilten Fürsten, den übrigen in Ausführung seiner Absichten überlegen zu seyn.

 

Nach dem Begräbnise des Großfürsten Wsewolod Olgowitsch, kam dessen verordneter Nachfolger Fürst Igor Olgowitsch eiligst nach Kiew, wo er mit gewöhnlichen Feierlichkeiten empfangen ward, und, sobald er auf dem großfürstlichen Hofe, sonst Jaroslaws Haus genannt, angekommen war, die kiewschen Großen und alle angesehene Leute, zur Leistung des Huldigungs-Eides einladen ließ. Die Kiewer waren zwar hiezu gar nicht geneigt; da

 

 

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sie aber aus Furcht nichts dagegen einzuwenden wagten, versammelten sie sich erst, als sie vom großfürstlichen Hofe herab gingen, bey der turowschen Kapelle. Fürst Igor der sich bey diesem Vorfalle auf seine Macht verließ, ritt mit seinem Bruder dem Fürsten Swätoslaw Olgowitsch und einem großen Gefolge dahin, hielt nicht weit von dem Haufen stille und ließ die Leute durch den Fürsten Swätoslaw befragen: warum sie sich versammelt hätten und was sie verlangten. Die Kiewer beschwerten sich beym Fürsten Swätoslaw Olgowitsch über den beym Großfürsten Wsewolod gewesenen Richter Ratscha und den Wüschegradschen Tiun Tudor, zählten deren viele Vergehungen her, klagten daß sie viele Leute durch ungerechtes Gericht zu Grunde gerichtet hätten, und baten den Fürsten Swätoslaw, er möchte für sich und seinen Bruder den Fürsten Igor öffentlich versprechen, daß sie nach den Gesetzen richten und niemanden Unrecht thun würden. Fürst Swätoslaw erwiederte; er sey bereit zu versprechen, daß sein Bruder Igor niemanden Gewalt noch Unrecht thun, und die Richter nach dem Willen und der Wahl des Volks verordnen werde, worauf er vom Pferde stieg, und dieses Versprechen durch Küssung des Kreuzes bekräftigte. Jezt stiegen auch die Kiewer von ihren Pferden, und sagten zum Fürsten Swätoslaw, daß solches nothwendig auch vom Fürsten Igor selbst eidlich bestätiget werden müßte. Fürst Swätoslaw versprach dieses seinem Bruder anzuzeigen, ritt mit einigen vornehmen Kiewern zu ihm, und machte ihm

 

 

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alles vorgefallene bekannt. Fürst Igor Olgowitsch hörete zwar dieses, als eine aus Mißtrauen gegen ihn entstandene seltsame Forderung, mit großem Mißvergnügen an, da er aber hiedurch die Gemüther zu besänftigen hofte, stieg er vom Pferde und bestätigte das Versprechen seines Bruders durch Küssung des Kreuzes. Hierauf begab er sich, als nach geendigter Sache, zum Mittagsmale, das Volk aber ging nach Ratscha‘s und Menkens Hause und fing an selbige niederzureißen und zu plündern, welches Fürst Igor nebst seinen Brüdern und Leuten, die auf diese Nachricht herbey eilten, kaum zu hindern im Stande waren. Da nun viele Kiewer, die ihnen hiefür drohende Strafe fürchteten, schickten sie heimlich zum Fürsten Isäslaw Mstislawitsch und ließen ihn, unter Versicherung ihrer Hülfe, mit seinen Truppen nach Kiew einladen.

 

Inzwischen hatte Fürst Igor allen Fürsten den Tod seines Bruders und seine Absicht den großfürstlichen Thron in Besiz zu nehmen, bekannt machen lassen, worauf die Davidowitschen, ihm freundschaftlich Glück wünschten, und Gesandten zu ihn schickten, Fürst Isäslaw Mstislawitsch aber sein Beyleid über den Tod seines Schwagers Wsewolod bezeigte, wegen Igors Gelangung zum Thron aber nichts er wähnte noch Gesandten schickte, sondern sich bloß vernehmen ließ, daß er sich mit seinen Vaterbrüdern nicht berathschlagt habe und sich deshalb noch nicht erklären könne.

 

 

 

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Fürst Igor Olgowitsch fing, ungeachtet dieser Antwort des Fürsten Isäslaw Mstislawitsch und des Mistrauens der Kiewer gegen ihn, gleich in den ersten Tagen seiner Regierung an, seinem gegebenen und beschwornen Versprechen zuwieder zu handeln, und gab seinen Lieblingen freyen Willen und Macht die Leute zu richten, die alles nach ihrem Wohlgefallen entschieden, und anstatt gerechtes Gericht zu pflegen, Geschenke nahmen und raubten, die Schuldigen lossprachen und Unschuldige verurtheilten; wodurch die Kiewer immer mehr gegen Igor und seine Lieblinge aufgebracht wurden, und den Fürsten Isäslaw von neuen ersuchen ließen, daß er unverzüglich nach Kiew kommen, und sie gegen unerträgliche Bedrückungen und Unrecht schützen möchte.

 

Fürst Isäslaw Mstislawitsch zog mit einer Armee gegen Kiew und ging beym Verhau über den Dnieper, wo sich die Abgeordneten der Schwarzmüzzen und alle Poruschen mit dem Anerbieten bey ihm einfanden: „daß sie ihn als den ältesten Sohn des Großfürsten Mstislaw Wladimirowitsch und Enkel des Großfürsten Wladimir Wsewolodowitsch für ihren Erbfürsten und Herrn erkenneten und ihm treu dienen wollten, den Olgowitschen aber, die sie zu Grunde gerichtet, sie ihrer Weiber und Kinder und Habe beraubt und mit ihnen nicht als mit Unterthanen sondern als mit Feinden umgegangen wären, auf keine Weise zu dienen verlangten.“

 

Als er nach diesen bis Dernowo gekommen war, stießen die Schwarzmützen und Poruschen insgesamt

 

 

 

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zu ihm, die Belgoroder aber ließen ihm durch ihre Abgeordneten gleiche Anerbietungen thun; auch versprachen viele andre Städte des rußischen Reichs, ihm durch ihre Truppen zur Gelangung auf den großfürstlichen Thron in Kiew behülflich zu seyn, worauf er, in Betracht dieser allgemeinen guten Gesinnung gegen ihn, noch an demselben Tage näher gegen Kiew vorrückte. Fürst Igor Olgowitsch ließ auf die Nachricht von dem Vornehmen des Fürsten Isäslaw Mstislawitsch, die Fürsten Wladimir Davidowitsch und Isäslaw Davidowitsch um Hülfe bitten, erhielt aber zur Antwort, das sie nicht eher aufbrechen würden, bis sie die von ihm versprochenen Städte erhalten hätten. Er sandte hieraus zum zweytenmale zu ihnen und ließ ihnen sagen, sie möchten die verlangten Städte nehmen, und unverzüglich entweder selbst kommen oder Truppen schicken, da denn diese Fürsten sich sogleich zu ihm auf den Weg machten.

 

Da Fürst Igor Olgowitsch sahe, daß Isäslaw schon nahe bey Kiew war, die Davidowitschen aber noch nicht angekommen waren, berief er die vornehmsten Kiewer, den Uleb, Iwan Woitischitsch und Lasar Sokolskoi, zu sich, sprach mit ihnen von der Annäherung des Fürsten Isäslaw, versicherte sie derselben Gnade und Achtung deren sie beym Grosfürsten Wsewolod Olgowitsch genossen hatten, und er nannte den Uleb wiederum zum Tüßäzki, wogegen sie ihn ihrer ergebenen Gesinnungen versicherten.

 

 

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Fürst Isäslaw näherte sich indessen so geschwinde er konnte, und erhielt auf seinem Zuge täglich neue Verstärkungen.

 

Fürst Igor wußte zwar daß er bey den Kiewern nicht beliebt sey, hatte aber doch den Uleb, Woitischitsch und Sokolskoi, so wie sein Bruder Swätoslaw Olgowitsch, den Tüßäzki Miroslaw Chilins Enkel, zu seinen vornehmsten Rathgebern. Diese riethen ihm, so geschwind als möglich gegen Isäslaw ins Feld zu rücken und ihn nicht nahe vor Kiew kom men zu lassen, welches Fürst Igor gern befolgte. Inzwischen hatten sich die mehresten Städte zum Fürsten Isäslaw geschlagen, welcher mit seinem Sohne dem Fürsten Mstislaw Isäslawitsch neben einer Anhöhe zwischen zweyen Seen stand, worauf Fürst Igor nebst seinem Bruder Swätoslaw einigen Schriftstellern zufolge nach einen zwölftägigen, andern zufolge aber nach einen sechswöchentlichen Aufenthalt in Kiew, aus der Stadt auszog, und mit den Kiewern bey Olgs Grabhügel stehen blieb. Da er aber bald darauf erfuhr, daß Fürst Isäslaw den Tüßäzki mit allen seinen Leuten gefangen genommen habe, und daß die Berenditschen nachdem sie über den Lübed gegangen, sein Gepäcke überfallen und sich desselben nahe bey Kiew vor der goldenen Pforte bemächtiget hätten, rief er seinen Bruder Swätoslaw, seinen Neffen Swätoslaw Wsewolodowitsch, wie auch den Uleb und Woitischitsch zu sich, und befahl, daß sich ein jeder von ihnen zu seinem ihm anvertrauten Kommando begeben sollte; Uleb Woitischitsch

 

 

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aber befürchteten, daß die Berenditschen sich inzwischen der Stadt bemächtigen könnten und kehrten eiligst nach Kiew zurück.

 

Fürst Igor und sein Bruder griffen hierauf sogleich den Fürsten Isäslaw in guter Ordnung an, wurden aber von ihm durch Hülfe der Berenditschen überwunden. Igor verließ die Seinen und flohe in die drogitschinschen Moräste, wo sein Pferd der gestalt einsank, daß es ihn nicht heraus zu heben vermochte, er selbst aber, da er kranke Füße und dazu keinen Menschen um sich hatte, auch nicht zu Fuße weiter kommen konnte. Fürst Swätoslaw Olgowitsch flohe mit einem geringen Reste seiner Truppen Kiew vorbey gegen die Mündung der Desna und gieng daselbst über den Dnieper; Fürst Swätoslaw Wsewolodowitsch aber begab sich nach Kiew in das Kloster der heiligen Irina. Die Flüchtigen wurden von Isäslaws Truppen bis zum Dnieper verfolgt. Fürst Isäslaw Mstislawitsch hielt gleich nach diesem Siege, am 14ten August, seinen Einzug in Kiew, wo er von allem Volk vor der Stadt, von der Geistlichkeit aber mit den heiligen Kreuzen an der Stadtpforte empfangen, und auf den großfürstlichen Hof begleitet wurde. Am folgenden Tage ließ er seinen Schwestersohn den Fürsten Swätoslaw Wsewolodomitsch zu sich rufen, und sagte zu ihm: „er sey sein naher Anverwandter, wenn er bey ihm bleiben wolle, so werde er ihm als seinem Sohne begegnen.“ Fürst Swätoslaw Wsewolodowitsch

 

 

 

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war hierüber erfreut nannte Isäslawen seinen Vater und leistete ihm den Eid der Treue und des Gehorsams. Nach diesem befahl Isäslaw, die dem Fürsten Igor ergebenen Bojaren Danila Welikoi, Jurii Prokopowitsch und viele andere nebst Igors Bedienten aus Kiew zu vertreiben, welches auch dem Fürsten Igor Jurjewitsch des Großfürsten Isäslaws I. Enkel geschah.

 

Am vierten Tage nach gedachtem Siege trafen Isäslaws Leute den Fürsten Igor Olgowitsch, von Hunger und Noth fast bis zum Tode entkräftet, unversehens im Moraste an, und brachten ihn nach Kiew. Isäslaw befahl ihn nach Perejaslaw ins Kloster des heiligen Johannes zu führen und ihn daselbst zwar mit allem reichlich zu versehen aber jederzeit unter genauer Wache zu halten.

 

Um eben diese Zeit sandte Isäslaw zwey seiner vornehmsten Großen zu seinem Schwager dem Könige und seiner Schwester der Königinn von Ungarn, um ihnen bekannt zu machen daß er durch Gottes Hülfe den Fürsten Igor besiegt und hierauf die Residenz seines Vaters des Großfürsten Mstislaw Wladimirowitsch und seines Großvaters des Großfürsten Wladimir Wsewolodowitsch in Besitz genommen habe. Der König ließ durch seine eigene Gesandten Isäslawen Glück wünschen, Geschenke überreichen, und zugleich versprechen, ihm jederzeit so viele Truppen als er verlangen werde, zu Hülfe zu schicken.

 

Erster Band 1784.

 

 

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Fürst Swätoslaw Olgowitsch flohe nach seiner zugleich mit Igorn erlittenen Niederlage nach Nowgorod-Sewerskoi und schickte zu den Davidowitschen nach Tschernigow um sie befragen zu lassen, ob sie das neulich mit ihm geschlossene Bündnis unverbrüchlich zu halten gesonnen wären; worauf die Davidowitschen erwiederten, das sie solches zu brechen keine Ursach hätten, sondern ihm vielmehr gerne Hülfe leisten würden. Dieses veranlaßte den Fürsten Swätoslaw, einen gewissen Kosnätschka nach Tschernigow zu schicken, um sich daselbst beständig aufzuhalten und ihm von allem Nachricht zu geben, wobey er die Davidowitschen bat, sie möchten diesem seinem Gesandten Glauben beymessen und ihm alle nöthige Nachrichten mittheilen. Hierauf reisete er selbst, um gewisse Einrichtungen in seinen Besizungen zu treffen, nach Kursk, von da aber nach Groß-Nowgorod zum Fürsten Rostislaw Jurjewitsch, um durch dessen Vermittelung sich mit dem Großfürsten Isäslaw Mstislawitsch zu versöhnen und seinen Bruder Igor zu befreyen.

 

Da die Fürsten Wladimir Davidowitsch und Isäslaw Davidowitsch erfuhren, daß Fürst Igor gefangen und in gute Verwahrung gebracht worden sey, ließen sie den Großfürsten Isäslaw Mstislawitsch mit vielem Eifer um seine Freyheit bitten. Der Großfürst ertheilte ihnen hierauf zur Antwort: wenn sie sich für Igor, daß er ausser seinem väterlichen Erbe nichts verlangen werde, verbürgen, und hierauf zwey Söhne zweyer

 

 

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ihrer vornehmsten Bojaren zum Unterpfande geben wollten, so werde er Igorn die Freyheit ertheilen. Da die Davidowitschen, wie die Geschichtschreiber sagen, Igors Gemüthsart kannten und wohl wußten daß er nicht in Ruhe leben werde, schlugen sie es ab, sich für ihr zu verbürgen.

 

Als die Polowzer von dem Tode des Großfürsten Wsewolod und dem unglücklichen Schicksale des Fürsten Igor Nachricht erhielten, schickten sie Gesandte an den Großfürsten Isäslaw Mstislawitsch und ließen ihm Glück wünschen und um Bestätigung des Friedens ansuchen, Isäslaw nahm die Gesandten freundlich auf, bestätigte den Frieden, beschenkte sie, und entließ sie mit aller Ehre.

 

Die Davidowitschen, Fürsten von Tschernigow, wandten sich um aller Unruhe und Verheerung ihrer Besizungen vorzubauen, und solche vielmehr durch Hülfe des Großfürsten zu vergrössern, heimlich und ohne Vorwissen des gedachten Gesandten Kosnätschka, an die kiewschen Bojaren, und liessen sich um ihre Vermittelung zum Frieden mit dem Großfürsten Isäslaw Mstislawitsch bewerben. sie liessen sich hiebey vernehmen: Fürst Igor sey so wenig ihnen als dem Großfürsten Isäslaw Mstislawitsch geneigte gewesen, und habe in dem tschernigowschen Gebiete viele Unruhe und Verheerung angerichtet, weshalb sie wohl nie ihn auf dem großfürstlichen Throne zu sehen, verlangt hätten; sie hätten ihn zwar, weil sie dem Großfürsten Wsewolod nicht widerstehen

 

 

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können für dessen Nachfolger erkannt, wünschten aber jezt mit dem Großfürsten Isäslaw in Frieden und Eintracht zu leben.

 

Der Großfürst Isäslaw Mstislawitsch war hierüber sehr vergnügt und versprach ihnen die gewesene Besizungen des Fürsten Igor, Nowgorod-Sewerskoi und Putiml, zu verleihen.

 

Der bey dem Fürsten von Tschernigow befindliche Gesandte Kosnätschka ward durch seine Freunde von diesen Unterhandlungen und Verabredungen benachrichtiget und ließ sogleich seinem Herrn dem Fürsten Swätoslaw Olgowitsch alles umständlich bekannt machen.

 

Bald darauf schickten die Davidowitschen nach Nowgorod und ließen dem Fürsten Swätoslaw Olgowitsch zureden, Putiml als seines Vaters Erbe in Besiz zu nehmen, Fürst Swätoslaw aber gab ihnen zur Antwort daß er sie um nichts anders als um die Befreyung seines Bruders des Fürsten Igor bitte, welche zu erhalten sie sich als Brüderkinder eifrig bewerben möchten. Als er aber erfuhr, daß diese Fürsten, um ihre Besizungen zu erweitern, nicht nur den Fürsten Igor verlassen hätten sondern auch nach seinem Erbtheil trachteten, wandte er sich mit seinen Beschwerden an den Fürsten Jurii Wladimirowitsch von Rostow, und ließ ihm sagen: „der Großfürst Wsewolod Olgowitsch, Igors und sein ältester Bruder, habe, wie ihm bewußt sey, den Fürsten Igor zu seinem Nachfolger im Großfürstenthum ernannt, Fürst Isäslaw aber habe selbigen

 

 

 

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dieser Nachfolge-Ordnung zuwieder gefangen genommen, und halte ihn in strenger Verwahrung; da er nun von niemanden zur Befreyung seines Bruders und seiner eigenen Beschüzung Hülfe erwarten könne, so bitte er ihn, mit einem Heere gegen Kiew zu ziehen und den Fürsten Igor Olgowitsch zu befreyen.“

 

Um diese Zeit nahm Fürst Wladimir Swätoslawitsch, ein Enkel des Fürsten Jaroslaw von Räsan, seine Zuflucht nach Nowgorod.

 

Fürst Jurii Wladimirowitsch von Rostow, welcher jederzeit einem geheimen Neid gegen seine Vettern die Mstislawitschen im Herzen hegte, und besonders kein Freund des Großfürsten Isäslaw Mstislawitsch war, vor dem er das Recht des Alters und folglich das Näherrecht zum großfürstlichen Throne zu haben behauptete, ließ sich den Vorschlag des Fürsten Swätoslaw Olgowitsch gern gefallen, und brachte ungesäumt eine Armee zusammen, worauf Fürst Swätoslaw Olgowitsch seine Oheime die polowzischen Fürsten um Hülfstruppen bitten ließ, die er ohne Verzug erhielt.

 

Unterdessen ertheilte der Großfürst Isäslaw Mstislawitsch seinem Schwestersohne Swätoslaw Wsewolodowitsch Meshibosh und Bushesk mit dem dazugehörigen Gebiete,überhaupt fünf Städte, seinem Bruder Rostislaw Mstislawitsch aber Perejaslawl mit allen dazu gehörigen Ländereyen, und seinem jüngern Bruder Wladimir Mstislawitsch Smolensk.

 

 

 

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Fürst Wetscheslaw Wladimirowitsch von Turow, der übrigens den Großfürsten Isäslaw Mstislawitsch liebte, und ihm alles gute wünschte, ließ sich indessen bey der Nachricht von den Vorfällen in Kiew durch die Vorstellung seiner Bojaren, daß, da er, unter allen Fürsten der älteste sey, er sich nach Kiew begeben und das was ihm gehöre in Empfang nehmen müsse, zum Neide gegen seinen Neffen bewegen, brachte auf dem Rath gedachter Bojaren eine Armee auf, und ließ zuerst die ihm, vom Großfürsten Wsewolod Olgowitsch entrißenen Städte, hierauf aber auch das dem Fürsten Swätoslaw Mstislawitsch verliehene Fürstenthum Wladimir in Wolhynien einnehmen, welches er seinem Neffen Fürsten Wladimir Andreewitsch übergab. Der Großfürst Isäslaw Mstislawitsch fertigte hierauf seinen Bruder Rostislaw Mstislawitsch und seinen Schwestersohn Swätoslaw Wsewolodowitsch mit einer Armee ab, welche nicht nur gedachte Städte und Ländereyen ungesäumt wieder eroberten, sondern auch Turow einnahmen, und die vornehmsten Rathgeber des Fürsten Wetscheslaw den Bischof Joakim und Poßadnik Shiroslaw gefangen nach Kiew schickten, wo sie ins Gefängnis gesezt wurden; die Regierung von Turow ward hierauf von dem Großfürsten Isäslaw Mstislawitsch seinem Sohne Jaroslaw Isäslawitsch übergeben.

 

Im Jahre 1147 starb am 24sten Januar in ihrem Kloster Maria Wladimirowna gewesene Gemahlin

 

 

 

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des griechischen Prinzen Leo, und Tochter des Großfürsten Wladimir des zweyten.

 

Als die Davidowitschen, Fürsten von Tschernigow, sahen, daß Fürst Swätoslaw Olgowitsch ihre Verbindung mit dem Großfürsten Isäslaw Mstislawitsch erfahren, und sich mit dem Fürsten Jurii Wladimirowitsch von Rostow verbunden habe, beschlossen sie erstern aus seinen Besizungen zu vertreiben. Sie ließen in dieser Absicht dem Großfürsten einen ungesäumten Feldzug gegen den Fürsten Swätoslaw Olgowitsch vorschlagen, und schlossen hiebey mit ihm folgenden Vertrag: Das Erbe des Fürsten Igor Olgowitsch, Nowgorod-Sewerskoi mit dem dazu gehörigen Gebiete, soll den Davidowitschen, seine Habe und Knechte aber dem Großfürsten Isäslaw Mstislawitsch gegeben werden; das Erbe des gewesenen Großfürsten Wsewolod Olgowitsch nebst dem Gebiete der Wätitschen soll dessen Sohne Swätoslaw Wsewolodowitsch bleiben; das Gebiet des Fürsten Swätoslaw Olgowitsch als Kursk, Putiml etc. soll zwischen den Davidowitschen und dem Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch getheilt werden. Die Geschichtschreiber erwähnen hiebey, der Großfürst habe sich die Hälfte des beweglichen Vermögens ausbedungen um dadurch den Antheil seines Schwestersohns Swätoslaw Wsewolodowitsch zu vergrössern, worüber er ihm seine Versicherung gegeben habe.

 

Nach Schliessung dieses Vertrages brachte der Großfürst eine Armee zusammen, fertigte seinen

 

 

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Sohn Mstislaw Isäslawitsch zum Voraus mit den Perejaslawern und Berendeern nach Tschernigow ab und versprach, ihm bald mit einem grössern Heere zu folgen.

 

Als die Davidowitschen sich mit dem Fürsten Mstislaw Isäslawitsch vereinigt hatten, brachen sie sogleich gegen Nowgorod-Sewerskoi auf, wo sich Fürst Swätoslaw Olgowitsch selbst befand. Sie nahmen gleich bey ihrer Ankunft ihre Stellung vor der Tschernigowschen Pforte, fochten daselbst bis zur späten Nacht und wandten sich am folgenden Tage gegen die Torshoksche Pforte. Da Fürst Mstislaw Isäslawitsch sahe, daß man ohne Nuzen viele Leute aufopfere und daß seinen Truppen die gefährlichste Stelle angewiesen sey, ließ er dem Fürsten Wladimir Davidowitsch sagen: sein Vater habe ihm befohlen, die Städte ohne Blutvergiessen durch enge Einschliessung zur Uebergabe zu zwingen, nun habe er zwar dem gestrigen Gefechte beygewohnt und einige Beschwerde erlitten, dürfe es aber nicht wagen das Gefechte heute wieder zu erneuern. Fürst Wladimir Davidowitsch berief hierauf sogleich einen Kriegsrath zusammen, in welchem festgesezt wurde, den Angrif nicht weiter fortzusezen sondern die Stadt von allen Seiten enge einzuschliessen und auf allen Wegen Posten und Wachten auszustellen. Da die Fürsten nach diesem fanden, daß die Truppen umsonst da ständen, hielten sie wieder Kriegsrath und beschlossen, daß die Schützen gegen die Stadt vorrücken sollten, wozu sie sowohl

 

 

 

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Christen als Berendeer abordneten; hierauf rückten sie mit der ganzen Armee näher an die Stadt wo sich ein blutiges Gefecht erhob, in welchem der Feldherr Dmitrii Shiroslawitsch und Andrei Lasarewitsch auf dem Plaze blieben.

 

Als Fürst Swätoslaw Olgowitsch bemerkte daß die Truppen der Davidowitschen ermüdet wären, that er mit allen seinen Leuten einen Ausfall aus der Stadt, und zwang die Fürsten sich bis zum Dorfe Merlikowo zurück zu ziehen, von da sie Partheyen ausschickten, um das für die Armee erforderliche Vieh und Getreide zusammen zu bringen.

 

Da Fürst Swätoslaw Olgowitsch eine völlige Verheerung seines Landes befürchtete, ließ er nochmals den Fürsten Jurii von Rostow um Hülfe bitten, welcher sich jezt nach seinem gegebenen Wort sogleich auf den Weg machte. Der Großfürst hatte indessen nicht sobald von diesem Zuge Nachricht erhalten, als er den Fürsten Rostislaw Jaroslawitsch von Räsan zu einem Einfalle in das dem Fürsten, Jurii von Rostow und Susdal gehörige Gebiet auffordern ließ, wozu sich Fürst Rostislaw Jaroslawitsch von Räsan gern verstand. Fürst Jurii Wladimirowitsch war schon nahe zu den Wätitschen gekommen, als er auf die Nachricht von dem Einfalle des Fürsten Rostislaw von Räsan zurück zu kehren gezwungen war, vorher aber seinen Sohn Iwanko Jurjewitsch mit einigen Hülfstruppen zum Fürsten Swätoslaw Olgowitsch abfertigte. Fürst Iwanko Jurjewitsch kam glücklich in Nowgorod-Sewerskoi

 

 

 

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beym Fürsten Swätoslaw Olgowitsch an, welcher ihm dafür den Besiz von Kursk und dem dazu gehörigen Distrikt ertheilte. Fürst Swätoslaw berathschlagte sich mit dem Fürsten Iwanko und seinen Räthen, und sandte diesem zu folge, seinen Beichtvater an die Davidowitschen, um mit ihnen vom Frieden zu reden, welche hierauf folgendes zur Antwort ertheilten: „Wenn Fürst Swätoslaw Olgowitsch Frieden und Ruhe wünsche, so möchte er solches von dem Großfürsten Isäslaw Mstislawitsch zu erlangen suchen, sie aber wären bereit ihm dabey behülflich zu seyn.“ Nach diesem hoben die Davidowitschen und Fürst Mstislaw Isäslawitsch die Belagerung von Nowgorod-Sewerskoi auf, und wandten sich gegen Putiml, welches sie am ersten Weyhnachtstage umringten und zur Uebergabe auffordern ließen; die Putimler aber gaben eine abschlägige Antwort und vertheidigten sich tapfer. Die Davidowitschen kamen hierauf vor die Stadt suchten die Einwohner zur Uebergabe zu überreden und versprachen daß ihnen kein Schade noch Leid geschehen sollte, die Stadtältesten aber gaben entschlossen zur Antwort: „sie hätten ihrem Fürsten bey Küssung des Kreuzes geschworen und würden so lange sie lebten nicht eidbrüchig werden.“ Als aber bald darauf der Großfürst Isäslaw Mstislawitsch selbst vor der Stadt ankam und den Einwohnern sagen ließ, daß sie ihm ohne alle Besorgnis die Thore öfnen möchten, schickten sie sogleich ihre ansehnlichsten Leute mit der Antwort zu ihm:

 

 

 

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„daß sie im Vertrauen auf sein bloßes Wort ihm die Thore öfnen wollten.“ Der Großfürst Isäslaw Mstislawitsch hielt hierauf seinen Einzug, entließ die Poßadniken des Fürsten Swätoslaw Olgowitsch mit aller ihrer Habe aus der Stadt, und verordnete an deren Stelle die Seinigen. Als Fürst Swätoslaw hörete, daß der Großfürst Isäslaw Mstislawitsch Putiml eingenommen habe, und mit der ganzen Armee gegen Nowgorod-Sewerskoi vorrücke, rief er die Fürsten Iwanko Jurjewitsch und Wladimir Swätoslawitsch, den Feldherrn Iwan Rostislawitsch Berlädin, und seine Räthe zu sich, machte dieses alles ihnen sowohl als seinen Oheimen *) den polowzischen Fürsten Tugurkan und Komos Oßolukows Söhnen, bekannt, und ersuchte sie um ihren Rath; worauf nach langer Ueberlegung der Sache, beschlossen wurde: Fürst Swätoslaw Olgowitsch sollte sich sogleich aus der Stadt nach den waldigten Gegenden begeben, wo er mit dem Fürsten, Jurii Wladimirowitsch von Rostow der den Wätitschen nahe sey, leicht Gemeinschaft unterhalten könne, die Polowzer sollten durch die Steppe zurück kehren, in der Stadt aber solle man einige Truppen zurück lassen. Fürst Swätoslaw Olgowitsch nahm hierauf sogleich des Fürsten Igors und seine eigene Gemahlin seine Kinder und einen Theil seiner Truppen

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*) Hieraus ist zu ersehen, daß Swätoslaws Vater Olg mit einer polowzischen Fürstin der Tochter des Fürsten Osolukow vermählt gewesen sey.

 

 

 

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zu sich und machte sich eiligst gegen Karatschew auf den Weg, wohin ihm seine übrigen Truppen folgten, außer einigen wenigen die in Nowgorod-Sewerskoi blieben. Sobald Fürst Swätoslaw Olgowitsch Nowgorod-Sewerskoi verlassen hatte, liessen die Einwohner dieser Stadt dem Großfürsten Isäslaw Mstislawitsch bekannt machen: „Fürst Swätoslaw habe die Stadt verlassen, und sey mit allen dem Seinen davon gereiset, wenn er also zu ihnen kommen wolle so werde man sich ihm auf keine Art widersezen, nur bäten sie, daß sie und ihr Gebiet nicht zu Grunde gerichtet würden.“ Der Großfürst ertheilte ihnen nach einem mit den Fürsten und seinen Großen gehaltenen Berathschlagung, zur Antwort: „daß sie kein Leid zu fürchten hätten;“ worauf er seinen Poßadniken zu ihnen schickte und selbigen nebst den übrigen Fürsten folgte.

 

Fürst Isäslaw Davidowitsch bat den Großfürsten Isäslaw Mstislawitsch und seinen Bruder Wladimir, daß man ihn mit einem Theil der Armee zur Verfolgung des Fürsten Swätoslaw gegen Kursk abfertigen möchte. Der Großfürst der des Fürsten Swätoslaw Olgowitsch List und Geschicklichkeit kannte, widerrieth zwar dieses Unternehmen sehr, da er aber sahe daß Fürst Wladimir Davidowitsch in Absicht der Verfolgung des Fürsten Swätoslaw mit seinem Bruder einig war, und einen Theil seiner Truppen dazu hergab, fertigte er selbigen nebst seinem Feldherrn Swarn dahin ab. Fürst Isäslaw Davidowitsch brach eilig gegen Kursk auf,

 

 

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zog Sewsk und Boldin vorbey, und war auf diesem Zuge, auf welchem er nirgends Aufenthalt noch Wiederstand vermuthete, sehr wenig auf seiner Hut; Fürst Swätoslaw Olgowitsch aber, der auf die Nachricht daß Isäslaw Davidowitsch mit einer geringen Mannschaft im Anzuge sey, Kriegsrath gehalten, und selbigen auf dem Wege anzugreifen beschlossen hatte, kam ihm mit seiner Armee entgegen und lieferte ihm am 16ten Januar 1147 im freyen Felde ein Treffen, in welchem Fürst Isäslaw Davidowitsch dergestalt geschlagen ward, daß er sich kaum selbst mit der Flucht retten konnte.

 

Der Großfürst Isäslaw Mstislawitsch welcher dem Fürsten Isäslaw Davidowitsch nachfolgte, und bey seinem Eintritte in den Wald Boldin durch einige Flüchtige benachrichtiget ward, daß Fürst Isäslaw vom Fürsten Swätoslaw Olgowitsch geschlagen sey, bedauerte zwar diesen Vorfall, ließ sich aber als ein tapferer Krieger dieses Unglück nicht anfechten, sondern zog ohne Anstand mit entschlossenem Muthe vorwärts, wo ihm bey jedem Schritte einige aus der Schlacht entkommene Flüchtlinge, um Mittagszeit aber auch Fürst Isäslaw Davidowitsch selbst entgegen kam; er sezte seinen Zug bis zum Abende fort, und machte nicht weit von der Stadt Halt, um selbige am frühen Morgen einzuschließen.

 

Als Fürst Swätoslaw Olgowitsch erfuhr, daß der Großfürst selbst angekommen sey, machte er sich in derselben Nacht davon, und flohe jenseit des

 

 

 

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Waldes ins Gebiet der Wätischen nach Koselsk und von da nach Dedoslawl. Der Großfürst kam hierauf des Morgens bey Karatschew an, dessen Einwohner ihm vor der Stadt entgegen kamen, ihn von der Flucht des Fürsten Swätoslaw benachrichtigten und um gnädige Schonung ihrer Stadt baten, nach deren Versicherung der Großfürst seinen Einzug hielt und mit großen Ehrenbezeigungen empfangen ward. Nach diesem berief der Großfürst die Davidowitschen zu sich und sprach zu ihnen: ,,Er habe alles worüber sie sich verabredet hätten erfüllt, die Besizungen der Olgowitschen eingenommen und ihnen übergeben und die Beute getheilet, worauf er nunmehr nach Kiew zurück kehre.“ Er nahm von ihnen freundschaftlich Abschied, kam mit vielen Ruhm nach Kiew zurück und wurde von dem ganzen Volke mit Freuden empfangen.

 

Die Geschichtschreiber bemerken: daß die Olgowitschen damals überall die Liebe des Volks verlohren gehabt hätten, wozu folgendes Veranlassung gegeben habe: Erstens, weil ihr Großvater Fürst Swätoslaw Jaroslawitsch seinen ältesten Bruder den Großfürsten Isäslaw Jaroslawitsch aus Kiew vertrieben hatte; Zweitens, weil dessen Sohn Olg Swätoslawitsch ein Herr von sehr unruhigem Geiste gewesen war, verschiedentlich Polowzer nach Rußland gebracht und dadurch dem Reiche große Verheerungen zugezogen hatte, und endlich, Drittens: weil dieser Fürst sowohl sich selbst als seinen Sohne mit einer polowzischen Fürstin verheirathet

 

 

 

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hatte, welches Volk damals als der Hauptfeind der rußischen Nation angesehen wurde.

 

Im Jahre 1147 verfiel Fürst Igor Olgowitsch in seinem Gefängnisse in eine schwere Krankheit, und ließ den Großfürsten Isäslaw Mstislawitsch um Erlaubnis bitten sich in den Mönchsstand aufnehmen zu lassen, als wozu er auch schon vorher geneigt gewesen wäre. Der Großfürst ließ ihm hierauf zur Antwort ertheilen: „das er ihn hiebey weder hindern noch zwingen wolle, sondern es seinem eigenen freyen Willen überlasse, wegen seiner schweren Krankheit aber ihn aus seinem engen Gefängnise befreye.“ Er schickte hierauf einen seiner Bojaren um den Fürsten Igor aus dem Gefängniße zu befreyen, welcher sehr krank oder halb todt herausgetragen wurde, und in diesem Zustande bis zum achten Tage in einer Zelle des Klosters des heiligen Johann in Perejaslawl lebte, hierauf aber den Bischof Euphimii zu sich rufen ließ, die Tonsur annahm und daselbst unter Bewachung der Mönche verblieb. Als er völlig gesund geworden war, ließ ihn der Großfürst zu mehrerer Sicherheit ins Kloster des heiligen Georgs nach Kiew bringen, wo ihm eine Ehrenwache und hinlänglicher Unterhalt angewiesen wurde.

 

Die Davidowitschen begaben sich nach der Abreise des Großfürsten aus Karatschew nach Bränsk, Fürst Swätoslaw Wsewolodowitsch aber blieb in Karatschew, von da er jemand an seinen Vaterbruder den Fürsten Swätoslaw Olgowitsch nach

 

 

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Koselsk mit der Nachricht abfertigte, daß der Großfürst Isäslaw Mstislawitsch nach Kiew zurück gegangen sey, die Davidowitschen aber sich mit dem Fürsten Rostislaw Mstislawitsch von Smolensk zu einem Feldzuge gegen ihn verbunden hätten.

 

Um diese Zeit standen die Davidowitschen in Dubränez (Bränsk) Fürst Swätoslaw Olgowitsch aber wandte sich gegen Dedoslawl, und vereinigte sich mit den ihm vom Fürsten Jurii Wladimirowitsch von Rostow unter Anführung seines Sohnes Iwanko Jurjewitsch zu Hülfe gesandten 300 Berko -stenern. Hieraus verfügte er sich nach Pultesk, einem Städtchen an der südlichen Seite der Oka, nachdem er den Feldherrn Iwan Rostislawitsch Berlädin der seiner Wohlthaten vergessen und ihm untreu geworden war, vergebens einzuholen gesucht hatte. Hier verfiel Fürst Iwanko Jurjewitsch in eine Krankheit, wodurch Fürst Swätoslaw Olgowitsch an diesem Orte zurückgehalten ward, und sich weder selbst nach Dedoslawl verfügte noch Truppen dahin absandte. Die Davidowitschen nahmen also Dedoslawl ein und gedachten den Fürsten Swätoslaw Olgowitsch anzugreifen, da sie aber erfuhren daß er vom Fürsten Jurii von Rostow Hülfe erhalten habe, wagten sie es nicht weiter vorzurücken sondern blieben im Gebiet der Wätitschen, wo sie die Aeltesten des Volks zusammen beriefen und sie zu einem gemeinschaftlichen Unternehmen gegen den Fürsten Swätoslaw Olgowitsch zu überreden suchten, weil dieser, wie sie ihnen zu verstehen gaben, die Wätitschen nicht liebe,

 

 

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sondern vielmehr sie zu unterdrücken bemüht sey. Die Aeltesten der Wätitschen antworteten hierauf: „Ihr seyd alle rußische Fürsten und uns alle gleich gut, wer uns beherrscht dem sind wir treu und gehorsam ohne auf seine Gnade oder Ungnade zu sehen; es schickt sich für uns nicht unsre Hand gegen unsern Herrn aufzuheben, auch ist dieses nie unter uns noch unter unsern Vorfahren erhört gewesen.“

 

Die Davidowitschen lobten dieses Verhalten der Wätitschen sehr, ließen ihnen ihre Poßadniken, und traten ihren Rückzug an. In diesem Jahre schickte Fürst Jurii Wladimirowitsch von Rostow seine Söhne die Fürsten Rostislaw und Andrei mit einer Armee gegen den Fürsten Rostislaw Jaroslawitsch von Räsan, welcher zum Wiederstande zu schwach, ins polowzische Gebiet zum Fürsten Utilka flohe und selbiger mit seinen Truppen zu Hülfe rief. Die Fürsten Rostislaw und Andrei machten in den Besizungen des Fürsten von Räsan viele Gefangene und Beute, und begaben sich in ihr Land zurück.

 

Als Fürst Swätoslaw Olgowitsch sahe, daß er von den Davidowitschen nichts weiter zu besorgen habe, entließ er seine Oheime die polowzischen Fürsten und beschenkte sie reichlich.

 

Am 24sten Februar 1148 an einem Montage starb Fürst Iwanko Jurjewitsch, am folgenden Morgen aber kamen dessen Brüder Boris und Gleb beym Don an, welche sich auf erhaltene Nachricht

 

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von diesem Vorfalle zum Fürsten Swätoslaw Olgowitsch begaben, den Leichnam ihres Bruders mit großer Betrübnis zur Erde bestatteten und hierauf zu ihrem Vater nach Susdal zurück kehrten. Fürst Swätoslaw Olgowitsch betrübte sich gleichfalls sehr über diesen Verlust, weil er den Fürsten Iwanko Jurjewitsch, seiner Tugenden wegen, sehr geliebt und geehret hatte. Bald nach diesem Vorfalle begab sich Fürst Swätoslaw Olgowitsch gegen die Quellen der Oka nach der an der Mündung der Porotwa liegenden Stadt Ljubeisk, wo ihm Jurii von Rostow durch einen seiner Bedienten ein freundschaftliches Schreiben zusandte, in welchem er ihm seiner Gemahlin und seinen Großen ansehnliche Geschenke versprach. Fürst Jurii von Rostow der beständig dahin trachtete, wie er seine Macht vermehren und die Macht seiner Neffen der Mstislawitschen vermindern könnte, hatte den Nowgorodern verschiedentlich angelegen, daß sie die Mstislawitschen vertreiben und wiederum seinen Sohn zu ihrem Fürsten annehmen möchten, wogegen die Nowgoroder sich mit dem seinem Vater dem Großfürsten Wladimir und dessen Sohne dem Großfürsten Mstislaw geleisteten Eide entschuldigten. Fürst Jurii wollte diese Entschuldigung nicht gelten lassen, sondern fiel mit seinen Truppen ins nowgorodsche Gebiet, bemächtigte sich der Stadt Torshok und eroberte alle um die Msta gelegene Gegenden. Er ließ zu gleicher Zeit dem Fürsten Swätoslaw Olgowitsch zu einem Einfall ins smolenskische Gebiet

 

 

 

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aufmuntern, welcher diesen Vorschlag gern genehmigte, die Porotwa herauf zog, sich der Stadt Goläd bemächtigte und dieses alles dem Fürsten Jurii von Rostow bekannt machen ließ, in der Hofnung, daß selbiger indeß die Nowgoroder zum Gehorsam und zur Beförderung seiner Absichten zwingen würde. Die Geschichte meldet, daß dieses Vornehmen durch folgenden Umstand gehindert worden sey.

 

Fürst Jurii Wladimirowitsch von Rostow war sehr dem Vergnügen ergeben, brachte oft ganze Nächte mit Musik und Trinken zu, und besuchte nicht selten die Weiber seiner Unterthanen, worüber viele seiner Großen ihr Mißvergnügen bezeigten, während daß die jungen Schmeichler die mehr ihrer eigenen Neigung als den Lehren der Alten folgten ihm hiebey auf verschiedene Art behülflich waren. Unter andern hatte die Frau des susdalschen Tüsäzkoi Kutschko viele Gewalt über ihn, so daß er sich in vielen Sachen nach ihrem Willen richtete. Als aber Fürst Jurii seinen Feldzug nach Torshok unternahm, gieng Kutschko nicht mit ihm, sondern reisete mit seiner Frau auf sein Landgut, hielt sie da selbst eingeschlossen, und gedachte zum Großfürsten Isäslaw nach Kiew zu flüchten.

 

Sobald Fürst Jurii von diesen beiden Umständen Nachricht erhielt, verließ er die Armee ohne die geringste Anordnung zu treffen, und eilte mit wenigen Leuten nach Kutscho‘s Wohnsitze am Flusse Moskwa, wo er diesen als einem sich zum Verrathe

 

 

 

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anschickenden Aufrührer, bestrafte, dessen Frau befreyte, dessen Tochter mit seinem Sohne Fürsten Andrei Jurjewitsch vermählte, und aus einem besondern Gefallen an dieser Gegend, die Stadt Moskwa erneuerte, vergrößerte, und mit diesem Bau beschäftiget sich daselbst bis zur Vollendung der Vermählung seines Sohnes aufhielt. Er lud zu diesem Freudenfeste den Fürsten Swätoslaw Olgowitsch nebst seinem Sohne Olg ein, die sich in Gesellschaft des Fürsten Wladimir Swätoslawitsch bey ihm einfanden. Fürst Jurii von Rostow schenkte bey dieser Gelegenheit dem Fürsten Olg Swätoslawitsch einen Tieger, und empfing alle übrigen Gäste mit Liebe und Achtung, worauf die Vermählung in ihrer Gegenwart mit vielen Feierlichkeiten und einem fünf Tage lang währenden Feste begangen ward. Nach diesem ließ er den Fürsten Swätoslaw Olgowitsch nebst seinen Kindern und Bedienten reichlich beschenkt und mit vielen Freundschaftsbezeigungen von sich, und reisete nach Endigung aller Lustbarkeiten mit seinen Kindern nach Susdal zurück, Fürst Swätoslaw Olgowitsch aber begab sich nach Ljubeisk, von da nach Süreisk und von da an die Oka wo er jenseit des Flusses stehen blieb.

 

In diesem Jahre starb in Kiew der Mitropolit Michail. Der Großfürst Isäslaw Mstislawitsch berief nach dessen Tode die Bischöfe nach Kiew zusammen, worauf sich Onufrii von Tschernigow

 

 

 

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Feodor von Wladimir *) in Wolhynien, Nifont von Nowgorod, Manuil von Smolensk und Feodor von Perejaslawl daselbst einfanden, welchen der Großfürst in einer mit ihnen gehaltenen Versammlung folgendes bekannt machte. „Da jezt der Mitropolit gestorben sey, der sonst von den Großfürsten erwählt und zu seiner Weihe nach Konstantinopel gesandt worden wäre, so wolle er zwar auch einen wählen, gedenke aber solchen nicht zum Patriarchen nach Konstantinopel zu schicken, weil dieses viele Unbequemlichkeiten und unnütze Kosten verursache, besonders aber auch, weil die griechischen Kaiser unter dem Vorwande dieser Gewalt des Patriarchen, in Rußland zu herrschen und zu befehlen suchten, welches der großfürstlichen und des ganzen Reichs Ehre und Wohlfahrt zuwider sey. Dieserwegen möchten sie also einen würdigen Mann wählen und weihen, weil nach den Vorschriften der heiligen Apostel und den allgemeinen Kirchenversammlungen festgesezt worden sey, daß zwey oder drey Bischöfe zusammen, einen andern einsezen können.“ Der Großfürst ernannte nach langen Berathschlagungen einen geweihten Mönch aus Smolensk Namens Kliment, einen in der Weltweisheit und Gottesgelahrtheit sehr erfahrnen gelehrten Lehrer der rechtgläubigen Kirche

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*) Es wird hier Wladimir in Wolhynien verstanden, weil Wladimir an der Kläsma damals noch nicht gebaut war.

 

 

 

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Kirche desgleichen vorher in Rußland nie gewesen war, der viele Bücher zum Unterricht des Volks geschrieben und herausgegeben hatte. Es waren zwar einige verschiedener Meinung, der Bischof von Tschernigow aber stellete vor, daß man schon unter Jaroslaw I. und Swätopolk II. ähnliche Beyspiele gehabt habe, worauf man gedachten Kliment am 27sten Julius zum Mitropoliten einsezte.

 

Fürst Swätoslaw Olgowitsch stand damals bei Nerei, wo Gesandte von seinen Oheimen bey ihm ankamen, die ihn von der Bereitwilligkeit der polowzischen Fürsten ihm Hülfstruppen zu schicken, versicherten. Da nun Swätoslaw wußte daß die Davidowitschen ihre Truppen auseinander gelassen hatten, bat er daß die polowzischen Fürsten ihre Leute schicken möchten, vereinigte sich mit selbigen bey Dedoslawl, gab den taisobischen Polowzern die Feldherren Kurschebitsch und Gorei zu Anführern und schickte sie ins smolenskische Gebiet, wo sie die Ugra heraufzogen und in den dasigen Dörfern vielen Schaden anrichteten. Fürst Swätoslaw Ogowitsch selbst begab sich aus Dedoslawl nach Dewätorezk, zog daselbst die ihm vom Fürsten Gleb Jurjewitsch zugeführten Truppen des Fürsten Jurii von Rostow an sich, eroberte das ganze Gebiet der Wätitschen Bränsk und Woroblin, und sezte seinen Zug an der Desna bis Tomoschtsch fort, wo noch mehrere Polowzer mit seinem Sohne zu ihm stießen.

 

Fürst Isäslaw Davidowitsch der sich damals in Nowgorodok-Sewerskoi aufhielt, begab sich jezt

 

 

 

 

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nach Tschernigow, wohin auch die von den Davidowitschen in Bränsk, Belew, und Mzensk verordneten Befehlshaber flüchteten.

 

Fürst Swätoslaw Olgowitsch zog gegen Mzensk und nach einem kurzen Aufenthalt daselbst nach Kromü gegen den Fürsten Mstislaw Isäslawitsch, welcher sich auf diese Nachricht zu seinem Vater dem Großfürsten Isäslaw begab, der ihm damals Perejaslawl zu seiner Besitzung verlieh.

 

Einige Schriftsteller erzählen, die Davidowitschen hätten, als sie die unglückliche Wendung ihrer Sachen gesehen, ohne Vorwissen und Zustimmung des Großfürsten sich heimlich mit dem Fürsten Swätoslaw Olgowitsch dahin vereinigt, daß er ihnen Igors Erbe, welches sie durch Hülfe des Großfürsten Isäslaw erlangt hatten, abtreten sollte, mit welchem Auftrage sie an den Fürsten Swätoslaw Olgowitsch, der damals auf seinem Zuge nach Kromü begriffen gewesen, Gesandte abgeschickt hätten, worauf der Friede von beiden Theilen beliebt unterzeichnet und durch Küssung des Kreuzes bekräftiget worden sey.

 

Um eben diese Zeit schickte Fürst Wladimir Davidowitsch seinen Bruder Isäslaw zum Großfürsten Isäslaw Mstislawitsch nach Kiew, um selbigem anzuzeigen daß Fürst Swätoslaw Olgowitsch ihnen viele Städte abgenommen habe, und ihn zugleich zu bitten daß er ihnen eiligst mit einer Armee zu Hülfe kommen möchte.

 

 

 

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Der Großfürst Isäslaw schloß bey Woina mit den Polowzern Frieden, und befahl daß die Armee sich zusammenziehen sollte.

 

Fürst Swätoslaw Wsewolodowitsch hatte ausser dem ganzen Erbe seines Vaters von seinem Oheime dem Großfürsten zehn Städte erhalten, und hielt sich in Kiew auf. Sein Vaterbruder Fürst Swätoslaw Olgowitsch aber schickte Leute zu ihm, die ihn aufwiegelten und sagten, daß es für ihn gar nicht anständig sey beym Großfürsten in Kiew zu leben, wo er von seinem Oheime weit mehr als in seinen eigenen Besitzungen abhängig sey; sie riethen ihm also, sich mit Erlaubnis des Großfürsten in seine Besitzungen zu begeben, und mit seinem Vaterbruder in Frieden und Eintracht zu leben. Fürst Swätoslaw Wsewolodowitsch folgte diesen Rathgebern und bat den Großfürsten um Erlaubnis in seine Besitzungen zu reisen; Isäslaw entließ ihn freundschaftlich und wohl beschenkt und befahl ihm zugleich Truppen zusammen zu bringen und sich zu einem Feldzuge anzuschicken. Als hierauf Fürst Swätoslaw Wsewolodowitsch, und zu gleicher Zeit Fürst Andrei Rostislawitsch aus Jelez, in Tschernigow ankamen, traten sie den Berathschlagungen der Davidowitschen bey, welche wiederum zum Großfürsten schickten und ihn bitten ließen: „er möchte ihnen ohne Verzug mit seiner Armee zu Hülfe kommen, weil ihr Gebiet verheeret würde, und sie allein solches zu schüzen nicht im Stande wären, weshalb sie ihn jezt an sein Versprechen erinnerten.

 

 

 

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Der Großfürst Isäslaw berief die vornehmsten Kiewer zusammen, und machte ihnen sowohl die Bitte der tschernigowischen Fürsten bekannt, als seine Absicht mit ihnen einen Feldzug ins susdalsche Gebiet gegen seinen Vaterbruder Fürsten Jurii Wladimirowitsch von Rostow zu unternehmen, der sich mit ihrem gemeinschaftlichen Feinde dem Fürsten Swätoslaw Olgowitsch vereiniget habe, und selbigen als seinen Bundesgenossen unterstütze. Die Kiewer gaben dem Großfürsten nach Anhörung dieses Vortrages zur Antwort: „daß sie ihm und seinem Bruder Fürsten Rostislaw von Smolensk ihrem dem Großfürsten Wladimir geleisteten Eide zuwieder nicht anrathen könnten, gegen den Fürsten Jurii von Rostow zu kriegen, weil er Wladimirs Sohn sey; sie wollten vielmehr den Fürsten von Wladimirs und Mstislaws Nachkommenschaft rathen, sich für den tschernigowschen Fürsten zu hüten, welche nichts anders zur Absicht hätten, als die Wladimirowitschen mit den Mstislawitschen in einen schweren Krieg zu verwickeln, beider Macht zu vermindern, und sich dann die Schwäche eines oder des andern Theils zu Nutz zu machen. Sie riethen also dem Großfürsten in Ruhe zu bleiben und diese Ruhe mit eifersvollen Bestreben zu guten Anordnungen in seinen Besitzungen zu nutzen; sollte aber Fürst Swätoslaw Olgowitsch oder sonst jemand ihn, den Großfürsten, bekriegen wollen, so versprächen sie, ihn aus allen Leibes- und Seelen-Kräften zu schützen und zu vertheidigen.“

 

 

 

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Der Großfürst achtete indessen nicht auf diesem Rath und sprach: „Er habe den Davidowitschen Hülfe versprochen und könne sein gegebenes Wort nicht brechen, er überlasse es aber eines jeden freyen Willen entweder mit ihm zu gehen oder zu Hause zu bleiben.“ Er gieng mit einigen Truppen über den Dnieper und stand an der Olta um mehrere Verstärkung an sich zu ziehen, verfügte sich hierauf nach Neshatin und von da weiter nach Roßitin, wo er Halt machte und den Tüsäzkoi Uleb nach Tschernigow sandte, um daselbst seine Annäherung bekannt zu machen. Uleb erfuhr durch seine treuen Freunde, was damals in Tschernigow vorging, wo nemlich Fürst Swätoslaw Olgowitsch die Davidowitschen und den Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch nach vielem Zureden bewogen hatte, die Bestätigung des Friedens mit einem Bündnisse zu vereinigen, durch welches sie sich unter andern in einem besondern Punkte eidlich verpflichteten, den Großfürsten Isäslaw Mstislawitsch des kiewschen Thrones zu berauben, wogegen Fürst Swätoslaw Olgowitsch den übrigen das ganze Erbe seines Bruders Igor abzutreten versprach. Der Tüsäzkoi Uleb begab sich ohne Zeitverlust mit dieser Nachricht zum Großfürsten und meldete ihm noch ausserdem, daß besagte Fürsten aus Tschernigow eine Gesandschaft an den Fürsten Jurii Wladimirowitsch von Rostow abgefertiget hätten, um ihn gleichfalls zu diesem Bündnise einzuladen.

 

 

 

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Als der Großfürst von diesen gegen ihn entsponnenen bösen Absicht Nachricht erhielt, zog er sich sogleich mit seinen Truppen zurück, und blieb bey Neshatin stehen, von da er einen Gesandten an die Fürsten Wladimir Davidowitsch, Isäslaw Davidowitsch und Swätoslaw Wsewolodowitsch mit einem Schreiben folgendes Inhalts nach Tschernigow abschickte: „Da er nach reiflicher Ueberlegung besonders aber auf ihre Bitte, mit ihnen ein Bündnis zum Angrif gegen die Fürsten Swätoslaw Olgowitsch und Jurii von Rostow geschlossen habe, so habe er, obgleich ihm seine Bojaren diesen Feldzug wiederrathen hätten, sein gegebenes eidlich bekräftigtes Wort nicht brechen wollen, und sey zu ihnen aufgebrochen, er habe aber nahe bey Tschernigow von ihrer bösen Absicht gegen ihn Nachricht erhalten und verlange jezt von ihnen zu wissen, wodurch er dazu Anlaß gegeben habe.“ Der Gesandte des Großfürsten ließ bey seiner Ankunft in Tschernigow den Fürsten bekannt machen, er sey von dem Großfürsten Isäslaw überhaupt zu allen Fürsten abgesandt, und bitte daß sie auch ihre Großen einladen lassen möchten. Da sie nun alle versammelt, den Gesandten zu sich rufen liessen, erschien er vor ihnen ohne alle Pracht, eröffnete ihnen alles was ihm aufgetra . gen war, und warf ihnen ihre Eidbrüchigkeit vor. Nach Endigung dieser Anrede erkundigte sich Fürst Wladimir Davidowitsch woher er sie

 

 

 

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der Eidbrüchigkeit beschuldige. Der Gesandte erwiederte hierauf: der Großfürst habe ein Gerücht vernommen, daß die Davidowitschen sich mit dem Fürsten Swätoslaw Olgowitsch vereiniget hätten, um ihn vom großfürstlichen Throne zu stoßen, wenn dieses nicht wahr sey, so thue er den Vorschlag, solches durch Küssung des Kreuzes zu wiederlegen. Die Fürsten antworteten auf diesen Vorschlag: sie hätten Isäslawen einmal ihren Eid geleistet, da sie nun selbigen bis jezt nicht gebrochen hätten, so wäre auch keine Wiederholung nöthig. Hierauf sprach der Gesandte mit den Davidowitschen von ihrem mit Swätoslaw Olgowitsch geschlossenen Bündnisse und der dem Fürsten Jurii von Rostow dazu geschehenen Einladung mit so deutlichen Beweisen, nannte die Leute durch welche es, und Zeit und Ort wenn und wo es geschlossen worden sey, so daß alle die in der Versammlung waren erstauneten, einander ansahen, und nichts zu antworten vermochten. Endlich besann sich Fürst Wladimir Davidowitsch und sprach zu dem Gesandten: er möchte sich entfernen, sie würden sich über die Sache besprechen, und ihn wieder zu sich fordern lassen. Nach der Entfernung des Gesandten fingen die Fürsten sogleich ihre Berathschlagungen an, und bemüheten sich erstens zu wissen, durch wen die Sache entdeckt worden sey, wobey aber alle ihre Mühe vergebens war. Der Angeber war selbst im Rathe zugegen,

 

 

 

 

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er hatte diese Sache aus Haß gegen Falschheit und Ungerechtigkeit und um innere Unruhen Blutvergiessen und Verheerung des Landes zu hindern, entdeckt, und weil er keine andre Belohnung verlangte, seinen Namen verborgen. Zweitens wurde darauf gedacht was man dem Gesandten für eine Antwort ertheilen sollte. Nachdem man sich endlich hierüber verglichen hatte, wurde der Gesandte wieder vorgefordert und erhielt vom Fürsten Wladimir Davidowitsch folgende Antwort: „Wenn sie unter sich ein Bündnis geschlossen hätten, so wäre solches sehr unschuldig, und bloß zum Vortheile ihres in der Gefangenschaft seufzenden Bruders und Anverwandten des Fürsten Igor errichtet; da dieser aber jezt schon völlig zum Mönche geweihet sey, so wollten sie den Großfürsten bitten ihn in Freyheit zu setzen, alsdann sie gerne Frieden halten, und dem Großfürsten in allem gehorsam seyn würden,“ mit welchem Bescheide sie den Gesandten entließen.

 

Dieser wandte sich nach Anhörung einer solchen Antwort zu den Davidowitschen und sprach: „Habt ihr nicht selbst dem Großfürsten gerathen, den Fürsten Igor nicht in Freyheit zu sezen, und seinen Bruder Swätoslaw zu bekriegen? wobey ihr euch Igors Besizungen ausbatet; jezt aber da ihr selbige erhalten habt nennt ihr Igorn euern Bruder und beklagt euch darüber daß der Großfürst ihn in Verhaft halte.“ Hiemit verließ der Gesandte

 

 

 

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die Versammlnng, kehrte zum Großfürsten zurück und stattete ihm über alles umständlichen Bericht ab. Der Großfürst sandte hierauf den Fürsten den geschlossenen Tractat zu, befahl selbigen ihnen vor die Füße zu werfen und ihnen Krieg anzukündigen.

 

Der Großfürst ließ zu gleicher Zeit seinen Bruder Rostislaw Mstislawitsch in Smolensk von den bösen Absichten der tschernigowschen Fürsten benachrichtigen, und schickte zu seinem zweiten Bruder Wladimir Mstislawitsch den er als seinen Stathalter in Kiew zurück gelassen hatte, wie auch zu dem Mitropoliten und dem kiewschen Tüsäzkoi Lasar, zwey ansehnliche Männer Dobrinka und Raguil, welche bey ihrer Ankunft nach Kiew ihnen von allem Vorgefallenen Nachricht ertheilten.

 

Fürst Wladimir Mstislawitsch befahl die vom Großfürsten erhaltene Anzeige wegen des bösen Entwurfs der tschernigowschen Fürsten, vor dem ganzen Volke bekannt zu machen, damit die Kiewer sich in Rücksicht der Ungerechtigkeit dieser Fürsten und der ihnen selbst drohenden Gefahr ohne Zeitverlust bewafnen möchten, worauf man das Volk, theils zu Fuß theils zu Pferde und theils in Kähnen gegen Tschernigow zu ziehen beorderte.

 

Die Kiewer bezeigten nach Anhörung alles dessen vom Kleinsten bis zum Größten, Lust und Verlangen, sich selbst und den Großfürsten zu vertheidigen.

 

 

 

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Indessen trat ein Mann aus dem Volk hervor und sprach zum Tüsäzkoi: „Sie würden gerne mit dem Großfürsten zu Felde ziehen, man müsse aber dabey für die innere Sicherheit sorgen. Es werde noch allen in frischem Andenken seyn, was unter dem Großfürsten Isäslaw Jaroslawitsch mit dem Fürsten Wseslaw von Polozk vorgegangen sey, welcher damals in Kiew gefangen saß und von den Feinden der öffentlichen Ruhe befreyet ward, wodurch die Kiewer nicht geringes Unheil erlitten hätten. Jezt befinde sich Fürst Igor, Isäslaws vornehmster Widersacher, im Kloster in völliger Freyheit, und wer wisse was geschehen könne.“ Diese gut gemeinte aber unvorsichtig vor dem ganzen Volke gehaltene Anrede, sezte die Menge in Feuer; die erhitzten Gemüther brachen in gleiche Reden aus, und nannten Igorn den Feind der öffentlichen Ruhe, worauf bald ein Schluß und ein allgemeines Geschrey entstand, daß man ihn umbringen müsse. Fürst Wladimir erschrack hierüber und erklärte den Kiewern standhaft, daß der Großfürst solches verboten und ihm anbefohlen habe Igorn unter genauer Wache zu halten. Die Kiewer beruhigten sich indessen nicht und riefen: „daß man mit Olgs arglistiger und feindseeliger Nachkommenschaft auf keine gute Art zu recht kommen könne.“– Der Mitropolit sowohl als der Tüsäzkoi ließen sichs zwar, gemeinschaftlich mit dem Fürsten Wladimir, eifrigst

 

 

 

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angelegen seyn den Aufstand zu stillen, und redeten den Leuten zu daß sie sich in ihre Wohnungen begeben sollten, das Volk aber schmähete mit großem Geschrey die Olgowitschen und Davidowitschen, verliessen den Plaz und gieng gerades Weges nach dem Kloster zu, in welchem Fürst Igor befindlich war. Fürst Wladimir Mstislawitsch sezte sich sobald er dieses bemerkte zu Pferde, und ritt gleichfalls nach dem Kloster, in Hofnung dem Volke zuvor zu kommen und Igorn zu retten, der Pöbel hatte aber die Brücke eingenommen, so daß es ihm nicht möglich war durchzukommen und das Kloster schon vor seiner Ankunft besezt war. Igor hatte sich, als er dieses gewahr ward, zum Gottesdienst in die Kirche begeben, das Volk aber drang in die Kirche, ergrif ihn und schlepte ihn mit sich bis man dem Fürsten Wladimir begegnete, der sogleich vom Pferde sprang, Igorn einen Mantel umwarf (weil man ihm die Mönchskleidung abgerissen hatte) und die Kiewer eifrig bat, sie möchten Igorn in Ruhe lassen, weil wenn sie ihm etwas zu Leide thäten, sie dadurch dem Großfürsten und ihm (dem Fürsten Wladimir) große Schmach zuziehen würden. Hierauf gieng er mit Igorn zusammen nach dem Hause seiner Mutter, das Volk aber entzog sich allem Gehorsam, achtete auf die Bitten der Fürsten nicht, und fing an Igorn zu schlagen, wobey auch Wladimir selbst, der das Volk abwehren wollte, harte Stöse erhielt.

 

 

 

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Wladimirs Tüsäzkoi Michail, welcher seinem Fürsten mit allem Eifer zu Igors Rettung behülflich war, sprang vom Pferde, stieß das Volk zurück und gab dadurch Wladimirn Gelegenheit Igorn in das Haus seiner Mutter zu bringen, wo man hinter ihnen die Pforte zumachte und Igorn auf den Altan führte. Indessen schlug das Volk, welches Igorn aus den Gesichte verlohren hatte, den Tüsäzkoi und riß ihm das Kreuz nebst der Griwna mit der goldenen Kette vom Halse, worauf es wiederum Igorn verfolgte und sowohl die Pforte als die Thüre des Altans einbrach. Wladimir wollte jezt Igorn auf seinem Pferde fortführen, dieser wurde aber ehe er aufs Pferd kommen konnte wieder vom Volke ergriffen; Wladimir wollte ihn zwar vertheidigen, das Volk aber schlug auf beide Fürsten zu. Igor riß sich endlich los und flohe, das Volk aber verließ Wladimirn, lief dem Flüchtigen nach, schlug und erschlug ihn. Hierauf legte man ihn auf einen gemeinen Wagen, führte ihn ins Thal herab und warf ihn nakt hin. Dieses geschahe am 19ten September. Fürst Wladimir sandte den Tüsäzkoi Lasar und einen gewissen Raguil um Igors Leichnam aufzunehmen, das Volk aber sprach: „Igor ist von den Davidowitschen umgebracht worden, die um ihn zu befreyen, den Großfürsten gefangen nehmen und uns zu Grunde richten wollten.“ Man brachte Igors Leichnam in die Kirche des heil. Michaels

 

 

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und von da ins Kloster des heiligen Simeons, wo er feierlich zur Erde bestattet ward. Nach diesem benachrichtigte Fürst Wladimir seinen Bruder den Großfürsten von allem was vorgefallen war. Der Großfürst stand damals mit seiner Armee an der Höhe des Supoi und be rübte sich über diese Nachricht sehr, weinte und äußerte seine Besorgnis daß man dieses ihm zur Last legen würde, seine Großen aber sprachen zu ihm, es wäre ja allen bekannt daß dieses nicht auf seinen Befehl noch Wunsch, sondern durch einen unversehenen Aufstand des Volks geschehen sey. Hierauf schickte der Großfürst zu seinem Bruder Rostislaw nach Smolensk und zu seinem Bruder Wladimir nach Gorodez, und ließ beide auffordern, daß sie eiligst mit ihren Truppen zu ihm stoßen sollten.

 

Als die tschernigowschen Fürsten von Igors Tode Nachricht erhielten, ließen sie solches dem Fürsten Swätoslaw Olgowitsch bekannt machen, welcher hierüber sehr betrübt, alle seine Großen nach Kursk zusammen berief, und sie, in Gegenwart der aus Susdal zu ihm gekommenen Fürsten Gleb Jurjewitsch und Mstislaw Jurjewitsch, zur allgemeinen Kriegsrüstung aufforderte. Diese Großen gaben ihm aber nach reiflicher Ueberlegung folgenden Rath: „Da die Kiewer schon vorlängst Isäslawen in öffentlicher Versammlung angekündiget und sich mit einem Eide

 

 

 

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verbunden hätten, ihn gegen die Olgowitschen und Davidowitschen aus allen ihren Kräften zu unterstützen, gegen Wladimirs Nachkommenschaft aber keinesweges ihre Hände aufheben wollten, da ferner das ganze rußische Reich des Großfürsten Wladimir Wsewolodowitsch Kinder und Enkel in hohen Ehren halte, so rathe man ihm den Krieg gegen dieses fürstliche Haus einzustellen, weil Fürst Igor nicht durch Isäslaw sondern durch das Gerücht von dem Unternehmen der Davidowitschen gegen Isäslaw und die Kiewer umgekommen sey.“ Bald nach diesem kehrte Fürst Mstislaw Jurjewitsch zu seinem Vater nach Susdal zurück, Gleb Jurjewitsch aber erhielt vom Fürsten Swätoslaw Kursk, welches vorher sein Bruder Iwanko beseßen hatte. Die Fürsten Swätoslaw Olgowitsch und Gleb Jurjewitsch ließen hierauf Polowzer zu Hülfe rufen und unternahmen unterdessen selbst einen Zug in das kiremische Gebiet *), um in den dasigen Städten ihre Poßadniken einzusetzen, die Kiremer aber ließen ihnen sagen: „sie hätten den Großfürsten Isäslaw und würden ihm treu verbleiben.“

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*) Das kiremische Gebiet gehörte zu dem kiewschen Fürstenthum, und lag an den Höhen der Flüsse Ostr und Supoi.

 

 

 

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Hier vereinigten sich die gedachten Fürsten mit dem Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch und belagerten ausser verschiedenen andern Städten auch Bechan, dessen Einwohner sich herzhaft vertheidigten, so daß die Fürsten mit Verlust verschiedener Leute abziehen mußten, und sich nach Popasch *) wandten, wo Fürst Isäslaw Davidowitsch zu ihnen kam; worauf sie die Stadt stürmeten und sie, jedoch nicht ohne Mühe, eroberten.

 

Als der Großfürst erfuhr, daß die Fürsten die kiremischen Städte angegriffen hätten, daß Bechan nebst verschiedenen andern Städten sich gut vertheidiget habe, Popasch aber eingenommen sey, zog er viele Truppen aus Smolensk und Wladimir in Wolhynien an sich, und wandte sich gegen Perejaslawl, wo er die Nachricht er hielt, daß sein Bruder Fürst Rostislaw von Smolensk, auf seinem Zuge zu ihm, Ljubetsch und andere den tschernigowschen Fürsten gehörige Städte eingenommen habe. Er sezte hierauf seinen Zug in Erwartung seines Bruders (des Fürsten zu Smolensk) langsam fort, machte bey dem Orte Tschernaja-Mogila Halt, vereinigte sich daselbst mit ihm und hielt einen Kriegsrath, zu welchen er die Feldherren und die Aeltesten

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*) Wo die Städte Bechan, Popasch und Uten gelegen haben, ist bis jezt unbekannt.

 

 

 

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der Schwarz-Müzen einlud, um gemeinschaftlich zu überlegen, wohin man den Zug gegen den damals mit einer Menge Polowzer an der Sula stehenden Fürsten Swätoslaw Olgowitsch richten solle. Einige riethen, daß man sich gegen Tschernigow wenden, andere daß man die eroberten kiremischen Städte wieder einnehmen sollte, Fürst Rostislaw Mstislawitsch von Smolensk aber that den Vorschlag: „Man sollte ohne Zeitverlust gerade gegen den Fürsten Swätoslaw Olgowitsch vorrücken, weil wenn sie ihn mit Gottes Hülfe im Felde überwinden würden, die Städte ihnen ohne Blutvergießen zufallen würden.“ Dieser Vorschlag fand allgemeinen Beyfall und man brach sogleich gegen die Sula auf. Als die beym Fürsten Swätoslaw Olgowitsch befindliche Polowzer erfuhren, daß der Großfürst Isäslaw sich mit seinem Bruder Rostislaw von Smolensk vereiniget habe und gegen sie im Anzuge sey, gieng der größte Theil derselben in seine Wohnplätze zurück; Fürst Wladimir Davidowitsch aber berathschlagte sich nach dieser Flucht der Polowzer mit seinem Bruder Isäslaw Davidowitsch und dem Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch, worauf alle sich in größter Eile, die beiden erstern nach Tschernigow lezterer aber nach Kursk zurück begaben.

 

Der Großfürst fertigte hierauf sogleich einen Theil seiner Truppen in die Gegend der Stadt

 

 

 

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Wsewolosh ab, und folgte ihnen ohne Verzug mit dem ganzen Heere, um den Davidowitschen den Weg abzuschneiden, er traf sie aber daselbst nicht mehr weil sie eiligst und ohne sich aufzuhalten vorbey gezogen waren. Er verfolgte sie hierauf nicht weiter, bemächtigte sich aber im ersten Angriffe der Stadt Wsewolosh, auf welche Nachricht die in verschiedenen andern Städten, als Uten, Belawesha *) und Bechan, befindliche Poßadniken des Fürsten Swätoslaw Olgowitsch diese Oerter verließen und nach Tschernigow flüchteten, so daß nur einige in Kudnow **) nachblieben, welche der Großfürst durch eine abgefertigte Parthey vertreiben und die Stadt einnehmen ließ. Da hierauf die Olgower ihre Stadt herzhaft und tapfer vertheidigten und der Großfürst nicht für gut fand, bey der Einnahme solcher kleinen Städte viele Leute aufzuopfern, kehrte er nach Kiew zurück und ließ seine Truppen mit dem Befehl auseinander, daß sie sich gegen den Winter bereit halten sollten, weil er sobald die Flüsse zugefrohren wären, einen Feldzug gegen

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*) Einige Schriftsteller melden, daß Belawesha an der Höhe des Flusses Ostr, Beloweß aber oben am Supoi gelegen habe.
**) Kudnow ist noch jezt im tschernigowschen Polk, Olgow aber am Dnieper bekannt.



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Tschernigow unternehmen wollte. Er feierte gleich bey seiner Ankunft in Kiew mit seinen Brüdern ein Dankfest, und hielt nach vorgängigen Gastmalen und Lustbarkeiten Kriegsrath, in welchem festgesezt wurde, daß Fürst Rostislaw Mstislawitsch von Smolensk, die oberländischen (smolenskischen) nowgorodschen und andre den Mstislawitschen untergebene Kriegsvölker zusammen ziehen und ins Gebiet des Fürsten Jurii Wladimirowitsch von Rostow und Susdal herab vorrücken sollte, um selbigen dadurch zu hindern den tschernigowschen und sewerischen Fürsten Hülfe zu leisten, der Großfürst aber sollte, sobald die Flüsse mit Eise bedeckt seyn würden, seinen Feldzug gegen Tschernigow antreten. Nach dieser getroffenen Verabredung kehrte Fürst Rostislaw Mstislawitsch, mit großem Ruhm und Dank der Kiewer, nach Smolensk zurück.

 

Da die Davidowitschen und Fürst Swätoslaw Olgowitsch Nachricht erhielten, daß der Großfürst Isäslaw nach Kiew zurück gekehrt sey, und seine Armee auseinander gelassen habe, fertigten sie den Fürsten Gleb Jurjewitsch mit einigen Truppen und Polowzern gegen Bragin-Gorodez (jezt Ostr) ab, welches er ohne Widerstand einnahm. Der Großfürst sandte hierauf einen seiner Hof-Bojaren ab, und befahl dem Fürsten Gleb Jurjewitsch freundschaftlich bekannt zu machen: „Er sey zwar mit den tschernigowschen

 

 

 

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Fürsten im Kriege begriffen, dieser Krieg aber betreffe weder die Kinder noch Enkel Wladimirs; so daß er weder gegen seinen Vater noch ihn, den Fürsten Gleb, feindlich gesinnet sey; er habe aber jezt vernommen, daß er auf feindliches Anregen eine ihm gehörige Stadt eingenommen habe. Wenn er in dieser Gegend eine Besitzung zu haben wünsche, so möchte er lieber zu ihm kommen und ihn darum bitten, da er denn sehen werde, daß ihm ein hinlänglicher Unterhalt angewiesen werden solle.“ Fürst Gleb Jurjewitsch war über diesen Vorschlag vergnügt, sein Feldherr und Hofmeister Woloslaw aber, wiederrieth ihm selbigen anzunehmen, und schlug ihm dagegen vor einen Feldzug gegen Isäslaws Sohn Mstislaw nach Perejaslawl zu thun, weil er selbigen leicht vertreiben und sich gedachter Stadt bemächtigen könnte. Andere beym Fürsten Gleb befindliche Personen stritten hiewider und sagten: es könnte zwar dem Fürsten Gleb leicht gelingen Perejaslawl einzunehmen, es möchte ihm aber schwer werden solches für sich allein gegen den Großfürsten Isäslaw zu behaupten, weil auf die Hülfe der tschernigowschen Fürsten keine zuverläßige Rechnung zu machen sey; wenn nun ein solches Unternehmen fehlschlagen sollte, so werde er nicht nur nichts erhalten, sondern noch dazu mit Schimpf und Schande bestehen. Indessen behielt Woloslaws Rath das Uebergewicht, Fürst Gleb

 

 

 

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zog seine Truppen und Polowzer zusammen, brach gegen Perejaslawl auf, nahete sich bey Anbruch des Tages der Stadt und wollte sich derselben durch einen unversehenen Angrif bemächtigen; die Perejaslawer aber waren zum voraus von dem Vernehmen des Fürsten Gleb benachrichtiget worden und hatten sich gegen einen etwannigen Ueberfall gefaßt gemacht, so daß Glebs Polowzer blos im ersten Anlauf einige vor der Stadt befindliche Gebäude anzünden konnten. Nun traf sichs eben, daß der tapfere den Polowzern sehr wohl bekannte berühmte Ritter Demian Kudenewitsch in Perejaslawl war, welcher sich, kurz vor dem Aufbruch des Fürsten Mstislaw aus der Stadt, zu Pferde sezte, von seinem Diener Taras, einem gleichfalls sehr starken und unerschrocknen Mann, und einigen seiner Bedienten begleitet vor die Stadt heraus ritt, und die Polowzer mit solcher Herzhaftigkeit angrif, daß sie sich sogleich unter großem Geschrey: hier ist Demian, auf die Flucht machten. Bald darauf kam auch Fürst Mstislaw mit seinen Truppen aus der Stadt, von welcher Fürst Gleb, als er die Polowzer fliehen sahe, sich zurückgezogen hatte. Mstislaw folgte ihm auf dem Fuße nach, erreichte ihn bey Noßowo neben den Morästen, schlug seine Truppen, machte viele Gefangene, trieb die übrigen über die Moräste und kehrte nach Perejaslawl zurück; Fürst Gleb aber flüchtete nach Gorodez. In diesem Treffen

 

 

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ward Demian Kudenewitsch in seinem siegreichen Gefecht gegen die Polowzer und gegen Gleb‘s Hofmeister Woloslaw der auf dem Platze blieb, selbst hart verwundet, so das er bald darauf starb und in Perejaslawl mit großen Ehrenbezeigungen begraben ward.

 

Als der Großfürst von dem Unternehmen des Fürsten Gleb Jurjewitsch gegen Perejaslawl Nachricht erhielt, brach er sogleich seinem Sohne Mstislaw zu Hülfe mit seinen Truppen und Berenditschen, gegen Gorodez auf. Fürst Gleb hatte zwar nach Tschernigow geschickt, und den Davidowitschen wie auch dem Fürsten Swätoslaw Olgowitsch sagen lassen, daß Isäslaw gegen ihn im Anzuge sey, daß er allein ihm keinesweges wiederstehen könne und sie jezt um die versprochene Hülfe ersuche; sie ertheilten ihm aber anstat der versprochenen Hülfe den Rath, daß wenn er sich zum Wiederstande zu schwach fühle, er den Großfürsten um Frieden bitten müßte. Unterdessen kam Isäslaw vor Gorodez an, umringte es von allen Seiten, besezte, um keine Leute zu verliehren und

der Stadt selbst zu schonen, alle Ausgänge, hielt sie drey Tage lang eingeschlossen, und ließ alsdann den Fürsten Gleb auffordern, er solle mit seinen Leuten und aller seiner Habe die Stadt verlassen, denn wenn er sich dessen weigern und die Stadt eingenommen werden sollte, so werde man mit ihm als mit

 

 

 

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einem Gefangenen verfahren. Da Fürst Gleb keine andere Rettung vor sich sahe, kam er aus der Stadt und bat den Großfürsten in seinem Zelte um Verzeihung. Isäslaw bestrafte ihn, als seinen Bruder, durch mündliche Verweise, ertheilte ihm völlige Verzeihung, und ließ sich von ihm versprechen daß er in dreyen Tagen zu seinem Vater reisen werde, worauf er selbst ohne diese Abreise zu erwarten sich nach Kiew verfügte. Indessen hatte der Großfürst kaum seine Rückreise angetreten, als Fürst Gleb Jurjewitsch blos solchen Rathschlägen die den Tschernigowschen Fürsten günstig waren Gehör gab, und den Davidowitschen sagen ließ, daß sein dem Großfürsten gegebenes Wort erzwungen sey und er mit ihnen unverändert verbunden und einig bleiben wolle.

 

In diesem Jahre starb der tapfere polowzische Fürst Samtschuga.

 

Im Jahre 1148 kam zu Ende des Winters die von dem Könige in Ungarn erbetene Hülfe an, welche in dreytausend Mann Ungarn bestand. Der Großfürst vereinigte selbige mit seinen eigenen Truppen, mit einer ansehnlichen von seinem Vaterbruder Fürsten Wetscheslaw Wladimirowitsch von Turow erhaltenen Verstärkung und einigen aus Wladimir in Wolhynien aufgebotenen Truppen, und zog wiederum gegen Tschernigow wider die Davidowitschen und

 

 

 

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den Fürsten Swätoslaw Olgowitsch zu Felde, indem er seinen Bruder Wladimir Mstislawitsch in Kiew und seinen Sohn Mstislaw in Perejaslawl zurück ließ. Als er bey Tschernigow ankam, blieb er auf dem olgischen Felde stehen, und schickte Truppen gegen die Stadt, die Tschernigower aber wagten es nicht vor die Stadt heraus zu kommen. Nachdem er daselbst drey Tage lang gestanden und alle um Tschernigow liegende Dörfer, bis Boloß zu, eingenommen hatte, wandte er sich gegen Ljubetsch, sezte seinen Zug fünf Tage lang fort, und schickte nach allen Seiten streifende Partheyen aus, worauf er bey Ljubetsch Halt machte. Um dieselbige Zeit kamen auch die tschernigowischen und die sewerischen Fürsten Swätoslaw Olgowitsch mit seinem Neffen, nebst dem Fürsten von Räsan und einem Haufen Polowzer in dieser Gegend an, wo sie über den Fluß gingen und sich neben einem Walde verschanzten. Der Großfürst rückte unverzüglich gegen sie an, da aber an diesem Tage Thauwetter einfiel und der Fluß nicht zu paßiren war, so geschahe weiter nichts als das die Schützen über den Fluß Pfeile wechselten, des Nachts aber stellte sich ein starker Regen ein. Da Isäslaw sahe, daß das Eis auf dem Dnieper schwach wurde, hielt er mit seinen und den ungarischen Feldherren Kriegsrath, in welchem der Schluß dahin ausfiel, daß man nicht länger stehen bleiben könne, worauf noch an

 

 

 

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demselben Tage die ganze Armee über den Dnieper ging, am folgenden Morgen aber das Eis auf dem Flusse brach. Isäslaw begab sich hierauf nach Kiew, und schickte von da zu seinem Vaterbruder Fürsten Wetscheslaw von Turow um ihm für seine Hülfe zu danken und ihn von allem umständlich zu benachrichtigen, auch sandte er ein Schreiben an den Fürsten Rostislaw von Smolensk in welchem er ihm von allem Vorgefallenen umständliche Nachricht ertheilte. Die Ungarn wurden vom Großfürsten wohl beschenkt entlassen.

 

Fürst Jurii von Rostow that unaufhörliche verwüstende Einfälle ins nowgorodische Gebiet, plünderte die dasigen Kaufleute und ließ die seinigen nicht dahin reisen. Da nun die Nowgoroder die großen Streitigkeiten und Mißhelligkeiten unter den rußischen Fürsten sahen und von niemanden Hülfe erwarten konnten, schickten sie den Bischof Niphont und mit ihm einige vornehme Bojaren nach Susdal und ließen den Fürsten Jurii von Rostow um Frieden bitten. Fürst Jurii nahm den Bischof mit Achtung auf, und ließ alle Kaufleute mit ihm zurückreisen, des Friedens wegen aber konnte man zu keinem Schluß kommen, indem der Fürst verlangte, daß die Nowgoroder seinem Sohne wiederum so wie vorher die Regierung übertragen, und sich durch einen Eid verbinden sollten, inskünftige niemand ausser ihm und seinen Nachkommen für

 

 

 

 

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ihre Fürsten zu erkennen, die Nowgoroder aber dagegen erwiederten, daß sie seinem Vater Wladimir, und seinem ältesten Bruder Mstislaw nebst dessen Nachkommen den Eid der Treue geleistet hätten, welchen sie um so viel weniger brechen könnten, weil Nowgorod von Alters her dem Großfürsten von Kiew zugehöre.

 

Als der Großfürst erfuhr, daß sein Bruder Fürst Swätopolk Mstislawitsch von Nowgorod ohne sein Vorwissen und Gutbefinden mit dem Fürsten Jurii Wladimirowitsch von Rostow Friedensunterhandlungen angefangen habe, schickte er seinen Sohn Jaroslaw Isäslawitsch nach Nowgorod, verwies den Nowgorodern schriftlich die Verachtung seiner Gewalt über sie, und befahl Swätopolken sich nach Wladimir in Wolhynien zu begeben, welches er ihm zu seiner Besitzung anwieß.

 

Fürst Wladimir Davidowitsch von Tschernigow und seine Verbündeten ließen nach ihrer Rückkunft von Ljubetsch ihre Armee auseinander gehen und begaben sich selbst nach Hause, nachdem sie vorher verabredet hatten, daß man mit dem Fürsten Jurii von Rostow in Unterhandlung treten, und ihn wegen ihrer künftigen Unternehmungen um Rath fragen müsse. Wladimir schickte indessen ohne die Antwort des Fürsten von Rostow abzuwarten zum Fürsten Swätoslaw Olgowitsch und ließ ihm den Vorschlag thun,

 

 

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den Großfürsten Isäslaw Mstislawitsch mit aller ihrer vereinigten Macht anzugreifen. Fürst Swätoslaw Olgowitsch kam sogleich selbst nach Tschernigow berathschlagte sich mit den Davidowitschen, und fand mit ihnen für nothwendig, den Fürsten Jurii durch den Reiz der Eroberung Kiews in ihr Bündnis zu ziehen; worauf sie ihm durch ihre Gesandten bekannt machen ließen, daß, wenn er nicht mit ihnen gemeinschaftlich gegen Isäslaw zu Felde ziehen wolle, sie sich mit dem Großfürsten zu versöhnen suchen müßten, weil sie allein weder den Krieg fortsezen, noch ihre Länder gegen die Mstislawitschen schützen könnten.

 

Die Gesandten der tschernigowschen und sewerischen Fürsten kamen zum Fürsten Jurii Wladimirowitsch von Rostow, zeigten ihren Auftrag an, und erhielten von ihm zur Antwort, daß er sich darüber berathschlagen und ihnen Bescheid geben werde. Fürst Jurii versammelte am folgenden Morgen alle seine Großen und Feldherren machte ihnen den Vorschlag der tschernigowschen und sewerischen Fürsten bekannt, und er suchte sie um ihren Rath. Viele riethen, man müßte so viele Truppen als möglich aufbringen, sich mit den tschernigowschen und sewerischen Fürsten vereinigen und Isäslawen herzhaft angreifen, die Alten aber schwiegen, worauf Fürst Jurii, der dieses merkte, den Feldherrn Gromila, als einen erfahrnen und weisen Rathgeber um seine

 

 

 

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Meinung ersuchte. Dieser stand von seinem Platze auf und hielt folgende Anrede: „Fürst! Eure jungen Herren und Räthe reden, im Vertrauen auf eure Gnade, ohne auf die Alten zu achten; sie glauben alle Weisheit mit der Muttermilch eingesogen zu haben, und behaupten daß ihre Worte unfehlbar sind; wenn nun diese zum Kriege rachen, wie darf ich denn wohl sagen, daß es besser sey zu Hause zu sitzen. Du weißt selbst dasßich bey deinem Vater aufgewachsen und im Kriege grau geworden bin: ich habe, Gott Lob! keinen Flecken davon getragen, kann aber jezt nicht mehr zu Felde ziehen. Wenn du aber würklich von mir zu wissen verlangst, was nützlich und schäd lich sey, so will ich meine wahre Meinung nicht verschweigen. Was, erstens, das Grosfürstenthum und die Regierung in Kiew anlangt, so würde solches deiner Würde gemäß, rühmlich und nützlich seyn, wenn alles noch so stünde, als es unter Jaroslaw, unter deinem Vater Wladimir und unter deinem Bruder Mstislaw stand, die das Reich selbst regierten und sich nicht von andern Leuten beherrschen ließen. Damals ward der Großfürst von den abgetheilten Fürsten gefürchtet und als ein Vater geehret, nach diesem aber haben dein Bruder Jaropolk, besonders aber Wsewolod so viel von ihren Ansehen vergeben, daß alle Fürsten gleich seyn wollen, daß sie einer dem andern und dem

 

 

 

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Großfürsten selbst Ländereyen entreißen, und niemand hören noch ehren, so das du dein Ansehen auf keine Weise vermehren würdest. Jezt erkennen dich die Davidowitschen und Olgowitschen für ihren Aelteren und schmeicheln dir, um durch dich aus Isäslaws Händen befreyt zu werden; wenn du aber in Kiew regieren wirst, so wirst du bald erfahren, daß sie sich gegen dich nicht besser als gegen Isäslaw betragen werden. Wenn du eine große Herrschaft zu finden glaubst, so bemühst du dich umsonst, öde und durch viele Kriege verheerte Länder zu suchen, wo wenig Leute übrig sind und inskünftige noch weniger seyn werden; ohne Leute aber ist ein Land nichts als eine unnütze Wüste. Hast du doch selbst in deinem Gebiete Fluren und Wälder im Ueberfluß, aber Mangel an Einwohnern. Du fingst an Städte zu bauen und Leute anzusetzen, so daß in der kurzen Zeit deiner Regierung andere Fürsten ihre Länder so sehr durch Kriege verwüstet, als sie die deinen, wo Ruhe herrschte, mit ihren Unterthanen bevölkert haben. Auf das Gerücht von der Ruhe, dem Wohlstande, und besonders der Gerechtigkeit in deinem Lande, kommen nicht nur viele Leute aus Tschernigow und Smolensk an, sondern wie viele tausende sind nicht auch von jenseit des Dniepers und von der Wolga her gekommen, und haben sich hier angebaut, so daß sich die Menschen folglich

 

Erster Band 1784.

 

 

 

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auch allerley Einkünfte und Ueberflus jährlich vermehren, und doch sind noch viele Felder und Wälder übrig. Dieserwegen rathe ich dir, für gute Anordnung in deinem eigenen Lande zu sorgen, deren Früchte du bald gewahr werden wirst; du wirst mehrere Städte und Dörfer als andre Fürsten haben, wenn du aber viele Unterthanen haben wirst, so wird dir weiter nichts fehlen, du wirst allen furchtbar und von allen geehret seyn. Wünschest du aber irgend einem deiner Söhne eine Besitzung in Rußland zu verschaffen, so laß Isäslawen freundschaftlich darum ersuchen; er wird es dir wahrscheinlich nicht abschlagen. Wenn „Krieg erforderlich ist, so muß es so seyn, man muß aber wohl darauf achten, daß man nicht mehr von dem seinen verliehre als man erlangen kann; denn Krieg anfangen hängt von unserm Willen, Friede schließen aber von der Einwilligung des Feindes ab. Wenn du auch im Kriege glücklich seyn und Kiew und ganz Rußland erobern solltest, so kannst du doch nicht errathen, wenn und wie du Frieden schließen wirst, besonders da dir wohl bekannt ist, daß niemand sich auf die tschernigowischen Fürsten weiter, als sie ihr eigener Vortheil leitet, verlassen könne; ihr Vortheil aber ist Wladimirs Nachkommen zu schwächen, so daß sie dir niemals einen vortheilhaften Frieden zu schließen erlauben werden. Wenn aber kein Friede zu Stande kommt, so wird dein Land nicht stärker bevölkert, sondern entvölkert werden. Wenn du

 

 

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über dieses zu Hause keine hinlängliche Anzahl Truppen nachlassen solltest, so wäre zu besorgen, daß die Bolgaren und Petschenegen, wenn sie solches erführen, deine Länder verwüsten möchten; solltest du aber gar im Kriege unglücklich seyn, so wirst du zuverläsig fremde Kriegsvölker in dein Land bringen, und mehr zu Grunde richten, als du zu erlangen suchtest; denn bey einem mächtigen und glücklichen Feinde ist nicht gut Friede bitten.“

 

Diese Rede gefiel allen so wohl, das niemand ein Wort dawider sprach, und darauf beschlossen wurde: daß Fürst Jurii von Rostow selbst zu Hause bleiben, zur Erfüllung seines Versprechens aber, den Olgowitschen einen oder zwey, seiner Söhne mit einigen Truppen zu Hülfe schicken sollte; wozu man junge Leute aussuchen müßte, welche daselbst den Krieg lernen könnten. Hierauf rief Fürst Jurii die tschernigowischen und sewerischen Gesandten und entließ sie mit folgender Antwort: „er hätte selbst ihnen zu Hülse zu kommen gewünscht, da er aber erfahren habe, daß die Bolgaren viele Truppen zusammen zögen, so sey er gezwungen zur Beschützung seiner Länder zu Hause zu bleiben; er werde aber ihnen zu Gefallen seine Söhne mit einem Heere abfertigen.“ Die Gesandten kehrten mit dieser Antwort zurück und machten sie ihren Fürsten bekannt.

 

Da die tschernigonischen und sewerischen Fürsten sahen, daß Fürst Jurii von Rostow ihren

 

 

 

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Vorschlägen nicht so wie sie gewünscht hatten Gehör gebe, hielten sie eine Zusammenkunft, berathschlagten sich mit einander und beschlossen mit dem Großfürsten Frieden zu schliessen; weshalb sowohl die Davidowitschen als Swätoslaw Olgowitsch und Swätoslaw Wsewolodowitsch ihre Gesandte mit folgendem Auftrage an Isäslaw abfertigten: „Von Alters her sey Friede vor dem Kriege, und Krieg vor dem Frieden hergegangen: sie hätten den Krieg aus Mitleiden gegen den Fürsten Igor und zur Bewürkung seiner Freyheit geführt; da dieser aber nun nicht mehr am Leben sey, so hätten sie um Rußlands Verheerung zu endigen ihren Wunsch blos auf den Frieden gerichtet; auf welche Bedingungen aber selbiger geschlossen werden solle, hierüber würden sie die Vorschläge des Großfürsten erwarten.“

 

Isäslaw erwiederte hierauf; daß er ihnen, nach vorläufiger Berathschlagung und Uebereinkunft mit seinen Brüdern, Antwort ertheilen werde.

 

Der Großfürst meldete sogleich seinem Bruder Rostislaw in Smolensk, daß die Fürsten zu ihm geschickt hätten und um Frieden bäten, und was er ihnen für eine Antwort ertheilt habe, wobey er den Fürsten von Smolensk um seinen Rath ersuchte und ihm sein eigenes Verlangen nach Frieden und Ruhe nicht verheelete. Fürst Rostislaw Mstislawitsch antwortete hierauf: „Er hänge von dem Willen des Großfürsten seines ältesten Bruders ab, und erfülle seine Befehle gern; übrigens trete er

 

 

 

 

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der Meinung desselben bey, weil bey den gegenwärtigen Umständen Friede dem ganzen Reiche zuträglicher sey, als Krieg.“

 

Nachdem der Großfürst diese Antwort des Fürsten Rostislaw von Smolensk erhalten hatte, berief er seinen Bruder Wladimir Mstislawitsch und alle Großen zu sich, machte ihnen die Sache bekannt und ersuchte sie um ihre Meinung. Viele riethen man solle, um die Macht der tschernigowschen Fürsten zu schwächen, ihnen einige nahe bey Kiew gelegene Städte abnehmen und hieraus einen Punkt des Friedens machen, andere aber sahen dieses für unschicklich und als einen zur Verlängerung des Krieges dienenden Vorschlag an, und riethen den Frieden auf die vorigen Bedingungen zu schließen, welches endlich allen anständiger schien, und von allen beliebt wurde.

 

Diesem zufolge schickte der Großfürst Isäslaw den Bischof von Belgorod Feodor, den Abt des petscherischen Klosters Feodosii und zwey Bojaren als seine Gesandte mit folgendem Auftrage nach Tschernigow: „Die Fürsten hätten vor diesem den gewöhnlichen Eid geleistet, daß sie alle geschehene Kränkungen und Beleidigungen vergessen, und keine Feindschaft hegen wollten, sie hätten aber dieses nicht gehalten, sondern dem Großfürsten und seinen Brüdern vielen Schaden und Unrecht gethan, und noch ein mehreres zu thun im Sinne gehabt; da sie aber jezt durch ihre Gesandten um

 

 

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Frieden bäten, und das geschehene bereueten, so wolle er, wenn sie das vergangene aufrichtig und völlig zu vergessen wünschten, selbiges zum allgemeinen Besten auch von seiner Seite vergessen.“ Nachdem die Fürsten von Tschernigow und Sewerien dieses angehört hatten, trafen sie nach vielen Berathschlagungen unter sich, und vielen Unterhandlungen mit den Gesandten folgende Verabredung. Erstens: „daß man Igors wegen keine Rache suchen wolle.“ Zweitens: „daß der Großfürst Isäslaw Mstislawitsch, sein Bruder Rostislaw von Smolensk, und sein Sohn Mstislaw, wie auch sein Vaterbruder Wetscheslaw Wladimirowitsch nichts böses im Herzen hegen, und es den tschernigowschen und sewerischen Fürsten nicht gedenken sollten.“ Drittens: „daß die Fürsten Wladimir Davidowitsch und Isäslaw Davidowitsch wie auch Swätoslaw Olgowitsch und Swätoslaw Wsewolodowitsch, mit dem Großfürsten, seinem Bruder, seinem Sohne und seinem Vaterbruder gegen alle Feinde Rußlands für einen Mann stehen wollten.“ Viertens: „Wenn der Großfürst Isäslaw die Fürsten an irgend einen für gut befundenen Ort zur Berathschlagung über die Angelegenheiten des Reichs einladen werde, so sollen sie ohne Wiederrede erscheinen.“ Fünftens: „niemand soll ohne Vorwissen und Einwilligung des Großfürsten und aller Fürsten, Polowzer oder andre fremde Völker nach Rußland ruffen.“ Sechstens: „die tschernigowschen und sewerischen

 

 

 

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Fürsten sollen mit keinem rußischen Fürsten Krieg anfangen; wer aber Isäslaws Feind seyn wird, der soll auch der ihrige seyn.“

 

Alles dieses ward von den tschernigowschen und sewerischen Fürsten in der Heilandskirche durch einen in die Hände des Bischofs bey Küssung des Kreuzes abgelegten Eid beschworen, worauf die Gesandten beschenkt und mit vieler Ehre entlassen wurden. Bald darauf schickten auch die Fürsten von ihrer Seite den Bischof von Tschernigow Ewphimii nebst fünf andern vornehmen Personen an den Großfürsten ab, in deren Gegenwart er selbst sowohl als sein Sohn Mstislaw wie auch die Fürsten Wetscheslaw von Turow und Rostislaw von Smolensk gleichfalls ihren Eid ablegten.

 

Um eben diese Zeit hatte Fürst Jurii Wladimirowitsch von Rostow seinem Versprechen zu folge, den Fürsten von Tschernigow und Sewerien seinen Sohn Rostislaw zu Hülfe geschickt, welcher als er auf dem Wege von dem zwischen dem Großfürsten und den Fürsten geschlossenen Frieden Nachricht erhielt, einen seiner Hofleute in seinem Namen zum Großfürsten schickte, und ihn um Erlaubnis nach Kiew zu kommen bitten ließ. Er erhielt selbige, kam zum Großfürsten und eröfnete ihm folgendes Anliegen: „sein Vater habe ihm, bey Austheilung der Ländereyen unter seine Brüder, Unrecht gethan; er wünsche daher dem Großfürsten zu dienen, und werde mit allem was er ihm aus gutem Willen verleihen werde zufrieden seyn.“ Der Großfürst

 

 

 

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nahm ihn mit Achtung und Freundschaft auf, ohne zu erwähnen, daß sein Bruder Gleb Jurjewitsch gegen sein gegebenes Wort in Gorodez geblieben war und nach genommener Verabredung mit einigen Perejaslawern diese Stadt dem Fürsten Mstislaw Isäslawitsch zu entreißen gesucht, nachdem er aber selbst geschlagen worden, sich wiederum in Tschernigow verborgen hatte; auf seine Bitte aber ertheilte er ihm folgende Antwort. „Er erkenne seinen Vater den Fürsten Jurii Wladimirowitsch nach Wetscheslawen für den ältesten im Fürstenstamme, wisse aber nicht, warum selbiger von jeher gegen seine Neffen die Mstislawitschen aufgebracht sey, und mit ihren gemeinschaftlichen Feinden den tschernigowschen und sewerischen Fürsten vereinigt, sie alles des ihrigen zu berauben suche. Er setze indessen seine Hofnung auf Gott der ihn bisher beschützt habe, und werde Wladimirs Nachkommen nie beleidigen lassen, sondern sie vielmehr in jeder gerechten Sache schützen; wenn also Fürst Rostislaw von seinem Vater keine hinlängliche Besitzung erhalten könne, so wolle er ihm Bushesk, Meshiboshje, Kotelniza und noch zwey andere Städten anweisen,“ Fürst Rostislaw Jurjewitsch nahm dieses mit vieler Dankbarkeit an, und ließ es seinem Vater Jurii Wladimirowitsch in Rostow bekannt machen; dieser aber, welcher eben damit umging, sich einen Theil des smolenskischen Gebiets zuzueignen, wollte nicht nur keine Friedensvorschläge annehmen, sondern auch

 

 

 

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dem Großfürsten Nowgorod entreißen, obgleich die Nowgoroder nichts von ihm hören wollten.

 

Da der Großfürst Isäslaw Mstislawitsch sahe, daß er mit dem Fürsten Jurii Wladimirowitsch von Rostow nicht ohne Krieg zu recht kommen werde, ließ er die tschernigowischen Fürsten, die Fürsten Swätoslaw Olgowitsch und Swätoslaw Wsewolodowitsch, wie auch seine Brüder, auf den 14ten September zu einer Zusammenkunft in Gorodez einladen, auf welcher die Fürsten Wladimir und Isäslaw von Tschernigow, Rostislaw Jurjewitsch, Rostislaw Mstislawitsch, Wladimir Mstislawitsch und Mstislaw Isäslawitsch zur bestimmten Zeit erschienen, die sewerischen Fürsten Swätoslaw Olgowitsch und Swätoslaw Wsewolodowitsch aber sich weder selbst einfanden noch Gesandten schickten. Der Großfürst wandte sich auf dieser Versammlung zu den tschernigowschen Fürsten und sprach: „Er habe mit ihnen einen beiden Theilen erwünschten Frieden und Bündnis geschlossen, worin festgesezt worden sey, daß sein Feind auch der ihrige seyn, und daß sie von ihm zur Versammlung eingeladen sich unverzüglich einfinden sollten; nun aber wären die Fürsten Swätoslaw Olgowitsch nebst dessen Bruder- und sein Schwestersohne Swätoslaw Wsewolodowitsch weder selbst noch durch ihre Gesandten erschienen, welches Verfahren der zwischen ihnen bestehenden Liebe und Eintracht zu wider sey. Die Sache aber warum sie zusammen berufen wären, bestehe darin, daß sein Vaterbruder

 

 

 

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Fürst Jurii Wladimirowitsch von Rostow, das nowgorodische Gebiet durch beständige Einfälle beunruhige, daselbst Tribut eintreibe, die Kaufleute auf den Wegen aufhebe, das Land verwüste, und ungeachtet der ihm geschehenen Vorstellung daß er das genommene widergeben und dieses Gebiet nicht weiter beeinträchtigen wolle, sich zu keiner günstigen Antwort verstehen wolle. Er sehe sich also zu einen nothwendigen Kriege gezwungen, da er aber solchen nicht ohne guten Rath anfangen wolle, so habe er sie zusammenberuffen um mit ihnen zu überlegen was hiebey zu thun sey.“ Fürst Wladimir Davidowitsch erwiederte hierauf: „warum die sewerischen Fürsten weder selbst erschienen noch Gesandten geschickt hätten, wisse er nicht, lobe auch ihr Betragen nicht, er und sein Bruder aber wären ihrem Versprechen gemäß bereit, gegen die Feinde des Großfürsten die Waffen zu ergreifen.“ Hierauf wurde nach vorgängiger Berathschlagung gemeinschaftlich beschlossen, daß man so bald die Flüsse zugefrohren seyn würden gegen den Fürsten Jurii Wladimirowitsch aufbrechen wolle, die tschernigowschen und sewerischen Fürsten nemlich durch das Gebiet der Wätitschen ins Susdalsche, der Großfürst und sein Bruder Rostislaw aus Smolensk sein Bruder Swätopolk aber aus Nowgorod ins rostowische, um sich insgesamt bey der Wolga zu vereinigen. Nach Endigung dieser Berathschlagungen lud der Großfürst die Fürsten zum Mittagsmal und bewirthete sie

 

 

 

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mit großem Vergnügen; Nachmittags aber reisete jeder in sein Gebiet zurück.

 

Um diese Zeit ersuchten die Mstislawitschen, welche das Bündnis mit den sewerischen Fürsten desto mehr zu befestigen wünschten, den Fürsten Swätoslaw Olgowitsch um seine Tochter für den Fürsten Roman Rostislawitsch einen Sohn des Fürsten Rostislaw Mstislawitsch von Smolensk, und sezten fest daß die Vermählung im künftigen Frühlinge gefeiert werden sollte.

 

Als der Großfürst nach Kiew zurück kam, befahl er dem Fürsten Rostislaw Jurjewitsch, sich zur Beschützung der Grenzen nach Bushesk zu begeben und sprach zu ihm: „ob ich gleich mit deinem Vater Krieg habe, um ihn zum Frieden zu zwingen, so geht das eigentlich dich nichts an; wenn du aber deinem Vater helfen willst, so stehe nicht darauf daß du in meinem Gebiet besitzlich bist, gehe, und komme wieder,wenn wir Frieden schließen werden.“ Fürst Rostislaw gedachte der vom Großfürsten erhaltenen Wohlthaten, ging nicht zu seinem Vater, und blieb in Bushesk.

 

Der Großfürst brachte eine ansehnliche Armee zusammen, und brach im Herbste gegen seinen Vaterbruder Fürsten Jurii Wladimirowitsch von Rostow auf. Er ließ seinen Bruder Wladimir Mstislawitsch zur Regierung in Kiew und seinen Sohn Mstislaw Isäslawitsch in Perejaslawl zurück, befahl ihnen gegen die Einfälle der Polowzer äußerst

 

 

 

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auf ihrer Hut zu seyn, und begab sich selbst nach Smolensk, wohin er seine Armee ihm zu folgen beorderte.

 

Bey seiner Ankunft in Smolensk wurde er von seinem Bruder Rostislaw Mstislawitsch mit großer Ehrerbietung und Freude empfangen, und hielt sich sieben Tage lang bey ihm auf, in welcher Zeit sie sich über den Feldzug berathschlagten, allerley Lustbarkeiten anstellten und sowohl einander als ihre vornehmsten Bedienten reichlich beschenkten. Die Geschenke des Fürsten Rostislaw Mstislawitsch von Smolensk bestanden in oberländischen und warägischen, die Geschenke des Großfürsten aber in griechischen und ungarischen Waaren. Der Großfürst reisete hierauf mit einer geringen Begleitung nach Groß-Nowgorod, und übergab seine Armee seinem Bruder Rostislaw von Smolensk, nachdem sie mit einander verabredet hatten, daß sie an der Wolga bey der Mündung der Medwediza zusammen kommen wollten. Sie schickten indessen noch vor ihrer Abreise Gesandten an den Fürsten Jurii Wladimirowitsch nach Susdal, und baten ihn schriftlich, daß er sich, zur Schlichtung aller Streitigkeiten und zur Wiederherstellung des Friedens, entweder selbst oder durch seine Gesandten bey der Mündung der Medwediza oder wo es ihm sonst gefällig wäre einfinden möchte.

 

Zu gleicher Zeit schickte der Großfürst zu seinem Sohne Jaroslaw nach Nowgorod, wie auch nach Pskow, um sein Vorhaben bekannt zu machen,

 

 

 

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und ließ den Einwohnern sagen, daß sie sich zum Kriege rüsten sollten und daß er deshalb selbst zu ihnen auf dem Wege sey. Die Nowgoroder waren über die Nachricht von der Ankunft des Grosfürsten sehr erfreut und bereiteten sich ihn zu empfangen, so daß viele ihm drey, andre zwey, andre eine Tagereise entgegen gingen, das ganze Volk aber ihn vor der Stadt erwartete. Als er sich der Stadt näherte, ward er vor der Stadt von seinem Sohne Jaroslaw und den Bojaren, in der Stadt aber bey der Stadtpforte von dem Bischofe und einer sehr zahlreichen Geistlichkeit mit dem heiligen Kreuze empfangen, so daß seine Ankunft, die auf einen Sonntag traf, von dem ganzen Volk mit großer Freude gefeiert ward. Er begab sich zuerst nach der Kirche der heiligen Sophia, und sandte nach geendigtem Gottesdienste Boten in alle Strassen aus, um alle Nowgoroder und Pskower groß und klein zu einem auf dem Marktplaze zubereiteten Gastmale einzuladen, wo hierauf eine große Menge Volks auf seinen Befehl mit Speise und Trank reichlich versehen ward, und unter vielem Freudensbezeigungen und Vergnügungen bis zum Anbruche der Nacht beysammen blieb. Am folgenden Morgen ließ der Großfürst auf Jaroslaws Hofe, zur Rathsversammlung lauten, worauf alle Nowgoroder, Pskower und Ladoger zusammen kamen, der Großfürst aber persönlich zu ihnen trat und sprach: „Er sey wegen der den Nowgorodern vom Fürsten von Rostow zugefügten Beleidigungen

 

 

 

 

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jezt selbst zu ihnen gekommen, und habe die kiewschen und smolenskischen Truppen unter seinem Bruder gegen die Wolga abgeschickt; wenn sie ihn nun aus allen Kräften unterstützen wollten, so hoffe, er ihnen vor dem Fürsten von Rostow Ruhe und Frieden zu verschaffen. Das Volk erwiederte auf diese Anrede: Du bist unser Fürst und Vater, du bist Wladimir und Mstislaw, wir sind alle bereit mit dir zu gehen, wohin du befiehlst.“ Die Nowgoroder beschlossen hienächst, daß alle die Waffen tragen könnten, sowohl Weltliche als Geistliche, Aebte, Mönche, Kirchen- und Kloster-Bedienten, außer den zum Kirchendienst nöthigen Priestern und Diakonen, in den Krieg ziehen sollten, und gingen wohl vergnügt auseinander.

 

Hierauf versammelten sich in kurzer Zeit die Nowgoroder, Pskower, Korelen, Tschuden und Sawolotschen *) unter ihren Befehlshabern, und brachen mit dem Großfürsten gegen die Wolga auf. Der Großfürst kam zur Mündung der Medwediza **) und wartete daselbst vier Tage lang auf seinen Bruder Rostislaw von Smolensk, nach dessen Ankunft Kriegsrath gehalten, und in Betracht dessen daß Fürst Jurii von Rostow weder die an ihn abgefertigte Gesandten zurück geschickt, noch selbst

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*) Die jenseit der Wolga wohnende.
**) Dieser Fluß scheint damals die Grenze zwischen demzu rostowschen und nowgorodschen Gebiet gewesen zu seyn.

 

 

 

 

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jemand abgesandt hatte, beschlossen wurde, daß man ins rostowsche Gebiet herabziehen und den Krieg durch Eroberung einiger Städte anfangen solle, worauf man an der Wolga bis nach Uglitsch und bis zur Mündung der Mologa herab zog, und sich alles umher gelegenen Landes bemächtigte. Hier erfuhr man die Nachricht, daß die tschernigowschen und sewerischen Fürsten in ihrem eignen Lande im Gebiet der Wätitschen stehen geblieben wären und das Schicksal des Großfürsten abwarten wollten, welches dieser mit großem Mißvergnügen vernahm. Er beorderte hierauf die Nowgoroder nebst einigen smolenskischen und kiewschen Truppen gegen Jaroslawl *), da schon die Palmwoche (des 1148sten Jahres) mit warmer Witterung einbrach. Die Nowgoroder durchstreiften alles Land um Jaroslawl und kamen mit vieler Beute zurück, ohne irgendwo einige Truppen des Fürsten von Rostow angetroffen zu haben, welche sich insgesammt in den Städten eingeschlossen hielten. Da der Großfürst sahe, daß sich auf der Wolga und Mologa viel Aufwaßer sammle, und das Eis zu brechen anfange, trat er seinen Rückzug an, und entließ die Kriegsleute in ihre Wohnsitze zurück. Er begab sich zuerst mit seinem Bruder Rostislaw nach Nowgorod, wo er den Poßadnik, den Tüsäzkoi und die übrigen

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*) Die Geschichtschreiber melden, daß Jaroslaw I. als Beherrscher von Rostow die Stadt Jaroslawl angelegt habe.

 

 

 

 

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übrigen Bojaren, reichlich beschenkte, und begab sich nach einem kurzen Aufenthalte daselbst mit seinem Bruder nach Smolensk, und von da den Dnieper herab zu Wasser nach Kiew.

 

Am 29sten May 1148 vermählte sich Fürst Roman Rostislawitsch ein Sohn des Fürsten Rostislaw von Smolensk, mit einer Tochter des Fürsten Swätoslaw Olgowitsch von Sewerien.

 

Als Isäslaw aus Nowgorod nach Kiew zurück kam, ward ihm von einigen Großen hinter bracht, daß Fürst Rostislaw Jurjewitsch sich in seiner Abwesenheit, im Gespräch mit den Kiewern und Berenditschen, habe verlauten lassen, daß wenn sein Vater Fürst Jurii von Rostow Isäslawen überwinden würde, er sich der Stadt Kiew bemächtigen wolle; weshalb viele dem Großfürsten anriethen, diesen Fürsten nicht länger bey sich zu behalten, sondern ihn zu seinem Vater zurück zu schicken. Der Großfürst befand sich damals zu seinem Vergnügen auf einer Insel bey Wüdobitscha, und sandte sobald er dieses vernommen hatte sein Fahrzeug nach Kiew, um den Fürsten Rostislaw Jurjewitsch, abzuholen, dem er bey seiner Ankunft ein besonderes Zelt anweisen und ihm durch seine Bojaren sagen ließ. „Er Fürst Rostislaw sey mit der Beschwerde zu ihm gekommen, daß sein Vater ihm keine anständige Besitzung geben wolle: er sey als ein Bruder aufgenommen worden und habe im großfürstlichen Gebiete einige ansehnliche

 

 

 

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Ländereyen erhalten. Als der Krieg gegen seinen Vater ausgebrochen sey habe man ihm, Rostislawen, die Ursache desselben bekannt gemacht und ihm freygestellt, entweder zu bleiben oder zu seinem Vater zurück zu kehren; er habe sich aber entschlossen zu bleiben, worauf man ihm die Vertheidigung seiner eigenen Besitzungen übertragen habe. Jezt sage man er habe seine, des Großfürsten, Liebe und Wohlthaten vergessen und sich vernehmen lassen, wenn sein Vater Isäslawen überwinden würde, wolle er sich der Stadt Kiew bemächtigen, wozu er die Kiewer und Berendeer zu bereden gesucht haben solle.“

 

Fürst Rostislaw Jurjewitsch antwortete hierauf, daß alles dieses gegen ihn ersonnene Verläumdungen wären, er bat, der Großfürst möchte ihm, um ihn zu überführen seine Angeber vorstellen, und unterwarf sich seinem persönlichen Urtheilsspruche. Der Großfürst gedachte anfangs den Bitten des Fürsten Rostislaw Gehör zu geben, ihm seine Angeber dar zustellen und die Sache genau zu untersuchen, da ihm aber seine Großen riethen, diese Sache, da sie keine Folgen gehabt habe lieber unerörtert zu lassen, und den Fürsten Rostislaw zu seinem Vater zu schicken, so befahl er ihn nebst vier Bedienten in ein Fahrzeug zu setzen und zu seinem Vater zu entlassen; sein Vermögen aber blieb in Kiew zurück. Als Fürst Rostislaw Jurjewitsch bey seinem Vater in Susdal ankam, ward er von ihm liebreich

 

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aufgenommen und mit ansehnlichen Ländereyen versehen, wogegen er seinen Vater, sowohl selbst als durch andre Personen, zum Kriege gegen Isäslaw anreizte und dabey folgende Vorstellung that. „Fürst Wetscheslaw sey zwar unter den Fürsten von Wladimirs Stamme der älteste, möchte aber schwerlich zur Regierung des Reichs und zur Vertheidigung seiner Rechte auf Kiew, im Stande seyn. Nach ihm sey Fürst Jurii Wladimirowitsch unstreitig der älteste und mächtigste, und in allem Betracht das Großfürstenthum zu besitzen würdig; weshalb es schimpflich genug sey, daß sein Neffe Isäslaw solches so lange beseßen habe. Da er Rostislaw, selbst in jener Gegend gewesen sey, so sey ihm bekannt, wie sehr die Kiewer, die Schwarzmützen und viele andre Leute den Fürsten Jurii auf dem väterlichen Throne zu sehen wünschten; welchem die, seinen von dem Großfürsten aus den ihnen verliehenen Städten vertriebenen Söhnen Rostislaw und Gleb, zugefügte Beleidigung, hinlänglichen Anlaß gebe, eine Armee aufzubringen, die übrigen Fürsten zum Bündnise einzuladen, und Isäslawen den Krieg anzukündigen.“

 

Fürst Jurii Wladimirowitsch, der sich durch diese und dergleichen Vorstellungen einnehmen ließ, dabey den Zustand seiner beiden ihrer Besitzungen beraubten Söhne in Erwägung zog, und von jeher einen heimlichen Haß gegen die Mstislawitschen im Herzen hegte, entschloß sich eine Armee aufzuaufzubringen,

 

 

 

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ließ viele Polowzer in Sold nehmen, verband sich mit dem Fürsten Swätoslaw Olgowitsch und brach am 20sten Julius durch das Gebiet der Wätitschen gegen Kiew auf.

 

Als Fürst Wladimir Davidowitsch von Tschernigow hievon Nachricht erhielt, ließ er dem Großfürsten bekannt machen, daß Fürst Jurii von Rostow gegen ihn im Anzuge und schon bis ins Gebiet der Wätitschen vorgerückt sey, wogegen er und sein Bruder dem Großfürsten, dem zwischen ihnen geschlossenen Bündnise gemäß, Hülfe zu leisten versprächen.

 

Der Großfürst befahl sogleich eine Armee zusammen zu ziehen, und schickte einen seiner Bojaren zum Fürsten Wladimir von Tschernigow, welchem er für die ertheilte Nachricht und versprochene Hülfe danken, und ihn zugleich bitten ließ, er möchte von seiner Seite jemand zum Fürsten Swätoslaw Olgowitsch schicken, um sich nach dessen Gesinnungen zu erkundigen: ob er mit dem Fürsten von Rostow gemeine Sache mache oder nicht, damit man darnach seine Maasregeln nehmen könne.

 

Fürst Wladimir von Tschernigow versicherte den Gesandten nochmals von seiner und seines Bruders Bereitwilligkeit den Großfürsten aus allen Kräften zu unterstützen, und fertigte sogleich Gesandte nach Nowgorodok-Sewerskoi ab, um sich nach den Absichten des Fürsten Swätoslaw Olgowitsch zu erkundigen. Fürst Swätoslaw Olgowitsch empfing

 

 

 

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empfing die Gesandten, ließ ihnen ein Haus zur Wohnung anweisen, und gab ihnen Zutrit zu seiner Person, hielt sie aber sieben Tage lang auf und gab ihnen eine sogenannte Ehrenwache, welche ohne sein Vorwissen niemand zu ihnen und sie zu niemanden kommen ließ. Unterdessen ließ er sich beym Fürsten Jurii erkundigen, ob es mit seinem Feldzuge gegen Isäslaw ernstlich gemeint sey, um seine feindseelige Gesinnungen gegen den Großfürsten nicht zu früh zu eröfnen und nicht in vergeblichem Vertrauen auf den Fürsten von Rostow, so wie vormals zu Grunde zu gehen. Fürst Jurii gab Swätoslawen die größten Versicherungen, daß er die ihm und zweyen seiner Söhne zugefügten Beleidigungen, Schimpf, Schaden und Verdruß nicht ungerochen lassen, sondern seine Ehre aus allen Kräften vertheidigen werde, und daher mit Swätoslawen gemeinschaftliche Sache zu haben wünsche. sobald Fürst Swätoslaw Olgowitsch diese Antwort erhalten hatte, berief er die Gesandten des Fürsten von Tschernigow zu sich und sprach zu ihnen: er werde von dem Großfürsten die Erbschaft seines Bruders des Fürsten Igor fordern, wenn er aber selbige nicht erhalten sollte, so werde er gezwungen seyn, das Seine mit Gottes Hülfe zu suchen. Die Gesandten kehrten mit dieser Antwort zu den Fürsten von Tschernigow zurück, welche den Großfürsten von allem vorgefallenen benachrichtigten.

 

Isäslaw schickte auf diese Nachricht einen Gesandten zum Fürsten von Sewerien und ließ ihm sagen:

 

 

 

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„man habe in dem zwischen ihnen im Jahre 1147 geschlossenen Vertrage und Bündnisse festgesetzt, das vergangene zu vergessen, alle Feindschaft einzustellen und keine Schadensersetzung zu fordern, welches alles mit einem Eide bestätiget worden sey. Da nun Fürst Jurii von Rostow gegen ihn, den Großfürsten, die Waffen ergriffen habe, so hoffe er, daß Swätoslaw seines Eides eingedenk, selbigen unverbrüchlich halten werde; Fürst Jurii von Rostow aber habe sich weder vorher vor ihm zeigen dörfen, noch habe man jezt Ursache ihn zu fürchten.“ Fürst Swätoslaw Olgowitsch schickte den Gesandten des Großfürsten sogleich mit der Antwort zurück: „sage Isäslawen, daß ich hierüber selbst mit ihm in Kiew sprechen werde.“

 

Der eigentliche Anlaß zu dieser Antwort war, daß Fürst Jurii von Rostow damals schon bis Jarischew vorgerückt war, wo sich die Fürsten Swätoslaw Olgowitsch und Swätoslaw Wsewolodowitsch am ersten August mit ihm vereinigeten.

 

Am folgenden Tage, oder am 2ten August, wurde dem Fürsten Swätoslaw Olgowitsch bey Sonnen- Aufgang eine Tochter gebohren, die den Namen Maria erhielt.

 

Nach Endigung der deshalb angestellten Freudenmale fingen die Fürsten an sich wegen ihres Feldzuges gegen Isäslaw zu berathschlagen, und beschlossen nach des Fürsten Swätoslaw Olgowitsch Vorschlage, mit gesammter Macht vorzurücken; worauf Fürst Jurii von Rostow mit allen seinen Truppen

 

 

 

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am 5ten August, Fürst Swätoslaw aber mit den seinen am folgenden Tage aufbrach. Um eben diese Zeit schickten die verbündeten Fürsten gemeinschaftlich Gesandte an die Fürsten von Tschernigow, um sie zum Bündniße gegen Isäslaw Mstislawitsch einzuladen, erhielten aber abschlägige Antwort, welcher die Fürsten von Tschernigow folgende Erklärung beyfügten: sie wären vor diesem mit dem Fürsten von Rostow gegen Isäslaw verbunden gewesen, wären aber von ihm verlassen worden, und hätten daher von dem Großfürsten vielen Schaden erleiden, und ihn um Frieden bitten müssen, welchen sie jezt unverbrüchlich zu halten gesonnen wären. Die Fürsten von Tschernigow benachrichtigten den Großfürsten sogleich von dieser Gesandtschaft und meldeten ihm zugleich das beyde Swätoslawen sich gegen ihn mit dem Fürsten Jurii vereinigt hätten.

 

Da Fürst Jurii von Rostow vernahm, daß die Fürsten von Tschernigow das angetragene Bündnis verworfen hätten, zog er sich gegen alt Belaja-Wesha, und stand daselbst einen ganzen Monath lang, um wie er sagte die Polowzer und die Friedensvorschläge des Großfürsten abzuwarten.

 

Die Geschichtschreiber sagen: der Fürst von Rostow habe Bedenken getragen Isäslawen anzugreifen, so daß er, wenn ihm damals eine Besitzung für einen seiner Söhne angetragen worden wäre, lieber Frieden geschlossen hätte; da er aber sahe daß

 

 

 

 

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der Großfürst niemand zu ihm schicke, brach er weiter gegen den Supoi auf.

 

Hier fand sich Fürst Swätoslaw Wsewolodowitsch bey ihm ein. Die Geschichtschreiber bemerken hiebey, daß dieser Fürst ungern gegen seinen Oheim Isäslaw zu Felde gezogen sey, daß er aber aus Furcht vor dem Zorne seines Vaterbruders (Swätoslaw Olgowitsch) nicht zurück bleiben dörfen, und sich wieder seinen Willen mit dem Fürsten von Rostow vereiniget habe. Um eben diese Zeit kamen auch viele Polowzer dem Fürsten Jurii zu Hülfe beym Supoi an.

 

Sobald der Großfürst Isäslaw Mstislawitsch von dem Vorhaben des Fürsten von Rostow zuverläßige Nachricht erhalten hatte, ließ er seinen Bruder Rostislaw und seinen Neffen Wladimir Andreewitsch ersuchen, daß sie mit den smolenskischen und wladimirischen Truppen eiligst nach Kiew kommen sollten, worauf Fürst Rostislaw von Smolensk, der ein Heer in Bereitschaft hatte, sich sogleich da hin auf den Weg machte.

 

Der Fürst von Rostow wandte sich gegen Perejaslawl, ging über den Sträkow, und nahm seine Stellung beym Dorfe Kudinowo.

 

Der damals in Perejaslawl befindliche Fürst Wladimir Mstislawitsch (des Großfürsten Bruder) stand am Ende der Vorstädte im Felde, der Fürst von Rostow aber grif ihn nicht an.

 

Als der Großfürst Nachricht erhielt, daß der Fürst von Rostow bis Perejaslawl gekommen sey,

 

 

 

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ließ er seine Armee gleichfalls nach dieser Gegend vorrücken.

 

Einige vornehme Kiewer riethen dem Großfürsten, er möchte seinem Vaterbruder dem Fürsten von Rostow Friedensvorschläge thun, einem seiner Söhne eine Besitzung versprechen, und dadurch den innerlichen Unruhen und der Vergießung des Christenblutes zu steuern suchen, wobey sie, um ihn desto eher zu bewegen, sagten: daß das ganze Volk seines freywillig geleisteten Eides, nicht gegen Wladimirs Söhne zu streiten, eingedenk sey. Isäslaw erwiederte hierauf: er habe nicht allein mit seinem Vaterbruder sondern auch mit dem sewerischen Fürsten und mit den Polowzern zu thun, welche von den Fürsten Jurii und Swätoslaw Olgowitsch zur Verheerung Rußlands herbey geführt wären, man werde schwerlich ohne Schlacht an den Frieden denken können, weil einem andringenden Feinde, in der Stube sitzend Friedensvorschläge zu thun, eben so als eine erzwungene Bitte um Gnade, schimpflich sey. Die Kiewer brachen hierauf insgesammt unter Anführung des Großfürsten, so wie Fürst Wladimir Andreewitsch mit den aus Wladimir in Wolhynien angekommenen Truppen, gegen Perejaslawl auf, Fürst Isäslaw Davidowitsch aber stieß auf dem Wege mit den Tschernigowern zu ihnen, worauf die Fürsten bey Wätitschew Halt machten und ihre Truppen musterten, wo auch Fürst Rostislaw von Smolensk mit allen seinen Truppen ankam. Nachdem man hieselbst Kriegsrath gehalten hatte, ging

 

 

 

 

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die Armee über den Dnieper und von da gegen die Olta, wo Isäslaw Nachricht erhielt, daß die Schüzen des Fürsten von Rostow über den Sträkow gegangen wären, und sich nebst den Polowzern bewafnet der Stadt Perejaslawl näherten.

 

Der Großfürst und die übrigen Fürsten befahlen sogleich ihren Truppen die Achsel zu blößen *) und rückten gleichfalls gegen Perejaslawl vor.

 

Um diese Zeit brachte man einige bey Perejaslawl gefangene Polowzer zum Großfürsten, welche aussagten, daß sie vom Don gekommen wären, und daß der Fürst von Rostow Perejaslawl vor der Ankunft des Großfürsten zu erobern gedenke. Isäslaw ließ auf diese Nachricht die Schwarzmützen nebst seinen jungen Leuten zum voraus abfertigen, und folgte ihnen mit der ganzen Armee nach Perejaslawl, wo die großfürstlichen Bogenschützen und Berendeer gleich bey ihrer Ankunft den Vortrab des Fürsten von Rostow von der Stadt bis zur Hauptarmee zurück trieben. Isäslaw und die mit ihm verbündeten Fürsten gingen über die Loniza und nahmen ihre Stellung hinter der Stadt bis an die Trubesh, der Fürst von Rostow aber stand drey Tage lang bey Sträkow, ging am vierten Perejaslawl vorbey und sezte sich bey Roschtschen

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*) Einen Aermel des Kleides fallen zu lassen, um die Waffen, besonders aber den Bogen leichter zu führen.

 

 

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jenseit des Thiergartens zwischen dem Wall und der andern Seite der Trubesh, in welcher Stellung die Polowzer mit Isäslaws Bogenschützen über den Fluß Pfeile wechselten. Des Abends stand der Großfürst mit seiner Armee bey der Trubesh *) der Fürst von Rostow aber bey Roschtschen, worauf lezterer in der Nacht einen seiner Bojaren mit Friedensvorschlägen an den Großfürsten abschickte, in welchen er unter andern die Abtretung Perejaslaws für einen seiner Söhne verlangte. Der Großfürst nahm diese Vorschläge nicht an, schickte den Gesandten ohne Antwort zurück, rückte am frühen Morgen mit der ganzen Armee aus, und stand, durch seine Wagenburg gedeckt, vor der Stadt in der Ebene. Er wohnte hier dem Gottesdienste bey, und besuchte nachher den Bischof Euphimi, der damals krank lag und den Großfürsten in den vorgeschlagenen Frieden zu willigen bat, weil, wie er ihm vorstellete, auf die Fürsten von Tschernigow nicht zu verläßig zu bauen wäre, und ein Theil der Kiewer, in Rücksicht des dem Vater des Fürsten von Rostow geleisteten Eides, es für eine schwere Sünde halte, gegen Wladimirs Nachkommen zu fechten.

 

Die Geschichtschreiber melden: der Großfürst habe durch den Rath der Schmeichler und durch den von Seiten des Fürsten von Rostow geschehenen

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*) Es scheint das Isäslaw dem Fürsten Jurii den Fluß abgewonnen habe.

 

 

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Friedensantrag zu einigem Stolz verleitet, den Rath des Bischofs und der vornehmen Kiewer, die ihm, wenn auch mit dem Verlust Perejaslaws, Frieden zu schließen riethen, verachtet, und sich vernehmen lassen „er habe Kiew und Perejaslawl mit seinem Haupte errungen, und wolle jezt um keinen Preis Juriis Sohn in Perejaslawl sich zur Seiten setzen.“ Hierauf kam er in sein Zelt, ließ sogleich die ganze Armee ausrücken und führte sie in Schlachtordnung gegen den Fürsten von Rostow an. Fürst Jurii, hatte sich damals etwas zurückgezogen und sich bey dem Dorfe Jaitschino gesezt, wo beide Armeen bis zur Vesperzeit gegen einander über standen.

 

Der Großfürst berief jezt die Fürsten und alle Bojaren zum Kriegsrathe, in welchem einige Schmeichler, die Isäslaws Lust zum Gefechte kannten, den Vorschlag thaten, daß man über die Trubesh gehen und den Fürsten von Rostow angreifen sollte, die ältern Bojaren aber alles weitere Vorrücken wiederriethen, weil Jurii um dem Großfürsten Perejaslawl zu nehmen gekommen sey, aber mit aller seiner Mühe nichts ausrichten, und von selbst zurück gehen werde, daher man gar keine Ursache habe ihn zu treiben und sich in unnöthige Gefahr zu begeben. Noch andre die viel Feuer und Leichtsin besaßen, riethen zur Schlacht und sagten zum Großfürsten „Gott habe den Fürsten von Rostow in seine Hände geführt, und müsse man diese Gelegenheit nicht versäumen, danit er ins

 

 

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künftige keine neue Versuche wage. Da dieser Rat Isäslaws Wünschen gemäß war, ließ er die ganze Armee völlig bewafnet gegen den Fürsten von Rostow vorrücken, ging über die Trubesh, und nahm seine Stellung neben den Anhöhen in der Niederung vor der Marder-Pforte. Dieses geschahe als schon die Sonne sich zum Untergange neigte. Der Fürst von Rostow ließ seine Armee in Rücksicht der späten Tageszeit in die Wagenburg gehen, und schickte eine streifende Parthey zur Auskundschaftung des großfürstlichen Heeres ab, die von einigen jungen Leuten dieses Heeres beobachtet und verfolgt ward worauf ein Vorposten der nicht wohl auf seiner Hut war ein Geschrey erhob, daß die ganze Armee des Fürsten von Rostow im Anzuge sey. Der Großfürst rückte auf dieses Geschrey sogleich gegen den Lusthof ins Feld heraus, worauf die Fürsten Juri und Swätoslaw ihre Leute aus der Wagenburg führten, Isäslawen entgegen gingen, und jenseit des Walls Halt machten, da denn beide Armeen bis zum späten Abende einander im Gesichte blieben während das die beiderseitigen Schützen zwischen selbigen Pfeile wechselten.

 

Nach diesem zogen sich die Fürsten Jurii und Swätoslaw wiederum in die Wagenburg zurück, der Großfürst aber überlegte mit seinen Brüdern was zu thun sey. Einige sagten, daß man nach der Wagenburg zurück kehren sollte, andere glaubten daß der Fürst von Rostow sich zur Flucht anschicke und riethen, ihn zu verfolgen, der Großfürst aber befahl

 

 

 

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mit der ganzen Armee den Angrif zu thun. Der Fürst von Rostow führte seine Truppen wiederum aus der Wagenburg und stellete sie zum zweitenmale in Schlachtordnung, so daß seine Söhne auf dem rechten Flügel, Swätoslaw Olgowitsch mit seinem Neffen auf dem linken Flügel, Fürst Jurii selbst aber und sein Tüsäzkoi in der Mitte des Heeres befindlich waren. Hierauf fing sich nach Untergang der Sonne ein Treffen an in welchem zuerst die bey der großfürstlichen Armee befindliche Porschanen und nach ihnen die Perejaslawer die Flucht ergriffen, wodurch die eigene Truppen des Großfürsten und seines Bruders Rostislaw zwar in Unordnung geriethen aber doch das Gefecht fortsetzten. Fürst Isäslaw Davidowitsch grif die Truppen des Fürsten Swätoslaw Olgowitsch und einen Theil der Truppen des Fürsten Jurii an, und brachte sie dergestalt in Verwirrung daß er mitten durch sie durchdrang, und als er die Polowzer insgesamt auf der Flucht sahe, selbigen nachsezte.

 

Unterdessen verliessen auch die Kiewer das Schlachtfeld, nach welchem unglücklichen Vorfalle der Großfürst sich kaum selbst mit einer geringen Bedeckung rettete, und nachdem er bey Kaschtschewo über den Dnieper gegangen war, am 23sten August blos von zweyen Personen begleitet, in Kiew ankam.

 

Fürst Jurii von Rostow zog am Morgen nach diesen Siege in Perejaslawl ein, und blieb

 

 

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daselbst drey Tage lang, worauf er mit der ganzen Armee gegen Kiew aufbrach, und sich daselbst in den Niederungen der Kirche des heiligen Michail auf Wüdowitschi gegenüber stellete.

 

Unterdessen berathschlagte sich der Großfürst, sein Bruder Rostislaw und die vornehmsten Kiewer, mit einander und beschlossen das ersterer sich nach Wladimir in Wolhynien letzterer aber nach Smolensk begeben und mit dasigen Truppen wiederum nach Kiew zurück kommen sollte, worauf Isäslaw seine Gemahlin und Kinder und den Mitropoliten mit sich nahm, und sich nach Wladimir in Wolhynien, so wie Rostislaw nach Smolensk verfügte.

 

Am 2ten September, als am Morgen nach der Abreise des Großfürsten Isäslaw Mstislawitsch, zogen die Fürsten Jurii Wladimirowitsch von Rostow, Swäroslaw Olgowitsch von Nowgorodok-Sewerskoi, Swätoslaw Wsewolodowitsch, und alle Söhne des Fürsten Jurii in Kiew ein, und fingen an die Besitzungen zu vertheilen, da denn dem Fürsten Rostislaw Jurjewitsch Perejaslawl, dem Fürsten Andrei Jurjewitsch Wüschgrad, dem Fürsten Boris Jurjewitsch Belgrad, dem Fürsten Gleb Jurjewitsch Susdal und dem Fürsten Mstislaw Jurjewitsch Rostow bestimmt wurde. Hiernächst ließ man den Fürsten Wladimir Davidowitsch nach Kiew einladen, wo er bey seiner Ankunft mit Achtung empfangen ward.

 

 

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Fürst Jurii sagte zu ihm: er begreife sehr wohl, daß er an dem Kriege des Großfürsten gegen ihn, nicht anders als aus Pflicht Antheil genommen habe, Fürst Swätoslaw Olgowitsch aber fing an ihm Vorwürfe zu machen, gedachte der vorigen Beleidigungen, beschuldigte ihn daß er Kursk und andere Oerter wiederrechtlich in Besitz genommen habe, und verlangte Genugthuung.

 

Die Geschichtschreiber erzählen: Fürst Jurii habe diejenigen die für ihm bange waren am mehresten geschmeichelt, und seinen Freunden damals nicht viel Willen gestattet. Dem Fürsten Swätoslaw Olgowitsch selbst verbot er aufs ernstlichste, Sachen die durch den vorigen Frieden der Vergessenheit übergeben wären, zu rügen, und sprach: „es sey jezt nicht Zeit davon zu reden, man müsse vielmehr auf Mittel denken, wie man fürs künftige allen innerlichen Unruhen vorbeugen könne.“ In dieser Absicht lud er alle damals bey ihm befindliche Fürsten verschiedene male zur Berathschlagung ein, welche sich insgesamt eidlich verbanden mit keinem Feinde des Fürsten Jurii Gemeinschaft zu haben, und hierauf jeder in sein Gebiet zurück kehrten. Wegen des Großfürsten Isäslaw ließ sich Fürst Jurii vernehmen: wenn selbiger ihm als dem ältesten im Fürstenstamme, Kiew abtreten wollte, so würde er ihm und seinen Brüdern, als seiner Kindern begegnen.

 

 

 

 

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Die Kiewer hielten diese Reden und das Betragen des Fürsten Jurii für bloße Verstellung, schrieben Isäslawen daß Jurii sich durch seine Schmeicheleyen bey niemanden Zutrauen erwerbe, und riethen ihm, Truppen aufzubringen und mit Ernst an seine Vertheidigung zu denken, wenn er aber sich mit seinem Vetter versöhnen wollte, solches nicht anders als mit der äußersten Vorsicht zu thun.

 

Als der Großfürst Isäslaw Mstislawitsch zu Wladimir in Wolhynien ankam, ließ er seinen Neffen Fürsten Wladimir Andreewitsch sich nach Brest und Drogitschin begeben, und unverzüglich den Fürsten Wladimirko von Halitsch und dessen Brüder um Hülfe bitten, die aber anstat der Antwort diejenigen Städte zurück forderten, welche ihnen der Großfürst Mstislaw als von alters her zu Wladimir in Wolhynien gehörig, abgenommen hätte. Da Isäslaw wohl einsahe, daß die Fürsten von Halitsch durch diese gegen den Inhalt des Friedens geschehene Zurückforderung gedachter Städte, blos eine Ursache zum Kriege suchten, ließ er ungesäumt seinen Schwager den König von Ungarn, von den feindseeligen Absichten des Fürsten Wladimirko von Halitsch benachrichten, und schickte zugleich nach Polen zu seinem Verwandten Boleslaw, nach Böhmen zum Fürsten Andrei und nach Schlesien zum Fürsten Wladislaw, die er insgesamt um ihren Beystand ersuchen ließ.

 

 

 

 

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Der König von Ungarn versicherte den Großfürsten, ihm sobald er seinen Krieg mit Heinrichen Fürsten von Oesterich endigen könnte, Hülfstruppen zu senden. Die Geschichtschreiber melden: der deutsche Kaiser habe dem Herzoge von Oestreich in diesem Kriege gegen den König von Ungarn Hülfe geleistet, dieser aber habe noch mehr den Durchzug der Kriegsvölker des westlichen Europens, die damals durch Ungarn nach Palästina zogen, gefürchtet, und deshalb nicht für gut befunden, sich durch Absendung einiger Truppen zu schwächen.

 

Die polnischen Fürsten antworteten: sie wären bereit und in der Nähe; wenn es die Noth erfordre, werde einer von ihnen zur Regierung des Reichs zurück bleiben, die beiden übrigen aber würden sobald es der Großfürst verlange sich bey ihm einfinden.

 

Der Fürst von Böhmen versprach zuverläßig, mit einer Armee zu Hülfe zu kommen.

 

Die Antwort des schlesischen Fürsten ist bisher in keinem Schriftsteller bemerkt worden.

 

Da der Großfürst erfuhr, daß Fürst Jurii um Weinachten mit seiner ganzen Armee gegen ihn aufzubrechen gedenke, sandte er wiederum vornehme Abgesandte mit ansehnlichen Geschenken an alle vorgedachte Regenten ab, dankte ihnen für die versprochene Hülfe und bat, daß sie ihm ihre Truppen vor Weinachten zuschicken möchten.

 

Erster Band 1784.

 

 

 

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Der König von Ungarn schickte dem Großfürsten zehntausend Mann, und ließ ihm dabey sagen: „Er könne ihm zwar nicht mehrere Truppen schicken, werde aber selbst gegen die Gebürge vorrücken, um dadurch den Fürsten Wladimirko von seiner Vereinigung mit dem Fürsten Jurii abzuhalten. Wenn indessen seine jezt abgefertigten Leute von den Beschwerden des Krieges ermüden möchten, so werde er zu ihrer Ablösung andere schicken, oder selbst kommen.“

 

Die Fürsten Boleslaw von Masowien und Heinrich von Sendomir fanden sich persönlich ein, und hatten ihren jüngsten Bruder, zur Regierung des Reichs und zur Beschützung ihrer Länder gegen die Preußen, in Polen zurück gelassen.

 

Der Großfürst Isäslaw Mstislawitsch ließ um diese Zeit auch seinen Vaterbruder Fürsten Wetscheslaw Wladimirowitsch von Turow um Beystand bitten, und ihm vorstellen: er möchte seine Truppen entweder zu seiner, Isäslaws, Armee stoßen lassen, oder sie zur Beschützung seiner Besitzungen abfertigen, wofür er ihn als seinen Vater zu ehren und nach Kiew zu führen verspreche; wenn er aber diesen Vorschlag nicht eingehen und sich durch kein Bündnis mit ihm vereinigen wolle, so werde er seine Länder, die ihm auf dem Wege am nächsten lägen, zu verheeren gezwungen seyn.

 

 

 

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Fürst Wetscheslaw von Turow antwortete Isäslawen, daß er gegen seinen leiblichen Bruder ihm keine Hülfe leisten könne, aber ihnen beiden zum Frieden rathe. Er schickte in dieser Absicht zu seinem Bruder und ließ ihm sagen: „Isäslaw habe ungarische und polnische Hülfstruppen erhalten, und wolle mit ihnen gegen Kiew anrücken; er rathe ihm es nicht dazu kommen zu lassen, sondern Isäslawen diejenigen Länder die er verlangen möchte zuzugestehen, und mit ihm Frieden zu schließen, oder selbst gegen Isäslawen aufzubrechen, ihn von Kiew abzuhalten, und denn weiter zu thun was ihm gut dünke. Wenn er gegen Isäslawen aufbrechen werde, so sey auch er, Wetscheslaw, verbunden, sich zur Beschützung seiner Länder mit ihm zu vereinigen.“

 

Fürst Jurii Wladimirowitsch der mit seiner Armee völlig zum Aufbruche bereit war, begab sich auf diese Nachricht in Begleitung seiner Söhne Rostislaw und Andrei aus Kiew zu seinem Bruder Wetscheslaw, um welche Zeit auch Wladimir Davidowitsch von Tschernigow ihm einen Theil seiner Truppen zu Hülfe schickte.

 

Um eben diese Zeit kamen die Ungarn unter Anführung eines Feldherrn wie auch die polnischen Fürsten zum Großfürsten und wurden mit vieler Ehre aufgenommen. Isäslaw nöthigte die Fürsten und Feldherren zum Mittagsmale, gab ihnen, jedem nach seinem Stande reichliche

 

 

 

 

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Geschenke, stellete verschiedene Lustbarkeiten an, und begab sich am folgenden Morgen selbst aus Wladimir in Wolhynien nach Luzk, wo er sich drey Tage lang aufhielt, und Boleslaw um ihm einen Beweiß seiner Freundschaft zu geben, viele Kriegsleute nach altem polnischen Gebrauch durch einen Schwerdtschlag zum polnischen Adel aufnahm.

 

Fürst Jurii Wladimirowitsch hatte indessen seine Söhne Rostislaw und Andrei zum voraus nach Peresopniza zum Fürsten Wetscheslaw Wladimirowitsch von Turow abgefertiget, welchen zuerst die tschernigowschen Hülfsvölker, zuletzt aber Fürst Jurii selbst folgete. Um diese Zeit kam auch Fürst Wladimirko von Halitsch, mit welchem Jurii vor Anfang des Feldzuges durch seine Gesandten ein Bündnis gegen Isäslaw geschlossen hatte, mit seiner Armee bey Schumsk an, und ließ dem Fürsten Jurii hievon in Peresopniza Nachricht ertheilen.

 

Die Geschichtschreiber erzählen: daß die Polen, sobald sie die Vereinigung der Fürsten Jurii Wetscheslaw und Wladimirko vernommen, dem Großfürsten Isäslaw Vorstellung gethan und gerathen haben, er möchte dem Fürsten Jurii Friedensvorschläge thun, welche sie von ihrer Seite durch besonders dazu abgefertigte Personen unterstützen würden. Als Isäslaw sahe, daß die Polen durch das Gerücht von der großen Menge der mit dem Fürsten Jurii angekommenen Truppen, wankend geworden waren, und den Ungarn gleiche

 

 

 

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Gesinnungen einflößten, gab er sich zwar alle Mühe dergleichen ihm nachtheilige Gerüchte zu wiederlegen, mußte sich aber endlich entschließen sich von Luzk nach Tschemerin an der Oliza zurück zu ziehen. Um diese Zeit erhielt Fürst Boleslaw von Masowien Nachricht, als wenn die Preußen sich zu einem Einfalle in Polen rüsteten, worauf er solches Isäslawen bekannt machte, und nach gehaltener Berathschlagung mit dem Ban von Ungarn, den Fürsten Jurii zum Frieden mit dem Großfürsten Isäslaw zu bewegen suchte, mit dem Vorschlage, daß Jurii Isäslawen Wladimir in Wolhynien, Luzk und alle übrige Städte die er noch im Besitz habe, lassen, dieser aber alles was von alters her zu Kiew gehöre dem Fürsten Jurii abtreten sollte. Die Fürsten Wetscheslaw und Jurii ertheilten hier auf zur Antwort: „daß sie zwar den Ungarn und Polen für ihre Fürsorge und Bemühung zwischen den rußischen Fürsten Frieden und Freundschaft zu stiften, dankten, auf die Friedensvorschläge aber sich nicht eher einlassen könnten, bis die fremden Truppen Rußland verlassen hätten, weil sonst der Friede vor der Welt als erzwungen angesehen, und folglich ihnen schimpflich seyn „würde.“

 

Der Großfürst sahe aus dieser Antwort, daß Fürst Jurii blos ihn zu schwächen bemüht sey, und bat den Fürsten Boleslaw von Masowien, mit der ganzen Armee vorzurücken und alsdann

 

 

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die Friedensvorschläge zu erneuern. Der Ban von Ungarn war hierin mit dem Großfürsten gleich gesinnt, die Polen aber beschlossen, sich, dem Verlangen der Fürsten Wetscheslaw und Jurii gemäß, aus Rußland zu entfernen, und acht zu geben, ob die Fürsten auch würklich zu einem anständigen Frieden geneigt wären; worauf sie, jeder in seine Gegend, zurück kehrten.

 

Der Großfürst ließ hierauf selbst seine Vaterbrüder durch Gesandte um Frieden ersuchen, die Unterhandlungen wurden aber besonders dadurch in die Länge gezogen, daß Isäslaw die Nowgorodsche Steuer für sich verlangte, weil selbige von dem Nowgorodern seinem Vater dem Großfürsten Mstislaw und dessen Nachkommen versprochen und durch eine schriftliche Urkunde zugesichert worden wäre, Jurii aber hergegen selbige deshalb nicht abtreten wollte, weil von alters her festgesetzt wäre, daß sie dem der Kiew besitzen würde bezahlt werden solle.

 

Fürst Wetscheslaw bestrebte sich eifrigst seinen Bruder Jurii zum Frieden zu bewegen, dieser aber achtete dem Rath seines ältesten Bruders nicht, sondern folgte vielmehr den Vorschlägen des Fürsten Jurii Jaroslawitsch eines Enkels des Fürsten Jaropolk Isäslawitsch, der sein größtes Zutrauen besaß und in allen Dingen sein vornehmster Rathgeber war. Als dieser sahe, daß die Polen und Ungarn davon gegangen waren, rieth er den Fürsten, daß sie Isäslawen

 

 

 

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nicht nur nichts zugestehen, sondern ihn selbst aus Wladimir in Wolhynien vertreiben sollten. Die Geschichtschreiber bemerken hiebey, daß Fürst Jurii von Rostow alle rußische Fürstenthümer unter seine Herrschaft zu bringen gesucht habe, und auch gegen die Davidowitschen nicht wohlgesinnt gewesen sey.

 

Nachdem die angefangene Friedensunterhandlungen abgebrochen waren, rückten die Fürsten Wetscheslaw und Jurii gegen Luzk vor, bey welcher Gelegenheit die Söhne des Fürsten Juri, Rostislaw und Andrei, nebst ihren jüngern Brüdern Boris, Gleb und Mstislaw mit den Polowzern voraus zogen, und bey Murowiza übernachteten, Fürst Andrei aber mit den seinen etwas vorwärts stand. In derselben Nacht entstand unter den Truppen des Fürsten Rostislaw ein Geschrey, daß sie von einem mächtigen Feinde angegriffen würden, auf welchen blinden Lerm sich die Polowzer nebst ihrem Anführer Shiroslaw zurück zogen, einige auch sich gar verliefen. Rostislaw ließ seinen Bruder Andrei um Hülfe bitten, der zwar den ganzen Lerm für ungegründet hielt und bis zum Morgen unbeweglich stehen blieb, als er aber von der Flucht der Polowzer Nachricht erhielt, sich mit Rostislawen vereinigte. Jezt kamen einige polowzi sche Fürsten zu ihnen, mit welchen gemeinschaftlich festgesezt wurde, die Polowzer nach Hause zu entlassen. Hierauf wandten sich die Fürsten

 

 

 

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Rostislaw und Andrei gegen Dubno, um daselbst von ihrem Vater einige Truppen zur Verstärkung zu erwarteten, als sie aber erfuhren, daß ihr Vater selbst nicht weit von ihnen im Anzuge sey, rückten sie auf zweyen Wegen gegen Luzk vor. Sobald der damals als Befehlshaber in Luzk befindliche Fürst Wladimir Mstislawitsch erfuhr daß Fürst Rostislaw sich der Stadt nähere, ließ er, um den Feind in einiger Entfernung zu halten, sein Fußvolk vor die Stadt heraus rücken. Fürst Andrei Jurjewitsch grif selbiges tapfer an, seine Brüder Rostislaw Boris und Mstislaw aber sahen ihn zwar im Treffen begriffen, konnten ihm aber, da sie selbst so wenig als ihre Truppen zum Streit gerüstet waren und weiter von der Stadt ein Lager bezogen hatten, keine schleunige Hülfe leisten. Fürst Andrei ritt selbst mitten unter das luzkische Fußvolk, gab den seinen ein Muster der Tapferkeit und trieb die Truppen des Fürsten Wladimir Mstislawitsch über den Dam. Endlich aber blieben bey ihm wenig Leute übrig, die Luzker erkannten und umringten ihn, sein Pferd ward mit zweyen Spiesen durchstochen und seine Lanze brach, während das man aus der Stadt Steine nach dem Orte des Gefechtes warf. Ein Deutscher wollte dem Fürsten einen Stich mit der Lanze versetzen, Andrei aber wandte den Stich mit dem Schwerdte ab, rettete nicht ohne Mühe sein Leben, und befahl sein Pferd welches

 

 

 

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todt aus dem Platze liegen geblieben war, am Fluse Stür zu begraben, um dadurch auch einem Thiere gute Thaten zu lohnen.

 

Dieses Treffen geschah am 8ten Februar des 1150sten Jahres.

 

Fürst Jurii Wladimirowitsch freuete sich über die Tapferkeit und das Glück seines Sohnes Andrei und ertheilte ihm vieles Lob. Die Fürsten standen hierauf drey Wochen lang vor der Stadt, ohne einen Sturm zu unternehmen, nur daß sie den Bürgern nie ohne Streit Wasser zu holen erlaubten.

 

Fürst Wladimir Mstislawitsch war in Luzk nicht nur sehr enge eingeschlossen, sondern bis zur äußersten Noth gebracht. Der Großfürst Isäslaw erhielt hievon Nachricht, und entschloß sich, ungeachtet die von den Polen versprochene Hülfe ausgeblieben war, blos mit seinem eigenen Truppen gegen Luzk aufzubrechen.

 

Als Fürst Wladimirko von Halitsch erfuhr daß Isäslaw sich zum Aufbruche anschicke, zog er ihm entgegen, und nahm seine Stellung an einem sehr festen Orte auf dem halben Wege zwischen Luzk und Wladimir in Wolhynien.

 

Sobald der Großfürst nahe beym Fürsten Wladimirko von Halitsch angekommen war, schickte er sich völlig zum Treffen an, hielt aber vorher Kriegsrath, in welchem beschlossen wurde, dem Fürsten durch einen der ansehnlichsten Männer vorstellen zu lassen, daß man ihn, der vor

 

 

 

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allen Fürsten durch Bruderliebe und Gerechtigkeit berühmt sey, und niemanden böses wünsche, zum Friedensmittler zwischen dem Großfürsten und seinen Vaterbrüdern zu haben wünsche. Fürst Wladimirko von Halitsch erwiederte hierauf: „Der Großfürst Isäslaw wisse selbst, daß man in Rußland von jeher die älteren Fürsten in Ehren gehalten habe, und dasß wenn die jüngern den ältern ohne Wiederrede Folge geleistet, das rußische Reich im blühenden Zustande gewesen und an Macht, Ruhm, Bevölkerung und Reichthum zugenommen, wenn aber die jüngern die älteren verachtet und einander bekriegt hätten, Rußland sich seinen Untergang genähert habe. Da nun Isäslaw jünger als Jurii sey, so rathe er ihm dem Aelteren nachzugeben, und in Wladimir in Wolhynien zu bleiben; er selbst werde es indessen von keiner Seite zum Treffen kommen lassen.“

 

Der Großfürst schickte nach Empfang dieser Nachricht wiederum zum Fürsten von Halitsch und ließ ihm sagen: „daß Fürst Jurii von Rostow, nach Wetscheslaw von Turow, der Aelteste im Fürstenstamme sey, ist freylich außer Streit; indessen hat er ein ihm von seinem Vater verliehenes großes Erbe Rostow und Susdal, Kiew aber gab der Großfürst Wladimir, Isäslaws Großvater, seinem Sohne und Isäslaws Vater Mstislaw, welchem sein Bruder Jaropolk als der Aelteste nach ihm, folgete. Nach

 

 

 

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diesem regierete Wsewolod, der mit Mstislaws Tochter vermählt war, während Isäslaws Minderjährigkeit in Kiew, und ward von Isäslawen, seiner ältesten Schwester wegen, als sein Vater geehret, wogegen er Isäslawen als seinen Sohn ansahe. Wsewolod übergab bey seinem Tode, Kiew, wieder sein gegebenes Wort, seinem Bruder Igor, Isäslaw aber bemächtigte sich mit Gottes Hülfe seiner Vaterstadt, die ihm als ein väterliches und großväterliches Erbe gehöret. Fürst Jurii von Rostow will nicht mit dem seinen zufrieden seyn, hat sich auf Anregen der Olgowitschen ohne alles Rechts Kiews bemächtiget, und denkt jezt auch Wladimir in Wolhynien zu nehmen; er wird sich aber auch hiemit nicht begnügen, sondern geht damit um, die tschernigowschen, halitschischen und alle übrige rußische Fürsten ihres väterlichen Erbes zu berauben, und sich zum einzigen Herrn von Rußland zu machen.“

 

Der Fürst von Halitsch schickte auf diese Vorstellung Isäslaws Abgeordneten mit der Antwort zurück, daß sie beyde unbeweglich stehen bleiben, und keiner gegen den andern etwas unternehmen wollten, während dessen er einen Frieden zu vermitteln suchen werde. Er ließ noch an demselben Tage mit den Fürsten Wetscheslaw und Jurii vom Frieden reden, wogegen aber die Fürsten Rostislaw Jurjewitsch, und Jurii Jaroslawitsch Jaropolks Enkel allen Frieden und alle

 

 

 

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Friedensunterhandlungen wiederriethen. Fürst Andrei Jurjewitsch der vor vielen durch Tapferkeit, Muth, Bruderliebe, und Güte des Herzens berühmt war, redete indessen seinem Vater zu und bat ihn: „er möchte ja nicht dem Rathe solcher Leute Gehör geben, die den Krieg und folglich die Vergießung des Menschenblutes und die Verheerung des rußischen Reichs zu verlängern wünschten, sondern vielmehr solche Maasregeln ergreifen, wodurch alle Feindschaft und Mißhelligkeiten zwischen so nahen Blutsfreunden und Verwandten gehoben werden könnten.“

 

Da Fürst Wladimirko von Halitsch wußte daß Fürst Wetscheslaw von Turow zum Frieden geneigt sey, bat er ihn schriftlich, sich das Friedensgeschäfte angelegen seyn zu lassen. Wetscheslaw dankte für dieses Schreiben und sprach zum Gesandten des Fürsten von Halitsch: „Seelig sind die Friedensstifter, denn sie werden Gottes Kinder heißen; seelig ist Rußland, wenn es durch die Bruderliebe seiner Fürsten wachsen und blühen wird.“

 

Fürst Wetscheslaw von Turow, der, wie die Geschichtschreiber sagen, ein aufrichtiger gut herziger Mann war, und das Verlangen nach Frieden immer mehr und mehr zu Herzen nahm, bat den Fürsten Jurii von Rostow sich mit dem Großfürsten Isäslaw zu versöhnen, und redete ihm so lange zu, bis er seine Absicht erreichte.

 

 

 

 

 

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Fürst Jurii achtete demnach nicht weiter auf die Vorstellungen der Fürsten Rostislaw, Jurii Jaroslawitsch und ihrer Gehülfen, und schloß mit dem Großfürsten Isäslaw einen Vertrag, dessen Hauptinhalt darin bestand, daß jeder das was er besaß behalten sollte, nemlich Isäslaw, Wladimir in Wolhynien Luzk und das ganze dazu gehörige Gebiet bis zum Gorün, nebst dem nowgorodschen Tribut, Fürst Jurii aber Kiew nebst allen dazu gehörigen Provinzen. Man setzte hierauf fest, daß die Fürsten Isäslaw und Jurii zur völligen Beendigung des Friedens beym Fürsten Wetscheslaw in Peresopniza zusammen kommen sollten, und bekräftigte diesen Preliminair-Vertrag durch Küssung des Kreuzes.

 

Im Jahre 1150 kam Fürst Jurii, gedachten Vertrage zufolge, im Frühlinge zu seinem Bruder Wetscheslaw nach Peresopniza, wo sich bald darauf auch der Großfürst Isäslaw mit großer Pracht einfand, und von seinen Vaterbrüdern mit vieler Achtung empfangen ward. Die Fürsten bestätigten hier den durch ihre Gesandten geschlossenen Vertrag, fügten aber selbigem einen sehr schwer zu erfüllenden Punkt bey, der zu neuen Mißhelligkeiten Anlaß gab, nemlich: „daß alles nach dem Treffen bey Perejaslawl erbeutete Gut, als Pferde, Vieh und dergleichen, da wo ein jeder das seine finden würde zurück gegeben werden sollte.“ Der Großfürst schickte diesem

 

 

 

 

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zufolge einige vornehme Personen und Richter zur Schlichtung der Streitigkeiten ab, welche viele Sachen für die ihrigen erkannten; Fürst Jurii aber ward bey den häufig vor ihn gebrachten Klagen dieser Untersuchung überdrüßig, und verbot Isäslaws Leuten ihre Untersuchungen weiter fortzusetzen, welche hierauf mit wenig oder nichts zurück kehrten. Isäslaw sahe dieses als eine offenbahre Verletzung des Vertrages an, und ließ sich darüber durch seine Gesandten bey den Fürsten Wetscheslaw und Jurii beschweren. Fürst Wetscheslaw von Turow rieth seinem Bruder das aufgefundene zurück zu geben, oder nach dem Werth zu bezahlen, und sich auf solche Art mit dem Großfürsten auseinander zusetzen, Fürst Jurii aber wollte durchaus nichts davon hören.

 

In diesem Jahre vermählte Fürst Jurii Wladimirowitsch eine seiner Töchter mit dem Fürsten Olg Swätoslawitsch von Sewerien, und eine andre Namens Olga mit dem Fürsten Jaroslaw Wladimirowitsch einem Sohne des Fürsten von Halitsch, mit dem sie schon lange vorher verlobt gewesen war.

 

In diesem Jahre kam Fürst Igor Davidowitsch des Fürsten Igor Jaroslawitsch Enkel nach Kiew.

 

In eben diesen Jahre kamen die Polowzer, auf die Nachricht von dem Kriege zwischen den rußischen Fürsten, in großer Menge über den

 

 

 

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Dnieper, und eroberten die Stadt Tortschesk. Fürst Jurii, der über die Schwarzmützen, als vermeintliche Anhänger Isäslaws aufgebracht war, hatte ihnen bey dieser Gelegenheit keine Truppen zu Hülfe geschickt, wogegen diese den Großfürsten zu einem Feldzuge gegen Kiew aufmuntern ließen und ihm aus allen Kräften behülflich zu seyn versprachen.

 

In diesem Jahre fielen die Nowgoroder an der Wolga herab ins rostowsche Gebiet, und lieferten der Armee des Fürsten Jurii ein Treffen, welches sich in der Nacht dergestalt endigte, das jeder Theil sich den Sieg zumaß.

 

In eben diesem Jahre fielen die Jemen ins nowgorodsche Gebiet, wurden aber von den gegen sie abgefertigten nowgorodschen Truppen geschlagen.

 

Da Fürst Jurii Wladimirowitsch hörte, das die Berendeer mit ihm unzufrieden und zum Aufruhr geneigt wären, da viele Kiewer seine Besitznehmung von Kiew für wiederrechtlich erklärten, und er die tschernigowschen Fürsten für Isäslaws Freunde hielt, fand er für gut, sich auf einige Zeit nach Rostow und Susdal zu begeben, indessen aber den Fürsten Wetscheslaw von Turow nach Wüschgrad zu ruffen und ihm die Regierung in Kiew zu übertragen. Fürst Rostislaw war zwar dieser Anordnung sehr zuwieder und stellete seinem Vater vor: daß wenn der Großfürst Isäslaw in seiner Abwesenheit einen

 

 

 

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Versuch gegen Kiew unternehmen sollte, Wetscheslaw solches nicht zu schützen vermöge, wenn es aber einmal verlohren wäre so würde man selbiges noch weit schwerer wieder erlangen. Jurii folgte diesem Rathe seines Sohnes nicht, sondern berief seinen Bruder Wetscheslaw zu sich und gab ihm Wüschegrad ein, wogegen dieser Peresopniza dem Fürsten Gleb Jurjewitsch abtrat, Fürst Andrei Jurjewitsch aber sich aus Wüschegrad zu seinem Vater begab.

 

Der Großfürst Isäslaw, der indessen von der Unzufriedenheit der Kiewer Nachricht erhalten hatte, ließ bey seinen Vaterbrüdern von neuem um die Wiedererstattung des erbeuteten Guts Ansuchung thun, brachte nach einer abschlägigen Antwort eine Armee zusammen und kam nach Luzk, ohne das jemand wußte weder wohin noch worauf sein Zug gerichtet wäre. Er übernachtete in Luzk und brach am Morgen gegen Peresopniza auf, wo er den Fürsten Gleb sehr schlecht auf seiner Hut nahe bey der Stadt im Lager fand, ihn angrif und sich sowohl des Gepäckes als aller Truppen bemächtigte, so daß Gleb kaum selbst in die Stadt entkam, und in dieser Verlegenheit um freyen Abzug zu seinem Vater bitten ließ. Der Großfürst ließ ihn persönlich zu sich entbieten, nahm ihn bey seiner Ankunft mit Achtung auf, lud ihn zum Mittagsmale, übergab ihn nachher der Aufsicht seines Sohnes Mstislaw, und verfügte sich nach Dorogobush

 

 

 

 

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und von da nach Tortschesk *) wo er den Fürsten Gleb von einigen seiner Leute begleitet mit folgendem Auftrage entließ: „Er sollte zu seinem Vater gehen und ihm bekannt machen, daß er, Isäslaw, im Anzuge sey, um das was man ihm wiederrechtlich entrißen und vorenthalten habe, zurück zu nehmen.“ Gleb versprach, seinen Vater zum Frieden zu bereden, und reisete auf Uschesk, der Großfürst Isäslaw aber begab sich über Golsk und Kumila nach Poroßje, wo die Schwarzmützen zu ihm kamen und ihn mit vieler Freude empfingen. Fürst Jurii Wladimirowitsch wußte von allem diesem nichts, bis ihn Fürst Gleb Jurjewitsch persönlich davon benachrichtigte, worauf er sich mit diesem seinem Sohne und einer geringen Begleitung über den Dnieper nach Gorodez (Ostr) begab, und dem Fürsten Wetscheslaw sagen ließ, daß er sich eiligst nach Kiew verfügen sollte, der aber kaum in der Stadt angekommen war, als schon der Großfürst Isäslaw mit seinen Truppen vor selbiger anlangte. Als dieses in der Stadt bekannt wurde, gingen die Kiewer Isäslawen in großer Menge entgegen, erzählten ihm daß Jurii über den Dnieper gegangen und Wetscheslaw auf Jaroslaws Hofe sey, und baten ihn sich geradezu in die Stadt und auf den großfürstlichen Hof zu begeben. Isäslaw

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*) Nach den Umständen Belaja-Zerkow. Petb. J. 1784.

 

 

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ließ Wetscheslawen mit aller Höflichkeit vorstellen: „er habe ihn vor diesem gebeten nach Kiew zu kommen und mit ihm gemeine Sache zu machen, er habe sich aber damals nicht dazu bequemen wollen, da er aber jezt des Fürsten Jurii wegen, der ihn doch jederzeit minder als er geschätzt habe, in die Stadt gekommen sey, so bitte er ihn, sich aus selbiger in seine Besitzungen zu begeben und so wie vorher in Ruhe zu leben.“ Wetscheslaw erwiederte hierauf: „Da Kiew, die gewesene Residenz seines Vaters, ihm als dem ältesten der Fürsten zugehöre, so werde er es so lange er lebe niemanden abtreten.“ Diese Antwort war nicht nur Isäslawen sehr unangenehm, sondern er sahe darin auch verschiedenen Anlaß zu neuen Unruhen und Streitigkeiten, und besorgte vornehmlich die Kiewer möchten bey ihrem damaligen Wiederwillen gegen Jurii sich an Wetscheslawen vergreifen. Dieses brachte ihn zu dem überlegten Entschluß selbst zu Wetscheslawen zu gehen, und ihn mit Liebe und Zärtlichkeit zur Abreise zu bewegen, worauf er den Bitten der Kiewer gemäß in die Stadt einzog und sich zuerst in die Kirche der heiligen Sophia, von da aber unter der Begleitung des ganzen Volks auf Jaroslaws Hof begab. Wetscheslaw saß damals im Altan, das Volk aber schrie, theils daß man ihn heraus treiben, theils daß man die Pfosten des Altans unten abhauen solle. Isäslaw trug den vornehmsten Kiewern auf, das Volk zu beruhigen und begab sich mit einer geringen Begleitung zu Wetscheslawen,

 

 

 

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neigte sich vor ihm als vor einem älteren und vornehmern Fürsten, sezte sich zu ihm und fing eine Unterredung an, in welcher er ihm die Besorgnis eines Aufstandes vorstellte, und ihn sich keiner solchen Gefahr auszusetzen, sondern sich in Frieden nach Wüschegrad zu verfügen bat, wo sie sich weit bequemer über die zu nehmende Maasregeln berathschlagen könnten. Da Wetscheslaw sahe, daß das Volk würklich unruhig zu werden anfing, begab er sich aus Kiew nach Wüschegrad. Isäslaw begleitete ihn mit vieler Ehrerbietung bis weit vor die Stadt hinaus, und kehrte hierauf wieder nach Kiew zurück, wo er mit allen dasigen ansehnlichen Leuten einen Rath hielt, in welchem, wie die Geschichte meldet, die ältesten und weisesten ihm, sich mit seinen Vaterbrüdern zu versöhnen, den Söhnen des Fürsten Jurii Gorodez oder Perejaslawl zu geben, dadurch den Krieg zu endigen und die Ruhe wiederherzustellen, die Schmeichler aber hingegen den Fürsten Jurii und seine Söhne aus den Oertern, deren sie sich bemächtiget hätten, zu vertreiben riethen. Der Großfürst schickte nach genommenem Entschlusse, seinen Sohn Mstislaw nach Kanew, und trug ihm auf, daselbst über den Fluß zu gehen und einen Versuch zu machen, den Fürsten Rostislaw aus Perejaslawl zu vertreiben.

 

Als Fürst Mstislaw Isäslawitsch in Kanew ankam, schickte er auf die andre Seite des Dniepers, um die perejaslawschen Torken und die übrigen Kriegsleute zu überreden, daß sie aus der Stadt zu

 

 

 

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ihm übergehen sollten, Fürst Rostislaw aber, der hievon Nachricht erhielt, ließ seinen damals in Gorodok befindlichen Vater um Hülfe bitten, die ihm sogleich unter Anführung des Fürsten Andrei Jurjewitsch zugeschickt wurde. Die beiden Brüder rückten nach Vereinigung ihrer Truppen gegen Kanew vor, zwangen die Torken vom Dnieper, wo sie ihnen den Weg abschnitten, nach Perejaslawl zurück zu kehren, und ließen den Fürsten Mstislaw nicht über den Fluß.

 

Unterdessen hatte Fürst Jurii Wladimirowitsch zu den Davidowitschen nach Tschernigow und zum Fürsten Swätoslaw Olgowitsch nach Nowgorodok-Sewerskoi geschickt und sie gegen Isäslaw, der ihn nach geschlossenem Frieden aus Kiew vertrieben hätte, um Hülfe bitten lassen, wogegen diese Truppen versprachen und auszurüsten anfingen. Als Fürst Wladimirko von Halitsch erfuhr, daß der Großfürst Isäslaw aus Wladimir in Wolhynien gegen Kiew im Anzuge sey, brach er eilends auf, um ihm den Weg abzuschneiden, da ihm aber dieses nicht gelang ging er gerade auf Kiew zu.

 

Der Großfürst ließ auf die Nachricht daß der Fürst von Halitsch über den Bolochow gegangen und schon bey Munarewo sey, seinem Sohne Mstislaw Befehl ertheilen, die Berenditschen an sich zu ziehen und unverzüglich nach Kiew zurück zu kehren. Er selbst begab sich mit seinen Großen nach Wüschgrad um die Sache mit Wetscheslaw zu Ende zu bringen,

 

 

 

 

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bringen, wo nach vielen Unterhandlungen und Streitigkeiten folgende Verabredung geschlossen wurde: „Fürst Wetscheslaw soll des Fürsten Isäslaw Mstislawitsch Vater und Isäslaw Wetscheslaws Sohn heißen. Fürst Wetscheslaw soll in Kiew beym Großfürsten Isäslaw wohnen, und von ihm mit Liebe und Achtung begegnet werden. Die Regiernng in Kiew führt der Großfürst Isäslaw, der aber Wetscheslaws, als seines Vaters, Rath, in Ehren halten soll;“ welches sowohl von den Fürsten, als den Anwesenden Großen beschworen wurde. Nach diesem kamen beide Fürsten nach Kiew und beschlossen, daß Fürst Wetscheslaw in der Stadt bleiben, der Großfürst Isäslaw aber mit der Armee wider den Fürsten von Halitsch gegen Swenigorod aufbrechen, und die Schwarzmützen ihm unverzüglich folgen sollten.

 

Der Großfürst Isäslaw Mstislawitsch ging mit seinem Bruder Wladimir und seinem Sohne Mstislaw dem Fürsten von Halitsch entgegen, erfuhr auf dem Wege daß selbiger schon über den Perepetowo gehe und wandte sich deshalb vom swenigorodschen Wege gegen Tumaschtsch, wo sich die Schwarzmützen mit ihrer gesammten Macht einfanden, die unterdessen ihre Weiber und Kinder in die Städte gebracht und eingeschlossen hatten, damit sie gegen einen unversehenen Anfall der Polowzer sicher seyn und die Städte sich selbst vertheidigen könnten.

 

 

 

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Sobald Isäslaw dem Fürsten von Halitsch nahe kam, rüstete er sich am folgenden Morgen zur Schlacht, sezte über die Stugna und Oschaniza an deren Höhe Wladimirko stand, und fertigte eine streifende Parthey ab, die eine zur Armee des Fürsten von Halitsch gehörige Viehherde erbeutete, worauf dieser sogleich gegen Isäslaw vorrückte und nachdem die Schützen einige Zeit über die Stugna Pfeile gewechselt hatten, ihn mit seiner ganzen Macht angrif. Als die bey Mstislaw befindliche, auf dem Flügel in der Ebene stehende Polowzer, die den Feind von der Seite und im Rücken angreifen sollten, die Stärke und gute Ordnung der Armee des Fürsten von Halitsch gewahr wurden, fingen sie an zurück zu weichen; Isäslaw drang zwar, ungeachtet seine Truppen noch nicht alle angekommen waren, mit großer Tapferkeit in den Feind, da aber die Schwarzmützen, die auf dem rechten Flügel neben dem Fluß standen, wie auch die Kiewer ihren Platz verließen und sich nach ihrer Wagenburg zurück zogen, sahe er sich, da er allein mit wenigen der seinen und einigen ungarischen Truppen nachgeblieben war, gleichfalls zum Rückzuge gezwungen. Da der Fürst von Halitsch die Kiewer nach der einen, die Schwarzmützen und Polowzer nach der andern Seite ausweichen, den Fürsten Mstislaw aber sich zwischen ihnen in der Mitte langsam zurück ziehen sahe, hielt er solches für eine Kriegslist und wagte es nicht sie zu verfolgen. Isäslaw erfuhr auf seinem Rückzuge, daß Fürst Jurii gleichfalls

 

 

 

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im Anzuge sey, und begab sich eilends nach Kiew, wo er Wetscheslawen von allem umständlich benachrichtigte und sich nachher mit ihm zur Mittagstafel sezte.

 

Um eben diese Zeit, langten Fürst Juri, seine Söhne, die Davidowitschen und beide Swätoslawen bey dem Kiew gegen über gelegenen Ufer des Dniepers an.

 

Der Großfürst rieth jezt dem Fürsten Wetscheslaw nach Wüschgrad zu gehen, welches er auch that; er selbst aber ließ seine Truppen sich bey Dorogowitsch zusammen ziehen, brachte in der Nacht sein Gepäcke aus der Stadt, und begab sich aus Kiew durch das drewische Gebiet nach Wladimir in Wolhynien.

 

Am folgenden Morgen kam der Fürst von Halitsch vor Kiew an, und nahm seine Stellung bey Olgs Grabhügel neben einem Lusthofe, Fürst Jurii Wladimirowitsch aber ging an demselben Tage über den Dnieper und legte nebst den tschernigowschen und andern Fürsten bey ersterem einen Besuch ab, wo sie ohne von ihren Pferden zu steigen eine Unterredung hielten, und unter andern sich wegen Isäslaws Verfolgung berathschlagten. sie fertigten hierauf noch an demselben Tage die Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch und Boris Jurjewitsch ab, die zwar dem Großfürsten bis zum Teufels-Walde nachsezten, aber unverrichteter Sache zurück kehren mußten, weil Isäslaw alle Brücken und Fähren hinter sich abwerfen und verbrennen ließ

 

 

 

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und sein Nachtrab überall die Fuhrten vertheidigte; Isäslaw erreichte also ungestöhrt den Gorin, ließ seinen Sohn Mstislaw in Dorogobush zurück und begab sich mit seinem Bruder Wladimir nach Wladimir in Wolhynien.

 

Fürst Jurii Wladimirowitsch hielt am 28sten August wiederum seinen Einzug in Kiew, wo er für die Fürsten ein Gastmal anstellte, den Fürsten Wladimirko reichlich beschenkt mit Bezeigung seiner Dankbarkeit nach Halitsch entließ, und ihm seinen Sohn Mstislaw Jurjewitsch zur Begleitung gab. Fürst Mstislaw Isäslawitsch begab sich bey der Annäherung dieser Fürsten aus Dorogobush zu seinem Vaterbruder Swätopolk Mstislawitsch nach Luzk. Der Fürst von Halitsch kam vor Luzk, stand daselbst vier Tage lang ohne etwas zu unternehmen, kehrte hierauf in sein eigenes Gebiet zurück, und entließ den Fürsten Mstislaw Jurjewitsch nach Peresopniza.

 

Am 5ten September kamen die vom Fürsten Jurii Wladimirowitsch zu Hülfe gerufene Polowzer bey Perejaslawl an. Da Fürst Jurii von ihnen nichts gutes erwartete, und seine Armee noch nicht auseinander gelassen hatte, schickte er den Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch seinem Sohne Rostislaw mit einigen Truppen zu Hülfe, und befahl die Polowzer mit dem Andeuten, daß sie sich zu spät eingefunden hätten und der Krieg indessen geendiget sey, zum Rückzuge zu überreden; sie richteten aber solche Verheerung im Lande an, daß die Leute aus den Dörfern nach den Städten flüchten mußten und

 

 

 

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aus selbigen kein Vieh aufs Feld heraus lassen durften, Fürst Jurii schickte indessen seinen Sohn Andrei ab, welcher mit den Polowzern einen Vertrag schloß, und sie durch Geschenke zur Rückkehr bewog. Swätoslaw verfügte sich hierauf mit seinen Truppen nach Kiew, Andrei aber blieb bis zum 15ten September bey seinem Bruder in Perejaslawl, und kehrte zu seinem Vater zurück, welcher ihm in Erwägung seiner Tapferkeit und Vorsicht Peresopniza, Turow und Dorogobush übergab, seinen Sohn Mstislaw aber zu sich nach Kiew berief.

 

Als der Großfürst Isäslaw erfuhr daß Fürst Andrei Jurjewitsch in Peresopniza angekommen sey, ließ er ihn um seine Vermittelung zum Frieden mit seinem Vater ersuchen, welches zwar Andrei seinem Vater anzeigen ließ, unterdessen aber die Stadt befestigte und sie mit hinlänglichen Truppen zur Wache und Gegenwehr versah.

 

Fürst Jurii wollte nichts vom Frieden hören, und machte sich dadurch den Kiewern noch mehr verhaßt. Diese wünschten insgesammt daß er die Stadt verlassen möchte, und schmäheten sein unordentliches Leben seine unordentliche Regierung und seine unbegränzte Herrschbegierde; er aber brachte seine Tage in unaufhörlichen Lustbarkeiten Gastmalen, und vielem Trinken zu.

 

Da der Großfürst Isäslaw die Gesinnungen der Kiewer kannte und überdem wußte, daß verschiedene derselben, die tschernigowschen Fürsten gegen Jurii, durch Vorstellung seiner gefährlichen

 

 

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Absichten gegen die abgetheilten Fürsten, einzunehmen suchten, entschloß er sich nach vorgängiger Berathschlagung mit seinen Brüdern und Räthen, seinen Bruder Wladimir Mstislawitsch nach Ungarn zu schicken und den König von Ungarn um Hülfstruppen gegen die Fürsten Jurii und Wladimirko von Halitsch bitten zu lassen. Der König von Ungarn nahm den Fürsten Mstislaw mit vieler Freundschaft und Achtung auf, ließ sogleich Truppen zusammen ziehen, brach selbst gegen die Grenzen von Halitsch auf, schickte Gesandte an den Großfürsten ab, und ließ ihm bekannt machen, daß er in Begleitung des Fürsten Wladimir Mstislawitsch mit einer großen Macht im Anzuge sey, und mit dem Großfürsten verbunden, Halitsch mit vereinigten Kräften zu bekriegen wünsche.

 

Fürst Wladimirko von Halitsch, welcher damals bey Belsh stand, verließ auf die Nachricht von der Ankunft des Königes von Ungarn im Gebürge, sein Lager und eilte nach Peremüschl, der König aber kam über das Gebürge, bemächtigte sich des Städtchens Sanok, nahm den Stathalter des Fürsten Wladimirko mit allen bey ihm befindlichen Truppen gefangen, und erschien vor Peremüschl.

 

Da Fürst Wladimirko diese glücklichen Unternehmungen des Königes von Ungarn in seinem Lande sahe, schickte er dem ungarischen Erzbischofe Kutnischew, zweyen andern Bischöfen, und andern vornehmen Personen, viele Geschenke, und ließ sie ersuchen, sie möchten den König zum Frieden und Rückzuge bereden.

 

 

 

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Der Erzbischof und die Bischöfe suchten zwar den Fürsten Wladimirko zur Annahme ihrer Religion zu bewegen, da er ihnen aber antwortete: es sey keine Zeit davon im Kriege zu reden, riethen sie dem ungeachtet dem Könige inständigst nach Ungarn zurück zu kehren, wobey ihnen unter andern zum Vorwande diente, daß der Herbst und die Regenzeit herannähere Isäslaw aber noch nicht angekommen sey. Der König folgte ihrem Rath und trat am 26sten October, in Begleitung seines Schwagers Wladimir Mstislawitsch, seinen Rückzug an, welches er Isäslawen bekannt machen, und ihn zugleich bitten ließ, er möchte seinem Bruder Wladimir sich mit der Tochter des ersten ungari schen Bans zu vermählen erlauben, wozu Isäslaw, obgleich er mit dem Rückzuge des Königes nicht wohl zufrieden war, seine Einwilligung ertheilte. Der König schickte die Braut nach geschehener Verlobung zur Vollziehung ihrer Vermählung mit anständiger Pracht, zum Großfürsten Isäslaw *), welcher sie mit Freundschaft und Achtung aufnahm und ihr nebst den bey ihr befindlichen Ungarn die Stadt Tilog zum Unterhalte anwieß, wofür sie ein mit allem nöthigen reichlich versehenes Haus eingerichtet war

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*) Die Geschichtschreiber bemerken hiebey, es seybey den Slawen von alters her Sitte gewesen, daß der Bräutigam sich nicht zur Braut begeben, sondern das man die Braut zum Bräutigam gebracht habe

 

 

 

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und sowohl sie selbst als ihre Begleitung beschenkt, und leztere zurück entlassen wurde. Fürst Wladimir war beym König in Ungarn krank zurück geblieben, bat aber gleich nach seiner Genesung um Erlaubnis zur Abreise und ward sowohl vom Könige als von seiner Schwester der Königin mit vielen Ehrenbezeigungen und Geschenken entlassen. Der König gab ihm beym Abschiede ein Schreiben an den Großfürsten mit, und trug ihm auf selbigem auch mündlich zu sagen: „Da der deutsche Kaiser sich wiederum gegen ihn zum Kriege rüste, so könne er in diesem Winter und Frühlinge ihm nicht in Person zu Hülfe kommen, er werde sich aber bemühen ihm, da es die Noth erfordere, zehntausend Mann Hülfstruppen zu schicken; denn ihre Schilde wären nicht getrennt.“

 

Die Königin von Ungarn, welche den Großfürsten als ihren Vater ehrte, und ihres Verstandes wegen, sowohl über alle ungarische Großen als über den König selbst sehr viel vermochte, versprach und bemühete sich aufs äußerste, dem Großfürsten alle mögliche Hülfe zu schaffen.

 

Der Großfürst empfing seinen Bruder Wladimir Mstislawitsch bey seiner Zurückkunft aus Ungarn mit vieler Freude, und dankte ihm, daß er diese Bemühung zu ihrer beiden und des Vaterlandes Ruhm und Besten übernommen hätte; er schickte bald darauf nach dessen Braut, und feierte die Vermählung mit einer der fürstlichen Würde angemessenen Pracht und vielen Lustbarkeiten.

 

 

 

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In demselben Jahre ließ Fürst Swätoslaw Ogowitsch den Sarg seines Bruders Igor aus dem kopürewitschen Stadttheile in Kiew nach Tschernigow bringen, und daselbst in der Heilandskirche im Palaste beysetzen, wo Igor am 25sten Junius unter die Heiligen gerechnet wurde.

 

Im Jahre 1151 schickte der Großfürst im Frühlinge seinen Bruder Wladimir wegen der erbetenen Hülfsvölker zum zweiten male nach Ungarn und gab ihm seine Gemahlin, als zum Besuch ihrer Eltern, mit; er schrieb zugleich an den König und bat ihn, sein Versprechen zu erfüllen.

 

Der König von Ungarn nahm den Fürsten Wladimir freundschaftlich auf, zog sogleich eine Armee unter Anführung des Woiwoden von Siebenbürgen und königlichen Kämmerers zusammen, versahe sie zum Ankauf der nöthigen Bedürfnisse mit Gelde, und ließ dem Großfürsten zum voraus bekannt machen, daß zehntausend Mann abgefertiget wären, daß der Großfürst selbige so lange als er ihrer bedürfen möchte bey sich behalten könne, und daß er ihm, wenn mehrere nöthig seyn sollten, die erforderliche Anzahl zuzuschicken bemüht seyn werde. Bald nach diesem machte sich auch Fürst Wladimir ungesäumt auf den Weg, holte die Armee auf der Grenze ein, und kam mit ihr glücklich zu Wladimir in Wolhynien an. Isäslaw, dessen Armee schon zum Feldzuge bereit war, empfing den Feldherrn und die übrigen Kriegsbefehlshaber mit vieler Achtung,

 

 

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Achtung, bewirthete und beschenkte einen jeden nach seinem Stande, und brach mit der ganzen vereinigten Macht gegen Kiew auf, von daher sowohl Fürst Wetscheslaw und seine Großen, als die Kiewer und Schwarzmützen ihn um Beschleunigung seines Zuges ersuchen ließen.

 

Er zog zuerst gegen Peresopniza, wo sich damals Fürst Andrei Jurjewitsch aufhielt, machte bey Wüschegrad Halt, und wandte sich hierauf gegen Milsk. Hier versammelte er auf die Nachricht daß der Fürst von Halitsch gegen ihn im Anzuge sey, seine und die ungarischen Feldherren zum Kriegsrathe, in welchem die Schwürigkeiten der gegenwärtigen Lage, da man nemlich einen gleich starken Feind vor sich und den Fürsten von Halitsch mit einem ansehnlichen Heere in nicht gar großer Entfernung im Rücken hatte, erwogen, und beschlossen wurde, daß man sich vor allen Dingen zu hüten habe, um nicht zwischen beiden Heeren in die Mitte zu kommen.

 

Da Isäslaw die Schwürigkeiten, welche alle Gemüther unentschlossen machten, zu überwinden suchte, redete er den Kiewern zu: „sie möchten „daran gedenken, daß sie ihre Häuser und Habe und ihre vom Fürsten Jurii gleich ihm bedrängte Verwandten in Kiew zurückgelassen hätten; er sey fest entschlossen, die Wiedererlangung seines väterlichen und großväterlichen Erbes zu suchen, und werde im Vertrauen auf Gott nicht mit Schande bestehen.“ Die Ungarn hergegen munterte

 

 

 

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er durch die Vorstellung auf: „daß ihr Muth und ihre Tapferkeit in aller Welt bekannt wären, und daß sie sehr oft mit geringer Macht große Armeen überwunden hätten.“

 

Nach diesem schickte Isäslaw seinen Bruder Wladimir Mstislawitsch nach Wladimir in Wolhynien, und begab sich selbst mit seinem Sohne Mstislaw, dem Fürsten Boris von Gorodenzk und dem ungarischen Heerführer nach Dorogobush. Die Dorogobusher kamen Isäslawen mit aller ihm als Großfürsten gebührenden Ehrerbietung vor der Stadt entgegen, und baten, sie gegen Schaden und Verheerung ihrer Stadt zu schützen, wogegen er mit ihrer Ergebenheit und Treue vergnügt, ihre Ruhe und Wohlfahrt zu sichern versprach, und von ihnen nichts anders verlangte, als daß sie die Armee nach Möglichkeit mit Proviant versehen sollten, welches sie mit Vergnügen thaten. Isäslaw vertheilte alles unter die Ungarn, und zog von der Stadt ab. Er ging über den Gorün gegen Chotr, wandte sich von da nach Korez wo er mit Freuden empfangen ward und machte jenseit der Stadt nicht weit vom Slutsch Halt.

 

Um diese Zeit hatte der Fürst von Halitsch den Fürsten Waßilko Jaropoltschitsch zum Fürsten Andrei Jurjewitsch nach Peresopniza geschickt, und ihn mit seinen Truppen zu Hülfe rufen lassen. Fürst Andrei hatte mit seinem Vetter Fürsten Wladimir Andreewitsch von Bushesk Verabredung genommen, und

 

 

 

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kam mit ihm zusammen bey Milsk (jezt Radomüschl) zum Fürsten von Halitsch, worauf man den Vortrab abfertigte und Isäslawen nacheilte.

 

Als der Großfürst erfuhr, daß der Fürst von Halitsch mit den Fürsten Andrei Jurjewitsch und Wladimir Andreewitsch vereinigt, bey Dorogobush angekommen sey, und über den Gorün gehe, setzte er selbst am frühen Morgen über den Shlutsch, zog durch den Teufels-Wald gegen Uschesk, und machte jenseit des Fluses Uscha, um den Uebergang seines Nachtrabes abzuwarten, neben der Stadt Halt, worauf sogleich die Bogenschützen des Fürsten von Halitsch, welcher Isäslawen ohne auszuruhen auf dem Fuße folgte, an dem Ufer des Shlutsch erschienen. Der Großfürst schickte von seiner Seite gleichfalls Bogenschützen an den Fluß, um den Fürsten von Halitsch den Uebergang streitig zu machen, zog sich selbst mit der Hauptarmee ein wenig gegen die Stadt zurück, und beschloß in einem mit dem Fürsten Wladimir und Mstislaw und den Feldherren gehaltenen Kriegsrath, mit seiner ganzen Macht näher an den Fluß zu rücken und dem Fürsten von Halitsch den Uebergang zu wehren, wenn sich aber eine bequeme Gelegenheit darbieten sollte, selbst über den Fluß zu gehen und den Feind anzugreifen. Nachdem die Schützen über drey Stunden lang am Fluße gestritten hatten, brachte man Isäslawen einige Gefangene, welche aussagten daß der Fürst von Halitsch, um seine weit nachgebliebene Truppen abzuwarten, hinter einem nahen Walde stehen geblieben

 

 

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sey und bis sich das ganze Heer zusammen ziehen könne, die Bogenschützen gegen den Fluß abgefertiget habe.

 

Der Großfürst war entschlossen den Fürsten von Halitsch sogleich anzugreifen, da er aber dieses dem versammelten Kriegsrathe bekannt machte, waren alle Feldherren anderer Meinung und riethen so viel möglich nach Kiew zu eilen, weil es bekannt sey, das Fürst Jurii keine Armee in Bereitschaft habe; sollten sie indessen vom Fürsten Wladimirko eingeholt werden, so könne man ihn an einem bequemen Orte angreifen, weil man für gewiß annehmen könne daß wenigstens seine ganze Armee den Großfür sten nicht einholen werde; ausserdem könne man bey Teterew von den Schwarzmützen und andern Städten Hülfe erwarten.

 

Isäslaw ließ sich diesen Rath gefallen, brach sogleich auf und stand bey Swätoslawlä-Kriniza, Wladimirko aber ging in derselben Nacht über die Uscha und kam Isäsläws Armee so nahe, daß die Wachten einander im Gesichte waren.

 

Der Großfürst beschloß in einen gehaltenen Kriegsrathe, sich in der Nacht gegen Mülsk zu wenden, und befahl beym Aufbruche im ganzen Lager Feuer anzulegen und Wachten nachzulassen. Bey seiner Ankunft vor Mülsk kamen ihm viele seiner um Teterew wohnenden Kriegsleute mit großer Freude entgegen, worauf er jenseit Teterew

 

Petb. J. 1784

 

 

 

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Halt machte, dann weiter gegen Wosdwishenje vorrückte, und daselbst, zum Ausruhen der Pferde, bis zum Abende stehen blieb. Da er jezt versichert war, daß der Fürst von Halitsch ihn nicht mehr einholen könne, rief er seine Brüder, seinen Sohn Mstislaw, den Fürsten Boris von Gorodensk und die vornehmsten Ungarn zu sich, that ihnen ohne vom Pferde zu steigen den Vorschlag, ihren Zug gegen Belgrad zu richten und fertigte nach getroffenem gemeinschaftlichen Schluß seinen Bruder Wladimir ohne allen Verzug gegen diese Stadt ab, während das er selbst über die Wosdwishenja sezte.

 

Fürst Wladimir kam so unversehens vor Belgrad an, daß niemand in der Stadt davon wußte, und der daselbst befindliche Fürst Boris Jurjewitsch, der sich eben mit seinen Freunden belustigte, in seine Hände gefallen wäre, wenn nicht der bey der Brücke bestellte Zolleinnehmer selbige abgeworfen hätte. Da Wladimir Mstislawitsch die Stadtthore verschlossen sahe, ließ er, als ob er sich zum Sturm anschickte, die Trompeten blaßen und alle Trommeln schlagen, worauf Boris die Stadt verließ, die Belgrader aber die Thore öfneten und Wladimirn in ihre Stadt einluden. Wladimir ließ die Brücke ausbessern und zog in die Stadt ein, worauf er Isäslawen von allem benachrichtigte und ihm zugleich meldete daß Fürst Jurii nichts von seinem Anzuge wisse und keine Armee in Bereitschaft habe,

 

 

 

 

 

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daß die Schwarzmützen auf allen Wegen starke Wachten ausgestellt hätten, damit niemand von Seiten des Fürsten von Halitsch oder der Söhne des Fürsten Jurii mit Nachrichten durchkommen könne, und daß sie verschiedene Boten aufgegriffen hätten und gefangen hielten.

 

Der Großfürst kam auf diese Nachricht mit dem ganzen Heere an, ließ seinen Bruder Wladimir bey Belgrad stehen um den Fürsten von Halitsch aufzuhalten, und eilte selbst mit den Ungarn nach Kiew.

 

Unterdessen war Fürst Boris Jurjewitsch aus Belgrad zu seinem Vater gekommen, und hatte ihm die Nachricht gebracht, daß Isäslaw mit einem großen Heere vor dieser Stadt angekommen sey. Da sich nun zu gleicher Zeit in Kiew ein Gerücht verbreitete, daß Isäslaw den Fürsten von Halitsch und Juriis Söhne geschlagen habe, und Fürst Jurii Wladimirowitsch in diesem Fall weder von irgend jemand Hülfe erwarten noch weniger sich auf die Kiewer verlassen konnte, zog er am 6ten April aus Kiew aus, und begab sich über den Dnieper nach Jurjew-Gorodok. Kaum hatte Jurii die Stadt verlassen, als Isäslaw vor selbiger ankam, und von dem ganzen Volk empfangen ward. Er hielt sogleich seinen Einzug und erhielt bey dieser Einnahme von Kiew weit mehr, als Fürst Jurii, ihm nach ihrem Vertrage zu erstatten verweigert hatte.

 

 

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Am folgenden Tage nach Isäslaws Einzu ge in Kiew ließ er für die vornehmen Kiewer und Ungarn ein Gastmal anstellen, bey welchem sich die ungarischen Musikanten hören ließen, und in der ganzen Stadt große Freude herrschte, aus welcher sich das Volk mit Bewunderung versammelte, um die Ungarn spielen zu sehen und anzuhören.

 

Der Fürst von Halitsch stand damals mit dem Fürsten Andrei Jurjewitsch bey Mülsk, um von dem Fürsten Jurii von Rostow Nachricht zu erwarten, da sie aber nichts von ihm vernahmen schickten sie nicht ohne Besorgnis einige Leute ab, um sich zu erkundigen, wo Isäslaw stehe und was sonst vorgefallen sey.

 

Die Abgeordneten kamen mit der Nachricht zurück, daß der Großfürst Isäslaw in Kiew sey, Fürst Jurii von Rostow aber sich mit genauer Noth von wenigen Leuten begleitet nach Jurjew-Gorodok gerettet habe.

 

Der Fürst von Halitsch sprach jezt zu den Fürsten Andrei Jurjewitsch und Wladimir Andreewitsch. „Er wundere sich sehr über die Regierung des Fürsten Jurii von Rostow, der von Isäslaws Vorhaben gewußt und gar keine Vertheidigungs-Anstalten getroffen habe. Isäslaws Anmarsch hätte ihm unmöglich verborgen bleiben können, wenn er sich nur soviel darum bekümmert hätte, als um seine Belustigungen mit seinen Freunden und dem Frauenzimmer,

 

 

 

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er, der Fürst von Halitsch, habe nun alles für ihn gethan.“ Er wars hierauf den Fürsten vor, daß sie, da sie den Großfürsten vor sich gehabt, weder ihre Besitzungen beschüzt, noch sich zur Vertheidigung der gemeinen Sache gefaßt gemacht hätten, und sagte zu ihnen beym Abschiede: „so wie ihr mit Jurii regiert, so helft euch auch; ich allein kann den Krieg gegen Isäslaw nicht ausführen.“ Hierauf kehrte er mit großem Mißvergnügen nach Halitsch zurück, und nahm von allen Städten Brandschatzung an Silber und Gold, bis auf das, welches die Weiber in den Ohren und am Halse trugen.

 

Da die Fürsten Andrei Jurjewitsch und Wladimir Andreewitsch sahen, daß sie ihre Besitzungen gegen Isäslaw zu vertheidigen nicht im Stande wären, machten sie sich mit wenigem Gepäcke auf, und begaben sich nach Ust-Pripet und Dawidowa-Boshenka, gingen daselbst über den Dnieper und kamen in Ostr-Gorodok beym Fürsten Jurii von Rostow an, der von allem vorgefallenen benachrichtigt, jezt die Vernachläßigung seiner Regierung und Vertheidigung bereuete.

 

Da der Großfürst befürchtete daß der Fürst von Rostow sich mit den tschernigowischen und sewerischen Fürsten vereinigen könnte, sandte er am folgenden Morgen nach seinem Einzuge zum Fürsten Wetscheslaw, um ihn wiederum nach Kiew

 

 

 

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einzuladen; weil er ihn an Vatersstat halten und sich nach ihrem geschlossenen Vertrage weder im Glücke noch Unglücke von ihm trennen wolle, worauf Wetscheslaw zu ihm zu kommen versprach.

 

Am 17ten April am Freytage der Charwoche starb Fürst Rostislaw Jurjewitsch in Perejaslawl und ward in der Kirche zum heiligen Michael neben seinen Vettern Andrei und Swätoslaw begraben.

 

In diesem Jahre thaten die Polowzer einen Einfall ins räsanische Gebiet, die räsanischen Fürsten aber setzten ihnen mit einigen Truppen nach, holten sie am Fluße Bolschaja-Worona ein, und machten viele Gefangene.

 

Um eben diese Zeit fielen andre Polowzer ins sewerische Gebiet ein, und thaten um Perejaslawl und Kursk großen Schaden, weil die rußischen Fürsten durch ihre innerliche Kriege geschwächt sich nicht vertheidigen konnten.

 

Am 20sten April kam Fürst Wetscheslaw Wladimirowitsch nach Kiew, und ward daselbst mit Liebe und Achtung empfangen. Der Großfürst speisete an demselben Tage bey ihm zu Mittage, und vergnügte sich mit ihm bis zum späten Abende, worauf beide Fürsten die Ungarn mit vielen Geschenken an Kleidern, Stoffen, Pferden, Silber und verschiedenen andern Sachen beschenkten.

 

 

 

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Um diese Zeit erhielt man die Nachricht, daß der Fürst von Halitsch sich nach Halitsch, die Fürsten Andrei Jurjewitsch und Wladimir Andreewitsch aber zum Fürsten Jurii von Rostow nach Gorodez begeben hätten.

 

Am folgenden Tage schickte Fürst Wetscheslaw Wladimirowitsch, auf den Rath der vornehmsten Kiewer, einige der ansehnlichsten von ihnen mit folgendem Auftrage zum Großfürsten: „Er danke ihm für die ihm erwiesene Achtung und daß er ihn als seinen Vater ehre; er von seiner Seite verlasse sich in allem auf ihn, und erlaube ihm, wenn er es für nöthig finden sollte, die turowischen Truppen wie seine eigene zu gebrauchen, werde auch jederzeit wenn Isäslaw zu Felde ziehen sollte, Kiew persönlich zu beschützen bereit seyn.“ Der Großfürst ging hier auf sogleich selbst zu ihm, dankte ihm und versprach bis an sein Lebensende mit ihm laut dem geschlossenen Vertrage in der genauesten Verbindung zu bleiben.

 

Nach diesem luden Isäslaw und Wetscheslaw, sowohl die Fürsten als den ungarischen Heerführer mit seinen Gehülfen, wie auch die kiewschen und fürstlichen Bojaren zu einem großen Kriegsrathe ein, in welchem folgendes verhandelt wurde. Der Großfürst wünschte ehe die Armee auseinander gelassen würde, über den Dnieper zu gehen, den Fürsten Jurii von Rostow aus Gorodez und dessen Sohn aus Perejaslawl

 

 

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zu vertreiben, und ihnen keine Zeit zu lassen, Truppen auszubringen und sich mit den tschernigowschen Fürsten zu verbinden.

 

Der ungarische Heerführer sagte, daß seine Truppen abgemattet wären, daß er ohne Befehl seines Königes nicht über den Dnieper gehen könne, und um seine Abfertigung bitte.

 

Die vornehmen Kiewer stelleten gleichfalls vor, daß die Truppen abgemattet wären, und auf den Feldern noch nicht hinlängliches Futter für die Pferde vorhanden sey; sie riethen zu den tschernigowschen Fürsten zu schicken und sie von ihrer Verbindung mit dem Fürsten von Rostow abwendig zu machen.

 

Der Großfürst faßte hierauf dem Entschluß den ungarischen Heerführer mit seinen Truppen abzufertigen, und trug ihm auf dem Könige für die geleistete Hülfe zu danken, ihn zu versichern; „daß diese Hülfe ihm und dem ganzen ungarischen Reiche zu großer Ehre und ewigem Ruhme gereiche,“ und zugleich zu versprechen, daß er in vorkommenden Fällen ihn gleichfalls mit der ganzen rußischen Macht unterstützen wolle.

 

Um indessen seine Dankbarkeit noch deutlicher an den Tag zu legen, und die bestehende Verbindung zu befestigen, sandte Isäslaw seinen Sohn Mstislaw Isäslawitsch nebst einigen erfahrnen Bojaren nach Ungarn, und gab ihnen ein Danksagungs-Schreiben an den König mit,

 

 

 

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worin er auf alle Fälle um Hülfe bat und selbige gleichfalls zu leisten versprach.

 

Fürst Mstislaw Isäslawitsch reisete am 28sten April aus Kiew nach Ungarn ab. Nach diesem lud man den Fürsten Rostislaw von Smolensk schriftlich nach Kiew ein, um die gemeine Sache zur Endschaft zu bringen.

 

Isäslaw wandte unterdessen alle mögliche Mühe an, seine Truppen zu verstärken in gute Verfassung zu bringen, und mit Waffen, die man von den Griechen gekauft hatte, zu versehen.

 

Zu gleicher Zeit sandte er heimlich Leute, als in ihrem eigenen Angelegenheiten nach Tschernigow ab, um die Davidowitschen an ihr ihm ehemals geleistetes Versprechen zu errinnern, und sie zur Aufhebung ihres Bündnißes mit dem Fürsten von Rostow zu überreden.

 

Fürst Jurii Wladimirowitsch hatte indessen von seiner Seite gleich bey seiner Ankunft in Gorodez, die Fürsten Wladimir Davidowitsch in Tschernigow und Swätoslaw Olgowitsch in Nowgorodok-Sewerskoi von allem vorgefallenen benachrichtigen, und zugleich ersuchen lassen, daß sie ihre Truppen zusammenziehen und ihm zu Hülfe kommen sollten.

 

Fürst Swätoslaw Olgowitsch von Sewerien brach auf Verlangen des Fürsten von Rostow ohne das Osterfest abzuwarten am Montage der Charwoche auf, und zog ihm mit seiner Armee

 

 

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zu Hülfe; worauf ihm am folgenden Tage, den 15ten April, ein Sohn gebohren ward, der den Namen Igor in der heiligen Taufe aber den Namen Georg erhielt.

 

Fürst Swätoslaw Olgowitsch kam hierauf nach Tschernigow und suchte die Fürsten Wladimir und Isäslaw zu bewegen, dem Fürsten von Rostow gegen Isäslaw Mstislawitsch zu Hülfe zu ziehen.

 

Diese Fürsten bezeigten zum Kriege gegen den Großfürsten keine Lust, und erklärten sich gegen Swätoslawen: Fürst Wladimir nemlich, daß er krank sey und wegen vieler häuslichen Geschäfte nicht zu Felde ziehen könne, auch dem Fürsten von Rostow nicht rathe gegen seinen in Kiew befindlichen ältern Bruder zu kriegen; Isäslaw Davidowitsch aber sagte: es thue ihm leid, daß er dem Fürsten Jurii vor diesem Hülfe geleistet habe, jezt aber werde er sich zu Isäslawen begeben, weil dieser gegen seinen Vaterbruder das Recht auf seiner Seite habe.

 

Wladimirs Tüsäzkoi Asarii Tschudin sagte hiebey in Swätoslaws Gegenwart: „Gott hilft dem Großfürsten Isäslaw in seiner gerechten Sache, Jurii von Rostow hat zweymal sich der Herrschaft über Kiew zu versichern gesucht, hat aber beide male nicht damit zu Stande kommen können, und ist nach vergebenem Verlust vieler Leute mit Schimpf und Schaden

 

 

 

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vertrieben worden; hätte er sich aber in seiner Herrschaft befestiget, so würde er bald alle abgetheilte Fürsten ihrer Besitzungen beraubt haben, da denn die Polowzer sich die Mißhelligkeiten und daher entstandene Schwäche der rußischen Fürsten zu Nutz gemacht, und alle ohne Mühe unter ihre Herrschaft gebracht haben würden.“

 

Der Fürst von Sewerien schimpfte den Tüsäzkoi Asarii im Zorn, daß er erkauft sey, oder die Fürsten blos deshalb vom Kriege abrathe, weil er sich von seinem jungen Weibe zu trennen fürchte, redete hierauf dem Fürsten Wladimir Davidowitsch ferner zu, mit ihm gemeine Sache zu machen, und schreckte ihn zugleich dadurch, daß Fürst Jurii Kiew erobern und ihn aus Tschernigow vertreiben werde. Wladimir war zwar hierüber sehr mißvergnügt, da er aber die ganze Macht der Fürsten von Rostow und Sewerien nahe um sich sahe, begab er sich wieder Willen mit Swätoslawen auf den Weg und kam mit ihm zum Fürsten Jurii, wo sie zusammen am 23sten April das Georgs-Fest feierten.

 

Fürst Isäslaw Davidowitsch achtete alle Drohungen des Fürsten Swätoslaw nicht, und begab sich mit seinen gesammten Truppen nach Kiew zum Großfürsten Isäslaw Mstislawitsch.

 

Die Geschichtschreiber sagen: Isäslaw Davidowitsch habe dieses auf geheime Verabredung mit seinem Bruder gethan, und schliessen aus diesem

 

 

 

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und andern ähnlichen Schritten der tschernigowschen Fürsten, daß beide Brüder nur deshalb verschiedene Parthey ergriffen hätten, um entweder von der einen oder andern Seite etwas zu erlangen; denn welcher von den Kriegführen den Partheyen auch immer der Sieg zufiele, so konnten sie ihn zu ihrem Nutzen anwenden.

 

Um diese Zeit kam auch Fürst Rostislaw Mstislawitsch von Smolensk mit vielen Smolenskern in Kiew an, und ward von seinem Bruder dem Großfürsten und seinem Vaterbruder Wetscheslaw mit vieler Freude empfangen; worauf sie Isäslaws Truppen sich am Lübed, Rostislaws aber bey Wüschgrad lagern ließen, einander wechselsweise zu Gaste luden und sowohl einer dem andern als ihren Feldherren viele und reiche Geschenke machten.

 

Unterdessen erhielt Fürst Jurii von Rostow eine große Menge Polowzer zu Hülfe, nach deren Ankunft er sogleich den größten Theil des Fußvolks zu Wasser abfertigte, selbst mit der Reuterey gegen Kiew anrückte, und am niedern Ufer des Dniepers der Stadt gegenüber in Zelten stand, von da er das Fußvolk in Kähnen über den Fluß zu gehen beorderte.

 

Isäslaw hatte indessen bedeckte Fahrzeuge bauen und so einrichten lassen, daß die Ruderer durch Baumrinden bedeckt nicht zu sehen, und an jedem Kahn vorne und hinten Steuerruder angebracht waren, so daß man mit selbigen ohne umzuwenden

 

 

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den Fluß herauf und herab gehen konnte, oben darauf aber standen Bogenschützen in ihren Harnischen. Die Fahrzeuge rückten auf dem Dnieper vor, fingen ein Gefecht an und hinderten die feindlichen Kähne vom Ufer abzustoßen.

 

Da Fürst Jurii sahe daß der Uebergang an dieser Stelle zu beschwerlich seyn würde, fand er für gut den Fluß herab zu gehen; weil man aber mit den Kähnen nicht wohl Kiew vorbey kommen konnte, befahl er selbige in den See Duleb und von da zu Lande in die Solotscha zu bringen, durch welche sie den Fluß herab wieder in den Dnieper einliefen, während daß der Fürst selbst mit der Reuterey an dem niedrigen Ufer des Flußes fortrückte.

 

Isäslaw zog mit seiner ganzen Armee ihm gegenüber an dem gegenseitigen Ufer des Flußes fort, die beiderseitigen Fahrzeuge aber gingen neben den Ufern herab. Beide Armeen blieben an der Fuhrt bey Wätitschewo stehen, wo Jurii mit seiner ganzen Macht über dem Fluß zu setzen versuchte, aber von Isäslaws Fahrzeugen gehindert wurde, welche seine Kähne nicht vom Ufer abkommen ließen.

 

Fürst Swätoslaw Olgowitsch sahe nun daß der Uebergang auf diese Art schwerlich zu Stande kommen möchte, und that den Vorschlag, in der Nacht mit einer Parthey am Fluße herab zu gehen, um irgend ein Mittel zum Uebergange

 

 

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ausfindig zu machen. Er verließ nach genommener Verabredung die Fürsten Jurii und Wladimir Andreewitsch bey Wätitschewo, und ging mit den Polowzern bis zum Verhau herab, wo Isäslaw nur eine geringe Wache ausgestellt hatte. Swätoslaw kam daselbst beym Anbruche des Tages an und schickte sogleich einige Leute schwimmend über den Fluß; die vorgedachte Wache aber wehrte ihnen den Uebergang, und vertheidigte den Posten, ohne Isäslaw von der Ankunft dieser, nach ihrer Meinung geringen feindlichen Parthey zu benachrichtigen.

 

Indessen ritten die Polowzer in großer Menge alle zugleich in den Fluß, worauf Isäslaws Leute sogleich die Flucht ergriffen die Polowzer aber auf der andern Seite des Flußes Halt machten. Hierauf gingen die Fürsten Swätoslaw Olgowitsch und Swätoslaw Wsewolodowitsch den Polowzern nach über den Dnieper, und ließen solches dem Fürsten Jurii bekannt machen, welcher sogleich nebst den übrigen Fürsten ankam, über den Fluß ging, und hierauf den Fürsten von Halitsch, ihm mit seiner Armee schleunig zu Hülfe zu kommen, ersuchen ließ.

 

Als der Großfürst hörte, daß Swätoslaw Olgowitsch mit den Polowzern über den Dnieper gekommen sey, zog er sich gegen Kiew zurück, und nahm seine Stellung am Lübed, Isäslaw Davidowitsch aber an der andern Seite vor der goldenen Pforte.

 

 

 

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Wetscheslaw Wladimirowitsch stand zwischen beiden in der Mitte neben dem Großfürsten, Isäslaw Davidowitsch zwischen der goldenen und Juden-Pforte, Rostislaw von Smolensk vor der Juden-Pforte, Boris von Gorodensk vor der Läzkischen Pforte, die Kiewer aber theilten sich in verschiedene Haufen und standen zwischen den fürstlichen Truppen um die Stadt herum, so daß das ganze Feld bedeckt war, und alles sich zum Treffen anschickte.

 

Jezt berief Wetscheslaw Wladimirowitsch alle Fürsten zusammen und sprach zu ihnen: „Da Jurii sein jüngerer Bruder, ihn wieder alles Recht aus Kiew vertreiben wolle, so wolle er als der Aeltere ihn ermahnen und ihm die Gerechtigkeit seiner Sache vorstellen lassen, um dadurch dem Blutvergiessen zu wehren, und keine Schuld und Theil daran zu haben.“ Da dieser Vorschlag von allen beliebt ward, rief Wetscheslaw den Tüsäzkoi Belowoloß zu sich, und befahl ihm, sich zum Fürsten Jurii zu begeben, und ihm nach vorgängiger Begrüßung folgendes bekannt zu machen: „Er, Wetscheslaw, habe sowohl ihn, seinen Bruder Jurri, als seinen Neffen Isäslaw vielfältig, ihrer Mißhelligkeiten wegen keine Leute aufzuopfern ermahnet, selbst aber von ihnen nie etwas verlangt, und seines Vorrechts des Alters, der allgemeinen Ruhe wegen nie erwähnt. Es habe von beiden gleiche Beleidigungen erduldet, ohne die

 

 

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ihm von seinem Vater nachgelassene Truppen gegen einen von ihnen zu gebrauchen, auch habe man ihm zuweilen von beiden Seiten geschmeichelt. Als Isäslaw mit seiner Armee gegen Igor anrückte, habe er ihn versichert daß er Kiew nicht für sich sondern für ihn erobern wolle, sobald er aber selbiges in Händen gehabt, habe er ihm selbst Turow und Pinsk genommen. Als Jurii wider Isäslaw gegen Perejaslawl vorrückte, habe er bekannt gemacht, daß er Kiew nicht für sich sondern für seinen ältesten Bruder Wetscheslaw verlange, und habe ihn seinen Vater genannt, da er aber durch Gottes Hülfe Isäslawen überwunden und Kiew eingenommen, habe er ihm, Wetscheslawen, Peresopniza und Dorogobush genommen, und ihm anstat dessen blos Wüschgrad gegeben. Er habe indessen alle diese harte Beleidigungen Rußlands Ruhe wegen, für nichts geachtet und mit Geduld überwunden, über dieses alle Fürsten von Fehden abzuhalten und zu versöhnen gesucht, man habe ihn aber nicht hören wollen, indessen habe er jezt bekannt zu machen befohlen, daß er, seinem jüngern Bruder Juri das Vorrecht des Alters nicht abtreten werde. Isäslaw habe nach seiner Eroberung Kiews, ihm alle Ehre erzeigt und ihn seinen Vater genannt, er hergegen sehe Isäslawen als seinen Sohn an, und werde seinem Bruder keinesweges nachgeben; denn als Jurii gebohren worden sey,

 

 

 

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habe er, Wetscheslaw, schon einen Bart getragen.“

 

Wetscheslaws Gesandter fand den Fürsten Jurii von Rostow bey Waßiljew (Waßilkow) und eröfnete ihm alles, was ihm zu sagen befohlen war.

 

Fürst Jurii Wladimirowitsch schickte hierauf von seiner Seite einen Gesandten zu Wetscheslaw und ließ ihm sagen: „wenn er bey ihm so wie bey Isäslaw in Kiew bleiben wolle, so werde er ihn auch Vater nennen, Isäslawen aber werde er Kiew nicht abstehen.“

 

Fürst Wetscheslaw Wladimirowitsch entließ den Gesandten mit folgender Antwort: „sage meinem Bruder Jurii, er hat sieben Söhne, die ich nicht von ihm treibe, ich aber habe nur zwey Söhne Isäslaw und Rostislaw, die er auch nicht von mir vertreiben soll; übrigens rathe ich ihm, aus Liebe für Rußlands Ruhe und zur Schonung der Leute, nach Rostow und Susdal zurück zu kehren, und die Olgowitschen und Polowzer von sich zu lassen.“

 

Diese Ermahnungen waren, nach dem Bericht der Geschichte, den Absichten des Fürsten von Rostow so wenig gemäß, daß er am folgenden Morgen frühe seine Truppen bewafnete und gerade auf Kiew zuging, wogegen Isäslaw ihn am Lübed empfing und ihm den Uebergang streitig machte. Die Fürsten Andrei Jurjewitsch und Wladimir Andreewitsch drangen zwar mit den Polowzern über den Fluß, wurden aber sogleich von den Truppen

 

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des Großfürsten tapfer angegriffen und zurückgeschlagen, bey welcher Gelegenheit der polowzische Fürst Siweitsch Bonakowitsch auf dem Plaze blieb. Als hierauf Fürst Jurii Nachricht erhielt, daß ihm Fürst Wladimirko von Halitsch zu Hülfe komme, brach er am folgenden Tage mit seiner ganzen Armee auf und entfernte sich von Kiew.

 

Der Großfürst und sein Bruder Rostislaw glaubten das Jurii fliehe, beschlossen ihn zu verfolgen und baten Wetscheslawen, daß er auch seine Truppen dazu bereden möchte.

 

Wetscheslaw wiederrieth den Fürsten von Rostow zu verfolgen und sprach: „wir werden heute Abends oder morgen früh erfahren, ob er würklich zurück kehre, oder ob darunter eine andre Absicht verborgen sey.“

 

Der Großfürst fertigte hierauf den Fürsten Boris von Gorodensk mit einer kleinen Parthey auserlesener Leute nach Belgrad ab, um Kundschaft einzuziehen, wohin und in welcher Absicht der Fürst von Rostow von Kiew aufgebrochen sey. Fürst Jurii war indessen vor Belgrad angekommen, und verlangte daß man ihm die Thore öfnen sollte, da er aber zur Antwort erhielt, daß Belgrad dem Besitzer von Kiew gehöre, ging er die Stadt vorbey durch die Wälder auf Wernewo, zog sich von da hinter Verschanzungen, und machte bey einer Kirche Halt, in Hofnung sich daselbst mit dem Fürsten von Halitsch, dem er bey seinem Aufbruch von Kiew seinen Neffen

 

 

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Wladimir Andreewitsch entgegen geschickt hatte, zu vereinigen.

 

Als der Großfürst erfuhr daß Fürst Wladimirko von Halitfch nicht weit von Kiew im Anzuge sey, beschloß er in einem gehaltenen Kriegsrathe dem Fürsten Jurii von Rostow auf dem Fuße zu folgen und seine Vereinigung mit gedachtem Fürsten zu hindern; worauf er, nach gehaltenem Gebet, mit der ganzen Armee und allen Kiewern die Waffen tragen konnten, aufbrach, so daß in Kiew blos alte Greise, Kranke und Kinder zurück blieben, welchen indessen nicht minder als den Weibern aufgetragen wurde, daß sie sich bewafnen und zur Vertheidigung der Stadt bereit seyn sollten.

 

Die Armee machte am ersten Tage bey Swenigorod (nahe bey Kiew) Halt, ging am folgenden Morgen über den Fluß und kam bey Waßilew an, wo der Großfürst von seinem Sohne Mstislaw aus Ungarn Nachricht erhielt, daß ihm der König mehrere Truppen als jemals zu Hülfe schicke, welchen man, wenns nöthig wäre, jemand zur Beschleunigung ihres Zuges entgegen schicken möchte.

 

Der Großfürst ließ den Ungarn wegen der erforderlichen Beschleunigung ihres Zuges Befehl ertheilen, und eilte selbst dem Fürsten von Rostow nach, um ihn vor seiner Vereinigung mit dem Fürsten von Halitsch zum Treffen zu zwingen. Er holte ihn an einem Donnerstage bey Perepetowo ein, wo beyde Armeen während einem ausserordentlich

 

 

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starken sturm und Regen gegen einander über standen.

 

Jezt ließ Fürst Wetscheslaw wiederum dem Fürsten vom Rostow Frieden anbieten, wozu dieser nun nicht wenig geneigt war, aber von dem Fürsten Swätoslaw Olgowitsch von Sewerien und den Polowzern gehindert und abgehalten wurde. Man blieb bis zum Abende in derselben Stellung, worauf Fürst Jurii in der Nacht über den Rut sezte.

 

Am Freytage berathschlagte sich Fürst Jurii nochmals wegen des Friedens, und hatte die Fürsten Swätoslaw Olgowitsch und Swätoslaw Wsewolodowitsch schon ziemlich dazu geneigt gemacht, die Polowzer aber wollten sich durchaus nicht bereden lassen.

 

Als der Großfürst Isäslaw die lezte Antwort erhielt, ließ er seine ganze Armee die Waffen anlegen, und gegen den Fürsten Jurii vordringen, welcher zwar, in Erwartung des Fürsten von Halitsch, das Treffen zu vermeiden suchte, aber durch Isäslaws starkes Andringen mit seiner Armee auszurücken gezwungen ward.

 

Fürst Andrei Jurjewitsch bemerkte jezt, daß die Polowzer zurück geblieben waren, verfügte sich zu ihnen, und überredete sie mit vieler Mühe ins Treffen zu gehen, worauf er zu den Seinen zurück kam, und sie zur Tapferkeit aufmunterte.

 

Der Großfürst Isäslaw und sein Bruder Rostislaw von Smolensk, hatten indessen ihre Truppen in Schlachtordnung gestellt, und fingen das Gefecht

 

 

 

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an, als sie ihren Vaterbruder Fürsten Wetscheslaw Wladimirowitsch gewahr wurden, zu ihm ritten, und ihn zu überreden suchten, daß er, der bey seinem grauen Haupte sich nicht zu schützen vermöge, sich weiter entfernen sollte, wobey sie ihm, für ihn und seine und ihre Ehre bis ans Ende ihres Lebens tapfer zu streiten versprachen. Wetscheslaw antwortete: er habe von seiner ersten Jugend an nie Lust zum Streit gehabt, da ihn aber sein Bruder jezt dazu zwinge, so sey er gesonnen am Schicksal aller übrigen Theil zu nehmen; worauf er sich, dem inständigen Bitten der Fürsten gemäß, etwas zurück auf eine Anhöhe begab und von da das Vorrücken der Truppen beobachtete.

 

Der Großfürst ließ hierauf allen seinen Truppen Befehl ertheilen, daß man auf seine Schar acht geben, und mit ihr zugleich vorrücken, vorher aber niemand sich von seinem Platze rühren sollte.

 

Jezt näherte sich auch die Armee des Fürsten von Rostow, dessen Polowzer an beiden Seiten hervor ritten, und mit dem Vortrabe fochten.

 

Fürst Andrei Jurjewitsch drang zuerst, mit einem Spiese in der Hand in Isäslaws Truppen ein, und fing das Treffen an, da aber sein Spies brach, sein Pferd durchstochen ward, und ihm als er mit selbigem niederstürzte, der Helm vom Haupte fiel, stand er vom Platze auf, und begab sich durch die seinen unverwundet zurück.

 

Fürst Wladimir Davidowitsch von Tschernigow war gleich im Anfange des Treffens, am Arme

 

 

 

 

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verwundet, vom Pferde gefallen, wurde aber von seinem Fußvolk nicht eher als bis er den Helm abgenommen hatte erkannt, und halb todt zurück getragen, welches die tschernigowschen Truppen sehr in Unordnung brachte.

 

Isäslaw war mit einem Pfeile und Spiese verwundet worden, ohne jedoch etwas davon wissen zu lassen.

 

Die Polowzer des Fürsten von Rostow, schossen ihre Pfeile ab, und flohen über den Rut, wo eine Menge derselben ertrank.

 

Als Fürst Swätoslaw Olgowitsch von Sewerien, die Verwirrung unter den Tschernigowern und die Flucht der Polowzer gewahr ward, machte er sich ihnen nach auf die Flucht; Fürst Jurii von Rostow aber und seine Söhne, welche das ganze Heer in großer Unordnung sahen, und viele ihrer besten Leute verlohren hatten gingen nun gleichfalls über den Rut, erreichten am Mittage desselben Tages den Dnieper, fuhren mit wenigen Leuten in Kähnen über, und kamen in Perejaslawl an, während daß die Fürsten Swätoslaw Olgowitsch und Swätoslaw Wsewolodowitsch sich nach der andern Seite gegen die Mündung des Pripet wandten.

 

Die übrig gebliebenen Polowzer flohen nach dem Verlust vieler besonders aber ihrer ansehnlichsten Leute an den Donez zurück.

 

Der Tüsäzkoi des Fürsten Wladimir Davidowitsch, Asaria Tschudin, begab sich nach dem Tode seines Fürsten selbst nach Kiew.

 

 

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Nach Endigung der schlacht verbot der Großfürst Isäslaw, um der Leute zu schonen, niemand jenseit des Ruts zu verfolgen, und ruhete von seinen Wunden ermattet bey seinem Vetter Wetscheslaw aus.

 

Als er aber erfuhr daß Fürst Wladimir Davidowitsch sein Leben eingebüßt habe, und dessen Bruder Isäslaw Davidowitsch sich sehr um ihn betrübe, vergaß er seinen eigenen Schmerz, begab sich selbst zum Fürsten Isäslaw Davidowitsch und tröstete ihn. Er beweinete mit ihm den Verlust seines Bruders, und fertigte dessen Leichnam nach Tschernigow ab, wohin auch Fürst Isäslaw Davidowitsch zurück kehrte und das Fürstenthum Tschernigow in Besitz nahm. Während daß man die Verwundeten und Gebliebenen besorgte, wurde dem Großfürsten die Nachricht gebracht, daß Fürst Jurii von Rostow sich in Perejaslawl gesezt habe. Da er nun diesem Fürsten nicht Zeit lassen wollte seine zerstreuten Truppen zu sammeln und Vertheidigungs-Anstalten zu machen, ging er sogleich mit seinem Vaterbruder Wetscheslaw und seinem Bruder Swätopolk beym Verhau über den Dnieper, stand beym Dorfe Moshewo im Lager, und sandte eine Parthey gegen Perejaslawl ab, um die flüchtigen Truppen des Fürsten von Rostow nicht in die Stadt zu lassen.

 

Da Fürst Jurii von Rostow seine Armee geschlagen sahe, und weder auf baldigen noch zuverläßigen

 

 

 

 

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Beystand hoffen konnte, ließ er Isäslawen und seinem Bruder Wetscheslaw Friedensvorschläge thun, welche diese gerne annahmen und darauf mit ihm folgenden Vertrag schlossen: Erstens: Fürst Jurii von Rostow soll nach Rostow und Susdal (das damalige Weiß-Rußland) zurück kehren, und ferner keine Ansprüche auf Kiew machen; Zweitens, die Gefangenen sollen von beiden Seiten in Freyheit gesezt werden; Drittens, Fürst Jurii kann einen seiner Söhne, welchen er will, in Perejaslawl lassen, dieser soll aber unter der Oberherrschaft des Großfürsten stehen. Die Fürsten beschworen dieses insgesammt bey Küssung des Kreuzes und gingen in Frieden auseinander.

 

Der Großfürst Isäslaw begab sich mit seinem Vetter Wetscheslaw nach Kiew, Fürst Jurii aber, der an denselben Tage abzureisen versprochen hatte, blieb nicht nur mit seinen Söhnen in Perejaslawl, sondern schickte von da Abgeordnete zum Fürsten von Halitsch, welchen er gegen Kiew vorzurücken bat, und von seiner Seite eine ansehnliche Zahl Truppen aufzubringen versprach; seine Abgeordnete wurden aber von den Berenditschen aufgefangen und zum Großfürsten gebracht. Da Isäslaw vernahm, daß Fürst Jurii von Rostow mit dem Fürsten von Halitsch Unterhandlungen hege, und wiederum nach Polowzern geschickt habe, fertigte er sogleich einen seiner Großen mit folgendem Auftrage an ihn ab: „Er, Fürst von Rostow, habe im Vertrage versprochen nach Ro – stow

 

 

 

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und Susdal zurück zu kehren, sey aber ,anstat dessen in Perejaslawl geblieben und habe mit dem Fürsten von Halitsch und den Polowzern Unterhandlungen angefangen. Wenn er demnach nicht an demselben Tage Perejaslawl verlassen und in seine Besizungen zurück kehren wolle, so werde man ihm völlig als einem Feinde begegnen.“

 

Der Fürst von Halitsch hatte, als er nur noch eine Tagereise von dem Orte des leztern Treffens entfernet war, die Niederlage des Fürsten von Rostow erfahren, und war auf diese Nachricht eilig nach Halitsch zurück gekehrt, welches erstern nicht minder als der strenge Befehl des Großfürsten veranlaßte, daß er seinen Sohn Gleb in Perejaslawl zurück ließ, und sich selbst nach Gorodez verfügte. Fürst Andrei Jurjewitsch bat seinem Vater inständigst, daß er in seine Besizungen zurück kehren und sich die Wohlfahrt derselben angelegen seyn lassen sollte, da er aber selbigen hierin säumen sahe, machte er sich vor ihm auf den Weg, Fürst Jurii aber blieb in Gorodez.

 

Als Fürst Swätoslaw Olgowitsch hörte, daß Jurii mit dem Großfürsten Frieden geschlossen, und Perejaslawl, wo einer seiner Söhne nachgeblieben war, verlassen habe, hielt er einen Rath, und beschloß mit seinem Neffen Swätoslaw Wsewolodowitsch, wenn sie nicht sogleich mit dem Großfürsten selbst Frieden schliessen könnten, darüber mit dem Fürsten von Tschernigow in Unterhandlung zu treten.

 

 

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Sie sandten diesem zufolge ihre Vorschläge an den Fürsten Isäslaw Davidowitsch, und schlossen einen Frieden, worinnen festgesezt wurde, daß ein jeder sein väterliches Erbe besitzen solle.

 

Als Fürst Mstislaw Isäslawitsch, der in Ungarn von dem Könige und der Königin sehr liebreich aufgenommen worden war, die Nachricht erhielt, daß der Großfürst Kiew eingenommen habe, und die Fürsten von Halitsch und Rostow zurück gekehret wären, befahl der König, daß man aus den nach Rußland beorderten zwölf tausend Mann, sechs tausend der besten Leute auswählen sollte, fertigte selbige mit dem Fürsten Mstislaw zu dessen Vater dem Großfürsten ab, und ließ ihm zugleich bekannt machen: daß er ihm im Frühlinge selbst gegen den Fürsten von Halitsch zu Hülfe kommen werde.

 

Fürst Mstislaw Isäslawitsch wandte auf seinem ganzen Wege alle mögliche Vorsicht an, um vor dem Fürsten von Halitsch sicher zu seyn, dieser aber sezte ihm sobald er von seinem Anzuge mit den Ungarn Nachricht erhielt, mit einer leichten Parthey nach, um ihm den Weg nach Kiew abzuschneiden. Mstislaw, der nichts hievon wußte, stand bey Sobino nicht weit von Luzk an einem nicht gar festen Orte, als er von seinem Vaterbruder Fürsten Wladimir Mstislawitsch Lebensmittel und Getränke für die Truppen und zugleich die Nachricht erhielt, daß er vom Fürsten von Halitsch verfolgt werde. Er rief sogleich den ungarischen Feldherrn

 

 

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zu sich und theilte ihm die erhaltene Nachricht mit, dieser aber wollte nichts davon glauben, und untersagte auch seinen Leuten den übermäßigen Gebrauch des zugeführten Getränkes nicht.

 

In der Nacht kamen die ausgestellten Posten eiligst zum Fürsten Mstislaw und meldeten ihm, daß der Fürst von Halitsch in der Nähe sey, worauf er sogleich sich mit seinen eigenen Leuten, die nicht über zweyhundert Mann betrugen, zur Gegenwehr anschickte, und die Ungarn zu wecken befahl, die aber ihrer unbewußt als Todte schliefen, so daß nicht mehr als der dritte Theil auf die Beine gebracht werden konnte. In diesem Zustande wurden sie beym Anbruche des Tages vom Fürsten von Halitsch überfallen, welcher sie als Trunkene, Wankende und Schlafende besiegte und ihren Heerführer gefangen nahm. Fürst Mstislaw hielt sich zwar mit den um ihn versammelten Leuten sehr tapfer, sahe aber daß er nichts ausrichten könne, und zog sich in den Wald zurück, von da er glücklich in Luzk ankam.

 

Diese traurige Nachricht ward dem Grosfürsten Isäslaw Mstislawitsch fast zu gleicher Zeit überbracht, als Swätoslaws Gesandten von den Gesandten des Fürsten Isäslaw von Tschernigow begleitet, bey ihm ankamen.

 

Der Großfürst war nach so vielem Verlust und ausgestandenen Beschwerden froh, die ihm zufügte schwere Beleidigungen und Kränkungen zu

 

 

 

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vergessen, und ließ den Fürsten mit großmüthiger Vergebung alles dessen sagen: daß sie selbst mit einigen ihrer Leute zu ihm kommen sollten, worauf sie sich sogleich einfanden und freundschaftlich aufgenommen wurden. Isäslaw machte ihnen bekannt: daß Fürst Jurii, dem mit ihm geschlossenen Vertrage zuwider, nicht nach Rostow zurückkehren wolle, und zog mit ihnen gegen Gorodez, wo gedachter Fürst mit seinen Söhnen Boris, Gleb und Mstislaw sich zur Gegenwehr anschickte. Obgleich nun der Großfürst alles Recht auf seiner Seite hatte, schickte er doch verschiedene male zum Fürsten Jurii und ließ ihn ersuchen, daß er sich keine vergebliche Hoffnung machen, und im Frieden zurück kehren sollte, welches Fürst Jurii mit Stolz verwarf.

 

Isäslaw befahl hierauf mit Zustimmung der bey ihm befindlichen Fürsten, die Stadt von allen Seiten einzuschliessen und anzugreifen, da denn Fürst Jurii von Rostow, als er schon sehr in der Enge war, um freyen Abzug nach Susdal ansuchen ließ, wohin er sich ungesäumt zu verfügen versprach. Der Großfürst zog sich jezt von der Stadt zurück, Fürst Jurii aber ließ seinen Sohn Gleb in Gorodez, und begab sich in Begleitung des Fürsten Swätoslaw Olgowitsch nach Nowgorodok-Sewerskoi, wo er mit vieler Achtung und Freundschaft aufgenommen, mit allen seinen Leuten drey Tage lang bewirthet, und zu seiner weitern Reise mit Fuhren versehen ward.

 

 

 

 

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Der Großfürst nahm indessen von allen Fürsten Abschied, und kehrte nach Kiew zurück.

 

Fürst Wetscheslaw kam gleichfalls in Kiew an, und bezog daselbst einen auf Ugorskoi neuerbauten großen Hof.

 

Fürst Mstislaw Isäslawitsch wurde von dem Großfürsten nach Perejaslawl versezt, welches ihm im Frieden bey Gorodez abgetreten worden war.

 

In eben diesem Jahre zwangen die Polozker ihren Fürsten Rochwold Borißowitsch, mit dem sie sehr unzufrieden waren, sich nach Minsk zu begeben, hielten ihn daselbst in strenger Verwahrung, wählten einen Sohn des Fürsten Gleb, Wseslaws Enkel, zu ihrem Regenten, und ließen den Fürsten Swätoslaw Olgowitsch von Sewerien ersuchen, daß er bey ihrem Fürsten Vaters Stelle vertreten und sie beschützen sollte, wogegen sie von ihrer Seite ihm allen Gehorsam versprachen.

 

In diesem Jahre starb die Gemahlin des Großfürsten Isäslaw Mstislawitsch in Kiew.

 

Im Jahre 1152 faßte der Großfürst, da er nunmehr vor den Fürsten von Rostow und Sewerien sicher war, den Entschluß, den vom Fürsten von Halitsch erlittenen Beleidigungen und Verheerungen seiner Länder Einhalt zu thun. Da dieser aber jederzeit von den um die Donau wohnenden Bolgaren viele Hülfstruppen hatte, sandte er wiederum seinen Sohn Mstislaw ab, um sowohl

 

 

 

 

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den König von Ungarn als auch die polnischen Fürsten um Hülfe zu bitten, während daß er von seiner Seite die Fürsten Isäslaw Davidowitsch von Tschernigow, und seinen Schwestersohn Swätoslaw Wsewolodowitsch zu dem vorhabenden Feldzuge einladen ließ.

 

Fürst Mstislaw Isäslawitsch wollte bey seiner Ankunft zu Wladimir in Wolhynien, zuerst nach Polen gehen, sein Hofmeister Dorogil aber rieth ihn davon ab, und sagte zu ihm: „er möchte lieber selbst nach Ungarn reisen, von woher man dem Großfürsten jederzeit aufrichtig Hülfe geleistet habe, und dagegen ihn an die polnischen Fürsten abfertigen, weil er ihre Weise kenne und mit ihnen zu reden wisse, damit ihre Hülfe nicht in blossen Worten bestehen möchte und sie sich dafür umsonst bezahlen ließen.“ Mstislaw folgte diesem Rath, reisete selbst nach Ungarn ab, und schickte seinen Hofmeister Dorogil zu den polnischen Fürsten nach Krakau.

 

Als die tschernigowschen und andre Fürsten, ausser den sewerischen, beym Großfürsten in Kiew zusammen gekommen waren, schlug er ihnen vor mit den Polowzern einen solchen Vertrag zu schliessen, daß sie, vom Großfürsten gegen seine Feinde zu Hilfe geruffen, dazu bereit seyn sollten, welches besonders in der Absicht geschah, um sie dadurch von dem Bündnisse mit den rostowschen und sewerischen Fürsten, auf welche sich Isäslaw bey den damaligen Umständen nicht wohl verlassen konnte

 

 

 

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abzuhalten. Man sandte diesem zu folge den Polowzern Geschenke, und vereinigte sich mit neun Fürsten, wozu man aber die Oßekulowitschen, als Oheime der sewerischen Fürsten, nicht überreden konnte. Nach diesem beschlossen die Fürsten, den unter großfürstlicher Oberherrschaft stehenden Ort Jurjew-Gorodok, wo der Fürst von Rostow anfangs einen seiner Söhne gelassen hierauf aber selbigen zurück beruffen hatte, um dem Feinde mitten im Lande keinen Zufluchtsort zu gestatten gänzlich zu schleifen und die Einwohner in andre Städte zu vertheilen, welches auch ungesäumt ins Werk gerichtet wurde.

 

Um diese Zeit ließ der König von Ungarn dem Großfürsten durch einen Gesandten bekannt machen: daß Fürst Mstislaw glücklich bey ihm angekommen sey, und er die dem Großfürsten von dem Fürsten von Halitsch zugefügte viele Beleidigungen, als Beleidigungen seiner selbst und des ungarischen Reichs ansehe, weshalb er sich selbst mit seiner Armee zum Aufbruche rüste, und sich in einer bestimmten Frist mit dem Großfürsten bey Peremüschl oder Tscherwen, zu vereinigen wünsche. Der Großfürst zog, nach einem mit seinem Vetter Wetscheslaw gehaltenem Rath, die kiewschen, perejaslawschen und turowschen Truppen, nebst den Schwarz-Mützen zusammen, und brach mit ihnen nach Wladimir in Wolhynien auf. Er vereinigte sich bey Dorogobush mit seinem Bruder

 

 

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Wladimir Mstislawitsch und verfügte sich mit selbigem nach Peresopniza, wo ihm die Fürsten Wladimir Andreewitsch aus Luzk, und Swätopolk Mstislawitsch aus Wladimir in Wolhynien mit ihren Truppen entgegen kamen, und mit ihm vereinigt weiter vorrückten. Der Großfürst ließ seinen Bruder Swätopolk in Wladimir mit dem Auftrage zurück, daß er ihm mit den Polen, sobald sie sich einfinden würden, folgen sollte, und ging hierauf mit den ihm von Mstislaw und Swätopolk zugeführten Truppen dem Könige von Ungarn auf dem selben Wege auf welchem er ehemals mit Jaroslawez Jaropoltschitsch gegen den Fürsten Andrei Wladimirowitsch angekommen war, entgegen, um sich mit ihm an dem bestimmten Orte zu vereinigen, in welcher Absicht er zum Voraus einige Leute nach der königlichen Armee abfertigte, um von dem beiderseitigen Zuge Nachricht zu geben, und einzuziehen.

 

Als der Großfürst eben über den San, welcher Peremüschl vorbey fließt, gegangen war, kam ein Abgeordneter des Königes von Ungarn unter einer Bedeckung von hundert Mann wohl bewafneter Leute, mit der Nachricht zu ihm, daß der König ihn seit fünf Tagen erwarte, und um Beschleunigung seines Zuges bitten lasse.

 

Der Fürst von Halitsch hatte indessen, auf die Nachricht von dem zwischen dem Könige von Ungarn und dem Großfürsten gegen ihn verabredeten Kriege, alle seine Truppen von der Donau und dem

 

 

 

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Dniester zusammen gezogen *) dazu zwanzig tausend Bolgaren und Serbier für Geld in Dienste genommen, und stand mit seiner ganzen, aus funfzig tausend Mann bestehenden Armee, nahe bey Halitsch am Dniester.

 

Der Großfürst schickte den Abgeordneten des Königs von Ungarn reichlich beschenkt zurück, ließ durch einen von seiner Seite abgefertigten Gesandten dem Könige Dank abstatten, beschleunigte hierauf seinen Zug und machte zur Mittagszeit jenseit Jaroslawl Halt, wo ein vom Könige abgefertigter Kriegsbefehlshaber mit tausend Mann auserlesener ungarischer Truppen bey ihm ankam. Er begab sich hierauf gleich nach der Mittagstafel zum Könige, der ihm, als er sich seinem Lager näherte, mit einer großen Anzahl vornehmer Ungarn entgegen ritt, und ihn im Felde empfing. Beyde Fürsten begrüßten

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*) Man siehet aus der Geschichte daß die Großfürsten Igor und Swätoslaw eine Gegend an der Donau in Besitz gehabt, wie auch daß Fürst Wolodar von Halitsch, nach einem schweren Kriege mit den jenseit der Donau wohnenden Bolgaren, diesen Fluß zur Grenze gesezt habe. Die hier angezeigte Zahl der Truppen zeigt, daß die Fürsten von Halitsch ein weitläuftiges Gebiet besessen haben, und unter die mächtigsten der damaligen abgetheilten rußischen Fürsten zu rechnen sind.

 

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einander, ohne vom Pferde zu steigen noch umzuwenden, mit vieler Freude und Freundschaft, gaben einander die Hand und ritten zusammen ins Lager, wo die ungarischen Truppen bis zum königlichen Zelte in guter Ordnung standen.

 

Sie stiegen hierauf bey dem großen königlichen Zelte ab, sezten sich, und ließen ungesäumt blos ihre vornehmsten Räthe zusammen ruffen, mit welchen sie sich wegen des Anfangs der Feindseeligkeiten berathschlagten und festsezten, daß man am folgenden Morgen frühe mit gesamter Macht an den San nach der Gegend vorrücken sollte, wo sich Fürst Wladimirko von Halitsch mit allen seinen Truppen und den geworbenen Bolgaren verschanzt hatte. Nach Endigung dieser Berathschlagung begab sich der Großfürst nach seinem Lager, welches aus dem ungarischen Lager zu sehen war, und wurde vom Könige bis zu der Stelle, wo er ihn empfangen hatte, begleitet, worauf beyde freundschaftlich von einander schieden.

 

Am folgenden Tage rückte der König beym ersten Anbruche des Tages unter Pauken- und Trompeten-Schall, in völliger Schlachtordnung gegen den Fürsten von Halitsch an, der Großfürst aber zog mit seiner Armee der königlichen zur Seite, worauf beyde beym San, unterhalb Peremüschl Halt machten.

 

Die Geschichtschreiber erzählen, der König habe drey und siebenzig Scharen, außer den

 

 

 

 

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Hand - und Pack-Pferden, der Großfürst aber dreysig tausend Mann bey sich gehabt.

 

Isäslaw ließ jezt die seichten Stellen und Fuhrten auskundschaften. Der Fürst von Halitsch ließ niemand über den San kommen, und rückte am folgenden Morgen mit seiner ganzen Macht an den Fluß. Da er aber sahe daß er die feindliche Armee aufzuhalten nicht im Stande wäre, ließ er einige Leute zur Vertheidigung der Fuhrten zurück, und zog sich selbst etwas weiter oberhalb am Fluße an einen festen Ort auf Anhöhen, welche von beiden Seiten durch sinkende Gründe gedeckt waren.

 

Der König von Ungarn folgte ihm auf der andern Seite des Sans, und stand gegen ihm über an einer seichten Stelle des Flußes.

 

Der Großfürst ging etwas weiter am Fluße herauf redete seinen Truppen zu „daß Gott nie die rußischen Heere verlassen habe, die sich durch ihren Muth und Tapferkeit bey allen Völkern großen Ruhm erworben hätten, jezt aber sey die Zeit für sie da, vor den Augen eines fremden Volks dem Beyspiel ihrer Väter und Voreltern nachzueifern“ und ging mit seiner ganzen Armee an einer seichten Stelle über den Fluß, welches der König gleichfalls that. Der Fürst von Halitsch rückte jezt nahe an den Fluß, ver theidigte mit aller seiner Macht die seichten Stellen, hielt die Armee des Großfürsten auf, und brachte

 

 

 

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die über den Fluß gekommene Ungarn zweymal zum Weichen.

 

Isäslaw kam indessen ungeachtet aller Gegenwehr über den Fluß, konnte aber weder weit vom Ufer vordringen, noch dem Könige wegen eines zwischen ihnen befindlichen tiefen Grabens Hülfe leisten, und sezte das Gefecht an derselben Stelle fort, bis sich einige ungarische Scharen an ihn anschlossen, worauf er gegen den Fürsten von Halitsch vordrang und seinen linken Flügel zum Weichen brachte.

 

Um diese Zeit kam auch der König mit seiner ganzen Armee über den Fluß, wurde aber vom Fürsten von Halitsch lange am Ufer aufgehalten, wo ein sehr blutiges Gefecht vorfiel.

 

Als Fürst Mstislaw Isäslawitsch sahe, daß die Ungarn vor den Augen der Russen nicht mit Schanden bestehen, die Russen aber den Ungarn nicht die Ehre des Sieges gönnen wollten, nahm er sein Schwerdt in die Hand, und warf sich nach folgender an den König gerichteten Anrede: „Wenn du für uns kämpfst, so wäre mir es schimpflich müßig an einer Stelle zu stehen“ mit allen seinen Leuten in den Feind; worauf der König, der um Mstislaw besorgt war, mit seiner ganzen Leibwache mitten unter die Halitscher und Bolgaren vordrang. Als der Fürst von Halitsch dieses und das Weichen seines linken Flügels sahe, drang er selbst, als ein tapferer Feldherr, mit seinen besten Leuten in die Scharen

 

 

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der Ungarn und Schwarzmützen ein, konnte sich aber kaum selbst mit der Flucht retten, während daß die Bolgaren und Serbier sich hinter die Moräste zurück zogen, und alle seine übrige Truppen völlig geschlagen wurden. Er flüchtete mit seinen Räthen Sbignew und Wätewitsch nach Peremüschl, wo damals nur wenige Truppen vorhanden waren, den aus der Schlacht entflohenen aber ward der Weg dahin abgeschnitten.

 

Der Großfürst rückte nebst dem Könige von Ungarn sogleich vor Peremüschl, wo viele ihrer Leute, als sie den Lusthof des Fürsten von Halitsch auf der Wiese gewahr wurden, darauf zusprengten, in Hofnung den Fürsten aufzufangen, der aber schon in die Stadt entkommen war. Der König zog alle seine Truppen an sich, stand vor der Stadt am Fluße Wäs und lobete Gott für den ihm verliehenen Sieg.

 

Fürst Mstislaw Isäslawitsch empfing für seine Tapferkeit den Dank des Königes und aller Ungarn, welche ihn sehr rühmten und ihm den größten Antheil an dem erfochtenen Siege zuschrieben.

 

Der Fürst von Halitsch ließ noch in derselben Nacht dem Erzbischofe und den Feldherren der Ungarn anzeigen, daß er an seinen schweren Wunden todtkrank darnieder liege, und den König sowohl um Frieden als um die Beschützung seines Sohnes nach seinem Tode bitten; wobey er

 

 

 

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dem Könige zu Gemüthe führte „daß er seinen Vater als er blind und von Seiten des deutschen Kaisers vieler Beeinträchtigungen ausgesetzt gewesen wäre, mit seiner Lanze vertheidiget, und um dessen erlittene Beleidigungen zu rächen, mit den Polen Krieg geführt habe.“ Die ungarischen Großen erhielten über dieses ansehnliche Geschenke, und trugen die Bitte des Fürsten von Halitsch ihrem Könige vor, welcher sie am folgenden Morgen dem Großfürsten in einer mit ihm gehaltenen Zusammenkunft eröfnete. Isäslaw errinnerte zwar den König an die in ihrem Vertrage zwischen ihnen verabredete Theilung der zum Fürstenthum Halitsch gehörigen Länder, der König aber bezeigte große Lust zum Frieden. Die Geschichtschreiber erzählen, daß die ungarischen Großen dem Könige mit folgenden Worten den Frieden vorzuziehen gerathen haben: „daß es mehr als einen russischen Fürsten giebt und sie mit einander in Streit und Krieg leben schadet uns nicht, weil wir alsdann von ihnen nichts zu befürchten haben.“ Der König sprach hierauf zum Großfürsten, daß er einem Friede bittenden Feinde selbigen nicht versagen könne, rief sodann die Gesandten des Fürsten Wladimirko zu sich und sagte zu ihnen: daß sie auch Isäslawen um Frieden bitten müßten, welche da sie hiezu keine Befehle hatten, zu ihrem Fürsten zurückkehrten, der sogleich einige seiner ansehnlichsten Leute mit sehr

 

 

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demüthiger Bitte an den Großfürsten abfertigte. Da Isäslaw sahe daß der König von Ungarn durchaus Frieden schliessen wollte, trat er mit den Abgeordneten in Unterhandlung und kam mit ihnen überein, daß der Fürst von Halitsch alle dem wladimirischen und kiewschen Gebiet entrissene Städte zurückgeben, mit dem Großfürsten Isäslaw jederzeit in genauer Vereinigung leben, ihm als den Aeltesten ehren und ihm gehorsam seyn solle. Zwischen dem Könige und dem Fürsten von Halitsch, ward wegen der Kriegsunkosten ein besonderer Vertrag geschlossen.

 

Der Großfürst sowohl als der König ordneten einige ihrer Großen ab, um den Fürsten von Halitsch das verabredete beschwören zu lassen, die ihn, als an seinen schweren Wunden krank auf dem Bette liegend fanden, wo er ohne ein Wort zu sprechen, das Kreuz küßte.

 

Nach diesen kamen der Großfürst und der König ohne Ceremoniel *) zusammen, machten einander Geschenke, und schieden in großer Freundschaft und Fröhligkeit von einander.

 

Der Großfürst ließ die ungarischen Großen nebst dem Erzbischofe zu sich rufen, beschenkte sie alle, jeden nach seinen Stande, und gab tausend Griwen

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*) Die Geschichtschreiber erwähnen, daß der hier in den Jahrbüchern gebrauchte Ausdruck, Po Mestu, gleichen Rang, gleiche Ehre und Würde bedeute.

 

 

 

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Silber unter dem ungarischen Heere zu vertheilen.

 

Der König und seine Großen nahmen von dem Fürsten von Halitsch über zwey tausend Griwen an Gold, Silber und Waaren, und machten sich auf den Weg.

 

Der König kehrte nach Ungarn zurück, der Großfürst aber kam nach Wladimir in Wolhynien und schickte von da seine Befehlshaber in die Städte Bushesk, Schumsk, Tichoml, Wüschegoshew und Gunniza, welche der Fürst von Halitsch nach dem geschlossenen Vertrage insgesammt abliefern sollte, aber nicht ablieferte.

 

Der Großfürst ließ dieses sogleich dem Könige bekannt machen, und ihn erinnern, daß er sein Versprechen, ihm, wenn der Fürst von Halitsch den Vertrag nicht erfüllen sollte, gegen selbigen Hülfe zu leisten, nicht vergessen, und da es jezt umzukehren nicht wohl thunlich sey, sich im folgenden Jahre bereit halten möchte.

 

Isäslaw kehrte hierauf nach Kiew zurück, und ward mit großer Freude empfangen, sandte auch sogleich zu seinem Bruder nach Smolensk, um ihn von seinem Siege, dem Frieden, und seiner Rückkehr nach Kiew umständlich zu benachrichtigen. Fürst Rostislaw war hierüber sehr erfreut, dankete Gott, und gab ein großes Fest und Gastmale für alle Standespersonen.

 

Fürst Jurii Wladimirowitsch war um diese Zeit in Rostow, wo er sich nach seiner gewöhnlichen

 

 

 

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Art belustigte. Da er aber hörte daß Isäslaw Gorodez habe schleifen lassen, befahl er Truppen auszurüsten, und lud die Fürsten von Räsan zum Bündnise gegen den Großfürsten ein, ohne jedoch die tschernigowschen Fürsten, auf die er sich ohnedem verließ, von seinem Vorhaben zu benachrichtigen, um selbiges nicht vor der Zeit ruchtbar zu machen.

 

Die Fürsten von Räsan gaben hievon ihrem Verwandten Isäslaw Davidowitsch von Tschernigow und dieser dem Großfürsten Nachricht, welcher sogleich zu seinem Bruder Rostislaw nach Smolensk schickte und mit ihm Abrede nahm, daß wenn der Fürst von Rostow ins smolenskische Gebiet einfallen sollte, er Isäslaw selbiges zu vertheidigen behülflich seyn werde, wenn aber der Einfall gegen das großfürstliche Gebiet gerichtet seyn möchte, er von ihm gleichmäßige Hülfe erwarte.

 

Fürst Rostislaw Jaroslawitsch von Räsan begab sich mit seinen Brüdern und Vettern den Fürsten von Murom, zum Fürsten Jurii von Rostow, und brachte viele Polowzer mit sich, weil der größte Theil der zwischen der Wolga und den Don wohnenden zu ihnen gekommen war. Fürst Jurii benachrichtigte vor seinem Aufbruche aus Susdal den Fürsten von Halitsch von seinem Vorhaben, rückte mit gedachten Fürsten vereinigt ins Gebiet der Wätitschen,

 

 

 

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und weiter gegen Mzensk und Spisch vor, und blieb bey Gluchow stehen.

 

Als Fürst Wladimirko von Halitsch die Nachricht erhielt, daß sein Schwager Jurii von Rostow gegen Isäslaw aufgebrochen sey, zog er, ungeachtet des mit lezterm und dem Könige von Ungarn geschlossenen Vertrages, schleunig seine Truppen zusammen und ging aus Halitsch gerade auf Kiew zu, wogegen Isäslaw ihm mit seiner ganzen Armee entgegen zog.

 

Da der Fürst von Halitsch sahe daß Jurii noch weit entfernt war, und daß er allein dem Großfürsten schwerlich gewachsen seyn möchte, kehrte er in sein Land zurück und ließ dem Fürsten von Rostow bekannt machen: „Er habe nach seinem Versprechen eine Armee aufgebracht und sey gegen Isäslaw zu Felde gezogen, da er aber gefunden, daß Fürst Jurii um sich wohl zu vergnügen im Gebiet der Wätitschen verweile, und Isäslaw ihm, dem Fürsten von Halitsch, mit aller seiner Macht entgegen gekommen sey, habe er in seine Länder zurückkehren müssen. Da er nun für Jurii schon dreymal große Beschwerden und Kosten getragen, Jurii aber durch seine Fahrläßigkeit alles wieder verlohren habe, so wolle er ferner ihm zu gefallen sich mit den Großfürsten in keinen Krieg einlassen.“

 

Der Fürst von Rostow stand indessen bey Gluchow und erwartete Polowzer vom Don,

 

 

 

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hatte aber schon vorher den Fürsten Swätoslaw von Sewerien zu einem gemeinschaftlichen Feldzuge gegen den Großfürsten einladen laßen.

 

Swätoslaw Olgowitsch schloß, um die Verheerung seines Gebiets zu verhüten mit dem Fürsten von Rostow, ein Bündnis; Swätoslaw Wsewolodowitsch aber ließ sich auf keine Weise dazu bereden, sondern verband sich vielmehr mit dem Großfürsten und dem Fürsten Isäslaw Davidowitsch von Tschernigow.

 

Der Fürst von Rostow zog die erwarteten Polowzer an sich, vereinigte sich bey Nowgorodok-Sewerskoi mit dem Fürsten Swätoslaw Olgowitsch, brach mit ihm gegen Beresow *) auf, und kam an einem Sonnabende mit den Polowzern an den Fluß Swina am folgenden Tage aber vor Gurgitschewo.

 

Sobald Fürst Jurii das smolenskische Gebiet vorbey war, zog ihm Fürst Rostislaw Mstislawitsch von Smolensk auf dem Fuße nach, beobachtete alle seine Bewegungen und kam vor ihm bey Ljubetsch an, um, wie es mit den Großfürsten verabredet war, dem Fürsten Isäslaw Davidowitsch von Tschernigow Hülfe zu leisten.

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*) Die Geschichtschreiber erwähnen, daß die Stadt Beresow bey Bränsk an der Stelle des swinskischen Klosters gelegen habe, wo noch jezt jährlich am 15ten August ein Jahrmarkt gehalten wird.

 

 

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Fürst Rostislaw vereinigte sich auf diesem Wege mit dem Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch und kam mit ihm zugleich in Tschernigow an, wo sie von dem Fürsten und allem Volk mit großer Freude empfangen wurden.

 

Der Fürst von Rostow stand indessen bey Goritschewo und schickte die Polowzer gegen Tschernigow aus, die viele Gefangene und Beute machten, weil die Leute nicht Zeit gewonnen hatten, sich in die Städte zu flüchten. Die Fürsten von Tschernigow und Smolensk befahlen indessen, daß alle Leute um den Gewaltthätigkeiten der Polowzer auszuweichen, den Ostrog bey Tschernigow verlassen, und sich ins Schloß begeben sollten.

 

Am folgenden Morgen kamen Jurii und Swätoslaw frühe bey Semin, die Polowzer aber vor Tschernigow an, wo sie den leeren Ostrog einnahmen und die Stadt mit aller Macht angriffen; wogegen die tschernigowschen Truppen selbige mit vielem Muthe vertheidigten.

 

Fürst Andrei Jurjewitsch that, um die Polowzer und alle andre Truppen aufzumuntern, seinem Vater und den übrigen Fürsten den Vorschlag, daß jeden Tag einer von ihnen wechselsweise beym Sturme zugegen seyn sollte, und machte selbst mit seinen Leuten den Anfang, worauf alle übrigen Fürsten, jeder an seinem Tage gegen die Stadt anrückten, und Fürst Jurii zwölf Tage lang vor Tschernigow stehen blieb.

 

 

 

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Isäslaw Davidowitsch befahl indessen seine Leute nicht aus der Stadt zu lassen, um solche nicht ohne Nutzen aufzuopfern.

 

Als der Großfürst, der mit dem Fürsten Wetscheslaw Wladimirowitsch bey Loshitschi stand, Nachricht erhielt, daß Fürst Jurii Tschernigow belagere und daß die Polowzer daselbst viel Unheil anrichteten, ging er mit seiner ganzen Armee über den Dnieper, näherte sich der Stadt Tschernigow, und schlug bey Mirowisk einen Vorposten des Fürsten Jurii, wogegen die Polowzer einen Mann aus Isäslaws Armee auffingen und zum Fürsten von Rostow brachten. Die Polowzer zogen sich auf die erste Nachricht von der Annäherung des Großfürsten und des Fürsten Wetscheslaw zurück, worauf die Fürsten Jurii und Swätoslaw sogleich die Belagerung der Stadt aufhoben, und schon über die Swina und den Son waren, als Fürst Wetscheslaw bey Beloi-Weß ankam, und dieses in Tschernigow bekannt machen ließ.

 

Fürst Isäslaw Davidowitsch war hierüber sehr erfreut, und begab sich nebst dem Fürsten Rostislaw ungesäumt zum Großfürsten und dem Fürsten Wetscheslaw, wo man in einem gehaltenen Rath, dem Fürsten Jurii mit vereinigter Macht zu folgen beschloß, aber bald darauf die Nachricht erhielt, daß die Fürsten Jurii und Swätoslaw, jeder in sein Land zurück geflohen wären, und wegen des eingefallenen starken Frostes und Schnees

 

 

 

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viele Pferde auf dem Wege verlassen hätten.

 

Die von jenseit des Dons gekommene Polowzer flohen in ihr Land zurück, und verheereten auf ihrem Wege viele dem Fürsten Swätoslaw Olgowitsch gehörige Wohnsitze.

 

Der Fürst von Rostow nahm seinen Weg über Nowgorodok-Sewerskoi und Rülsk, und wollte sich eben von dem leztern Orte entfernen, als Fürst Swätoslaw Olgowitsch eiligst mit der Bitte zu ihm kam, daß er sich nicht weiter zurück ziehen sollte, weil sonst der Großfürst in sein Gebiet einfallen und sich desselben bemächtigen könnte. Fürst Jurii versprach zwar, ihm eine hinlängliche Anzahl Truppen zurück zu lassen, ließ aber nur fünfhundert Mann unter Anführung seines Sohnes Waßilko nach, und kehrte selbst nach Susdal zurück.

 

Der Großfürst Isäslaw hielt mit seinem Vetter Wetscheslaw und den übrigen Fürsten und Feldherren Kriegsrath, in welchem Fürst Isäslaw Davidowitsch von Tschernigow sehr darauf drang, daß man in die Besitzungen des Fürsten Swätoslaw Olgowitsch von Sewerien einrücken sollte, Fürst Swätoslaw Wsewolodowitsch aber dagegen vorstellte, daß sein eignes Gebiet hiedurch gleichfalls der Verheerung ausgesezt, besonders aber die Feindschaft unter den Fürsten noch mehr gestärkt und der innerliche Krieg verlängert werden würde, wobey er

 

 

 

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seine Vermittelung anbot, um die Sache zur gütlichen Endschaft zu bringen und seinen Vaterbruder zum Frieden zu bewegen. Da dieser Vorschlag von allen genehmiget wurde, sezten die Fürsten gemeinschaftlich fest, daß sie die Truppen auseinander lassen, wenn aber der Friede nicht erfolgen sollte, selbige sobald die Flüße festgefroren seyn würden, wieder zusammen ziehen, und gegen die Fürsten von Sewerien und Rostow aufbrechen wollten, womit ein jeder nach seinem Gebiet zurück kehrte.

 

Als der Großfürst mit seinem Vetter Wetscheslaw in Kiew ankam, und den schlechten Fortgang der Unterhandlungen mit den Fürsten Swätoslaw Olgowitsch sahe, ließ er, sobald die Flüße mit Eise bedeckt waren, seinen Bruder Rostislaw in Smolensk ersuchen, daß er mit den smolenskischen und nowgorodschen Truppen an die rostowschen Grenzen rücken, und den Fürsten Jurii aufhalten, ihm aber seinen Sohn Roman Rostislawitsch mit einigen Truppen zu Hülfe schicken sollte.

 

Isäslaw Mstislawitsch selbst brach am 22sten Januar des 1153sten Jahres mit dem Fürsten Wetscheslaw nach Nowgorodok-Sewerskoi gegen die Fürsten Swätoslaw Olgowitsch und Waßilko Jurjewitsch auf, machte nach seinem Uebergange über den Dnieper bey der Alta Halt, und bat daselbst seinen Vaterbruder Wetscheslaw, daß er seines Alters und seiner Schwachheit

 

 

 

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wegen nach Kiew zurück kehren sollte, welches dieser zwar anfangs nicht thun wollte, sondern Isäslawen bis Wsewolosh begleitete, von da aber seinen Rückweg nach Kiew antrat. Als man bey Wsewolosh Nachricht erhielt, daß die Polowzer um Perejaslawl und an der Sula eingefallen wären, schickte der Großfürst seinen Sohn Mstislaw mit seiner eigenen Schar und den Berendeern, Torken, Ishäslawzern und Porsanen *) gegen sie ab, sezte hierauf seinen Zug mit der übrigen Armee gegen Nowgorodok-Sewerskoi fort, zog unterweges den Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch mit seinen Truppen, und seinen Neffen Roman Rostislawitsch mit den Smolenskern an sich, und kam am 11ten Februar vor Nowgorodok an, wo sich an demselben Tage auch Fürst Isäslaw Davidowitsch von Tschernigow einfand. Die Fürsten griffen jezt die Stadt mit vereinigten Kräften an; sie baueten einen Dam **) von welchem sie Pfeile und Steine in die Stadt werfen ließen, und stelleten

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*) Die Geschichtschreiber sagen, daß alle diese Stämme auf diese Art nach gewissen Gegenden, sonst aber auch Schwarzmützen genannt worden sind, unter deren Wohnsitze die Stadt Ishäslawl gerechnet wurde.
**) Die Geschichtschreiber melden, daß unter dem hier gebrauchten Worte, Woroch, ein Erdhaufen oder eine von Holz verfertigte Erhöhung verstanden werde.

 

 

 

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Mauerbrecher *) auf, stürzten damit die Festungswerke ein, bemächtigten sich des Ostrogs, und schickten streifende Partheyen in das ganze sewerische Gebiet aus, um von den fürstlichen Höfen alle Pferde und alles Vieh zusammen zu treiben, wogegen sie die Dörfer und Bauern zu schonen befahlen.

 

Da sich nun Fürst Swätoslaw Olgowitsch aufs äußerste gebracht sahe, ließ er am ersten März den Großfürsten um Frieden bitten, wozu selbiger auf folgende Bedingungen willigte. Erstens, Swätoslaw soll allen dem tschernigowschen Gebiet zugefügten Schaden ersetzen, oder dem Fürsten Isäslaw Davidowitsch von Tschernigow zwey Städte, wegen deren sie unter sich übereinkommen möchten, abtreten. Zweitens, Swätoslaw soll von dem Bündnis mit dem Fürsten Jurii von Rostow abstehen, und mit selbigem ferner nicht die geringste Gemeinschaft haben.

 

Nachdem dieser Vertrag wie gewöhnlich mit einem Eide bekräftiget worden war, begab sich der Großfürst mit dem Fürsten Isäslaw

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*) Diese Mauerbrecher, Poroki, waren große mit Eisen beschlagene hängende Balken, mit welchen man sowohl hölzerne als steinerne Wände einstürzte; sie wurden sonst auch Widder, Baranü, genannt.

 

Petb. J. 1784.

 

 

 

 

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Davidowitsch nach Tschernigow, Fürst Roman Rostislawitsch nach Smolensk, und Waßilko Jurjewitsch zu seinem Vater nach Susdal.

 

Der Großfürst erhielt bey seiner Ankunft in Tschernigow von seinem Sohne Mstislaw die Nachricht, daß Gott ihm über die Polowzer bey den Flüßen Ugl und Samara Sieg verliehen habe, daß er viele Gefangene und Beute gemacht, die Polowzer selbst über den Donez getrieben, viele rußische Gefangene befreyt, sich des ganzen polowzischen Lagers bemächtiget, und darin Gold, Silber, Pferde, Vieh, und Leute erbeutet habe.

 

Isäslaw war hierüber sehr erfreut, dankete Gott, stellete ein großes Gastmal an, brachte den ganzen Tag in Freuden zu, und reisete am folgenden Tage nach Kiew ab.

 

Da der Großfürst seine Sachen mit dem Fürsten von Sewerien und den Polowzern zu seinem Vortheile geendiget hatte, wünschte er seine Streitigkeiten mit dem Fürsten von Halitsch gleichfalls zur glücklichen Endschaft zu bringen, und sandte deshalb einen seiner vornehmsten Bedienten Peter Borißowitsch mit dem neulich geschlosenen Traktat und folgendem Auftrage nach Halitsch. Er sollte nemlich zuerst den Fürsten an die Erfüllung des Vertrages und die Ablieferung der Städte erinnern, wenn dieser aber sich dazu nicht verstehen wolle; zweitens, ihm vorwerfen, daß er den bey Peremüschl unter

 

 

 

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Vermittelung und Bürgschaft des Königs von Ungarn geschlossenen Vertrag nicht erfüllt und überdem in seinem neulichen Feldzuge dem großfürstlichen Gebiet vielen Schaden zugefügt habe, welches alles indessen der Großfürst, in Hofnung der Wiedererlangung seiner Städte, vergeben wolle; wenn aber dieses nichts fruchten würde, so sollte er dem Fürsten den Friedensbrief zurück geben; welches damals als eine Kriegserklärung angesehen ward.

 

Der Gesandte des Großfürsten kam beym Fürsten von Halitsch an, richtete seinen Auftrag aus, und legte, da Wladimirko die Städte nicht ausliefern wollte, den Friedensbrief vor ihm nieder. Wladimirko antwortete dem Gesandten: Isäslaw habe wieder ihn fremde Kriegsvölker ins Land gebracht, und sein Gebiet verheeret; der Vertrag sey erzwungen; auch könne er sich nicht besinnen ob er darauf das Kreuz geküßt habe, oder nicht, weil er damals an seinen Wunden schwer krank gelegen habe. Der Gesandte erwiederte zwar hierauf, daß das Wort der Fürsten auch ohne Küßung des Kreuzes fest und unverbrüchlich bestehen müsse, Wladimirko aber befahl ihm, ohne ihm weiter zu antworten, aus dem Zimmer zu gehen, und ließ ihm weder Vorspann noch Unterhalt geben, worauf der Gesandte noch an demselben Tage mit seinen eigenen Pferden zurück reisete.

 

 

 

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Wladimirko ging, als sich der großfürstliche Gesandte vom fürstlichen Hofe herab begab, in die Heilandskirche zur Vesper, sahe von der Treppe den Gesandten nach, und sagte: „seht da Isäslaws Gesandten, der mit allen eingenommenen Ländern davon läuft.“ Da er hierauf nach geendigtem Gottesdienst aus der Kirche zurück und auf dieselbe Stuffe kam, wo er über den Gesandten gespottet hatte, schrie er plötzlich sehr laut: „wer hat mir in den Nacken geschlagen“ und fing an zu wanken, worauf er von seinen Bedienten aufgehoben, ins Zimmer getragen, und zu Bette gebracht wurde, aber ungeachtet aller angewandten Heilmittel gegen Abend schwächer ward und an demselben Abende verstarb.

 

Der Gesandte war unterdessen nicht weit von Halitsch im Dorfe Bolschwa zur Nacht eingekehrt, wo um Mitternacht ein Bote des Fürsten mit dem Auftrage bey ihm ankam, daß er nicht weiter reisen, sondern daselbst so lange bis man nach ihm schicken werde, verweilen sollte. Er wartete hierauf bis zur Mittagszeit, da ein anderer Bote aus der Stadt zu ihm kam, ihn zum Fürsten einlud und ihn mit aller Achtung bis zum fürstlichen Hofe begleitete, wo er von vielen fürstlichen Bedienten in schwarzen Mänteln empfangen ward, welches alles ihm sehr bedenklich vorkam. Man führte ihn hierauf auf den Altan, wo Fürst Jaroslaw Wladimirowitsch

 

 

 

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im schwarzen Mantel, mit seiner Mütze auf dem Haupte, an seines Vaters Stelle, und alle Großen um ihn herum standen und der Gesandte nachdem man ihm einen Stuhl gesetzt hatte zum Sitzen genöthiget wurde. Jaroslaw setzte sich jezt auf seine Stelle, sahe den Gesandten an und weinete sehr, der Gesandte aber der von allem vorgefallenen nichts wußte, erkundigte sich bey denen die neben ihm saßen was dieses bedeute, und erfuhr von ihnen, daß Wladimirko in der vergangenen Nacht verstorben wäre. Endlich trocknete Jaroslaw seine Thränen und sprach zum Gesandten: „Er habe ihn zurück rufen lassen, um dem Großfürsten bekannt zu machen, daß Gott seinen Vater zu sich genommen und dagegen ihn auf den Thron von Halitsch gesezt habe; er bitte den Großfürsten, ihn gleich dem Fürsten Mstislaw zu seinem Sohne anzunehmen und werde von seiner Seite ihm in allem gehorsam seyn.“ Er entließ hierauf den Gesandten mit gebührender Achtung und schickte bald nach diesem von seiner Seite Gesandten an den Großfürsten mit der nemlichen Bitte ab.

 

In diesem Jahre fielen die Polowzer ins perejaslawische Gebiet und richteten um die Sula vielen Schaden an; Isäslaw schickte seinen Sohn Mstislaw gegen sie aus, die Polowzer aber waren schon so weit entkommen, daß Mstislaw ohne sie einzuholen zurückkehren mußte.

 

 

 

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Da der Großfürst Isäslaw Mstislawitsch vernahm, das der Zar von Obesien *) eine so schöne als wohlgesittete Tochter habe, schickte er Gesandte zu Wasser nach Obesien, und erhielt im Herbste von den Korßunen die Nachricht, daß die Prinzesin mit den Gesandten ankomme, worauf er ihr als seiner Braut seinen Sohn Mstislaw nebst dem Fürsten Wladimir Andreewitsch und einem Haufen Berendeer am Dnieper entgegen schickte, die ihren Weg bis Olädia fortsezten aber ohne die Prinzeßin angetroffen zu haben zurück kehrten.

 

Um diese Zeit kamen die Fürsten Swätoslaw Olgowitsch und Isäslaw Davidowitsch bey Chobro zusammen, schlossen mit einander ein festes Bündnis, und schieden freundschaftlich von einander.

 

Als der Großfürst durch seinen und Jaroslaws Gesandten von dem Tode des Fürsten Wladimirko Nachricht erhielt, wünschte er zuverläßig zu wissen, ob der junge Fürst die von seinem Vater eingenommene Städte zurück geben werde, und fertigte deshalb wiederum einen Gesandten nach Halitsch ab. Die Räthe des Fürsten von Halitsch widerriethen ihrem Herrn die Städte abzuliefern, suchten die Sache in die Länge zu ziehen, und schic ten den großfürstlichen Gesandten mit folgender Antwort zurück: Da Jaroslaw mit den Regierungsgeschäften noch nicht hinlänglich bekannt sey, so müsse er sein Land in Ruhe zu erhalten suchen, er

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*) Georgien.

 

 

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verspreche aber, künftig mit dem Großfürsten zusammen zu kommen, und mit ihm wegen der bewußten Sache einen Vertrag zu schließen. Da Isäslaw aus dieser Antwort deutlich er sahe, das man durch das Versprechen wegen eines künftig zu schliessenden Vertrages blos Zeit zu gewinnen suche, rüstete er sich sogleich zum Kriege, brach vier Wochen vor Fastnacht mit seinen eigenen, wie auch den turowschen und tschernigowschen Truppen gegen den Fürsten von Halitsch auf, und schickte seinen Sohn Mstislaw Isäslawitsch mit den Perejaslawern und Schwarzmützen vor sich her. Er zog bey Tichoml die Fürsten Wladimir Andreewitsch aus Luzk und Swätopolk Mstislawitsch aus Wladimir in Wolhynien an sich, und rückte mit der ganzen Armee gegen Ostankow vor, wo Fürst Jaroslawez von Halitsch mit der seinigen in Bereitschaft stand.

 

Der Großfürst fertigte, sobald man den Feind im Gesichte hatte, die Fürsten Wladimir Andreewitsch und Mstislaw Isäslawitsch mit den Schwarzmützen an den Sered ab, um der Armee einen freyen Uebergang zu verschaffen, zog sich hierauf selbst nach der Seite vor Terebowl, ging am folgenden Morgen, am 3ten März, über den Fluß, und machte wegen eines sehr starken Nebels an dieser Stelle Halt. Da Jaroslaw hörte, daß der Großfürst schon über den Sered gekommen sey und gegen Terebowl an rücke, brach er sogleich gegen ihn auf; Isäslaw aber der hievon durch seine Vorposten benachrichtiget

 

 

 

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wurde, befahl allen seinen Truppen sich zu bewafnen, und stellete sie in folgende Schlachtordnung. Er selbst stand mit den Kiewern und Schwarzmützen, in der Mitte gegen die Halitscher, auf dem rechten Flügel standen sein Bruder Swätopolk und Fürst Andrei Wladimirowitsch gegen die Bolgaren, auf den linken aber sein Sohn Mstislaw mit den Perejaslawern und neben ihn die Tschernigower gegen die Berläden.

 

In dieser Ordnung rückte man von beiden Seiten, die Schützen voran, langsam fort, und näherte sich einander, worauf der Nebel einem heitern Tage wich, und beide Armeen einander im Gesichte standen.

 

Die Feldherren des Fürsten von Halitsch baten ihren Herrn, sich an einen bequemen Ort zu begeben, und das Treffen zu beobachten, welchem zufolge er ungefähr drey Pfeilschüse hinterwärts auf einer Anhöhe stand.

 

Jezt fing sich das Treffen an, welches, da kein Theil dem andern wich, vom Mittage bis zum Abende fortwährete. Die Halitscher schlugen zwar zuerst den rechten Flügel des Großfürsten, welcher von den Fürsten Swätopolk und Wladimir angeführt wurde, und nachher auch den linken, auf welchem sich Fürst Mstislaw befand, Isäslaw selbst aber warf mit dem Haupttreffen fast alles halitshische Fusvolk und viele bolgarische Scharen über den Haufen, worauf die Nacht das Treffen endigte und jeder Theil sich den Sieg zumas.

 

 

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Die Halitscher zogen sich gegen die Stadt zurück, Isäslaw aber behauptete das Schlachtfeld und nahm viele der vornehmsten Halitscher gefangen.

 

Am folgenden Morgen kehrte der Großfürst mit Anbruch des Tages nach Kiew zurück.

 

Fürst Mstislaw Isäslawitsch erkundigte sich überall nach seinem Vater, und erfuhr daß selbiger nicht weit von der Stadt auf dem Schlachtfelde übernachtet habe. Da er nun hierauf sich mit un efähr zweytausend Mann die er von den Flüchtigen zusammen gebracht hatte, zu ihm begeben wollte, traf er auf eine Parthey Halitscher, von ungefähr drey tausend Mann, die aber, weil sie vieles von seiner bey Peremüschl bewiesenen Tapferkeit gehört hatten, aus schrecken für seinem Namen die Flucht ergriffen.

 

In diesem Jahre bauete Fürst Rostislaw von Räsan die Stadt Rostislawl an der Oka.

 

Im Jahre 1154 schickte der Großfürst Isäslaw nach Obesien, da er aber bald darauf Nachricht erhielt, daß seine Braut in Begleitung seiner und der Gesandten des Zaren von Obesien schon bey der Mündung des Dniepers angekommen sey, sandte er ihr seinen Sohn Mstislaw nebst vielen vornehmen Männern und Frauen mit vielen ansehnlichen Geschenken entgegen. Mstislaw empfing


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die Zarewna bey den Wasserfällen, begleitete sie mit vieler Ehrerbietung und Fürsorge nach Kiew, wohnte daselbst, den Vermählungs-Feierlichkeiten bey, und kehrte hierauf nach Perejaslawl zurück.

 

In diesem Jahre warfen die Nowgoroder einen Haß auf ihren Fürsten Jaroslaw Isäslawitsch, und baten den Fürsten Rostislaw Mstislawitsch ihnen wiederum seinen Sohn Roman Rostislawitsch zum Regenten zu geben; worauf Rostislaw ihnen ihre Bitte gewährte, Jaroslaw aber mit Ehren zu seinem Vater entlassen würde.

 

Um diese Zeit starb Fürst Swätopolk Mstislawitsch in Korezk; der Großfürst betrübte sich sehr über den Verlust seines Bruders und schickte an dessen statt, seinen neulich aus Nowgorod angekommenen Sohn nach Wladimir in Wolhynien.

 

In diesem Jahre zog Fürst Jurii von Rostow wieder gegen den Großfürsten zu Felde, und kam durch das Gebiet der Wätitschen bis Koselsk, da aber bey seiner Armee ein Pferdesterben einriß, und die Polowzer sich nur in sehr geringer Anzahl einfanden, berathschlagte er sich mit den Seinen was weiter zu thun sey. Einige riethen ihm, mit dem Großfürsten einen dauerhaften Frieden zu schließen, andere daß er bey dem Großfürsten um eine Besitzung für einen seiner Söhne ansuchen sollte, die Heuchler und Schmeichler aber, die nur das

 

 

 

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wozu der Fürst geneigt war lobten, riethen zum Kriege: endlich aber kamen alle darin überein, daß man jezt zurück kehren und mehrere Polowzer miethen lassen müsse. Man sandte diesem zu folge den Fürsten Gleb Jurjewitsch nebst einigen Bojaren zu den Polowzern, um auf die Zeit wenn die Flüße zugefrohren seyn würden, so viel als möglich in Dienste zu nehmen, Fürst Jurii aber kehrte nach Susdal zurück.

 

In diesem Jahre starb die Gemahlin des Fürsten Gleb Jurjewitsch.

 

Nach diesem verfiel der Großfürst Isäslaw Mstislawitsch in eine schwere Krankheit, woran er am 13ten November, um Mittagszeit, verstarb. Er ward sowohl in Kiew als in ganz Rußland sehr beweint.

 

Er lebte 58 und regierte 8 Jahre.

 

Sein Leichnam ward in dem Kloster zum heiligen Feodor begraben.

 

Von seiner ersten Gemahlin, deren Namen bis jezt unbekannt ist, hatte er drey Söhne

 

Mstislaw, dem er Perejaslawl,

Jaroslaw, dem er Wladimir in Wolhynien, verliehen hatte, und

Jaropolk.

 

Seine zweite Gemahlin war eine obesische oder georgische Prinzeßin.

 

 

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Geschlechts-Register Isäslaws II.

 

Mstislaw I. Großfürst von ganz Rußland vom Jahre 1125 bis 1132.

 

oo Dessen erste Gemahlin war Christina Tochter eines nowgorodschen Poßadniks, die zweite Ljubow, des nowgorodschen Poßadniks Dmitrii Danilowitsch Tochter.

 

Dessen Sohn Isäslaw II. Fürst von Perejaslawl, nachher Großfürst vom Jahre 1146 bis 1154.

 

oo Seiner ersten Gemahlin Name ist unbekannt.
Von selbiger waren:
1) Mstislaw
2) Jaroslaw
3) Jaropolk.
4) Eine Tochter, vermählt mit Rochwold Borißowitsch von Polozk.

 

oo Die zweite Gemahlin war eine obesische oder georgische Prinzeßin.

 

 

 

 

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Isäslaws II. Zeitverwandte, vom Jahre 1146 bis 1154 waren:

 

In Griechenland. Emanuel von 1143 bis 1180.

 

In Deutschland. Kaiser. Konrad III. von 1137 bis 1152. Friedrich I. von 1152 bis 1190.

 

In Polen. König. Boleslaw IV. von 1146 bis 1173.

 

In Böhmen. Fürst. Wladislaw IV. von 1140 von 1174.

 

In Sachsen. Fürst. Heinrich von 1136 bis 1180.

 

In der Pfalz. Fürst. Hermann II. von 1141 bis 1156.

 

In Brandenburg. Fürst. Albert I. genannt der Bär von 1142 bis 1169.

 

In Baiern. Fürst. Heinrich IX. Von 1142 bis 1154.

 

In Braunschweig. Fürst. Heinrich, genannt der Löwe von 1119 bis 1195.

 

In Ungarn. König. Geisa II. von 1141 bis 1161.

 

 

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In Dänemark. Könige. Erich V. von 1139 bis 1147. Sweno III. von 1147 bis 1157.

 

In Schweden. König. Erich IX. von 1141 bis 1160.

 

In Arabien. Kalif. Woktasi L. Kalif von 1136 bis 1160.

 

In Egypten. Kalifen. Afed Ledinilla von 1130 bis 1149. Dafer Wamrilla von 1149 bis 1155.

 

In Alepo. Sultan. Nurredin Mamut von 1145 bis 1174.

 

In Damask. Sultan. Modshir Eddin von 1142 bis 1174.

 

In Frankreich. König. Ludwig VII. Von 1137 bis 1180.

 

In England. König. Stephan von 1135 bis 1154.

 

In Schottland. Könige. David I. 1124 bis 1153. Malkom IV. von 1153 bis 1165.

 

In Spanien. König. Alfons III. von 1126 bis 1157.

 

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In Portugal. König. Feresa und Alfons I. von 1112 bis 1185.

 

In Toskana. Groß-Herzoge. Udalrik von 1139 bis 1153. Welf von 1153 bis 1195.

 

Patriarchen zu Konstantinopel. Kosmus von 1146 bis 1147. Nikolaus von 1147 bis 1151. Theodot von 1151 bis 1153. Neophit von 1153 bis 1154.

 

Römische Päbste. Eugen III. von 1145 bis 1153. Anastasius von 1153 bis 1154.

 

Mitropoliten zu Kiew. Konstantin von 1146 bis 1147. Klement von 1147 bis 1156.

 

In Rußland. Abgetheilte Fürsten.

 

In Turow. Wetscheslaw Wladimirowitsch

 

In Rostow und Susdal. Jurii Wladimirowitsch

 

In Tschernigow. Wladimir Davidowitsch. Isäslaw Davidowitsch.

 

In Nowgorod-Sewerskoi. Igor Olgowitsch. Swätoslaw Olgowitsch.

 

In Groß-Nowgorod. Rostislaw Jurjewitsch. Swätopolk Mstislawitsch. Jaroslaw Isäslawitsch Roman Rostislawitsch.

 

In Kursk. Swätoslaw Olgowitsch. Swätoslaw Wsewoloditsch. Iwanko Jurjewitsch. Gleb Jurjewitsch.

 

 

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In Perejaslawl. Rostislaw Mstislawitsch. Mstislaw Isäslawitsch.

 

In Smolensk. Wladimir Mstislawitsch. Rosislaw Mstislawitsch.

 

Meshibosh und Bushesk Swätoslaw Wsewolodowitsch. Rostislaw Jurjewitsch.

 

In Wladimir in Wolhynien. Swätoslaw Mstislawitsch. Wladimir Andreewitsch. Jaroslaw Isäslawitsch. Swätopolk Mstislawitsch.

 

In Räsan. Rostislaw Jaroslawitsch

 

In Jelez. Andrei Rostislawitsch

 

In Brest u. Drogitschin. Wladimir Andreewitsch

 

In Halitsch. Wladimirko Wolodaritsch. Jaroslaw Wladimirowitsch

 

In Peremüschl. Rostislaw Wolodaritsch

 

In Terebowl. Igor Waßilkowitsch

 

In Tscherwen. Rostislaw Wasilkowitsch

 

In Luzk. Wladimir Mstislawitsch. Wladimir Andreewitsch.

 

In Peresopniza. Gleb Jurjewitsch

 

In Wüschgrad. Wetscheslaw Wladimirowitsch

 

In Gorodenst. Boris

 

In Polozk. Rochwold Borißowitsch. Wseslaw

 

In Murom. Die Rostislawitschen

 

 

 

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Großfürst Georg II. *)

Nach dem im Jahre 1154 erfolgten Ableben des Großfürsten Isäslaw Mstislawitsch, ließ Fürst Wetscheslaw Wladimirowitsch, der sich über diesen Todesfall sehr betrübte, seinen Neffen Rostislaw Mstislawitsch aus Smolensk, nach Kiew einladen, bat ihn sein Sohn zu seyn, so wie er sein Vater seyn wolle, und schickte den Fürsten Mstislaw Isäslawitsch gleich nach dem Begräbnis seines Vaters wohl beschenkt nach Perejaslawl.

 

Fürst Isäslaw Davidowitsch von Tschernigow brachte auf die Nachricht von dem Tode des Großfürsten Isäslaw Mstislawitsch eilends einige Leute zusammen und begab sich mit ihnen auf den Weg nach Kiew.

 

Als Fürst Wetscheslaw Wladimirowitsch hörte, daß der Fürst von Tschernigow bey der Ueberfahrt angekommen sey, ließ er sich bey ihm nach der Ursache seiner Ankunft erkundigen, dieser aber erwiederte: er komme in keiner andern Absicht, als um bey Isäslaws Grabe zu weinen.

 

Wetscheslaw ließ ihn auf den Rath der vornehmsten Kiewer ersuchen, daß er nach Tschernigow zurück kehren, und nicht eher als nach der Ankunft

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*) Georg II, weil Jaroslaw I. nach seinem Taufnahmen Georg I. war.

 

Petb. J. 1784.

 

 

 

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des Fürsten Rostislaw Mstislawitsch in Kiew erscheinen möchte.

 

Isäslaw Davidowitsch kehrte hierauf sogleich nach Tschernigow zurück. Nach diesem ließ Fürst Wetscheslaw Wladimirowitsch den Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch zu sich nach Kiew einladen, der ohne solches seinem Vaterbruder Swätoslaw Olgowitsch noch irgend jemand anzuzeigen dahin abreisete und vom Fürsten Wetscheslaw liebreich aufgenommen ward. Bald nachher kam auch Fürst Rostislaw Mstislawitsch von Smolensk am 8ten December in Kiew an, und ward vor der Stadt vom Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch von allen Großen und dem ganzen Volk mit vieler Freude empfangen.

 

Fürst Rostislaw Mstislawitsch begab sich mit seinem Schwestersohne Swätoslaw Wsewolodowitsch zu seinem Vaterbruder Wetscheslaw, der hierüber sehr erfreut, mit ihm verabredete: „daß er sich gegen ihn so wie sein Bruder Isäslaw verhalten sollte.“ Fürst Rostislaw Mstislawitsch nahm dieses mit vielem Dank an, und versprach: „Wetscheslawen als seinen Vater und Herrn anzusehen, ihm gehorsam zu seyn, und ihm bis in den Tod alle Ehrerbietung zu erweisen.“

 

Nach diesem traten die vornehmsten Kiewer zu Rostislaw und baten ihn: „daß, da er Wetschescheslawen zu seinem Vater annehme, er die Kinder des Großfürsten Isäslaw als seine Kinder betrachten, und sie gegen alle Beleidigungen schützen,

 

 

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hienächst aber auch alle von seinem Bruder Isäslaw gegebene Gesetze und Gerichtsordnungen unverbrüchlich halten möchte.“ Fürst Rostislaw versprach: alles dieses, so weit ihm Gott helfen würde, zu erfüllen, wandte sich hierauf zu seinem Schwestersohn Swätoslaw Wsewolodowitsch und dankte ihm, daß er sich ungesäumt bey seinem Vetter Wetscheslaw eingefunden habe, wofür ihm der Besitz von Turow und Pinsk verliehen ward. Fürst Swätoslaw war hierüber sehr vergnügt und bezeigte seine dankbare Erkenntlichkeit, worauf dieser Tag mit einem Gastmale und vielem Freudenbezeigungen beschlossen ward.

 

Bald hierauf erhielt man in Kiew Nachricht, daß Fürst Gleb Jurjewitsch mit einer großen Anzahl Polowzer gegen Perejaslawl im Anzuge sey. Rostislaw Mstislawitsch brach auf diese Nachricht in Begleitung des Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch mit einigen Truppen gegen Peresetschen auf, um daselbst mehrere Leute an sich zu ziehen, und ward daselbst durch einem vom Fürsten Mstislaw Isäslawitsch abgeschickten Boten benachrichtiget, daß die Polowzer vor Perejaslawl angekommen wären, worauf er seinen Sohn Swätoslaw Rostislawitsch vor sich her dahin abfertigte, welchen Fürst Mstislaw mit vieler Achtung in die Stadt einholte. Die Polowzer griffen am folgenden Morgen frühe die Stadt an, fanden aber bald das selbige Hülfe erhalten habe, und entfernten sich über die Sula; Swätoslaw Rostislawitsch folgte

 

 

 

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ihnen nach, und kam auf diesem Wege zu seinem Vater zurück.

 

Einige Geschichtschreiber erzählen, daß die Hofleute des Fürsten Rostislaw Mstislawitsch dieses Unternehmen des Fürsten Gleb Jurjewitsch gegen Perejaslawl einem verborgenen Neide zugeschrieben, und behauptet haben, daß Fürst Isäslaw Davidowitsch von Tschernigow, sich mit dem Fürsten Swätoslaw Olgowitsch von Sewerien verbunden habe, Rostislawen aus Kiew zu vertreiben, wozu sie auch den Fürsten Gleb mit den Polowzern willig gemacht hätten.

 

Rostislaw Mstislawitsch gab, ohne die Wahrheit dieses Gerüchts zu untersuchen den Friedensstöhrern Gehör, suchte diesem vermeintlichen Unternehmen zuvor zu kommen, und machte den Fürsten und Befehlshabern bekannt, daß er ohne nach Kiew zurück zu kehren, einen Feldzug gegen den Fürsten Isäslaw Davidowitsch von Tschernigow unternehmen wolle. Er brach mit den Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch und Mstislaw Isäslawitsch nebst den Torken und Kiewern auf, ging bey Wüschgrad über den Dnieper, machte daselbst um mehrere Truppen zu erwarten Halt, und bemühete sich seinen Zug zu beschleunigen, um die Vereinigung des Fürsten von Tschernigow mit dem Fürsten Jurii von Rostow zu hindern. Indessen kam am folgenden Morgen ein Bote eiligst mit der Nachricht zu ihm, daß sein Vaterbruder Wetscheslaw Wladimirowitsch gestorben sey, welches ihn um so mehr befremdete

 

 

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da er diesen Fürsten Abends zuvor gesund verlassen hatte, der Bote meldete ihm aber, daß Fürst Wetscheslaw bis in die Nacht mit seinen Großen vergnügt gewesen, und gesund zu Bette gegangen, des Morgens aber todt gefunden worden sey. Rostislaw begab sich sogleich von der Armee nach Kiew, vergoß beym Anblick des Leichnams seines Vetters viele Thränen, und begleitete ihn feierlich im Beiseyn einer großen Menge Volks in die Kirche der heiligen Sophia, wo auch sein Vater ruhet, zu Grabe.

 

Hierauf verfügte sich Rostislaw auf Jaroslaws Hof, wo er alle Bedienten, Richter und Schazmeister des Fürsten Wetscheslaw Wladimirowitsch zusammen rufen ließ und ihnen alles was Wetscheslaw an Gold, Silber, Kleidungsstücken und Schmuck beseßen hatte sogleich abzuliefern, von dessen übrigen Vermögen aber Verzeichniße zu machen befahl, welches alles er, einen Theil nemlich den Kirchen und Armen, zwey Theile aber Wetscheslaws Bedienten austheilte, für sich aber nichts als ein aus Griechenland gebrachtes goldenes Kreuz behielt.

 

Nachdem alles dieses berichtiget war, kehrte Rostislaw Mstislawitsch zu der am Dnieper stehenden Armee zurück, und übertrug indessen die Regierung in Kiew seiner Mutter, gewesenen Gemahlin des Großfürsten Mstislaw.

 

Sobald er bey der Armee ankam, ließ er die Fürsten und Befehlshaber zur Berathschlagung einladen

 

 

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und machte ihnen bekannt, daß er einen Feldzug gegen den Fürsten Isäslaw Davidowitsch von Tschernigow zu unternehmen gedenke.

 

Die Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch und Mstislaw Isäslawitsch, die schon vorher darum wußten, schwiegen jezt stille, die kiewschen Großen aber sagten: „Es sey ihnen bekannt, daß der Fürst von Tschernigow fast jederzeit mit dem Grosfürsten Isäslaw in gutem Vernehmen und Bündniße gewesen sey, sie wüßten aber nicht, was er jezt begangen habe. sollte die Rede davon seyn, daß er vor Rostislaws Ankunft bey Kiew angekommen sey, so vermutheten zwar freylich verschiedene, daß er sich der Stadt zu bemächtigen gedacht habe, da aber die Sache ungewiß geblieben sey, so wäre auf blose Vermuthungen Krieg anzufangen, nicht gerecht, ungerechte Sachen aber pflegten selten ein glückliches Ende zu nehmen.“

 

Rostislaw antwortete hierauf: „man habe ihn versichert, daß der Fürst von Tschernigow sich mit den Fürsten Jurii von Rostow und Swätoslaw von Sewerien, um ihn aus Kiew zu vertreiben, vereinigt habe;“ die Bojaren aber erwiederten, „wenn dieses wahr sey, so habe sich Isäslaw Davidowitsch freylich an Rostislawen vergangen, indessen käme es auch hier auf die Frage an, ob es nützlich sey ihn zu reizen, und ob man nicht lieber mit ihm Frieden und Eintracht zu stiften suchen, dann die Fürsten Jurii und Swätoslaw erwarten, und sich auf Gott verlassen sollte.“

 

 

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Sie riethen ihm diesem zu folge „nach Kiew zurück zu kehren, und sich nicht gleich im Anfange seiner Regierung und ehe er mit den Kiewern hinlänglich bekannt sey, in eine schwere Sache einzulassen, deren Ende man nicht absehen könne.“ Rostislaw achtete auf diesen Rath der Kiewer nicht, sondern folgte dem Rath der Ohrenbläser, und zog gerades Weges vor Tschernigow, wo Isäslaw Davidowitsch auf die erste Nachricht von diesem Zuge den Fürsten Gleb Jurjewitsch mit seinen Polowzern zu Hülfe gerufen hatte, der sich ungesäumt zu ihm aufmachte.

 

Als Rostislaw Mstislawitsch hörte, daß Gleb mit den Polowzern nicht weit entfernt sey, ließ er den Fürsten von Tschernigow befragen, ob er den vorigen mit dem Großfürsten Isäslaw Mstislawitsch geschlossenen Frieden ferner beobachten wolle? in welchem Fall er ihm solches bey Küssung des Kreuzes versichern und ihn als Großfürsten von Kiew erkennen müßte, wogegen er ihm Tschernigow lassen wolle. Isäslaw Davidowitsch fand zwar diese Vorschläge etwas stolz und beleidigend antwortete aber dem Gesandten mit aller Achtung: „er habe den Frieden nicht gebrochen, noch Rostislawen etwas zuwieder gethan, sehe also keinen Anlaß das Kreuz zu küssen, und wisse auch nicht warum Rostislaw gegen ihn ausgezogen sey.“ Sobald indessen Fürst Gleb Jurjewitsch mit den Polowzern bey Tschernigow ankam, brach Isäslaw mit ihm vereinigt gegen Beloi-Weß auf, wo sie

 

 

 

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den Fürsten Rostislaw vor sich fanden und beiderseitige Schützen sogleich über den Fluß gegen einander Pfeile abschossen.

 

Fürst Rostislaw Mstislawitsch ließ jezt beym Anblick der großen gegen ihn anziehenden Armee, ohne sich mit den übrigen Fürsten zu berathschlagen, dem Fürsten Isäslaw Davidowitsch Friedensvorschläge thun; Fürst Mstislaw Isäslawitsch aber, der indessen erfahren hatte das Rostislaw ohne die äußerste Noth vieles und sogar sein Gebiet Perejaslawl abtreten wolle, begab sich zu ihm, machte ihm Vorwürfe, und sagte zulezt: „du wirst so wenig Kiew als ich Perejaslawl behalten“, bey welchen Worten er sein Pferd umwandte und mit allen seinen Truppen davon ging.

 

Als die Polowzer den Fürsten Mstislaw Isäslawitsch, den sie vor allen andern fürchteten, abziehen sahen, sezten sie sogleich über den Fluß und umringten Rostislawen von allen Seiten, worauf das Gefecht zwey Tage lang fortwährete, endlich aber Rostislaws Armee in Unordnung und zum Weichen gebracht ward, und die Polowzer viele seiner Leute und unter andern auch den Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch gefangen nahmen.

 

Rostislaw verlohr im ersten Treffen sein Pferd, welches ihm unter dem Leibe erstochen ward, sein Sohn Swätoslaw Rostislawitsch aber gab ihm das seinige, fochte selbst zu Fuß, und

 

 

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ward von einigen Truppen die sich um ihn versammelten tapfer vertheidiget.

 

Unterdessen ging Rostislaw über den Dnieper und ließ seinen Sohn im Treffen zurück, welcher sich nicht ohne Gefahr nach und nach zurück zog, den Fürsten Mstislaw Isäslawitsch einholte, und mit ihm nach Perejaslawl kam, von da Mstislaw sich mit seiner Gemahlin seinen Kindern und aller seiner Habe nach Wladimir in Wolhynien verfügte.

 

Fürst Isäslaw Davidowitsch und seine Gemahlin erbaten von den Polowzern den Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch, und sezten ihn wieder in Freiheit, auch verweigerte Isäslaw den Polowzern viele von Rostislaw Leuten die sich in die Städte geflüchtet hatten.

 

Rostislaw Mstislawitsch reisete indessen mit seiner Gemahlin und seinen Kindern aus Kiew nach Smolensk ab.

 

Isäslaw Davidowitsch von Tschernigow ließ nach seinem Siege den Kiewern bekannt machen, daß er selbst nach Kiew kommen werde.

 

Die Kiewer hatten zwar kein Verlangen nach ihm, schickten aber doch, da sie ihre Armee geschlagen und sich von Rostislaw und den übrigen Fürsten verlassen sahen, ihren Bischof Dometian zu ihm, und ließen ihn bitten, daß er in Frieden kommen und keine Polowzer mitbringen möchte.

 

 

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Als Isäslaw Davidowitsch in Kiew angekommen war, bestimmte er dem Fürsten Gleb Jurjewitsch Perejaslawl, und ließ dem Fürsten Swätoslaw Olgowitsch von Sewerien ein Schuz-Bündnis antragen, wogegen er ihm Tschernigow abzutreten versprach.

 

Da Fürst Swätoslaw Olgowitsch wußte, daß Fürst Jurii von Rostow mit einer großen Armee im Anzuge sey, nahm er diesen Vorschlag nicht an, sondern rieth vielmehr, das Isäslaw zuerst seine Sache mit dem ältesten im Fürstenstamme freundschaftlich abmachen sollte. Isäslaw Davidowitsch folgte diesem Rathe nicht, und schickte keine Gesandten zum Fürsten Jurii Wladimirowitsch, weder um ihm seine Achtung zu bezeigen, noch um ihm zu danken, daß er durch Hülfe seines Sohnes Gleb Jurjewitsch Kiew erhalten hatte.

 

Um diese Zeit plünderten und verheereten die Polowzer, die mit dem Fürsten Gleb Jurjewitsch wegen der ihnen verweigerten Auslieferung der Gefangenen in Streit gerathen waren, das perejaslawische Gebiet, wovon sie Fürst Gleb auf keine Weise abhalten konnte.

 

Die Geschichtschreiber erzählen, daß Fürst Jurii von Rostow vorher und mitten unter seinen verschiedenen unglücklichen Unternehmungen, in seinem rostowischen und susdalschen Gebiet viele Städte, als: Jurjew im Felde, Perejaslawl am See Kljuschino, Wladimir an der Kläsma,

 

 

 

 

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Kostroma, Wüschgrad *), Halitsch, Gorodez, Dobränsk, Dorogobusch, Swenigorod, Peremüschl, Rostislawl, Starodub **), Uglitsch, Jurjew, Jurjewez und andre angelegt, einige derselben mit den Namen solcher Städte die er verlohr oder nicht erhalten konnte oder zu haben wünschte, benannt, und alle diese Städte, durch Leute die er aus verschiedenen Gegenden zusammen rief, und durch Anleihen und milde Gaben zum Bau unterstüzte, bevölkert habe, woselbst sich dann sowohl Russen als Bolgaren, Morduanen und Ungarn eingefunden und angebaut haben, und sein Gebiet mit vielen tausend neuen Einwohner besezt worden sey. Uebrigens beschäftigte sich Fürst Jurii von Rostow mehr mit seinem Vergnügen als mit der Rechtspflege und guten Verfassung des Kriegsheeres, welches alles er der Anordnung und Aufsicht seiner Großen und Lieblinge überließ, die manche Kriege ohne auf Verträge oder Billigkeit zu sehen, anfingen. Fürst Jurii nahm sich selbst der Sachen wenig an, sondern folgte dem Rath der Fürsten, Bojaren und Bundesgenossen, welche ihn oft zu Unternehmungen verleiteten, die durch seine Fahrläßigkeit ein unglückliches Ende nahmen, wovon seine dreymalige Vertreibung aus Kiew ein Beispiel giebt. Dieser

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*) Wüschgrad und Dobränsk sind gänzlich eingegangen.
**) Jezt das Dorf Gorodischtsche an der Kläsma.

 

 

 

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Fürst war ziemlich groß von Wuchs und dick, weiß von Gesicht, hatte kleine Augen, eine große lange Habichtsnase und einen kleinen Bart, er liebte das Frauenzimmer, und hielt viel auf gut Eßen und Trinken.

 

Als er, wie vor erwähnt worden, aus dem Gebiet der Wätitschen zurück gekommen war, hielt er sich den ganzen Sommer über zu Hause auf, und befand sich unterdessen einsmals mit seiner Gemahlin am Fluße Jächroma auf der Jagd, wo ihm ein Sohn gebohren ward, den er Wsewolod, in der heiligen Taufe aber Dmitri, nannte, und zur Stelle die nach dessen Namen benannte Stadt Dmitrow anlegte.

 

Sobald er hierauf von dem Tode des Großfürsten Isäslaw Mstislawitsch und von Rostislaws Ankunft in Kiew Nachricht erhielt, zog er sogleich eine Armee zusammen und brach gegen Smolensk aus, erfuhr aber gleich beym Eintrit ins smolenskische Gebiet, daß sein Neffe Rostislaw Mstislawitsch vom Fürsten Isäslaw Davidowitsch von Tschernigow geschlagen worden sey, wie auch daß dieser Kiew eingenommen, und seinem Sohne Gleb Jurjewitsch Perejaslawl gegeben habe.

 

Fürst Rostislaw Mstislawitsch zog dem Fürsten Jurii von Rostow auf die erste Nachricht von seiner Annäherung, mit allen seinen Truppen bis Sarai entgegen, wo er Halt machte und ihn, den Fürsten von Rostow, ersuchen ließ, das

 

 

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er ihm Frieden gewähren, und ihn an Sohnes stat annehmen möchte. Fürst Jurii war hiemit sehr zufrieden und erheilte ihm zur Antwort: „er habe mit Isäslaw Mstislawitsch nie in Frieden leben können, ihm aber, wolle er, ohne des vergangenen zu gedenken, alles vergeben, und ihn als seinen Sohn und Bruder ansehen“ wobey er ihn zugleich zu sich zur Tafel einladen ließ. Rostislaw fand sich mit seinem Sohne und vielen seiner Großen beym Fürsten Jurii Wladimirowitsch ein, wo beide sich wohl vergnügten, einander Geschenke machten, und freundschaftlich auseinander schieden; Jurii nemlich nach Kiew und Rostislaw nach Smolensk.

 

Sobald die Nowgoroder erfuhren, daß Fürst Rostislaw Mstislawitsch vom Fürsten Isäslaw von Tschernigow überwunden worden sey, vertrieben sie seinen Sohn Roman Rostislawitsch aus ihrer Stadt, und ließen den Fürsten Jurii von Rostow, durch den Bischof Niphont und einige andre ansehnliche Männer, um einen seiner Söhne ersuchen, welcher ihnen den Fürsten Mstislaw Jurjewitsch zuschickte, der in Nowgorod mit vieler Ehre empfangen ward.

 

Nachdem Fürst Jurii Wladimirowitsch sich mit seinem Neffen Rostislaw Mstislawitsch gütlich verglichen hatte, rückte er im Jahre 1155 gerade gegen Kiew an, auf welchem Wege ihn zuerst Fürst Swätoslaw Olgowitsch von Sewerien

 

 

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nicht weit von Radoschtscha bey der blauen Brücke, nachher aber Fürst Swätoslaw Wsewolod bey Starodub entgegen kam. Lezterer bat ihn um Verzeihung, daß er ehemals gegen ihn Krieg geführt habe, und ward dabey durch die Fürsprache des Fürsten Swätoslaw Olgowitsch unterstützt, welcher für ihn um freundschaftliche Aufnahme bat, und in seinem Namen bis zum Tode gehorsam zu seyn versprach. Jurii verzieh dem Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch und dieser schwor bey Küßung des Kreuzes ihm treu und hold zu seyn, worauf sämtliche Fürsten gegen Tschernigow aufbrachen, und dem Fürsten Isäslaw Davidowitsch andeuten ließen: „das er Kiew verlassen und sich nach Tschernigow begeben sollte.“ Da Isäslaw, dem die Abtretung von Kiew gar nicht gelegen war, auf diese Aufforderung der Fürsten nicht achten wollte, nahmen sie Tschernigow ein und ließen ihn zum zweitenmale ermahnen, daß er Kiew ohne Streit und ohne Vergießung unschuldigen Bluts dem Fürsten Jurii abtreten möchte, wogegen sie ihm Tschernigow zu erstatten versprachen; Isäslaw aber wollte nichts davon hören.

 

Jurii Wladimirowitsch rückte hierauf bis Mirowüsk vor, Swätoslaw Olgowitsch aber blieb in Tschernigow.

 

Da Jurii den Fürsten Isäslaw Davidowitsch ungeachtet aller seiner Wiedersezung gerne zum gütlichen Vergleiche bewegen wolte, ließ er

 

 

 

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ihm nochmals in seinem Namen vorstellen: „daß Kiew ihm, dem Fürsten Jurii, dem ältesten im Fürstenstamme, als ein Erbe seines Vaters zugehöre, wovon er ihn durch seine eigene Verträge und Schriften überzeugen könne.“ Die Geschichtschreiber erzählen, Isäslaw habe endlich eingesehen, daß er der Macht des Fürsten Jurii nicht wiederstehen könne und daß ganz Rußland mehr für die Kinder und Enkel Wladimirs als Swätoslaws eingenommen sey, weshalb er sich zum Frieden bequemt habe, und selbiger auf die Bedingungen daß Jurii Wladimirowitsch von Rostow Kiew erhalten, Isäslaw Davidowitsch aber nach Tschernigow zurück kehren sollte, geschlossen worden sey. sobald Isäslaw Kiew verlassen hatte, zog Jurii in die Stadt ein, wo er nach gewöhnlicher Art, mit aller einem Großfürsten gebührenden Ehrerbietung empfangen und auf Jaroslaws Hof zum Throne seines Vaters begleitet ward. Er feierte hierauf ein Dankfest und theilte seinen Söhnen folgende Besitzungen aus: Andrei erhielt Wüschgrad, Boris, Turow und Pinsk; Gleb, Perejaslawl; Waßilko Porosje am Fluße Roß, welches von den sogenannten Torken, Berendeern, Porscheren und Porosen bewohnt war.

 

Mstislaw, Waßilko‘s älterer Bruder, war schon vorher nach Groß-Nowgorod abgefertiget worden.

 

 

 

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Bald hierauf verwies der Großfürst Jurii Wladimirowitsch den Mitropoliten Kliment nach Wladimir in Wolhynien und sezte einen gewißen Konstantin an dessen Stelle zum Mitropoliten ein.

 

Im Herbste dieses Jahres thaten die Polowzer einen Einfall in Poroßien, Waßilko Jurjewitsch aber sezte ihnen mit den Berenditschen nach, holte sie ein, schlug sie, machte viele Gefangene, und begab sich nach diesem Siege zu seinem Vater, der ihn für sein gutes Betragen lobte.

 

Um diese Zeit kam Fürst Swätoslaw Wsewolodowitsch zu seinem Vaterbruder Swätoslaw Ogowitsch, wo beide Fürsten ein festes Bündniß schlossen und einige ihrer Besitzungen austauschten: Swätoslaw Wsewolodowitsch trat seinem Vetter die drey Städte Sinelez, Karatschew und Worotün ab, Swäroslaw Olgowitsch aber gab dagegen seinem Neffen andre Städte, und verfügte sich selbst nach Sinelsk.

 

Fürst Isäslaw Davidowitsch, konnte indessen seinen Verlust nicht verschmerzen und machte dem Fürsten Swäroslaw Olgowitsch verschiedene, auf die Erneuerung des innerlichen Krieges abzweckende Vorschläge, welche aber von lezterm mit folgenden Worten verworfen wurden: „Sie hätten so viele Jahre mit großer Beschwerde Ruhe gesucht und nicht erhalten; da sie nun selbige gefunden hätten, so müßten sie mit allen

 

 

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ihren Unterthanen Gott danken und jeden vor der Erregung neuer Unruhen warnen.“

 

Diese Vorstellung würkte so viel, daß Isäslaw Davidowitsch sein Vorhaben, dessen Ausführung ihm jezt zu schwürig schien, fahren ließ.

 

Der Großfürst Jurii Wladimirowitsch hatte zwar auf seinem Zuge nach Kiew den Fürsten Rostislaw Mstislawitsch und Swätoslaw Olgowitsch versprochen mit allen rußischen Fürsten in Frieden und Freundschaft zu leben, ließ sich aber bald durch den Rath seiner Großen, besonders aber des Fürsten Juri Jaroslawitsch Jaropolks Enkels bewegen, die Söhne des Großfürsten Isäslaw Mstislawitsch aus den ihnen verliehenen Besitzungen zu vertreiben. Er schickte diesem zufolge den Fürsten Juri Jaroslawitsch nebst dem Feldherrn Shiroslaw und Wetscheslaws Enkeln gegen den Fürsten Mstislaw Isäslawitsch ab, die ihn aus Peresopniza nach Luzk vertrieben, und ersuchte hierauf seinen Eidam Jaroslaw Wladimirowitsch von Halitsch, diesen Fürsten auch aus Luzk zu vertreiben. Mstislaw Isäslawitsch ließ in Luzk seinen Bruder Jaroslaw zurück, und begab sich selbst nach Polen um daselbst Hülfe und Unterstützung zu suchen.

 

Die Polen schlossen mit ihm für Geld einen Vertrag, und gaben ihm sogleich einige Truppen mit, die aber, nachdem sie seinem Gebiet weit mehrern Schaden zugefügt als ihm selbst Nutzen geschaft hatten, in ihr Land zurückkehrten.

 

Petb. J. 1784.

 

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Fürst Jaroslaw von Halitsch war indessen in Begleitung des Fürsten Wladimir Mstislawitsch der Isäslawitschen Vaterbruders, vor Luzk angekommen, wo er einige Zeit stehen geblieben und ohne etwas zu unternehmen zurück gekehrt war.

 

Die Geschichtschreiber erzehlen: die Kiewer hätten dem Großfürsten Jurii Wladimirowitsch, da sie seine ungerechte Verfolgung der Kinder seines Vorfahren Isäslaw, seine Mißhelligkeiten mit dem Fürsten von Tschernigow und die Unsicherheit des Bündnißes mit dem Fürsten Swätoslaw von Sewerien in Betrachtung gezogen, den Rath ertheilt, daß er den Fürsten Rostislaw Mstislawitsch zu sich berufen sollte, welches er sich nach langer Ueberlegung gefallen lassen und diesem zufolge nach seinem Neffen Rostislaw geschickt habe.

 

Um diese Zeit ließen die Polowzer den Großfürsten Jurii Wladimirowitsch um Untersuchung eines gewissen ihnen zugefügten Unrechts und um der Auswechselung der Gefangenen bitten, worauf sich der Großfürst selbst nach Kanew begab, wo alle vorräthige Gefangene theils ausgewechselt theilslos losgekauft wurden. Die Polowzer baten zwar den Großfürsten, ihnen zugleich ihre bey den Berenditschen befindliche Gefangene auszuliefern, die Berenditschen aber erwiederten hierauf: „wenn die Polowzer wollen, können sie ihre Gefangene gegen die unsrigen auswechseln oder loskaufen, sie ihnen aber umsonst auszuliefern ist zu bedenklich, weil ihnen dieses

 

 

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nur mehrere Lust zum Wiederkommen machen möchte.“ Der Großfürst fand diese Vorstellung der Berenditschen gegründet, entließ die polowzischen Fürsten wohl beschenkt in ihr Land, und kehrte selbst nach Kiew zurück.

 

Um eben diese Zeit war die Gemahlin des Großfürsten Jurii mit ihren jüngsten Söhnen Michail und Wsewolod beym Fürsten Rostislaw Mstislawitsch in Smolensk angekommen, welcher sie mit vieler Liebe und Ehrerbietung aufnahm, mit allem reichlich versah und einige Tage lang bey sich vergnügte, hierauf aber sie in Person und mit seiner ganzen Leibwache bis Kiew begleitete. Der Großfürst, der hierüber sehr erfreut war, nahm ihn mit gebührender Achtung und väterlicher Liebe auf, und dankte ihm, daß er seine Gemahlin begleitet, und selbst zu ihm gekommen wäre. Einige Zeit nachher that Rostislaw Mstislawitsch beym Großfürsten für seine Brüder und Neffen eifrige Fürsprache, Jurii aber berief zur Untersuchung ihrer Forderungen und Bestimmung ihrer Besitzungen einen Rath zusammen, in welchem sich sein vornehmster Rathgeber Fürst Jurii Jaroslawitsch Jaropolks Enkel folgendermaßen vernehmen ließ: „Es wäre zwar sehr heilsam sich mit seinen Neffen zu versöhnen, und alle Unterthanen des Friedens genießen zu lassen, weil im Frieden nicht nur die Früchte des Feldes und das Vieh gedeihen, sondern auch die Einwohner sich vermehrten und reicher würden; man müsse aber auch darauf sehen, daß man um

 

 

 

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den Krieg zu vermeiden sich nicht größern Schaden, Verlust und Schimpf zuziehe. Es würde dem Großfürsten freylich sehr zuträglich seyn mit allen Fürsten in Frieden zu leben, wenn nur die Fürsten ihm als dem ältesten, so wie sie ihn Vater und Großfürsten nenneten, auch als seine Söhne gehorchen möchten, so wie es zu Ruriks, Olgs, Igors und Wladimirs Zeiten geschehen sey, deren Wille die abgetheilten Fürsten Folge geleistet und ohne deren Befehl nichts unternommen hätten. Jezt stehe es indessen ganz anders, die abgetheilten Fürsten erhöben wegen ihrer Besitzungen oder anderer Ursachen wegen ohne Vorwissen des Großfürsten Streit und Krieg, führten gegen einander Polowzer, Ungarn und Polen an, verheereten Rußland ohne Erbarmen, richteten die Einwohner zu Grunde und führten sie als Gefangene weg, so daß die fremden Völker von Tage zu Tage an Macht gewönnen, die rechtgläubigen aber vermindert und schwächer würden. Da Christus selbst gesagt habe: wenn ein Reich getheilt wird, wie mag es bestehen; so könne auch Rußland, in viele Besitzungen zertheilt, nichts anders erwarten und hoffen, als daß bald fremde Völker kommen und sich aller Theile desselben bemächtigen würden, und daß der Ruhm ihrer Väter und Vorfahren, der noch in vielen Gegenden glänze, auf ewig erlöschen werde.“ Er rieth diesem zufolge dem Großfürsten „die abgetheilten Fürsten zum gebührendem Gehorsam zu bringen und sie darin zu er halten,

 

 

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ohne auf ihre nie beobachtete Versprechungen zu sehen“ wobey er ihm zugleich die Mittel zeigte die er dazu in seinen großen Besitzungen finden würde, weil nemlich damals Groß-Rußland, Weiß-Rußland und Nowgorod unter einer Herrschaft vereiniget war.

 

Die Geschichtschreiber erzählen, dieser Rath des Fürsten Juri Jaroslawitsch habe zwar alle die Ruhe und Eintracht gewünscht und den Söhnen des Großfürsten Isäslaw oder den übrigen abgetheilten Fürsten ergeben gewesen, sehr gekränkt, sie hätten aber, da sie solchen den Gesinnungen des Großfürsten gemäß gesehen, nichts dawider eingewandt, sondern vielmehr den Großfürsten unbemerkt zum Frieden mit den Isäslawitschen zu bewegen gesucht und deshalb zum Fürsten Andrei Jurjewitsch geschickt, welcher sogleich nach Kiew gekommen sey und seinem Vater insgeheim und mit aller Ehrerbietung zum Frieden gerathen habe. Der Großfürst antwortete zwar anfangs nichts, ließ aber nachher den Fürsten Rostislaw Mstislawitsch von Smolensk rufen, und sagte zu ihm: „wenn er sich für seine Brüder und Neffen verbürgen wolle, sie Frieden und Freundschaft halten würden, möchte er sie persönlich nach Kiew einladen lassen, wo die Sache wegen der Besitzungen in ihrer Gegenwart nach Recht und Billigkeit entschieden werden sollte.“

 

Fürst Rostislaw Mstislawitsch dankte dem Großfürsten hiefür, und ließ sogleich seinen Bruder

 

 

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Wladimir Mstislawitsch aus Wladimir in Wolhynien und seinen Neffen Mstislaw Isäslawitsch und Jaroslaw Isäslawitsch aus Luzk nach Kiew rufen. Mstislaw, der sich damals bey seinen Vaterbruder zu Wladimir in Wolhynien aufhielt, entschuldigte sich daß er wegen einer schweren Krankheit nicht reisen könne, sondern zuvor seine Kur vollenden müsse, fertigte aber einen Theil seiner Truppen mit seinem Vetter Wladimir und seinem Bruder Jaroslaw nach Kiew ab.

 

Sobald Wladimir und Jaroslaw in Kiew ankamen, stellete sie Rostislaw dem Großfürsten vor, den sie in ihrem und Mstislaws Namen um Verzeihung und Vergessung des Vergangenen baten. Jurii Wladimirowitsch nahm sie nach einem kurzen väterlichen Verweise freundschaftlich auf, und versprach ihnen seinen Schutz, Mstislaws wegen aber sagte er, daß er nach Wiederherstellung seiner Gesundheit selbst zu ihm kommen sollte.

 

Während der Zeit, da der Großfürst sich wegen des Krieges und Friedens mit den Brüdern und Söhnen seines Vorgängers berathschlagte, erhielt er die Nachricht, daß der Fürst von Tschernigow den Fürsten Swätoslaw von Sewerien zu einem Bündnise eingeladen habe, und ließ sogleich seinen Eidam Jaroslaw Wladimirowitsch von Halitsch ersuchen, ihm entweder selbst zu Hülfe zu kommen oder Hülsstruppen zu schicken. Fürst Jaroslaw fertigte ungesäumt einige Truppen ab, die zu gleicher Zeit mit den Fürsten Wladimir Mstislawitsch

 

 

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und Jaroslaw Isäslawitsch in Kiew ankamen.

 

Um diese Zeit kamen wiederum Polowzer an, die den Großfürsten um eine Zusamenkunft ersuchten.

 

Der Großfürst verfügte sich ohne Verzug mit den Fürsten Rostislaw, Wladimir, und Jaroslaw, und den Halitscher Hülfstruppen nach Kanew, wo er die Polowzer hinter den Walde im Lager stehen sahe, und sie nach gewöhnlicher Art zu sich einladen ließ.

 

Da diese Polowzer mehrentheils von gemeinen Stande und in geringer Anzahl waren, und die starke Begleitung des Großfürsten gewahr wurden, versprachen sie, ohne sich über etwas zu erklären, daß sie am folgenden Morgen mit ihrem vornehmsten Fürsten erscheinen würden, kehrten aber zu den ihrigen zurück und gingen in der Nacht sämtlich davon, worauf der Großfürst mit allen Fürsten und Truppen nach Kiew zurückkehrte.

 

Gleich nach dieser Rückkunft ließ Jurii Wladimirowitsch alle Fürsten und die zuverläßigsten Bojaren zu einem großen Rathe wegen des Krieges und Friedens mit dem Fürsten Isäslaw Davidowitsch von Tschernigow, nach Kiew einladen, und hierauf gedachtem Fürsten mit Zustimmung des größten Theils der Versammlung, durch einen Gesandten bekannt machen, daß wenn er Frieden und Freundschaft zu unterhalten wünsche, er entweder selbst nach Kiew kommen, oder einen andern schicklichen Ort zur Zusammenkunft bestimmen sollte.

 

 

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Da Fürst Isäslaw von Tschernigow den Großfürsten durch halitschische und wladimirische Truppen unterstüzt sahe, ließ er um Frieden bitten, entschuldigte sich daß er unmöglich selbst nach Kiew kommen könne, und versprach, mit dem Großfürsten, wenn es ihnen gefällig wäre, in Gesellschaft beider Swätoslawen in Ljutawa zusammen zu kommen.

 

Der Großfürst entließ gleich nach Erhaltung dieser Antwort die Fürsten und sämtlichen Truppen jeden in seine Gegend zurück, und begab sich selbst nach Ljutawa, wo er von den Fürsten Isäslaw Davidowitsch und Swätoslaw Olgowitsch erwartet wurde und man nach Berichtigung alles erforderlichen einen Vertrag schloß, nach welchem Jurii die vom Fürsten Swätoslaw einem seiner Söhne verliehene Stadt Karatschew dem Fürsten von Tschernigow, dieser aber dagegen dem Fürsten von Sewerien Mosür abtrat, worauf die Fürsten sich wohl vergnügten und freundschaftlich auseinander schieden.

 

Der Großfürst kam nach Kiew zurück.

 

Fürst Andrei Jurjewitsch bat jezt, da überall Frieden geschlossen war, seinen Vater, daß er ihm ins susdalische Gebiet zu reisen erlauben möchte, und nahm aus Wüschgrad das nach dem Bericht einiger Schriftsteller von einem gewissen Pirogoschtscha zu Schiffe aus Konstantinopel gebrachte Bild der heiligen Mutter Gottes mit sich, welches er, ausser dem Silber, den Edelsteinen und großen Perlen, mit dreysig Griwen Gold belegen ließ.

 

 

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249

 

Dieser Fürst fand bey seiner Ankunft in Weiß-Rußland nicht für gut in Susdal zu wohnen, sondern bauete für sich ein Haus in Wladimir an der Kläsma, wohin er auch das vorgedachte Bild versezte.

 

In diesem Jahre vermählte sich Fürst Mstislaw Jurjewitsch in Groß-Nowgorod, nach erhaltener Erlaubnis seines Vaters, mit seiner Geliebten der Tochter eines vornehmen Nowgoroders Peter Michailowitsch.

 

In eben diesem Jahre vermählte der Großfürst seinen Sohn Gleb zur zweiten Ehe mit einer Tochter des Fürsten Isäslaw Davidowitsch von Tschernigow.

 

Fürst Rostislaw Mstislawitsch schickte gleich nach seiner Rückkunft in Smolensk, zu seinem Neffen Mstislaw, und rieth ihm zu seiner Versöhnung mit dem Großfürsten ohne Zeitverlust nach Kiew zu reisen.

 

Um diese Zeit schickten die räsanischen Fürsten Gesandten nach Smolensk zum Fürsten Rostislaw Mstislawitsch, welcher mit ihnen im Namen seiner Brüder und Neffen ein Schutz-Bündniß schloß.

 

In diesem Jahre reisete die verwittwete Gemahlin des Großfürsten Mstislaw nach Ungarn, um bey ihrer Tochter der Königin einen Besuch abzulegen. Sie ward daselbst von dem Könige ihrem Eidame mit vieler Achtung empfangen und kehrte von ihm sehr reichlich beschenkt wiederum nach Rußland zurück.

 

 

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In eben diesem Jahre thaten die wolgischen Bolgaren einen Einfall in einige Gegenden des muromschen und räsanschen Gebiets.

 

Im Jahre 1156 verließ Fürst Wladimir Wladimirowitsch von Beresow, wegen einiger zwischen ihm und seinem Vaterbruder Isäslaw Davidowitsch von Tschernigow entstandenen Mißhelligkeiten, Beresow und nahm seine Wohnung in Schtschish, worauf er sich der Stadt Wsewolosh und einiger andern an der Desna gelegenen Orter bemächtigte, sich mit dem Fürsten Rostislaw Mstislawitsch von Smolensk verband, und sich von seinem Vaterbruder trennete.

 

Um diese Zeit entzweite sich auch Fürst Mstislaw Isäslawitsch wegen einer streitigen Besitzung mit seinem Vaterbruder Wladimir Mstislawitsch, und überfiel unvermuthet Wladimir in Wolhynien, von da er die Gemahlin und Mutter des Fürsten Wladimir nebst aller seiner Habe und einigen vor nehmen Bojaren nach Luzk entführte. Fürst Wladimir selbst flüchtete nach Peremüschl, verfügte sich von da zum Könige von Ungarn, und ließ den Großfürsten Jurii Wladimirowitsch um seinen Schutz ersuchen.

 

In diesem Jahre kamen wiederum Polowzer bey Kanew an, und ließen den Großfürsten um eine Zusammenkunft ersuchen. Jurii Wladimirowitsch verfügte sich mit den Fürsten Isäslaw Davidowitsch und Swätoslaw Olgowitsch bis zum Verhau und ließ die Polowzer zu sich rufen, die sich in großer

 

 

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Menge eingefunden hatten und die vorher geschlossene Friedensverträge erneuerten und bestätigten. Der Großfürst kehrte nach Kiew zurück, der Fürst von Tschernigow aber brachte die bey Kanew stehende Polowzer auf seiner Seite und zog mit ihnen gegen Berestow wider den Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch. Fürst Swätoslaw Olgowitsch begleitete den Großfürsten und vereinigte sich nachher mit dem Fürsten von Tschernigow, worauf beide sich bald mit ihren Neffen versöhnten und jeder sich in sein Gebiet begab.

 

Der Großfürst Jurii Wladimirowitsch nahm sich indessen der Beschwerden des Fürsten Wladimir Mstislawitsch von Wladimir in Wolhynien gegen Mstislaw Isäslawitsch an, und brach in Begleitung seines Eidams des Fürsten Jaroslaw Wla dimirowitsch von Halitsch, seines Neffen Wladimir Andreewitsch und seiner Söhne, mit den Berenditschen gegen Wladimir in Wolhynien auf. Man belagerte diesen Ort zehn Tage lang und machte verschiedene Versuche sich desselben zu bemächtigen, da aber Mstislaw einen nächtlichen Ausfall auf das Lager der Halitscher that und selbige zerstreute, rief der Großfürst, dem der Verlust der Leute schmerzte, alle Fürsten zur Berathschlagung zusammen und beschloß mit ihnen daß jeder in sein Gebiet zurück kehren solle, worauf sich alle von der Stadt entfernten Mstislaw, aber dem Großfürsten nachzog, seinen Nachtrab schlug und bis Dorogobush verfolgte.

 

 

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Der Großfürst ertheilte nach seiner Rückkunft nach Kiew, seinem Neffen Wladimir Andreewitsch Dorogobush, Peresopniza und alle Städte und Oerter am Gorin.

 

Um diese Zeit bat der Fürst von Halitsch den Großfürsten, ihm die Bewachung seines Feindes des Fürsten Iwan Rostislawitsch Berlädin zu übertragen, weshalb er den Fürsten Swätopolk ausdrücklich nach Kiew abschickte. Der Mitropolit und die Aebte stelleten indessen dem Großfürsten vor: „daß es unbillig und Sünde sey einen Menschen seinem Feinde in die Hände zu liefern“ und bewogen ihn dadurch den Fürsten Iwan nach Susdal zu schicken, welcher aber von dem Fürsten Isäslaw Davidowitsch, der hievon Nachricht erhalten hatte, auf dem Wege aufgefangen und nach Tschernigow gebracht ward.

 

In eben diesem Jahre thaten die Polowzer einen Einfall ins räsanische Gebiet am Fluse Soßna, und machten um Jelez viele Gefangene und Beute, sie wurden aber auf ihrem Rückwege von den räsanischen Fürsten eingeholt, und theils zerstreut theils gefangen genommen, wodurch zugleich alle rußische Gefangene ihre Freyheit erhielten.

 

Im Jahre 1157 schloß Fürst Rostislaw Mstislawitsch von Smolensk ein Bündnis mit dem Fürsten von Tschernigow und dem Fürsten Mstislaw Isäslawitsch, wozu auch Swätoslaw von Sewerien eingeladen wurde, der aber daran keinen Theil

 

 

 

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nehmen wollte. Hierauf sandte Rostislaw zum Großfürsten und verlangte von ihm, daß er seinem Bruder Wladimir Mstislawitsch und seinen Neffen den Isäslawitschen alles was man ihnen genommen hatte zurück geben sollte.

 

Der Großfürst Jurii Wladimirowitsch vergnügte sich um diese Zeit bey einem gewissen Petrila auf Smolniki, ward daselbst krank, und verstarb am 15ten May nach einer fünftägigen Krankheit; seines Alters im sechs und sechzigsten Jahre.

 

Er ward in der Heilandskirche auf Berestow begraben.

 

Als Großfürst von Kiew hatte er nach Isäslaws Tode zwey Jahre und einige Monathe regiert.

 

oo Seine Gemahlinnen waren:

 

1) Die Tochter eines polowzischen Fürsten Aepa, von welcher:
1. Rostislaw
2. Andrei
3. Johann
4. Boris
5. Gleb
6. Swätoslaw
7. Jaroslaw.

2) Olga eine griechisch-kaiserliche Prinzeßin, von welcher:
8. Mstislaw
9. Waßilko
10. Michail
11. Wsewolod.
12. Maria, Gemahlin des Fürsten Swätoslaw Olgowitsch von Sewerien.
13. Olga, Gemahlin des Fürsten Jaroslaw von Halitsch, welche von ihrem Manne geschieden sich zur Nonne einkleiden ließ.

 

 

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Geschlechts-Register Georgs II.

Wladimir II. mit dem Zunahmen Monomach, Fürst von Perejaslawl, nachher Großfürst von ganz Rußland, vom Jahre 1113 bis 1125.

 

oo Dessen erste Gemahlin: die königlich-schwedische Prinzeßin Christina, eine Tochter des Königs von Schweden Ingor IV.

 

oo Seine zweite Gemahlin die polozkische Prinzeßin Anna.

 

Dessen Sohn Georg II. Fürst von Rostow und Susdal, nachher Großfürst von 1155 bis 1157.

 

oo Seine Gemahlinnen waren:

1) Die Tochter eines polowzischen Fürsten Aepa, von welcher:
1. Rostislaw
2. Andrei
3. Johann
4. Boris
5. Gleb
6. Swätoslaw
7. Jaroslaw.

 

2) Olga eine griechisch-kaiserliche Prinzeßin, von welcher:
8. Mstislaw
9. Waßilko
10. Michail
11. Wsewolod.
12. Maria, Gemahlin des Fürsten Swätoslaw Olgowitsch von Sewerien.
13. Olga, Gemahlin des Fürsten Jaroslaw von Halitsch, welche von ihrem Manne geschieden und eine Nonne ward.

 

 

 

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Georgs II. Zeitverwandte, vom Jahre 1154 bis 1157 waren:

 

In Griechenland. Kaiser. Emanuel von 1143 bis 1180.

 

In Deutschland. Kaiser. Friedrich I. von 1152 bis 1190.

 

In Polen. König. Boleslaw IV. von 1146 bis 1173.

 

In Böhmen. Fürst. Wladislaw IV. von 1140 bis 1174.

 

In Sachsen. Fürst. Heinrich von 1139 bis 1180.

 

In der Pfalz. Fürsten. Hermann II. von 1141 bis 1156. Konrad von 1156 bis 1195.

 

In Brandenburg. Fürst. Albert I. genannt der Bär von 1142 bis 1169.

 

In Baiern. Fürst. Heinrich X. von 1154 bis 1180.

 

In Braunschweig. Fürst. Heinrich, genannt der Löwe von 1119 bis 1195.

 

In Ungarn. König. Geisa II. von 1141 bis 1161.

 

In Dänemark. König. Sweno III. von 1147 bis 1157.

 

In Schweden. König. Erich IX. von 1141 bis 1160.

 

 

 

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In Arabien. Kalif. Moktasi L. Kalif von 1136 bis 1160.

 

In Egypten. Kalifen. Dafer Wamrilla von 1149 bis 1155. Faes Ben Nasrilla von 1135 bis 1160.

 

In Ikonium. Sultane. Masut von 1117 bis 1155. Kilidshe Arslan von 1155 bis 1192.

 

In Aleppo. Sultan. Nurredin Mamut von 1145 bis 1174.

 

In Damask. Sultan. Rodshir Eddin von 1142 bis 1174.

 

In Frankreich. König. Ludwig VII. Von 1137 bis 1180.

 

In England. Könige. Stephan von 1135 bis 1154. Heinrich II. von 1154 bis 1189.

 

In Schottland. König. Malkom IV. von 1153 bis 1165.

 

In Spanien. König. Alfons III. von 1126 bis 1157.

 

In Portugal. Könige. Feresa und Alfons I. von 1112 bis 1185.

 

In Toskana. Groß-Herzog. Welf von 1153 bis 1195.

 

Patriarchen zu Konstantinopel. Lucas von 1139 bis 1153. Konstantin von 1154 bis 1155.

 

Römischer Pabst. Adrian IV. von 1154 bis 1159.

 

 

 

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Mitropoliten zu Kiew. Klement von 1147 bis 1156. Konstantin von 1156 bis 1160.

 

In Rußland. Abgetheilte Fürsten.

 

In Tschernigow. Isäslaw Davidowitsch

 

In Groß-Nowgorod. Roman Rostislawitsch. Mstislaw Jurjewitsch.

 

In Smolensk. Rostislaw Mstislawitsch

 

In Wladimir in Wolhynien. Wladimir Mstislawitsch

 

In Räsan. Rostislaw Jaroslawitsch

 

In Jelez. Andrei Rostislawitsch

 

In Halitsch. Jaroslaw Wladimirowitsch

 

In Polozk. Rochwold Borisowitsch

 

In Minsk. Rostislaw Glebowitsch

 

In Nowgorod- Sewerskoi. Swätoslaw Olgowitsch

 

In Wüschgrad. WetscheslawWladimirowitsch. Andrei Jurjewiisch.

 

In Turow und Pinsk. Swätoslaw Wsewoloditsch. Boris Jurjewitsch.

 

In Peresopniza. Gleb Jurjewitsch

 

In Perejaslawl. Mstislaw Isäslawitsch. Gleb Jurjewitsch.

 

In Porosien. Waßilko Jurjewitsch

 

Beresow und Schtschish. Wladimir Wladimirowitsch

 

In Luzk. Mstislaw Isäslawitsch

 

In Berestow. Swätoslaw Wsewolodowitsch

 

In Dorogobush. Wladimir Andreewitsch

 

Petb. J. 1784.

 

 

 

Quelle: Neues St. Petersburgisches Journal vom Jahre 1784. Mit Bewilligung des Ober-Polizey-Amts. St. Petersburg, aus der Schnoorschen Buchdruckerey. S. 3-257.

 

 

 

 

 

 

Aufsäze betreffend die rußische Geschichte,

aus dem Rußischen übersezt.

Ein Anhang zum St. Petersburgischen Journal vom Jahre 1784.

 

Mit Bewilligung des Ober-Polizey-Amts.

St. Petersburg, gedruckt bey J. K. Schnoor, 1785.

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Aufsäze betreffend die rußische Geschichte.

(Fortsezung. *)

 

Großfürst Isäslaw III.

 

Im Jahre 1157 ereigneten sich, gleich am ersten Tage nach dem Ableben des Großfürsten Jurii Wladimirowitsch, große Unruhen in Kiew. Das Volk plünderte den schönen Lusthof des verstorbenen Großfürsten, einen andern jenseit des Dniepers gelegenen Hof, das Paradies genannt, und das Haus des Fürsten Waßilko Jurjewitsch; es schlug die Susdaler, die diese Höfe bewachten und vertheidigen wollten, und sprach: „ihr habt uns geplündert und zu Grunde gerichtet, ihr habt uns unsre Weiber und Töchter geraubt, ihr seyd nicht unsre Brüder, sondern Feinde.“ Da nun die vornehmsten Kiewer wußten, daß Fürst Isäslaw Davidowitsch von Tschernigow sich mit verschiedenen andern Fürsten verbunden habe und zum Aufbruche gegen Kiew gerüstet sey, ließen sie ihm in Rücksicht dieser unter dem Volke herrschenden

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*) S. St. Petersburgisches Journal 1784.

 

 

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Unruhe, den Tod des Großfürsten bekannt machen, und ihn zu sich nach Kiew einladen.

 

Fürst Isäslaw ließ auf diese unvermuthete Nachricht seinen Neffen Wladimir Wladimirowitsch in Tschernigow zurück, kam am sechsten Tage nach dem Tode des Großfürsten Jurii, nemlich am 15ten May Montags in der Pfingstwoche, in Kiew an, und ward daselbst von dem Mitropoliten und allen Kiewern, als Großfürst mit gebührender Ehrerbietung empfangen.

 

Als Fürst Swätoslaw Olgowitsch von Sewerien von Isäslaws Antritt der großfürstlichen Regierung Nachricht erhielt, berief er sich auf die ehemals zwischen ihnen geschlossene Verträge, nach welchen Isäslaw, wenn er selbst Kiew erhalten sollte, ihm Tschernigow abzutreten versprochen hatte, und kam mit seinem Neffen Swätoslaw Wsewolodowitsch vor Tschernigow an, um die Stadt in Besiz zu nehmen. Da aber Fürst Wladimir Wladimirowitsch sie ohne Befehl des Großfürsten Isäslaw nicht in die Stadt einlassen wollte, sie selbst aber nur wenig Truppen bey sich hatten, zogen sie sich über die Swina zurück, ließen den Großfürsten an die Erfüllung seiner Verträge errinnern, und indeß ihre Truppen zusammen ziehen, um auf den Fall wenn der Großfürst ihnen nicht nach Inhalt des Vertrages Tschernigow freywillig abtreten sollte, selbiges mit Gewalt zu nehmen.

 

Der Großfürst welcher zu gleicher Zeit von der unvermutheten Ankunft des Fürsten von Sewerien

 

 

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vor Tschernigow, von seinen Kriegsrüstungen und Anforderungen Nachricht erhielt, nahm solches als eine absichtliche Beleidigung auf und zog ihm in Begleitung des Fürsten Mstislaw Isäslawitsch und seines Neffen Swätoslaw Wladimirowitsch entgegen. Da aber beide Armeen an den entgegengesezten Ufern des Fluses gegeneinander gerüstet standen, fingen die Fürsten Friedensunterhandlungen an, und kamen endlich überein, das der Großfürst nach Inhalt der vorigen Verabredungen dem Fürsten Swätoslaw Olgowitsch Tschernigow abtreten dieser aber Nowgorodok-Sewerski seinem Neffen Swätoslaw Wsewolodowitsch überlassen sollte, welches sie mit einem Eide bekräftigten, und darauf auseinander schieden.

 

In demselben Jahre erneuerte der Großfürst in einer bey Kanew gehaltenen Zusammenkunft den Frieden mit den Polowzern und kehrte von da nach Kiew zurück.

 

Als Fürst Andrei Jurjewitsch von Wladimir an der Kläsma, von dem Tode seines Vaters des Großfürsten Jurii Wladimirowitsch Nachricht er hielt, nahm er sogleich den großfürstlichen Titel an, worin er dem Beyspiele seines Vaters folgte, der schon im Jahre 1152 als er aus Kiew nach Susdal zurück kam, um seine Betrübnis über den Verlust des kiewschen Großfürstenthums zu mildern, sich in allen seinen Besizungen, welche das damalige Weißrußland ausmachten, Großfürst zu nennen verordnet hatte.

 

 

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Andrei Jurjewitsch machte dieses allen rußischen Fürsten schriftlich bekannt. Die Susdaler, Rostower und alle seine übrigen Städte huldigten ihm mit Freuden. Die Geschichtschreiber sagen: Andrei Jurjewitsch ward von seinen Unterthanen, seiner Gerechtigkeit, guten Regierung und Tapferkeit wegen, vor allen übrigen Söhnen des Großfürsten Jurii geliebt. Er war von Kindheit an gottesfürchtig, bestrebte sich seine Seele mit allen Tugenden zu zieren, und liebte, seiner Tapferkeit unbeschadet, den Frieden mehr als Krieg, und Gerechtigkeit mehr als Eroberungen. Er war nicht groß von Wuchs, aber gesezt und sehr stark, hatte schwarzes krauses Haar, eine hohe Stirne und große helle Augen. Er vollendete im ersten Jahre seiner Regierung den Bau einer von seinem Vater in Susdal angelegten Kirche, legte in Wladimir an der Kläsma eine neue der heiligen Mutter Gottes gewidmete steinerne Kirche an, und ernannte selbige, nachdem er sie ausgebaut und ausgeschmückt hatte, zur Hauptkirche dieser Stadt, die er bald nachher nebst den Festungswerken ansehnlich vergrößerte.

 

In diesem Jahre starb die Fürstin Sophia Jaroslawowna Gemahlin des Fürsten Rostislaw Glebowitsch.

 

In diesem Jahre unternahm der Großfürst Isäslaw Davidowitsch in Begleitung der Fürsten Jaroslaw Isäslawitsch aus Luzk, Jaropolk Andreewitsch eines Bruders des Fürsten Wladimir Andreewitsch, Rurik Rostislawitsch eines Sohnes des Fürsten

 

 

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Rostislaw Mstislawitsch von Smolensk, Wladimir Mstislawitsch, und einiger Halitschischen Truppen einen Feldzug gegen den Fürsten Jurii Jaroslawitsch von Turow, um diese Stadt dem Fürsten Wladimir Mstislawitsch zu übergeben.

 

Zu gleicher Zeit kamen auch einige Polozker bey Turow an, die Berenditschen aber verheereten die Gegenden um Pinsk jenseit des Pripet.

 

Fürst Jurii Jaroslawitsch vertheidigte sich mit vieler Tapferkeit und that öftere Ausfälle, ließ aber doch, um seiner Leute zu schonen, den Großfürsten um Frieden bitten. Der Großfürst verlangte daß Turow dem Fürsten Wladimir Mstislawitsch abgetreten werden sollte, Jurii Jaroslawitsch aber wollte sich dazu nicht bequemen. Die vereinigten Fürsten standen hierauf zehn Wochen lang vor der Stadt, und wurden endlich durch ein bey der Armee eingerißenes Pferde-Sterben unverrichteter Sache zum Rückzuge genöthiget.

 

Im Jahre 1158 am 3ten Januar in der zweiten Tages-Stunde, starb in Kiew, die gewesene Gemahlin des Fürsten Gleb Wseslawitsch von Polozk, eine Tochter des Fürsten Jaropolk Isäslawitsch und Enkelin des Großfürsten Isäslaw I., welche vierzig Jahre lang im Wittwenstande, überhaupt aber vier und achtzig Jahre gelebt hatte, und im petscherischen Kloster begraben ward.

 

In diesem Jahre herrschte in Groß-Nowgorod eine Seuche unter Menschen und Vieh, auch war daselbst am 3ten November ein Ungewitter mit

 

 

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Donner und Bliz und starkem Hagel, welcher an Größe einem Apfel glich und vielen Schaden verursachte. In diesem Jahre ließen die Nowgoroder ihrem Fürsten Mstislaw Jurjewitsch bekannt machen, daß er sich mit Ehren aus Nowgorod nach seiner Vaterstadt begeben möchte, und ersuchten hierauf den Fürsten Rostislaw Mstislawitsch von Smolensk, entweder selbst zu ihnen zu kommen oder ihnen seinen ältesten Sohn zuzuschicken. Fürst Mstislaw Jurjewitsch wiedersezte sich dieser Aufforderung der Nowgoroder, und ward von verschiedenen Bürgern, die ihm einige bewafnete Leute zuschickten, unterstüzt.

 

Unterdessen kam Fürst Swätoslaw Rostislawitsch mit seinem Bruder David Rostislawitsch aus Smolensk vor Nowgorod an. Mstislaw Jurjewitsch versammelte alle seine Truppen und warf die Brücke über den Wolchow ab; worauf beide Fürsten gegen einander über standen, und sich zum Treffen anschickten. Da aber Fürst Mstislaw Jurjewitsch sahe, daß nur wenige Nowgoroder zu ihm traten, der größte Theil aber zum Fürsten Swätoslaw Rostislawitsch überging, bat er sich am folgenden Tage einen freyen Abzug aus, und begab sich aus Nowgorod zu seinem Bruder Andrei Jurjewitsch nach Susdal.

 

An demselben Tage kam Fürst Rostislaw Mstislawitsch selbst in Groß-Nowgorod an, übergab die Stadt seinem Sohne David Rostislawitsch,

 

 

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dem die Nowgoroder bey Küssung des Kreuzes huldigten, und kehrte wiederum nach Smolensk zurück. Am 4ten May starb Fürst Boris Jurjewitsch, und ward in der Kirche zu den heiligen Märtirern am Nerl *) auf Kideischi begraben.

 

Die Polozker, welche unter der sanften aber schwachen Regierung des Fürsten Rochwold Borißowitsch übermüthig und aufsäzig geworden waren, hatten wieder ihn einen Aufstand erregt und sowohl ihn als sich selbst dem Fürsten Rostislaw Glebowitsch von Minsk und seinen Brüdern übergeben.

 

Fürst Rochwold Borißowitsch ward von seinem Neffen Rostislaw Glebowitsch unter Wache gehalten, und nur durch die eifrige Bemühungen des Großfürsten Jurii Wladimirowitsch wieder in Freiheit gesezt. Da er aber nach dem Tode dieses Fürsten von niemanden unterstüzt ward, begab er sich zum Fürsten Swätoslaw Olgowitsch, und erbat von ihm Hülfstruppen, mit welchen er ins polozkische Gebiet einfiel und die Druzker zur Unterwerfung auffordern ließ. Die Druzker kamen ihm entgegen, führten ihn mit Ehrerbietung in ihre Stadt, und vertrieben den Fürsten Gleb Rostislawitsch, welcher sich zu seinem Vater Rostislaw Glebowitsch nach Minsk begab. Indes herrschten sowohl in Minsk als im ganzen polozkischen Gebiet verschiedene Gesinnungen und Absichten, weil einige den Fürsten Rochwold Borißowitsch andre den Fürsten Rostislaw Glebowitsch

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*) Der Nerl fällt in die Dubna und diese in die Kläsma.

 

 

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zu ihrem Herrn haben wollten. Beide Fürsten suchten sich durch reichliche Geschenke einer vor dem andern sowohl bey den Großen als bey dem übrigen Volke beliebt zu machen. Rostislaw Glebowitsch aber brachte bald darauf einige Truppen zusammen und zog mit den Fürsten Wsewolod, Wolodar, und seinen übrigen Brüdern gegen Rochwold zu Felde, den sie einige Tage lang in Druzk belagerten, da sie aber die Stadt wohl befestiget fanden, in Unterhandlung traten, und nach geschlossenem Frieden, durch welchen das Gebiet des Fürsten Rochwold vergrößert ward, in ihre Besizungen zurück kehrten.

 

Die Polozker theilten sich indessen in zwey Partheien,von welchen die eine den Fürsten Gleb aus Minsk zu sich einladen ließ, die andre aber einige ihrer Aeltesten an den Fürsten Rochwold Borißowitsch abfertigte, ihn wegen seiner Vertreibung, an der blos Fürst Gleb und seine Söhne schuld gewesen, um Verzeihung baten, und hienächst ihm den Eid der Treue zu leisten, und ihr Vergehen wieder gut zu machen versprachen.

 

Rochwold nahm die Abgeordneten gnädig auf, versprach ihnen ihr Vergehen zu verzeihen, und schickte sie mit einem Schreiben desselben Inhalts nach ihrer Stadt zurück. Gleb fertigte mit den an ihn abgeordneten Polozkern seinen Sohn Rostislaw Glebowitsch nach Polozk ab, für welchen die ihm ergebene Parthey in der Stadt am Peter-Pauls-Tage ein großes Gastmaal veranstaltete.

 

 

 

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Die dem Fürsten Rochwold ergebene Polozker gedachten sich dieser Gelegenheit zu bedienen um den Fürsten Rostislaw Glebowitsch gefangen zunehmen. Dieser aber, hatte, obgleich er von diesem Vorhaben nichts wußte, aus Mißtrauen gegen die in der Stadt befindlichen unruhigen Köpfe, einen Harnisch angelegt, schreckte dadurch die Gegenparthey ab etwas gegen ihn zu unternehmen, vergnügte sich den ganzen Tag, und begab sich gegen die Nacht aus der Stadt nach Kobelnize.

 

Am folgenden Morgen ließen die Polozker den Fürsten Rostislaw Glebowitsch,unter dem Vorwande daß sie ihm etwas nöthiges zu sagen hätten, nochmals in ihre Stadt einladen. Er antwortete zwar hierauf: „warum sie ihm dieses nicht gestern gesagt hätten, da er den ganzen Tag bey ihnen gewesen wäre,“ da aber die Abgeordneten erwiederten: „daß sie beym Gastmaale blos an sein Vergnügen gedacht und ihn mit Geschäften zu unterhalten für unschicklich gehalten hätten“ entließ er selbige nach der Stadt, folgte ihnen auf dem Fuße nach, und war schon nahe zum Stadtthore gekommen,als ihm einer von seiner Parthey eilends mit der Nachricht entgegen kam, daß man in der Stadt seine Leute erschlage. Rostislaw kehrte hierauf sogleich nach Minsk zurück, brachte Truppen zusammen, und fiel nebst seinem Bruder Wolodar ins polozkische Gebiet ein, wo er viele Leute und Vieh erbeutete.

 

Die Polozker ließen in dieser ihrer Noth den Fürsten Rochwold um Beschleunigung seiner Ankunft

 

 

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bitten, welcher am 8ten Julius in Polozk eintraf. Rochwold Borißowitsch hatte unterdessen den Fürsten Rostislaw Mstislawitsch von Smolensk um Unterstüzung gebeten, der ihm seine Söhne Mstislaw und Roman mit den Smolenskern, und Rurik mit den Nowgorodern und Pskowern zu Hülfe schickte. Diese Fürsten brachen insgesammt mit Rochwolden wieder Rostislaw Glebowitsch gegen Minsk auf, und thaten unterweges einen Angrif auf die Stadt Isäslawl, in welcher sich Fürst Wsewolod Glebowitsch befestiget hatte.

 

Wsewolod Glebowitsch der ehemals mit dem Fürsten Rochwold sehr genaue Freundschaft unterhalten hatte, kam im Vertrauen auf diese Verbindung selbst zu ihm vor die Stadt heraus, und bat man möchte ihn, der an allen Beleidigungen keinen Antheil genommen hätte, in Ruhe lassen, wogegen er den Frieden zu beobachten und seinen Vater gleichfalls mit dem Fürsten Rochwold auszusöhnen versprach. Rochwold schloß mit diesem Fürsten Frieden und gab ihm eine andre Stadt,Isäslawl aber übergab er demFürsten Wratislaw dem es eigentlich zugehörte.

 

Von hier rückten die Fürsten vor Minsk, standen zehn Tage lang vor der Stadt, schlossen hierauf mit dem Fürsten Rostislaw Glebowitsch Frieden und gingen auseinander, obgleich Wolodar Glebowitsch keinen Eid geleistet hatte.

 

In diesem Jahre suchte Fürst Jaroslaw Wladimirowitsch von Halitsch verschiedene Fürsten durch Bitten, Geschenke und Versprechungen zu bewegen,

 

 

 

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dem Großfürsten Isäslaw Davidowitsch seine Verbindung mit dem damals in Kiew befindlichen Fürsten Iwan Rostislawitsch Berlädin, von welchem er einen Einfall in seine Länder besorgte, zu wiederrathen. Die Fürsten Swätoslaw Olgowitsch von Tschernigow, Swätoslaw Wsewolodowitsch von Sewerien und verschiedene andre, versprachen ihm hiezu behülflich zu seyn und schickten deshalb Gesandte nach Kiew, nemlich: Fürst Jaroslaw Wladimirowitsch von Halitsch seinen Bojaren Sbignew, Swätoslaw Olgowitsch von Tschernigow einen gewissen Shiroslaw Iwanowitsch, Rostislaw Mstislawitsch von Smolensk und Mstislaw Isäslawitsch von Wladimir in Wolhynien den Shiroslaw Waßilkowitsch, Jaroslaw Isäslawitsch und Wladimir Andreewitsch den Gawrila Waßilkowitsch, Swätoslaw Wsewolodowitsch von Sewerien einen gewissen Kiäpin, die Könige von Ungarn und Polen aber schickten gleichfalls einige ihrer ansehnlichsten Männer ab, die alle besonders nach Kiew kamen, hierauf aber versammelt dem Großfürsten eine gemeinschaftliche Vorstellung thaten, daß er den Fürsten Iwan Rostislawitsch Berlädin von sich entfernen möchte. Der Großfürst antwortete ihnen allen zugleich: „Wenn die Gesandten die ungerechte Beschuldigung des Fürsten Iwan Rostislawitsch und die unanständige Forderung des Fürsten von Halitsch in Betrachtung ziehen würden, so würden sie sich schämen, sich in dieser Sache weiter für leztern zu verwenden. Er versichere sie, daß er wegen des

 

 

 

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Fürsten Iwan Rostislawitsch zwar keinen Krieg anfangen, aber ihn auch nicht von sich entfernen werde. Indessen wolle er, in Absicht der Mißhelligkeiten zwischen dem Fürsten von Halitsch und dessen Vetter Iwan Rostislawitsch Berlädin, den Gesandten hiemit den Vorschlag thun, sich zum Fürsten Mstislaw Isäslawitsch nach Wladimir in Wolhynien zu begeben, und daselbst durch einen gemeinschaftlichen Schluß zu bestimmen, auf welche Art Iwan Rostislawitsch befriediget werden könne.“

 

Fürst Iwan Rostislawitsch Berlädin befürchtete indessen, der Großfürst möchte, durch die Bitten so vieler Fürsten und auSwärtiger Regenten zum Vortheil des Fürsten von Halitsch bewogen, ihm seinen Schuz entziehen, und entflohe heimlich zu den Polowzern.

 

Der Gesandte des Fürsten von Halitsch reisete hierauf gleichfalls, in Begleitung des ungarischen Gesandten, mit einer ansehnlichen Bedeckung zu den Polowzern, und bat sie mit großen Versprechungen, den Fürsten Iwan Rostislawitsch auszuliefern, suchte auch, da er eine abschlägige Antwort erhielt, selbigen mit Gewalt zu entführen, die Polowzer aber bewafneten sich, vertheidigten den Fürsten und trieben die Gesandten zurück.

 

Nach diesem überfiel Fürst Iwan Rostislawitsch Berlädin mit den Polowzern die an der Donau gelegenen Städte und fügte dem Halitschischen Gebiet großen Schaden zu, wobey er auf der Donau

 

 

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zwey mit reichen Waaren beladene Schiffe nahm, und die Halitschischen Fischer auffing. Nachher fanden sich bey ihm mehrere Polowzer und Berläden ein, mit welchen er, über sechs tausend Mann stark, zuerst vor Kugdätin, wo er mit aller Achtung aufgenommen ward, hierauf aber vor Kuschin erschien, welches kurz vor seiner Ankunft durch einige Truppen des Fürsten von Halitsch besezt worden war, und sich tapfer vertheidigte. Indessen kamen die Einwohner dieser Stadt die dem Fürsten Iwan Rostislawitsch sehr ergeben waren, über die Wälle zu ihm, so daß sich schon über dreyhundert Mann bey ihm eingefunden hatten. Da aber die Polowzer diese Leute als ihre Gefangene behandeln wollten, Fürst Iwan Rostislawitsch hergegen ihnen solche versagte, entzweyten sie sich mit ihm und gingen davon, so das er allein in Kugdätin zurückblieb.

 

Der Großfürst Isäslaw ließ auf die Nachricht, daß Iwan Rostislawitsch den Krieg angefangen habe, selbigen zu sich nach Kiew entbieten, weil er aber seinetwegen mit dem Fürsten von Halitsch und dessen Verbündeten den Fürsten Wladimir Mstislawitsch und Wladimir Andreewitsch in Krieg zu gerathen befürchtete, ließ er zugleich dem Fürsten Swätoslaw Olgowitsch von Tschernigow und andern Fürsten, durch seinen Gesandten Gleb Rokotitsch, ein SchuzBündniß antragen.

 

Fürst Swätoslaw Olgowitsch bat den Großfürsten um eine Zusammenkunft, welche in Lutowa gehalten ward. Swätoslaw Olgowitsch, brachte

 

 

 

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seine Söhne Olg und Igor nebst seinem Neffen Swätoslaw Wsewolodowitsch von Sewerien mit sich, die versammelten Fürsten brachten zwey Tage mit vielem Vergnügen zu, beschenkten einander mit seltenen Sachen, und schickten ihrem gemeinschaftlichen Schluß gemäß, Gesandte an den Fürsten von Halitsch und seine Verbündeten, um ihnen ihr geschlossenes Bündniß bekannt zu machen, und sie zugleich zu befragen, warum sie den Großfürsten Isäslaw zu bekriegen gedächten. Der Fürst von Halitsch antwortete den Gesandten auf ihre Anfrage: „Wenn der Großfürst dem Fürsten Iwan Rostislawitsch weder heimlich noch öffentlich Hülfe leisten will, so habe ich keine Ursache zum Kriege und gedenke nie einen Krieg anzufangen,“ worauf die übrigen Fürsten eine gleichmäßige Antwort ertheilten, und sämtlich ihre Truppen auseinander ließen.

 

Unterdessen wünschten verschiedene Halitscher, denen die gerechte und sorgfältige Regierung des Fürsten Jaroslaw alle Wege zur Ausgelassenheit, Frechheit und Chikane benahm, zur Parthey des Fürsten Iwan Berlädin zu treten, und wurden hievon blos durch Furcht der Strafe zurück gehalten. Fürst Iwan gab diesen Leuten, weil er sonst nichts zu geben hatte, große Versprechungen, trat mit ihnen in Unterhandlung, schickte nebst ihnen heimlich zum Großfürsten, und ließ selbigen um seine baldige Ankunft mit seiner Armee ersuchen. Der Großfürst, der so wie verschiedene seiner Vorgänger die Größe der Fürsten von Halitsch, die den Unternehmungen

 

 

 

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der Großfürsten oft Hindernise in den Weg gelegt hatten, und besonders zu einer Zeit da die Macht des Großfürstenthums Kiew schon sehr gefallen war fruchtbar zu werden anfingen, mit neidischen Augen ansah, traute gar zu leicht den Versprechungen des Fürsten Iwan Rostislawitsch und seines Anhangs, besonders da verschiedene Halitscher die hierum wußten ihm Nachrichten zutrugen, und versicherten, daß viele Fürsten, sobald sie nur seine Armee im Felde sehen würden, sich mit ihm zu vereinigen bereit wären. Er schickte durch diese Reden geblendet zu den Fürsten Swätoslaw Olgowitsch von Tschernigow und Swätoslaw Wsewolodowitsch von Sewerien, um sich bey ihnen zu erkundigen: wie sie sich zu verhalten gedächten, wenn er mit den übrigen Fürsten dem Fürsten Iwan Rostislawitsch zu Hülfe ziehen sollte, um ihm eine mit Recht gebührende Besizung zu verschaffen.

 

Die Geschichte meldet: Fürst Swätoslaw Olgowitsch habe den Aufstand der Halitscher gemißbilliget, die Unternehmung des Großfürsten für ungerecht erkannt, und ihm nach reifer Ueberlegung selbige äußerst wiederrathen, hingegen aber in seinem und seines Neffen Namen versprochen, ihn, wenn er vom Fürsten Jaroslaw angegriffen werden sollte, aus allen Kräften zu unterstüzen.

 

Der Großfürst ließ sich weder durch diesen Rath noch durch den Rath der Kiewer bewegen, und brach mit seinem Heere auf. Swätoslaw schickte ihm zwar einen gewissen Jurii Iwanowitsch, Scharukans

 

 

 

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Bruder, nach, und ließ ihn bitten, sich ja in keinen Krieg einzulassen sondern vielmehr zurück zu kehren, weil zu besorgen stünde, die Fürsten möchten in Rücksicht der Ungerechtigkeit dieses Unternehmens einen Versuch gegen Kiew wagen. Isäslaw hörte den Vortrag dieses Gesandten zornig an, und antworte: „Er werde nicht zurück kehren, und nach Endigung seiner Sache mit dem Fürsten von Halitsch auch mit denen fertig werden, die ihm jezt ihre Hülfe versagten.“ Der Gesandte kehrte mit dieser Antwort zum Fürsten Swätoslaw Olgowitsch zurück, welcher sich bey Anhörung derselben vernehmen ließ: „Er wolle niemand angreifen, um mit seinem Lande in Ruhe zu bleiben, und kein unschuldiges Christenblut zu vergießen, wenn ihn aber jemand der Stadt Tschernigow und seiner sieben leeren Städte, als Murawsk, Ljubetsch, Ortschischtschew, Wsewolosh etc. die von den Polowzern verwüstet, Jägern und Hunden zur Wohnung dienten, berauben wolle, so werde Gott als ein gerechter Richter, ihm gegen die Eidbrüchigen Schuz und Hülfe leisten.“ Er ließ dieses dem Großfürsten bekannt machen, und bat ihn zum drittenmal umzukehren und allen Krieg einzustellen.

 

Isäslaw Davidowitsch war indessen bis Munarewo gekommen, und erwartete daselbst seinen Neffen Wladimir Wladimirowitsch, der ihm vom Don her eine Parthey wilder Polowzer zuführen sollte, die bisher keine Einfälle in Rußland gethan hatten, welche gewöhnlich nur von denen die am Donez

 

 

 

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und Dnieper wohnten unternommen wurden. Er sandte diesem Fürsten entgegen und ließ ihn bitten seine Ankunft so viel als immer möglich zu beschleunigen, erfuhr aber indessen daß Fürst Mstislaw Isäslawitsch, nebst dem Fürsten Wladimir Andreewitsch, seinem Bruder Jaroslaw Isäslawitsch, und einer Parthey Halitscher Truppen, auf einem andern Wege gegen Kiew anrücke, welches ihn eiligst sich gegen Waßilew zurück zu ziehen nöthigte. Er vereinigte sich daselbst mit den ihm von seinen Neffen zugeführten Polowzern und wandte sich gegen Belgrad, wo er an der kiewschen Straße stehen blieb.

 

Bald hierauf kam auch Mstislaw mit den vorgedachten Fürsten in dieser Gegend an, da denn die Feindseeligkeiten zwischen beiden Armeen sogleich ihren Anfang nahmen.

 

Mstislaw ließ die Belgrader an ihren den Nachkommen Wladimirs geleisteten Eid errinnern und zur Uebergabe auffordern, welches so viel fruchtete, daß sie die Thore öfneten und ihn mit Achtung aufnahmen.

 

Um diese Zeit kam dem Großfürsten ein fast aus zwanzig tausend Mann bestehendes Heer Polowzer unter Anführung des polowzischen Fürsten Baschkart zu Hülfe, welches er den Bemühungen seines Neffen Bratschislaw Wladimirowitsch zu danken hatte, dessen Mutter, eine polowzische Fürstin, nach dem Tode ihres ersten Gemahls des Fürsten Wladimir Davidowitsch von Tschernigow, zu den Polowzern zurückgekehrt war, und sich daselbst zur

 

 

 

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zweiten Ehe mit dem mächtigen Fürsten Baschkart vermählet hatte.

 

Der Großfürst suchte gleich nach Ankunft dieser so wichtigen Verstärkung eine Schlacht zu lie fern und ließ deshalb seine Truppen gegen den Fürsten Wladimir Andreewitsch vorrücken, Fürst Mstislaw Isäslawitsch aber suchte in Rücksicht der ihm überlegenen feindlichen Armee ein Haupttreffen zu vermeiden, so daß beide Armeen zwölf Tage lang unthätig stehen blieben.

 

Unterdessen bemühete sich Mstislaw heimlich, die Berenditschen durch allerley Versprechungen auf seine Seite zu ziehen, welche auch würklich und ohne sich lange zu bedenken zu ihm übergingen. Der Großfürst sezte sich auf die erste Nachricht von diesem Vorfalle zu Pferde und ritt in größter Eile nach dem Lager der Berenditschen, sahe aber daselbst blos die leeren Hütten brennen, und kehrte nach seinem Lager zurück, wo einige ihm Stand zu halten, andre aber sich weiter zurück zu ziehen riethen. Da die Kiewer den Großfürsten das leztere zu thun geneigt sahen, und eine Belagerung ihrer Stadt, wo sie ihre Häuser, Weiber und Kinder hatten, befürchteten, wiederriethen sie ihm nach Kiew zu kommen und stelleten ihm solches als eine sehr bedenkliche und gefährliche Sache vor.

 

Der Großfürst brach diesem zufolge mit seinen Neffen Swätoslaw Wladimirowitsch und Wladimir Wladimirowitsch auf, verfügte sich Wüschgrad

 

 

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vorbey über den Dnieper nach Gom, und ließ auch seine Gemahlin aus Kiew zu sich entbieten.

 

Als die Polowzer die durch die Berenditschen verursachte Verwirrung bemerkten, zerstreueten sie sich sogleich nach verschiedenen Gegenden jenseit des Dniepers, wo sie die Berenditschen einholten, schlugen, und viele von ihnen gefangen nahmen.

 

Die Großfürstin machte sich sobald möglich auf, und reisete aus Kiew über den Dnieper nach Perejaslawl zu ihrem Eidame dem Fürsten Gleb Jurjewitsch, der sich zwar durch keine Versprechungen seines Schwiegervaters, an den innerlichen Kriegen zwischen den Fürsten Antheil zu nehmen, verleiten ließ, aber seine Schwiegermutter mit Achtung aufnahm und über Gorodok, Glebow, und Chobor bis Ropesk begleitete, wo sie Fürst Jaroslaw Wsewolodowitsch, ein Bruder des Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch aufnahm, freundschaftlich bewirthete, und zu ihrem Gemahl nach Gom abfertigte. Isäslaw begab sich hierauf mit seiner Gemahlin ins Gebiet der Wätitschen und bemächtigte sich eines der Gemahlin des Fürsten Swätoslaw von Tschernigow gehörigen städtchens Oblow, um dadurch sein Mißvergnügen über den Fürsten von Tschernigow wegen der ihm versagten Hülfe zu erkennen zu geben; der Fürst von Tschernigow aber schickte auf diese Nachricht eine Parthey ab, um das Gepäcke und die Bojaren des Großfürsten aufzufangen, von welchen viele mit ihren Frauen in seine Hände geriethen, und

 

 

 

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nur nach Erlegung eines schweren Lösegeldes wieder in Freiheit gesezt wurden.

 

Da die Fürsten Mstislaw Isäslawitsch, Wladimir Andreewitsch und Jaroslaw von Halitsch sahen, daß der Großfürst mit seiner Armee ohne sich aufzuhalten Kiew vorbey gegangen sey, erschienen sie am folgenden Tage vor der Stadt, wo sie ohne Wiederstand aufgenommen wurden, und sich der nachgebliebenen Habe und Bojaren des Großfürsten bemächtigten.

 

In diesem Jahre ward dem Fürsten Gleb Jurjewitsch von Perejaslawl ein Sohn gebohren, welcher damals Epiphanii, als regierender Fürst aber Wladimir genannt wurde.

 

Die vereinigten Fürsten schickten gleich nach ihrem Einzuge in Kiew Gesandte nach Smolensk, um den Fürsten Rostislaw Mstislawitsch zu sich ein zuladen. Fürst Rostislaw fertigte zum Voraus zwey vornehme Nowgoroder und Smolensker Iwan Rutschnin und Jakun mit dem Auftrage an die Fürsten ab, daß wenn sie ihn mit wahrer Liebe und Freundschaft empfangen und ihm als ihrem Vater folgsam seyn wollten, er solches mit Dank erkenne, nur werde er den Mitropoliten Klim der von Fürsten Mstislaw Isäslaw nach Kiew beruffen sey, nicht annehmen, sondern an dessen stat den Konstantin zum Mitropoliten ernennen.

 

Die Fürsten antworteten auf den ersten Punkt, sie würden ihn als den Aeltesten an Vaters stat

 

 

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halten, des Mitropoliten wegen aber erklärte sich Mstislaw Isäslawitsch, er werde dem Mitropoliten Klim nie seinen Schuz versagen, Konstantin aber habe sich nach Tschernigow begeben *).

 

Da die Gesandten sahen, daß Fürst Mstislaw Isäslawitsch in dieser Sache nicht nachgeben wollte, kehrten sie nach Smolensk zurück und ertheilten dem Fürsten Rostislaw umständlichen Bericht, welcher hierauf, um den Fürsten seinen Dank abzustatten, seinen ältesten Sohn Roman Rostislawitsch zum voraus nach Kiew abfertigte. Fürst Mstislaw Isäslawitsch empfing selbigen bey Wüschgrad mit vieler Freundschaft, und machte nach verschiedenen andern Gesprächen, die Sache wegen des Mitropoliten rege, worüber lange gestritten endlich aber von beiden Theilen beliebt wurde, daß keiner von beiden Mitropoliten in Kiew bleiben, sondern an ihrer stat ein anderer erwählt werden sollte, welchem zufolge Konstantin in Tschernigow blieb, Klim aber nach Wladimir in Wolhynien zurück kehrte.

 

Im Jahre 1159 hielt Fürst Rostislaw Mstislawitsch von Smolensk am ersten Ostertage, den 12ten April, seinen Einzug in Kiew.

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*) Einige Schriftsteller melden, Konstantin habe Mstislaws Vater verfluchen wollen. Dieser Konstantin war nicht in Konstantinopel sondern in Rußland zum Mitropoliten ernannt worden,

 

 

 

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Am ersten May dieses Jahres kamen die Fürsten Rostislaw Mstislawitsch und Swätoslaw Olgowitsch bey Morawisk zusammen und schlossen mit einander ein Bündniß. Bey ihrer Zusammenkunft ward folgendes Ceremoniel beobachtet. Die Fürsten empfingen einander zu Pferde, stiegen hierauf ab, sezten sich in Rostislaws Zelt, und unterredeten sich über ihre Angelegenheiten. Nach diesem lud Rostislaw den Fürsten Swätoslaw zum Mittagsmaale, bewirthete ihn den ganzen Tag mit vieler Liebe und Freundschaft, und beschenkte ihn mit verschiedenen größtentheils von der Seeküste her erhaltenen Sachen, die im südlichen Rußlande als Seltenheiten betrachtet wurden, nemlich: mit Zobeln, Hermelinen, schwarzen Mardern, Eisfüchsen, Wölfen, und Wallroßzähnen. Am folgenden Tage bat Swätoslaw den Fürsten Rostislaw zur Mittagstafel, wo sie sich noch mehr als am vorigen Tage belustigten und Swätoslaw seinen Gast mit einem Tieger *) und einem sehr schönen Pferde, welches einen mit Gold beschlagenen Sattel trug, beschenkte. Hierauf reisete Rostislaw nach Kiew, Swätoslaw Olgowitsch aber nach Tschernigow zurück.

 

Um diese Zeit fielen die Polowzer ins perejaslawische Gebiet, verheereten am 28st. Junius

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*) Den man von den wolgischen Bolgaren erhalten haben konnte.

 

 

 

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die Gegenden um Noßow bis an die Olta, und nahmen bey den der Gemahlin des Fürsten Mstislaw zugehörigen Dörfern Kotelniza und Schelomoi gegen 800 Leute gefangen. Fürst Swätoslaw Olgowitsch von Tschernigow schickte ihnen seinen Sohn Olg Swätoslawitsch mit einigen Truppen nach, der sie einholte und schlug, wobey ihr Fürst Santus selbst auf dem Plaze blieb.

 

In diesem Jahre entzweiten sich die polozkische Fürsten, mit den Fürsten von Minsk, bemächtigten sich durch einen unversehenen Ueberfall der Stadt Isäslawl, und nahmen die Fürsten Wolodscha und Bratschislaw gefangen.

 

Um diese Zeit bemächtigte sich der Großfürst Isäslaw unversehens der dem Fürsten Swätoslaw Olgowitsch von Tschernigow gehörigen Stadt Würew, und zog von da weiter vor Putiml, mußte aber unverrichteter Sachen nach Würew zurück kehrten.

 

Fürst Swätoslaw von Tschernigow war damals krank, und ließ dem Großfürsten zur Endigung ihrer Fehden Friedensvorschläge thun, Isäslaw nahm aber solche nicht an und drohete ihn mit seiner ganzen Macht anzugreifen.

 

In demselben Jahre schickte Rostislaw Mstislawitsch die Feldherren Jurii Satorowitsch und Jakun auf Fahrzeugen den Dnieper herab, gegen den Fürsten Iwan Rostislawitsch Berlädin, dessen Leute Olesch eingenommen hatten. Jurii

 

 

 

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holte diese Leute bey Dnez ein und nahm ihnen alle Gefangenen und Beute ab.

 

In diesem Jahre zogen die Fürsten Wladimir Andreewitsch und Jaroslaw Isäslawitsch, mit Beyhülfe des Fürsten Jaroslaw Wladimirowitsch von Halitsch, den in ihre Besizungen am Dniester und um Ostorga eingefallenen Polowzern entgegen, trafen sie zwischen Munarewo und Jaropoltsch, schlugen sie, und retteten die rußischen Gefangenen. Eben dieses thaten auch die Berenditschen, welche deshalb am Dnieper herab gezogen waren.

 

In diesem Jahre unternahm Rochwold Borißowitsch von Polozk einen Feldzug gegen Minsk wider den Fürsten Jaroslaw Glebowitsch, wozu ihm Rostislaw Mistislawitsch aus Smolensk einen gewissen Shiroslaw mit einigen dasigen Truppen, und aus Kiew 600 Torken zu Hülfe schickte, die aber ihre Pferde durch Hunger verlohren und zu Fuße zurück kamen. Fürst Rochwold stand 6 Wochen lang vor Minsk und schloß mit dem Fürsten Jaroslaw in Olodscha Frieden, worauf er den Fürsten Rostislaw aus der Gefangenschaft entließ, den geschlossenen Vertrag beschwor und nach Polozk zurück kehrte.

 

Der Großfürst Isäslaw Davidowitsch erfuhr um diese Zeit, daß eine Parthey Polowzer bey Würew angekommen sey, ließ sie zu sich einladen, und brach mit ihnen und allen seinen Truppen wiederum gegen den Fürsten Swätoslaw

 

 

 

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Olgowitsch nach Tschernigow auf. Er rückte bis an die Deßna vor, wo er sich nebst den Polowzern unter ihrem Fürsten Dogostanitsch am Prirow bis zur Mündung desselben ausbreitete. Swätoslaw Olgowitsch von Tschernigow stand mit den Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch von Sewerien und Rurik Rostislawitsch an der andern Seite des Flußes und machte dem Großfürsten theils zu Pferde theils in Kähnen den Uebergang streitig. Indessen thaten die Polowzer dem tschernigowschen Gebiet großen Schaden und machten viele Gefangene.

 

Die Fürsten von Tschernigow und Sewerien ließen den Fürsten Rostislaw Mstislawitsch um Hülfe bitten, der ihnen die Fürsten Jaroslaw Isäslawitsch, und Wladimir Andreewitsch mit den Halitschern, zuschickte. Der Großfürst erhielt von der Annäherung dieser Hülfstruppen Nachricht, und zog sich eiligst zurück; die Fürsten gingen über die Deßna, sezten ihm einen ganzen Tag lang nach, konnten ihn aber nicht einholen und kehrten jeder in sein Gebiet zurück.

 

Der Großfürst Isäslaw Davidowitsch hatte sich indessen nach Igorewo gewandt, da er aber aus Tschernigow Nachricht erhielt, daß Fürst Swätoslaw Olgowitsch krank sey, daß dessen Neffe Swätoslaw Wsewolodowitsch sich nach Nowgorodok-Sewerskoi begeben habe, und das beyde ihre Truppen auseinander gelassen hätten, brachte er nach vorgängiger Berathschlagung so

 

 

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viele Truppen als möglich zusammen, und machte sich wiederum eiligst gegen Tschernigow auf.

 

Swätoslaw Olgowitsch hatte noch nichts von dem Aufbruche des Großfürsten erfahren, und stand, seiner Gesundheit wegen, mit seiner Gemahlin und seinen Kindern vor der Stadt auf den Wiesen in Zelten, als Isäslaw Davidowitsch an einem Sonntage gegen über Swinkowitschi bey der Deßna ankam und mit Anbruch des Tages über den Fluß sezte.

 

Fürst Swätoslaw Olgowitsch ward indessen eiligst benachrichtiget, daß Isäslaw über die Deßna gehe, und die Polowzer sich ins Land zerstreut hätten, und befahl, ungeachtet er sehr krank war, sogleich alle seine Truppen zusammen zu ziehen und sich zum Treffen zu rüsten. Er ließ zugleich den Fürsten Wladimir Andreewitsch und Rurik Rostislawitsch von diesem Vorfalle Nachricht ertheilen, die, da sie noch nicht weit entfernt waren, seiner Bitte gemäß umkehrten, und sich nebst dem Halitscher Feldherrn Tudorowitsch unverzüglich mit allen ihren Truppen einfanden.

 

Swätoslaw stellete nun seine Truppen in Schlachtordnung und erwartete Isäslawen, worauf er die jungen Leute des ganzen Heeres nebst den Berenditschen und Skajawitschen den Polowzern entgegen stellete, die selbige zum Weichen brachten, und viele gefangene Christen aus ihren Händen befreyeten.

 

 

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Als Isäslaw die Polowzer fliehen sahe, ging er selbst über die Deßna zurück, und kam in der Nacht vor Würew an, wo man aber den Fürsten Iwan Rostislawitsch Berlädin, der sich nebst seiner Gemahlin beym Großfürsten befand nicht einlassen wollte.

 

Der Großfürst ließ bey diesen unglücklichen Vorfällen die Polowzer zurück ruffen, die sich auch in großer Anzahl bey ihm einfanden, wandte sich mit ihnen gegen Worobin und Roskuß, begab sich hierauf zu seinem Neffen Swätoslaw Wladimirowitsch nach Schtschish und that im Winter einen Einfall ins smolenskische, wo die Polowzer über zehn tausend Menschen gefangen nahmen.

 

Nach diesem suchte der Großfürst durch eine freundschaftliche Verbindung mit dem Fürsten Andrei Jurjewitsch von Rostow, der damals, in Ruhe lebte und für den mächtigsten der rußischen Fürsten gehalten ward, Hülfe zu erlangen, in welcher Absicht er zu ihm nach Rostow sandte und ihn um seine Tochter für seinen Neffen Swätoslaw Wladimirowitsch von Schtschish und zugleich um Hülfstruppen ersuchen ließ.

 

Fürst Andrei ließ sich den Vorschlag des Großfürsten gern gefallen, und schickte ihm seinen Sohn Isäslaw Andreewitsch mit einer an sehnlichen Armee zu Hülfe.

 

Die mit Swätoslaw von Tschernigow verbündete Fürsten waren indessen gegen den Fürsten

 

 

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Swätoslaw Wladimirowitsch aufgebrochen, und hatten ihn in Schtschish umringt, wo er sich in Erwartung der Hülfe des Fürsten Andrei Jurjewitsch tapfer vertheidigte.

 

Als die Fürsten von Tschernigow und Sewerien und Rurik Rostislawitsch von der Annäherung des Fürsten Isäslaw Andreewitsch Nachricht erhielten, schlossen sie mit dem Großfürsten und seinen Verbündeten Frieden und kehrten jeder in seine Besizungen zurück. Fürst Isäslaw Andreewitsch begab sich hierauf zu seinem Vater, der Großfürst Isäslaw Davidowitsch aber zuerst ins Gebiet der Wätitschen und von da nach Wolok-Lamskoi. Fürst Andrei Jurjewitsch bauete eben damals diese Stadt am Fluße Lam, wo beide Fürsten zusammen kamen und ein genaues Bündniß schlossen.

 

Um eben diese Zeit schickte Fürst Andrei Jurjewitsch seine Tochter Rostislawa Andreewna, zu ihrer Verbindung mit dem Fürsten Swätoslaw Wladimirowitsch nach Wereischtscha *) woselbst die Vermählung unter vielen Lustbarkeiten vollzogen ward.

 

Als die Nachricht von der Zusammenkunft des Großfürsten Isäslaw Davidowitsch von Kiew und des Fürsten Andrei Jurjewitsch von Rostow, und das zwischen beiden geschlossene Bündniß bekannt wurde, schlossen die Fürsten Swätoslaw

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*) Einige Schriftsteller glauben, daß dieses die jezige Stadt Werea sey.

 

 

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Olgowitsch von Tschernischew, Swätoslaw Wsewolodowitsch von Sewerien, dessen Bruder Jaroslaw Wsewolodowitsch, Fürst Olg Swätoslawitsch, Rurik Rostislawitsch aus Kiew, Roman Rostislawitsch aus Smolensk, Wetscheslaw und Konstantin aus Polozk, und Jaroslaw Wladimirowitsch von Halitsch unter sich ein Gegenbündniß, und rückten sogleich vor Schtschish, wo sie fünf Wochen lang standen, endlich aber den Fürsten Swätoslaw Wladimirowitsch zur Schließung eines Vergleichs zwangen, in welchem er von dem Bündniße mit seinem Vaterbruder dem Großfürsten Isäslaw abzustehen, hingegen den Fürsten Swätoslaw Olgowitsch von Tschernigow als seinen Vater anzusehen und ihm zu gehorchen versprach.

 

Die Geschichtschreiber sagen: Swätoslaw Wladimirowitsch trennete sich zwar sehr ungern von seinem Vaterbruder und seinem Schwiegervater, mußte sich aber in der äußersten Noth und um nicht alles zu verliehren dazu entschliessen.

 

Gleich nach dem zwischen Isäslaw Davidowitsch von Kiew und Andrei Jurjewitsch von Rostow geschlossenen Bündniße, ließ lezterer die Nowgoroder auffordern, daß sie laut dem ihm ehemals geleisteten Eide, ihn für ihren Oberherrn erkennen sollten. Die Nowgoroder hielten diesem zufolge eine öffentliche Versammlung, in welcher einige es mit dem Fürsten Rostislaw Mstislawitsch als dem Aeltesten, andre aber mit

 

 

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dem Fürsten Andrei Jurjewitsch als dem Mächtigsten, hielten, überhaupt aber nichts gemeinschaftlich beschlossen wurde, welches zu großen Mißhelligkeiten Anlaß gab.

 

In eben diesem Jahre zog Fürst Mstislaw Isäslawitsch mit seinen Brüdern Jaroslaw und Jaropolk gegen den Fürsten Jurii Jaroslawitsch vor Turow, welches sie 18 Tage lang eingeschlossen hielten, hierauf aber unverrichteter Sachen zurück kehrten.

 

Auswärtige Geschichtschreiber führen unter eben diesem Jahre an, daß die Fürsten (Jaroslaw Wladimirowitsch) von Halitsch und (Mstislaw Isäslawitsch) von Wladimir in Wolhynien, den Polen wider den deutschen Kaiser Friedrich Hülfe geleistet, und ihnen zu einem anständigen Frieden verholfen haben.

 

Im Jahre 1160 beschlossen die Nowgoroder, nach langem Streit, den Fürsten David Rostislawitsch, der sich in Torshok aufhielt, von da zu entfernen, und ließen in dieser Absicht den Fürsten Swätoslaw Rostislawitsch ersuchen, daß er dieses seinem Bruder andeuten möchte, weil sie in ihrem Gebiete nicht zwey Fürsten unterhalten könnten.

 

Da Swätoslaw die verschiedenen Gesinnungen der Nowgoroder kannte, und selbst aus Nowgorod vertrieben zu werden befürchtete, befahl er seinem Bruder Torshok zu verlassen, der sich hierauf zu seinem Bruder Roman nach

 

 

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Smolensk verfügte. Dieses beruhigte indessen die unruhigen Nowgoroder nicht, die wiederum eine öffentliche Versammlung hielten, dem Verlangen des Fürsten Andrei Jurjewitsch gemäß, den Fürsten Swätoslaw Rostislawitsch aus ihrem Gebiet zu entfernen beschlossen, und solches diesem Fürsten anzeigen liessen. Fürst Swätoslaw antwortete hierauf: „daß sie ihm bis an seinen Tod als ihrem Fürsten treu zu seyn geschworen hätten,“ das Volk aber lief in großer Menge nach der Altstadt in die Gegend der Kirche zur Verkündigung Mariä, wo sich Swätoslaw aufhielt, und bemächtigte sich seiner Person. Man schloß ihn in ein Gefängnis ein, schickte seine Gemahlin ins Kloster, erbrach sein Haus, plünderte sein gesammtes Vermögen, schickte ihn selbst nach Ladoga, hielt ihn daselbst unter Wache, und fertigte Gesandte an den Fürsten Andrei Jurjewitsch nach Susdal ab, den man um einen seiner Söhne zur Regierung in Nowgorod ersuchen ließ.

 

Als Rostislaw Mstislawitsch hievon in Kiew Nachricht erhielt, ließ er sogleich alle daselbst befindliche Nowgoroder festnehmen, und in das peresetschensche Gewölbe bringen. Da er aber erfuhr daß viele in diesem Gewölbe gestorben wären, befahl er die übrigen in verschiedene Städte zu vertheilen, und ließ ein mit Drohungen erfülltes Schreiben an die Nowgoroder ergehen: daß sie seinen Sohn nebst seinen Bedienten und allem seinem

 

 

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Vermögen freylassen sollten. Die Nowgoroder befolgten nicht nur diesen Befehl nicht, sondern wurden durch besagte Drohungen und die Gefangennehmung aller ihrer in Kiew befindlichen Bürger, so aufgebracht, daß sie Rostislaws Gesandten beschimpften und gleichfalls festnehmen ließen.

 

Unterdessen ersuchten die in Susdal angekommene nowgorodschen Gesandten den Fürsten Andrei Jurjewitsch von Rostow um einen seiner Söhne, erhielten aber zur Antwort: daß er ihnen keinen seiner Söhne geben könne, sondern ihnen seinen Bruder Mstislaw zuschicken wolle. Da aber die Nowgoroder diesen, der vormals bey ihnen gewesen und von ihnen vertrieben worden war, nicht annehmen wollten, gab ihnen Andrei Jurjewitsch seinen Neffen Mstislaw Mstislawitsch, der mit den Gesandten nach Nowgorod abreisete, am 12ten Julius seinen Einzug hielt, und mit gewöhnlichen Ehrenbezeugungen empfangen ward.

 

In eben diesem Jahre versuchte die Gemahlin des Fürsten Swätoslaw Rostislawitsch aus Nowgorod zu ihrem Vaterbruder Fürsten Rochwold von Polozk zu entfliehen. Sie ging mit einer ihrer Mägde als Nonne verkleidet aus dem Kloster, und floh auf vorher bestellten Pferden eiligst davon, ward aber von einer ihr nachgeschickten Parthey eingehohlt und nach Nowgorod zurück gebracht. Zu gleicher Zeit war der Gemahl dieser Fürstin, der in Ladoga gefangen sizende Fürst Swätoslaw Rostislawitsch, nachdem er seine Wache trunken gemacht hatte,

 

 

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in der Nacht mit zweyen Bedienten aus seinem Gefängnise entkommen, und hatte sich auf einem Fischerkahn bis zur Heilandskirche und von da auf fertig stehenden Pferden nach Polozk begeben, wo er vom Fürsten Rochwold freundschaftlich aufgenommen, und nach einem dreytägigen Aufenthalt, wohl beschenkt und unter guter Begleitung nach Smolensk abgefertiget ward.

 

Um diese Zeit vollendete Andrei Jurjewitsch den Bau der in Wladimir an der Kläsma angelegten der heiligen Mutter Gottes geweihten steinernen Kirche, welche er auswendig mit vergoldeten Thürmen, inwendig aber mit heiligen Bildern, die mit vielem Golde, Silber und Edelsteinen eingefaßt wurden, auszierte, und mit goldenen und silbernen Gefäßen versah. Die Geschichtschreiber melden: Fürst Andrei Jurjewitsch habe die Baumeister zu diesem Bau von dem mit ihm in gutem Vernehmen stehenden deutschen Kaiser Friedrich den ersten erhalten. In dieser Kirche stellete Andrei Jurjewitsch auch dasjenige Bild der heiligen Mutter Gottes auf, welches Pirogoschtscha aus Konstantinopel nach Kiew gebracht hatte.

 

In diesem Jahre unternahm Fürst Rochwold Borißowitsch von Polozk wiederum einen Feldzug gegen Rostislaw Glebowitsch von Minsk, und kehrte nach geschlossenem Frieden bald zurück.

 

Die Geschichtschreiber sagen: der Großfürst Isäslaw Davidowitsch, welcher nach dem Verlust Kiew‘s und Tschernigow‘s weder von einem Frieden

 

 

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durch welchen diese Besizungen andern zugesichert würden, hören wollte, noch Mittel zu deren Wiedererlangung in Händen hatte, war darauf bedacht das Bündniß zwischen seinen Feinden zu schwächen oder zu trennen, und schickte in dieser Absicht einige seiner Leute nach Kiew andre nach Tschernigow, die um Mißtrauen zu stiften, folgende Gerüchte ausstreuten: nemlich, in Kiew, daß Swätoslaw mit dem Großfürsten in Unterhandlung stehe um selbigem den Besiz dieser Stadt zu verschaffen, in Tschernigow aber, daß Rostislaw um sich selbst den Besiz von Kiew zu sichern und allen Streit zu heben, dem Großfürsten Tschernigow zu verschaffen versprochen habe. Die Fürsten Rostislaw und Swätoslaw ließen sich indessen hiedurch nicht irre machen, sondern vielmehr die bey ihnen ausgestreute Gerüchte einer dem andern bekannt machen.

 

Um eben diese Zeit ersuchte Rostislaw Mstislawitsch den Fürsten Swätoslaw Olgowitsch, um ihm einen besondern Beweis seiner Freundschaft zu geben, er möchte seinen Sohn Olg Swätoslawitsch zu ihm nach Kiew schicken, damit selbiger mit den Kiewern, Berenditschen und Torken bekannt werden, und sich an ihre Weise gewöhnen könnte. Swätoslaw Olgowitsch fand diesen Vorschlag sehr nüzlich, und fertigte seinen Sohn nach Kiew ab.

 

Als Olg Swätoslawitsch bis Olschitschi gekommen war, ließ er sich beym Fürsten Rostislaw Mstislawitsch erkundigen, wo er ihm seinen Aufenthalt zu nehmen befehle.

 

 

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Rostislaw Mstislawitsch stand damals, zur Jagd und Belustigung bey dem Dorfe Schelkowo unterhalb Borko in Zelten, und ließ den Fürsten Olg zu sich einladen, welcher sich sogleich einfand, und bey Rostislaw zwey Tage mit vielem Vergnügen zubrachte.

 

Am dritten Tage machte sich Olg mit seinem Gepäcke auf, um sein Zelt auf der Wiese neben Rostislaws Zelte aufzuschlagen, begegnete aber unter weges einem von Isäslaw Davidowitsch dazu bestellten vornehmen Kiewer, welcher ihn versicherte, daß Rostislaw Isäslawen Tschernigow zu verschaffen suche, weshalb er sich vor ihm der blos auf seinen und seines Vaters Schaden und Untergang bedacht sey, wohl in Acht zu nehmen habe; welches alles der Kiewer durch allerhand Verläumdungen und falsche Vorspiegelungen zu beweisen bemüht war.

 

Fürst Olg Swätoslawitsch fand diese Sache bedenklich, verfügte sich aber doch zu Rostislaw Mstislawitsch nach Kiew, und brachte daselbst drey Tage in vielem Vergnügen zu, ohne irgend etwas widriges zu bemerken, behielt aber dem ungeachtet den von dem Verläumder ausgestreuten Saamen des Mißtrauens in seinem Herzen. Rostislaw Mstislawitsch that hierauf Olgen den Vorschlag, zu dem Berenditschen zu reisen, und mit ihnen einen Feldzug gegen die Polowzer zu thun, welches ihm von Isäslaws Abgeordneten so erklärt ward, daß Rostislaw, ihn um seinen Untergang zu befördern, den Polowzern in die Hände zu liefern gedenke.

 

 

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Swätoslawitsch bat am vierten Tage den Fürsten Rostislaw Mstislawitsch um Erlaubniß zur Rückreise nach Tschernigow, weil, wie er vorgab, seine Mutter von einer schweren Krankheit befallen sey, Rostislaw aber suchte ihn aus freundschaftlicher Zuneigung zu einem längern Aufenthalt in Kiew zu bereden, welches dem Verläumder und seinen Ge hülfen wieder neuen Stoff zum Beweise der übeln Absichten dieses Fürsten gegen Olg und seinen Vater Swätoslaw dienen wußte, die sie durch verschiedene betrügerische Erdichtungen zu bestärken suchten. Olg Swätoslawitsch kam voll Mißtrauen aus Kiew nach Tschernigow und bat seinen Vater um Erlaubniß nach Kursk zu reisen, ohne gegen ihn von allem vorgedachten ein Wort zu erwähnen, weil er dieses dem Verläumder versprochen hatte, und von Jugend an sein gegebenes Wort heilig zu halten gewohnt war. Fürst Swätoslaw Olgowitsch, der nichts von den Gesinnungen seines Sohnes muthmaßte, erthei te ihm die gebetene Erlaubniß, Olg aber ließ sich immer mehr und mehr gegen den Fürsten Rostislaw Mstislawitsch einnehmen und neigte sich zu der Parthey des Großfürsten Isäslaw. Da er nun auf seiner Reise einigen vom Großfürsten Isäslaw mit einem freundschaftlichen Schreiben an seinen Vater Swätoslaw Olgowitsch abgefertigten Gesandten begegnete, eröfnete er den bey ihm befindlichen Bojaren, er habe schon in Kiew gehört, daß sein Vater und Fürst Swätoslaw Wsewolodowitsch von Sewerien, das mit dem Fürsten Rostislaw geschlossene

 

 

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Bündniß aufgehoben, und sich mit Isäslaw verbunden hätten. Die Bojaren antworteten ihm: „dieses wird deinem Vater den Besiz von Tschernigow sichern, und du bist glücklich aus Rostislaws Händen entronnen,“ worauf Olg, ohne seines Vaters Erlaubniß und Einwilligung abzuwarten, die Gesandten von seiner Ergebenheit gegen den Großfürsten versicherte und sich endlich mit ihm in ein völliges Bündniß einließ.

 

Isäslaw Davidowitsch hatte zu gleicher Zeit eine Gesandschaft an den Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch von Sewerien abgefertiget, der sich ohne Mühe zu einem Bündnisse mit ihm bewegen ließ.

 

Fürst Swätoslaw Olgowitsch war über die Nachricht von diesen Verbindungen und von dem Verfahren seines Sohnes sehr verlegen, und eröfnete dieses seinen Bojaren die er dabey um ihren Rath ersuchte. Viele von diesen die schon längst das Bündniß mit Rostislaw zu trennen gesucht hatten, wiederholten jezt alle die Verläumdungen mit denen man den Fürsten Olg in Kiew unterhalten hatte, und stelleten ihrem Fürsten vor, daß sein Gebiet Rostislaws wegen verheeret worden sey, dieser aber ihn jederzeit sehr nachläßig vertheidiget habe, wie auch, daß Rostislaw Isäslawen geheime Vorschläge gethan, und um ihm Tschernigow desto leichter verschaffen zu können, sich des Fürsten Olg zu bemächtigen gesucht habe. Durch diese und dergleichen Vorstellungen ward Swätoslaw Olgowitsch endlich

 

 

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so sehr gegen Rostislaw eingenommen, daß er ohne sich deshalb gebührend zu erkundigen, noch irgend eine Erklärung zu fordern, sich das gegen ihn vor geschlagene Bündniß mit Isäslaw gefallen ließ.

 

Sobald der Großfürst Isäslaw das zwischen Rostislaw Mstislawitsch und den Fürsten von Tschernigow und Sewerien bestandene Bündniß glücklich getrennet sahe, ließ er sogleich Polowzer zu Hülfe rufen, und ging ihnen selbst ins Feld entgegen, worauf er die Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch und Olg Swätoslawitsch abwartete, mit ihnen gegen seinen Eidam Gleb Jurjewitsch vor Perejaslawl anrückte, und selbigen zu einem gemeinschaftlichen Feldzuge jenseit des Dniepers gegen Rostislaw Mstislawitsch auffordern ließ. Dieser aber gab zur Antwort: „er habe keine Ursache, den den Rostislawen geleisteten Eid zu brechen, und werde deshalb weder selbst zu Felde ziehen noch Truppen abfertigen.“

 

Als Fürst Rostislaw Mstislawitsch von dieser unerwarteten Verbindung des Großfürsten Isäslaw mit den Fürsten von Tschernigow und Sewerien Nachricht erhielt, zog er ihm sogleich mit so vielen Truppen als er in der Eile zusammen bringen konnte, gegen Tripol entgegen, worauf die Polowzer ins weite Feld davon flohen und Isäslaw gleichfalls seinen Rückzug antreten mußte.

 

Beym Anbruche des Herbstes erschien Isäslaw Davidowitsch mit den Polowzern bey der wüschegradschen Kirche, und stand in der Ebene gegen über

 

 

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Doroshiz bey Paresneg, wo er am 8ten December seine Truppen in Schlachtordnung stellete und gegen das kiewsche Thal vorrückte.

 

Rostislaw, der bey diesem unversehenen Ueberfall weder Truppen in Bereitschaft hatte noch selbige in der Eile von weit her zusammenbringen konnte, stand nebst dem Fürsten Wladimir Andreewitsch und den wenigen bey ihm befindlichen Leuten neben der Stadt, wo er sich mit Pfählen und Balken verschanzte und sich in ein Treffen einließ, welches eine ziemliche Zeit von beiden Seiten mit gleicher Heftigkeit fortgesezt ward. Endlich erhielt der Großfürst Isäslaw die Oberhand, die Polowzer brachen durch die Festungswerke in die Stadt ein, und steckten die Häuser des Popen Lichatsch und eines gewissen Radislaw in Brand, die Berenditschen aber flohen theils gegen Ugorskoe, theils nach der Gegend der goldenen Pforte.

 

Da die Feldherren des Fürsten Rostislaw Mstislawitsch ihre Truppen ermüdet sahen, riethen sie ihrem Herrn, für jezt, da die erwartete Hülfe noch nicht angekommen sey, die Torken und Berendeer sich nur in geringer Anzahl eingefunden hätten und Isäslaw ihnen zu sehr überlegen sey, sich lieber nach Belgrad zurück zu ziehen und daselbst alle seine eigenen und die Truppen der verbündeten Fürsten abzuwarten. Rostislaw ließ sich diesen Rath gefallen und begab sich, von seiner Gemahlin begleitet, mit allen seinen Truppen nach Belgrad, wo ihm noch an demselben Tage sein Neffe Jaroslaw Isäslawitsch

 

 

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und des Fürsten Wladimir Andreewitsch Bruder Jaropolk zu Hülfe kamen, die sich zu den Torken und Berendeern nach Tortschesk verfügten.

 

Sobald Rostislaw Mstislawitsch Kiew verlassen hatte, hielt der Großfürst Isäslaw Davidowitsch am 12ten Januar des 1161sten Jahres seinen Einzug, verfügte sich zuerst nach der Kirche der heiligen Sophia und ertheilte allen Kiewern Verzeihung, worauf er ungesäumt vor Belgrad zog und sich vier Wochen lang mit Belagerung des Schlosses aufhielt.

 

Um diese Zeit schickte der Fürst von Tschernigow, der von der Eroberung Kiews benachrichtiget worden war, dem Großfürsten einen seiner vornehmsten Hofbedienten zu, und ließ ihm zum Frieden mit dem Fürsten Rostislaw Mstislawitsch rathen, Isäslaw aber antwortete: daß er entweder auf der Stelle sterben, oder mit Ehren siegen wolle.

 

Unterdessen hatte Fürst Mstislaw Isäslawitsch von dem Unglücke seines Vaterbruders Rostislaw Mstislawitsch Nachricht erhalten, und brach sogleich mit seinen eigenen und den Halitscher Hülfs-Truppen, aus Wladimir in Wolhynien, so wie Jurii Jaroslawitsch mit dem Fürsten Wladimir Andreewitsch aus Turow, nach Belgrad auf. Leztere zogen auf dem Wege den Fürsten Waßilko Jurjewitsch mit den Porßänen, Berendeern und Torken an sich und vereinigten sich insgesammt bey Kotelniza mit dem Fürsten Mstislaw Isäslawitsch, worauf man über

 

 

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Mutürshi und Kotschari gegen Belgrad anrückte.

 

Auf diesem Zuge baten die Schwarzmützen den Fürsten Mstislaw, daß sie zur Auskundschaftung der Stärke und Stellung der feindlichen Armee zum voraus abgefertiget würden.

 

Mstislaw hielt Kriegsrath, wo sich alle Fürsten und Großen wie auch die Aeltesten der Schwarzmützen einfanden, und viele der Meinung waren, das man die Schwarzmützen deshalb nicht voraus schicken müßte, weil der Feind jemand von ihnen auffangen und dadurch von der Stärke ihrer Armee benachrichtiget werden könnte. Mstislaw aber erwiederte: „daß sie von uns hören ist gut, noch besser aber daß wir etwas zuverläßiges von ihnen erfahren,“ bewafnete hierauf die Schwarzmützen, fertigte sie zum voraus ab, und folgte ihnen auf dem Fuße nach.

 

Um diese Zeit wurden einige von Isäslaws wilden auf Beute ausgegangenen Polowzern, die ankommende feindliche Armee gewahr, und kamen eilends mit der Nachricht zurück, daß Mstislaw mit einem großen Heere im Anzuge sey; worauf Isäslaws Polowzer ohne die feindliche Armee abzuwarten die Flucht ergriffen, bald nachher aber auch der Großfürst Isäslaw Davidowitsch selbst seinen Rückzug antrat.

 

Als Rostislaw Mstislawitsch, Isäslaws Armee eilends abziehen sahe, zog er am 13ten März nebst den Fürsten Jaropolk und Jaroslaw vor die Stadt heraus,

 

 

 

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wartete daselbst eine Stunde lang auf den Fürsten Mstislaw, und folgte mit ihm vereinigt dem feindlichen Heere nach.

 

Die Torken und Berendeer holten bey Shelan das Gepäcke, bey Budilizü aber die Truppen des Großfürsten ein, bemächtigten sich des erstern, und machten viele der leztern auf der Flucht nieder. Hier wurden Schwarn Milätitsch, beyde Stephanen, Jakun, und Nashir Perejaslawitsch, Isäslaws Bojaren und Rathgeber, gefangen, der Großfürst selbst aber neben einem See eingeholt, wo er von einem gewissen Bornewitsch durch einen Stich mit der Lanze an der Hüfte und durch einen Säbelhieb am Kopfe verwundet ward und sogleich vom Pferde fiel. Rostislaw kam bald darauf selbst an den Ort wo Isäslaw lag und erkannte ihn, worauf er sogleich vom Pferde stieg und zu ihm trat. Isäslaw sahe ihn an, und bat er möchte ihm zu trinken geben; Rostislaw ließ ihm etwas Wein reichen, welchen er austrank und bald darauf verschied. Die Fürsten hoben seinen Leichnam auf, brachten ihn nach Kiew und begruben ihn am 14ten März im kopürewschen Stadtheile in dem Kloster des heiligen Simeons.

 

Er regierete vier Jahre.

 

Sein Alter, seine Gemahlin und Kinder, sind unbekannt.

 

 

 

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Geschlechts- Register Isäslaws III.

David Swätoslawitsch Fürst von Tschernigow.

 

Dessen Sohn: Isäslaw III. Fürst von Tschernigow, nachher Großfürst von Kiew vom Jahre 1157 bis 1161.

 

Von dessen Gemahlin und Kindern ist bis jezt nichts bekannt.

 

Isäslaws III. Zeitverwandte, vom Jahre 1157 bis 1161 waren:

 

In Griechenland. Kaiser. Emanuel v. 1143 bis 1180.

 

In Deutschland. Kaiser. Friedrich I. von 1152 bis 1190

 

In Polen. König. Boleslaw IV. von 1146 bis 1173

 

In Böhmen. Fürst. Wladislaw IV. von 1140 bis 1174

 

In Sachsen. Fürst. Heinrich von 1139 bis 1184.

 

In der Pfalz. Fürst. Konrad von 1156 bis 1195

 

In Brandenburg. Fürst. Albert I. von 1142 bis 1169

 

In Baiern. Fürst. Heinrich X. Von 1154 bis 1180

 

 

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In Braunschweig, Fürst. Heinrich von 1119 bis 1195.

 

In Ungarn. König. Geisa II. von 1141 bis 1161.

 

In Dänemark. König. Wladimir oder Woldemar I. von 1157 bis 1182.

 

In Schweden. Könige. Erich IX. Von 1141 bis 1160. Karl VII. Von 1160 bis 1168.

 

In Arabien. Kalifen. Moktasi L. Kalif von 1136 bis 1160. Mostanged LI. Kalif von 1160 bis 1170.

 

In Egypten. Kalifen. Faes Ben Nasrila von 1155 bis 1160. Adger von 1160 bis 1180.

 

In Ikonium. Sultan. Kilitshe Arslan von 1155 bis 1192.

 

In Alepo. Sultan. Nuradin Mamut von 1142 bis 1174.

 

In Damask. Sultan. Moshir Eddin von 1142 bis 1174.

 

In Frankreich. König. Ludwig VII. Von 1137 bis 1180.

 

In England. König. Heinrich II. von 1154 bis 1189.

 

In Schottland. König. Malkom IV. von 1153 bis 1165.

 

 

 

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In Spanien. Könige. Sanches von 1157 bis 1158. Alphons von 1158 bis 1214.

 

In Portugal. Könige. Feresa und Alphons I. von 1112 bis 1185.

 

In Toskana. Groß-Herzog. Welf von 1153 bis 1195.

 

Patriarch zu Konstantinopel. Lucas von 1155 bis 1169.

 

Römische Päbste. Adrian IV. von 1154 bis 1159. Alexander von 1159 bis 1181.

 

Mitropoliten zu Kiew. Konstantin von 1156 bis 1160. Theodor von 1160 bis 1164.

 

In Rußland. Abgetheilte Fürsten.

 

In Tschernigow. Swätoslaw Olgowitsch von 1157.

 

In Nowgorod-Sewerskoi. Swätoslaw Wsewolodowitsch von 1157.

 

In Rostow, Susdal und Wladimir an der Kläsma. Andrei Jurjewitsch von 1157.

 

In Turow. Jurii Jaroslawitsch.

 

In Luzk. Jaroslaw Isäslawitsch.

 

In Smolensk. Rostislaw Mstislawitsch.

 

In Halitsch. Jaroslaw Wladimirowitsch.

 

In Groß-Nowgorod. Mstislaw Jurjewitsch von ___ bis 1158. Davis Rostislawitsch von 1158 bis ___.

 

 

 

 

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Swätoslaw Rostislawitsch von ___ bis 1160. Mstislaw Mstislawitsch von 1160 bis ___.

 

In Torshok. David Mstislawitsch von ___ bis 1160.

 

In Polozk. Rochwold Borißowitsch.

 

In Minsk. Rostislaw Glebowitsch.

 

In Drutschesk. Gleb Rostislawitsch.

 

In Isäslawl. Wsewolod Glebowitsch von ___ bis 1158. Wratislaw von 1158 bis ___.

 

In Perejaslawl. Gleb Jurjewitsch.

 

In Schtschish. Swätoslaw Wladimirowitsch.

 

In Kursk. Olg Swätoslawitsch.

 

In Wladimir in Wolhynien. Mstislaw Isäslawitsch.

 

In Porßän. Waßilko Jurjewitsch.

 

In Räsan. Rostislaw Jaroslawitsch.

 

In Jelez. Andrei Rostislawitsch.

 

In Sluzk. Wladimir Mstislawitsch.

 

 

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Großfürst Rostislaw I.

Im Jahre 1161 hielt Rostislaw Mstislawitsch gleich nach dem Tode des Großfürsten Isäslaw Davidowitsch und dem um diese Zeit erfochtenen Siege, in Begleitung seines Neffen Mstislaw Isäslawitsch, seinen Einzug in Kiew.

 

Die Geschichtschreiber sagen: der Großfürst Rostislaw Mstislawitsch war von mittlern Wuchs, hatte ein breites Gesicht und einen runden Bart, er gab häufig Almosen an Wittwen und Waisen, und nahm sich der heiligen Kirche an, sorgte aber wenig für Kriegszucht und Rechtspflege, daher er im Kriege wenig Glück hatte, und seine Richter sich durch Bestechungen bereicherten, und zu vielen Bedrückungen Anlaß gaben.

 

Beym Einzuge in Kiew, ward Mstislaw Isäslawitsch als Sieger vor allen Fürsten von allem Volk mit ruhmvollem Zurufe beehrt.

 

Nach diesem Einzuge feierte man zuerst Gott dem Herrn ein Dankfest, worauf Rostislaw Mstislawitsch für Mstislaw und die übrigen Fürsten ein großes Gastmal anstellte, und alle wohl beschenkt entließ.

 

Um diese Zeit sorgte Fürst Andrei Jurjewitsch von Rostow, für gute Anordnungen in seinen Ländern und beförderte den Anbau seiner Städte. Er vergrößerte die Stadt Wladimir an der Käsma und begünstigte

 

 

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sie vor andern so sehr, daß er daselbst seinen beständigenAufenthalt zu nehmen und einen Mitropoliten-Siz zu stiften gedachte. Da aber diese seine Gesinnungen den an ihre alten Städte und fürstliche Residenzen gewohnten Rostowern und Susdalern sehr zuwieder waren, und sie ihn durch die Vorstellung, daß Wladimir blos ein zum susdalischen Gebiet gehöriger neuer Flecken sey, Rostow und Susdal aber von alters her Residenzstädte gewesen wären, davon abzubringen suchten, wohnte er zwar anfangs gewöhnlich in Susdal, reisete aber oft nach Wladimir an der Kläsma auf die Jagd, und hielt sich daselbst von Zeit zu Zeit einige Tage auf.

 

Als die Nowgoroder von dem Tode des Großfürsten Isäslaw Davidowitsch, und von Rostislaws Besiznehmung des großfürstlichen Thrones in Kiew Nachricht erhielten, ließen sie leztern wegen des seinem Sohne Swätoslaw zugefügten Schimpfs und Schadens um Verzeihung bitten, schoben dabey alle Schuld auf den Pöbel, baten ihn, ihnen einen seiner Söhne zum Regenten zu geben, und versprachen in diesem Fall dem Fürsten Swätoslaw Mstislawitsch alles zu erstatten, was man ihm, seinen Bojaren und Bedienten genommen hatte.

 

Der Großfürst Rostislaw Mstislawitsch verwieß den nowgorodschen Gesandten und ihrer Stadt: „daß sie ihr Land durch beständige Eidbrüche zu Grunde richteten, und daß dieses Uebel nicht blos vom Pöbel herkomme, sondern vielmehr in der unersätlichen Habsucht vieler Großen, ihrer ungerechten

 

 

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Gerichtspflege, ihrer Raubbegierde, und überhaupt in ihrer fahrläßigen und unordentlichen Statsverwaltung gegründet sey,“ weshalb er sich auch Anfangs ihrer Bitte keinesweges geneigt bezeigte. Da sie aber mit Bitten anhielten, der Großfürst aber die Schwürigkeiten sie mit Gewalt zum Gehorsam zu bringen einsahe, schickte er ihnen seinen Sohn Mstislaw Rostislawitsch zu, worauf die Nowgoroder den Fürsten Mstislaw Mstislawitsch einen Enkel des Großfürsten Juri Wladimirowitsch, zum großen Verdruß des Fürsten Andrei Jurjewitsch von Rostow, jedoch mit gebührender Achtung aus ihrer Stadt entließen.

 

In diesem Jahre ließ Fürst Andrei Jurjewitsch geschickte Bildermahler kommen, welche am 30sten August die Kirche der heiligen Mutter Gottes (zu Wladimir an der Kläsma) inwendig mit Gemählden auszuschmücken den Anfang machten.

 

In diesem Jahre starb Fürst Iwan Rostislawitsch Berlädin in der Stadt Selun. Auch starb in diesem Jahre Fürst Wladimir Swätoslawitsch von Räsan, Jaroslaws Enkel.

 

Um diese Zeit unternahm Fürst Rochwold Borißowitsch von Polozk einen Feldzug gegen den Fürsten Wolodar Glebowitsch und kam bis nahe vor Minsk, wo sich Fürst Wolodar den Tag über eingeschlossen hielt, in der folgenden Nacht aber mit den Litauern einen Ausfall that und die Polozker im ersten Angrif besiegte. Fürst Rochwold flüchtete nach Sluzk und begab nach dreyen Tagen von

 

 

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da nach Drutschesk, die Regierung von Polozk aber übernahm Fürst Wseslaw Waßilkowitsch.

 

Fürst Mstislaw Isäslawitsch war mißvergnügt aus Kiew nach Wladimir in Wolhynien abgereiset, und beschwerte sich über seinen Vaterbruder Rostslaw Mstislawitsch, daß dessen Sohn David Rostislawitsch, obgleich ohne Vorwissen seines Vaters, einen von ihm, Mstislawen, in Tortschesk verordneten Poßadnik abgesezt und mit sich nach Kiew gebracht, Rostislaw aber hierauf seinen Sohn David nach Belgrad versezt hatte. Er zog nach einem kurzen Aufenthalt in Wladimir in Wolhynien vor Peresopniza und ließ den dasigen Fürsten Wladimir Andreewitsch zur Aufhebung seines Bündnißes mit dem Großfürsten auffordern, erhielt aber eine abschlägigeAntwort und kehrte unverrichteter sachen zurück.

 

Als Fürst Swätoslaw Olgowitsch zuverläßig erfuhr, durch was für Ränke man ihn mit dem Großfürsten Rostislaw entzweit habe, ließ er ihn, mit umständlicher Anzeige alles dessen, um Verzeihung bitten, worauf Rostislaw, der alles wahr befand, sein Bündniß mit Swätoslaw erneuerte, beide Fürsten aber die Verläumder von sich entfernten und ins Elend verwiesen.

 

Im Jahre 1162 brach die Leontische Kezerey aus, und gab den Verläumdern Gelegenheit, den Fürsten Andrei Jurjewitsch von Rostow mit seinen Brüdern Mstislaw, Michail, und Wsewolod zu entzweyen, die laut dem Testament ihres Vaters verschiedene Städte in den Ländern des Fürsten Andrei Jurjewitsch besaaßen, jezt aber von diesem Fürsten

 

 

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nebst verschiedenen gewesenen Bojaren seines Vaters aus ihren Besizungen vertrieben wurden, und sich theils bey ihren Brüdern Gleb von Perejaslawl und Waßilko, theils beym Fürsten Olg Swätoslawitsch aufhielten, ohne von ihrem Bruder Andrei Jurjewitsch irgend etwas zu ihrem Unterhalt zu empfangen. Da indessen Leontii große Schmähreden gegen den Fürsten Andrei Jurjewitsch aussties, und dieser solches nicht länger ertragen konnte, schickte er ihn aus Rostow unter Wache zum Mitropoliten nach Kiew, welcher ihn lange ermahnete und auf den rechten Weg zu führen suchte, als er aber seine unüberwindliche Halsstarrigkeit sahe, ihn zum Patriarchen nach Konstantinopel sandte. Als Leontii in Adrianopel ankam, stand der Kaiser Emanuel nicht weit von dieser Stadt am Flusse im Lager, und befahl auf die von der Kezerey dieses Bischoffs erhaltene Nachricht, ihn vor sich zu bringen und mit ihm in seiner Gegenwart zu disputiren. Leontii ward bey dieser Gelegenheit von den Gelehrten sehr in die Enge getrieben, konnte auch seine Meinung weder aus der heiligen Schrift noch aus den Kirchensazungen beweisen, fing aber an den Kaiser in seiner Gegenwart zu schimpfen, wofür die kaiserliche Bediente ihn schlugen und im Fluße ersäufen wollten, aber vom Kaiser selbst zurück gehalten wurden, der das Betragen dieses Bischoffs für wahre Tollheit erklärte, und ihn weiter zum Patriarchen nach Konstantinopel abfertigen ließ. Der Patriarch verwieß ihm, in einer vor den kiewschen, rostowschen, tschernigowschen,

 

 

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und perejaslawschen Gesandten gehaltenen öffentlichen Versammlung, seine Unwissenheit, und schickte ihn zur Züchtigung ins Kloster. Seine Kezerey bestand in Vermehrung der Fasten und Erschwerung des Ehestandes. Die Geschichtschreiber sagen von ihm: er war zwar nicht gelehrt, aber voll Stolz.

 

Der Patriarch zu Konstantinopel ließ den Fürsten Andrei Jurjewitsch bitten, einen gewissen Nestor wieder zum Bischofe von Rostow anzunehmen, Andrei Jurjewitsch aber berief seine Fürsten und Bojaren zusammen und sprach zu ihnen: „da sein Gebiet wegen seiner vielen Städte und Dörfer nicht füglich von einem Bischofe besorgt werden könne, so halte er für gut, in seiner neuerbauten Stadt Wladimir an der Kläsma, nach dem Beyspiel von Kiew, einen Mitropoliten Siz anzuordnen,“ welches zwar von vielen Fürsten und Bojaren für gut und lobenswerth erkannt wurde, den Rostowern aber sehr unangenehm war. Andrei Jurjewitsch sandte indessen einen gewissen Jakob Stanislawitsch mit einem Schreiben an den Patriarchen nach Konstantinopel, und bat ihn, in Wladimir an der Kläsma einen Mitropoliten einzusezen.

 

Der Patriarch ließ dieses Schreiben in einer Versammlung der Geistlichkeit, in Beyseyn des Bischoffs Nestor von Rostow und des Abgesandten des Mitropoliten Feodor von Kiew, die beide gedachter Bitte gleichmäßig zuwider waren, öffentlich vorlesen, und schickte dem Fürsten von Rostow nach vielen Berathschlagungen ein Antwortschreiben zu, in welchem er ihm seine Bitte versagte.

 

 

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In diesem Jahre zog Fürst Isäslaw Andreewitsch auf Befehl seines Vaters mit vielen andern Fürsten und den räsanischen und muromschen Hülfstruppen an den Don gegen die Polowzer, und traf sie jenseits dieses Flusses in der Ebene, wo er über sie nach einem heftigen Gefechte einen Sieg erfocht.

 

In diesem Jahre schloß der Großfürst Rostislaw Mstislawitsch mit dem Fürsten Jurii Jaroslawitsch von Turow Frieden, und mit dem Fürsten Andrei Jurjewitsch von Rostow einen Vertrag wegen Groß-Nowgorod, welchem zufolge Fürst Swätoslaw Rostislawitsch am 8ten September wiederum die Regierung daselbst antrat, der Poßadnik Neshatin aber abgesezt und Asaria zum Namestnik ernannt wurde.

 

Bald nach diesem fiel ein Haufen Polowzer bey Jurjew und um die Sula, ein anderer Haufen aber ins Gebiet der Berendeer ein, wo sie verschiedene Wohnpläze plünderten. Die Schwarzmützen sezten ihnen mit ihrer gesammten Macht nach und holten sie am Flusse Rsi ein, wo sie ihnen nicht nur alle Gefangene und gemachte Beute abnahmen, sondern auch von ihrer Seite zwey Söhne des Fürsten Samas und andre Fürstenkinder gefangen nahmen.

 

In diesem Jahre unternahm Fürst Mstislaw Isäslawitsch einen zweyten Feldzug nach Peresopniza gegen den Fürsten Wladimir Andreewitsch, mit welchem er sich bald darauf versöhnte.

 

 

 

 

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Da indessen diese von Seiten des Fürsten Mstislaw geschehene Anfälle vielen Fürsten bedenklich schienen, verbanden sich die Fürsten Rurik Rostislawitsch, Swätopolk Jurjewitsch von Turow, Swäroslaw Wsewolodowitsch von Sewerien nebst seinem Bruder Jaroslaw, und Olg Swätoslawitsch von Kursk wider ihn und seine Brüder, und zogen vor Sluzk gegen seinen Vetter Wladimir Mstislawitsch, der ihnen, in Rücksicht ihrer überlegenen Macht, Friedensvorschläge that, Sluzk abtrat, und sich selbst zu seinem Bruder dem Großfürsten nach Kiew begab, von dem er Tripol nebst vier andern Städten erhielt.

 

In diesem Jahre begaben sich die in ihren Besizungen gekränkte Fürsten Mstislaw Jurjewitsch und Waßilko Jurjewitsch mit ihrer Mutter und ihrem dritten Bruder Wsewolod nach Konstantinopel, wo der griechische Kaiser dem Fürsten Waßilko vier Städte an der Donau, dem Fürsten Mstislaw aber eine Gegend bey Skolon anwieß.

 

Im Jahre 1163 schloß der Großfürst Rostislaw Mstislawitsch mit seinem Neffen Mstislaw Isäslawitsch Frieden, und gab ihm die genommene Städte Tortschesk und Belgrad, anstat Tripol aber Kanew wieder.

 

In diesem Jahre vermählte der Großfürst seinen Sohn Rurik mit einer Tochter des polowzischen Fürsten Belakow, bey welcher Gelegenheit der Friede mit den Polowzern bestätiget ward.

 

 

 

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Indessen fielen die Polowzer bald darauf ins tschernigowsche Gebiet ein, und thaten einigen Schaden, zogen sich aber als man gegen sie Truppen zusammen zog eiligst zurück.

 

Im Jahre 1164 kam der von dem Patriarchen ohne Vorwissen des Großfürsten ernannte Mitropolit Johann aus Konstantinopel an. Rostislaw Mstislawitsch wollte weder diesen Mitropoliten annehmen, noch auch fürs künftige die Ernennung der rußischen Mitropoliten in Konstantinopel zugeben, und schickte deshalb einen gewissen Jurii Semkowitsch als seinen Gesandten an den griechischen Kaiser ab, mit welchem der Kaiser von seiner Seite einen Gesandten an den Großfürsten abfertigte, der viele Geschenke an Sammet, Gold- und Silber-Stoffen, und dergleichen, mitbrachte, und um gütige Aufnahme des Mitropoliten Johann bat. Der Großfürst erwiederte auf diese Vorstellung „daß er zwar für jezt diesen Mitropoliten aus Achtung und Freundschaft für den Kaiser annehmen wolle, wenn aber der Patriarch inskünftige ohne sein Vorwissen und Anordnen, den Vorschriften der heiligen Apostel zuwider, einen Mitropoliten für Rußland ernennen sollte, so werde er selbigen keinesweges anerkennen, und ein ewiges Gesez machen, daß der Mitropolit mit Erlaubniß des Großfürsten von den rußischen Bischöfen erwählt und eingesezt werden solle“ worauf er den Mitropoliten in das für

 

 

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ihn bestimmte Haus zu führen befahl und die kaiserlichen Gesandten mit Geschenken und Freundschaftsversicherungen entließ.

 

In diesem Jahre ward Fürst Swätoslaw Olgowitsch von Tschernigow, der schon lange siech und in hohem Alter war, von einer schweren Krankheit befallen, und ließ seinen Sohn Olg aus Kursk zu sich rufen, welcher zwar am 18ten Februar in Tschernigow ankam, aber sei-nen Vater, der am 15ten dieses Monats verstorben war, nicht mehr am Leben fand.

 

Fürst Swätoslaw Wsewolodowitsch von Sewerien, hatte nicht sobald von dem Ableben seines Vaterbruders Nachricht erhalten, als er seinen Sohn nach Gom voraus schickte, in verschiedenen tschernigowschen Städten Stathalter einsezte und sich selbst eiligst nach Tschernigow auf den Weg machte. Da er aber unterweges erfuhr, daß Fürst Olg Swätoslawitsch schon da selbst angekommen sey, ließ er ihn zur Abtretung der Stadt Tschernigow und des dazu gehörigen Gebiets auffordern, und kam mit ihm nach einigen Unterhandlungen überein, daß er ihm Tschernigow abtreten, dagegen aber Nowgorod-Sewerskoi erhalten sollte, worauf Olg Swätoslawitsch ihm einen gewissen Iwan Radoslawitsch mit dem hierüber entworfenen schriftlichen Vertrage zuschickte. Swätoslaw Wsewolodowitsch hielt die von seiner Seite ertheilte Versicherung nicht, sondern betrug sich gegen Olgs Brüder

 

 

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Igor und Wsewolod unbillig und gab ihnen keine Besizungen, so daß ihnen Olg einen Theil seines Sewerischen Gebiets einräumen mußte.

 

In diesem Jahre kam der griechisch-kaiserliche Prinz Andronik, wegen eines zwischen ihm und dem Kaiser Emanuel entstandenen Mißvergnügens über das schwarze Meer aus Konstantinopel nach Rußland, und begab sich zu dem Fürsten Jaroslaw Wladimirowitsch von Halitsch, der ihn mit gebührender Achtung auf nahm und ihm einige Städte zu seinem Unterhalt anwies.

 

Die Geschichtschreiber melden: daß die Griechen bey dieser Gelegenheit sich an Igors, Swätoslaws und Wladimirs Siege erinnert und die Rückkehr des Prinzen Andronik mit rußischen Hülfstruppen gefürchtet haben, wodurch denn der griechische Kaiser veranlaßt worden sey, zwey Bischöffe als Gesandte an den Fürsten von Halitsch abzuschicken, die den Prinzen nach Konstantinopel zurück zu kehren bewogen. Jaroslaw gab dem Prinzen, zur Bezeugung seiner Achtung und Freundschaft, den Bischoff Kosmus und einige andre vornehme Männer zur Begleitung mit, welche von dem griechischen Kaiser als Gesandte, ebenso wie sein Neffe, wohl empfangen, und nach Bestätigung des geschlossenen Vergleichs mit Dank und Geschenken zu ihrem Herrn zurück entlassen wurden.

 

 

 

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In diesem Jahre fiel im Halitsch ein so heftiger, Tag und Nacht anhaltender Regen, daß die Flüsse Dniester und Dnieper sich von beiden Seiten sehr weit und bis an die wükowischen Moräste ergoßen, so daß über 300 Menschen, die um Salz zu holen nach Udetsch gegangen waren, in der Flut ertranken, andre aber sich auf hohe Bäume retteten, auch kam in dieser Ueberschwemmung vieles Vieh und viel Getreide auf dem Felde um, wodurch im folgenden Winter große Theurung und Hungersnoth entstand.

 

In diesem Jahre unternahm Fürst Andrei Jurjewitsch von Rostow, mit seinem Bruder Jaroslaw Jurjewitsch, seinem Sohne Swätoslaw Andreewitsch, und dem Fürsten Jurii von Rostow, einen Feldzug gegen die wolgischen Bolgaren *).

 

Die Bolgaren kamen ihm zwar unter Anführung ihres Fürsten entgegen, wurden aber von dem rußischen Heere dergestalt geschlagen, daß solches sehr viele Gefangene machte, und der bolgarische Fürst selbst sich nicht ohne Mühe von wenigen Leuten begleitet in die große Stadt (Bogard) rettete.

 

Fürst Andrei Jurjewitsch feierte nach diesem Siege ein Dankfest, zog hierauf gegen die bolgarische Hauptstadt Brächimow (wo jezt Waßil-Surskoi liegt),

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*) Die wolgischen Bolgaren nannten sich selbst Biliren.

 

 

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eroberte auf dem Wege noch drey andre Städte, und kam mit Ehre und Ruhm nach Wladimir an der Kläsmä zurück. Um diese Zeit kamen die Schweden in 60 Schnauen vor Ladoga, richteten daselbst vielen Schaden an, und zogen sich von da in den Fluß Woronäi, wohin ihnen aber Fürst Swätoslaw Rostislawitsch von Nowgorod und der dasige Poßadnik Asaria folgten und sie dergestalt schlugen, daß 43 Schnauen genommen, andre versenkt wurden, und nur wenige sich mit der Flucht retteten.

 

 

Im Jahre 1165 starb Fürst Isäslaw Andreewitsch, und ward in Wladimir an der Kläsma in der Kirche zur heiligen Mutter Gottes begraben.

 

In diesem Jahre erhielt Fürst David Rostislawitsch den Besiz von Witepsk, und trat dagegen seinem Neffen, des Fürsten Rostislaw Mstislawitsch Enkel, Roman Wetscheslawitsch, Waßilew und Krasnoi ab.

 

Um diese Zeit thaten die Polowzer einen Einfall ins Gebiet der Torken und Berendeer, Fürst Waßilko Jurjewitsch aber schlug sie am Fluße Rsi und nahm viele gefangen, so daß sowohl er selbst als seine Truppen sich nicht nur durch die erbeutete Waffen und Pferde, sondern noch mehr durch das Lösegeld für die Gefangenen bereicherten.

 

 

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Im Jahre 1166 vermählte der Großfürst Rostislaw Mstislawitsch seinen Neffen Jaropolk Isäslawitsch mit einer Tochter des Fürsten Swätoslaw Olgowitsch von Tschernigow.

 

In diesem Jahre starb am zweyten April Jaroslaw Jurjewitsch, ein Bruder des Fürsten Andrei Jurjewitsch von Rostow, und ward zu Wladimir an der Kläsma in der Kirche zur heiligen Mutter Gottes begraben.

 

Bald nachher starb die Fürstin Maria, verwittwete Gemahlin des Fürsten Swätoslaw Olgowitsch von Tschernigow, und gleich nach ihr auch die Gemahlin des Fürsten Olg Swätoslawitsch von Sewerien, eine Tochter des Großfürsten Jurii Wladimirowitsch. Olg Swätoslawitsch vermählte sich hierauf am 29sten Julius dieses Jahres mit Agafia Rostislawowna, einer Tochter des Großfürsten Rostislaw Mstislawitsch.

 

Im Jahre 1167 starb in Schtschish Fürst Swätoslaw Wladimirowitsch, ein Sohn des Fürsten Wladimir Davidowitsch und Eidam des Fürsten Andrei Jurjewitsch von Rostow.

 

Nach dem Tode des Fürsten Swätoslaw Wladimirowitsch von Schtschish, entstand über dessen Besizungen Streit, zwischen den Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch von Tschernigow und Olg Swätoslawitsch von Sewerien, von welchen lezterer sich bey dem Großfürsten Rostislaw beschwerte, daß Swätoslaw den besten Theil der Erbschaft seinem Bruder zugewandt,

 

 

 

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seinem Neffen aber blos Schtschish angewiesen habe.

 

Der Großfürst fand, daß der Fürst von Tschernigow sich würklich gegen den Fürsten von Sewerien unbillig betrage, und ließ ihn ermahnen, die Sache mit ihm nach Recht und Billigkeit abzumachen, Swätoslaw Wsewolodowitsch aber folgte dem Rath des Großfürsten nicht. Olg versuchte hierauf sich der Stadt Starodub zu bemächtigen, erfuhr aber auf dem Wege, daß Fürst Jaroslaw Wsewolodowitsch schon vor ihm daselbst angekommen sey, und wandte sich gegen Tomost, dessen er sich auch bemächtigte. Indessen schickte Swätoslaw Wsewolodowitsch seinen Bruder Jaroslaw mit einer Parthey Polowzer gegen Nowgorod-Sewerskoi ab, welcher bey Molotschnie-Wodü, 16 Werste von besagter Stadt, auf die Nachricht daß Olg zurückgekommen sey, Halt machte, und als er weiter erfuhr daß Olg sehr krank liege, ihm Friedensvorschläge thun ließ, die Olg annahm, und selbigen zufolge Swätoslawen vier Städte abtrat. Da die Polowzer sahen, daß die Fürsten von Tschernigow und Sewerien sich gütlich verglichen hätten, gingen sie am Dnieper bis zu den Wasserfällen herab, und fielen die nach Griechenland handelnde Kaufleute an, worauf aber der Großfürst sogleich seinen Feldherrn Wladislaw gegen sie abfertigte, der sie vertrieb und die Kaufleute in Sicherheit brachte.

 

 

 

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In diesem Jahre ward dem Fürsten Olg Swätoslawitsch ein Sohn gebohren, welcher Swätoslaw in der heiligen Taufe aber Boris genannt ward.

 

Um diese Zeit zog Wolodar Glebowitsch von Isäslawl, gegen den Fürsten Wseslaw Waßilkowitsch vor Polozk. Dieser zog ihm zwar mit den Polozkern entgegen, Wolodar aber ließ ihm nicht Zeit alle seine Leute zusammen zu ziehen, sondern überfiel ihn unversehens und schlug die Polozker in die Flucht, so daß sich Wseslaw selbst nach Witepsk flüchten mußte. Wolodar kam nach diesem Siege nach Polozk, nahm selbiges ohne Widerstand in Besiz und zog von da weiter gegen die Fürsten David und Wseslaw nach Witepsk. Er kam bis an die Düna, und fing von seiner Seite des Flusses das Gefecht an, wogegen aber Fürst David Rostislawitsch, der den Fürsten Roman mit den Smolenskern erwartete, sich in kein Treffen einlassen wollte. Um Mitternacht hörte man in dem Heere des Fürsten Wolodar ein großes Geräusch, welches mit dem Winde von der Seite wo die Armee des Fürsten David stand herzukommen schien, und zu dem Gerüchte Anlaß gab, daß Roman Rostislawitsch mit einem großen Heere Smolensker im Anzuge sey. Wolodar zog sich hierauf eiligst von Witepsk zurück und ward bey Anbruch des Tages von den Fürsten David und Wseslaw, die ihn jedoch nicht einholten, verfolgt, Wseslaw aber verfügte sich wiederum nach Polozk.

 

 

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In diesem Jahre vermählte Fürst Jaroslaw Wladimirowitsch von Halitsch seinen Sohn Wsewolod mit der Prinzeßin Malfrida Boleslawa, einer Tochter des Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch von Tschernigow; Fürst Jaroslaw Isäslawitsch von Luzk aber vermählte seinen Sohn Wsewolod mit einer Tochter des Fürsten Juri Jaroslawitsch von Turow.

 

Um diese Zeit zog Fürst Olg Swätoslawitsch von Sewerien mit seinen Brüdern gegen die Polowzer an den Donez, wo ihm der polowzische Fürst Bonak mit einer ansehnlichen Macht entgegen kam. Olg Swätoslawitsch schlug zwar die Polowzer nach einem langen Gefechte in die Flucht, verlohr aber dabey viele tapfere Männer, deren Verlust ihn mehr schmerzte, als ihn der Sieg erfreute.

 

In eben diesem Jahre kamen andre Polowzer unversehens vor Perejaslawl, welchen des Fürsten Gleb Jurjewitsch Feldherr Schwarn aus der Stadt entgegen zog, aber von ihnen überwunden und selbst gefangen, doch bald gegen Lösegeld wieder in Freiheit gesezt ward.

 

Da der Großfürst Rostislaw Mstislawitsch sahe, daß die Polowzer wiederum häufige Einfälle in Rußland thaten, und die auf dem Dnieper Handel treibende Kaufleute plünderten und erschlugen, ließ er alle Fürsten mit ihren Truppen nach Kiew einladen, worauf sich die Fürsten Mstislaw Isäslawitsch von Wladimir in Wolhynien mit seinem Bruder Jaroslaw, Isäslaw von Luzk, Wladimir

 

 

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Andreewitsch von Bushesk, Wladimir Mstislawitsch von Sluzk, Gleb Jurjewitsch von Perejaslawl, Iwan Jaroslawitsch von Gorodensk, und die Fürsten Rurik Rostislawitsch und David Rostislawitsch als Anführer der Halitschischen Truppen, insgesammt daselbst einfanden. Man rückte hierauf mit dem ganzen vereinigten Heere bis Kanew vor, wartete daselbst die aus Griechenland kommende Kaufleute ab, und ließ unterdessen die Polowzer aufsuchen, da sich aber diese nirgends zeigten und folglich das rußische Heer keine Gelegenheit zum Angriffe fand, kehrte ein jeder wiederum in seine Gegend zurück.

 

Zu Ende dieses Jahres unternahm der Großfürst Rostislaw eine Reise nach Groß-Nowgorod, und kehrte auf dem Wege bey seinem Eidame dem Fürsten Olg Swätoslaw von Sewerien in Tschitschersk ein, wo er von diesem Fürsten und dessen Gemahlin, erwartet, mit vieler Freude bewirthet, und nebst seinen Bojaren beschenkt ward, wogegen er gleichfalls seinen Eidam, seine Tochter und deren Bojaren beschenkte.

 

Von hier begab sich der Großfürst nach Smolensk, wo er mehr als dreißig Werste vor der Stadt von den Bojaren, dann von seinen Enkeln, hierauf von seinem Sohne Roman Rostislawitsch, vor der Stadt aber von dem Bischofe Manuil mit der Geistlichkeit und fast vom ganzen Volke empfangen ward, welches ihm mit großer Freude und eifrigem Verlangen, ihren Herrn, der dieses Fürstenthum

 

 

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schon in seiner zarten Jugend von seinem Vater erhalten hatte, zu sehen, entgegen kam, und ihm viele Geschenke darbrachte, die er sehr gnädig annahm, und nicht nur diejenige die sie ihm brachten reichlich wieder beschenkte, sondern auch den Armen viele Almosen austheilen ließ. Er sezte nach einem kurzen Aufenthalt in Smolensk, seine Reise bis Toropez fort, und ließ von da seinen Sohn Swätoslaw Rostislawitsch aus Nowgorod zu sich nach Weliki-Luki ruffen, welcher auch bald darauf, von vielen vornehmen Nowgorodern begleitet, daselbst ankam.

 

Da der Großfürst hieselbst krank ward, und fühlte, daß er nach Nowgorod zu reisen nicht im Stande seyn würde, ließ er die Nowgoroder vor sich ruffen, und sprach mit ihnen umständlich über ihre Unordnungen und Gesezlosigkeit, wodurch ihr ganzes Land vielen Schaden leide und endlich zu Grunde gehen müße, wogegen die Nowgoroder ihm mit Thränen, seinen Sohn jederzeit als ihren regierenden Herrn zu ehren, versprachen und dieses Versprechen mit einem Eide bekräftigten. Er beschenkte hierauf seinen Sohn und die Nowgoroder, entließ sie nach ihrer Stadt, und reisete selbst krank nach Smolensk zurück, wo er seine Schwester die Fürstin Rogneda von Polozk vor sich fand, die ihn, weil ihr seine Krankheit gefährlich schien, die Reise nach Kiew aufzuschieben bat, und als sie vernahm daß er seine Reise eben deshalb beschleunigen wolle, um, wenn er auch unterweges sterben sollte, in dem Kloster des heiligen Feodor in Kiew begraben zu werden, ihm

 

 

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vorstellete, daß dieses ja eben so wohl in Smolensk in der von ihm erbaueten und prächtig ausgeschmückten Kirche geschehen könnte. Er folgte indessen diesem Rathe nicht, sondern befahl die Reise nach Kiew anzutreten, und fing an von der Tonsur zu sprechen, die er auch auf der Reise, da er schon nicht weit von Kiew war und seines Lebens Ende vermerkte, würklich annehmen wollte, aber durch die Vorstellung seines Beichtvaters, „daß Gott ihn zum Fürsten verordnet habe, um gutes zu thun und für seine Unterthanen Recht und Gerechtigkeit zu handhaben, nicht aber um sich als Mönch von der Welt zu trennen“ davon abgehalten ward.

 

Im Winter dieses Jahres zogen die tschernigowischen und sewerischen Fürsten unter Anführung des Fürsten Olg Swätoslawitsch gegen die Polowzer zu Felde, und erbeuteten das Lager des Fürsten Kosi mit seiner Frau und Kindern und seinem ganzen Vermögen, so wie Fürst Jaroslaw Wsewolodowitsch besonders das Lager des Fürsten Berläkow wo viele rußische Gefangene befreyt wurden, und kamen insgesammt mit Ruhm und Beute zurück.

 

Der Großfürst Rostislaw Mstislawitsch kam auf seiner Reise aus Smolensk bis zum Dorfe Gordino am Verhau, wo er am 14ten März des Jahres 1168 verschied. Er hatte sieben Jahre regieret, und ward in Kiew in dem Kloster des heiligen Feodors begraben.

 

 

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Seine Gemahlin ist unbekannt.

 

Seine nachgelassene Söhne waren: Roman. Rurik. Swätoslaw. David. Mstislaw

 

Geschlechts - Register Rostislaws I.

Mstislaw I. Großfürst von ganz Rußland vom Jahre 1125 bis 1132.

 

oo Dessen Gemahlinnen:
1) Christina, eines nowgorodschen Poßadniks Tochter.
2) Ljubawa, des nowgorodschen Poßadniks Dmitrii Danilowitsch Tochter.

 

 

Dessen Sohn Rostislaw I. Fürst von Smolensk, nachher Großfürst von Kiew, vom Jahre 1161 bis 1168.

 

oo Seine Gemahlin ist unbekannt.

 

Seine Kinder waren: Roman. Rurik. Swätoslaw. David. Mstislaw. Agafia, vermählt mit dem Fürsten Olg Swätoslawitsch von Sewerien.

 

 

 

Rostislaws I. Zeitverwandte, vom Jahre 1161 bis 1168 waren:

 

In Griechenland. Kaiser. Emanuel von 1143 bis 1180.

 

In Deutschland. Kaiser. Friedrich I. von 1152 bis 1190.

 

In Polen. König. Boleslaw IV. von 1146 bis 1173.

 

In Böhmen. Fürst. Wladislaw IV. von 1140 bis 1173.

 

 

 

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In Sachsen. Fürst. Heinrich 1139 bis 1184.

 

In der Pfalz. Fürst. Konrad von 1156 bis 1195.

 

In Brandenburg. Fürst. Albert I. von 1142 bis 1169.

 

In Baiern. Fürst. Heinrich X. Von 1154 bis 1180.

 

In Braunschweig. Fürst. Heinrich von 1119 bis 1195.

 

In Ungarn. König. Stephan III. von 1141 bis 1161.

 

In Dänemark. König. Wladimir oder Woldemar I. von 1157 bis 1182.

 

In Schweden. König. Karl VII. Von 1160 bis 1168.

 

In Arabien. Kalif. Mostanged, LI. Kalif von 1160 bis 1170.

 

In Egypten. Kalif. Adged von 1160 bis 1180.

 

In Ikonium. Sultan. Kilitshe Arslan von 1155 bis 1192.

 

In Alepo. Sultan. Nuradin Mamut von 1142 bis 1174.

 

In Damask. Sultan. Moshir Eddin von 1142 bis 1174.

 

In Frankreich. König. Ludwig VII. Von 1137 bis 1180.

 

 

 

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In England. König. Heinrich II. von 1154 bis 1189.

 

In Schottland. Könige. Malkom IV. von 1153 bis 1165. Wilhelm von 1165 bis 1214.

 

In Spanien. König. Alphons von 1158 bis 1214.

 

In Portugall. Könige. Feresa und Alphons I. von 1112 bis 1185.

 

In Toskana. Groß-Herzog. Welf von 1153 bis 1195.

 

Patriarch zu Konstantinopel. Lucas von 1155 bis 1169.

 

Römischer Pabst. Alexander III. von 1159 bis 1181.

 

Mitropoliten zu Kiew. Theodor von 1160 bis 1164. Johann von 1164 bis 1167. Konstantin von 1167 bis 1175.

 

In Rußland. Abgetheilte Fürsten.

 

In Tschernigow. Swätoslaw Olgowitsch von 1157 bis 1164. Swätoslaw Wsewolodowitsch von 1164.

 

In Nowgorod-Sewerskoi. Swätoslaw Wsewolodowitsch von 1157 bis 1164. Olg Swäwolodowitsch von 1164.

 

In Rostow, Susdal und Wladimir an der Kläsma. Andrei Jurjewitsch von 1157.

 

In Turow. Jurii Jaroslawitsch.

 

In Luzk. Jaroslaw Isäslawitsch.

 

 

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In Smolensk. Rostislaw Mstislawitsch.

 

In Halitsch. Jaroslaw Wladimirowitsch.

 

In Groß-Nowgorod. Mstislaw Jurewitsch. Swätoslaw Rostislawitsch. Mstislaw von ___ bis 1161. Mstislaw Rostislawitsch von 1161. bis ___.

 

In Polozk. Rochwold Borißowitsch. Wseslaw Waßilkowitsch.

 

In Minsk. Rostislaw Glebowitsch.

 

In Drutschesk. Gleb Rostislawitsch.

 

In Isäslawl. Wsewolod Glebowitsch von ___ bis 1158. Wratschislaw. Wolodar Glebowitsch.

 

In Perejaslawl. Gleb Jurjewitsch.

 

In Schtschish. Swätoslaw Wladimirowitsch.

 

In Kursk. Olg Swätoslawitsch.

 

In Wladimir in Wolhynien. Mstislaw Isäslawitsch.

 

In Porßän. Waßilko Jurjewitsch.

 

In Räsan. Rostislaw Jaroslawitsch.

 

In Jelez. Andrei Rostislawitsch.

 

In Sluzk. Wladimir Mstislawitsch.

 

In Peresopniza. Wladimir Andreewitsch.

 

In Tripol. Wladimir Mstislawitsch von 1162 bis ___.

 

In Murom. Jurii.

 

In Witepsk. David Rostislawitsch von 1165 bis ___.

 

In Waßilew und Krasnoi. Roman Wetscheslawitsch.

 

In Gorodensk. Iwan Jaroslawitsch.

 

 

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40.

 

Großfürst Mstislaw II.

Nach dem im Jahre 1168 erfolgten Tode des Großfürsten Rostislaw Mstislawitsch, verbanden sich die damals in Kiew befindlichen Fürsten Wladimir Mstislawitsch, Wladimir Andreewitsch, Jaroslaw Isäslawitsch, Rurik Rostislawitsch und David Rostislawitsch, und sezten nach vorgängiger Berathschlagung fest: den Fürsten Mstislaw Isäslawitsch von Wladimir in Wolhynien zur großfürstlichen Regierung in Kiew einzuladen, und dagegen von ihm die Bestätigung der fürstlichen Besizungen, so wie sie solche zum voraus unter sich vertheilt hatten zu verlangen, nemlich: dem Fürsten Wladimir Mstislawitsch Mstislaws Vaterbruder Poroßje und Tortschesk mit dem ganzen dazu gehörenden Gebiet, dem Fürsten Wladimir Andreewitsch Berest und Drogotschin, dem Fürsten Jaroslaw Isäslawitsch, Mstislaws Bruder, Wladimir in Wolhynien und Luzk mit dem dazu gehörigen Lande, worauf sie ihre Gesandten und einige der vornehmsten Kiewer an den Fürsten Mstislaw Isäslawitsch nach Wladimir in Wolhynien abfertigten.

 

Die Geschichtschreiber sagen: Fürst Mstislaw Isäslawitsch ward damals für den tapfersten und mächtigsten seiner Zeitgenossen unter den rußischen Fürsten von Ruriks Stamm gehalten. Er war nicht sehr groß von Wuchs, aber breitschulterig und stark,

 

 

 

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so daß kaum irgend jemand ausser ihm seinen Bogen zu spannen vermochte; er war schön von Gesicht, und trug kurzes krauses Haar. Alle Fürsten ehrten und fürchteten ihn, weil er sowohl im Gefecht als in allen seinen Unternehmen männlich entschlossen war. Er liebte das Recht, ließ sich nicht von Weibern und Wein beherrschen, und war selbst bey seinen dann und wann vorfallenden Belustigungen, jederzeit zur Rechtspflege und zu guten Anordnungen bereit; er schlief wenig, las fleißig in Büchern, und berathschlagte sich mit seinen Großen über die Verwaltung der Staatsgeschäfte; er wendete vielen Fleiß auf die Erziehung seiner Kinder, und sagte ihnen oft, daß die Ehre eines Fürsten in der Gerechtigkeit, Rechtspflege und Tapferkeit bestehe.

 

Als dieser Fürst von dem Ableben seines Vaterbruders des Großfürsten Rostislaw Mstislawitsch Nachricht erhielt, schickte er einen gewissen Wladislaw Woroslawitsch vor sich her nach Kiew, und ließ seinem Neffen dem Fürsten Waßilko Jaropoltschitsch bis zu seiner Ankunft die Regierung der Stadt übertragen, wohin er auch einige Richter absandte.

 

Unterdessen fingen die verbündeten Fürsten an, zur Unterstüzung ihrer Forderungen Truppen zusammen zu ziehen, welches die dem Fürsten Mstislaw ergebene Kiewer dem Fürsten Waßilko Jaropoltschitsch und vorgedachtem Wladislaw anzeigten, diese aber durch einen eiligst abgefertigten Boten dem Fürsten Mstislaw Isäslawitsch bekannt machten.

 

 

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Mstislaw ließ sogleich den Fürsten Jaroslaw Wladimirowitsch von Halitsch, den Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch von Tschernigow nebst dessen Bruder, wie auch den König von Polen, mit Bitte um Hülfstruppen, von diesem Vornehmen der Fürsten benachrichtigten, und erhielt von dem Fürsten von Halitsch fünf Scharen, aus Polen aber nur wenige Truppen, mit welchen vereinigt er gegen Kiew vorrückte, und auf dem Wege bey Mikulin den Fürsten Mstislaw Wsewolodowitsch mit den Tschernigowern, wie auch die Berenditschen und Torken an sich zog.

 

Um diese Zeit begab sich Fürst Wladimir Mstislawitsch (Mstislaws Vaterbruder) mit seiner Gemahlin und seinen Kindern aus Tripol nach Wüschgrad, wohin sich auch seine Mutter die gewesene Gemahlin des Großfürsten Mstislaw I. aus Kiew zu ihm verfügte.

 

Fürst Waßilko Jaropoltschitsch holte zwar mit den Berenditschen den Fürsten Wladimir bey Schelan ein, und wollte ihn angreifen, die Berenditschen aber wollten nicht gegen ihn fechten, sondern folgten ihm blos bis zum Wsewolodischen Kloster nach, worauf sie ihren Rückzug antraten, Wladimir aber in die Stadt einzog.

 

Am folgenden Morgen kam Mstislaw Isälawitsch nahe bey Kiew an, musterte seine Truppen, rückte auf dem Waßilewschen Wege an, und ward bey Olgs Grabhügel von allen Kiewern empfangen. Er nahm selbige gnädig auf, zog in die Stadt ein,

 

 

 

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ließ die in Kiew befindliche Fürsten und Bojaren zur Berathschlagung zusammen ruffen, machte verschiedene zur Endigung der entstandenen Streitigkeiten nöthige Anstalten, und zog noch an demselben Tage vor Wüschgrad, wo die Rostislawitschen, die sich von diesem Kriege keinen Vortheil versprachen, nach Verlauf zweyer Tage und nach einigen vorgefallenen kleinen Scharmüzeln, den Fürsten Wladimir Mstislawitsch zum Frieden beredten, welcher nach einigen Unterhandlungen am 18ten May geschlossen ward. Der Großfürst Mstislaw Isäslawitsch ertheilte dem Fürsten Wladimir Mstislawitsch das von selbigem bisher beseßene Tripol mit dem dazu gehörigen Gebiet, hielt am Montage, den 19ten May, seinen Einzug in Kiew und nahm daselbst den Thron seines Vaters und seiner Voreltern in Besiz, worauf er seinen Vetter Wladimir Mstislawitsch nach Tripol entließ. Die Geschichtschreiber sagen: Wladimir Mstislawitsch wußte zwar selbst, daß er zu einer so weitläuftigen und beschwerlichen Staatsverwaltung nicht geschickt sey, ließ sich aber doch vom Neide gegen den Großfürsten Mstislaw Isäslawitsch beherrschen, wozu er besonders durch Schmeichler gereizt und verleitet ward. Denn diese schwazten unaufhörlich ihm und den seinen vor; wie schimpflich es für ihn sey, sich in Tripol mit einer abgetheilten Besizung zu begnügen, während daß das Großfürstenthum sich in den Händen seines Neffen befinde. Sie zeigten ihm viele Beyspiele, daß der wankende kiewsche Thron seit

 

 

 

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Wladimirs Zeiten von einem Verwandten dem andern entrißen worden sey, ohne zu erwähnen,wie sehr durch dergleichen innerliche Kriege, die innere und äußere Macht der Fürsten von Ruriks Stam und Rußlands Ruhm und Ehre geschwächt worden sey. Diese und dergleichen Vorstellungen erhizten den schwachen Geist des Fürsten Wladimir Mstislawitsch, welcher nunmehr blos darauf bedacht war, wie er sich des Großfürstenthums bemächtigen und solches seinem Neffen entreißen könnte. Man fühlte zwar die Schwürigkeit der Ausführung, und verfiel mehr als einmal darauf, daß es vielleicht das leichteste Mittel seyn möchte, die Großfürstliche Gewalt zwischen Wladimir und Mstislaw, so wie ehemals zwischen Isäslaw und Wetscheslaw zu theilen, man konnte sich aber auch nicht verbergen, wie viele Unbequemlichkeiten sich bey Theilung der höchsten Gewalt und Vereinigung so verschiedener Gesinnungen zeigen würden, da schon die Wahl der Mittel dazu, so vielen Schwürigkeiten ausgesezt war.

 

Unterdessen hatte ein Bojar des Fürsten David Rostislawitsch, Namens Wasil Anastaßjewitsch, der sich damals beym Fürsten Wladimir Mstislawitsch in Tripol aufhielt, alle diese Anschläge erfahren, und machte sie sogleich seinem Fürsten mit dem beygefügten Rathe bekannt, daß man diese neuen Unruhen gleich in ihrem ersten Anfange zu ersticken bemüht seyn müßte.

 

Fürst David Rostislawitsch zeigte dieses seinem Vetter dem Großfürsten Mstislaw an, welcher

 

 

 

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um seinen Vaterbruder nicht vor dem Volke verächtlich zu machen, lieber seine Ankunft in Kiew, abwarten wollte. Diese erfolgte indessen bald, weil Wladimir, um das erstandene Gerücht von seinem Vorhaben durch List zu entkräften, von selbst zum Großfürsten kam und sich zu rechtfertigen bemüht war. Der Großfürst antwortete ihm zwar anfangs nichts, verfügte sich aber mit ihm, als zum Gottesdienst, nach dem petscherischen Kloster, wo er ihm in die Zelle des Oekonoms zu gehen befahl, selbst aber in des Abts Zelle ging, und ihn durch zwey Bojaren *) befragen ließ, warum er, ohne sich, wie gewöhnlich, vorher melden zu lassen, zu ihm gekommen sey, und was er ihm zu sagen habe? Wladimir Mstislawitsch schickte jezt seinen Hofmeister zum Großfürsten, und ließ ihm auf seine Anfrage antworten: Er habe gehört, daß man ihm verläumdet und ihm Sachen und Absichten beygemessen habe, die ihm nie in den Sinn gekommen wären. Der Großfürst erwiederte hierauf, er habe von seinen geheimen Anschlägen durch den Fürsten David Rostislawitsch Nachricht erhalten, welcher ihm jezt selbst nähere Auskunft geben könne, durch wen er etwas davon vernommen habe. Beide Fürsten schickten nunmehr einige ihrer Bojaren nach Wüschgrad, um den Fürsten

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*) Einige Schriftsteller behaupten, daß das Wort Bojarin sarmatischen Ursprungs sey, und einen klugen Kopf oder klugen Mann bedeute.

 

 

 

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David Rostislawitsch über diese Sache befragen zu lassen, welcher ihnen den Waßilko Afanaßjewitsch, durch den er diese Nachricht erfahren hatte, nebst seinem Tüsäzkoi Radil und einem gewissen Waßilei Waßilkowitsch zuschickte. Der Großfürst begab sich indessen nach Kiew, ließ den Fürsten Wladimir Mstislawitsch im Kloster zurück, und kam nach dreyen Tagen wieder dahin, wo ihn die Bojaren des Fürsten David erwarteten. Wladimir schickte von seiner Seite zwey Personen, Raguil und Machalo, zum Großfürsten vor Gericht, welche zwar viel stritten, aber durch den von Waßil Anastaßjewitsch aufgeführten Zeugen, David Boranitsch, in Verlegenheit gesezt wurden. Wladimir Mstislawitsch sahe nun wohl, daß er mit seiner Rechtfertigung nicht zu Stande kommen werde, und bat um Erlaubniß sich von der gegen ihn angebrachten Beschuldigung durch einen Eid zu reinigen. Der Großfürst Mstislaw ließ ihn zu sich ruffen und sagte ihm in Gegenwart einiger wenigen ihrer beiderseitigen Bojaren. „Er Fürst Wladimir, habe ihm zwar unlängst einen durch Küssung des Kreuzes bekräftigten Eid geleistet, wenn er aber jezt wieder schwören wolle, daß er nichts diesem Eide zuwieder vorhabe, so wolle er solches für wahr annehmen und weiter nie daran gedenken, es sey dann daß es sich in der Folge anders zeigen sollte,“ Wladimir legte seinen Eid ab und begab sich mit Erlaubniß des Großfürsten nach Kotelniza, hielt aber nach erlangter Freiheit seine gegebene Versicherung

 

 

 

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nicht. Er fing sogleich mit dem Torken und Berenditschen Unterhandlungen an, daß sie Mstislaws Parthey verlassen und zu ihm übertreten möchten, und erhielt von ihren Anführern den Tägrowitschen, Tscheiman, dessen Bruder Totman, und dem Manatschul zur Antwort: wenn alle rußische Fürsten seine Parthey nähmen, so würden sie gleichfalls zu ihm übertreten. Wladimir Mstislawitsch machte diese Antwort seinen Bojaren Raguil Dobrünitsch, Michail, und David bekannt, die als kluge und nachdenkende Leute ihrem Fürsten von diesem unschicklichen Vornehmen abzubringen suchten, selbst keinen Theil daran nehmen wollten, und sich darüber folgender maßen erklärten: „sie könnten ihm zu diesem Unternehmen nicht rathen. Da er vor kurzem sich beym Großfürsten wegen seines vorigen Anschlags durch einen Eid gereiniget, inskünftige nichts böses gegen ihn im Sinne zu führen versprochen, und von ihm Verzeihung erhalten habe, so müßten sie sein neues Unternehmen als eine unanständige Sache ansehen, die mehr zu seinem eigenen als zu des Großfürsten Schaden ausschlagen möchte. Denn gesezt, daß es ihm sich des Großfürstenthums zu bemächtigen glücken sollte, so würde doch die Behauptung und Regierung desselben noch zehnmal schwerer seyn.“ sie fuhren hierauf herzhaft fort: „da er selbst sein kleines Fürstenthum nicht in Ordnung zu erhalten wisse, so könne man ja um so weniger hoffen, daß er das kiewsche Gebiet und alle Fürsten in guter Verfassung und

 

 

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Ordnung erhalten, mit den Nachbarn zu recht kommen, und überall die gehorige Vorsicht anwenden werde, weshalb sie ihm rathen wollten, sich in keine solche Sache einzulassen, die ohne allen Zweifel für ihn ein schimpfliches Ende nehmen müßte.“ Wladimir Mstislawitsch gerieth über diese Vorstellung seiner alten und treuen Räthe in Zorn, wandte sich mit den Worten: „diese sollen inskünftige meine Bojaren und Räthe seyn,“ zu seinen Hofleuten, schickte wiederum zu den Berenditschen, verband sich mit ihnen, und kam hierauf selbst unterhalb Rostowez mit seinen wenigen Truppen bey ihnen an. Da die Berenditschen ihn allein mit einer geringen Bedeckung, und weder andre Fürsten noch selbst seine vornehmsten Leute und Bojaren bey ihm sahen, sprachen sie: „du hast uns versichert daß alle rußische Fürsten, deine Brüder und Verwandten, mit dir gemeinschaftliche Sache gemacht hätten, wir sehen dich aber jezt allein und sogar ohne deine Bojaren, warum willst du uns in eine so unglückliche Sache verwickeln?“ und gingen alle davon. Wladimir fing anfangs an sie zu bitten, nachher zu schimpfen, und ihnen die Brechung ihres gegebenen Worts zu verweisen, sie aber warfen ihm von ihrer Seite vor, daß er nicht nur selbst den dem Großfürsten Mstislaw geleisteten Eid gebrochen habe, sondern auch sie dazu zu bewegen suche, und schossen im Zorn auf ihn und seine Leute Pfeile ab, so das Wladimir selbst mit zweyen Pfeilen verwundet ward, und seine Thorheit bereuend davon floh, von seinen

 

 

 

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Leuten aber, die von den Berenditschen theils erschlagen theils gefangen wurden, sich nur wenige mit der Flucht retteten.

 

Wladimir flüchtete anfangs zum Fürsten Wladimir Andreewitsch, der aber, um nicht seinetwegen mit dem Großfürsten Mstislaw in Feindschaft zu gerathen, ihn nicht in die Stadt einließ, und die Brücke abzuwerfen befahl. Er wandte sich hierauf ins radimitschische Gebiet, und wollte sich nach Susdal zum Fürsten Andrei Jurjewitsch von Rostow begeben, dieser aber schickte ihm entgegen, und ließ ihm rathen zum Stiefvater seiner Gemahlin dem Fürsten Gleb von Räsan zu reisen, wozu er ihn mit allem nöthigen versorgen wolle. Wladimir nahm also seine Zuflucht nach Räsan, und ließ seine Gemahlin in Gluchow bey der Gemahlin des Fürsten Wsewolod zurück.

 

Der Großfürst machte das unbillige Betragen seines Vaterbruders allen Fürsten schriftlich bekannt, vertrieb dessen Mutter aus Kiew, und befahl ihr nach Gorodok und von da wohin es ihr gefiele zu reisen, weil sie, zu einer Zeit da ihr Sohn seinen Eid gebrochen habe, und dem Großfürstenthume zu schaden suche, nicht mit dem Großfürsten in einer Stadt leben könne; worauf diese Fürstin sich zum Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch nach Tschernigow verfügte.

 

In diesem Jahre ward dem Fürsten Gleb Jurjewitsch von Perejaslawl ein Sohn gebohren, welcher Wladimir und in der heiligen Taufe Peter genannt

 

 

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ward. Fürst Gleb ließ bey dieser Gelegenheit 200 Griwen Silber unter die Armeen und 300 an die Kirchen und Klöster vertheilen.

 

Als die Nowgoroder hörten, daß Mstislaw Isäslawitsch das Großfürstenthum in Besiz genommen habe, stellten sie unter sich geheime Berathschlagungen an, um den Fürsten Swätoslaw Rostislawitsch zu vertreiben, und an seine Statt den Großfürsten um einen seiner Söhne zu bitten. Fürst Swätoslaw Rostislawitsch ward hievon durch seine Freunde benachrichtiget, und besprach sie darüber mit seinen Bojaren, die ihm, ohne die endliche Entschliessung der Nowgoroder abzuwarten ihre Stadt zu verlassen riethen. Er machte sich diesem zufolge heimlich auf, begab sich nach Welikie-Luki und ließ den Nowgorodern bekannt machen: „daß er, von ihrer Untreue unterrichtet, ferner nicht bey ihnen zu regieren verlange.“ Die Nowgoroder nahmen dieses Betragen ihres Fürsten als eine Beschimpfung auf, und schickten ihren Tüsäzkoi Sacharia ab, um ihn aus Welikie-Luki zu vertreiben, worauf sich Swätoslaw nach Toropez und von da zum Fürsten Andrei Jurjewitsch von Rostow nach Wladimir an der Kläsma begab, die Nowgoroder aber Gesandten an den Großfürsten Mstislaw Isäslawitsch nach Kiew abfertigten, und ihn um einer seiner Söhne ersuchen ließen.

 

Fürst Andrei Jurjewitsch von Rostow gab Swätoslawen einige Truppen, mit welchen er sich

 

 

 

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gegen die Wolga wandte und sich der Stadt Torshok bemächtigte, während daß seine Brüder Roman und Mstislaw, von diesen Vorfällen benachrichtiger, aus Smolensk gegen Welikie-Luki vorrückten, in Verbindung mit den Polozker die aus Nowgorod an den Großfürsten abgefertigten Gesandten auf dem Wege nach Kiew aufheben ließen, und den Nowgorodern bekannt machten, daß sie den Fürsten Swätoslaw Rostislawitsch behalten und an keinen andern denken müßten, wenn sie nicht etwa völlig zu Grunde gerichtet zu werden wünschten.

 

Die Nowgoroder, welche in zwey oder auch mehrere schwer zu vereinigende Partheyen getheilt waren, geriethen hiebey unter sich in heftigen Wortwechsel, und kamen vom Streit zu Vorwürfen, und vom Schimpfen zum Aufruhr, in welchem der Poßadnik Sacharia Jurjewitsch, und Nesdubaritsch, die man für Swätoslaws heimliche Freunde und Unterhändler hielt, erschlagen, Wätschka und Wolodar übel behandelt wurden, Danislaw Lasutitsch und verschiedene andre seiner Parthey aber sich nach Kiew begaben.

 

Unterdessen kam Swätoslaw Rostislawitsch mit den Smolenskern und Polozkern vereinigt vor (Staraja) Rußa, die Nowgoroder aber schickten den Tüsäzkoi Jakun gegen ihn aus, der einen engen Paß zwischen zwey Flüsen einnahm, und dadurch den Fürsten Swätoslaw der ihm an

 

 

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Mannschaft nicht gewachsen war, ohne ein Treffen zu liefern zum Abzuge zwang.

 

In diesem Jahre ließ der Großfürst Mstislaw Isäslawitsch an alle Fürsten ein Schreiben folgenden Inhalts ergehen: „Die Polowzer hätten zwar jedes Jahr Geschenke erhalten und dafür Rußland nicht zu bekriegen versprochen, sie hätten aber ihr Wort sehr oft gebrochen, und die rußischen Provinzen verwüstet, jezt aber besonders den Handel nach Griechenland gehemmt, und die Kaufleute ihrer Waaren beraubt und erschlagen. Er thue also den Fürsten hiemit den Vorschlag, sich zu versammeln, und, so wie es bey ihren Vorfahren und Vätern üblich gewesen, zur Ehre und Sicherheit des Vaterlandes, mit gesammter Macht gegen die Polowzer aufzubrechen, in welcher Absicht sie sich mit ihren Truppen bey Kiew einfinden möchten, wo er selbst an ihrer Spize auszuziehen bereit sey.“ Dieser Vorschlag schien allen Fürsten so ersprießlich und nüzlich, daß sie ihn insgesammt mit Bereitwilligkeit zur Ausführung eines so guten Vorhabens beantworteten, und sich fast alle in Kiew einfanden, von da David Rostislawitsch mit seinen und seines damals krank liegenden Bruders Ruriks Truppen, Swätoslaw Wsewolodowitsch von Tschernigow mit seinem Bruder Jaroslaw, Jaroslaw Isäslawitsch von Luzk, Olg Swätoslawitsch von Sewerien und sein Bruder Wsewolod, Jaropolk Wsewolodowitsch und Mstislaw

 

 

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Wsewolodowitsch, Swätopolk Jurjewitsch von Turow, Gleb Jurjewitsch von Perejaslawl, dessen Bruder Michalko, nebst noch einigen andern Fürsten, am zweyten März 1169, gegen die Polowzer aufbrachen.

 

Fürst Jaropolk Isäslawitsch ward auf diesem Zuge von einer schweren Krankheit befallen, wollte aber nicht zurückbleiben und kam bis Tumaschtsch, wo er am 9ten März am Donnerstage der Fastnachtswoche verstarb.

 

Der Großfürst betrübte sich sehr über den Verlust dieses von ihm vorzüglich geliebten Bruders, und ließ seinen Leichnam nach Kiew bringen, wo er in dem Kloster des heiligen Feodor begraben ward.

 

Die Fürsten hatten ihren Zug zehn Tage lang fortgesezt, als die Polowzer die durch zween Ueberläufer davon Nachricht erhalten hatten, ihre Lagerstätte verließen und sich davon machten.

 

Da die Fürsten die Lagerstäte der Polowzer leer fanden, ließen sie den Fürsten Jaroslaw Wsewolodowitsch mit dem Gepäcke zurück, und sezten ihnen eiligst nach, erbeuteten am Fluße Ugl (Orel) einige ihrer Läger, und schickten eine Parthey gegen den Fluß Snoporod (Samara) ab, welche die Polowzer am Schwarz-Walde einholte und im Treffen überwand, viele gefangene Christen befreyte und nach ihren Wohnsizen entließ.

 

 

 

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Indessen entstanden um eben diese Zeit Mißhelligkeiten unter den Fürsten, die sich über den Großfürsten Mstislaw beschwerten, daß er ohne mit ihnen Abrede zu nehmen, seine Reuter voraus geschickt und dadurch die Polowzer zu frühe aufgetrieben, den Fürsten aber die unnüze Beschwerde sie in der Ferne aufzusuchen, verursacht habe; welcher Vorfall das Zutrauen der Fürsten zu der Kriegserfahrenheit des Großfürsten Mstislaw verminderte. .

 

Nach diesem musterten die Fürsten jeder seine Schaaren, und fanden alle ihre Truppen wohlbehalten, so daß überhaupt nur zwey vornehme Männer Konstantin Waßiljewitsch Jaruns Bruder, nebst dem Stallmeister des Fürsten Jaroslaw Isäslawitsch erschlagen und Koßai Kotowitsch in die Gefangenschaft gerathen, von den gemeinen Truppen aber nur sehr wenige auf dem Plaz geblieben aber viele verwundet waren.

 

Die Fürsten feierten dieses Sieges wegen ein Dankfest, worauf der Großfürst am ersten Ostertage nach Kiew zurück kam, die übrigen Fürsten aber jeder in sein Gebiet zurück kehrten.

 

Um diese Zeit starb Fürst Mstislaw, ein Sohn des Fürsten Wsewolod Mstislawitsch von Pskow.

 

In diesem Jahre ließ der Großfürst Mstislaw Isäslawitsch alle Bischöfe und Aebte, und alle gelehrte Geistlichen und Mönche zu einer Kirchenversammlung beruffen, wozu sich

 

 

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bis hundert und funfzig Personen einfanden, und untereinander in langen und heftigen Streit geriethen. Einige, als Anton Bischof von Tschernigow und Anton von Perejaslawl, hielten es mit der Meinung des Mitropoliten Konstantin, andre Aebte, Welt-Geistlichen und Mönche mit der Meinung Polikarps Abts des petscherischen Klosters und seiner Klosterbrüder, welche die Vermehrung der Fasttage verwarfen, der größte Theil der versammelten Geistlichkeit wollte nichts bestimmen und behauptete daß solches in jedem Kloster von dem Willen des Mitropoliten und der Aebte abhänge, andre schlugen vor die Untersuchung und Entscheidung der Sache dem Patriarchen zu Konstantinopel zu übertragen, der Großfürst und verschiedene andre Fürsten aber hielten sich vorzüglich an die Vorschriften der allgemeinen Kirchenversammlungen.

 

Nachdem diese Kirchenversammlung ohne etwas festzusezen auseinander gegangen war, ließ der Großfürst die Fürsten wiederum zu einem Feldzuge gegen die Polowzer einladen, welchem zufolge sein Bruder Jaroslaw Isäslawitsch von Luzk, Fürst Wladimir Andreewitsch von Dorogobush, Rurik Rostislawitsch von Owrutsch, dessen Bruder David Rostislawitsch von Wüschgrad, und Iwan Andreewitsch Wladimirs Bruder sich mit aller Bereitwilligkeit in Kiew einfanden. Der Großfürst stellete selbigen in einer mit ihnen gehaltenen Versammlung vor: „daß die Polowzer,

 

 

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ungeachtet ihrer im vorigen Jahre erlittenen Niederlage, jezt wiederum die nach Griechenland handelnde Kaufleute aufgefangen und die ausgestellte Posten angefallen und ermordet hätten, weshalb er für nöthig erachte, zur Vertheidigung der Unterthanen und Bedeckung der Grenzen, zur Beschüzung des Handels, zur Beruhigung der Nachbarn und zur Sicherung des Weges zu ihnen, mit gemeinschaftlichen Kräften zu Werk zu gehen.“ Die Fürsten antworteten, daß sie diesen zum Ruhm und Besten des ganzen rußischen Reichs abzweckenden Vorschlag sich gern gefallen ließen, und brachen insgesammt gegen Kanew auf, wo Fürst Gleb Jurjewitsch von Perejaslawl sich gleichfalls mit ihnen vereinigte. Die Geschichtschreiber erzählen: die Fürsten von Tschernigow und Sewerien hätten an diesem Feldzuge deshalb keinen Antheil genommen, weil sie wegen der lezten Kirchenversammlung, und weil diejenige Parthey der sie ergeben waren nicht die Oberhand erhalten hatte, mit dem Großfürsten unzufrieden gewesen wären.

 

Fürst Gleb Jurjewitsch von Perejaslawl stellte bey dieser Gelegenheit ein Gastmal an, zu welchen er den Großfürsten nebst allen andern Fürsten einlud und alle sehr wohl bewirthete.

 

Indessen hatten zwey kiewische Bojaren Peter Borißowitsch und Nestor Borißowitsch, die der Großfürst ihrer unordentlichen Aufführung wegen im Zorn von sich entfernet hatte, Gelegenheit

 

 

 

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gefunden, den Fürsten David Rostislawitsch von Wüschgrad durch allerhand Lügen und Ränke gegen den Großfürsten einzunehmen, welcher, wie sie behaupteten mit dem Vorhaben umgehe, ihm, Wüschgrad, seinem Bruder Rurik Rostislawitsch Owrutsch, wie auch verschiedenen andern Fürsten ihre Besizungen zu nehmen oder wenigstens zu vermindern. Fürst David erzählte dieses seinem Bruder Rurik, der anfangs diesem ungegründeten Gerüchte keinen Glauben beymessen wollte, als aber der Großfürst um diese Zeit alle Fürsten zu Gaste laden ließ, und die Friedensstöhrer den Fürsten David warneten, daß er sich für dem Großfürsten, der bey dieser Gelegenheit wie sie gewiß wüßten ihn und seinen Bruder Rurik festnehmen lassen wolle, hüten sollte, geriethen beide Brüder hiedurch in solche Verlegenheit, daß sie dem Großfürsten sagen ließen: sie würden nicht anders zu ihm kommen, als wenn er sie zum voraus versichern wollte, daß er ihnen nichts übels thun werde. Der Großfürst ließ bey dieser Anforderung, zu der er sich keines gegebenen Anlasses bewußt war, seine Bojaren zusammen kommen, bat um ihren Rath und erhielt von ihnen zur Antwort: daß eine solche Forderung zwar höchst unanständig sey, indessen möchte er doch die Fürsten versichern lassen: er könne das Kreuz darauf küssen, daß er nie gegen sie was böses im Sinne gehabt habe noch jezt habe, nur sollten sie ihm die

 

 

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schändlichen Verläumder anzeigen und vor Gericht liefern lassen. Fürst David erwiederte hierauf: er könne zwar den der ihm dieses gesagt habe, nicht nennen, weil er seinen Namen geheim zu halten versprochen habe, wenn aber der Großfürst ihnen Schuz und Gerechtigkeit schwören wolle, so würden sie ihm wieder Liebe und Treue schwören, und alles vorgefallene der Vergessenheit übergeben. Da der Großfürst alles Mißtrauen und angefangene Mißverständnis zu heben wünschte, küßte er in Gegenwart ihrer Abgeordneten das Kreuz, welches hierauf auch von ihrer Seite beobachtet wurde.

 

Um diese Zeit reizten die Feinde der öffentlichen Ruhe den Fürsten Wladimir Andreewitsch von Dorogobusch an, den Großfürsten um eine Vergrößerung seiner Besizungen zu bitten. Mstislaw Isäslawitsch erwog hiebey wie sehr das Großfürstenthum Kiew dadurch geschwächt worden sey, daß viele von Alters her zu Kiew gehörige Städte verschiedenen Fürsten als abgetheilte Besizungen eingeräumt worden waren, als: Perejaslawl dem Fürsten Gleb Jurjewitsch, Gorodez dem Fürsten Michalko Jurjewitsch, Wüschgrad und das ganze drewische Gebiet den Fürsten David Rostislawitsch und Rurik Rostislawitsch, Poroßje dem Fürsten Waßilko Jurjewitsch, Peresopniza, Dorogobusch und Bushesk dem Fürsten Wladimir Andreewitsch, wodurch die Macht des Großfürstenthums vermindert, die Ehrerbietung

 

 

 

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gegen den Großfürsten aber keinesweges vermehret worden war. Er ließ dem Fürsten Wladimir Andreewitsch zur Antwort sagen: da er noch unlängst einige Ländereyen erhalten und mit selbigen zufrieden zu seyn versprochen habe, so sey es unanständig, solches so bald zu vergessen; womit Wladimir Andreewitsch mißvergnügt nach Dorogobusch zurück kehrte.

 

Um eben diese Zeit fingen die Fürsten Andrei Jurjewitsch von Rostow und Gleb Jurjewitsch von Perejaslawl Unterhandlungen an, und verbanden sich heimlich gegen den Großfürsten Mstislaw, welchem Bündniße ferner auch die Fürsten Roman Rostislawitsch von Smolensk, Wladimir Andreewitsch von Dorogobusch, Rurik Rostislawitsch von Owrutsch, David Rostislawitsch von Wüschgrad nebst seinem Bruder Mstislaw Rostislawitsch, Olg Swätoslawitsch von Sewerien nebst seinem Bruder Igor Swätoslawitsch, und Wsewolod Jurjewitsch nebst seinem Neffen Mstislaw Mstislawitsch von Gorodenzk, beytraten.

 

Die Veranlassung zu dieser Verbindung gaben die Vorfälle in Nowgorod, welche schon vor dem Feldzuge des Großfürsten gegen die Polowzer ihren Anfang genommen hatten. Alle vor genannte Fürsten nemlich, nahmen sich des Fürsten Swätoslaw Rostislawitsch an, welcher von den Absichten der Nowgoroder, ihn zu vertreiben und den Großfürsten um einen seiner Söhne zu bitten,

 

 

 

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unterrichtet, sich selbst aus Nowgorod entfernt hatte. Die Fürsten hatten zwar die ersten an den Großfürsten abgefertigten Gesandten der Nowgoroder nach Kiew zu reisen gehindert, der Großfürst aber hatte dagegen, sobald ihm das Gesuch der Nowgoroder bekannt geworden war, seinen Sohn Roman Mstislawitsch zu ihnen abgeschickt: weil nemlich Nowgorod von je her zum Großfürstenthum Kiew gehört hatte, und er eben so wohl als seine Vorgänger daselbst einen Fürsten einzusezen das Recht haben wollte, ohne deshalb vorher mit dem Fürsten Andrei Jurjewitsch von Rostow Abrede zu nehmen. Der Fürst von Rostow bezog sich von seiner Seite auf eine zwischen ihm und dem Großfürsten Rostislaw Mstislawitsch getroffene Verabredung, vermöge, welcher Swätoslaw zum Fürsten von Nowgorod verordnet worden war, und wollte diesemnach entweder vorgedachten Fürsten Swätoslaw Rostislawitsch wieder hergestellt sehen, oder an dessen stat einen seiner Söhne zum Fürsten von Nowgorod einsezen. Die Rostislawitschen ließen sich nicht minder die Unterstüzung ihres Bruders eifrig angelegen seyn, und beriefen sich auf den ihrem Vater von Seiten der Nowgoroder geleisteten Eid: daß sie den Fürsten Swätoslaw Rostislawitsch bis an seinen Tod zu ihrem Regenten behalten wollten.

 

Unterdessen kam Roman Mstislawitsch am 14ten April in Nowgorod an, und ward daselbst mit gewöhnlicher Ehrenbezeigung empfangen.

 

 

 

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Fürst Andrei Jurjewitsch von Rostow hatte anfangs, um die Nowgoroder zu bestrafen, den Kaufleuten den Weg gesperrt, und die nowgorodschen Unterthanen überall auffangen lassen, da er aber hörte, daß Fürst Roman Mstislawitsch in Nowgorod angekommen sey, fertigte er sogleich einige Truppen unter Anführung seines Sohnes Mstislaw Andreewitsch und des Feldherrn Boris Shiroslawitsch ab, und forderte alle rußische Fürsten schriftlich auf, mit ihm gegen den Großfürsten Mstislaw, der die abgetheilten Fürsten nach seinem eigenen Willen und Wohlgefallen abseze, und jezt seinen Sohn Roman in das dem Fürsten Swätoslaw gehörige Fürstenthum eingesezt habe, gemeinschaftliche Sache zu machen, welches so viel fruchtete, daß sich eilf Fürsten mit ihm vereinigten.

 

Der Großfürst schickte seinem Sohne Roman den Fürsten Michalka Jurjewitsch mit den Berestowern nach Nowgorod zu Hülfe. Da aber die Fürsten Rurik Rostislawitsch, David Rostislawitsch und Wladimir Andreewitsch indessen von der Annäherung des Fürsten Mstislaw Andreewitsch mit den Rostowern und des Fürsten Roman Rostislawitsch mit den Smolenskern Nachricht erhielten, schickten sie dem Fürsten Michalka Jurjewitsch eine Parthey nach, welche ihn zwischen Meshimost und Mosür einholte und gefangen nahm.

 

 

 

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Bald hierauf rückten alle verbündeten Fürsten mit vereinigter Macht gegen Wüschgrad vor, nahmen ihre Stellung bey Dorogowitsch nahe bey der Kirche zum heiligen Kiril, und umringten Kiew von allen Seiten.

 

Der Großfürst Mstislaw Isäslawitsch welcher selbst in der Stadt eingeschlossen war, vertheidigte sie tapfer und schlug verschiedene Angriffe der Fürsten zurück; die Fürsten standen drey Wochen lang vor der Stadt, verlohren viele Leute und fingen schon an vom Frieden zu sprechen, beschlossen aber insgesammt vorher noch einen Hauptsturm zu wagen. Sie griffen mit der Hälfte ihrer Truppen den Berg an, wo Mstislaw tapfere Gegenwehr that, und schickten zu gleicher Zeit einige von des Fürsten Gleb Jurjewitsch Truppen durch einen Graben in die Stadt, welche an dieser Stelle keinen Wiederstand fanden und Mstislaws Truppen im Rücken anfielen. Mstislaw wandte sich zwar geschwinde und trieb auch hier die Feinde muthig zurück, da aber die Fürsten unterdessen an verschiedenen andern Orten in die Stadt eindrangen und sein tapferer Feldherr Dmitri, sein Haushofmeister Alexander, die Befehlshaber Sobislaw Shiroslawitsch, Iwan Tworimitsch, der Richter Rodion und andre gefangen wurden, zog er mit so vielen Truppen als er zusammen bringen konnte aus der Stadt aus, und begab sich mit seinem Bruder Jaroslaw nach Wladimir in Wolhynien.

 

 

 

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Da die Fürsten Mstislaws Tapferkeit kannten, und ihre Leute sehr vermindert sahen, schickten sie niemand zu seiner Verfolgung ab, ihre Truppen aber plünderten die ganze Stadt, sowohl das Thal als den Berg, ohne selbst die Kirche der heiligen Sophia, das Mitropolitenhaus, die Klöster und andre Kirchen zu schonen, wobey die Stadt an verschiedenen Orten in Brand gerieth und ohne alle Hülfe verlohren war, so das man überall nichts als lautes Heulen und Weinen hörte. Dieses geschahe am 8ten März des Jahres 1170 Mittwochs in der zweiten Fastenwoche. Nach Erlöschung des Brandes und Endigung der Plünderung in Kiew, beschlossen die Fürsten gemeinschaftlich, selbiges dem Fürsten Gleb Jurjewitsch von Perejaslawl zu übergeben, welcher seinen Sohn Wladimir Glebowitsch an seine Stelle nach Perejaslawl sandte. Hierauf kehrte Mstislaw Andreewitsch nach Susdal, die übrigen Fürsten aber jeder in sein Gebiet zurück.

 

Bald nach diesem kam ein großes Heer Polowzer über die rußische Grenze, und theilte sich in zwey Haufen, von welchen einer sich gegen Perejaslawl wandte und bey Pesotschna stehen blieb, der andre am Dnieper herauf gegen Kiew vorrückte und bey Korßun Halt machte, beide aber den Fürsten Gleb aus Kiew zu einer Zusammenkunft einladen ließen. Gleb Jurjewitsch ließ ihnen zur Antwort geben: sie möchten sich bey Perejaslawl oder Kanew an einem Orte

 

 

 

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versammeln, wo er sich alsdann bey ihnen einfinden werde. Da sie sich aber dieses nicht gefallen lassen wollten, entschloß er sich zuerst nach Perejaslawl zu reisen, wo sich sein damals noch sehr junger zwölfjähriger Sohn Wladimir aufhielt, und ließ indessen den andern sagen, das sie seine Rückkunft aus Perejaslawl erwarten müßten. Er reisete hierauf würklich nach Perejeslawl ab, bestätigte mit den daselbst stehenden Polowzern den Frieden, gab ihnen die gewöhnlichen Geschenke und begab sich nach ihrem Abzuge über den Dnieper zurück. Die bey Korßun stehende Polowzer hatten sich indessen, bey der Nachricht daß Gleb nach Perejaslawl gereiset sey, gegen seinen Abgeordneten vernehmen lassen: Da der Fürst ihre jüngern Brüder vorgezogen und sich zu ihnen über den Dnieper begeben habe, so würden sie, weil ihnen sonst die Zeit zu lang werden möchte, unterdessen eine Spazierreise jenseit Kiew vornehmen; worauf sie sich gegen Polonnoe und gegen den Sem wandten, daselbst große Verheerungen anrichteten, viele Leute gefangen nahmen, und vieles Vieh wegtrieben. Da nun Gleb Jurjewitsch über den Dnieper kam um sich zu diesem zweiten Haufen Polowzer nach Kanew zu begeben, erfuhr er unterweges auf dem perepetowischen Felde, daß sie die Gegenden um Polonnoe verheerten und fertigte sogleich seinen jüngern Bruder Michalka mit 100 Perejaslawern, 150 Berendeern und seiner eignen Schaar

 

 

 

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gegen sie ab. Michalka hatte selbst keine eigne Truppen und höchstens nur etwa funfzig Mann von seinen Hofleuten bey sich, machte sich aber, nachdem er von seinem Bruder Abschied genommen hatte, vergnügt und entschlossen auf. Die Berendeer fanden bald den Weg den die Polowzer genommen hatten, und zogen ihnen nach. Man traf zuerst einen Vorposten von drey hundert Mann, schlug selbigen in die Flucht, machte einige Gefangene, und erfuhr von diesen, daß nicht weit davon gegen 700 Mann im Anzuge wären, worauf Michalko Jurjewitsch, mit seinem Feldherrn Wladislaw, weiter vorrückte, die ihm entgegen kommende Polowzer schlug und alle bey ihnen befindliche rußische Gefangene befreyte, von welchen er einige in ihre Wohnsize entließ, die übrigen aber mit den den Polowzern abgenommenen Spießen und andern Waffen versah, und mit sich nahm. Er sezte sich hierauf an einem vortheilhaften Orte, zog wegen der übrigen Polowzer sichere Nachricht ein, grif sie ungeachtet ihrer überlegenen Macht, (da die Polowzer gegen neun hundert Mann Reuter die Russen aber nicht halb so stark waren:) mit seinen tapfern Befehlshabern in Hofnung auf Gottes Hülfe entschlossen an, trieb sie in die Flucht, verfolgte sie bis zum späten Abende und befreyte über tausend rußische Gefangene, die sämmtlich in ihre Wohnungen entlassen wurden. In diesem Treffen ward der Anführer des rußischen Fußvolks

 

 

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erschlagen, Fürst Michalka aber mit zweyen Spießen an der Hüfte und mit einem an der Hand verwundet. Er blieb indessen ungeachtet seiner schweren Wunden bis zur völligen Niederlage der Polowzer beym Heere und kehrte nach erhaltenem Siege nach Kiew zurück, wo er von seinem Bruder und dem Volke mit großem Ruhm und vieler Ehre empfangen ward.

 

Der Großfürst Mstislaw Isäslawitsch war unterdessen mit seinem Bruder Jaroslaw zu Wladimir in Wolhynien angekommen und hatte mit dem Fürsten Jaroslaw Wladimirowitsch von Halirsch ein Bündniß geschlossen, worauf er mit einer von selbigem erhaltenen ansehnlichen Verstärkung nebst seinen und seines Bruders Truppen gegen den Fürsten Wladimir Andreewitsch auszog, ihn in der Stadt Dorogobusch umringte und heftig angrif. Da Wladimir Andreewitsch damals krank war, und nicht aus der Stadt herausrücken konnte, Mstislaw aber nicht gern viele Leute beym Angriffe der Stadt verliehren wollte, wandte er sich gegen Schumsk und bemächtigte sich dieses Orts, wo er Wladimirs Poßadnik und gewesenen Hofmeister Puk gefangen nahm und in Ketten nach Wladimir in Wolhynien schickte, weil er nemlich seinem Fürsten zu einer Verbindung gegen den Großfürsten, gerathen hatte. Nach diesem schickte Mstislaw Truppen gegen verschiedene andre Städte, die aber, sobald sie von seiner Ankunft Nachricht

 

 

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rhielten, und ohne irgend eine Aufforderung abzuwarten, sich aus Liebe zu ihm von selbst unterwarfen, und ihm viele Geschenke schickten, worauf er in allen diesen Städten seine Poßadniken mit einigen Truppen nachließ, und selbst nach Wladimir in Wolhynien zurückkehrte.

 

Fürst Gleb Jurjewitsch von Perejaslawl. hatte zwar dem Fürsten Wladimir Andreewitsch Hülfe versprochen, aber keine geleistet.

 

Im Jahre 1171 den 28sten Jannuar starb in Dorogobusch Fürst Wladimir Andreewitsch, ein Enkel Wladimirs II. Gleich nach diesem Todesfalle kam Fürst Wladimir Mstislawitsch aus Polonnoe vor Dorogobusch, wo aber die Bojaren des Fürsten Wladimir Andreewitsch die Thore verschlossen und ihn nicht einließen. Er schickte hierauf zu der verwittweten Gemahlin des Fürsten Wladimir, einer Schwester des Fürsten Olg Swätoslawitsch von Sewerien, und ließ ihr versprechen, sie gegen den Großfürsten Mstislaw zu schüzen. Die Fürstin und ihre Bojaren verließen sich auf sein Wort, öfneten ihm die Thore und nahmen ihn mit Ehren auf. Er verlangte aber schon am ersten Tage nach seiner Ankunft die Verlassenschaft des Fürsten Wladimir Andreewitsch in seine Verwahrung, ließ alles was auf den Dörfern gefunden ward mit Gewalt zusammenbringen, vertrieb die Fürstin die sich diesen Gewaltthätigkeiten wiedersezte aus

 

 

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der Stadt und bemächtigte sich derselben. Die Fürstin verfügte sich mit dem Leichnam ihres Gemahls nach Wüschgrad, ward aber von dem dasigen Fürsten David Rostislawitsch nicht in die Stadt eingelassen, weil wie er sagte: in der vorigen Nacht Nachricht eingelaufen wäre, daß der Großfürst Mstislaw mit seinem Truppen in Waßilew angekommen sey und bald bey Wüschgrad eintreffen werde. Da dieses alles dem Fürsten Gleb Jurjewitsch von Perejaslawl bekannt wurde, schickte er die Aebte Policarp vom petscherischen Kloster und Simeon vom Kloster des heiligen Andreas zum Empfang des Leichnams ab, die ihn nach Kiew begleiteten, und am 5ten Februar, im Kloster des heiligen Feodor zur Erde bestatteten.

 

Fürst Gleb Jurjewitsch reisete hierauf über den Dnieper nach Gorodok, und von da nach Perejaslawl.

 

Um diese Zeit schickte Fürst Andrei Jurje witsch von Rostow hundert und funfzig seiner Leute nach Beloosero, um von den Jemen Tribut zu heben.

 

Zu gleicher Zeit kam auch Danislaw aus Nowgorod mit fünfhundert Mann, zur Hebung des Tributs an die Dwina, wo beyde Partheyen unversehens zusammen trafen und handgemein wurden. Andrei Jurjewitsch ward bey der Nachricht von diesem Vorfalle sehr aufgebracht, und ließ den Nowgorodern andeuten, daß sie den Danislaw

 

 

 

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mit seinen Gehülfen auszuliefern und den geraubten Tribut zu erstatten hätten. Die Nowgoroder weigerten sich dessen, entschuldigten den Danislaw, daß er die fürstlichen Steuer-Einnehmer, die ihn zuerst angegriffen, zu seiner Vertheidigung zurück geschlagen habe, und fügten hinzu: daß der Fürst von Rostow eigentlich kein Recht gehabt habe, in diesen Gegenden Tribut zu heben, und das hieraus auch in der Folge neue Unruhen entstehen könnten; wobey sie zu verstehen gaben, daß sie ihre Rechte zu behaupten entschlossen wären.

 

Fürst Andrei Jurjewitsch schickte hierauf seinen Sohn Mstislaw Andreewitsch mit einer Armee gegen Nowgorod und ließ den Fürsten Roman Rostislawitsch von Smolensk um Hülfstruppen ersuchen, der sogleich seinen Bruder Mstislaw Rostislawitsch, so wie die räsanischen und muromischen Fürsten ihre Söhne, zur rostowschen Armee abfertigten, mit welcher sich auch der Fürst von Polozk vereinigte.

 

Die Fürsten fielen von verschiedenen Seiten ins nowgorodsche Gebiet ein, die Smolensker und Polozker eroberten Welikie-Luki, die übrigen aber Torshok, auch schnitten die ersteren den Nowgorodern den Weg nach Kiew ab, fingen ihre Gesandten auf und schickten sie als Gefangene nach Smolensk. Sie rückten hierauf näher gegen Nowgorod vor, schlugen zwey nowgordsche Befehlshaber, einen bey Rußa, den andern an der Mast

 

 

 

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nahe bey Nowgorod, und umringten die Stadt, wo die Einwohner sich unter Anführung ihres Fürsten Roman Mstislawitsch mit vieler Tapferkeit vertheidigten. Da nun in diesem Jahre Mißwachs gewesen war, und solches allgemeine Noth und Theurung nach sich zog, die Nowgoroder auch von ihrer Seite alles Getreide und Vieh aus den nächstgelegenen Gegenden nach der Stadt gebracht hatten, und die vor Nowgorod angekommenen Truppen nichts vor sich fanden, so entstand unter ihnen bald ein solcher Mangel an Lebensmitteln, daß man in der großen Fasten Pferdefleisch essen mußte, daß viele Pferde vor Hunger umkamen, und die Fürsten sich zum Rückzuge genöthiget sahen, auf welchem der größte Theil der Leute zu Fuße ging und viele auf dem Wege Hungers starben. Die Fürsten erklärten zwar bey ihrem Abzuge: „sie würden auf keine Art zugeben, daß ein anderer, als ein von ihnen gemeinschaftlich verordneter Fürst, in Nowgorod regiere.“ Die Nowgoroder aber vereinigten sich mit den Pskowern, unternahmen unter der Anführung des Fürsten Roman Mstislawitsch einen Zug gegen den Fürsten von Polozk, richteten in dessen Gebiet vielen Schaden, an und brachen darauf ins smolenskische Gebiet ein, wo sie um Toropez alles unter ihre Bothmäßigkeit brachten. Fürst Roman Rostislawitsch. zog indessen eiligst seine Truppen zusammen, grif die in sein Gebiet eingefallene Nowgoroder an und besiegte sie.

 

 

 

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Großfürst Mstislaw Isäslawitsch hatte um diese Zeit die Berenditschen und Torken auf seine Seite gebracht, zog mit einem großen Heere aus Wladimir in Wolhynien gegen Kiew, vereinigte sich bey Tripol mit den Torken, schloß mit seinem Vaterbruder Wladimir Mstislawitsch und seinem Bruder Jaroslaw Isäslawitsch einen Vertrag über die Regierung des Großfürstenthums, rückte mit selbigem gegen Wüschegrad vor, und fertigte zum voraus einige Truppen zu einem unversehenen Ueberfall ab, mit welchen Fürst David Rostislawitsch ein heftiges Gefecht hatte, und hierauf seinen Leuten den Ostrog um Wüschegrad zu verlassen befahl.

 

Der Großfürst nahm hierauf seine Stellung am Walde und schickte mehrere Truppen gegen die Stadt ab. David Rostislawitsch hatte zwar vom Fürsten Gleb Jurjewitsch, der sich damals in Perejaslawl aufhielt, den Tüsäzkii Grigorii, den polowzischen Fürsten Kontschak mit seinen Stammgenossen, und die Boltschewer-Berenditschen zu Hülfe erhalten, verließ sich aber da ihm Mstislaws Tapferkeit bekannt war, auf selbige nicht, sondern suchte vielmehr den Halitscher Feldherrn Konstantin der sich mit seinen Truppen beym Großfürsten befand, durch Geschenke zum Abzuge zu bewegen. Dieser meldete hierauf dem Großfürsten, daß er von seinem Herrn fünf Tage lang vor Wüschgrad stehen zu bleiben und alsdenn zurück zu kehren befehligt sey, brach, ungeachtet der Einwendung des

 

 

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Großfürsten: das Fürst Jaroslaw Wladimirowitsch ihn und seine Truppen bis zum Friedensschlusse seinen Befehlen untergeben habe, von Wüschgrad auf, und trat seinen Rückzug an.

 

Der Großfürst rückte zwar mit seinem Bruder näher vor die Stadt und stand in den Gärten vor der goldenen Pforte; da aber die Polowzer bey ihren Ausfällen aus Wüschgrad seinen Truppen vielen Schaden zufügten, und seinen Tüßäzkii Wsewolodowitsch gefangen nahmen, da viele seiner Leute aus Mangel an Lebensmitteln davon gingen, und zu gleicher Zeit Nachricht einlief, daß Fürst Gleb Jurjewitsch mit seinen Truppen und vielen Polowzern über den Dnieper seze, trat er nach vorgängiger Berathschlagung mit den bey ihm befindlichen Fürsten, am Sonnabende der zweiten Woche nach Ostern, seinen Rückzug an. Fürst David Rostislawitsch schickte ihm hierauf den Feldherrn Wladislaw mit den Polowzern nach, die ihn zwar bey Bolochow einholten, aber von ihm selbst angegriffen und dergestalt geschlagen wurden, daß nur wenige sich mit der Flucht retteten.

 

Fürst Gleb Jurjewitsch begab sich nach dem Abzuge des Großfürsten von Wüschgrad nach Kiew, wo er die Polowzer beschenkte und in ihr Land zurück schickte, die bey Waßilew Halt machten, und daselbst ihre nachgebliebene Landsleute abwarteten.

 

Als Fürst Waßilko Jaropoltschitsch, ein Neffe des Großfürsten Mstislaw Isäslawitsch von diesem

 

 

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Umstande Nachricht erhielt, brachte er einige Truppen zusammen, und zog in der Nacht aus Michailowo gegen die Polowzer aus, verirrte sich aber auf dem Wege und sahe sich beym Aufgange der Sonnen unvermuthet ganz nahe bey dem Lager der Polowzer, die ihn sogleich angriffen und schlugen, so daß er nicht ohne Mühe wieder nach Michailow entkommen konnte.

 

Fürst Gleb Jurjewitsch brach auf diese Nachricht in Begleitung der Fürsten Rurik Rostislawitsch und David Rostislawitsch, gegen Michailow auf, und vertrieb den Fürsten Waßilko Jaropoltschitsch, welcher von da nach Tschernigow flüchtete.

 

Um eben diese Zeit starb Fürst Swätoslaw Rostislawitsch, ein Sohn des Großfürsten Rostislaw Mstislawitsch in Wolok, wo er sich damals mit seinen Truppen im nowgorodschen Gebiete befand.

 

Die Geschichtschreiber sagen: dieser Fürst war mit vielen Tugenden geschmückt, tapfer im Kriege, gerecht, gnädig und freygebig, er verstand die griechische Sprache und las sehr gerne in Büchern.

 

In diesem Jahre wurde dem Fürsten Mstislaw Andreewitsch ein Sohn gebohren, welcher in der heiligen Taufe den Namen Waßilei erhielt.

 

Zu Ende dieses Jahres ward der Großfürst Mstislaw Isäslawitsch von einer schweren Krankheit befallen, und schickte nach seinem Bruder Jaroslaw, welcher sich unverzüglich bey ihm einfand, mit ihm wegen des künftigen Erbtheils seiner Brüder

 

 

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der Verabredung traf, seinen Kindern in keinem Stücke zu nahe zu treten versprach, und dieses durch Küssung des Kreuzes bekräftigte. Bald darauf starb der Großfürst Mstislaw Isäslawitsch, am 19ten August im Jahre 1171, und ward in Wladimir in Wolhynien in der von ihm erbauten Kirche zur heiligen Mutter Gottes, begraben.

 

Seine Gemahlin ist nicht bekannt.

Seine nachgebliebene Söhne waren:

1) Roman.

2) Swätoslaw.

3) Jaropolk.

 

 

Geschlechts-Register Mstislaws II.

 

Isäslaw II. Fürst von Perejaslawl, nachher Großfürst, von 1146 bis 1154.

 

Hatte von seiner ersten Gemahlin, deren Name unbekannt ist, einen Sohn:

 

Mstislaw II. Fürst von Wladimir in Wolhynien, nachher Großfürst zu Kiew, von 1168 bis 1171.

 

oo Dessen Gemahlin ist nicht bekannt.

 

Seine Söhne waren:

 

1) Roman. 2) Swätoslaw. 3) Jaropolk.

 

 

 

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Mstislaws II. Zeitverwandte, vom Jahre 1168 bis 1171 waren:

 

In Griechenland. Kaiser. Emanuel v. 1143 bis 1180.

 

In Deutschland. Kaiser. Friedrich I. von 1152 bis 1190.

 

In Polen. König. Boleslaw IV. von 1146 bis 1173.

 

In Böhmen. Fürst. Wladislaw IV. von 1140 bis 1173.

 

In Sachsen. Fürst. Heinrich von 1139 bis 1184.

 

In der Pfalz. Fürst. Konrad von 1156 bis 1195.

 

In Brandenburg. Fürsten. Albert I. von 1142 bis 1169. Otto I. von 1169 bis 1198.

 

In Baiern. Fürst. Heinrich X. Von 1154 bis 1180.

 

In Braunschweig. Fürst. Heinrich von 1119 bis 1195.

 

In Ungarn. König. Stephan III. von 1161 bis 1173.

 

In Dänemark. König. Wladimir oder Woldemar I. von 1157 bis 1182.

 

In Schweden. Könige. Karl VII. Von 1160 bis 1168. Kanut von 1168 bis 1192.

 

In Arabien. Kalifen. Mostanged LI. Kalif von 1160 bis 1170. Mostadi LII. Kalif von 1170 bis 1180.

 

 

 

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In Egypten. Kalif. Adget von 1160 bis 1180.

 

In Ikonium. Sultan. Kilitshe Arslan von 1155 bis 1192.

 

In Alepo. Sultan. Nuradin Mamut von 1142 bis 1174.

 

In Damask. Sultan. Moshir Eddin von 1142 bis 1174.

 

In Frankreich. König. Ludwig VII. Von 1137 bis 1180.

 

In England. König. Heinrich II. von 1154 bis 1189.

 

In Schottland. König. Wilhelm von 1165 bis 1214.

 

In Spanien. König. Alphons von 1158 bis 1214.

 

In Portugall. Könige. Feresa und Alphons I. von 1112 bis 1185.

 

In Toskana. Groß-Herzog. Welf von 1153 bis 1195.

 

Patriarchen zu Konstantinopel. Lucas von 1155 bis 1169. Michael von 1169 bis 1176.

 

Römischer Pabst. Alexander III. von 1159 bis 1181.

 

Mitropolit zu Kiew. Konstantin von 1167 bis 1175.

 

In Rußland. Abgetheilte Fürsten.

 

In Halitsch. Jaroslaw Wladimirowitsch.

 

In Tschernogow. Swätoslaw Wsewolodowitsch.

 

 

 

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In Tripol. Wladimir Mstislawitsch.

 

In Wüschgrad. David Rostislawitsch.

 

In Rostow, Susdal und Wladimir an der Kläsma. Andrei Jurjewitsch.

 

In Räsan. Gleb. Rostislaw Jaroslawitsch.

 

In Perejaslawl. Gleb Jurjewitsch.

 

In Groß-Nowgorod. Swätoslaw Rostislawitsch. Roman Mstislawitsch.

 

In Smolensk. Roman Rostislawitsch.

 

In Luzk. Jaroslaw Isäslawitsch.

 

In Nowgorod-Sewerskoi. Olg Swätoslawitsch.

 

In Turow. Swätopolk Jurjewitsch.

 

In Dorogobush. Rurik Rostislawitsch.

 

In Gorodez. Michalko Jurjewitsch.

 

In Poroßje. Waßilko Jurjewitsch.

 

In Gorodensk. Mstislaw Mstislawitsch.

 

In Polozk. Wseslaw Waßilkowitsch.

 

In Minsk. Rostislaw Glebowitsch.

 

In Drutschesk. Gleb Rostislawitsch. Wsewolod Glebowitsch.

 

In Jelez. Andrei Rostislawitsch.

 

 

 

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41.

Fürsten.

Gleb, in Kiew.
Swäroslaw, in Tschernigow.
Olg, in Nowgorod-Sewerskoi.
Jaroslaw, in Halitsch.
Andrei, in Rostow.
Roman, in Smolensk.

 

Nach dem im Jahre 1171 erfolgten Tode des Großfürsten Mstislaw Isäslawitsch war das Großfürstenthum Kiew, nach dem Bericht der Geschichte, in einem solchem Zustande, daß es nur blos noch diesen Namen führte.

 

Die Fürsten achteten das Ansehen des Großfürsten nicht, und waren so weit entfernt ihm zu gehorchen, daß sie ihm sogar keinen Vorzug vor sich zugestehen wollten.

 

Die Städte und Ländereyen welche von alters her zu Kiew gehört hatten, als Perejaslawl, das drewische Gebiet, und Luzk, waren theils den abgetheilten Fürsten zum Besiz verliehen, theils von ihnen selbst eingenommen worden, so daß das kiewsche Großfürstenthum ausser Kiew weder Truppen noch Einkünfte hatte.

 

 

 

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Die mächtigsten der damaligen rußischen Fürsten waren: Kiew gegen Osten, Swätoslaw Wsewolodowitsch von Tschernigow und Olg Swätoslawitsch von Sewerien; gegen Westen, Jaroslaw Wladimirowitsch von Halitsch; gegen Nordost, Andrei Jurjewitsch von Rostow; gegen Nordwest Roman Rostislawitsch von Smolensk.

 

Diesem so wenig reizenden Zustande des Großfürstenthums Kiew, ist es wahrscheinlich zuzuschreiben, daß Gleb Jurjewitsch von Perejaslawl solches nach dem Tode des Großfürsten Mstislaw Isäslawitsch vier Monathe lang ungestöhrt besaß.

 

In diesem Jahre war in Nowgorod eine große Hungersnoth, so daß man ein Kad Roggen um 4 Griwen und ein Brod um zwey Nogaten kaufte.

 

Der damals in Nowgorod, regierende Fürst Roman Mstislawitsch rief, auf die von dem Tode seines Vaters des Großfürsten Mstislaw Isäslawitsch erhaltene Nachricht, seine Bojaren und Freunde zusammen, berathschlagte sich mit ihnen, und reisete nach ihrem Rath: daß er in Betracht der zu immerwährenden Veränderungen und Unruhen geneigten Gemüthsart der Nowgoroder sich lieber zu seinen Brüdern begeben sollte, ungesäumt nach Wladimir in Wolhynien ab.

 

Als der Tod des Großfürsten Mstislaw Isäslawitsch und zugleich die Abreise des Fürsten Roman Mstislawitsch in Nowgorod bekannt wurden, ließen die Nowgoroder nach vielem Zank und Streit

 

 

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den Fürsten Rurik Rostislawitsch von Smolensk zu sich einladen, und den Fürsten Andrei Jurjewitsch von Rostow, um dessen Einwilligung zu erhalten, von ihrer Wahl benachrichtigen, welches beides völlig nach ihrem Wunsche ausschlug.

 

Fürst Andrei Jurjewitsch war mit der ihm erzeigten Achtung zufrieden und wiedersezte sich der Beruffung des Fürsten Rurik nach Nowgorod nicht. Da Fürst Rurik Rostislawitsch, bey der Ankunft der nowgorodschen Gesandten zugleich von der Einwilligung des Fürsten Andrei Jurjewitsch zu seiner Beruffung nach Nowgorod Nachricht erhielt, übergab er seine Besizungen der Aufsicht seines Bruders David, und reisete selbst nach Nowgorod ab, wo er am 8ten October seinen Einzug hielt.

 

An eben diesem Tage ward dem Fürsten Igor Swätoslawitsch ein Sohn gebohren, der den Namen Wladimir in der heiligen Taufe aber den Namen Peter erhielt.

 

Im Winter dieses Jahres fiel ein Haufe Polowzer ins kiewische ein, wo sie viele Dörfer einnahmen, und weit umher viele Leute und Vieh zusammen trieben.

 

Fürst Gleb Jurjewitsch der damals schwer krank lag, rief bey diesem Vorfall seine Brüder Michalka und Wsewolod zu sich, welche sich mit den Berendeern und Torken vereinigten, die Polowzer jenseit des Flusses Ugl einholten, unversehens überfielen und schlugen, die Gefangenen in Freiheit sezten, und glücklich zurück kehrten.

 

 

 

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Am 20sten Januar des Jahres 1172 starb in Kiew Fürst Gleb Jurjewitsch. Die Geschichtschreiber sagen: daß er ein sanftmüthiger, guter und gerechter Fürst gewesen sey.

 

Seine Regierung in Kiew hatte nach Mstislaws Tode vier Monathe gewährt.

 

Er hinterließ zwey Söhne, Wladimir von vierzehn und Isäslaw von zwölf Jahren.

 

Seinen Leichnam hatte er selbst auf Berestow in der Heilandskirche, wo sein Vater der Großfürst Jurii Wladimirowitsch begraben war, zur Erden zu bestatten verordnet.

 

Fürst Jaroslaw Wladimirowitsch von Halitsch, der schon lange eine Abneigung gegen seine Gemahlin gehabt und sich nur aus Achtung gegen ihre Brüder, besonders gegen den Fürsten Gleb, nicht völlig von ihr getrennet hatte, beschloß gleich nach dem Tode dieses Fürsten, sie zur Nonne einkleiden zu lassen. Diese Fürstin, Namens Olga Jurjewna, berathschlagte sich inzwischen mit verschiedenen ihr ergebnen Bojaren und begab sich am 8ten März, in Abwesenheit ihres Gemahls, mit ihren Söhnen Wladimir und Konstantin, aus Halitsch nach Polen, wohin sie von vielen Bojaren begleitet ward. Fürst Jaroslaw Wladimirowitsch ersuchte den Fürsten Swätopolk Isäslawitsch sie zur Rückkehr zu bereden, der ihr auch durch seine Gesandte, die sich mit einigen Halitscher Bojaren zu ihr begaben seine Vermittelung zwischen ihr und ihrem Gemahl

 

 

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anbieten ließ, sie wollte sich aber keinesweges dazu bequemen.

 

Unterdessen ließ Fürst Wladimir, Jaroslaws und Olgens Sohn, den Fürsten Jaropolk Mstislawitsch, auf so lange bis er sich mit seinem Vater versöhnen könnte, um Tscherwen als eine nahe an Halitsch grenzende Stadt zu seiner Wohnung ersuchen, und versprach dafür ihm, zu seiner Zeit nicht nur diese Stadt nebst Bushesk zu erstatten, sondern noch drey andre Städte dazu zu geben. Fürst Jaropolk schloß hierüber mit ihm einen Vertrag, übergab ihm Tscherwen, und versprach ihn zu unterstüzen.

 

Sobald es in Halitsch bekannt ward, daß Fürst Wladimir Jaroslawitsch sich in Tscherwen aufhalte, drangen die Anhänger der Fürstin Olga und ihrer Kinder darauf, das Jaroslaw Wladimirowitsch seine Beyschläferin Nastaßia und ihre Freunde, die ihn mit seiner Gemahlin entzweyt hatten, von sich entfernen sollte, und schickten sich schon zu einem völligen Aufstande an, als Jaropolk Mstislawitsch von Wladimir, der damals eben in Halitsch war, nebst dem dasigen Tüsäzkoi das Volk besänftigte, und alles sich damit endigte, das Fürst Jaroslaw Wladimirowitsch seine Beyschläferin und ihren Sohn von sich ließ, und mit seiner Gemahlin friedlich zu leben versprach. Dieses wurde sogleich der Fürstin Olga und ihren Kindern sowohl von seiten ihrer Anhänger als auch durch einige vom Fürsten

 

 

 

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Jaroslaw an sie abgefertigte Bojaren bekannt gemacht, worauf sie mit ihren beiden Söhnen wieder nach Halitsch zurück kam, von dem Fürsten ihrem Gemahl und dem Volke mit Achtung empfangen ward, und in der Folge einer anständigen Begegnung genoß.

 

In eben diesem Jahre ließ Fürst Andrei Jurjewitsch von Rostow im Anfange des Winters seine Truppen zusammen ziehen, und sandte seinen Sohn Mstislaw, gegen die wolgischen Bolgaren, zu welchem Feldzuge die Fürsten von Räsan und Murom ihm ihre Söhne wie auch die Nowgoroder einige Truppen zu Hülfe schickten. Da aber damals, wie die Geschichtschreiber sagen, der großen Stepen wegen im Winter nicht gut gegen die Bolgaren zu kriegen war, kamen die Truppen nur nach und nach sehr langsam zusammen.

 

Fürst Mstislaw Andreewitsch kam indessen nebst den nowgorodschen Hülfstruppen bis zur Mündung der Oka, vereinigte sich daselbst mit den räsanischen und muromschen Fürsten, und wartete zwey Wochen lang auf seine nachgebliebenen Leute. Da er aber nicht alle abwarten konnte, wählte er gegen zwey tausend Mann der besten aus, befahl den übrigen ihm ungesäumt zu folgen, und fiel zum voraus ins bolgarische Gebiet ein, wo er anfangs vier große morduanische Wohnsize und nachher auch eine bolgarische Stadt einnahm. Die Bolgaren

 

 

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brachten zwar eiligst gegen sechs tausend Mann zusammen, und zogen gegen Mstislaw aus, er hatte aber unterdessen wiederum die Oka erreicht, die Gefangenen und gemachte Beute voraus geschickt, und war selbst über den Fluß gegangen, so daß die Bolgaren ihn nicht weiter zu verfolgen wagten, und er glücklich zu seinem Vater zurück kam, wo er mit ihm Gott dem Herrn Lob und Dank darbrachte.

 

Nach dem Tode des Fürsten Gleb Jurjewitsch in Kiew, ließen die Fürsten David Rostislawitsch und Mstislaw Rostislawitsch ihren Vaterbruder Wladimir Mstislawitsch in Dorogobush, diesen Todesfall bekannt machen, und riethen ihm nach Kiew zu kommen. Wladimir machte sich, ohne mit seinen Bundesgenossen dem Fürsten Jaroslaw Isäslawitsch von Luzk und den Rostislawitschen Abrede zu nehmen, aus Dorogobush, wo er seinen Sohn Mstislaw Wladimirowitsch zurück ließ, nach Kiew auf, kam da selbst am 15ten Februar am Sonntage der Fastnachtswoche an, und nahm vom kiewschen Throne Besiz.

 

Im Jahre 1173 zog Fürst Roman Rostislawitsch von Smolensk gegen die Litauer, welche ihm die aus seinem Gebiet zu ihnen übergegangene Leute nicht ausliefern wollten, weshalb er auch die auf diesem Feldzuge gemachte Gefangene auf die Dörfer zur Arbeit vertheilte.

 

 

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Als Fürst Andrei Jurjewitsch von Rostow hörte, daß sein Bruder Gleb Jurjewitsch gestorben und Fürst Wladimir Mstislawitsch in Kiew angekommen sey, nahm er lezteres, als eine Sache, die ohne seine, des ältesten der Fürsten von Wladimirs Stamme, gegebene Einwilligung, geschehen war, sehr übel auf, und schloß mit dem Fürsten Roman Rostislawitsch in Smolensk einen Vertrag, daß selbiger sich nach Kiew begeben, und wenn er daselbst Wiederstand finden würde von ihm Hülfstruppen erhalten sollte.

 

Am 28sten März dieses Jahres starb Mstislaw Andreewitsch ein Sohn des Fürsten Andrei Jurjewitsch von Rostow, und ward in Wladimir an der Kläsma, in der von seinem Vater erbaueten Kirche zur heiligen Mutter Gottes, begraben.

 

Fürst Rurik Rostislawitsch, erwog bey der Nachricht von Glebs Tode und Wladimirs Besiznehmung von Kiew, daß jede neue Besezung des kiewschen Thrones den Nowgrodern zu neuen Veränderungen, ihrer Gesinnungen Anlaß zu geben pflegte, und reisete heimlich aus Nowgorod ab. Er war auf dem kiewschen Wege bis Lutschin gekommen, als ihm seine Gemahlin einen Sohn gebahr, der nach seinem Großvater Rostislaw in der heiligen Taufe aber Michail genannt wurde. Rurik Rostislawitsch legte an dieser Stelle eine Stadt an, nannte selbige nach

 

 

 

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seinem Sohne, bauete darin eine Kirche zum heiligen Michail, und schenkte die Stadt diesem seinen Sohne, der nach langer Zeit daselbst verstarb. Verschiedene Schriftsteller behaupten, daß dieses die Stadt Roslawl sey.

 

Nach Ruriks Abreise aus Nowgorod, schickten die Nowgoroder nach Wladimir an der Kläsma und ließen den Fürsten Andrei Jurjewitsch von Rostow um einen seiner Söhne ersuchen.

 

In diesem Jahre starb Fürst Wladimir Mstislawitsch, nach einem kurzen Aufenthalt in Kiew, am 30sten May an einem Montage, und ward im Kloster des heiligen Feodors begraben, nachdem er drey Monathe und eilf Tage als Großfürst regiert, und sein Alter überhaupt auf 43 Jahre gebracht hatte.

 

Nach seinem Tode kam Fürst Michalko Jurjewitsch, und zu gleicher Zeit die von den Fürsten Andrei Jurjewitsch von Rostow und Roman Rostislawitsch von Smolensk abgefertigte Gesandten in Kiew an. Leztere hatten den Auftrag die Kiewer zu überreden, daß sie niemand anders als den Fürsten Roman Rostislawitsch von Smolensk zu ihrem Großfürsten annehmen sollten. Die Kiewer ließen sich dieses gern gefallen und baten den Fürsten Michalko Jurjewitsch, der Regierung bis zur Ankunft des Fürsten Roman Rostislawitsch vorzustehen, der seinen Sohn Jaroslaw Romanowitsch in Smolensk

 

 

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zurück ließ und am ersten Julius in Kiew ankam.

 

Am 24sten Julius dieses Jahres ward dem Fürsten Jaroslaw Isäslawitsch von Luzk ein Sohn gebohren, der den Namen Rostislaw in der heil. Taufe aber den Namen Johann erhielt.

 

In diesem Jahre fielen die Polowzer in das dem Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch gehörige tschernigowsche Gebiet ein, und richteten daselbst wie auch in Poroßien große Verheerungen an. Igor Swätoslawitsch folgte ihnen mit so vielen Truppen als er in der Eile zusammen bringen konnte, in die Ebene jenseit der Worskla nach, machte daselbst einige Gefangene, und erfuhr von selbigen daß die polowzischen Fürsten Kontschak und Kobäk sich gegen Perejaslawl gewandt hatten, worauf er sogleich umkehrte, diese Fürsten am 20sten Julius einholte, in die Flucht schlug, und ihnen so weit als möglich nachsezte. Nach diesem feierte er mit allen seinen Leuten ein Dankfest, und zog sich, auf die Nachricht daß noch eine große Parthey Polowzer vom Don her im Anzuge sey, in der Nacht an einen vortheilhaften Ort zurück, von da er, als die Polowzer von ihrem Verlust benachrichtiget sich eiligst davon machten, siegreich mit vielen Gefangenen und großer Beute nach Hause kehrte.

 

Im Jahre 1174 schickte Fürst Andrei Jurjewitsch von Rostow, auf Bitte der Nowgoroder,

 

 

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seinen Sohn Rurik Andreewitsch nach Nowgorod, wo man ihn ehrerbietig empfing, und ihm eidlich gehorsam zusagte.

 

Als die Rostislawitschen hievon Nachricht erhielten, erklärten sie dieses Verfahren mit vielem Mißvergnügen für einen Eingrif in ihre Rechte, weil Andrei Jurjewitsch ihnen, als Enkeln des ältesten Sohnes des Großfürsten Wladimir, Nowgorod abgetreten habe. Sie schickten deshalb einige ihrer Hofleute mit einem Schreiben an diesen Fürsten ab, in welchem sie ihn errinnerten: „daß laut ihren vorigen Verträgen Nowgorod von alters her zum Großfürstenthum Kiew gehöre, und daß die Nowgoroder ihrem Aeltervater, Großvater und Vater den Eid der Treue geschworen hätten.“ Andrei Jurjewitsch erwiederte hierauf: daß ihm, der den Jahren nach der älteste von ihnen sey, auch das Vorrecht des Alters gebühre. Diese zwischen dem Fürsten von Rostow und den Rostislawitschen entstandene Mißhelligkeiten, veranlaßten erstern zu dem Entschluß, den Fürsten Roman Rostislawitsch aus Kiew, wie auch dessen Brüder David aus Wüschegrad und Mstislaw aus Belgrad zu vertreiben, und seinen Bruder Michalko Jurjewitsch in Kiew einzusezen. Er sandte zuerst einen seiner Bojaren Namens Michen nach Kiew, und ließ den Fürsten Roman Rostislawitsch auffordern seinen Bojaren Grigorii von allen Geschäften zu entfernen. Da Roman Rostislawitsch

 

 

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sich dazu nicht verstehen wollte, bürdete er diesem Bojaren und den Rostislawitschen viele erdichtete Vergehungen auf, welche von ihrer Seite durch dergleichen Beleidigungen und den Verlust von Nowgorod aufgebracht, sich gegen seine ungerechten Forderungen mit Gewalt zu schüzen beschlossen. Da aber Roman Rostislawitsch, der nach dem Ausdruck einiger Geschichtschreiber an Tapferkeit und Einsichten nicht der lezte war, unterdessen auf einige Zeit nach Smolensk verreisete, ließen die Kiewer dieses dem Fürsten Michalko Jurjewitsch in Tortschesk bekannt machen, welcher, ohne selbst nach Kiew zu kommen, seinen jüngern Bruder Wsewolod Jurjewitsch und mit ihm seinen Neffen Jaropolk Mstislawitsch dahin abschickte. Wsewolod Jurjewitsch regierte in Kiew fünf Wochen lang.

 

Unterdessen beschlossen die Rostislawitschen Roman, Rurik, David und Mstislaw, unerachtet der vielen vom Fürsten Andrei Jurjewitsch und dessen Brüdern erlittenen Beleidigungen, ihn nochmals um Beobachtung der Verträge ersuchen zu lassen, und ihre Streitigkeiten mit ihm, wenns möglich wäre, in der Güte beyzulegen.

 

Andrei Jurjewitsch hörte die Gesandten der Rostislawitschen an, antwortete ihnen aber nichts weiter, als „daß er der älteste unter allen rußischen Fürsten sey“ woraus er den Schluß zog, daß alle ihm zu gehorchen verbunden wären.

 

 

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Da die Rostislawitschen hieraus die Abneigung des Fürsten von Rostow von einem gütlichen Vergleiche ersahen, beschlossen sie ihren genommenen Entschluß, im Vertrauen auf Gott, zur Ausführung zu bringen, welchem zufolge die Fürsten David und Mstislaw am 26st. Julius, als am Feste Mariälob, in der Nacht unversehens in Kiew einzogen, die Fürsten Wsewolod und Jaropolk, nebst ihren und des Fürsten Andrei Jurjewitsch Bojaren, Wladislaw, Läch, Michen und andere gefangen nahmen, und unter Wache hielten. Die Geschichtschreiber erwähnen: daß die Kiewer die Ankunft dieser Fürsten ganz gern gesehen haben, weil es ihnen nicht lieb gewesen sey, wider die sonst gewöhnliche Art und Ordnung, von jungen und unerfahrnen Fürsten beherrscht zu werden.

 

Die Fürsten David und Mstislaw, ließen gleich nach ihrer Ankunft ihren Bruder Rurik in Owrutsch von der Einnahme von Kiew benachrichtigen, welcher auf erhaltene Erlaubniß von seinem ältesten Bruder Roman Rostislawitsch, nach Kiew kam, und von den Kiewern mit großer Freude und Achtung empfangen ward.

 

In diesem Jahre begab sich die Fürstin Olga Jurjewna mit ihrem Sohne Wladimir Jaroslawitsch und dessen Gemahlin wiederum aus Halitsch zum Fürsten Jaroslaw Isäslawitsch nach Luzk, weil ihr Gemahl Fürst Jaroslaw Wladimirowitsch von Halitsch mehrere Neigung

 

 

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für seinen natürlichen Sohn als für ihre Kinder bezeigte. Jaroslaw Isäslawitsch versprach seine Vermittelung anzuwenden, um selbigen vom Fürsten Jaroslaw Wladimirowitsch eine anständige Besizung zu ihrem Unterhalt zu verschaffen.

 

Fürst Jaroslaw Wladimirowitsch von Halitsch, ließ aus Polen Hülfstruppen kommen, welchen er bey ihrer Ankunft 300 Griwen gab, und brach mit ihnen gegen den Fürsten Jaroslaw Isäslawitsch auf, ließ aber selbigen vorher um die Auslieferung seines Sohnes ersuchen, weil er sonsten gegen ihn Krieg zu führen gezwunger sey. Er erhielt hierauf vom Fürsten Jaroslaw Isäslawitsch abschlägige Antwort, rückte deshalb würklich ins luzkische Gebiet ein, und bemächtigte sich daselbst zweyer Städte.

 

Da Jaroslaw Isäslawitsch sahe, daß er dem Fürsten von Halitsch zu wiederstehen nicht im Stande sey, schickte er die Fürstin Olga, nebst ihrem Sohne Wladimir Jaroslawitsch und dessen Gemahlin, zu ihrem Bruder Michalko Jurjewitsch nach Tortschesk, und schloß für sich, nach langen und beschwerlichen Unterhandlungen mit dem Fürsten von Halitsch Frieden.

 

Fürst Michalko Jurjewitsch von Tortschesk nahm zwar den Zustand seiner Schwester und ihres Sohnes sehr zu Herzen, dorfte sie aber aus Furcht vor der Macht des Fürsten von Halitsch nicht lange bey sich behalten, und schickte seinen Schwestersohn mit seiner Gemahlin zu dessen

 

 

 

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Schwiegervater dem Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch nach Tschernigow.

 

Swätoslaw Wsewolodowitsch gedachte zwar mit dem Fürsten Andrei von Rostow vereinigt, sich des Fürsten Wladimir Jaroslawitsch und seiner Mutter gegen den Fürsten von Halitsch mit Macht anzunehmen, Andrei Jurjewitsch aber wollte sich keinesweges dazu entschließen. Er ließ zwar seine Schwester zu sich einladen, mischte sich aber in die Mißhelligkeiten zwischen seinem Schwestersohne und seinem Schwager nicht; weil ihm nemlich die ungebührliche Aufführung des erstern gegen leztern bekannt war, der nach dem Bericht der Geschichtschreiber mit zweyzüngichter Falschheit, von einer Seite alle Handlungen und Unternehmungen seines Vaters tadelte, schmähete und übel auslegte, von der andern Seite aber häufige Versicherungen kindlicher Ergebenheit gab, womit indessen weder seine übrigen Reden noch sein Betragen übereinstimten.

 

Um diese Zeit ließ Rurik Rostislawitsch dem zu Tortschesk im kiewschen Gebiet regieren den Fürsten Michalko Jurjewitsch aus einem gegen ihn gefaßten Mißtrauen andeuten, er sollte sich zu seinem Bruder Andrei von Rostow begeben, und brach, da sein Befehl nicht geachtet ward, mit seinen Brüdern vereinigt gegen Tortschesk auf, welches sie sechs Tage lang eingeschlossen hielten. Am siebenten Tage that Michalko Jurjewitsch Vorschläge zum Frieden, der sogleich

 

 

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auf folgende Bedingungen geschlossen ward: Michalko Jurjewitsch sollte sich zu seinem Neffen Wladimir Glebowitsch nach Perejaslawl begeben, Rurik Rostislawitsch dagegen die bey ihm in Verhaft befindliche Fürsten Wsewolod Jurjewitsch und Jaropolk Mstislawitsch nebst allen ihren Leuten in Freiheit sezen, Wladimir Jaroslawitsch aber sollte seinem Vater ausgeliefert werden.

 

Dieser Vertrag war den Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch von Tschernigow und Andrei Jurjewitsch von Rostow sehr unangenehm, theils weil er den vorigen Verträgen und Bündniße zuwider, theils auch weil er ohne ihr Vorwissen geschlossen war. Nach diesem zog Rurik Rostislawitsch vor Tripol, wo Mstislaw Mstislawitsch ein Neffe des Fürsten Michalko Jurjewitsch regierte, und vertrieb diesen Fürsten, dessen in dem vorgedachten Vertrage nicht erwähnt worden war. Mstislaw begab sich nach Tschernigow und ward von seinem Großvater Swätoslaw Wsewolodowitsch freundschaftlich aufgenommen.

 

Fürst Andrei Jurjewitsch von Rostow, ward bey der Nachricht daß Rurik Rostislawitsch Kiew in Besiz und seinen Bruder in Verhaft genommen habe, sehr aufgebracht, die Fürsten von Tschernigow und Sewerien aber ließen es sich äußerst angelegen seyn, Kiew aus den Händen der Nachkommen Wladimirs an sich zu reißen.

 

 

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Da sie, wie die Geschichtschreiber sagen, alle zwischen Wladimirs Enkeln entstandene Streitigkeiten zum Nachtheil dieser Fürsten zu nuzen suchten, schickten sie auch bey dieser Gelegenheit Gesandten an dem Fürsten Andrei Jurjewitsch von Rostow ab, um mit selbigem ein Bündniß gegen alle ihre beiderseitigen Feinde, besonders aber gegen die Rostislawitschen zu schließen. Andrei Jurjewitsch nahm dieses ihm angetragene Bündniß mit Freuden an, und fertigte sogleich seinen Schwerdtträger Michen an den Fürsten Rurik Rostislawitsch mit folgendem sehr stolzen Auftrage nach Kiew ab: „Er befehle, kraft des Vorrechts des Aeltesten im Fürstenstamme, daß Fürst Rurik sich zu seinem Bruder Roman nach Smolensk, Fürst David aber sich zu den Berläden begebe.“ Der rostowische Gesandte kam mit seinem Auftrage in Kiew an, ward aber nachdem er selbigen mit vielem Stolz ausgerichtet hatte, von Ruriks jüngstem Bruder Mstislaw Rostislawitsch beschimpft und mit folgender Antwort zurück geschikt: „Gehe zu deinem Fürsten und sage ihm: wir haben ihn bisher als unsern Vater geehrt, da er uns aber jezt einen unsere Ehre beleidigenden Befehl zuschickt, so verwerfen wir diesen seinen übermüthigen Befehl, und werden unsere Ehre und gerechte Sache mit Gottes Hülfe zu schüzen und zu vertheidigen wissen.“

 

 

 

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Andrei Jurjewitsch, gerieth über diese schlechte Aufnahme seines Gesandten, und die seinen Absichten so wenig entsprechende Antwort der Rostislawitschen so sehr in Zorn, daß er ungesäumt in allen Gegenden seines Gebiets, als Susdal, Rostow, Perejaslawl, Nowgorod und Beloosero Truppen aufzubringen befahl, die mit den Muromern und Räsanern vereinigt, nach dem Bericht der Geschichtschreiber alle zusammen gegen funfzig tausend Mann ausmachten. Er gab diesem Heere seinen Sohn Jurii Andreewitsch, seinen Oberfeldherrn Boris Shidoslawitsch, den nowgorodschen Poßadnik und verschiedene andre Befehlshaber zu Anführern, und befahl ihnen, die Fürsten Rurik und David aus Kiew zu vertreiben, Mstislawen aber lebendig in seine Hände zu liefern. Nach diesem ließ er die Fürsten Olg Swätoslawitsch von Sewerien und Swätoslaw Wsewolodowitsch zum voraus durch seinen Feldherrn Boris ersuchen, daß sie sobald sein Sohn bey ihnen ankommen würde, sich mit ihm zu vereinigen bereit seyn möchten. Die Armee nahm ihren Weg durchs smolenskische Gebiet, bey welcher Gelegenheit Jurii Andreewitsch den Fürsten Roman Rostislawitsch auffordern ließ, ihm seinen Sohn mit einigen Truppen gegen seine Brüder zu Hülfe zu schicken, welches der Fürst von Smolensk, der zum Widerstande zu schwach, sein Gebiet vor der Verheerung sichern wollte, nach dem Bericht der Geschichte aus Noth zu

 

 

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versprechen gezwungen war. Gleiche Aufforderungen wurden auch den Fürsten von Polozk, Pinsk, Gorodensk und Turow zugeschickt.

 

Jurii Andreewitsch vereinigte sich indessen mit den Truppen der Fürsten von Tschernigow und Sewerien, wie auch mit seinen aus Perejaslawl zu ihm gekommenen Brüdern Michalko und Wsewolod, und rückte über den Dnieper gegen Kiew an.

 

Als die Rostislawitschen Rurik, David und Mstislaw, von den großen gegen sie gemachten Kriegsanstalten Nachricht erhielten, fanden sie nicht für gut die feindliche Armee in Kiew abzuwarten, weshalb Rurik sich nach Belgrad verfügte, Mstislaw mit seines Bruders Davids Truppen sich in Wüschgrad befestigte, David aber, den Fürsten Jaroslaw Wladimirowitsch um Hülfe zu bitten, sich nach Halitsch begab. Der Fürst von Halitsch schlug lezterrn seine Bitte völlig ab, weil er selbst den kiewschen Thron für sich zu erlangen beschlossen hatte.

 

Um diese Zeit ließen die Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch und Michalko Jurjewitsch, so bald sie über den Dnieper gekommen waren, die Kiewer, Berenditschen und Porßänen zur Vereinigung mit ihrer Armee auffordern, und kamen am 8ten October vor Wüschgrad an. Swätoslaw Wsewolodowitsch, als der älteste der bey dem Heere befindlichen Fürsten, beorderte sogleich die Fürsten Wsewolod Jurjewitsch, Igor Swätoslawitsch

 

 

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einen Bruder des Fürsten Olg von Sewerien, und verschiedene jüngere Fürsten zum Angriffe der Stadt. Mstislaw Rostislawitsch ließ sie ruhig die Stadt umringen und ihre Stellung nehmen, als sie aber in der Meinung daß er keinen Ausfall wagen dörfe, sorglos da standen, brach er unvermuthet mit allen seinen Truppen aus der Stadt heraus, und ließ die Bogenschüzen das Gefecht anfangen. Als diese nach dem ersten Angriffe vor der überlegenen Menge der Feinde zu weichen schienen, ritt Mstislaw selbst zu ihnen, ermahnete sie, ihres Ruhms und Eides eingedenk, auf Gott zu bauen, und sich die Menge der Feinde nicht schrecken zu lassen, und drang selbst vor allen seinen Truppen her in den Feind, welcher sich in drey Haufen getheilt hatte, so daß die Nowgoroder auf beiden Flügeln, Wsewolod Jurjewitsch aber mit den seinen in der Mitte stand. Mstislaw Rostislawitsch brachte diesen im ersten Angriffe zum Weichen, da aber die Nowgoroder ihn mit einer geringen Anzahl Truppen dem Fürsten Wsewolod nachsezen sahen, rückten sie vor und grifen ihn von beiden Seiten an. Mstislaw wandte sich nun zwar und drang in die Nowgoroder ein, konnte sie aber nicht überwältigen, so daß beide Theile untereinander vermischt, das Gefecht lange fortsezten, und kaum in der finstern Nacht auseinander kamen.

 

 

 

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In diesem ersten Gefechte waren an Mstislaws Seite viele Leute verwundet, an Wsewolods aber weit mehrere geblieben, weshalb lezterer sich jenseit des Tahls zurük zog. Hierauf rükte Swätoslaw Wsewolodowitsch mit den übrigen Truppen näher vor die Stadt, schloß sie von allen Seiten ein, und belagerte sie neun Wochen lang. Während dieser Zeit kam Fürst Jaroslaw Wladimirowitsch von Halitsch mit allen halitscher und wolhynischen Truppen an, und ließ den verbündeten Fürsten bekant machen: daß er sie gegen die Rostislawitschen unterstüzen wolle, wenn sie ihn dafür als den ältesten Fürsten anerkennen, und ihm das Vorrecht zum Besiz des kiewschen Thrones zugestehen würden.

 

Diese Forderung war sowohl den Fürsten von Tschernigow und Sewerien, die den kiewschen Thron für einen der ihrigen, und namentlich für den ältesten Fürsten ihres Stammes, Swätoslaw Wsewolodowitsch von Tschernigow zu erlangen suchten, als auch dem Fürsten Andrei von Rostow und allen Fürsten von Wladimirs Stamm, die diesen Thron von ihrer Seite dem Fürsten Michalko Jurjewitsch zugedacht hatten, sehr ungelegen und veranlaßte unter den Verbündeten nicht geringe Mißhelligkeiten.

 

Da Jaroslaw Wladimirowitsch die Ausführung seines Entwurfs mit vielen Schwürigkeiten verbunden sahe, hienächst aber den Besiz des Großfürstenthums weder seinem Schwager Michalko Jurjewitsch, noch seinem Schwager Swätoslaw

 

 

 

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Wsewolodowitsch gönnete, fand er für gut sich mit den Rostislawitschen in ein Bündniß einzulaßen, in welcher Absicht er mit Ihnen ins Geheim einen Vertrag schloß und sich mit allen seinen Truppen zum Fürsten Rurik Rostislawitsch vor Belgrad verfügte.

 

Unterdeßen erfuhren die Schwarzmüzen, daß die Fürsten von Olegs Nachkommenschaft das Großfürstenthum für sich zu erlangen suchten, und gingen mit der Erklärung: daß sie Wladimirs und Mstislaws Geschlecht den Eid der Treue geschworen hätten, in ihre Wohnsize zurük.

 

Da nun die übrigen Truppen sich von dem Fürsten von Halitsch und den Schwarzmüzen verlassen sahen, gingen sie gleichfals nach und nach des Nachts davon, worauf Mstislaw Rostislawitsch, als er die starke Verminderung der Belagerer bemerkte, einen Ausfall that, die übriggebliebenen Truppen in die Flucht schlug und vieles Gepäcke erbeutete.

 

Nach dem Abzuge der verbündeten Fürsten von Wüschgrad, kamen die Fürsten Rurik Rostislawitsch nebst seinen Brüdern, Jaroslaw Wladimirowitsch von Halitsch, und Jaroslaw Isäslawitsch von Luzk, nach Kiew, und verglichen sich unter einander: den Fürsten Jaroslaw Isäslawitsch als den ältesten Enkel des Großfürsten Mstislaw Wladimirowitsch zum Großfürsten von Kiew zu erklären,welcher auch am 20sten December mit aller möglichen Feierlichkeit auf den großfürstlichen Thron gesezt ward.

 

 

 

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Hierauf dachten die Fürsten auf Mittel Groß-Nowgorod wiederum mit Kiew zu vereinigen, und ließen dieses unverzüglich den dasigen Poßadniken vorschlagen. Ihre Abgeordneten fanden die Nowgoroder wie gewöhnlich geneigt, einen dem Großfürsten von Kiew gefälligen Fürsten, vornehmlich aber einen Sohn oder Bruder desselben, zu ihrem Regenten zu haben, wozu in dem gegenwärtigen Fall Rurik Rostislawitsch ersehen ward, der sich auch unverzüglich nach Groß-Nowgorod aufmachte. Seine Brüder behielten dagegen ihre vorige Besizungen, nemlich David Wüschgrad und Mstislaw Belgrad.

 

Im Jahre 1175, ließ Fürst Swätoslaw Wsewolowitsch von Tschernigow den Fürsten Jaroslaw Isäslawitsch um Gorodok, welches ihm durch ehemalige Verträge versprochen war, ersuchen, und ihn zugleich an die bey dem Tode des Fürsten Wladimir Mstislawitsch zwischen ihnen getroffene eidliche Verbindungen erinnern.

 

Jaroslaw Isäslawitsch hatte damals, um auf den kiewschen Thron zu gelangen, viele Fürsten um Beystand angesprochen, und ihnen vielerley Versprechungen gethan, war aber von allen unter dem Vorwande verschiedener Umstände und Hindernisse abgewiesen worden, weshalb er jezt dem Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch auf sein Verlangen folgende Antwort ertheilte: Ihre Versprechungen wären gegenseitig gewesen, Swätoslaw habe damals ihm mit allen seinen Brüdern und

 

 

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Neffen zu Hülfe zu kommen versprochen, aber diesem zuwider gehandelt, und die großfürstliche Würde für sich selbst zu erlangen gesucht, die er, Fürst Jaroslaw Isäslawitsch, jezt nicht durch tschernigowsche Truppen, sondern durch die Bemühungen seiner Brüder erhalten habe.

 

Da Swätoslaw Wsewolodowitsch aus dieser Antwort ersahe, daß er Gorodok keinesweges durch gütliche Unterhandlungen erlangen würde, zog er einige Truppen zusammen und erschien in Begleitung seiner Neffen unvermuthet vor Kiew.

 

Jaroslaw Isäslawitsch hatte, wie die Geschichtschreiber sagen, sich nach seiner gewöhnlichen Unvorsichtigkeit in keinen guten Vertheidigungsstand gesezt, verließ auf die erste Nachricht von dem Anzuge des Fürsten Swätoslaw seine Gemahlin und Kinder in Kiew, und reisete um Truppen zu werben nach Luzk.

 

Swätoslaw bemächtigte sich gleich bey seiner Ankunft der Stadt, hielt sich daselbst zwölf Tage lang auf, und kehrte wieder nach Tschernigow zurük, wohin er Jaroslaws Gemahlin und jüngsten Sohn, nebst dessen Bojaren und ganzen Habe mit sich nahm.

 

Jaroslaw Isäslawitsch kam auf die Nachricht, daß Swätoslaw Wsewolodowitsch seinen Rükzug angetreten habe, nach Kiew zurük, legte alle Schuld der schlechten Vertheidigung auf die Einwohner der Stadt, und verlangte daß sie das Lösegeld für seine Gemahlin, seinen Sohn und seine

 

 

 

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Bediente erlegen, und ihm allen erlittenen Schaden ersezen sollten. Die Kiewer entschuldigten sich zwar mit der Unmöglichkeit, Jaroslaw aber ließ selbst ansehnliche Summen eintreiben, übergab Kiew einem zuverläßigen Befehlshaber, und brach mit seinen Truppen gegen Tschernigow auf.

 

Swätoslaw Wsewolodowitsch hatte um diese Zeit eine Fehde mit seinem Neffen Fürsten Olg Swätoslawitsch von Severien, der auf die Nachricht von Jaroslaws Anzuge gleichfalls ins tschernigowische einrükte. Swätoslaw fühlte sich beyden zugleich zu widerstehen zu schwach, und ließ Jaroslawen Friedensvorschläge thun, welchen zufolge selbiger seine Gemahlin, seinen Sohn, seine Bediente und sein ganzes Vermögen wieder erhielt, und nach Kiew zurük kehrte.

 

Swätoslaw zog hierauf gegen den Fürsten Olg Swätoslawitsch, fügte dessen Gebiete vielen Schaden zu, und kehrte wiederum nach Tschernigow zurük.

 

In diesem Jahre starb der fromme Fürst Swätoslaw Jurjewitsch, und ward in Susdal begraben. Die Geschichte meldet von ihm: „Er war sehr klug und gelehrt, las viele Bücher, nahm alle zu ihm kommende griechische und lateinische Gelehrte gnädig auf, und unterhielt sich oft mit ihnen.

 

Die Nowgoroder hatten, wie oben erwähnt, den Fürsten Rurik mit vieler Achtung empfangen, da aber Fürst Andrei von Rostow hierüber seine

 

 

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Unzufriedenheit merken ließ, bat die ihm ergebene Parthey, auf sein Veranstalten, um seinen Sohn Jurii Andreewitsch.

 

In diesem Jahre starb Fürst Jurii Wladimirowitsch von Räsan.

 

Am 29sten Junius dieses Jahres, an einem Sonnabende, ward Fürst Andrei Jurjewitsch von Rostow, Susdal und Wladimir, ermordet. Dieser Fürst war von mitlerm Wuchs, aber gesezt und sehr stark; er hatte schwarzes krauses Haar, eine hohe Stirne, große helle Augen, und lebte 65 Jahre. Den Beynahmen Bogoljubskoi erhielt er daher: weil er von seiner zartesten Jugend an, Gott geliebet und seinen Geist mit vielen Tugenden geschmükt hatte. Er war tapfer im Kriege, liebte aber den Frieden mehr als Krieg, und Gerechtigkeit mehr als Eroberungen, nur erhob er sich in den lezten Jahren seines Lebens zu sehr, und ließ sich durch Stolz zu vielen herrschsüchtigen Handlungen verleiten, auch sorgte er um diese Zeit nicht viel für gute Ordnung, sondern beschäftigte sich mehr mit der Jagd und seinem Vergnügen. Er erbaute die Stadt Bogoljubow, welche von Wladimir an der Kläsma, so wie Wüschgrad von Kiew, ohngefehr sieben Werste entlegen war, erweiterte Wladimir an der Kläsma, und vermehrte die Bevölkerung dieser Stadt durch verschiedene Arten von Einwohnern, besonders durch geschikte Kaufleute, Künstler und Handwerker. Mit seinem unglüklichen Ende hatte es folgende Bewandtniß:

 

 

 

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Seine Gemahlin, die Tochter eines Edelmannes Kutschko genannt, der vom Großfürsten Jurii Wladimirowitsch am Leben gestraft worden war, hatte zwey Brüder, von welchen der eine vom Fürsten Andrei wegen eines begangenen Verbrechens am Leben gestraft wurde, der andere aber, aus Unwillen hierüber, sich mit einigen Uebelgesinten gegen diesen Fürsten verband, und ihn ermordete. Als seine Gemahlin dieses am folgenden Morgen erfuhr, brachte sie sogleich ihr Vermögen zusammen, und begab sich damit nach Moskwa.

 

Da die Unterthanen des Fürsten Andrei Jurjewitsch, die Rostower, Susdaler und Wladimirer, bey diesem Vorfalle in äußerster Verlegenheit, die nachgelassenen Kinder des Fürsten Andrei theils sehr jung theils abwesend waren, seine Brüder Michalko und Wsewolod sich im kiewschen Gebiete aufhielten, und man um diese Zeit einen Angriff von Seiten der Fürsten von Räsan befürchtete, so bedienten sich die damals anwesende räsansche Bojaren, Detilez und Boris Kunewitsch dieser verwirten Lage, und riethen den gewesenen Unterthanen des Fürsten Andrei, die Rostislawitschen, Enkel des Großfürsten Jurii Wladimirowitsch und Schwäger des Fürsten von Räsan, zu sich einzuladen. Dieser Vorschlag verursachte zwar Anfangs vielen Streit, beförderte aber bald den Entschluß: den Fürsten von Räsan um einen seiner Schwäger, Mstislaw Rostislawitsch, oder Jaropolk Rostislawitsch,

 

 

 

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ersuchen zu lassen, zu welchem Ende man einige der angesehensten Bojaren nach Räsan abschikte.

 

Fürst Gleb Jurjewitsch von Räsan, befahl den Gesandten ihr Verlangen schriftlich bekant zu machen, und durch einen Eid zu bekräftigen, und schikte sie hierauf mit einigen seiner vornehmsten Hofleute nach Tschernigow, wo sich die Fürsten Mstislaw und Jaropolk aufhielten.

 

Die Gesandten meldeten sich in Tschernigow mit ihrem Auftrage zuerst beym Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch, mütterlichen Großvater der Rostislawitschen und hielten hierauf an diese folgende Anrede: „Euer Vater Rostislaw Jurjewitsch, der bey Lebzeiten seines Vaters, Jurii Wladimirowitsch, Rostow regierte, war gegenseine Unterthanen gnädig und gerecht. Da wir nun gegenwärtig unsern Fürsten verlohren haben, so bitten wir euch ohne Verzug zu uns zu kommen, und als die ältesten Enkel eures Großvaters seinen Thron in Besiz zu nehmen.“ Die Rostislawitschen dankten zwar den Gesandten, daß man ihrer Rechte eingedenk sey, erwiederten aber auf ihren Antrag: daß sie sich zuvor um die Meinung ihres Großvaters des Fürsten von Tschernigow erkundigen müßten, weil sie ohne dessen Einwilligung sich in nichts einlassen könten.

 

Fürst Swätoslaw Wsewolodowitsch wünschte zwar sehr seine Enkel außerhalb dem tschernigowischen Gebiete versorgt zu sehen, suchte aber

 

 

 

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solches mit seinen eigenen Absichten auf den kiewschen Thron, zu vereinigen.

 

Da er nun hiebey besonders von Seiten des Fürsten Michalko Jurjewitsch von Perejaslaw, des Fürsten Olg Swätoslawitsch von Sewerien, und der Rostislawitschen Mstislaws Enkel, starken Wiederstand befürchtete, hielt er fürs Beste, dem bisherigen Rechte und Herkommen gemäß, demjenigen Bruder des Verstorbenen der ihm an Jahren der nächste war, zur Erbschaft behülflich zu seyn, wodurch er zugleich sein Ansehen in Berichtigung der fürstlichen Besizungen geltend machen wollte. Er stellte diesem zufolge den Rostislawitschen des Großfürsten Jurii und seinen Enkeln vor: Andrei habe seine Besizungen von seinem Vater Jurii erhalten, und solche nunmehr, nach den Rechten, auf ihren Vaterbruder Michalko Jurjewitsch von Perejaslaw vererbt, dieser werde ihnen sein Recht ohne Krieg nicht abtreten; es sey also rathsamer mit selbigem darüber Abrede zu nehmen und einen Vertrag zu schließen: welches sich die Rostislawitschen gefallen lassen mußten.

 

Hierauf berief Swätoslaw Wsewolodowitsch den Fürsten Michalko Jurjewitsch zu sich nach Tschernigow, und schloß mit ihm folgenden Vertrag: „Die Rostislawitschen, Enkel des Großfürsten Jurii, gestehen dem Fürsten Michalko das Vorrecht des Alters zu, nach welchem er Susdal samt den dazu gehörigen Städten in Besiz nehmen wird; sein Bruder Wsewolod Jurjewitsch

 

 

 

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soll Rostow und Pereslawl erhalten und dagegen sein bisheriges Gebiet den Rostislawitschen abtreten:“ worauf die Fürsten ihren Eid in die Hände des Bischofs von Tschernigow ablegten.

 

Dieser Vertrag war den Abgesandten der Rostower, Susdaler und Wladimirer, sehr unangenehm, weil sie befürchteten, Andrei‘s Brüder möchten wegen seines unglüklichen Endes Untersuchungen anstellen, und an vielen Familien Rache üben, welches von seinen Neffen weniger zu besorgen war. Sie riethen daher den Rostislawitschen: den Fürsten Michalko Jurjewitsch in seine neue Besizungen zu begleiten, unter dem Vorwande: damit seine Unterthanen daraus ersehen könten, daß man ihm diese Besizungen gutwillig abgetreten habe.

 

Dieser Vorschlag ward von allen genehmiget, die vier Fürsten nahmen hierüber Abrede, und Michalko Jurjewitsch reisete sogleich mit seinem Neffen Jaropolk Rostislawitsch zum voraus nach Moskwa ab.

 

Die Rostower nahmen die Nachricht von diesen Vorfällen und dem Betragen ihrer Gesandten sehr übel auf, und ließen den Fürsten Jaropolk heimlich zu sich einladen, welcher sich bey seinem Vaterbruder Michalko auf zwey Tage beurlaubte, sich aus Moskwa zuerst nach Pereslawl, von da aber nach Rostow begab, und überall mit vielen Ehrenbezeugungen empfangen ward.

 

Michalko Jurjewitsch erfuhr bald darauf, daß die

 

 

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die Pereslaver und Rostower sich seinem Neffen Jaropolk unterworfen hätten, und begab sich nach Wladimir an der Kläsma, wo man ihm ohne Anstand huldigte, obgleich verschiedene der angesehensten Männer dieser Stadt, nebst einigen Truppen, überhaupt gegen 1500 Personen, auf Einladung der Rostower, dem Fürsten Jaropolk Rostislawitsch nach Pereslawl entgegen gegangen waren, und ihm, ohne zu wissen daß Michalko Jurjewitsch in Wladimir angekommen sey, den Eid der Treue geleistet hatten.

 

Jaropolk Rostislawitsch zog auf Anrathen der Rostower und anderer seiner Anhänger vor Wladimir an der Käsma, und umringte den Fürsten Michalko Jurjewitsch mit rostowschen und susdalschen Truppen, zu welchen sich auch die räsanischen und muromischen Hülfsvölker geselleten.

 

Als Mstislaw Rostislawitsch, der mit Wsewolod Jurjewitsch dem Fürsten Michalko nachreisete, von diesen Vorfällen Nachricht erhielt, begab er sich selbst vor Wladimir an der Kläsma, Wsewolod Jurjewitsch aber kehrte auf seinem Wege zurük.

 

Die Rostislawitschen, Jaropolk und Mstislaw, standen hierauf sieben Wochen lang vor Wladimir, wo Michalko Jurjewitsch sich mit den Einwohnern tapfer vertheidigte, als er aber sahe, daß ihm niemand zu Hülfe komme, mit seinen Neffen in Friedens-Unterhandlungen trat, die aber nach

 

 

 

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sieben Tagen fruchtlos abgebrochen wurden. Indessen litten die Belagerten große Noth, und fiengen an von Uebergabe der Stadt zu sprechen, welches den Fürsten Michalko zur Verlassung derselben bewog, der sich wiederum nach seiner vorigen Residenz Perejaslawl begab.

 

Die Wladimirer ließen hierauf den Fürsten Mstislaw und Jaropolk melden: daß Michalko nicht mehr bey ihnen sey, und daß sie ihnen gern die Thore öfnen und sie für ihre Fürsten erkennen würden, wenn sie dagegen ihnen kein Leid zu thun versprechen wollten. Die Fürsten gelobten dieses sogleich eidlich an, die Wladimirer öfneten die Thore und gingen ihnen entgegen.

 

Nach der Einnahme dieser Stadt, ward das gewesene Gebiet des Fürsten Andrei Jurjewitsch auf folgende Art getheilet: Mstislaw Rostislawitsch wählte zu seinem Antheil die waldigte Gegend, Rostow, Pereslawl und andre benachbarte Städte, und gab seinem Bruder Jaropolk, Jurjew-Polskoi und Wladimir an der Kläsma, Susdal aber ward Andrei‘s Kindern gelassen.

 

Im Jahre 1176 vermählte sich Fürst Jaropolk Rostislawitsch, mit der Tochter des Fürsten Wseslaw von Witebsk, welche Vermählung in Wladimir an der Kläsma, den 3ten Februar am Dienstage der zweiten Woche vor der großen Fasten, vollzogen ward.

 

Fürst Juri Andreewitsch, verließ auf die Nachricht von dem Tode seines Vaters, Nowgorod,

 

 

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wogegen die Nowgoroder den Fürsten Mstislaw Rostislawitsch, des Großfürsten Mstislaws Enkel, zu sich einladen ließen.

 

Die rostowische Fürsten Mstislaw Rostislawitsch und Jaropolk Rostislawitsch Georgs Enkel, überließen nach dem Bericht der Geschichtschreiber, jeder in seinem Gebiete, die Regierung der Provinzen und Städte, ihren mitgebrachten Bedienten, die im Vertrauen auf die Gnade ihrer Fürsten, viele Gewalthätigkeiten und Unrecht begingen, und mit Handhabung der Gerechtigkeit ein Gewerbe trieben. Die Richter und andre Befehlshaber beleidigten und unterdrükten unter dem Schein des Rechtes die Geistlichkeit und alle übrigen Einwohner, und vergriffen sich endlich auch an der Kirche der heiligen Mutter Gottes zu Wladimir, indem sie sich der Schlüssel zur Kirchenkaße bemächtigten, und das dar in befindliche Gold, Silber, und andre Kostbarkeiten entwendeten.

 

Die Fürsten selbst, die noch sehr jung waren, verließen sich in allen Stücken auf ihre Bojaren, die gleichfalls mehr auf ihre eigene Bereicherung, als auf ordentliche Verwaltung und Rechtspflege bedacht waren. Dieses Verfahren brachte viele dazu, daß sie den Tod des Fürsten Andrei Jurjewitsch, und die Vertreibung seines Bruders Michalko bedauerten, das gegenwärtige Unglück des Staats in Erwägung zogen, und auf Mittel selbigem abzuhelfen bedacht waren.

 

 

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In dieser Absicht begaben sich verschiedene Bürger von Wladimir, die von ähnlichen Klagen aus Rostow und Susdal Nachricht erhalten hatten, unter dem Vorwande eigener Geschäfte, nach Perejaslawl, und machten diesen Zustand der Sachen dem Fürsten Michalko Jurjewitsch bekant.

 

Um diese Zeit bekriegte Olg Swätoslawitsch von Sewerien, nebst seinen Schwägern, den Rostislawitschen Mstislaws Enkeln, den Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch von Tschernigow. Jaroslaw Rostislawitsch brach zuerst in das tschernigowsche Gebiet ein, und bemächtigte sich der Städte Lutaroa und Murowlesk, nahm aber die ihm von Swätoslaw gemachte Vorschläge an, und kehrte nach geschloßenem Frieden in seine Besizungen zurük.

 

Olg Swäroslawitsch war unterdessen bis Starodub vorgerükt, machte einen mißlungenen Versuch auf diese Stadt, und kehrte mit einer großen Menge aus den umliegenden Dörfern zusammen getriebenen Viehes, nach Nowdorod Sewerskoi zurük.

 

Swätoslaw Wsewolodowitsch folgte ihm auf den Fuße bis Nowgorod Sewerskoi nach, und umringte die Stadt. Olg Swätoslawitsch rükte sogleich gegen ihn aus, zog sich aber, da seine Truppen nach einmaliger Abschießung ihrer Pfeile zu weichen anfingen, wider in die Stadt zurük, und ließ am folgenden Tage dem Fürsten Swätoslaw

 

 

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Friedensvorschläge thun, der mit selbigen zufrieden nach Tschernigow zurük kehrte. In diesem Jahre wurde dem Fürsten Igor Swätosawitsch einen Sohn gebohren, welcher Olg, in der heiligen Taufe aber Paul genannt ward.

 

In eben diesem Jahre zog Roman Rostslawitsch Mstislaws Enkel, nach einer mit seinen Brüdern genommenen Verabredung aus Smolensk, gegen den Fürsten Jaroslaw Isäslawitsch nach Kiew; Jaroslaw flüchtete ohne ihm abzuwarten nach Luzk, Roman aber hielt seinen Einzug in Kiew.

 

Um eben diese Zeit reisete Michalko Jurjewitsch, von dem in Wladimir herrschenden Mißvergnügen benachrichtiget, nebst seinem Brüder Wsewolod Jurjewitsch nach Tschernigow, ersuchte den Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch um Hülfe, und stellte ihm vor: daß der Vertrag mit den Rostislawitschen, Georgs Enkeln, unter seiner Vermittelung geschlossen sey, und er den beleidigten Theil zu schüzen versprochen habe.

 

Swätoslaw Wsewolodowitsch gab den Fürsten Michalko und Wsewolod einige Truppen unter Anführung seines Sohnes Wladimir zu Hülfe, mit welchen sie insgesamt am 21sten May aus Tschernigow aufbrachen. Die Fürsten sezten ihren Weg zusammen bis zur Swina fort, als Michalko Jurjewitsch in eine schwere Krankheit verfiel, und auf einem

 

 

 

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Tragsesel kaum lebend nach Kutschkowo, (die jezige Stadt Moskwa,) gebracht ward, wo ihm verschiedene wohlgesinnte Wladimirer entgegen kamen und Geschenke darbrachten, er aber sich nach und nach von seiner Krankheit erholete.

 

Als die Rostislawitschen, Mstislaw und Jaropolk, Georgs Enkel erführen, daß ihr Vaterbruder mit tschernigowischen Hülfstruppen gegen sie im Anzuge sey, beschlossen sie in einer mit ihren Bojaren gehaltenen Berathschlagung: daß Jaropolk dem Fürsten Michalko Jurjewitsch aus Susdal entgegen rüken, und ihn so viel möglich von Wladimir abhalten, Mstislaw aber sich aus Pereslaw gegen Moskwa wenden, von da dem Fürsten Michalko Jurjewitsch auf dem Fuße nachfolgen, und ihn in Rücken angreiffen sollte, welchem zufolge Jaropolk unverzüglich aus Susdal, Mstislaw aber aus Rostow aufbrach.

 

Michalko war unterdessen, fast völlig von seiner Krankheit genesen, und saß eines Tages mit seinen Freunden zu Tische, als er ganz unvermuthet von dem Anzuge der Rostislawitschen Nachricht erhielt, und sogleich mit allen seinen Truppen gegen Wladimir an der Kläsma aufbrach, auf welchem Wege er anfangs von einigen Moskowern begleitet ward, die aber bald darauf in ihre Wohnungen zurük kehrten.

 

Jaropolk Rostislawitsch hatte indessen, von der Krankheit des Fürsten Michalko Jurjewitsch benachrichtiget, für gut befunden, sich zuvor mit

 

 

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seinem Bruder zu vereinigen, und und ihren Feind mit gesammter Macht anzugreifen, in welcher Absicht er sich vom wladimirschen Wege zur Rechten wandte, und dadurch dem Fürsten Michalko nach Wladimir durchzukommen Gelegenheit gab. Da er hierauf Michalko‘s Aufbruch erfuhr, und sein Versehen bemerkte, änderte er sogleich seine Masregeln, kam gedachtem Fürsten zuvor, und verschanzte sich nahe bey Wladimir.

 

Da Mstislaw Rostislawitsch erfuhr, daß die Jurjewitschen bereits nach Wladimir an der Kläsma aufgebrochen wären, wandte er sich, noch ehe er Moskwa erreichte, gleichfalls nach dieser Gegend hin, und hatte das Glük, sich vor Michalko‘s Ankunft, der von allem diesen nichts wissend langsam vorrükte, mit seinem Bruder zu vereinigen.

 

Michalko Jurjewitsch sezte indessen über den Fluß Kuschläk und langte funf Werste vor Wladimir im Bolochischen Felde an, wo Wladimir Swätoslawitsch, der mit seinen Truppen vor den übrigen her zog, von einer Schaar der Rostislawitschen, die nach dem Bericht der Geschichtschreiber in ihren Harnischen, wie Eis an der Sonne glänzend, aus der Stadt auszog, unversehens überfallen ward. Michalko kam ihm sogleich nebst seinem Bruder Wsewolod zu Hülfe, das Treffen fing mit Pfeilen an, die theils mit Bogen, theils aus besondern Maschinen abgeschossen wurden, und währete einige Zeit mit gleichem

 

 

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Glücke fort, bis die Truppen der Rostislawitschen zu weichen anfingen, und als hierauf die Jurjewitschen mit ihrer ganzen Macht vordrangen, endlich völlig geschlagen wurden. Dieser Sieg des Fürsten Michalko Jurjewitsch, ward am 15ten Junius, an einem Sonntage erfochten.

 

Mstislaw Rostilawitsch begab sich hierauf nach Nowgorod, Jaropolk Rostislawitsch nach Räsan, um bey seinem Schwager Gleb Hülfe zu suchen, ihre Truppen aber verliefen sich. Michalko Jurjewitsch verbot selbige zu verfolgen, sezte die Gefangenen nach abgenommenem Gewehr in Freiheit, und behielt von ihnen nur einige der angesehensten Männer bey sich.

 

Nach diesem Siege, zog Michalko Jurjewitsch alle seine Truppen zusammen, und hielt an demselben Tage um Mittagszeit, von seinem Bruder Wsewolod und dem Fürsten Wladimir Swätoslawitsch begleitet, seinen Einzug in Wladimir, wo er von der Geistlichkeit mit den heiligen Bildern, wie auch von den Bojaren und dem ganzen Volke feierlich empfangen ward, und die Mutter der Rostislawitschen, nebst Jaropolks Gemahlin antraf. Er begab sich zuerst in die sogenante goldgethürmte Kirche der heiligen Mutter Gottes, dankte Gott für den verliehenen Sieg, und verfügte sich hierauf nach der fürstlichen Wohnung.

 

Nachdem Michalko Jurjewitsch, sich von seiner Krankheit und seinen ausgestandenen Beschwerden,

 

 

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erholet hatte, sorgte er vor allen Dingen zuerst vor seine Sicherheit, entließ hierauf den Fürsten Wladimir Swätoslawitsch mit großen Danksagungen für die ihm geleistete Hülfe, und reichlich beschenkt zu seinem Vater, und fertigte mit ihm zugleich einige seiner Bojaren ab, durch welche er dem Fürsten von Tschernigow seinen Dank abstatten, und ihn um die Gefälligkeit, seine und seines Bruders Wsewolods Gemahlin zu ihnen begleiten zu lassen, ersuchen ließ.

 

Nach diesem gab Michalko die unter Jaropolks Regierung den Kirchen und Klöstern geraubte Schäze zurük.

 

Fürst Swätoslaw Wsewolodowitsch, ließ auf die Nachricht von dem Glücke und dem gegen wärtigen Anliegen der Fürsten Michalko und Wsewolod, ihre Gemahlinnen zu sich nach Tschernigow abholen, und sie auf ihrem weitern Wege nach Wladimir an der Kläsma, durch seinen Sohn Olg Swätoslawitsch, bis Moskwa begleiten, welcher von da nach seinem Gute Lopasnä zurückehrte.

 

Die Geschichtschreiber bemerkten bey dieser Gelegenheit: daß, weil Lopasnä Olegs Landguth genannt wird, das Gebiet der tschernigowschen Wätitschen, sich bis auf 60 Werste von Moskwa erstrekt haben müsse.

 

Olg Swätoslawitsch, schickte nach einem kurzen Aufenthalt in Lopasnä einige Leute nach Swirelsk, welches vordem gleichfalls zum tschernigowschen

 

 

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Gebiete gehört hatte, und bemächtigte sich dieses Orts. Fürst Gleb von Räsan, zog zwar auf diese Nachricht gegen Olg Swätoslawitsch zu Felde, ward aber von ihm am Fluße Swirel überwunden.

 

Nach diesen begab sich Michalko Jurjewitsch in Begleitung seines Bruders Wsewolod nach Susdal, wo man sie mit gebührender Ehrerbietung empfing. Michalko nahm von seiner Seite alle gnädig auf, vergab ihnen ihr Vergehen, und ließ den Rostowern melden: daß er nächstens auch zu ihnen kommen werde, worauf diese sowohl als die Pezeslawer, ihn durch ihre Gesandten zu sich einladen ließen.

 

Michalko reisete dieser Einladung zufolge zuerst nach Pereslawl, von da nach Rostow, und machte überall nüzliche Anordnungen. Er ließ in Rostow seinen Bruder Wsewolod, sezte in Pereslawl und andern Städten zuverläßige Leute zu Stathaltern ein, und kehrte selbst nach Wladimir an der Kläsma zurück.

 

Er betrug sich sehr leutselig gegen seine Unterthanen, sorgte besonders für Recht und Gerechtigkeit, und suchte auch sein Land gegen äußere Anfälle zu sichern, in welcher Absicht er in Begleitung seines Bruders, gegen den Fürsten Gleb von Räsan aufbrach, und selbigen hiedurch zum Frieden nöthigte. Gleb erfuhr nemlich: daß Michalko alle Städte seines Gebiets durch freywillige

 

 

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Unterwerfung in Besiz genommen habe, und sich nunmehr gegen ihn rüste, er sahe sich nicht im Stande ihm die Spize zu bieten, und wollte seinen Schwägern zu Liebe, sein Land keiner unnöthigen Verheerung aussezen.

 

Er fertigte also einige Gesandten mit Friedensvorschlägen ab, welche den Fürsten Michalko Jurjewitsch in Moskwa antrafen, und mit ihm folgenden Vertrag schlossen: „Die Rostislawitschen Mstislaw und Jaropolk, sollen alles Gold, Silber, Gewehr und dergleichen, besonders auch das Bild der heiligen Mutter Gottes, die Bücher, und das Schwerdt des heiligen Boris ausliefern; Fürst Gleb von Räsan aber soll seinen Schwägern künftig gegen die Fürsten Michalko und Wsewolod, auf keine Art Hülfe leisten.“ Dieser Vertrag ward von beyden Seiten mit einem Eide bekräftiget.

 

Michalko trat hierauf seinen Rükzug an, und brachte das Bild der heiligen Mutter Gottes wieder nach Wladimir an der Kläsma, wo es in der ihm besonders geweihten Kirche, nebst dem Schwerdt des heiligen Boris aufbewahrt wurde.

 

Nach diesem ließ Michalko Jurjewitsch die Mörder seines Bruders Andrei Jurjewitsch richten und bestrafen.

 

Im Jahre 1177, fielen die Polowzer wieder in Rußland ein, und richteten auf der Seite des hohen Ufers des Dniepers grossen Schaden an,

 

 

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sie nahmen sechs Städte der Berendeer ein, und wandten sich hierauf gegen Rostowez im kiewschen Gebiete.

 

Fürst Roman Rostislawitsch Mstislaws Enkel, schickte auf diese Nachricht unverzüglich einige Truppen unter Anführung seines Bruders Rurik Rostislawitsch und seiner zwey Söhne Jaropolk und Boris ab, die aber untereinander in Streit geriethen und sehr langsam vorrükten, bis endlich auch Fürst David Rostislawitsch sich bey ihnen einfand. Dieser legte zwar die Streitigkeiten bey, und kam bald darauf bey Rostowez an, die Polowzer aber brachten das rußische Heer durch einen schnellen hizigen Angriff zum weichen, erschlugen viele tapfere Männer und nahmen verschiedene Bojaren gefangen, so daß die Fürsten selbst nur mit genauer Noth nach Rostowez entkamen.

 

Fürst Swätoslaw Wsewolodowitsch von Tschernigow, zog auf die Nachricht von dieser Niederlage des Fürsten Roman Rostislawitsch, eiligst eine Armee zusammen, erschien mit selbiger am Dnieper vor Kiew, und verlangte von dem Fürsten Roman Rostislawitsch, er sollte seinen Bruder David Rostislawitsch, der ihn beleidiget habe, aus dem kiewschen Gebiet vertreiben. Da Roman sich hiezu keinesweges verstehen wollte, schikte Swätoslaw Wsewolodwitsch seinen Bruder Jaroslaw Wsewolodowitsch, und seinen Sohn Olg Swätoslawitsch mit einigen Truppen, über den Dnieper, die zuerst den Fürsten Mstislaw Wladimirowitsch

 

 

 

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von Tripol, zur Verlassung der Parthey der Rostislawitschen auffordern ließen, hierauf aber selbst gegen gedachte Stadt, wo sich damals auch Fürst Jaropolk Romanowitsch aufhielt, anrükten.

 

Mstislaw Wladimirowitsch schloß sich bey der Annäherung gedachter Fürsten in die Stadt ein, und vertheidigte das Wasserthor, konnte aber dem Fürsten Jaroslaw Wsewolodowitsch das Eindringen nicht wehren; worauf Jaropolk Romanowitsch sich nebst seinen Leuten zu seinem Vater nach Kiew begab.

 

Unterdessen kam Swätoslaw Wsewolodowitsch selbst mit seiner Armee vor Kiew an, und nahm seine Stellung bey Wätschewo.

 

Roman Rostislawitsch sahe, daß er weder die Stadt vertheidigen, noch sich auf die Einwohner verlassen konnte, und verfügte sich aus Kiew nach Belgrad. Die Kiewer machten dieses sogleich dem Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch bekant, welcher hierauf, am 20sten Julius, seinen Einzug in Kiew hielt, und um den Fürsten Roman Rostislawitsch zur Rückehr nach Smolensk zu bewegen, seinen Bruder und seine Söhne gegen Belgrad abfertigte, die aber unverrichteter Sachen zu ihm nach Kiew zurük kamen.

 

Um diese Zeit ward dem Fürsten Igor Swätoslawitsch einen Sohn gebohren, welcher Swätoslaw, in der heiligen Taufe aber Andrean genannt wurde.

 

 

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Bald nach Romans Abzuge aus Kiew, kam sein Bruder Mstislaw Rostislawitsch ihm zu Hülfe aus Nowgorod vor Kiew an, worauf Swätoslaw Wsewolodowitsch die Stadt verließ, und bey der Mündung des Lübed über den Dnieper gieng.

 

Um diese Zeit kam ein Haufe Polowzer, die Swätoslaw Wsewolodowitsch zu seinem Zuge gegen Kiew in Sold genommen hatte, nahe bey gedachter Stadt an, wandte sich aber auf die Nachricht von dem Rükzuge dieses Fürsten, gegen Tortschesk, und kehrte von da mit vielen Gefangenen ins polowzische Gebiet zurük.

 

Bald nachher ließen die Rostislawitschen, Mstislaws Enkel, dem Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch Friedensvorschläge thun, und vereinigten sich mit ihm, daß er Kiew, Rurik Rostislawitsch aber Belgrad mit dem dazu gehörigen Gebiete und Owrutsch erhalten, Roman Rostislawitsch hingegen nach Smolensk, und Mstislaw Rostislawitsch nach Groß-Nowgorod zurückehren sollte.

 

In eben dem Jahre vermählte Swätoslaw Wsewolodowitsch seinen Sohn Wsewolod mit Maria, einer Tochter des Königes, Kasimir von Polen, die um Philippi Fasten in Kiew ankam, wo die Vermählung mit großer Freude vollzogen ward.

 

Michalko Jurjewitsch war, wie die Geschichte meldet, um diese Zeit sehr siech und schwach, nahm

 

 

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sich aber der Regierung des Landes mit größter Sorgfalt an, reisete so oft als möglich in den Städten umher, um zu erfahren, ob die Unterthanen aller Orten recht gerichtet, und nicht irgendwo von ihren Befehlshabern gedrukt würden, erkundigte sich auch hienach auf den Dörfern bey den Landleuten, und ließ allen die sich an ihm wandten Gerechtigkeit wiederfahren. Er besuchte in dieser Absicht zulezt seine an der Wolga gelegene Städte, ward aber in Jurjew-Gorodok von einer schweren Krankheit befallen, woran er am 20st. Junius, an einem Sonnabende, nach Sonnen Untergang starb. Sein Leichnam ward sogleich nach Wladimir an der Kläsma gebracht, und in der Kirche zur heiligen Mutter Gottes begraben, nachdem er in Wladimir ein Jahr und fünf Tage regieret hatte.

 

Dieser Fürst war nach dem Zeugnisse der Geschichte sehr gelehrt, und sprach mit den Griechen und Lateinern ihre Sprache, so gut als die rußische.

 

Nach dem Tode des Fürsten Michalko Jurjewitsch, legten die Wladimirer, Susdaler und Pereslawer seinem Bruder Wsewolod Jurjewitsch, den Eid der Treue ab.

 

Als Mstilaw Rostislawitsch, Georgs Enkel, welcher damals in Nowgorod war, von dem Tode des Fürsten Michalko Jurjewitsch Nachricht erhielt, begab er sich heimlich nach Rostow, wo er viele Anhänger hatte, berathschlagte sich daselbst mit

 

 

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den vornehmsten Einwohnern, und brach mit einer Armee gegen den Fürsten Wsewolod Jurjewitsch nach Wladimir auf.

 

Wsewolod zog ihm, auf die erste Nachricht hievon, eiligst entgegen, um ihn nicht in das Jurjew-Polskische Gebiet eindringen zu lassen, fertigte zu gleicher Zeit seinen Neffen Jaroslaw Mstislawitsch, nach Pereslawl-Saleskoi ab, und ließ bey seiner Ankunft in der Gegend von Susdal Friedensvorschläge thun, worauf aber Mstislaw nach dem Rathe der rostowschen Bojaren, Dobrünä Dolgoi, und Matis Butowitsch, zur Antwort ertheilte: „Wenn Wsewolod Frieden zu haben wünsche, müsse er selbst zu ihm nach Jurjew kommen.“

 

Mstislaw war unterdessen bis zum Dorfe Lipiz, nahe bey Jurjew vorgedrungen, Wsewolod aber gieng über den Fluß Gsä, und rückte mit seinem völlig zur Schlacht gerüstetem Heere, am 23sten Julius, an einem Sonnabende gegen den Feind an, worauf es beym Fluße Paliza zu einem Treffen kam, in welchem Mstislaw Rostislawitsch überwunden ward, und seine Räthe, die rostowschen Bojaren, auf dem Plaze blieben.

 

Mstislaw flüchtete zuerst nach Rostow, von da nach Nowgorod, und von, da weil ihn die Nowgoroder nicht aufnehmen wollten, in Begleitung seines Sohnes Swätoslaw, zu seinem Schwager Gleb nach Räsan.

 

 

 

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Wsewolod Jurjewitsch feierte nach seinem Siege ein Dankfest, ließ am folgenden Tage durch einige seiner Leute die Todten begraben, entließ die Verwundeten in ihre Wohnsize, und begab sich selbst ohne Anstand ins rostowische, wo er das platte Land zum Gehorsam brachte, und ohne einen Versuch zur Unterwerfung der Städte zu machen, nach Wladimir an der Kläsma zurück kehrte, weil er erfahren hatte, daß Fürst Gleb von Räsan sich zu einem Einfalle in das wladimirische Gebiet rüste.

 

Fürst Gleb von Räsan, stellete auf die Nachricht von Mstislaws unglücklichem Feldzuge seine Kriegsrüstungen ein, Wsewolod Jurjewitsch aber zog, hievon benachrichtiget, gegen Rostow, wo ihn die Einwohner wider ihren Willen ehrerbietig aufnahmen. Er blieb bis zum Herbste in Rostow, traf daselbst verschiedene nöthige Anordnungen, ließ die dem Fürsten Mstislaw ergebene Bojaren nach Wladimir an der Kläsma bringen, und kehrte selbst dahin zurück.

 

Unterdessen kam Mstislaw Rostislawitsch in Räsan an, und überredete den Fürsten Gleb seine Parthey zu ergreiffen. Gleb unternahm in eben dem Herbste in Begleitung des Fürsten Mstislaw einen Feldzug gegen Moskwa, welches bey der Belagerung völlig abbrannte, und kehrte nach Räsan zurück.

 

Wsewolod Jurjewitsch der sich um diese Zeit jenseit Pereslawl aufhielt, zog zwar sogleich dem

 

 

 

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Fürsten Gleb von Räsan entgegen, kehrte aber auf die Nachricht von diesen Vorfällen gleichfalls nach Wladimir an der Kläsma zurück.

 

Wsewolod sahe indessen wohl, daß der Fürst von Räsan sich auf keine Art gutwillig zum Frieden bequemen würde, schickte sich deshalb zum Kriege an, und ließ die Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch und Olg Swätoslawitsch von Sewerien um Hülfe ersuchen.

 

Er brach im Anfange des Winters mit allen seinen susdalischen, pereslawischen und wladimirischen Truppen auf, befahl den Rostowern zu Hause zu bleiben, und rückte gegen Kolomna vor, wo sich die Söhne des Fürsten Swätoslow Wsewolodowitsch Og und Wladimir, wie auch sein Brudersohn Fürst Wladimir Glebowitsch von Perejaslaw, mit ihren Truppen bey ihm einfanden.

 

Fürst Gleb von Räsan, zog unterdessen mit einer großen Menge Polowzer auf einem andern Wege gegen Wladimir an der Kläsma, und richtete in der Gegend dieser Stadt große Verheerungen an.

 

Wsewolod Jurjewitsch kehrte auf diese Nachricht unverzüglich von Kolomna zurück, und traf den Fürsten von Räsan, mit allen seinen Truppen und den Polowzern am Fluße Koloschka, wo er mit vielen Gefangenen und großer Beute beladen, Halt gemacht hatte.

 

Da Wsewolod die eine, Gleb aber die andere Seite des Flußes besezt hielt, standen

 

 

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beide Fürsten einen ganzen Monath lang gegen einander über, während welcher Zeit täglich über den Fluß und bey den Tränken kleine Scharmützel vorfielen, ohne daß eine oder die andre Parthey über den Fluß kommen konnte.

 

Im Jahre 1178, fand Wsewolod in der Fastnachts-Woche eine bequeme Gelegenheit zum Uebergange, und schickte zuerst das Gepäcke unter Anführung einiger der zuverläßigsten Befehlshaber über den Fluß.

 

Gleb ward nicht sobald die Truppen des Fürsten Wsewolod auf seiner Seite des Flußes gewahr, als er den Fürsten Mstislaw Rostislawitsch gegen sie vorrücken ließ, wogegen Wsewolod seinen Neffen Wladimir Glebowitsch, mit den Perejaslawern und einigen Wladimirern, zur Verstärkung der Seinen abfertigte.

 

Unterdessen gieng Gleb, in der Meinung daß Wsewolod nur mit einer geringen Anzahl seiner Leute auf der andern Seite nachgeblieben sey, von seiner Seite in Begleitung seiner Söhne, Roman, Igor und Jaropolk über den Fluß, besezte den Berg Pruksowa, und blieb einen Pfeilschuß weit von Wsewolods Heere stehen, zog sich aber, da Wladimir Glebowitsch den Nachtrab des Fürsten Mstislaw zum Weichen brachte, wiederum langsam zurück, worauf Wsewolod mit seiner ganzen Macht vordrang, und ein heftiges Treffen lieferte, in welchem Gleb das Schlachtfeld zu verlassen gezwungen ward.

 

 

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Da nun Wladimir zu gleicher Zeit den Fürsten Mstislaw und die Polowzer völlig in die Flucht trieb, ward Gleb von allen Seiten umringt, und mit seinem Sohne Roman, seinem Schwager Mstislaw, allen ihren Bojaren, den vornehmsten räsanischen Feldherren, als Boris Shidoslawitsch, Olsten, Dedilez, und ungefähr zwanzig der ansehnlichsten Polowzer gefangen. Nach diesem großen Siege, kam Wsewolod Jurjewitsch am 20st. Febr. am Montage der ersten Fasten Woche, mit Ruhm und Ehre nach Wladimir an der Kläsma zurück, wo er von allen Einwohnern als Besieger aller seiner Feinde, vor der Stadt empfangen ward.

 

Er zog hierauf mit seinen Truppen, in folgender Ordnung ein: den Anfang machten die Fürsten Olg und Wladimir mit ihren Scharen, nach ihnen folgten die gefangenen Fürsten Gleb von Räsan mit seinem Sohne und Schwager, nach ihnen Fürst Wsewolod Jurjewitsch selbst, mit seinen Truppen zu Pferde, und sein Neffe Wladimir Glebowitsch mit den Perejaslawern. Der Zug hielt bey der Kirche zur heiligen Mutter Gottes still, wo ein öffentliches Dankgebet gehalten ward, nach dessen Vollendung alle in ihre Wohnungen zurückkehrten und den Tag in Freuden und Vergnügen zubrachten.

 

Fürst Gleb von Räsan und die übrigen Gefangenen, wurden zwar unter strenger Wache gehalten, übrigens aber jeder nach seinem Stande

 

 

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von Wsewolods Hofe mit allem Nothwendigen reichlich versehen.

 

Die Wladimirer tadelten dieses Verfahren ihres Fürsten; beschwerten sich, daß er die Gefangenen als Gäste behandele, und liessen in ihren Reden eine heftige Erbitterung gegen die Räsaner blicken.

 

Wsewolod Jurjewitsch besorgte bey solchen Umständen, daß entweder seine Unterthanen sich an den Gefangenen, oder die Gefangene an seinen Unterthanen vergreifen möchten, befahl die Gefangenen etwas härter zu halten, und ließ die Einwohner von Räsan unter Androhung eines feindlichen Einfalles zur Auslieferung des Fürsten Jaropolk Rostislawitsch auffordern.

 

Die Räsaner sahen sich ihrer Truppen und ihres Fürsten beraubt, und fanden für gut, lieber dieser harten Forderung Folge zu leisten, als sich der Gefahr eines völligen Unterganges auszusezen. Sie liessen den Fürsten Jaropolk aus Woronesh abholen und zum Fürsten Wsewolod begleiten, welcher ihn mit den übrigen Fürsten in Verhaft sezen ließ.

 

Als Mstislaw Rostislawitsch Mstislaws Enkel, von diesem Unglücke seines Schwagers des Fürsten Gleb von Räsan, Nachricht erhielt, schickte er aus Smolensk zum Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch nach Kiew, und ließ ihn um seine Fürsprache beym Fürsten Wsewolod Jurjewitsch zur Befreiung der gefangenen Fürsten

 

 

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ersuchen, welches zu gleicher Zeit auch von der Gemahlin des Fürsten Gleb von Räsan geschah, die um die Befreiung ihres Gemahls und Sohnes bitten ließ.

 

Swätoslaw Wsewolodowitsch sandte diesem zufolge den Bischof Porphirii von Tschernigow, und den Abt Ephrem vom Marien Kloster, an den Fürsten Wsewolod Jurjewitsch ab, welche sich eifrig um die Befreiung der gefangenen Fürsten bemühten.

 

Wsewolod Jurjewitsch, wünschte dem Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch, für die ihm erwiesene Gefälligkeiten, seine Erkenntlichkeit zu bezeigen, und versprach nicht nur die Gefangenen in kurzer Zeit sämmtlich in Freiheit zu setzen, sondern entließ auch sogleich, und unerachtet aller Gegenvorstellungen der wladimirischen Bojaren, seine Neffen Mstislaw und Jaropolk, nach Smolensk, und Glebs Sohn Roman mit einigen seiner Bojaren nach Räsan, wobey lezterer ihm eidlich beständige Treue und Gehorsam gelobte. Er ließ zu gleicher Zeit dem Fürsten Gleb von Räsan unter der Bedingung, daß er ihm Kolomna und einige nahe bey Wladimir an der Kläsma liegende Ländereyen, gegen irgend eine andere Stadt abtreten sollte, seine Freiheit anbieten; Gleb aber erwiederte hierauf: „daß er lieber in ewiger Gefangenschaft bleiben, als einen schimpflichen Vertrag schliessen wolle,“ und blieb bis an seinen Tod in Verhaft.

 

 

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Als die Polowzer erfuhren, daß alle ihre mit dem Fürsten Gleb von Räsan, zu Felde gezogene Fürsten und Leute erschlagen, oder in die Gefangenschaft gerathen wären, thaten sie einen Einfall ins räsansche Gebiet, wo sie keinen Wiederstand fanden, und mit vielen Gefangenen zurück kehrten.

 

In eben diesem Jahre liessen die Nowgoroder den Fürsten Mstislaw Rostislawitsch, Georgs Enkel, zur Regierung ihres Staats aus Smolensk nach Nowgorod einladen, welcher sich unverzüglich in Begleitung seines Bruders Jaropolk auf den Weg machte und bey seiner Ankunft mit gewöhnlichen Ehrenbezeugungen empfangen ward. Er trat hierauf sogleich die Regierung von Groß-Nowgorod an, und sezte seinem Bruder Jaropolk Rostislawitsch in Torshok ein.

 

Nach diesem lud Mstislaw Rostislawitsch die vornehmsten Nowgoroder zur Berathschlagung ein, und schlug ihnen einen Feldzug nach Liefland vor, um von den dasigen Einwohnern, den seit einigen Jahren verweigerten Tribut einzutreiben.

 

Die Nowgoroder liessen sich dieses gern gefallen, und befahlen unverzüglich gegen zwanzig tausend Mann aufzubringen, mit welchen Mstislaw ins tschudische Gebiet einrückte.

 

Die Ursache des verweigerten Tributs soll darin bestanden haben, daß die Dänen sich etwa

 

 

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hundert Jahre vor dieser Zeit, ganz Liefland unterworffen hatten.

 

Mstislaw Rostislawitsch ließ bey seiner Ankunft in diesen Gegenden die Aeltesten des Volks zur unverzüglichen Ablieferung des schuldigen Tributs auffordern, diese konten aber wegen der Entfernung ihres jenseit des Meeres befindlichen Oberherrn keine geschwinde Entschliessung faßen, und hielten deshalb die Gesandten auf.

 

Mstislaw hielt dieses für eine absichtliche Beleidigung, rückte unverzüglich ins Land der Tschuden ein, schlug sie in drey verschiedenen Treffen, und unterwarf sich alles Land bis zum Fluße Treider, wo er alle dasige Völkerschaften, als: Letten, Liwen, Simegolen, (Semgallen) Kuren, Tormen, und Jerwen versammelt, und durch Verhaue verschanzt fand, so daß der Uebergang an dieser Stelle völlig unmöglich war. Er fertigte daher in der folgenden Nacht die Hälfte der Truppen unter dem Tüsäzkoi Samez mit dem Befehl ab, daß sie um den See herum gehen, die Feinde im Rücken angreifen, und ihm durch angelegtes Feuer ein Zeichen geben sollten. Samez zog sich während der Nacht um den Feind herum, Mstislaw sahe am folgenden Tage um Mittagszeit einen grossen Rauch hinter dem Feinde aufsteigen, und griff ihn mit seiner ganzen Armee muthig an. Die Tschuden sahen sich jezt zwischen zweyen Armeen eingeschlossen, und verließen ihr Lager; Mstislaw gieng über den Treider,

 

 

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sezte dem Feinde bis an die Düna nach, ließ sich von den Städten und Dörfern Brandschatzung und Lösegeld zahlen, und kam mit vielen Gefangenen, und vielem erbeuteten Vieh, über Pskow, wo er die Einwohner zur Annahme des Fürsten Boris, (Mstislawitsch, des Fürsten Wsewolod von Pskow Enkel) nöthigte, nach Nowgorod zurück.

 

Als Wsewolod Jurjewitsch erfuhr, daß die Nowgoroder die Rostislawitschen, Georgs Enkel, zu ihren Fürsten angenommen hätten, zog er mit einigen Truppen vor Torshok, nahm diese Stadt am 8ten December mit Sturm ein, und führte die Einwohner in die Gefangenschaft; Jaropolk Rostislawitsch aber begab sich zu seinem Brudersohne Jaroslaw Rostislawitsch nach Wolok.

 

Wsewolod schickte alle Gefangene und Beute mit einiger auserlesenen Mannschaft nach Wladimir an der Kläsma, brach hierauf sogleich gegen Wolok-Lamskoi auf, und fertigte zum voraus einen seiner Feldherrn zu einem unversehenen Ueberfalle dieses Orts ab, welcher sich desselben ohne allen Wiederstand bemächtigte, und die Fürsten Jaroslaw und Jaropolk gefangen nahm, während daß sich die übrigen Einwohner in die (damals um diesen Ort befindliche) Wälder verlieffen. Wsewolod Jurjewitsch kehrte nach Eroberung dieser beiden Städte nach Wladimir an der Kläsma zurück.

 

 

 

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Im Jahre 1179 am 31sten Julius, starb Fürst Gleb von Räsan, in Wladimir an der Kläsma.

 

In eben diesem Jahre zog dessen Sohn Roman Glebowitsch, gegen die Polowzer zu Felde, und stieß an der grossen Worona auf eine ansehnliche Parthey; er besiegte selbige in einem hizigen Treffen, und kehrte mit seinen Gefangenen und der gemachten Beute, nach Räsan zurück.

 

Um diese Zeit beschlossen die Nowgoroder ihre alten Forderungen an die polozkischen Fürsten zu erneuern, und trugen dem Fürsten Mstislaw Rostislawitsch auf, einen Feldzug gegen seinen Schwager den Fürsten Wsewolod Davidowitsch von Polozk zu thun, weil nemlich dessen Großvater Fürst Gleb Wseslawitsch, vor diesem Nowgorod bekriegt, und ihnen viele Ländereyen und Leute abgenommen hatte.

 

Mstislaw wünschte zwar nicht gegen seinen Schwager zu kriegen, da es ihm aber hingegen sehr angenehm war, die Nowgoroder zur Verhinderung innerer Unruhen außerhalb ihrer Grenzen beschäftigt zu sehen, brach er mit einer ansehnlichen Armee gegen Weliki-Luki auf.

 

Unterdessen schickte Roman Rostislawitsch von Smolensk, Mstislaws Enkel, auf die Nachricht von diesem Feldzuge, seinen Sohn Mstislaw Romanowitsch, dem Fürsten Wseslaw Davidowitsch nach Polozk zu Hülfe, und ließ dem Fürsten Mstislaw Rostislawitsch durch seine Bojaren

 

 

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folgende Vorstellung thun: „Da Wseslaw die Nowdoroder nicht beleidiget habe, so wäre es unbillig gegen ihn Krieg zu führen; er von seiner Seite werde sich des Fürsten von Polozk annehmen, und rathe den Nowgorodern ihre Waffen lieber gegen die Ungläubigen und Feinde der Christen zu wenden.“

 

Mstislaw Rostislawitsch berief die vornehmsten Nowgoroder zusammen, und machte ihnen das Anbringen der smolenskischen Gesandten bekannt, worauf die Nowgorder den Schluß faßten, von ihrer Anforderung an die polozkischen Fürsten abzustehen, und einen Feldzug gegen die Jemen zu unternehmen, weil diese Ungläubige sehr oft ins nowgorodsche Gebiet eingefallen waren. Mstislaw kehrte diesem zufolge nach Nowgorod zurück, wo er bald darauf von einer schweren Krankheit befallen ward, am 13ten Julius im Jahre 1179 verstarb, und neben dem Fürsten Wladimir Jaroslawitsch begraben ward.

 

Die Nowgoroder waren über den Verlust dieses Fürsten sehr betrübt, und ernannten dessen Bruder Jaropolk zu seinem Nachfolger.

 

Fürst Wsewolod Jurjewitsch mißbilligte diese ohne seine Einwilligung geschehene Wahl des Fürsten Jaropolk Rostislawitsch, Georgs Enkel, zum Fürsten von Nowgorod, ließ alle nowgorodsche Kaufleute in seinem Gebiete auffangen, und rüstete sich selbst zum Kriege; die Nowgoroder aber entliessen den Fürsten Jaropolk, und ersuchten

 

 

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den Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch in Kiew, durch ihre Gesandten, um seinen Sohn Wladimir.

 

Um diese Zeit vermählte Wsewolod Jurjewitsch seine Nichte Prebrana, des Fürsten Michalko Jurjewitsch Tochter, mit dem Fürsten Wladimir Swätoslawitsch, welcher deshalb nach Wladimir an der Kläsma kam.

 

Wladimir Swätoslawitsch reisete hierauf mit seiner Gemahlin, und vielen von Wsewolod erhaltenen Geschenken, zu seinem Vater Swätoslaw Wsewolodowitsch, der sich damals in Tschernigow aufhielt, und von da nach Groß-Nowgorod.

 

Am 6ten August dieses Jahres, starb die Fürstin Maria Kasimirowna, Gemahlin des Fürsten Wsewolod Swätoslawitsch, deren Leichnam in der Kirche zum heiligen Kiril, die sie selbst erbaut hatte, begraben ward. Sie starb bey der Geburt eines Prinzen Nahmens Michaila, und ließ sich kurz vor ihrem Ende zur Nonne einkleiden.

 

Im August dieses Jahres kam ein Haufe Polowzer unter Anführung des Fürsten Kontschak nach Rußland, welcher großen Schaden anrichtete, verschiedene Flecken und Dörfer plünderte und aufbrante, und die Einwohner in die Gefangenschaft führte. Fürst Swätoslaw Wsewolodowitsch von Kiew, stand um diese Zeit bey Tripol, wohin die

 

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Polowzer ihre Gesandten zur Erneurung des Friedens abzuschicken versprochen hatten. Da er hieselbst aus Perejaslawl von ihrem Einfalle Nachricht erhielt, gieng er sogleich mit den übrigen Fürsten bey Lukomi über den Dnieper, und zog ihnen entgegen, die Polowzer aber flohen auf diese Nachricht unverzüglich mit vielen Gefangenen davon, so daß die Fürsten sie nicht einholen konnten, und unverrichteter Sachen in ihre Wohnungen zurück kehrten.

 

Im Jahre 1180 am 16ten Januar, starb in Nowgorod-Sewerskoi Fürst Olg Swätoslawitsch, und ward in der Kirche zum heiligen Michael begraben. Er hatte in Nowgorod-Sewerskoi seinen Bruder Igor Swätoslawitsch zum Nachfolger.

 

In diesem Jahre berief Fürst Swäroslaw Wsewolodowitsch von Kiew, die Fürsten zu einer Zusammenkunft nach Ljubitsch, wo sich sein Bruder Jaroslaw Wsewolowitsch von Tschernigow, seine Söhne Igor Swätoslawitsch von Sewerien, und Wsewolod Swätoslawitsch, nebst verschiedenen andern Fürsten bey ihm einfanden, und sich wegen allerley Streitigkeiten und Fehden verglichen.

 

In diesem Jahre entstand in Kiew ein grosser Brand, welcher in dem Hause des Mitropoliten nahe bey der Kirche zur heiligen Sophia ausbrach, und viele Kirchen und andere Gebäude verzehrte.

 

 

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Um diese Zeit gerieth Fürst Roman Glebowitsch von Räsan, mit seinen Brüdern Wsewolod und Wladimir von Pronsk, wegen gewisser Besizungen in Streit, der endlich in einen völligen Krieg ausbrach. Roman Glebowitsch fieng zuerst die Feindseligkeiten gegen seine Brüder an, die zum Wiederstande zu schwach, den Fürsten Wsewolod Jurjewitsch von Rostow um Hülfe baten, mit der Beschwerde: daß ihr Bruder, durch den bösen Rath seines Schwiegervaters des Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch von Kiew verleitet, ihnen verschiedene Ländereyen abgenommen und seinen geleisteten Eid gebrochen habe.

 

Wsewolod Jurjewitsch ließ zuerst den Fürsten Roman Glebowitsch von Räsan ersuchen, seine Brüder im ungestörten Besiz ihres Erbes zu lassen, da dieser aber sich mit den von seinen Brüdern erlittenen Beleidigungen entschuldigte, und mit einer Armee gegen sie aufbrach, schickte er selbigen einige Truppen zu Hülfe, wogegen Roman Glebowitsch gleichfalls seinen Schwiegervater Swätoslaw Wsewolodowitsch von Kiew, um Hülfe ersuchen ließ.

 

Fürst Swätoslaw Wsewolodowitsch von Kiew, schickte dem Fürsten Roman Glebowitsch von Räsan, seinen Sohn Gleb Swätoslawitsch zu, der aber auf seinem Wege vom Fürsten Wsewolod, Jurjewitsch in Kolomna umringt, und zur Uebergabe aufgefordert ward.

 

 

 

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Gleb Swätoslawitsch gedachte zwar Anfangs sich zu verheidigen, sahe sich aber bald zur Verlassung der Stadt gezwungen, und ließ den Fürsten Wsewolod Jurjewitsch um einen freien Abzug ersuchen. Wsewolod achtete auf diese Bitte nicht, sondern befahl den Fürsten Gleb Swätoslawitsch mit allen bey ihm befindlichen Bojaren und Befehlshabern, nach Wladimir an der Kläsma zu bringen, die übrigen aber in verschiedenen Städten, so wie man damals Gefangene zu behandeln pflegte, unter strenger Wache zu halten, und brach nach Besorgung alles dessen, weiter gegen den Fürsten Roman Glebowitsch auf, zu welcher Zeit, sich auch die Fürsten Wsewolod Glebowitsch, und Wladimir Glebowitsch von Pronsk bey ihm einfanden.

 

Wsewolod Jurjewitsch nahm diese Fürsten mit vieler Achtung auf, und fertigte auf die Nachricht, daß Roman sich von Pronsk gegen Räsan gezogen habe, sogleich einen Theil seiner Truppen dahin ab, welcher jenseit der Oka, auf Romans Vortrab stieß, und selbigen zum Weichen brachte, worauf Roman Glebowitsch selbst ins wüste Feld flüchtete, und seine Brüder Igor und Swätoslaw in Räsan zurück ließ.

 

Fürst Wsewolod Jurjewitsch bemächtigte sich auf seinem Zuge der Stadt Borißow, und langte bald darauf selbst vor Räsan an, wo ihm die Fürsten Igor und Swätoslaw, Friedensvorschläge thun liessen. Wsewolod schloß mit ihnen Frieden,

 

 

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theilte das räsänsche Gebiet nach dem Vorrecht des Alters, unter die Söhne des Fürsten Gleb von Räsan, und kehrte nach Wladimir an der Kläsma zurück.

 

Fürst Swätoslaw Wsewolodowitsch von Kiew, hätte auf die Nachricht von den Unglücke seines Sohnes und dessen Gefangenschaft beym Fürsten Wsewolod Jurjewitsch von Rostow, gern einen Feldzug zu seiner Befreiung gethan, war aber damals mit den Rostislawitschen, Mstislaws Enkeln, in einen Krieg verwickelt, und mußte jenes auf eine gelegnere Zeit verschieben.

 

Swätoslaw Wsewolodowitsch hatte, nach dem Bericht der Geschichte, damals einen Entwurf gemacht, den Fürsten Rurik aus Belgrad und dessen Bruder David aus Wüschgrad zu vertreiben. Er überfiel zuerst den Fürsten David, zu einer Zeit da er sich eben mit Hunden und Falken auf der Jagd und mit dem Fischfange belustigte, David aber sprang nebst seiner Gemahlin in einen Kahn, stieß sogleich vom Ufer ab, und kam, obgleich man ihm mit Pfeilen nach schoß, glücklich und unversehrt davon.

 

Unterdessen hatte einer von Swätoslaws Feldherren, sich in Abwesenheit des Fürsten David Rostislawitsch, der Stadt Wüschgrad bemächtiget; Fürst David aber rettete sich mit seiner Gemahlin nach Owrutsch.

 

Swätoslaw Wsewolodowitsch, hielt sich nur eine Nacht in Wüschgrad auf und gieng hierauf

 

 

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über den Dnieper nach Tschernigow, wo er alle tschernigowische und sewerische Fürsten einlud, und von ihnen Hülfe und guten Rath erbat, um mit vereinigten Kräften gegen die Rostislawitschen, Mstislaws Enkel, zu kriegen, und sie aus dem kiewschen Gebiete zu vertreiben. Die Fürsten kamen nach gehaltener Berathschlagung überein, mit Smolensk den Anfang zumachen, um dadurch den Fürsten Roman Rostislawitsch zur Verlassung seiner Brüder zu nöthigen.

 

Fürst Rurik Rostislawitsch, rückte auf die Nachricht von der Vertreibung seines Bruders ohne Anstand vor Kiew, und ließ alle seine Brüder und den Fürsten Wsewolod Jurjewitsch zu Hülfe rufen, um Kiew wiederum dem Aeltesten der Fürsten aus Wladimirs Stamme zu unterwerfen, welche Bitte er auch an den Fürsten Jaroslaw Wladimirowitsch von Halitsch gelangen ließ, den ihm einige Truppen unter Anführung seines Feldherrn Tudor Eleitsch zusandte.

 

David Rostislawitsch reisete um diese Zeit, zu seinem Bruder Roman nach Smolensk, welcher damals sehr krank war, und bald darauf verstarb. Dieser Fürst hinterließ drey Söhne, Jaropolk, Boris und Mstislaw, für welchen lezteren er die Stadt Mstislawl im smolenskischen Gebiet erbauet, und ihm selbige unter der Oberherrschaft seines Vetters zum Auffenthalt angewiesen hatte.

 

 

 

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Fürst David Rostislawitsch erfuhr auf seinem Wege in Kiwisch, daß sein Bruder Roman gestorben sey, befahl seinen Truppen ihn auf dem Fuße zu folgen, und eilte selbst zum voraus nach Smolensk, wo ihm der Bischof mit dem heiligen Kreuze, und alle Großen vor der Stadt entgegen kamen. Er begab sich zuerst nach der Kirche der heiligen Mutter Gottes, hierauf nach der fürstlichen Wohnung, und besorgte noch an demselben Tage das Begräbnis seines Bruders, welcher in der Kirche zur heiligen Mutter Gottes beygesezt ward.

 

Dieser Fürst ward sowohl von allen Einwohnern des smolenskischen Fürstenthums, als auch von seinen Brüdern David und Rurik lange Zeit beweint, und war bey seinem Leben von allen seinen Brüdern als Vater geehret worden. Die Geschichte meldet von ihm: daß er ein Feind alles Unrechts, und in verschiedenen Künsten und Wissenschaften wohl unterichtet gewesen, daß er viele Leute zur Erlernung der Wissenschaften aufgemuntert und angehalten, auch Schulen angelegt, bey selbigen Griechen und Lateiner zu Lehrern bestellt, und auf seine Kosten unterhalten habe.

 

Am 26sten October desselben Jahres wurde dem Fürsten Wsewolod Jurjewitsch von Rostow, seine vierte Tochter gebohren, welche Sobislawa, in der heiligen Taufe aber Pelagea genannt, und von ihrer Muhme der Fürstin Olga Jurjewna von Halitsch zur Taufe gehalten ward.

 

 

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Am 8ten November dieses Jahres vermählte Jaroslaw Wsewolodowitsch von Tschernigow, seine Tochter Sabawa, mit dem Fürsten Wladimir Glebowitsch von Perejaslawl.

 

Swätoslaw Wsewolodowitsch, war schon bis zur smolenskischen Grenze vorgerückt, als er von dem Tode des Fürsten Roman Rostislawitsch, Davids Besiznehmung von Smolensk, und Ruriks Einnahme von Kiew Nachricht erhielt, seinen Rükzug antrat, und seine Truppen auf einige Zeit auseinander gehen ließ.

 

Im Jahre 1181, zog Fürst Swätoslaw Wsewolodowitsch gegen den Herbst seine Truppen zusammen, und hielt in einer zur Berathschlagung angesezten Versammlung der Fürsten und Bojaren folgende Anrede:

 

„Er habe von den Fürsten von Wladimirs Stamme mancherley Beleidigung erlitten; Fürst Rurik habe ihm Kiew genommen, ohne sein Vorrecht des Alters im Fürstenstamme in Betracht zu ziehen, Wsewolod Jurjewitsch habe seinen Sohn und seine Bojaren in die Gefangenschaft geführt, und behandle sie als seine Sklawen, und dieses wegen Nowgorod, welches doch jederzeit zu Kiew gehört habe. Er sey daher gesonnen zur Befreiung seines Sohnes aus der Gefangenschaft, und um die ihm zugefügte Beleidigungen zu rächen, ins Feld zu rücken, und wolle den Fürsten Igor in Tschernigow zur Vertheidigung der Stadt gegen die Rostislawitschen zurück lassen“.

 

 

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Die Geschichte meldet: Igor Swätoslawitsch von Sewerien, habe Swätoslawen den Krieg wiederrathen, und ihm dagegen vorgeschlagen, sich mit dem Fürsten Wsewolod durch Gesandten gütlich zu vergleichen, Nowgorod abzutreten und sich dafür die Freiheit seines Sohnes auszubedingen.

 

Fürst Swätoslaw Wsewolodowitsch wollte sich diesen Rath nicht gefallen lassen. Er theilte seine Armee in zwey Haufen, wovon er den einen dem Fürsten Igor von Sewerien und seinem Sohne Wsewolod übergab, mit dem andern hingegen selbst aufbrach, und zu gleicher Zeit seinen Sohn Wladimir Swätoslawitsch mit den nowgorodschen Truppen zu sich entbieten ließ, der sich sogleich mit 3000 Mann auf den Weg machte, und sich bey der Wolga mit seinem Vater vereinigte.

 

Swätoslaw Wsewolodowitsch rückte hierauf weiter gegen Susdal vor, wandte sich aber bald von diesem Wege ab gegen Pereslawl, und traf 40 Werste vor dieser Stadt am Fluße Wlena, auf die Armee des Fürsten Wsewolod Jurjewitsch, wo beyde sich zwey Wochen lang den Uebergang über den Fluß streitig machten.

 

Wsewolod Jurjewitsch suchte Swätoslaws Truppen durch langes Stehen im Lager und kleine Scharmüzel zu ermüden, und beorderte deshalb die räsanschen Fürsten mit einigen Truppen auf die andere Seite des Flußes, welche in der

 

 

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Nacht übersezten, die Bagage des Fürsten Swätoslaw unversehens im Rücken anfielen, und viele Gefangenen und Beute machten.

 

Swätoslaw Wsewolodowitsch eilte auf die Nachricht von diesem Vorfalle, mit der kiewschen Schaar an den Ort des Gefechts, und trieb noch zu rechter Zeit den Feind von dem Gepäcke zurück, bey welcher Gelegenheit der räsansche Oberbefehlshaber Igor Miroslawitsch gefangen, und beym Anbruch des Tages zum Fürsten Swätoslaw gebracht ward.

 

Da Swätoslaw sahe, daß Wsewolod ein entscheidendes Treffen zu vermeiden suche, fertigte er seinen Beichtvater an ihn ab, um die Sachen zu einem gütlichen Vergleiche vorzubereiten. Wsewolod aber, der Swätoslaws Armee durch einen unthätigen Auffenthalt im Felde zu schwächen gedachte, nahm die Gesandten mit sich nach Wladimir, und hielt sie daselbst unter guter Aufsicht, ohne Swätoslaw irgend eine Antwort ertheilen zu lassen. Swätoslaw gab sich zwar, in Erwartung der Rückkunft seines Beichtvaters und seiner übrigen Gesandten, alle mögliche Mühe, an irgend einer Stelle mit Gewalt über den Fluß zu dringen, seine Leute wurden aber überall mit Verlust zurück geschlagen, so das er sich bey schon eintretendem Thauwetter zum Rückzuge anschicken mußte, auf welchem er sich unterweges der Stadt Dmitrow im susdalschen bemächtigte.

 

 

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Wsewolod ließ den abziehenden Feind durch seine auserlesensten jungen Leute, unter Anführung guter Befehshaber verfolgen, und befahl, ihn blos in engen Päßen anzugreifen, und sich seines Gepäckes und Kriegsgeräths zu bemächtigen, der feindlichen Armee selbst aber auszuweichen und sich durchaus in kein ernstliches Gefechte einzulassen, welches mit so glücklichem Erfolge bewerkstelliget ward, das beynahe alles feindliche Gepäcke erbeutet, oder zu Grunde gerichtet wurde. Da nun hierauf die Nachricht einlief, daß Swätoslaw Wsewolodowitsch ohne irgendwo Stand zu halten, ins Gebiet der Wätitschen fort eile, kehrte Wsewolod von seiner Seite gleichfalls nach Wladimir an der Kläsma zurück.

 

Swätoslaw Wsewolodowitsch hatte sich indessen aus dem susdalschen Gebiet von der Dubna zurück gezogen, entließ seinen Neffen Wsewolod Swätoslawitsch, und seine Söhne Olg und Jaropolk, in ihre Besizungen, und begab sich selbst nach Groß-Nowgorod, weil die Nowgoroder ihn zu sich eingeladen hatten.

 

Um diese Zeit brachen die Fürsten Jaroslaw Wsewelodowitsch Swätoslaws Bruder, und Igor Swätoslawitsch von Sewerien, durch einen Haufen Polowzer verstärkt, aus Tschernigow gegen Druzk auf, und ließen die Fürsten Wsewolod Swätoslawitsch Igors Bruder, und Olg des Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch Sohn, zur Vertheidigung der Stadt zurück.

 

 

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Jaroslaw und Igor waren indessen kaum ins polozkische Gebiet eingerückt, als die schon längst von ihrem Vorhaben benachrichtigte polozkische Fürsten, Brätschislaw Waßilkowitsch von Witepsk und dessen Bruder Swätoslaw Wasilkowitsch von Polozk, mit ihren eigenen und einigen litauischen Volkern, wie auch die Fürsten Wseslaw Davidowitsch von Logosh, Andrei Woloditsch und dessen Neffen Isäslaw Brätschislawitsch, und Waßilko Brätschislawitsch ihnen mit vereinigter Macht disseits Druzk entgegen kamen, die Fürsten David Rostislawitsch von Smolensk und Gleb Rochwoldowitsch aber, ihnen auf dem Fuße nachfolgten.

 

Diese vereinigten Fürsten suchten nunmehr bey jeder Gelegenheit ein Treffen zu liefern, die Fürsten Jaroslaw Wsewolodowitsch und Igor Swätoslawitsch hingegen, bemühten sich solches vor Ankunft des Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch aus Nowgorod sorgfältig zu vermeiden, und blieben deshalb sieben Tage lang, an einem festen Orte beym Fluße Drua stehen. Da aber Fürst Swätoslaw Wsewolodowitsch am achten Tage aus Nowgorod bey seinem Bruder Jaroslaw ankam, ließ er unverzüglich Brücken und Fähren anlegen, gieng bey Druzk über die Drua, und ließ den um diese Stadt befindlichen Ostrog zu Grunde richten.

 

David Rostislawitsch kehrte auf die Nachricht, daß Swätoslaw Wsewolodowitsch mit den

 

 

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Nowgorodern bey seinem Bruder Jaroslaw angekommen sey, nach Smolensk zurück; Swätoslaw hingegen entließ die Nowgoroder nach Hause, fuhr von Rogatschewo zu Wasser nach Kiew herab, und fertigte die Fürsten Jaroslaw und Igor zum voraus dahin ab, die ihn nebst den Polowzern bey Wüschgrad erwarteten.

 

Fürst Rurik Rostislawitsch, begab sich auf die Nachricht, daß Swätoslaw Wsewolodowitsch nebst vorgedachten Fürsten gegen Kiew anrücke, aus dieser Stadt nach Belgrad. Swätoslaw aber zog mit seinem Bruder Jaroslaw und seinem Neffen Igor in Kiew ein, und schickte die Polowzer unter Igors Anführung in die Gegend von Podljupsk.

 

Rurick Rostislawitsch erfuhr, daß die Polowzer bey Podljupsk stünden, und schickte den Fürsten Mstislaw Wladimirowitsch mit den Schwarzmützen, seinen Tusäzkoi Lasar mit der jungen Mannschaft, und die Befehlshaber Boris Sacharjewitsch und Dedoslaw Shiroslawitsch mit Mstislaws Schaar dahin ab, welche insgesamt aus Tripol aufbrachen, und die Polowzer ohne alle Vorsicht, neben ihnen aber Igors Truppen ohne ausgestellte Wachten und Vorposten, im Lager fanden.

 

Mstislaw Wladimirowitsch kam in der Nacht nahe an den Feind, erfuhr von den Schwarzmützen die von selbigem genommene Stellung, ordnete alles zur Schlacht an, und erwartete den Anbruch des Tages, worauf er die

 

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Polowzer schleunig angrif, bald in völlige Unordnung brachte und bis zum Flusse Tsertorje verfolgte. Igor warf sich nebst den polowzischen Fürsten Kontschak in einen Kahn, und kam glücklich in Gorodez, und von da in Tschernigow an.

 

Die polowzische Fürsten Kopa Saltanowitsch und Eltum Santschaks Bruder waren auf dem Plaze geblieben, zwey Söhne des Fürsten Kontschak nebst den Fürsten Tudor, Bäkub, Kunätschuk und Tschuga wurden gefangen, die siegende Feldherren aber kehrten zu ihrem Fürsten Rurik zurük, welcher wegen dieses Sieges ein Dankfest feierte, die Feldherren seiner Erkentlichkeit versicherte, und allen die sich tapfer gehalten hatten reiche Geschenke austheilte.

 

Nach diesem ansehnlichen Siege, ließ Rurik Rostislawitsch dem Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch durch seine Gesandten Frieden anbieten, und schloß selbigen auf die Bedingungen: daß Swätoslaw Kiew und das Vorrecht des Alters, Rurik aber Belgrad mit dem dazu gehörigen Gebiete am niedern Ufer des Dniepers besizen sollte; worauf beide Fürsten in beständiger Freundschaft und Eintracht lebten.

 

Nach diesem schickten die Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch von Kiew, und Rurik Rostislawitsch von Belgrad, gemeinschaftlich Gesandten an den Fürsten Wsewolod Jurjewitsch von Rostow, um ihn von dem zwischen ihnen geschloßenen Frieden und Bündnisse zu benachrichtigen

 

 

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und zugleich um die Befreiung des Fürsten Gleb Swätoslawitsch zu bitten.

 

Wsewolod, dem allgemeiner Friede und Ruhe am Herzen lag, entließ den Fürsten Gleb Swätoslawitsch, nachdem er ihn und alle seine Bediente beschenkt hatte, zu seinem Vater, traf wegen Groß-Nowgorod einen Vergleich, und schickte von seiner Seite den Fürsten Swätoslaw und Rurik Gesandten und Geschenke zu. Swätoslaw trat dem Fürsten Wsewolod, Nowgorod ab, und der Friede ward von beiden Theilen mit einem Eide bekräftiget.

 

Nach diesem zwischen den Fürsten Wsewolod Jurjewitsch und Swätoslaw Wsewolodowitsch wegen Nowgorod getroffenen Vergleiche, ließ ersterer aus Liebe für seine Nichte Prebrana, deren Gemahl Wladimir Swätoslawitsch in Nowgorod, und den Fürsten Jaropolk Rostislawitsch, Georgs Enkel, in Torshok.

 

Im Jahre 1182 aber fieng Jaroslaw Rostislawitsch an, sich verschiedene seinem Vaterbruder Wsewolod Jurjewitsch an der Wolga zugehörige Dörfer und Ländereyen zuzueignen, lezterer aber brach sogleich mit einigen Truppen gegen Torshok auf, umringte die Stadt, und hielt selbige einen ganzen Monath lang so enge eingeschlossen, daß die Einwohner aus Hunger Pferdefleisch zu essen genöthiget waren. Endlich ward Jaropolk Rostislawitsch, als er eines Tages die Stadt gegen einen Angrif der Belagerer vertheidigte, mit einem

 

 

 

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Pfeile verwundet, worauf die Einwohner den Muth verlohren und die Stadt übergaben.

 

Wsewolod Jurjewitsch schickte den Fürsten Jaropolk und die vornehmsten Einwohner von Torshok nach Wladimir an der Kläsma, kehrte selbst dahin zurück, und ließ indessen durch seine nachgelassene Truppen an der Mündung eines in die Wolga fallenden Flußes eine Schanze (Twerd) anlegen, bey welcher er strenge darauf zu sehen befahl, daß weder die Einwohner von Nowgorod noch die von Torshok die Wolga herab, auf unerlaubte Gewerbe ausgehen möchten. (Dieses ist der Ursprung der Stadt Twer.)

 

Als die Nowgoroder hievon, und von der von Seiten des Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch von Kiew, geschehenen Abtretung ihrer Stadt an dem Fürsten Wsewolod Jurjewitsch von Rostow Nachricht erhielten, beredeten sie ihren Fürsten Wladimir Swätoslawitsch zu seinem Vater nach Kiew zurück zu kehren, und liessen den Fürsten Wsewolod Jurjewitsch durch einige an ihn abgeordnete ansehnliche Männer, um einen andern Fürsten ersuchen, der ihnen seinen Verwandten Jaroslaw Wladimirowitsch, Mstislaws Enkel, zuschickte.

 

In diesem Jahre starb Fürst Jaropolk Rostislawitsch, Georgs Enkel, in seiner Gefangenschaft zu Wladimir an der Kläsma, an seinen Wunden.

 

 

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Auch starb am 4ten Junius dieses Jahres zu Wladimir an der Kläsma, Olga Fürstin von Halitsch, Schwester des Fürsten Wsewolod Jurjewitsch von Rostow, als Nonne Euphrosinia genannt, und ward daselbst in der Kirche der heiligen Mutter Gottes mit den vergoldeten Thürmen begraben.

 

Um diese Zeit entstand ein Krieg zwischen den Fürsten Waßilko von Drogotschin, Jaropolks Sohn, und Wladimir Wolodaritsch von Minsk. Ersterer zog durch einige Polen und Masowier verstärkt vor Brest, schlug den Fürsten Wladimir Wolodaritsch am Fluße Bug, nöthigte ihn nach Minsk zu flüchten, bemächtigte sich der Stadt Brest, hinterließ in selbiger den Bruder seiner Gemahlin, Fürsten von Masowien, mit einer polnischen Besazung, und kehrte selbst nach Drogotschin zurück.

 

Bald darauf brach Wladimir Wolodaritsch mit einigen geworbenen Truppen, und polozkischen Hülfsvölkern wiederum gegen Brest auf, eroberte die Stadt nach einer neuntägigen Belagerung, sezte die Masovier theils gegen Lösegeld, theils gegen seine eigene Gefangene in Freiheit, und rückte über den Bug, gegen den Fürsten Waßilko in Podlachien ein. Dieser stand damals mit einem ansehnlichen aus Polen und Masowiern bestehenden Heere jenseit Drogotschin am Fluße Nur, und ward daselbst von Wladimirn dergestalt geschlagen, das er kaum mit einigen wenigen

 

 

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seiner Leute zu seinem Schwiegervater Leschko entkommen konte, der hierauf wiederum einen Haufen Truppen zusammen brachte, Wladimirn aus Podlachien vertrieb, und über den Bug nach Brest zu fliehen nöthigte.

 

Waßilko Jaropoltschitsch war nicht im Stande den Polen die ihnen für ihre Hülfe versprochene Summe zu bezahlen, und sezte daher, weil er selbst keine Kinder hatte, seinem Schwiegervater in seinem ganzen Gebiete zum Erben ein.

 

Als Roman Mstislawitsch von Wladimir in Wolhynien hörte, das Waßilko Jaroslawitsch Podlachien seinem Schwiegervater abgetreten habe, zog er ungesäumt zu Felde, vertrieb Waßilko samt seinem Schwiegervater aus ganz Podlachien und bemächtigte sich selbst dieses Landes.

 

Im Jahre 1183, herschte in ganz Rußland allgemeine Ruhe, dergleichen man seit langer Zeit nicht genossen hatte.

 

In eben diesem Jahre vermählte Swätoslaw Wsewolodowitsch von Kiew, zwey seiner Söhne, den einen Gleb Swätoslawitsch mit der Tochter des Fürsten Rurik Rostislawitsch von Belgrad, den andern, Mstislaw Swätoslawitsch mit der jüngsten Schwester der Gemahlin des Fürsten Wsewolod Jurjewitsch von Rostow, welche beide Vermählungen mit grossen Feyerlichkeiten vollzogen wurden.

 

In diesem Jahre wurden die wolgischen Bolgaren, welche seit geraumer Zeit einen friedlichen

 

 

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Handel mit Rußland getrieben, und den Städten an der Wolga und Oka, Getraide und andre Waaren zugeführt hatten, auf der Wolga angefallen und ihrer Waaren beraubt. Sie beschwerten sich hierüber zu zwey verschiedenen malen beym Fürsten Wsewolod Jurjewitsch von Rostow, der ihnen aber, weil die Räuber theils Räsaner, theils Muromer, theils aus andern den abgetheilten Fürsten gehörigen Städten waren, kein völliges Recht verschaffen konte, und nur in seinem eigenen Gebiete zum Auffangen der Räuber Befehl ertheilte, ohne dazu auf der Wolga Anstalten treffen zu lassen. Da nun die Räuber endlich verschiedene an der Wolga gelegene bolgarische Städte und Dörfer verheereten, zogen die Bolgaren mit einer grossen Macht in Kähnen die Wolga herauf, richteten in der Gegend von Murom bis Räsan grosse Verheerungen an, und kehrten mit einer grossen Anzahl Gefangenen und vielem erbeuteten Vieh, in ihre Gegend zurück.

 

Als Wsewolod Jurjewitsch sahe, daß seine gegen die Bolgaren abgefertigten Truppen die ihnen anvertrauten Posten nicht behaupten konnten, ließ er den Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch von Kiew um Hülfe ersuchen, und meldete ihm schriftlich: „Das mächtige und reiche Volk der Bolgaren wäre die Wolga und Oka herauf gekommen, hätte viele Städte überfallen und viele Gefangene gemacht. Es sey nicht leicht

 

 

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sich gegen sie zu vertheidigen, weil die räsanischen Fürsten, obgleich leibliche Brüder, in Fehden verwickelt wären, und das Wohl des rußischen Vaterlandes wenig zu Herzen nähmen; die Polowzer aber zu Hülfe zu rufen wäre in diesem Falle nicht wohl zu rathen, da sie und die Bolgaren Sprach- und Stamm-Verwandte wären; auch wünsche er nicht die Polowzer unter seiner Anführung durch gemachte Gefangene zum Nachtheile des rußischen Reichs, reicher und mächtiger zu machen. Er habe also vielmehr ihn, den Fürsten von Kiew, um seine Unterstüzung und Hülfe gegen ein Volk von fremder Religion und Abstammung ersuchen wollen.“

 

Swätoslaw schickte dem Fürsten Wsewolod Jurjewitsch ungesäumt seinen Sohn Wladimir Swätoslawitsch zu Hülfe, und forderte seine Brüder und Neffen schriftlich dazu auf, welchem zufolge die Fürsten Jaroslaw Wsewolodowitsch von Tschernigow, und Igor Swätoslawitsch von Sewerien ihre Feldherren, David Rostislawitsch von Smolensk seinen Sohn Mstislaw Davidowitsch abfertigte, Isäslaw Glebowitsch von Perejaslawl aber seine Hülfstruppen in eigener Person anführte.

 

Die Fürsten fanden sich im Anfange des Frühlings bey der Oka ein, verlegten ihre Truppen nach Kolomna, Rostislaw und Borißew, befahlen Fahrzeuge auszurüsten, und begaben sich indeß nach Wladimir an der Kläsma, nemlich

 

 

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Isäslaw Glebowitsch aus Perejaslawl, Wladimir Swätoslawitsch aus Kiew, Mstislaw Davidowitsch aus Smolensk, Roman Glebowitsch und Igor Glebowitsch aus Räsan, und Wladimir Davidowitsch aus Murom. Wsewolod Jurjewitsch empfieng die Fürsten mit Liebe und Achtung, und bewirthete sie bey sich fünf Tage lang, worauf er, nach eingelaufener Nachricht: daß die Fahrzeuge fertig geworden, und die Truppen die Oka herab bis zur Mündung der Kläsma gekommen wären, mit ihnen am 20sten May nach Gorodez aufbrach, wo schon ein Theil seiner Armee in Bereitschaft stand. Ein anderer Theil seiner Truppen fuhr indessen die Kläsma herab, bis sich endlich die ganze Armee neben der Mündung der Oka vereinigte, da denn die Reutery unter Anführung einiger Feldherren zu Lande abgefertiget ward, die Fürsten selbst aber zu Wasser die Wolga herab fuhren.

 

Der Zug der ganzen Armee wurde bey dieser Gelegenheit so geordnet, daß Isäslaw Glebowitsch und Wladimir Swätoslawitsch im Vortrab waren, die Räsaner den Nachtrab ausmachten, die Fürsten von Murom und Smolensk aber mit dem Großfürsten sich in der Mitte befanden. Auf diese Weise kam man am 8ten Junius bey einer Insel neben der Mündung des Flußes Zewza (vielleicht Züvil) an, wo man die Reuterey vor sich fand, die übrigen Truppen ans Land sezte, die Kähne und übrigen Fahrzeuge

 

 

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unter Aufsicht und Bedeckung der Feldherren Foma Nasariewitsch mit der Beloserischen Schaar, eines gewissen Dorasai, der zuvor der Fürstin Olga von Halitsch gedienet hatte, und verschiedener anderer Befehlshaber zurück ließ, und die Fürsten zu Pferde ins Land der Bolgaren vorrückten, während daß die Morduanen sich mit dem Fürsten Wsewolod Jurjewitsch gütlich verglichen, und der Armee allerhand Lebensmittel zum Verkaufe zuführten.

 

Wsewolod Jurjewitsch blieb nicht weit von der Hauptstadt der Silber-Bolgaren bey dem Städtchen Tuchtschin (man glaubt daß diese Oerter am Fluse Züwil gelegen haben,) zwey Tage lang stehen, fertigte zum voraus eine streifende Parthey gegen besagte Stadt ab, und brach am dritten Tage selbst dahin auf. Die vorgedachte streifende Parthey erblickte ihrer Armee zur Seite einige Truppen im Lager, die man Anfangs für Bolgaren hielt, und sich daher zum Treffen anschickte; es fanden sich aber bald darauf fünf Männer von ihnen ein, die folgende Nachricht mitbrachten: „Sie wären Abgeordnete des polowzischen Fürsten Jamak, der auf die Nachricht, daß Wsewolod Jurjewitsch von Rostow mit einer Armee gegen die Bolgaren, ihre gemeinschaftlichen Feinde, im Anzuge sey, sich bey ihm erkundigen lasse: ob er ihm dem Feldzuge beyzuwohnen erlauben wolle?“

 

 

 

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Wsewolod Jurjewitsch berathschlagte sich mit den Fürsten und übrigen Befehlshabern, über die den Polowzern zu ertheilende Antwort, und beschoß selbige in Eid zu nehmen, und dem rußischen Heere zur Seite ziehen zu lassen, worin die Polowzer gern willigten und mit der ganzen Armee gegen die große Stadt (der Bolgaren) vorrückten.

 

Man kam endlich durch das Gebiet der Tscheremißen (welche an der Wolga, niedriger als die Morduanen, und höher als die Bolgaren wohneten) (*), vor der grossen Stadt an, und fand daselbst die ganze bolgarische Macht, theils in der Stadt, theils vor der Stadt verschanzt.

 

Isäslaw Glebowitsch von Perejaslawl, der den Vortrab anführte, ging gerade auf die Stadt zu, grif das aus den Verschanzungen ausgerückte Fußvolk an, und trieb es bis zur Stadtpforte zurück, ward aber selbst mit einem Pfeile, der ihm unter der Brust durch den Harnisch drang, so schwer verwundet, daß man ihn auf den Händen nach dem Lager tragen mußte. Dieser Vorfall versezte sowohl den Fürsten Wsewolod Jurjewitsch, als alle übrige Fürsten und die ganze Armee in große Betrübnis, weil Isäslaw wegen seiner Tapferkeit und guten Anführung seiner Truppen, von allen geliebt und geehret wurde.

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(*) Ungefähr von der Mündung der Rußa, bis zur Swiäga.

 

 

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Unterdessen hatten die Bolgaren verschiedene unter ihrer Oberherrschaft stehende Völker, als die an der Kama wohnende Seben und Elmaten (der Fluß Kama, hieß bey den Bolgaren Elmata und Pigara,) wie auch die sogenannten Mstilen und Djuditschen (*) aus allen umliegenden Städten und Gegenden zusammen gebracht, und fertigten selbige nebst einem Haufen Reuterey aus der Stadt Torzes gegen die Insel ab, wo die rußischen Fahrzeuge zurückgeblieben waren.

 

Die rußischen Feldherren erwarteten hier den Feind nicht in ihrer Verschanzung, sondern gingen ihm bis zum Ufer entgegen, und schlugen ihn mit solchem Verlust zurück, daß er den Fahrzeugen nicht den geringsten Schaden zufügen konnte.

 

Wsewolod Jurjewitsch hatte nunmehr schon zehn Tage lang vor der Hauptstadt der Silber-Bolgaren gestanden, als der bolgarische Fürst einige seiner Großen mit Friedensvorschlägen zu ihm abschickte. Wsewolod ließ sich die Vorschläge gefallen, empfieng von den Bolgaren ansehnliche Geschenke, ließ sich alle zur Stelle befindliche rußische Gefangene ausliefern, erhielt die Versicherung daß alle übrige weiter ins Land verschickte Gefangene, unverzüglich in Freiheit gesezt

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(*) Die Abkunft dieser Völkerschaften ist bis jezt unbekannt.

 

 

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werden sollten, und brach mit der ganzen Armee nach der Gegend auf, wo man die Fahrzeuge auf einer Insel zurück gelassen hatte, und wo er bey seiner Ankunft die erste Nachricht, von dem vorgefallenen Angriffe und der tapfern Vertheidigung der Fahrzeuge erhielt.

 

Am folgenden Tage starb Fürst Isäslaw Glebowitsch von Perejaslawl; dessen Leiche in einen Kahn gelegt, und nach Wladimir an der Kläsma geführt wurde.

 

Wsewolod Jurjewitsch trat hierauf zu Wasser seinen Rückzug an, und fertigte beym Flusse Sura seine Reuterey gegen die Morduanen ab, welche die bey ihnen vorbeyziehende rußische Armee im Rücken angegriffen hatten. Die hiezu abgefertigten Befehlshaber kamen bald mit einer großen Anzahl Gefangenen vom Flusse Zna zum großen Heere zurück.

 

Wsewolod ließ gleich nach seiner Ankunft in Wladimir, den Leichnam des Fürsten Isäslaw Glebowitsch von Perejaslawl in der Kirche zur heiligen Mutter Gottes zur Erde bestatten.

 

In eben diesem Jahre liefen aus den Gränzdörfern des pskowischen Gebiets, viele Klagen gegen die Litauer ein, welche aus den Wäldern feindliche Einfälle gethan, und viel Unheil und Schaden angerichtet hatten. Die Pskower ließen deshalb ihren Tüsäzkoi Budila ins litauische Gebiet einrücken, der bald mit vielen Gefangenen zurück kam.

 

 

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Um diese Zeit kamen die Polowzer, ungeachtet sie dem Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch von Kiew, sich friedlich zu betragen versprochen hatten, unter Anführung der Fürsten Kontschak und Uleb Tureewitsch, vor Dmitrow, erkundigten sich daselbst bey einem gefangen genommenen perejaslawischen Kaufmanne nach dem Zustande der rußischen Armee, und kehrten nach erhaltener Antwort: daß die rußischen Fürsten mit ihren Truppen jenseit des Supoi stünden, eiligst in ihre Gegend zurück.

 

Swätoslaw Wsewolodowitsch von Kiew brach auf die Nachricht von dem Anzuge der Polowzer, nebst dem Fürsten Rurik Rostislawitsch von Belgrad, nach Olshitschi auf, und erwartete daselbst seinen Bruder Jaroslaw Wsewolodowitsch von Tschernigow. Dieser rieth bey seiner Ankunft, den Feldzug bis zum Sommer aufzuschieben, welchem zufolge die Fürsten sogleich sämtlich ihren Rückzug antraten.

 

Im Jahre 1184, fertigte Swätoslaw Wsewolodowitsch von Kiew, nach genommener Verabredung mit dem Fürsten Rurik Rostislawitsch, seine Söhne gegen die Polowzer ab, und bat den Fürsten Igor Swätoslawitsch von Sewerien, schriftlich: er möchte in seinem Nahmen, als der älteste der Fürsten, die Anführung der Armee übernehmen.

 

Rurik Rostislawitsch von Belgrad, schickte an seiner Stat den Fürsten Wladimir Glebowitsch

 

 

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von Perejaslawl, der sich beym Fürsten Igor Swätoslawitsch von Sewerien die Anführung des Vortrabs ausbat, und nach erhaltener abschlägigen Antwort, mißvergnügt zurück kehrte.

 

Um diese Zeit fielen die Polowzer ins sewerische Gebiet ein, und richteten vielen Schaden an.

 

Igor Swätoslawitsch übergab nach der Abreise des Fürsten Wladimir, dessen Truppen der Anführung seines Neffen Olg Olgowitsch, vereinigte sich mit seinem Bruder Wsewolod Swätoslawitsch, mit dem Fürsten Wsewolod, einem Sohne des Fürsten Swätoslaw von Kiew, mit den Mstislawitschen Andrei und Roman, Isäslaws Enkeln, und mit einigen Schwarzmüzen, unter der Anführung ihrer Fürsten Kuder und Kontuwdei, und rükte weiter gegen die Polowzer vor. Als er nun bis an den Fluß Cherei gekommen war, fiel in derselben Nacht ein sehr starker Regen, wodurch das Wasser im Fluße dergestalt anwuchs, daß man nicht bis zu den Lagerplätzen der Polowzer kommen konnte, wogegen aber alle diejenigen Polowzer, die sich auf der Seite des Flußes, wo die rußische Armee stand, aufhielten, theils gefangen genommen, theils in den Fluß getrieben wurden. Indessen ward alles dieses in den polowzischen Lagerplätzen bekannt, und gab den Polowzern Gelegenheit sich weiter ins Land zurück zu ziehen.

 

 

 

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In diesem Jahre starb in Polozk der Bischof Dionysii, und in Rostow der Bischof Leon, dessen Stelle vom Mitropoliten Nikiphor, mit einem Griechen Namens Nikolai besezt ward.

 

Wsewolod Jurjewitsch von Rostow, nahm leztern nicht an, sondern schickte ihn wieder zurück, und fertigte den Abt des Heilands-Klosters auf Berestow, nebst einigen Bojaren mit folgendem Auftrage an den Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch von Kiew und dem Mitropoliten ab: „Der Mitropolit habe kein Recht gehabt, den Griechen Nikolai ohne seine Erlaubnis zum Bischofe zum weihen, weil dieses den Vorschriften der Kirchenversammlungen zuwider sey, welchen zufolge ein Bischof nach dem Wunsche und Willen des ganzen Volks gewählt werden müße. Da nun der Fürst das Haupt des Volkes sey, so werde er den Nikolai nicht annehmen, sondern habe vielmehr den Luka, in Rücksicht seiner Gelehrsamkeit, Sanftmuth und Demuth gewählt, welchen er hiemit zu seiner Weyhe nach Kiew schicke.“

 

Der Mitropolit mußte sich zur Beobachtung der kirchlichen Vorschriften bequemen; er ließ den Nikolai das Amt eines Eparchial-Bischofs niederlegen, und sezte den Kuka am 2ten März 1185, zum Bischofe von Rostow ein. Dieser Mann war ruhig in seinem Betragen, mildthätig gegen die Armen, Wittwen und Waysen, freundlich gegen jederman, thätig zur Lehre

 

 

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und Besserung, und bey allem Volke beliebt.

 

Am 13ten April dieses Jahres brannte fast ganz Wladimir an der Kläsma ab, wobey die Hauptkirche zur heiligen Mutter Gottes, zwey und dreysig andre Kirchen, und das fürstliche Haus vom Feuer verzehrt wurden.

 

Wsewolod Jurjewitsch ließ unverzüglich alle Kirchen aus seinen Mitteln aufbauen, und unterstüzte die unvermögenden Einwohner zum Bau ihrer Wohnungen; auch bezeugte sich seine Gemahlin sehr freygebig gegen die Armen.

 

In demselben Jahre vereinigte sich Swätoslaw Wsewolodowitsch von Kiew mit den Fürsten Rurik Rostislawitsch von Belgrad, zu einem Feldzuge gegen die Polowzer, und ließ solches allen benachbarten Fürsten bekannt machen, welche diesem Bündniße gern beytraten; so daß außer den vorgenannten folgende Fürsten an diesem Feldzuge Antheil nahmen: Mstislaw und Gleb, Söhne des Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch von Kiew, Wladimir Glebowitsch von Perejaslawl, Wsewolod Jaroslawitsch aus Luzk, und dessen Bruder Mstislaw, Mstislaw Romanitsch und Isäslaw Davidowitsch Rostislaws Enkel, Mstislaw Wladimirowitsch von Gorodensk, und Jaroslaw Jurjewitsch von Pinsk mit seinem Bruder Gleb Jurjewitsch von Dobrowizk; auch fanden sich einige Truppen aus Halitsch unter Anführung eines Feldherrn ein. Die Brüder des Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch,

 

 

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Jaroslaw und Jaropolk, entschuldigten sich, daß sie diesem Feldzuge am Dnieper, wegen der weiten Entfernung ihrer Besizungen, nicht beywohnen könnten, wenn man aber zu Lande gegen den Donez ziehen wollte, so würden sie sich zur Vereinigung mit den übrigen Fürsten bereit halten.

 

Swätoslaw Wsewolodowitsch, brach ohne seine ältesten Söhne aus dem tschernigowschen Gebiete, und verschiedene andre Fürsten abzuwarten, mit der Armee auf, rückte neben dem Dnieper fort, und sezte bey der sogenannten Fürsten-Fuhrt (Knäshin-Brod), auf die feindliche Seite des Flußes über. Er ging hierauf über den Fluß Ugl, (Orel) blieb daselbst, um einige der nachgebliebenen Truppen abzuwarten fünf Tage lang stehen, und schickte unterdessen den Fürsten Wladimir Glebowitsch von Perejaslawl, und unter ihm seine beiden Söhne Gleb und Mstislaw, nebst den Fürsten Mstislaw Romanowitsch, Gleb Jurjewitsch von Dobrinsk, Mstislaw Wladimirowitsch und 1500 Mann Berendeer zum voraus ab, welche in der Nähe des Feindes Halt machten, und von selbigem ohne Verzug angegriffen wurden.

 

Wladimir Glebowitsch hatte, nach dem Bericht der Geschichte, selbst um die Anführung des Vortrabs gebeten, theils weil sein Gebiet den Polowzern am nächsten lag, und von ihnen oft verwüstet worden war, theils weil er sich unter seinen Brüdern durch ruhmvolle Thaten auszeichnen

 

 

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wollte. Er gab sich daher alle mögliche Mühe die Truppen in guter Ordnung zu erhalten, verbot aufs strengste, daß niemand aus den Reihen heraustreten möchte, und befahl daß alle gemeinschaftlich und in geschloßenen Gliedern fechten sollten, wobey er den Fürsten Gleb Swätoslawitsch und Gleb Jurjewitsch, die Anführung des rechten, den Fürsten Mstislaw Romanowitsch und Mstislaw Wladimirowitsch, die Anführung des linken Flügels anvertrauete, sich selbst aber mit den übrigen Fürsten die Anführung des Haupttreffens vorbehielt. Als er solchergestalt bis nahe an die Polowzer vorgerückt war, ließ er sogleich den Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch, der von ihm um eine ganze Tagereise entfernt war, benachrichtigen, daß der Feind in der Nähe und keine Zeit zu verlieren sey.

 

Die Polowzer thaten sogleich den ersten Angrif, Wladimir aber ging gerade auf sie zu, brachte sie durch einen herzhaften Angrif zum Weichen, sezte ihnen bis zum Mittage nach, und zog sich mit einer großen Menge Gefangenen gegen den Orel zurück, um sich dadurch Swätoslawen zu nähern. .

 

Unterdessen brachte der polowzische Fürst Kobäk, wieder einen Theil der geschlagenen Truppen zusammen, folgte Wladimirn auf dem Fuße nach, erreichte ihn beym Anbruche des Morgens, und ließ mit Pfeilen über den Fluß schießen, wogegen ihm die rußischen Truppen von ihrer Seite

 

 

 

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den Uebergang streitig machten. Wladimir ließ den Fürsten Swätoslaw von Kiew und Rurik von Belgrad Nachricht geben, daß die Polowzer von neuem vorgedrungen wären, und erhielt auf seine Bitte einige Verstärkung, nebst der Versicherung daß ihm die ganze Armee zu Hülfe eile, ward aber indeß von den Polowzern, die sich stündlich vermehrten, sehr in die Enge getrieben, bis diese von den Gefangenen den Anmarsch der übrigen rußischen Armee erfuhren, und sich zur Flucht anschickten, worauf Wladimir selbst über den Fluß ging, die Polowzer tapfer angrif, besiegte, und bis in ihre Lagerpläze verfolgte.

 

In diesem Treffen sowohl, als in den polowzischen Lagerpläzen, wurden folgende Fürsten gefangen genommen: Kobäk Katliewitsch mit zweyen seiner Söhne, Biljulkowitsch und dessen Eidam Tawlü, mit seinem Sohne und Bruder Takmüsch, Oßolukow, Babak, Togbä, Danila, Sodwik, Kolobizkoi, Baschkart, und Korä Kalotanowitsch. Auf dem Plaze hingegen blieben: Tarug und Sugleb Terjeditsch, Iskan, Oläk, Aturii mit seinem Sohne, Tetri gleichfals mit seinem Sohne, und Turundei. Die gefangenen Polowzer machten mit den aus der feindlichen Gefangenschaft befreyten Rußen überhaupt gegen sieben tausend Mann aus. Dieser Sieg ward am 1sten Julius an einem Montage erfochten.

 

 

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Swätoslaw von Kiew, und Rurik von Belgrad, feyerten an der Stelle wo sie den Sieg erfochten hatten Gott dem Herrn ein Dankfest, lobten mit rühmlicher Erkentlichkeit die Tapferkeit und gute Anordnungen des Fürsten Wladimir Glebowitsch von Perejaslawl, und gaben ihm zur Belohnung das Lösegeld der unter seiner Anführung gemachten Gefangenen, welches er unter seine Leute vertheilte, und hierauf so wie alle übrige Fürsten in seine Besizungen zurück kehrte.

 

Als Igor Swätoslawitsch erfuhr, daß Swätoslaw Wsewolodowitsch von Kiew, gegen die Polowzer zu Felde gezogen sey, berief er seinen Bruder Wsewolod und seinen Neffen Swätoslaw Olgowitsch zu sich, und that ihnen und seinen großen den Vorschlag, während das die Polowzer gegen Swätoslaw zu Felde wären, ihre Lagerpläze am Donez anzufallen. Die Fürsten liessen sich diesen Vorschlag gefallen, brachen mit vereinigter Macht auf, und trafen am Flusse Merl einen Haufen Polowzer unter Anführung eines gewissen Oboßlei Kestupowitsch an, welcher ohne sich in ein Treffen einzulassen, die Flucht ergrif. Die rußischen Fürsten sezten ihm nach, machten viele Gefangene und kehrten mit selbigen in ihre Besizungen zurück.

 

Um diese Zeit fiel Wladimir Jaroslawitsch, ein Sohn des Fürsten Jaroslaw Wladimirowitsch von Halitsch, bey seinem Vater in Ungnade und kam nach Wladimir in Wolhynien zum Fürsten

 

 

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Roman Mstislawitsch, Isäslaws Enkel, der als ein Freund seines Vaters ihn nicht bey sich aufnehmen wollte. Er verfügte sich hierauf zu seinem Schwiegervater Swätoslaw Wsewolodowitsch von Kiew, der ihm, einem ehemals den Fürsten Rurik von Belgrad und Jaroslaw von Halitsch geleisteten Versprechen zufolge, keinen Auffenthalt in seinem Gebiete gestatten wollte. Er begab sich also zu seinem Schwager Igor Swätoslawitsch von Sewerien nach Dorogobush, von da weiter zum Fürsten Swätopolk nach Turow, und bald darauf von da zum Fürsten David Rostislawitsch Mstislaws Enkel, nach Smolensk, welcher ihn nach Susdal zu seinem Oheime Wsewolod Jurjewitsch von Rostow, begleiten ließ. Von hier reisete er wieder zu seinem Schwager Igor Swätoslawitsch von Sewerien nach Putiml, der ihn dieses mal mit freundschaftlicher Achtung aufnahm, ihn zwey Jahre lang bey sich behielt, und unterdessen alle Mühe anwandte, ihn durch Vermittelung verschiedener rußischen Fürsten, wieder mit seinem Vater auszusöhnen, wozu sich Jaroslaw Wladimirowitsch endlich bewegen ließ.

 

Igor Swätoslawitsch ließ hierauf Wladimirn durch seinen Sohn Swätoslaw nach Halitsch begleiten, wo Jaroslaw ihn gütig aufnahm, ihm Swinograd zu seinem Unterhalt, Halitsch aber zu seiner Wohnung anwies, und den Fürsten Swätoslaw reichlich beschenkt zu seinem Vater zurück schickte.

 

 

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Im Jahre 1185, näherte sich der polowzische Fürst Kontschak mit vielem Volke der rußischen Grenze, und hatte nach dem Bericht der Geschichtschreiber einen Mann bey sich, der die Kunst mit Feuer zu schießen verstand, und ein Selbstgeschoß mit sich führte, das auf einem großen Lastwagen befestiget war, und kaum von acht Mann gespannt werden konnte. Mit diesem leztern konte er Steine, an denen ein Mann zu heben hatte, mitten in eine Stadt werfen, zum Feuerschießen aber hatte er, ein besonderes kleineres Werkzeug.

 

Kontschak machte, in Erwartung seiner nachgebliebenen Leute, am Fluße Chorol Halt, und fertigte unter dem Vorwande friedlicher Unterhandlungen einen Gesandten an den Fürsten Jaroslaw Wsewolodowitsch nach Tschernigow ab.

 

Jaroslaw, traute zwar den Polowzern und ihrer Gesandtschaft nicht, sandte aber dem ungeachtet von seiner Seite seinen Bojaren Olstin Oletisch an den Fürsten Kontschak ab.

 

Da unterdessen Fürst Swätoslaw Wsewolodowitsch von Kiew Nachricht erhielt, daß Kontschak mit vielem Volk vor Tschernigow angekommen sey, versammelte er unverzüglich alle seine Truppen, ließ den Fürsten Jaroslaw Wsewolodowitsch hievon benachrichtigen, und forderte selbigen zum eiligen Aufbruche auf.

 

Er ging hierauf mit dem Fürsten Rurik Rostislawisch von Belgrad, ohne Verzug über

 

 

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den Dnieper und erfuhr unterweges von einigen aus dem polowzischen Gebiet kommenden Kaufleuten, daß der polowzische Fürst Kontschak am Chorol stehe, und daß ihm eine zahlreiche Armee auf dem Fuße nachfolge.

 

Jaroslaw Wsewolodowitsch von Tschernigow weigerte sich, mit seinem Bruder Swätoslaw Wsewolodowitsch von Kiew zu Felde zu ziehen, weil er einen Gesandten an den Fürsten Kontschak abgefertiget hatte; Swätoslaw aber verwies ihm daß er seinem Feinde traue, und Rußland zu vertheidigen Bedenken trage.

 

Swätoslaw Wsewolodowitsch von Kiew, und Rurik Rostislawitsch von Belgrad erfuhren indessen, daß die Polowzer in der Nähe wären, und schickten die Fürsten Mstislaw und Wladimir, mit den vorerwähnten ihnen zu Wegweisern gegebenen Kaufleuten, zur Auskundschaftung des Feindes ab, der zwar nicht an dem angezeigten Orte zu finden war, aber jenseit des Chorol von einigen Leuten, die sich von einem hohen Strohschober nach ihm umsahen, in den Niederungen beobachtet wurde,

 

Der vom Fürsten Jaroslaw Wsewolodowitsch aus Tschernigow abgefertigte Gesandte Olstin Oletitsch, hatte sich von seinem Wege verirrt, und traf auf diese rußische Parthey, welche ihn mit sich zurückführte.

 

Swätoslaw Wsewolodowitsch brach auf diese von seinen Söhnen erhaltene Nachricht, in der

 

 

 

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Nacht eiligst auf, ging beym Anbruch des Tages über den Chorol, stellete seine Leute auf einer Anhöhe in Schlachtordnung, und fiel den Feind mit vieler Heftigkeit an. Kontschak ließ sich zwar, so unbereitet er war, ins Gefecht ein, ward aber von seinen jenseit der Anhöhen stehenden Leuten nicht unterstüzt, und sahe sich bald zur Flucht gezwungen. Die rußischen Fürsten erbeuteten nach diesem Siege das ganze Gepäcke der Polowzer, nebst vielen Pferden, Kameelen, und einer Menge verschiedener Waffen, auch wurde Kontschaks Gemahlin, wie auch der Feuerschießende Mann mit allen seinem Geräthe, gefangen zum Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch gebracht.

 

Die Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch und Rurik von Belgrad, schickten hierauf sechstausend Mann unter Anführung des Feldherrn Kuntuwdei zur Verfolgung des Feindes ab, man holte ihn aber nicht ein, weil man ihm, wegen des eingefallenen Frostes und Schneegestöbers, nicht wohl auf die Spur kommen konnte.

 

Die Fürsten feierten nach erfochtenem Siege ein Dankfest, und kehrten jeder in sein Gebiet zurück. Das Treffen war am 1sten März vorgefallen, Swätoslaw Wsewolodowitsch aber kam am 22sten März wieder in Kiew an.

 

Fürst Igor Swätoslawitsch von Sewerien, hatte auf die erste Nachricht von dem Feldzuge der Fürsten Swätoslaw von Kiew

 

 

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und Rurik von Belgrad seine Truppen zusammen gezogen, und wollte durchs freie Feld zu ihnen stoßen. Er zog ungeachtet der Vorstellung seiner Bojaren: daß er die verbündeten Fürsten die acht Tage vor ihm aufgebrochen waren, schwerlich einholen würde, eiligst an der Sula fort. Da aber am 26sten Februar, so ungestümes Wetter einfiel, daß man gar keinen Weg finden und auf der Stelle stehen bleiben mußte, ward das vor erwähnte Treffen vor seiner Ankunft geliefert, worauf er von Swätoslaws Siege Nachricht erhielt, und mit Bedauern daß er an dieser Ehre keinen Antheil gehabt hatte, in sein Gebiet zurück kehrte.

 

Im Frühlinge dieses Jahrs schickte Swätoslaw Wsewolodowitsch von Kiew, seinen Feldherrn Roman Gnesdilowitsch, mit einem Haufen Berendeer am Dnieper herab gegen die Polowzer, welcher am ersten Ostertage, den 21sten April, einen polowzischen Lagerplaz überfiel und mit vielen Gefangenen und vielem Vieh zurück kam.

 

Igor Swätoslawitsch von Sewerien, zog bald nach seiner Rükkunft nach Nowgorod-Sewerskoi, wiederum seine Truppen zusammen, berief seinen Bruder Wsewolod Swätoslawitsch aus Trubtschewsk, seinen Neffen Swätoslaw Olgowitsch aus Rülsk, und seinen Sohn Wladimir aus Putiml zu sich, erhielt vom Fürsten Jaroslaw Wsewolodowitsch von Tschernigow einige Truppen, unter Anführung des Olstin Olestisch

 

 

 

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zu Hülfe, brach am 13ten April, aus Nowgorod gegen die Polowzer auf, und zog, um mehrere Truppen an sich zu ziehen, und die Pferde, welche sehr gut bey Leibe waren, nicht durch starke Anstrengung abzumatten, ganz langsam gegen den Donez fort.

 

Unterdessen ereignete sich am ersten May eine so starke Sonnenfinsternis, daß man nur einen kleinen Theil der Sonne, so wie ein Mondes-Viertel, über den Bergen sahe, und die Sterne am Himmel erschienen. Verschiedene von Igors Hofleuten erklärten dieses für eine böse Vorbedeutung, Igor aber antwortete ihnen: „schwache Geister, feige, furchtsame und abergläubische Leute, sehen jede außerordentlichte Begebenheit für eine Vorbedeutung an, und sezen dadurch ihres Gleichen in Schrecken; weise Heerführer aber sprechen dem Volke Muth ein, und bereiten es dadurch zum Siege und zur Ueberwindung des Feindes.“ Er sezte sogleich über den Donez, rückte bis zum Fluße Oskol vor, und wartete zwey Tage lang auf seinen Bruder Wsewolod, der auch daselbst auf einem andern Wege aus Kursk eintraf.

 

Nach dieser Vereinigung kam die Armee zum Fluße Salniza, wo sich eine vorher zur Auskundschaftung des Feindes und Auftreibung einiger Gefangenen abgefertigte Parthey mit der Nachricht einfand, daß man einen Haufen Polowzer in Panzern reiten gesehen habe. Da man

 

 

 

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nun hieraus schloß, daß die Polowzer von Igors Zuge zum voraus benachrichtiget wären, so riethen verschiedene zum Rükzuge, andre aber behaupteten: daß ein Rükzug bey solchen Umständen nichts als Schimpf und Schande, die ärger als der Tod sey, gewähre, und daß man im Vertrauen auf Gott dem Feinde entgegen gehen müsse. Man zog hierauf die ganze Nacht dem Feinde entgegen, und ward am folgenden Tage, welcher auf einen Freytag fiel, um Mittagszeit einen ansehnlichen Haufen Polowzer gewahr, der eben sein Lager abgebrochen hatte, und sich zurück zog.

 

Die rußische Armee war jezt bis zum Fluße Suugli gekommen und theilte sich in sechs Schaaren. Igor nemlich stand mit den Seinen in der Mitte, sein Bruder Wsewolod auf den rechten und sein Neffe Swätoslaw auf dem linken Flügel, sein Sohn Wladimir stand mit zweyen Schaaren im Vortrabe, Jaroslaws Truppen aber unter Olstins Anführung und die Koueden *) unter Anführung ihrer Befehlshaber Kontschak Kasibarowitsch und Tuskobitsch machten den Nachtrab aus, um die übrigen wo es nöthig seyn

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*) Einige Schriftsteller behaupten, die Koueden wären ein, mit den rußischen Fürsten verbündeter polowzischer Stamm gewesen, eben derselbe aus welchem die rußischen Fürsten oft polowzische Prinzeßinnen zur Ehe genommen haben.

 

 

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würde zu unterstützen; ausser diesen hatte man alle Bogenschützen zusammen genommen, und sie als das erste Treffen an die Spize gestellt.

 

Nachdem Igor die Truppen solchergestallt in Schlachtordnung gestellt hatte, ließ er alle Fürsten und Befehlshaber zu sich rufen, und sprach zu ihnen: „Wir kamen hieher die Feinde aufzusuchen, die wir jezt vor uns sehen; ich bemerke aber auf verschiedenen Gesichtern Spuren des Trübsinns, der mich auf eine gar zu frühzeitige Muthlosigkeit schliessen läßt. Da es nun jezt unumgänglich nöthig ist, sich mit Stärke des Geistes zum Streit zu rüsten, und im Vertrauen auf Gott zu siegen, oder zu sterben, so trete jeder der nicht Lust zum Gefechte hat, lieber gleich jezt zurück, wozu ich einem jeden Zeit gebe; ich selbst kan nicht mit Schimpf und Schande umkehren.

 

Igor ließ dieses unter dem ganzen Heere bekant machen, ohne daß jemand Lust zur Rükkehr bezeigte, er rückte hierauf an den Fluß Snugli vor, wo ihm eine Parthey polowzischer Bogenschützen entgegen kam, die einmal ihre Pfeile abschoß und davon floh.

 

Da die Feldherren des rußischen Heeres die feindlichen Schützen fliehen sahen, hinter ihnen aber ein großes feindliches Heer gewahr wurden, riethen sie, sich nicht mit der Verfolgung der Flüchtigen abzugeben, die jungen Fürsten aber fühlten sich voll Muth und Streitbegierde, und achteten

 

 

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den Rath der Alten nicht. Swätoslaw Olgowitsch und Wladimir Igorewitsch, die vor der Zeit Ruhm zu erndten suchten, ohne daran zu denken, daß man sich dazu durch Kenntnisse und Erfahrung vorbereiten müsse, sezten mit dem tschernigowschen Feldherrn Olstin, ohne den Befehl der ältern Fürsten abzuwarten, über den Fluß, und griffen die Polowzer an, wodurch Igor Swätoslawitsch ihnen, obgleich langsam und in geschlossener Ordnung, zu folgen gezwungen ward.

 

Die Polowzer zogen sich vom Fluße hinter einer Anhöhe zurück, die rußischen Vortruppen aber zerstreuten diejenigen die ihnen am nächsten waren, und nahmen einige von ihnen gefangen, drangen hierauf weiter bis ins Lager der Polowzer vor, machten daselbst viele Gefangene, schickten selbige zur Haupt-Armee, und blieben selbst auf der Stelle des Gefechtes stehen. Igor hörte indessen, daß die Polowzer sich in sehr großer Menge zusammen gezogen hätten, und ließ seinem Sohne Wladimir und seinem Neffen Swätoslaw, Befehl zum Rückzuge ertheilen, erhielt aber von ihnen zur Antwort: daß ihre Pferde sehr ermüdet wären, und einige Erholung nöthig hätten. Er berief hierauf die Fürsten und Feldherren zu sich, und stellte ihnen vor: daß man nach einem über die Polowzer erhaltenen Siege nun nicht weiter vorzurücken verbunden sey, und schickte sich zum allgemeinen Rückzuge an, welchen zu decken, er eine Parthey der bestberittensten

 

 

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Leute nachließ. Indessen kamen auch Swätoslaw Olgowitsch und Wladimir Igorewitsch zur Haupt-Armee zurück, und stelleten ihren Vaterbrüdern vor: sie hätten die Polowzer weit verfolgt, und dadurch ihre Pferde dergestalt abgemattet, daß wenn man sogleich aufbrechen sollte, sie der Armee unmöglich folgen könten. Diese Vorstellung fand zwar Anfangs bey niemanden Beyfall, weil alle sogleich bis zum Fluße zurück zu kehren riethen, da aber Wsewolod seinem Neffen Zeit zum Ausruhen gab, brach die ganze Armee nicht eher als kurz vor Anbruch des Tages gegen den Donez auf.

 

Indessen fielen die Polowzer am frühen Morgen die rußische Armee im freyen Felde an, und umringten sie.

 

Jezt fingen viele an sich über Igorn zu beschweren, daß er sie zu ihrem Untergange in die Wüste geführt habe, Igor aber antwortete: es sey nun keine Zeit Vorwürfe zu machen, sie müßten auf Gott vertrauen, einmüthig streiten, und ihre Hände zur Vertheidigung ihrer Ehre gebrauchen. Hierauf stiegen alle Fürsten von ihren Pferden ab, und zogen sich zu Fuß gegen den Donez zurück, um solchergestalt mit ihren Truppen gleiches Glück und Unglück zu theilen, welches so lange glücklich von stattten gieng, bis Igor so schwer am linken Arme verwundet ward, daß er selbigen nicht weiter gebrauchen konnte. Dieses verbreitete zwar in der ganzen Armee

 

 

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große Muthlosigkeit, der Rückzug wurde aber doch bis zum Abende und die ganze folgende Nacht durch, unter beständigem Gefechte, in welchem von beiden Seiten viele Leute blieben, in guter Ordnung fortgesezt, bis am Sonntage des Morgens die Schaar der den rußischen Fürsten verwandten Polowzer in Unordnung, und zum Weichen gebracht ward.

 

Igor sezte sich jezt zu Pferde und versuchte die Flüchtigen aufzuhalten, konnte aber damit so wenig zu Stande kommen, daß er seinen schweren Helm abwerfen und eiligst zu den seinen zurükkehren mußte, bey welcher Gelegenheit er von den Polowzern erkant, umringt, einen Pfeilschuß weit von seiner Schaar abgeschnitten, und lebendig gefangen ward.

 

Igors Bruder Wsewolod strengte zwar alle seine Tapferkeit zu desen Befreyung an, konnte aber nichts ausrichten, obgleich er das Gefecht neben einem See so lange fortsezte, bis er keinen einzigen Pfeil mehr übrig hatte und seine Lanze zerbrochen war.

 

Die Polowzer drangen indessen immer heftiger und näher an, schossen auf die ermüdeten rußischen Truppen mit Bogen und Selbstgeschossen eine ungeheure Menge Pfeile ab, und nahmen alle die nicht auf dem Plaze blieben, nebst allen Fürsten, überhaupt mehr als 5000 Mann gefangen. So endigte sich dieses unglückliche Treffen, wodurch ganz Rußland, besonders aber

 

 

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das sewerische Fürstenthum mit Trauren und Klagen erfüllt ward.

 

Nach diesem theilten die Polowzer die rußische Gefangene unter sich, da Igor Swätoslawitsch zwar dem Heerführer der Torken Gilbuk zu Theil ward, nachher aber, seiner Wunden wegen, vom Fürsten Kontschak auf Bürgschaft zu sich genommen ward. Wsewolod Swätoslawitsch fiel dem polowzischen Fürsten Roman, Swätoslaw Olgowitsch dem Elbutschok Bartschewitsch, und Wladimir Igorewitsch dem Kuptuwul Schektschewitsch zu; alle übrige rußische Befehlshaber und Kriegsleute aber, wurden unter die verschiedene polowzische Stämme vertheilt, außer 215 Mann, die sich durch die Polowzer durchschlugen und nach Rußland zurück kamen. Von den Koujeden waren zwar viele aus dem Treffen entkommen, es retteten aber nur sehr wenige ihr Leben, weil fast alle in den See getrieben wurden.

 

Um diese Zeit hatte sich Fürst Swätoslaw Wsewolodowitsch nach Karatschew begeben, um in den um die Höhen der Oka und Deßna gelegenen Gegenden Truppen zu einem neuen Feldzuge gegen die Polowzer zusammen zu bringen. Er erfuhr bey seiner Ankunft in Nowgorodok-Sewerskoi, daß Igor mit seinem Bruder, seinem Sohne und seinen Neffen aufgebrochen wäre, und begab sich von da weiter in Kähnen die Deßna herab nach Tschernigow, auf welcher Fahrt er durch

 

 

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einen gewissen Belowod von Igors und seines Heeres unglücklichem Schicksale benachrichtiget ward, und sich darüber sehr betrübte, besonders aber das Unglück seines Vetters Igor, den er als seinen leiblichen Bruder liebte, innigst zu Herzen nahm.

 

Bald nach dieser Begebenheit schickten die Polowzer, stolz auf einen Sieg dergleichen sie nie erfochten hatten, einige rußische Kaufleute zum Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch von Kiew, und ließen ihm sagen: „Die rußischen Fürsten möchten entweder ihre Brüder auslösen lassen, oder man würde selbst nach dem Lösegelde kommen“; wobey sie zugleich ein Verzeichniß des für jeden zu zahlenden Lösegeldes mitsandten, welches zusammen eine sehr große Summe ausmachte. Swätoslaw Wsewolodowitsch wollte zwar das Lösegeld für den Fürsten Igor bezahlen, die Polowzer aber wollten ihn nicht ausliefern, bis alle jüngere Fürsten und Befehlshaber losgekauft wären.

 

Fürst Jaroslaw Wsewolodowitsch von Tschernigow, der unter den Polowzern viele Freunde hatte, brachte verschiedene polowzische Gefangene zusammen, und wechselte sie gegen rußische aus; auch ließ Wsewolods Gemahlin viele Gefangene auswechseln.

 

Alle rußische Fürsten bedauerten Igors Schicksal sehr, sein Fürstenthum aber war besonders mit großem Jammer und Trauer erfüllt.

 

 

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Swätoslaw Wsewolodowitsch, ließ alle Fürsten mit ihren Truppen nach Kiew einladen, fertigte unverzüglich seinen Sohn Olg Swätoslawitsch in das sewerische Fürstenthum ab, und befahl ihm, mit seinen Truppen am Fluße Sem zu stehen, weil daselbst niemand zur Regierung und Beschüzung des Landes da war, und die Landleute aus Furcht vor den Polowzern sich sehr unruhig betrugen.

 

Swätoslaw Wsewolodowitsch hatte vorher mit dem Fürsten David Rostislawitsch von Smolensk Abrede genommen, daß sie gemeinschaftlich gegen die Polowzer zu Felde ziehen, und den ganzen Sommer über, in der Gegend des Donez zubringen wollten, und ließ ihn jezt mit Bekantmachung alles Vorgefallenen bitten, daß er bey so sehr veränderten Umständen, da man sein Augenmerk blos auf die Vertheidigung der rußischen Grenzen wenden müßte, sich unverzüglich mit seinen Truppen dazu einfinden möchte.

 

David Rostislawitsch zog ohne Verzug in Kähnen den Dnieper herab, auch zogen sich einige Truppen bey Tripol zusammen, während das Jaroslaw Wsewolodowitsch von Tschernigow mit den Seinen an der Deßna stand, und Vorposten gegen die Steppe ausstellte.

 

Die Polowzer hatten nach ihrem Siege über Igor, das Kriegsvolk verschiedener ihrer Stämme zu einem Einfalle in Rußland versammelt, geriethen aber unter sich in Uneinigkeit

 

 

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weil Kontschak den Feldzug gegen das kiewsche Gebiet, Fürst-Gsä aber gegen das sewerisch, wo weder Fürsten noch Truppen, sondern blos Weiber und Kinder nachgeblieben wären, gerichtet wissen wollte, welcher Streit zur Theilung des polowzischen Heeres Anlaß gab. Kontschak wandte sich gegen Perejaslawl und umringte die Stadt, aus welcher Fürst Wladimir Glebowitsch einen Ausfall that, und bis in die Mitte der Feinde eindrang, da er aber wenig Leute bey sich hatte, und diese sich während des Gefechts aus Versehen in drey Haufen theilten, ward er von den Polowzern sehr enge eingeschlossen, bis alles aus der Stadt herbeyeilte, und zu seiner Befreyung die äußersten Kräfte aufbot. Wladimir hatte unterdessen sein Pferd verlohren, und vertheidigte sich zu Fuß, er war mit drey Spiesen verwundet, und der völligen Entkräftung nahe, als er von den Seinen mitten unter den Polowzern umringt, zu Pferde gesezt, und glücklich nach der Stadt gebracht ward.

 

Dieser Vorfall bewog die Polowzer sich eine Tagereise weit zurück zu ziehen, um sich mit einer, zu ihrer Verstärkung anrückenden Parthey zu vereinigen.

 

Wladimir Glebowitsch befürchtete einen baldigen wiederholten Angrif auf Perejaslawl, und ließ den Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch von Kiew, zum zweytenmale um Hülfe ersuchen, welcher von seiner Seite den Fürsten David

 

 

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Rostislawitsch, der mit seinen Smolenskern bey Tripol stand, zu einem Feldzuge nach Perejaslawl auffordern ließ.

 

Die Smolensker stellten hiegegen ihrem Fürsten vor: „sie wären blos zur Beschüzung und Vertheidigung der Stadt Kiew aufgebrochen, und könnten nicht weiter gegen den Feind vorrücken, weil ihre Pferde vom weiten Wege ermüdet wären, und sie selbst allen ihren Vorrath aufgezehrt hätten“ und wollten sich keinesweges zu diesem Feldzuge bequemen.

 

Als Swätoslaw Wsewolodowitsch hievon Nachricht erhielt, ging er selbst nebst Rurik Rostislawitsch von Belgrad und den Hülfstruppen anderer Fürsten über den Dnieper, David aber kehrte nach Smolensk zurück.

 

Die Polowzer zogen sich, so bald sie von Swätoslaws und Ruriks Anmarsch hörten, von Perejaslawl zurück, und wandten sich gegen die Stadt Rimow, deren Einwohner sich tapfer vertheidigten. Da aber zwey ihrer Befehlshaber einen Ausfall wagten, und sich im Gefechte hinter einen Morast gezogen hatten, schnitten die Polowzer diesen ansehnlichen Theil der Besazung von der Stadt ab, eroberten und verbrandten dieselbe, bemächtigten sich der übrig gebliebenen Einwohner, und kehrten in ihre Wohnsize zurück, hatten aber auf diesem Zuge mehr ihrer eigenen Leute verlohren, als sie gefangene Rußen mitbrachten.

 

 

 

 

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Da die Fürsten sahen, das die Polowzer Rußland verlassen hatten, kehrten sie selbst jeder in sein Gebiet zurück, Wladimir Glebowitsch aber lag in Perejaslawl an seinen Wunden krank, und ward von allen sehr bedauert.

 

Um diese Zeit kam der polowzische Fürst Gsä mit vielem Volke vor Putiml, verheerete alle umliegende Gegenden, und grif die Stadt selbst an, mußte aber nach Verlust vieler Leute, besonders aber verschiedener seiner ansehnlichsten Befehlshaber unverrichteter Sachen abziehen. Er fertigte auf seinem Rückzuge fünf tausend Mann gegen den Fluß Sem ab, aber auch diese wurden von den Fürsten Olg Swätoslawitsch und dem durch vielfältige Proben seiner Tapferkeit und Kriegserfahrenheit berühmten Feldherrn Tudor, in einem bey diesem Fluße gelieferten Treffen dergestalt geschlagen, daß fast alle auf dem Plaze blieben oder gefangen wurden, und kaum hundert Mann zu ihren Landsleuten zurück kamen, welche diesesmal nirgends glücklich gewesen waren.

 

Igor Swätoslawitsch ward in seiner Gefangenschaft bey den Polowzern zwar unter sehr genauer Aufsicht, übrigens aber sehr gut gehalten. Man gab ihm funfzehn Mann und fünf Söhne vornehmer Eltern zur Wache und Bedienung, welche ihm wohin er wollte zu reiten erlaubten, ihm mit Ehrerbietung begegneten, und alles was er ihnen auftrug folgsam erfüllten. Er ließ einen Geistlichen, allerhand Lebensmittel,

 

 

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Geld und Kleidungsstücke für sich und seine Leute kommen, und gab vielen Polowzern ansehnliche Geschenke, ohne doch das verlangte Lösegeld bezahlen zu können, weil man für seine Person zwey tausend Griwen, für jeden der übrigen Fürsten tausend Griwen, und für die Feldherren und Befehlshaber hundert bis zwey hundert Griwen forderte.

 

Unterdessen fand sich ein Mann, Nahmens Lawer, von Geburt ein Polowzer, der Igorn den Vorschlag that: wenn er in sein Fürstenthum zurück kehren wolle, so verspreche er, ihn gesund und wohlbehalten dahin zu begleiten. Igor erwiederte hierauf: er wolle seinem Bürgen nicht untreu werden, besprach sich aber doch darüber mit seinem Stallmeister und dem Sohne seines Tüsäzkoi, welche nach eingezogener Nachricht, daß Lawers Mutter eine Rußin, aus dem sewerischen Fürstenthum, er selbst aber ein entschlossener zuverläßiger Mann sey, ihren Fürsten zur Annehmung seines Vorschlages zu bereden suchten, Igor verbot ihnen zwar weiter daran zu gedenken, da aber der Sohn des Tusäzkoi von der Gemahlin des Fürsten Tugli, mit der er ein Liebesverständniß unterhielt, erfuhr, daß sein Fürst wegen des leztern sehr unglücklichen Feldzuges der Polowzer, sich in einer bedenklichen Lage befinde, stellete er ihm in Verbindung mit gedachtem Stallmeister vor: daß sein Leben nach der Rückkunft der Polowzer in nicht geringer Gefahr sey,

 

 

 

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und bewog ihn dadurch sich Lawers Anerbieten gefallen zu lassen, und die dazu nöthigen Anordnungen zu machen.

 

Er veranstaltete zu diesem Ende ein Gastmal und bewirthete die ihm zur Wache gegebene Polowzer reichlich mit starken Getränken, welche hierauf berauscht vor dem Zelte spielten und lustig waren, und als sie Igorn ins Zelt gehen sahen, nichts anders glaubten als daß er sich zur Ruhe begeben habe. Igor, ging indessen unbemerkt wieder aus seinem Zelte, kam glücklich über den Fluß, sezte sich auf der andern Seite desselben zu Pferde, kam in derselben Nacht, von fünf Personen begleitet alle Lagerpläze der Polowzer vorbey, erreichte nach einer zweytägigen Reise durch die Stepe die rußische Fuhrt, und wandte sich von da nach seiner Residenz Nowgorod-Sewerskoi, stürzte aber ungefehr zwanzig Werste von der Stadt mit dem Pferde, wodurch er sich dergestalt am Fuße verwundete, daß er in dem Dorfe Swätoi-Michailo über Nacht bleiben mußte. Indessen kam ein Bauer aus diesem Dorfe mit der Nachricht von Igors Ankunft nach Nowgorod-Sewerskoi, und machte sie der Gemahlin des Fürsten bekant, welche Anfangs die ganze Sache für eine Erdichtung hielt, auf erhaltene Versicherung aber, ihrem Gemahl eiligst entgegen ritt, und von den Bürgern der Stadt die ihr in großer Menge theils zu Pferde theils zu Fuße folgten, begleitet ward.

 

 

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Igor war bey der Zusammenkunft mit seiner Gemahlin so gerührt, daß er, gleich ihr, häufige Freudenthränen vergoß und lange kein Wort reden konte. Er umarmte hierauf alle seine Bojaren und verfügte sich unverzüglich nach seiner Residenz, wo seine Ankunft, so wie bald darauf im ganzen Fürstenthum Sewerien und in ganz Rußland, große Freude verbreitete, weil dieser Fürst wegen seines gesezten und sanften Gemüths überall sehr beliebt war.

 

Igor Swätoslawitsch ließ allen Fürsten besonders aber den Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch von Kiew, und Jaroslaw Wsewolodowitsch von Tschernigow seine Rückkunft bekannt machen und ihnen für die Beschüzung seines Landes danken, reisete auch so bald er sich von seinen ausgestandenen Beschwerden etwas erholet hatte, selbst nach Tschernigow, um Jaroslawen zur Befreiung der Gefangenen um Hülfe zu bitten.

 

Jaroslaw Wsewolodowitsch nahm ihn mit vieler Freundschaft auf, und versprach, ihn mit Hülsstruppen zu unterstüzen.

 

Igor reisete hierauf aus Tschernigow zu den Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch von Kiew und Rurik Rostislawitsch von Belgrad, welche beyde ihm alle mögliche Hülfe zu leisten, und in eigner Person mit allen ihren Truppen aufzubrechen versprachen.

 

 

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Er kehrte diesem zufolge mit guten Hofnungen nach seiner Residenz Nowgorod-Sewerskoi zurück, wo er gleich nach seiner Ankunft den vorgedachten Lawer, unter die Großen seines Hofes aufnahm, ihn nach erhaltener Taufe mit der Tochter des Tußäzkoi Raguil vermählte, und reichlich beschenkte, so daß seine Nachkommen im Fürstenthum Sewerien lange Zeit als vermögende Leute in großem Ansehen gelebt haben.

 

In diesem Jahre schickte Wsewolod Jurjewitsch von Rostow seine Feldherren gegen die wolgischen Bolgaren aus, welche mit vielen Gefangenen und ansehnlicher Beute zurück kamen.

 

Im Jahre 1186, ward dem Fürsten Wsewolod Jurjewitsch am 18ten May ein Sohn gebohren, der in der heiligen Taufe den Nahmen Konstantin erhielt.

 

In eben diesem Jahre berief Wsewolod Jurjewitsch den Fürsten Jaroslaw Wladimirowitsch aus Groß-Nowgorod zurück, und erlaubte den Nowgorodern einen andern Regenten zu wählen; wozu sie den Fürsten Mstislaw, einen Sohn des Fürsten David Rostislawitsch von Smolensk, ausersahen.

 

Wsewolod ließ ihre Abgeordneten durch seine Gesandten nach Smolensk begleiten, und den Fürsten David um seine Einwilligung zu dieser Beförderung seines Sohnes ersuchen. In diesem Jahre ließ Fürst Roman Glebowitsch von Räsan seine jüngern Brüder, die

 

 

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Fürsten Wsewolod und Swätoslaw von Pronsk, zu sich berufen, um wegen der zwischen ihnen und ihren ältern Brüdern, Igor und Wladimir, herschenden Fehden, eine gütliche Auskunft zu treffen.

 

Die Fürsten von Pronsk hatten indessen von einigen ihrer Bojaren, wahrscheinlich von denen welche die Mißhelligkeiten zwischen den Brüdern angestiftet hatten, gehört, daß Roman sie gefangen zu nehmen suche, und weigerten sich nicht nur zu ihm zu kommen, sondern befestigten ihre Städte, und schickten sich zur Vertheidigung an. Roman Glebowitsch brach, sobald er dieses erfuhr, mit seinen Brüdern Igor und Wladimir gegen Pronsk auf, und umringte die Stadt. Als Wsewolod Jurjewitsch von Rostow von diesen Streitigkeiten der räsanischen Fürsten Nachricht erhielt, schickte er zwey seiner Bojaren an den Fürsten Roman und seine Brüder ab, und ließ sie zum Frieden und freundschaftlichen Betragen ermahnen, und ihnen zugleich bekant machen: „Daß Gott ihm Macht und Mittel gegeben habe, die Unterdrücker und Friedensstöhrer zur Ruhe zu bringen“.

 

Roman und seine Brüder Igor und Wladimir, bezeigten keine Lust zum Frieden, und schickten die Gesandten mit der stolzen Antwort zurück: daß sie in ihren Fürstenthümern Wsewoden gleich wären, und er keine Gewalt über sie

 

 

 

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habe. Die Fürsten von Pronks ließen dagegen den Fürsten von Rostow um Schuz und Hülfe ersuchen.

 

Wsewolod Jurjewitsch schickte zu ihrer Vertheidigung fürs erste 300 Mann ab, die sich mit der Besazung der Stadt Pronsk vereinigten.

 

Unterdessen sezte Roman Glebowitsch von Räsan und seine Brüder die Belagerung der Stadt fort, bis Wsewolod Jurjewitsch seinen Vetter Jaroslaw Wladimirowitsch und die muromischen Fürsten Wladimir und David dahin abfertigte, worauf Roman sobald er von der Ankunft dieser Fürsten bey Kolomna Nachricht er hielt, die Belagerung aufhob und nach Räsan zurück kehrte.

 

Wsewolod Glebowitsch von Pronsk, begab sich gleich nach Aufhebung der Belagerung seiner Stadt zuerst nach Kolomna, wo er den Fürsten Jaroslaw Wladimirowitsch und die muromischen Fürsten von allem Vorgefallenen benachrichtigte, und reisete hierauf in Jaroslaws Begleitung zum Fürsten Wsewolod Jurjewitsch von Rostow nach Wladimir an der Kläsma.

 

Als Roman Glebowitsch von dem Rückzuge des Fürsten Jaroslaw Wladimirowitsch Nachricht erhielt, erschien er mit seinen Brüdern Igor und Wladimir wieder vor Pronsk. Swätoslaw Glebowitsch vertheidigte sich anfangs mit vielem Muthe, bis Roman der Stadt

 

 

 

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durch Ableitung des Flußes das Wasser abschnitt, und die Bürger welche jenseit der Stadt aus den Brunnen Wasser schöpfen wollten, durch seine Truppen zurück treiben ließ, wodurch alle Einwohner in äußerste Noth versezt wurden, und Fürst Roman zur Aufforderung der Stadt Anlaß erhielt.

 

Swätoslaw Glebowitsch berathschlagte sich hierüber mit allen Bojaren, schloß in Rücksicht der herschenden Noth mit seinem Bruder Roman Frieden, bekräftigte denselben durch Küßung des Kreuzes und öfnete die Thore der Stadt Roman Gebowitsch nahm nach gehaltenem feierlichen Einzuge alle Bediente seines Bruders Wsewolod nebst den wladimirischen Hülfstruppen gefangen, und führte seine Schwiegerin, Wsewolods Gemahlin, und ihre Kinder mit sich nach Räsan.

 

Wsewolad Glebowitsch erfuhr auf seiner Rückreise aus Wladimir, daß sein Bruder Swätoslaw die Stadt Pronsk seinem Bruder Roman übergeben habe und durch den zwischen ihnen geschlossenen Frieden von seiner Parthey abgetreten sey; weshalb Roman selbigem alles wiedergegeben, ihm selbst aber alle sein Habe genommen und nebst seiner Gemahlin und seinen Kindern mit sich nach Räsan geführt habe. Er nahm dieses sehr zu Herzen, ließ den Fürsten Wsewolod Jurjewitsch von Rostow davon

 

 

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benachrichtigten und blieb selbst in Kolomna, wo er in kurzer Zeit einige Truppen zusammenbrachte und die Besizungen seiner Brüder durch feindliche Einfälle beunruhigte.

 

Wsewolod Jürjewitsch von Rostow ließ beym Empfang dieser unangenehmen Nachricht Truppen zusammen ziehen und dem Fürsten Swätoslaw Glebowitsch in Pronsk folgende Vorstellung thun:

 

„Als du und dein Bruder mich um Hülfstruppen batet, habe ich im Vertrauen auf eure Ehre und um euch gegen Unterdrückung zu schützen euch meine Unterstützung nicht versagen wollen. Nun höre ich aber, daß du mit deinem Bruder Roman Frieden geschlossen und ihm die rostowschen Truppen als Gefangene übergeben hast, und verlange daher, daß man mir meine Truppen ohne Anstand ausliefere, weil ich sonst dich und deinen Bruder Roman als meine eigene Feinde betrachten werde, welches alles Swätoslaw seinem Bruder Roman bekannt machen ließ.

 

Roman Glebowitsch von Räsan ließ sogleich alle Leute des Fürsten von Rostow in Freiheit setzen, und fertigte eine Gesandtschaft an ihn ab, die ihn entschuldigen und alle Schuld des Krieges seinem Bruder Wsewolod Glebowitsch beymessen sollte. Wsewolod Jurjewitsch ließ sich durch diese Rechtfertigung der räsanischen Gesandten nicht irre machen, und schickte sie ohne bestimmte Antwort zurück.

 

 

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Im Winter dieses Jahres unternahm David Rostislawitsch von Smolensk einen Feldzug gegen Polozk, zu welchem sein Sohn Mstislaw Dawidowitsch aus Groß-Nowgorod, Fürst Waßilko Wladimirowitsch aus Logoshek und Wseslaw aus Druzk, sich mit ihm vereinigten; da aber die Polozker um Frieden baten und David Rostislawitsch sich dazu bequemte, kehrte jeder wiederum in sein Gebiet zurück.

 

Um diese Zeit bekriegten die Nowgoroder die Jemen, welche den Wüschara Waßiljewitsch auf dem Wege angegriffen und geschlagen hatten, und kamen siegreich nach Nowogrod zurück.

 

Im Jahre 1187 war ein so strenger Winter, desgleichen sich niemand erinnern konnte.

 

In diesem Jahre erfuhr Swätoslow Wsewolodowitsch von Kiew, daß die Polowzer bey Tetiwizkoi-Brod dießeits des Dniepers ständen, und brach sogleich nebst dem Fürsten Rurik Rostislawitsch von Belgrad mit einem leicht bewafneten Herre, welches gar keine Fuhren, sondern blos einigen Vorrath auf Packpferden mit sich hatte, gegen sie auf.

 

Er zog bey Tripol den Fürsten Wladimir Glebowitsch mit allen seinen Truppen an sich, fertigte ihn seiner Bitte gemäß mit den Schwarzmüzen zum voraus gegen den Feind ab, und gab ihm einen seiner Söhne mit; die Polowzer aber hatten von der Annäherung der russischen Fürsten Nachricht erhalten, und waren so eilig

 

 

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über den Dnieper zurück gegangen, daß man sie, weil indessen Frühlingswetter einfiel und das Eis auf dem Fluße aufging, nicht weiter verfolgen konnte. Fürst Wladimir Glebowitsch ward auf diesem Zuge krank und starb bald nach seiner Rükkunft, am 18ten April, in Perejaslaw, wo er nach dem Bericht der Geschichtschreiber unter allgemeinem Leidwesen und Trauren des ganzen Volks begraben ward, weil er sich durch seine Tapferkeit, Kriegserfahrenheit, Klugheit und Standhaftigkeit berühmt gemacht, und durch seine Friedfertigkeit, da er nehmlich mit niemanden in Streit und Fehde lebte und sich nie in fremden Streit mischte, das Zutrauen aller Fürsten erworben hatte, den Polowzern aber jederzeit furchtbar gewesen war.

 

Gleich nach diesem Vorfalle kam der polowzische Fürst Kontschak mit vielem Volk nach Poroßien, und richtete in dieser Gegend große Verheerungen an, während dasßein anderer Haufe Polowzer der ins tschernigowische Gebiet eingefallen war, sich ohne glücklichen Erfolg zurück ziehen mußte.

 

Am zweiten May dieses Jahres wurden dem Fürsten Wsewolod Jurjewitsch zwey Söhne gebohren,

die in der heiligen Taufe den Nahmen Boris und Gleb erhielten.

 

In eben diesem Jahre vermählte Wsewolod Jurjewitsch von Rostow seine Tochter Wüscheslawa mit Rostislaw Jaroslawitsch, einem

 

 

 

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Sohne des Fürsten Jaroslaw Wsewolodowitsch von Tschernigow.

 

Im Jahre 1188 verband sich Swätoslaw Wsewolodowitsch von Kiew mit dem Fürsten Rurick Rostislawitsch von Belgard zu einen neuen Feldzuge gegen die Polowzer, und begab sich zu seiner Vereinigung mit diesem und verschiedenen andern Fürsten nach Tschernigow, von da er mit ihnen über Ostr gegen den Dnieper aufbrach; weil man des tiefen Schnees wegen keinen andern Weg nehmen konnte. Man kam glücklich bis zum Fluße Snoporod (Samara) und fing daselbst einige ausgestellte polowzische Vorposten auf, die von ihren Lagerplätzen und Viehheerden Nachricht ertheilten, welches alles Olg Swätoslawitsch der mit einigen andern Fürsten im Vortrabe war, dem Fürsten Swätoslaw von Kiew bekannt machen ließ. Unterdessen weigerte sich Jaroslaw Wsewolodowitsch von Tschernigow weiter vorzurücken, weil der Feind noch nirgens zu sehen, sein Kriegsvolk aber ermüdet, und das Tschernigowsche Gebiet weit entfernt sey. Swätoslaw Wsewolodowitsch gab sich alle Mühe ihn zur Fortsetzung des Zuges zu bewegen und ließ den Fürsten Rurik, nach einer von ihm erhaltenen Nachricht: „daß der Feind nur eine halbe Tagreise entfernt sey, und daß man ihn, wenn auch jemand anders Sinneß geworden seyn sollte, nothwendig angreifen müße“ zur Antwort ertheilen: er wäre gern und

 

 

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überall bereit mit ihm gemeinschaftliche Sache zu machen, bitte ihn aber auch seinen Bruder Jaroslaw dazu zu bereden.

 

Rurik ließ den Fürsten Jaroslaw bitten, daß er den Zug wenigstens nur einen halben Tag lang fortsetzen möchte, dieser aber entschuldigte sich damit daß seine Pferde zu sehr ermattet wären und er sich daher in kein Gefecht einlassen könne, worauf die Fürsten unter einander in Streit geriethen und sämmtlich mißvergnügt in ihre Besitzungen zurück kehrten.

 

Am 15ten September fiel eine Sonnenfinsternis ein, bey welcher es so dunkel war, daß man mitten am Tage die Sterne sehen konnte.

 

Am ersten October starb Fürst Jaroslaw Wladimirowitsch von Halitsch. Dieser Fürst zog selten selbst zu Felde, schickte aber öfters unter Anführung seiner Feldherren den Ungarn, Polen, Griechen, Böhmen, und russischen Fürsten, Hülfstruppen zu, sorgte vor allen Dingen für gute Ordnung in seinem Lande, und ward von allen seinen Nachbarn geehrt, weil seine Feldherren kriegserfahren und tapfer waren. Die Geschichte meldet: daß Halitsch unter seiner Regierung in blühendem Zustande, glücklich und volkreich gewesen, daß aus allen Ländern Künstler und Handwerker nach seiner Residenz gekommen, und seine Städte stark bevölkert und reich geworden sind. Er befestigte verschiedene Städte an der Donau, und besetzte sie mit Kaufleuten,

 

 

 

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die übers Meer nach Griechenland handelten, und von ihm thätig unterstüzt wurden, weshalb auch beständig viele Fremde in seine Länder und Dienste kamen. Er verstand selbst verschiedene Sprachen, las fleißig in Büchern, sorgte für die Erziehung der Kinder, und wendete viele Kosten zum Unterrichte der Jugend und zur Besoldung der Lehrer an. Als er in seiner letzten Krankheit seines Lebens Ende herannahen sahe, ließ er verschiedene seiner Bojaren zu sich ruffen, nöthigte sie bey seinem Bette zu sitzen, und sprach zu ihnen: „Seht, ich verlasse nun diese eitle Welt. Ich weiß daß Gott die Fürsten zu Herrschern und Regierern des Volks verordnet hat, habe aber genug erfahren, daß diese Gewalt ein sehr schwerer Dienst sey. Ein Fürst muß täglich vielen Leuten dienen, jedem Recht und Gerechtigkeit schaffen, den Dürftigen helfen, die Beleidigten schützen, die Schuldigen warnen, bessern und strafen, für sich und seinen Nächsten wachen daß niemand unschuldig angeklagt oder verläumdet, und niemand ohne Verdienst gelobet werde. Er muß die Kriegsleute in solcher Ordnung erhalten und so vertheilen, daß Land und Leute gegen jeden Feind gesichert seyn, daß die Krieger im Frieden nicht ihren Dienst und Pflicht vergessen und dem Volke keine Ueberlast noch Bedrängnisse zufügen. Er muß sichs nicht minder angelegen seyn lassen,

 

 

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daß jeder Unterthan im Dienste des Landesherrn, oder durch Handel, Handwerke oder andere Handthierung und Arbeit, ehrlich sein Brod verdiene und so viel möglich niemand müßig sey; die Abgaben aber müßen so eingerichtet seyn, daß sie ohne Thränen und Seufzer abgetragen, und alle Bedürfnisse dadurch bestritten werden können. Ich habe mich zwar äußerst bemüht, meine Pflicht vor Gott und dem Volke zu erfüllen, habe aber als ein Mensch viele Fehler begangen und nicht alles so wie ich wünschte ausrichten können, weshalb ich auch euch, wenn ich jemanden Unrecht gethan habe, um Verzeihung ersuche.“

 

Nach diesem berichtigte Jaroslaw Wladimirowitsch die Nachfolge in seinem Fürstenthum; übergab Halitsch seinem jüngsten Sohne Olg Jaroslawitsch, ertheilte dem ältesten Wladimir Jaroslawitsch Peremüschl, verzieh ihm seine viele Vergehungen und seinen halsstarigen Ungehorsam, und nahm von ihm einen Eid, daß er auf Halitsch nie Anspruch machen wolle.

 

Wladimir hielt als ein ungehorsamer Sohn diesen seinem Vater geleisteten Eid nicht, sondern vertrieb nach dessen Tode seinen Bruder Olg aus Halitsch, der sich zum Fürsten Rurik Rostislawitsch nach Owrutsch begab.

 

In diesem Jahre ward dem Fürsten Rurik Rostislawitsch von Belgard ein Sohn gebehren, welcher (nach der damals unter den rußischen

 

 

 

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Fürsten üblichen Sitte, den Kindern zwey Nahmen zu geben, nehmlich einen Taufnahmen und einen andern bey welchem man sie gewöhnlich nannte) in der heiligen Taufe Dimitri mit seinem Fürstennahmen aber Wladimir genannt wurde.

 

Roman Glebowitsch von Räsan und seine Brüder versuchten um diese Zeit sich durch Vermittelung des Bischofs Porphirii von Tschernigow mit dem Fürsten Wsewolod Jurjewitsch von Rostow auszusöhnen; Wsewolod schickte auch selbst einige seiner Bojaren nach Räsan, sie kamen aber unverrichteter Sachen zurück.

 

In diesem Jahre starb in Wladimir an der Kläsma Boris, ein Sohn des Fürsten Wsewolod Jurjewitsch von Rostow.

 

In eben diesem Jahre schickte Rurik Rostislawitsch von Belgard, zufolge einer vorher durch Gesandte zwischen ihm und dem Fürsten Wsewolod Jurjewitsch von Rostow wegen der Vermählung ihrer Kinder getroffenen Verabredung, gleich nach dem Osterfeste seinen Schwager Gleb mit seiner Gemahlin und vielen Bojaren und Bojaren-Frauen nach Susdal, um die Prinzeßin Werihoslawa, Wsewolods Tochter, zu ihrer Verbin dung mit seinem Sohne abholen zu lassen, Wsewolod Jurjewitsch nahm diese Abgeordneten mit Achtung auf, stellte für sie in Wladimir an der Kläsma viele Lustbarkeiten an, und schickte mit ihnen am 11ten Julius seine Tochter nach Belgrad

 

 

 

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bey welcher Feierlichkeit die Fürsten Jaroslaw Wladimirowitsch, Wsewolod Glebowitsch von Pronsk, und David Jurjewitsch von Murom zugegen waren.

 

Wsewolod Jurjewitsch und seine Gemahlin, die diese ihre jüngste Tochter vorzüglich liebten, gaben ihr eine sehr reiche Ausstattung an Gold, Silber, Perlen, und Edelsteinen, schickte ihrem Eidame Rostislaw Rurikowitsch sehr ansehnliche Geschenke, und vergaßen auch die Brautwerber und Bojaren nicht. Die Braut ward zu gleicher Zeit von den Fürsten Jaroslaw, David, und Wsewolod, wie auch von den Städten Rostow, Susdal, Wladimir an der Kläsma, Pereslaw und andern beschenkt; die ihr zu Ehren angestellte Freudenmale aber währeten zwey Wochen lang. Endlich reisete Werchoslawa zu Pferde ab, und ward von ihrem Vater und ihrer Mutter bis zum dritten Ruheplase begleitet, wo sie von ihr mit vielen Thränen Abschied nahmen. Wsewolod gab ihr seinen Schwestersohn Jakob nebst vielen Bojaren und Bojarenfrauen zur Begleitung, mit welchen sie am 15 September in Belgrad ankam, und an demselben Tage durch den Bischof Maxim in der Kirche zu den heiligen Aposteln mit dem Fürsten Rostislaw Rurikowitsch ehelich verbunden ward. Rurik Rostislawitsch feierte die Vermählung seines Sohnes, bey welcher Fürst Swätoslaw Wsewolodowitsch von Kiew mit einem seiner Söhne

 

 

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und alle benachtbarten Fürsten zugegen waren, drey Tage lang, mit vieler Freude und einer Pracht dergleichen man bisher in Rußland nie gesehen hatte. Er beschenkte seine Schwiegertochter mit vielen Kostbarkeiten, gab ihr die Stadt Bragil, und schickte ihre Begleitung reichlich beschenkt zu ihrem Vater dem Fürsten von Rostow zurück. Sieben Tage hierauf verlobte Rurik Rostislawitsch seine Tochter Jaroslawa, mit Swätoslaw Igorewitsch, einem Sohne des Fürsten Igor Swätoslawitsch von Sewerin.

 

Um eben diese Zeit kam Igors Sohn Wladimir mit der polowzischen Fürstin Kritschakowna aus seine Gefangenschaft nach Sewerien zurück. Igor war hierüber sehr erfreut, ließ die Fürstin und ihr Kind taufen, gab ihr den Nahmen Swoboda (Befreyung), verband sie mit seinem Sohne Wladimir, und feierte ihre Vermählung mit vieler Pracht und Freude.

 

Im Winter dieses Jahres fertigte Swätoslaw Wsewolodowitsch von Kiew, in Vereinigung mit Rurik Rostislawitsch von Belgrad, die Schwarzmüzen und den Feldherrn Roman Iswedilowitsch gegen die Lagerpläze der Polowzer jenseit des Dniepers ab, welche glücklich mit vielen Gefangenen und großer Beute zurück kamen; weil die Polowzer eben damals zu einer Unternehmung an der Donau abwesend waren, und niemand zur Vertheidigung ihrer Lagerpläze zurückgelassen hatten.

 

 

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In diesem Jahre herrschte in dem östlichen und nördlichen Rußland eine schwere und so allgemeine Krankheit, daß nicht ein einziges Haus ohne Kranke und in vielen Häusern nicht ein einziger Gesunder, um Wasser zu hohlen, übrig war. Diese Krankheit währete zwölf Tage lang, es starben aber wenig Leute daran.

 

In diesem Jahre unternahm Wsewolod Jurjewitsch von Rostow, in Begleitung des Fürsten Jaroslaw Wladimirowitsch und der muromischen Fürsten, einen Feldzug gegen Räsan, auf welchem er den Fürsten Wsewolod Glebowitsch mit seinen Truppen aus Kolomna mit sich nahm, über die Oka bis Opakow vorrückte, und alles da herum gelegene Land verheerete.

 

Bald darauf fielen auch die Polowzer ins räsanische Gebiet ein, und kehreten mit vielen Gefangenen und vielem erbeuteten Vieh zurück, weil Roman Glebowitsch sich zugleich gegen den Fürsten von Rostow und die Polowzer zu vertheidigen nicht vermögend war. In diesem Jahre kam Wsewolod Swätoslawitsch, auf Bürgschaft seiner Bruders Igor Swätoslawitsch von Sewerien, aus der polowzischen Gefangenschaft zurück. Er hatte für sich zweyhundert Griwen Silber oder zweyhundert gefangene Polowzer versprochen, und schickte nach seiner Rückunft die gedachte Anzahl Gefangene ins polowzische Gebiet ab.

 

 

 

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Im Jahre 1189 ward Wladimir, des verstorbenen Fürsten Jaroslaw Wladimirowitsch ungehorsamer Sohn, gezwungen, aus seiner Residenz Halitsch, deren Einwohner seine schändliche Aufführung nicht länger ertragen konnten, nach Ungarn zu flüchten. Dieser Fürst hatte sich, wie die Geschichte meldet, nach dem Tode seines Vaters und der Vertreibung seines Bruders so sehr dem Trunke ergeben, daß er sich weder mit der Rechtspflege, noch mit irgend einem Regierungsgeschäfte abgeben wollte. Er hatte sich nach dem Tode seiner Gemahlin, einer Tochter des Fürsten Swätoslaw von Kiew, noch bey Lebzeiten seines Vaters und ohne dessen Einwilligung mit eines Popen Frau verheirathet, und mit selbiger zwey Söhne erzeugt, von welchen er den ältesten mit einer Tochter des Fürsten Roman Mstislawitsch von Wladimir in Wolhynien vermählte. Diese beiden Eheverbindungen, wurden weder von den rußischen Fürsten noch von den Halitschern gebilliget, die Wladimirs Gemahlin gewöhnlich nur die Pfaffentochter zu nennen pflegten. Wladimir Jaroslawitsch machte sich überdem selbst durch seine ausgelassene gemeine Sitten, durch gewaltsame Entführungen der Weiber von ihren Männern und der Töchter von ihren Eltern, durch beständige Trunkenheit und durch eine allen Vorstellungen seiner großen unerachtet fortdaurende Unversöhnlichkeit gegen seinen Bruder Olg, dergestallt beym ganzen

 

 

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Volke verhaßt, daß er um den besorgten Folgen dieses allgemeinen Haßes zu entgehen heimlich aus Halitsch nach Ungarn entweichen mußte. Nach seiner Flucht, ließen die vornehmsten Halitscher den Fürsten Roman Mstislawitsch von Wladimir in Wolhynien zu sich einladen, welcher seinen Brnder Wsewolod Mstislawitsch in Wladimir zurück ließ, selbst unverzüglich nach Halitsch abreisete und daselbst mit aller Ehrerbietung empfangen ward.

 

Wladimir Jaroslawitsch kam indessen in Ungarn an, und bat den König um Hülfe, welcher sich zwar in Betracht der ihm bekannten Unwürdigkeit dieses Fürsten, lange zu keiner Verbindung mit ihm entschließen wollte, endlich aber auf die Vorstellung seiner Großen: daß er seiner Ehre wegen und den Beyspielen seiner Vorfahren gemäß, Wladimirn in Schutz zu nehmen verbunden sey, ein ansehnliches Heer ausrüstete, und Wladimirn, nach versprochener Wiedererstattung aller Kriegskosten, nach Halitsch zurück führte.

 

Roman Mstislawitsch begab sich auf die Nachricht von der Annäherung des Königs von Ungarn mit vielen Halitschern nach Wladimir in Wolhynien, übergab selbiges wiederum seinem Bruder Wsewolod und reisete unverzüglich nach Polen ab. Er schickte seine Gemahlin, von vielen Halitschern begleitet, über Pinsk zu ihrem Vater nach Owrutsch, und fand sich hierauf

 

 

 

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da seine Bemühungen in Polen fruchtlos abliefen, selbst bey seinen Schwiegervater Rurik Rostislawitsch in Belgrad ein, um ihn mit seiner Gemahlin und den Halitschern zur Vertreibung der Ungarn um Hülfe zu bitten.

 

Rurik Rostislawitsch fertigte, durch die Bitten seiner Tochter seines Eidams, und der Halitscher bewogen, seinen Sohn Rostislaw Rurikowitsch und den berühmten Feldherrn Borißowitsch gegen die Ungarn ab, Roman aber machte sich zum voraus gegen Plenks auf, und ließ diese Stadt auffordern.

 

Der König von Ungarn war unterdessen bey seiner Ankunft mit dem Fürsten Wladimir Jaroslawitsch in Halitsch ehrerbietigst empfangen worden, trat aber nach einem kurzen Aufenthalt daselbst, seine Rückreise an. Er ließ seinen Sohn Andrei unter dem Vorwande der noch nicht bezahlten Kriegskosten, mit einem ansehnlichen Heere zurück, und führte Wladimirn nebst seiner Gemahlin unter guter Wache mit sich nach Ungarn, wobey er die Fürsten Swätoslaw von Kiew und Rurik Rostislawitsch von Belgrad, von allem Vorgefallenen benachrichtigen und sie, mit vielen schmeichelhaften Versprechungen für sie und ihre Kinder, heimlich zu einer freundschaftlichen Verbindung einladen ließ.

 

Um diese Zeit entsezten die Ungarn Plensk, Roman Mstislawitsch aber schickte nach einem so unglücklichen Vorfalle seinen Schwager Rostislaw

 

 

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Rurikowitsch zu seinem Vater zurück, reisete selbst zum zweiten Mahle nach Polen, bat daselbst den König Kasimir um Hülfe, und kam hierauf mit dreitausend Mann unter Anführung seines Oheims Metscheslaw, vor Wladimir in Wolhynien an, wo aber sein Bruder Wsewolod die Polen nicht einlassen wollte, und sich zur Vertheidigung anschickte.

 

Roman sahe sich hiedurch genöthiget die Polen zurück zu schicken, und verfügte sich selbst zu seinem Schwiegervater Rurik Rostislawitsch nach Belgrad.

 

Rurik Rostislawitsch war zwar mit seinem Eidame, der bey seiner ungerechten Unternehmung gegen Halitsch, aus Begierde nach fremdem Gut das Seine verlohren hatte, nicht gar wohl zufrieden, gab ihm aber doch, seiner Tochter wegen, Tortschesk ein und schickte einige Truppen gegen Wladimir in Wolhynien ab, welche Wsewolden zwangen diese Stadt wiederum seinen Bruder Wladimir Mstislawitsch abzutreten. Wsewolod Mstislawitsch kehrte hierauf in sein Erbe nach Belsch zurück.

 

Am 19ten October starb in Wladimir an der Kläsma Gleb, ein Sohn des Fürsten Wsewolod Jurjewitsch von Roßow.

 

In diesem Jahre warfen die Nowgoroder einen Haß auf ihren Fürsten Mstislaw Dawidowitsch, und ließen nach dessen Vertreibung den Fürsten Wsewolod Jurjewitsch von Rostow wiederum um

 

 

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seinen Schwager Jaroslaw Wladimirowitsch bitten, wozu selbiger nach einigen Verweisen seine Einwilligung gab.

 

Mstislaw Dawidowitsch begab sich zuerst zu seinem Vater nach Smolensk und bald darauf nach Wüschgrad, wo er nach einem kurzen Aufenthalt krank ward, und am 4ten May des folgenden Jahres verstarb. Am 27ten November ward dem Fürsten Wsewolod Jurjewitsch sein vierter Sohn gebohren und nach seinen Großvater Georg oder Jurii genannt.

 

Im Jahre 1190 war in Kiew am 3ten Februar ein heftiges Donnerwetter.

 

Am 22ten August dieses Jahres legte Wsewolod Jurjewitsch in Wladimir an der Kläsma, im Beyseyn des Bischofs von Rostow Johann, eine neue Kirche zur Geburt der heil. Mutter Gottes an.

 

In diesem Jahre war in Wladimir an der Kläsma ein starker Brand, in welchem 14 Kirchen und mehr als 1000 Häuser in die Asche gelegt wurden.

 

Um diese Zeit schickte der König von Ungarn Gesandte an den Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch nach Kiew, und ließ ihm anzeigen, daß er ihrer vorigen Verbindungen eingedenk, das Fürstenthum Halitsch nach Erstattung der Kriegskosten einem seiner Söhne abtreten wolle. Swätoslaw ließ sich durch diese Versicherung des Königs verleiten, seinen Sohn

 

 

 

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Gleb heimlich und ohne Vorwissen des Fürsten Rurik Rostislawitsch nach Halitsch abzufertigen; Rurick Rostislawitsch aber erfuhr die Absicht seiner Reise, schickte ihm den Fürsten Swätoslaw Wladimirowitsch mit einigen Bojaren nach, und bewog ihn dadurch nach Kiew zurück zu kehren.

 

Rurik Rostislawitsch beschwerte sich gegen den Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch von Kiew, daß er wider den zwischen ihnen beyden bestehenden Vertrag: daß keiner ohne den andern sich mit einem fremden Regenten oder Volke einlassen wolle, mit dem Könige von Ungarn in ein neues Bündniß getreten und ihm seinen Sohn zugeschickt habe. Swätoslaw Wsewolodowitsch erwiederte auf diesen Vorwurf: „er habe zwar seinen Sohn zum Könige von Ungarn gesandt, aber keinesweges um ein Bündniß gegen Rurik oder irgend einen andern rußischen Fürsten zu schließen, sondern blos um ein rußisches Fürstenthum aus den Händen eines fremden Herrn und Volks zu ziehen, und dem Fürsten Wladimir Jaroslawitsch die Freyheit auszuwürcken; wenn aber Rurik Rostislawitsch hierüber andere Gesinnungen hege, so sey er bereit, mit ihm gemeinschaftlich die zur Ausführung derselben nöthige Maasregeln zu nehmen.“

 

Diese Erklärung hemmte indessen den hierüber entstandenen Streit nicht, die kiewschen Bojaren aber baten den Mitropoliten beyde Fürsten zum Frieden zu ermahnen, der sich diesem zufolge

 

 

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zuerst zu Swätoslaw dann zu Rurik begab, und ihnen vorstellte: daß sie zu einer Zeit, da ein fremder Monarch (der König von Ungarn) sich des rußischen Fürstenthums Halitsch bemächtiget habe, lieber solches mit vereinigten Kräften zu befreien suchen, als unter sich Streit anfangen sollten. Diese Ermahnungen des Mitropoliten und der Bojaren Rath, hatten zwar die gute Würkung, daß sich die Fürsten versöhnten, und gemeinschaftlich Truppen aufbrachten, um Halitsch wieder einem würdigen rußischen Fürsten zu unterwerfen, da es aber hiebey auf die Bestimmung der Frage ankam, wem dieses Fürstenthum zu Theil werden sollte, und Swätoslaw solches für seinen Sohn, Rurik aber für sich selbst verlangte, kehrten beide von Belgard, wo sie deshalb zusammen gekommen waren, in ihre Besitzungen zurück, und ließen die Truppen auseinander gehen. Unterdessen schickten einige Halitscher, die von der ungarischen Herrschaft befreyt zu seyn wünschten, heimlich zum Fürsten Rostislaw Iwanowitsch Berlädin, einem Sohne des Fürsten Iwan Rostislawitsch, und ließen ihn zu sich nach Halitsch einladen.

 

Rostislaw bat den Fürsten. David Rostislawitsch von Smolensk um einige Hülfstruppen, und machte sich mit selbigen gegen Halitsch auf.

 

Der König von Ungarn hatte um diese Zeit, auf das Gerücht von der Kriegsrüstung der Fürsten Swätoslaw und Rurik, seinem Sohne neue

 

 

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Truppen zur Verstärkung zugeschickt, die er jeze nebst den übrigen ungarischen und halitscher Truppen gegen den Fürsten Rostislaw Iwanowitsch abfertigte. Rostislaw grif selbige tapfer an, und drang durch die feindliche Scharen durch, fiel aber mit einem Spiese verwundet vom Pferde, ward von den Ungarn gefangen, und kaum lebend nach Halitsch gebracht, wo er bald darauf verstarb und im Kloster zum heiligen Johan feierlich beerdiget wurde.

 

Im Jahre 1191 am 2ten Februar ward dem Fürsten Wsewolod Jurjewitsch von Rostow sein fünfter Sohn gebohren, welcher den Nahmen Jaroslaw, in der heiligen Taufe aber den Nahmen Feodor erhielt.

 

In diesem Jahre starb am 19ten April Fürst Swätopolk Igorewitsch von Turow, ein Bruder der Gemahlin des Fürsten Rurik Rostislawitsch von Belgrad, und ward in der Kirche zum heiligen Michael mit dem goldenen Thurm, die sein Aeltervater Swätopolk erbauet hatte, begraben.

 

In diesem Jahre glückte es dem Fürsten Wladimir Jaroslawitsch aus Ungarn nach Deutschland zu entweichen, wo ihn der Kaiser, als einen Schwestersohn des Fürsten Wsewolod Jurjewitsch von Rostow, mit dem er einen Briefwechsel unterhielt, sehr liebreich aufnahm, Wladimir aber dem Kaiser, auf den Fall wenn er ihm zur Wiedererlangung seines vorigen Fürstenthums Halitsch

 

 

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behülflich seyn würde, gegen die Ungarn gemeine Sache zu machen versprach. Der Kaiser gab Wladimirn einen vornehmen Mann zur Begleitung, und ließ den König von Polen ersuchen, ihn wieder in sein väterliches Fürstenthum Halitsch einzusezen, wozu der König, der die Ungarn nicht gern in so naher Nachbarschaft sahe, sich nicht nur sehr geneigt bezeigte, sondern auch sogleich seinen Feldherrn Nikolas mit einem Heere gegen Halitsch abfertigte, wo man sich, wegen vieler von den Ungarn erlittenen Bedrängnisse, schon längst nach Wladimirs Rükkunft sehnete.

 

Der ungarische Prinz hatte damals nur sehr wenige ungarische Truppen bey sich, wagte es nicht sich auf die Halitscher zu verlassen, und kehrte auf die erste Nachricht von Wladimirs Anäherung zu seinem Vater zurück. Wladimir kam am ersten August in Halitsch an, und ward von den Einwohnern als ihr regierender Fürst empfangen; er ließ sogleich seinen Oheim den Fürsten Wsewolod Jurjewitsch von Rostow von seiner Rükkunft benachrichtigen, ihn um Hülfe und Unterstüzung zu seiner Vertheidigung und Befreyung seiner Gemahlin und Kinder bitten, und versprach dafür ihm jederzeit treu und ergeben zu seyn. Wsewolod Jurjewitsch ließ hierauf die Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch von Kiew und Rurik Rostislawitsch von Belgard und andere, besonders aber auch den König Kasimir von Polen

 

 

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ersuchen, Wladimirn gegen die Ungarn Beystand zu leisten und sich für die Befreyung seiner Gemahlin und Kinder zu verwenden, worüber er von allen gute Versicherungen erhielt.

 

In diesem Jahre vermählte Swätoslaw Wsewolodowitsch von Kiew, seinen Enkel David Olgowitsch, mit einer Tochter des Fürsten David Rostislawitsch von Smolensk. Um diese Zeit schloßen die Fürsten Swätoslaw von Kiew und Rurik von Belgrad gemeinschaftlich Frieden mit den Polowzern, und fuhren hierauf in Kähnen den Dnieper herab bis zur Mündung des Tismen auf die Jagdt, wo sie viele Thiere erlegten, und zum großen Vergnügen aller Anwesenden, im freundschaftlichsten Vernehmen lebten und zurück kehrten.

 

Im Herbste dieses Jahres ließ Swätoslaw Wsewolodowitsch von Kiew den tortscheskischen Fürsten Kontuwdei wegen einer wieder ihn angebrachten verläumderischen Anklage festnehmen.

 

Rurik Rostislawitsch bat auf die erste Nachricht von diesem Vorfalle den Fürsten Swätoslaw: den Kontuwdei, der nicht nur einer der ansehnlichsten Leute unter den Schwarzmüzzen sondern dabey ein braver und brauchbarer Mann sey, sogleich wieder in Freyheit zu setzen. Swätoslaw ließ sich zwar dieses Ansuchen gefallen, ließ aber den Gefangenen ohne alle Entschuldigung und Ehrenerklärung loß, welcher durch die Schmach eines auf verläumderische Anklage,

 

 

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unschuldig erlittenen Verhafts, und durch diese ohne alle Genugthuung erhaltene Befreyung erbittert, zum polowzischen Fürsten Togli flüchtete. Togli nahm ihn als einen wohlbekannten tapfern und klugen Mann mit Freuden auf, und versorgte ihn mit Vieh, Pferden und allen übrigen Nothwendigkeiten, Kontuwdei aber zog viele Polowzer an sich, und fiel öfters auf beiden Seiten des Dniepers in Rußland ein. Swätoslaw hatte damals wegen einiger zwischen ihm und den Fürsten Rurik von Belgrad und David von Smolensk strittigen Besizungen, seine Brüder und Vettern zu einer Zusammenkunft jenseit des Dniepers beschieden. Rurik rieth ihm gleich anfangs, diese Zusammenkunft an diesem Orte, der polowzischen Streifereyen wegen einzustellen, und lieber die Fürsten zu sich zu berufen, da er aber sahe, daß sein Rath nicht geachtet wurde, reisete er selbst in eigenen Geschäften nach Owrutsch, ließ seinen Sohn Rostislaw in Tortschesk, und bat Swätoslawen, einen oder zwey seiner Söhne zur Bedeckung der Grenzen abzufertigen. Swätoslaw versprach zwar seinen Sohn Olg Swätoslawitsch zu schicken, hielt aber auch hierin sein Wort nicht.

 

Indessen kam auf Ruriks Bitte ein Gesandter des Fürsten Wsewolod Jurjewitsch von Rostow bey den versammelten Fürsten an, und trug im Nahmen seines Herren vor: daß alle Streitigkeiten nach den vorigen freundschaftlichen Verträgen

 

 

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berichtiget und entschieden werden möchten. Swätoslaw hatte zwar lange vieles einzuwenden, ließ sich aber endlich gefallen, die vorigen Traktaten nach Wsewolods Wunsch und Willen zu bestätigen; womit die Zusammenkunft geendiget ward.

 

Im Anfange des Winters riethen die an sehnlichsten Leute unter den Schmarzmüzzen, dem damals in Tortschesk befindlichen Fürsten Rostislaw Rurikowitsch, einen Feldzug gegen die Polowzer zn thun. Rostislaw Rurikowitsch lud den Fürster Rostislaw Wladimirowttsch zu einer gemeinschaftlichen Unternehmung ein, und zog mit ihm eiligst gegen die polowzischen Lagerpläze an die Wasserfälle des Dniepers, wo sie sich auf den Niederungen verschiedener polowzischen Viehherden bemächtigten, und hiemit, weil der Dnieper des schwachen Eises wegen nicht zu paßiren war, sogleich ihren Rückzug antraten.

 

Die Polowzer wollten diesen ihren Verlust nicht ungerächt verschmerzen, sezten dem Fürsten Rostislaw Rurikowitsch nach und holten ihm am Fluße Iwlä ein, wo noch verschiedene ihrer Fürsten, als: Kolditsch und Koback Urußows Söhne, Besbäk Kontscheewitsch und Jaropolk Tomsakowitsch zu ihnen stießen.

 

Rostislaw Rurikowitsch hielt beym Anblick der starken polowzischen Macht Kriegsrath, und beschloß die Gefangenen und alle gemachte Beute an einem sichern Orte bewachen zu lassen,

 

 

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und mit allen seinen bewafneten Leuten, die Bogenschüzen an der Spize, gegen den Feind vorzurücken, welchem zufolge die Schüzen sogleich das Treffen anfingen, und alle übrigen Truppen ihnen langsam nachfolgeten.

 

Die Polowzer zogen sich zwar ohne selbige abzuwarten zurück, die Bogenschüzen und Schwarzmüzen aber drangen mitten in ihre Haufen ein, während das alle rußische Scharen nahe anrückten und den Feind völlig in die Flucht schlugen. Man nahm in diesem Treffen 600 Polowzer, und unter selbigen den Fürsten Kobäk, welchen die Schwarzmüzen zur Stelle gegen Lösegeld in Freiheit sezten, gefangen, und kehrte siegreich mit Ruhm und Beute nach Rußland zurück. Rostislaw reisete nach seiner Rükkunft sogleich aus Tortschesk zu seinem Vater Rurik nach Owrutsch, fand selbigen aber nicht, weil er eben zu seiner Schwiegerin und seinen Schwägern nach Pinsk verreiset war, wo damals die Vermählung des Fürsten Jaropolk Jurjewitsch gefeiert wurde.

 

Rurik Rostislawitsch gedachte um diese Zeit mit seinen Schwägern einen Feldzug nach Litauen zu thun, mußte aber dieses Unternehmen, des eingefallenen Thauwetters und tiefen Schnees wegen, auf eine gelegenere Zeit verschieben.

 

Swätoslaw Wsewolodowitsch von Kiew rückte auf die Nachricht von Rostislaws Siege über

 

 

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die Polowzer gegen Kunderewo aus, wodurch ein anderer Haufe Polowzer, der unter dem Fürsten Jakuschew, sich zu einem Streifzuge in Rußland der Gränze genähert hatte, eiligst zurück zu fliehen genöthiget ward. Swätoslaw begab sich hierauf wieder nach Kiew und ließ seinen Sohn Gleb Swätoslawitsch bey Kanew stehen, die Polowzer erschienen von neuen bey Towarew, ergriffen aber bey Glebs Annäherung die Flucht, auf welcher viele der ihrigen, die nicht eilig genug über die Flüße kommen konnten, von Glebs Leuten eingeholt und gefangen wurden.

 

Im Jahre 1192 ward dem Fürsten Wsewolod Jurjewitsch von Rostow, am 8ten Februar, sein sechster Sohn gebohren, welcher Swätoslaw in der heiligen Taufe aber Gabriel genant ward.

 

In diesem Jahre unternahm Igor Swätoslawitsch von Sewerien, nach genommener Ver bredung mit seinen Brüdern, einen Feldzug gegen die Polowzer, von welchem er mit vieler Beute an Vieh und Pferden nach Rußland zurück kam. Im Winter dieses Jahres zog Igor Swätoslawitsch, mit seinem Bruder Wsewolod und seinen Neffen, wiederum gegen die Polowzer aus, wozu ihm Swätoslaw Wsewolodowitsch von Kiew seine drey Söhne Wsewolod, Wladimir und Mstislaw, nebst seinem Enkel David

 

 

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Olgowitsch zu Hülfe schickte. Igor gieng mit diesen Fürsten über den Donez und war schon bis zum Oskol gekommen, als er erfuhr, daß die Polowzer alle ihre Habe weit von sich zurück geschickt hätten, und in großer Anzahl versammelt die rußischen Fürsten erwarteten. Er hielt es bey solchen Umständen nicht für räthsam, den in völliger Bereitschaft stehenden Feind anzugreifen, und kehrte ohne allen Verlust zurück.

 

In diesem Jahre legte Wsewolod Jurjewitsch von Rostow, in Susdal eine neue hölzerne Festung an, welche in einem Jahre fertig ward.

 

In diesem Jahre zog Fürst Jaroslaw Wladimirowitsch von Nowgorod, mit nowgorodschen und pskowischen Kriegsvölkern nach Liefland, und rückte bis Jurjew vor, da aber die Liefländer aus allen Gegenden Tribut zusammen brachten, und die rückständige Steuer für die verflossene Jahre gleichfalls zu bezahlen versprachen, trat Jaroslaw ohne dem Lande zu schaden sogleich seinen Rückzug an.

 

In diesem Jahre vereinigten die Fürsten Swätoslaw von Kiew und Rurik von Belgrad, auf die Nachricht daß die Polowzer sich zum Kriege rüsteten, ihre Truppen, und nahmen ihre Stellung bey Kanew, kehrten aber von da, weil nach langem Warten nichts vom Feinde zu hören war, wiederum in ihre Bestizungen zurück.

 

 

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Als hierauf kund ward, daß sich die Polowzer in großer Anzahl zum Kriege wider die Bolgaren versammlet und gegen die Donau vorgerückt wären, beschlossen die Schwarzmüzen im Winter ins polowzische Gebiet einzufallen, und ließen den Fürsten Rurik von Belgrad um seinen Sohn Rostislaw, zu ihrem Anführer bitten, welcher deshalb gleichfalls einen gewissen Rochwold an seinen Vater abschickte. Rurik gab Rochwolden zur Antwort: daß er ohne vorgängige mit dem Fürsten Swätoslaw von Kiew genommene Abrede, in diese Bitte nicht willigen könne, Swätoslaws Antwort abzuwarten aber zu lange währen möchte. Die Schwarzmüzen traten hierauf ihren Zug unter der erbetenen Anführung der Fürsten Swätoslaw Wladimirowitsch und Rostislaw Wladimirowitsch an, und sezten ihn bis zu der Furt bey den Wasserfällen des Dniepers fort, fanden aber die gesuchten Polowzer nicht, und geriethen mit den Fürsten in Uneieinigkeit. Die Fürsten nemlich wollten den Feldzug jenseit des Dniepers fortsezen, die Schwarzmüzen aber weigerten sich dessen, weil unter den in diesen Gegenden ziehenden Polowzern ihre nahe Freunde und Blutsverwandten befindlich waren, welches zu einer fruchtlosen Rükkehr nach Rußland Anlaß gab.

 

Da Rurik Rostislawitsch von Belgrad bemerkte, daß Kontuwdeis Abwesenheit unter den Berendeern (Schwarzmüzen) große Unordnung verursache,

 

 

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ließ er ihn mit dem Versprechen völliger Sicherheit, aus dem Gebiet der Polowzer nach Rußland zurück rufen. Kontuwdei ließ sich hiedurch zur Rükkehr bewegen, die rußischen Abgeordneten schworen deßen Freunden unter den polowzischen Fürsten, daß ihm kein Leid geschehen solle, und kamen mit ihm und verschiedenen vornehmen Polowzern zu ihrem Herrn zurück; Rurik nahm die Polowzer freundlich auf, entließ sie wohl beschenkt in ihre Wohnsize, und gab Kontuwdeien die Stadt Wderen ein.

 

Am 25ten April dieses Jahres ließ Wsewolod Jurjewitsch von Rostow, in Wladimir an der Kläsma seinem Sohne Jurii das Haar beschneiden und ihn feierlich zu Pferde sezen.

 

Die Geschichtschreiber melden: daß dieses Haarabschneiden und zu Pferde-Sezen der jungen Fürsten, in ihren siebenten Jahre geschehen, und ein alter slawischer Gebrauch gewesen sey, welcher sich sehr lange erhalten habe, und mit vielen Ceremonien, Gnadenbezeigungen und Lustbarkeiten vollzogen worden sey. Vor Einführung des Christenthums pflegte man bey dieser Gelegenheit dem jungen Prinzen einen Nahmen zu geben, wobey verschiedene vornehme Personen Pathenstelle vertraten, und der junge Fürst aus den Händen des Frauenzimmers den Männern übergeben wurde. Diese Sitte ward nicht minder in allen vornehmen Häusern beobachtet, und ist noch bis jezt unter den Tatarn üblich.

 

 

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Am 25ten November dieses Jahres ward dem Fürsten Wsewolod Jurjewitsch von Rostow sein siebenter Sohn gebohren, welcher nach seinem Aeltervater Wladimir, in der Taufe aber Dimitri genannt wurde.

 

In diesem Jahre kam Jaroslaw Wladimirowitsch von Nowgorod, auf Bitte des Fürsten von Polozk nach Welikie-Luki, und verband sich daselbst mit ihm zu einem gemeinschaftlichen Feldzuge gegen die Litauer und die jenseit der Düna wohnende Tschuden, welche der Stadt Nowgorod den versprochenen Tribut nicht entrichtet hatten. Der Fürst von Polozk brach diesem zufolge mit seinen Brüdern im Anfange des Winters gegen die Litauer auf, Jaroslaw Wladimirowitsch aber zog mit den Nowgorodern und Pskowern Jurjew (Dörpt) vorbey, gegen die Simegolen, und kehrte mit vielen Gefangenen und großer Beute zurück, bey welcher Gelegenheit auch die Jurjewer den schuldigen Tribut für alle ihre Wohnsize bezahlten.

 

Im Jahre 1193 verabredete Swätoslaw Wsewolodowitsch von Kiew einen Frieden mit den lukomorischen Polowzern (die sich in der Gegend des schwarzen Meeres zwischen dem Don und Dnieper aufhielten), konnte aber die jenseit des Dniepers um den Donez wohnenden nicht zu gleichen Gesinnungen bewegen. Er that hierauf dem Fürsten Rurik von Belgrad den Vorschlag, alle polowzische Fürsten gemeinschaftlich zum Frieden

 

 

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einzuladen, und schickte deshalb aus Noporot zu den Burgewitschen, Werwil, Osluk, und Iwnä, Rurik aber zu den lukomorischen Jakusch und Togli. Nach diesem reiseten Swätoslaw und Rurik zusammen nach Kanew, und erwarteten unter Bedeckung ihrer Truppen die Polowzer. Rurik schickte den lukomorischen Fürsten seinen Sohn Rostislaw entgegen, der mit Istäkup und Togli nach Kanew zurück kam, die Burjewitschen aber fanden sich zwar gleichfals nicht weit von Kanew jenseit des Dniepers ein, wollten aber nicht über den Fluß kommen, sondern verlangten vielmehr, daß die rußischen Fürsten zu ihnen kommen sollten. Swätoslaw und Rurik erwiederten auf diese Anforderung: „da es von alters her nie Sitte gewesen, das die rußischen Fürsten zur Schließung irgend eines Vertrages sich zu den Polowzern begeben hätten, so hielten sie dieses auch jezt für unschicklich, und würden sich dazu nicht bequemen; wer also Frieden haben wolle, müsse sich persönlich bey ihnen einfinden.“ Die Burgewitschen reiseten hierauf ohne Frieden zu schließen davon, die lukomorischen aber wünschten den bestehenden Frieden bestätigt zu sehen. Da nun Swätoslaw nicht anders als mit allen zugleich Frieden schließen, Rurik aber jedem friedliebenden den Frieden zu gewähren rieth, schieden beyde nach fruchtloser Bemühung mißvergnügt auseinander.

 

 

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Rurik ließ hierauf, nach vergängiger Berathschlagung mit seinen Bojaren, Swätoslawen folgenden Vorschlag thun: „da der Friede mit den Polowzern nicht nach Wunsch zu Stande gekommen, und jezt von ihnen keine Sicherheit zu gewarten sey, müsse man ihnen lieber zuvor kommen, sie durch Krieg zum Frieden nöthigen und mit gesammter Macht gegen sie aufbrechen.“ Swätoslaw aber erwiederte: „daß er des gewesenen Mißwachses wegen diesen Winter nicht zu Felde ziehen könne, sondern vielmehr sein eigen Land schonen und beschüzen wolle, Rurik befahl hierauf Swätoslawen zu melden: „da die vorgeschlagene Unternehmung gegen die Polowzer nicht beliebt worden sey, so wolle er seinen Schwägern und den polozkischen Fürsten zu gefallen gegen die Litauer ziehen, jezt aber in seinen eigenen Geschäften nach Owrutsch verreisen, Swätoslaw war mit Ruriken dieses vorgenommenen Feldzuges wegen sehr unzufrieden, und reisete zu seinem Bruder über den Dnieper ins Tschernigowische; Rurik aber ließ seinen Sohn in Tschernobol, und reisete selbst nach Owrutsch ab.

 

Unterdessen hatten die Schwarzmüzen in Erfahrung gebracht, daß ein Haufe Polowzer sorglos auf der andern Seite des Dniepers stehe, und ließen den Fürsten Rostislaw Rurikowitsch zu einen Feldzuge gegen sie einladen. Rostislaw berathschlagte sich hierüber mit seinen Bojaren, brach auf ihren Rath mit seinen Truppen

 

 

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aus Tschernobol auf, und ließ seinem Schwestersohne Mstislaw Wladimirowitsch in Tripol sagen, daß er ihm mit den Seinen nach Tortschesk folgen sollte. Mstislaw Wladimirowitsch machte sich sogleich auf den Weg und holte Rostislawen jenseit des Fluses Roßi ein, worauf beide Fürsten, um den Feind unbereitet zu finden, ihren Zug beschleunigten, die Polowzer am Fluse Iwlä überfielen, eine Menge Vieh und Pferde erbeuteten, und mit vielen Gefangenen, unter welchen einige Fürstenkinder und andere vornehme Polowzer waren, ihren Rükzug antraten.

 

Die Polowzer sezten zwar den rußischen Fürsten nach, und holten sie ein, wagten es aber nicht sie anzugreifen, so daß Rostislaw mit allen gefangenen Polowzern und vielen befreyten rußischen Gefangenen, am 25ten December siegreich in Tortschesk ankam, von da er nach einem kurzen Aufenthalt, mit seiner Gemahlin und seinen Kindern zu seinen Vater nach Owrutsch reisete. Rurik Rostislawitsch schickte sich eben damals zu seinem Feldzuge gegen Litauen an, stellete aber selbigen auf Swätoslaws Vorstellung: daß er lieber seine eigene Besizungen gegen einen zu befürchtenden Einfall der Polowzern sichern möchte, nochmals ein, und kehrte in sein Gebiet zurück.

 

Rostislaw Rurikowitsch beurlaubte sich hierauf bey seinen Vater, und reisete mit seinem ganzen

 

 

 

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Hause zu seinem Vater-Bruder David Rostislawitsch nach Smolensk, der ihn mit großer Freude und Achtung empfing, und ihm zu Ehren viele Lustbarkeiten anstellete. Unterdessen erfuhr Wsewolod Jurjewitsch von Rostow, daß sein Eidam mit seiner Tochter in Smolensk sey, und ließ ihn zu sich zum Besuch einladen. Rostislaw beurlaubte sich bey seinem Vetter und reisete von ihm, mit vielen Geschenken beehrt, zu seinem Schwiegervater nach Susdal, der ihn und seine Tochter mit Liebe und Freude empfing, sie bis zum Sommer bey sich behielt, reichlich beschenkte, und bey ihrer Abreise mit vielen seiner Großen drey Tagereisen begleitete.

 

Im Jahre 1194 ward dem Fürsten David Rostislawitsch von Smolensk ein Sohn gebohren, der den Nahmen Mstislaw in der heiligen Taufe aber den Nahmen Feodor erhielt.

 

In diesem Jahre vereinigten die Fürsten Swätoslaw und Rurik ihre Truppen, standen mit selbigen vierzig Tage lang bey Waßiljew und kehrten hierauf, da nichts von den Polowzern zu hören war, wiederum in ihre Besizungen, nemlich Swätoslaw über den Dnieper, und Rurik nach Belgrad zurück. Sobald aber die Truppen aus einander gelassen und die Grenzen entblößt waren, fiel ein Haufe Polowzer ins perejaslawische ein, richtete daselbst großen Schaden an, und eilte mit vielen Gefangenen davon.

 

 

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Am 25ten August dieses Jahres legte Wsewolod Jurjewitsch von Rostow in Susdal die durch schlechte Aufsicht verfallene Kirche zur heiligen Mutter Gottes von neuen an, welche mit Zinn gedeckt und vom Bischofe Johann eingeweiht wurde.

 

In diesem Jahre ward Wsewolods Sohne Jaroslaw das Haar beschnitten, welches Fest im Beyseyn vieler dazu eingeladenen Fürsten und vornehmer Personen mit vielen Lustbarkeiten gefeiert ward.

 

Um diese Zeit schickten die Nowgoroder einen ihrer Feldheeren gegen die Jugren aus, welcher sich jenseit der Dwina einer am Fluße Jaga gelegenen Stadt bemächtigte, und fünf Wochen lang vor einer andern Stadt stand, aus welcher die Jugren in der Nacht einen Ausfall thaten, und die Nowgoroder erschlugen.

 

Am 25ten Oktober ward dem Fürsten Wsewolod Jurjewitsch von Rostow sein achter Sohn gebohren, welcher nach seinem Vater Dimitrii genannt wurde.

 

Im Jahre 1195 ließ Fürst Swätoslaw Wsewolodowitsch von Kiew die räsanischen Fürsten verschiedentlich zur Abtretung einiger zwischen ihm und ihnen strittigen Ländereyen im tmutarakanischen Gebiete auffordern, erhielt aber jederzeit abschlägige Antwort, und brach hierauf mit seinem Bruder Jaroslaw Wsewolodowitsch von Tschernigow, dem Fürsten Igor Swätoslawitsch von Sewerien und andern, gegen

 

 

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Kursk auf, ließ aber zuvor den Fürsten Wsewolod Jurjewitsch von Rostow um seine Unterstüzung ersuchen. Da Wsewolod diesen Krieg gegen die räsanischen Fürsten mißbilligte und wiederrieht, trat Swätoslaw am 23ten April seinen Rückzug an, auf welchem er anfangs wegen einer ihm am Fuße zugestoßene Krankheit auf einem Schlitten, nachher aber auf der Deßna zu Wasser bis Wüschgrad herabfuhr, und an einen Sonnabende nach Kiew zurück kam. Am 24ten Julius früh, brachte man Swätoslawen die Nachricht, daß griechische Gesandten nach Kiew auf dem Wege wären, die ihn um seine Enkelin Euphimia Glebowna für einen griechisch-kaiserlichen Prinzen ersuchen sollten. Er schickte sogleich einige der angesehensten Kiewer zum Empfange dieser Gesandten ab, und ließ, da er selbst immer schwächer und schwächer ward, den Fürsten Rurik Rostislawitsch von Belgrad zu sich bitten. Er empfahl diesem Fürsten seine Gemahlin und Kinder, starb am 27sten Julius in Kiew, und ward im Kloster zum heiligen Feodor begraben. Er hatte das Großfürstenthum 17 Jahre beseßen.

 

Seine Gemahlin ist nicht bekannt.
Seine Kinder waren: 1. Mstislaw. 2. Gleb. 3. Wladimir. 4. Olg. 5. Wsewolod. 6. Eine Tochter, die mit den Fürsten Wladimir Jaroslawitsch von Halitsch vermählt war.

 

 

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Glebs Geschlechts-Register.

 

Georg II Fürst von Rostow und Susdal, nachher - Großfürst, von 1155 bis 1157.

 

Dessen erste Gemahlin, war eine Tochter des polowzischen Fürsten Aepa, von welcher:

 

Gleb Fürst von Perejaslawl, nachher Großfürst von Kiew.

oo seine erste Gemahlin ist unbekannt.

oo seine zweyte Gemahlin war eine Tochter des Fürsten Isäslaw Davidowitsch.

 

seine Kinder waren:

 

Wladimir und Isäslaw.

 

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Swätoslaws Geschlechts-Register.

 

Wsewolod II ein Sohn des Fürsten Olg Swätoslawitsch, zuerst Fürst von Tschernigow, nachher Großfürst, von 1139 bis 1146.

 

oo Dessen erste Gemahlin war eine Tochter des Fürsten Nikolai Swätoscha von Gorodezk; die zweyte, Agafia, eine Tochter des Großfürsten Mstislaw Wladimirowitsch.

 

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Deßen Sohn Swätoslaw Fürst von Tschernigow, nachher Großfürst von Kiew, vermählt mit einer Tochter des polozkischen Fürsten Waßilko.

 

Seine Kinder waren

 

1. Wladimir. 2. Olg. 3. Wsewolod. 4. Gleb. 5. Jaropolk. 6. Mstislaw. 7. Malfrida Boleslawa, vermählt mit Wsewolod, einem Sohne des Fürsten Jaroslaw von Halitsch. 8. Eine Tochter mit dem Fürsten Wladimir Jaroslawitsch von Halitsch vermählt. 9. Eine Tochter, vermählt mit dem Fürsten Roman Glebowitsch von Räsan.

 

 

 

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Zeitverwandte der rußischen Fürsten vom Jahre 1171 bis 1195.

 

In Griechenland. Kaiser. Emanuel v. 1143 bis 1180. Alexis II. von 1180 bis 1183. Andronik I. von 1183 bis 1185.

 

In Deutschland. Kaiser. Friedrich I. v. 1152 bis 1190. Heinrich VI. Von 1190 bis 1197.

 

In Polen. Könige. Boleslaw IV von 1146 bis 1173. Metschislaw III. von 1173 bis 1177. Kasimir II. von 1177 bis 1194. Leschko V. Von 1194 bis 1227.

 

In Böhmen. Fürsten. Wladislaw IV. Von 1140 bis 1173. Sobieslaw von 1174 bis 1178. Friedrich von 1178 bis 1190. Konrad von 1190 bis 1191. Wenzeslaw von 1191 bis 1191. Premislaw von 1191 bis 1193. Bretschislaw von 1193 bis 1196.

 

In Sachsen. Fürsten. Heinrich von 1139 bis 1180. Bernhard von Askanien von 1180 bis 1212.

 

In der Pfalz. Fürst. Konrad von 1156 bis 1195.

 

In Baiern. Fürsten. Heinrich X. von 1154 bis 1180. Otto I. von 1180 bis 1183. Ludwig I. von 1183 bis 1231.

 

In Brandenburg. Fürst. Otto I. von 1169 bis 1198.

 

In Braunschweig. Fürst. Heinrich von 1119 bis 1195.

 

 

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In Ungarn. Könige. Stephan III. von 1161 bis 1174. Bela III. von 1174 bis 1196.

 

In Dänemark. Könige. Wladimir oder Woldemar I. von 1157 bis 1182. Kanut VI. von 1182 bis 1203.

 

In Schweden. Könige. Kanut von 1168 bis 1192. Swercher III. von 1192 bis 1210.

 

In Arabien. Kalifen. Mostandi, LII. Kalif von 1170 bis 1180. Maßar LIII. Kalif von 1180 bis 1225.

 

In Egypten. Kalif. Adged von 1160 bis 1171.

 

In Ikonium. Sultane. Nuredin Mamut von 1171 bis 1174. Saladin von 1174 bis 1193. Malek El Adis Otmann von 1193 bis 1200.

 

In Ikonium. Sultane. Kilidsche Arslan von 1155 bis 1192. Gajateddin Kaikoßru von 1192 bis 1210.

 

In Alepo. Sultane. Nuradin Mamut von 1142 bis 1174. Malek Eßalem Ismail von 1174 bis 1181. Emadedin Sengi von 1181 bis 1258.

 

In Damask. Sultane. Modshir Eddin von 1142 bis 1174. Saladin von 1174 bis 1249.

 

In Mongalien. Chane. Baadur von ___ bis 1176. Tschingis von 1176 bis 1229.

 

In Frankreich. König. Ludwig VII. von 1137 bis 1180. Philipp II. von 1180 bis 1223.

 

 

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In England. Könige. Heinrich II. von 1154 bis 1189. Richard I. von 1189 bis 1199.

 

In Schottland. König. Wilhelm von 1165 bis 1214.

 

In Spanien. König. Alphons von 1158 bis 1214.

 

In Portugall. Feresa und Alphons I. von 1112 bis 1212. Sanches I. von 1185 bis 1212.

 

In Toskana. Groß-Herzog. Welf von 1153 bis 1195.

 

Patriarchen zu Konstantinopel. Michael von 1169 bis 1176. Chariton von 1176 bis 1177. Theodosius von 1177 bis 1183. Basil von 1183 bis 1186. Nicet von 1186 bis 1190. Leontius von 1190 bis 1191. Dosipheos von 1191 bis 1193. Georg von 1195 bis 1199.

 

Römische Päbste. Alexander III. von 1159 bis 1181. Lucian III. von 1181 bis 1185. Urban III. von 1185 bis 1187. Gregor VIII. von 1187 bis 1187. Klemens III. von 1187 bis 1191. Cölestin III. von 1191 bis 1198.

 

Mitropoliten zu Kiew. Konstantin von 1167 bis 1175. Nikifor von 1175 bis 1205.

 

In Rußland. Abgetheilte Fürsten.

 

In Kiew. Gleb Jurjewitsch von 1171 bis 1172. Wladimir Mstislawitsch von 1172 bis 1172. Michalko Jurjewitsch von 1172 bis 1172. Roman Rostislawitsch von 1172 bis 1174. Jaroslaw Isäslawitsch von 1174 bis 1176. Swätoslaw Wsewolodowitsch von 1177 bis 1195.

 

 

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In Groß-Nowgorod. Roman Mstislawitsch von ___ bis 1171. Rurik Rostislawitsch von 1171 bis 1173. Rurik Andreewitsch von 1174. Juri Andreewitsch bis 1176. Jaropolk Rostislawitsch in 1179. Wladimir Swätoslawitsch von 1179 bis 1189. Jaroslaw Wladimirowitsch von 1189.

 

In Tschernogow. Swätoslaw Wsewolodowitsch bis 1177. Jaroslaw Wsewolodowitsch von 1177.

 

In Halitsch. Jaroslaw Wladimirowitsch bis 1188. Olg Jaroslawitsch in 1188. Wladimir Jaroslawitsch von 1188 bis ___.

 

In Nowgorod-Sewerskoi. Olg Swätoslawitsch bis 1180. Igor Swätoslawitsch von 1180.

 

In Rostow Susdal und Wladimir an der Kläsma. Andrei Jujewitsch bis 1175. Mstislaw+Jaropolk Rostislawitsch von 1175 bis 1176. Michalko Jurjewitsch von 1176 bis 1177. Wsewolod Jurjewitsch von 1177.

 

In Smolensk. Roman Rostislawitsch. Bis 1172. Jaropolk Romanowitsch bis 1180. David Rostislawitsch bis 1180.

 

In Wladimir in Wolhynien. Jaropolk Mstislawitsch. Roman Mstislawitsch bis 1189. Wsewolod Mstislawitsch von 1189.

 

 

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In Wüschgrad. David Rostislawitsch bis 1186. Mstislaw Davidowitsch von 1180 bis 1190.

 

In Belgrad. Mstislaw Rostislawitsch. Rurik Rostislawitsch von 1177.

 

In Luzk. Jaroslaw Isäslawitsch bis 1183. Wsewolod Jaroslawitsch von 1183.

 

In Dorogobush. Wladimir Mstislawitsch bis 1172. Mstislaw Wladimirowitsch von 1172.

 

In Belsh. Wsewolod Mstislawitsch bis 1196.

 

In Owrutsch. Rurik Rostislawitsch.

 

In Tortschesk. Michalko Jurjewitsch.

 

In Trubtschewsk. Wsewolod Swätoslawitsch.

 

In Rülsk. Swätoslaw Olgowitsch.

 

In Putiml. Wladimir Igorowitsch. Rostislaw Wladimirowitsch.

 

In Perejaslawl. Wladimir Glebowitsch von 1172 bis 1187.

 

In Tripol. Mstislaw Mstislawitsch. Mstislaw Wladimirowitsch.

 

In Polozk. Wseslaw Waßilkowitsch.

 

In Druzk. Wseslaw Davidowitsch.

 

In Logoschesk. Wsewolod Davidowitsch. Waßilko Jaropoltschitsch.

 

In Drogotschin. Waßilko Jaropoltschitsch.

 

In Minsk. Wladimir Wolodaritsch.

 

In Pinsk. Jaroslaw Jurjewitsch. Jaropolk Jurjewitsch.

 

In Dobrowiz. Gleb Jurjewitsch.

 

 

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In Gorodensk. Wsewolod Jurjewitsch. Mstislaw Wladimirowitsch. Swätoslaw Wladimirowitsch.

 

In Witebsk. Wseslaw. Brätschislaw Waßilkowitsch.

 

In Peremüschl. Wladimir Jaroslawitsch von 1187.

 

In Tortschesk. Roman Mstislawitsch von 1189. Rostislaw Rurikowitsch von 1191.

 

In Räsan. Juri Wladimirowitsch bis 1175. Gleb Jurjewitsch von 1175 bis 1179. Roman Glebowitsch von 1179.

 

In Murom. Wladimir Jurjewitsch. David Jurjewitsch.

 

In Pronsk. Wsewolod Glebowitsch. Wladimir Glebowitsch.

 

In Pleskow. Boris Mstislawitsch.

 

In Torshok. Jaropolk Rostislawitsch von 1178.

 

In Wolok-Lamskoi. Jaroslaw Rostislawitsch .

 

In Lopasnä. Olg Swätoslawitsch.

 

In Torow. Swätopolk Igorewitsch bis 1191.

 

 

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266

 

 

42.

 

Fürsten.

Rurik, in Kiew.
Wsewolod, in Rostow.
Jaroslaw, in Tschernigow.
Igor, in Nowgorod-Sewerskoi.
Wladimir, in Halitsch.
David, in Smolensk.

 

Im Jahre 1195, nahm Fürst Rurik Rostislawitsch von Belgrad, gleich nach Swätoslaws Tode, Besiz von dem Großfürstlichen Throne in Kiew.

 

Die Geschichte meldet: daß die Kiewer bey Ruriks Gelangung zum Throne besonders darüber erfreut gewesen, daß sie nun wieder einen Fürsten von Wladimirs Stamme zum Regenten hätten.

 

Rurik Rostislawitsch nahm alle die zu ihm kamen freundlich auf, hörte jede Bitte geduldig an, beleidigte und verfolgte niemand, ohne auf Abkunft oder Religion zu sehen.

 

In diesem Jahre ward das Schloß zu Wladimir an der Kläsma erneuert, ganz von Eichenholz gebaut, und mit einem ansehnlichen Erdwalle umgeben.

 

 

 

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Auch ward die Kirche zur heiligen Mutter Gottes nach dem Brande von dem Bischofe Johann neu ausgebaut.

 

Ferner ward in Pereslaw am See Kleschtschino eine neue Festung von Holz angelegt, und die alte abgetragen.

 

In diesem Jahre starb Fürst Igor Glebowitsch von Räsan.

 

Rurik Rosisawitsch ließ gleich nach dem Antritt seiner Regierung in Kiew, seinen Bruder David Rostislawitsch aus Smolensk zu sich einladen, um sich mit ihm über die Bestimmung der Besizungen aller Fürsten von Wladimirs Stamme zu berathschlagen.

 

David Rostislawitsch von Smolensk reisete unverzüglich in Kähnen den Dnieper herab nach Kiew, und hielt bey Wüschgrad an, von da er am folgenden Morgen von seinem Bruder Rurik zu Gast geladen, sehr freundlich bewirthet und beschenkt ward. Hierauf legten beide Brüder beym Fürsten Rostislaw Rurikowitsch in Belgrad einen Besuch ab, welcher sie mit vieler Freude aufnahm und seinem Vetter Geschenke machte.

 

Nach diesem lud David seinen Bruder Rurik mit seinen Söhnen nebst einigen andern Fürsten und vornehmen Kiewern zu Gaste, beschenkte seinen Bruder und seinen Neffen und entließ alle in Liebe und Freude; hierauf bewirthete und beschenkte David die vornehmsten

 

 

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unter den Schwarzmüzen, auch stelleten die vornehmen Kiewer bey sich Gastmale an, wozu sie den Fürsten David einluden und ihm viele Geschenke darbrachten. Endlich lud Fürst David zum Beschluß die Kiewer zum Mittagsmale und bewirthete sie reichlich. Nach Endigung aller dieser Lustbarkeiten berathschlagte sich Rurik mit seinem Bruder David über die Vertheilung der fürstlichen Besizungen und berichtigte mit ihm alles in dreyen Tagen, worauf David wiederum nach Smolensk zurück kehrte.

 

Im Jahre 1196 starb in Belsh Wsewolod Mstislawitsch, Isäslaws Enkel und Urenkel des Großfürsten Mstislaw.

 

Als Wsewolod Jurjewitsch von Rostow erfuhr, daß Rurik Rostislawitsch von Kiew nach vorgängiger Berathschlagung mit seinem Bruder David von Smolensk die Besizungen seiner Neffen bestimmt und seinem Eidame Roman Mstislawitsch verschiedene Städte ertheilt habe, verlangte er, daß seinen Kindern, von welchen damals fünf Söhne am Leben waren, gleichfalls einige Ländereyen im kiewschen Gebiet angewiesen würden, und ließ deshalb dem Fürsten Rurik Rostislawitsch vorstellen: „Man habe ihn, Wsewoloden, vor kurzer Zeit für den ältesten aller Fürsten von Wladimirs Stamme anerkannt, da aber Rurik den kiewschen Thron in Besiz genommen, den jüngern Fürsten Ländereyen ausgetheilt, ihm als den ältesten aber, als wenn ihm

 

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kein Theil gebühre, nichts gegeben habe, so möchte er gerne wissen, wie man auf solche Art Rußland in Ruhe zu erhalten gedenke.“ Rurik erfuhr von den rostowschen Gesandten, daß Wsewolod besonders darüber unzufrieden wäre, daß er seinem Eidame Roman Mstislawitsch die besten Städte, die Wsewolod gerne für seine Söhne gehabt hätte, als Tortschesk, Tripol, Korßun, Boguslaw und Kanew angewiesen habe, und versprach Wsewoloden andre Städte zu geben, die Gesandten aber bestanden durchaus auf diese und geriethen darüber mit Ruriks Bojaren in heftigen Wortwechsel. Diese nemlich sagten: es schicke sich nicht, daß Rurik sein Wort breche, und Wsewoloden zu gefallen seinen Eidam beraube, die Gesandten aber ließen nicht ab, und droheten den Kiewern: Wsewolod werde ihrem Fürsten den Krieg erklären.

 

Ruriks Räthe stelleten hierauf, nach dem Bericht der Geschichte, ihrem Herrn vor: Wsewolod habe sich, wie aus den vorigen Verträgen zu ersehen seyn würde, gegen die Abtretung des Fürstenthums Groß-Nowogrod, auf ewig aller Ansprüche auf das kiewsche Gebiet begeben, daher seine jezige ungerechte Forderung, daß man ihm zu Gefallen einen andern beraube, nichts anders zur Ausicht haben könne, als ihn mit den übrigen Fürsten in Streit zu verwikeln, Rurik ließ den Mitropoliten Nikiphor ruffen, und trug ihm auf, alle zwischen dem Fürsten

 

 

 

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Wsewolod Jurjewitsch von Rostow und den Fürsten Roman Mstislawitsch und Swätoslaw Wsewolodowitsch von Kiew ihrer Besizungen wegen geschloßene Verträge aufzusuchen.

 

Der Mitropolit wußte zwar wohl, was dieser Sache wegen in den Urkunden, die im Archiv der Sophien Kirche aufbehalten wurden, enthalten sey, überredete aber doch den Fürsten von Kiew Wsewolods Anforderungen Gehör zu geben; so daß Rurik seinem Eidame Roman Mstislawitsch Wsewolods zudringliche Forderung bekannt machte, und ihm anstat der abzutretenden Städte andre zu geben versprach. Roman Mstislawitsch erwiederte auf diesen Antrag: er glaube zwar nicht, daß Rurik sich durch diese Willfähigkeit Wsewolods Freundschaft erwerben, noch sonst einigen Nuzen davon haben werde, wolle aber doch mit einem billigen Ersaz seines Verlustes zufrieden seyn. Rurik ließ Wsewoloden durch einen Gesandten bekannt machen: daß er ihm die fünf verlangten Städte mit den dazu gehörigen Ländereyen abtrete, und schickte ihm einen hierüber entworfenen Vertrag zu. Wsewolod bestätigte diesen Vertrag durch Küßung des Kreuzes, gab Tortschesk sogleich seinem Eidame Rostislaw Rurikowitsch, und sezte in den übrigen Städten seine Stathalter ein.

 

Als Roman Mstislawitsch erfuhr, daß Wsewolod von Rostow einen Theil der ihm genommenen Ländereyen seinem Eidame (Romans Schwager)

 

 

 

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Rostislaw ertheilt habe, ließ er sich bey seinen Schwiegervater Rurik Rostislawitsch beschweren, daß er ihm die Stadt Tortschesk blos deshalb genommen habe, um selbige seinen Sohne Rostislaw zu geben. Rurik ließ ihn zwar dagegen versichern, daß alles was man ihm zuvor gemeldet habe, die reine Wahrheit sey, und versprach ihm völlige Genugthuung, Roman aber wollte sich nunmehr mit keinem Ersaz begnügen, und ließ sich mit den Fürsten Jaroslaw Wsewolodowitsch von Tschernigow und Igor Swätoslawitsch von Sewerien in Bündniß ein. Rurik Rostislawitsch machte die Nachricht von diesem Bündniße dem Fürsten von Rostow bekannt, meldete ihn dabey daß die Olgowitschen sich, durch Roman Mstislawitsch verstürkt, zum Kriege gegen Wladimirs Stamm rüsteten, und fertigte zu gleicher Zeit einen Gesandten an den Fürsten Roman ab, um ihm den Friedensvertrag vor die Füße zu werfen.

 

Roman Mstislawitsch reisete hierauf nach Polen, zu Kasimirs Söhnen und ihrer Mutter Helena, die eine Tochter des Fürsten Wsewolod Mstislawitsch von Belsh und Romans Nichte war, erhielt aber von ihnen auf seine Bitte zur Antwort: das sie ihn sehr gern unterstüzen würden, wenn sie nicht selbst mit ihrem Vaterbruder Metscheslaw, der ihnen ihre Besizungen zu entreißen trachte, im Kriege begriffen wären, weshalb sie vielmehr ihn selbst bitten müßten, ihnen mit seinen Truppen zu Hülfe zu kommen.

 

 

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Roman Mstislawitsch kehrte sogleich zurück, zog seine und seiner Neffen Truppen zusammen, und eilte Kasimirs Söhnen gegen Metscheslaw zu Hülfe nach Polen. Metscheslaw ließ auf die Nachricht von Romans Annäherung ihn um seine Vermittelung zwischen ihm und seinen Neffen ersuchen, und erbot sich ihm alle Kriegskosten zu bezahlen, Roman aber gab den Bitten seiner Nichte und ihrer Söhne Gehör, rückte gegen Metscheslaw vor, und lieferte den Polen am Fluße Mosgiwa ein hiziges Treffen, in welchem man das Gefecht bis zur späten Nacht fortsezte, und Roman selbst mit dreyen Pfeilen verwundet ward. Metscheslaw zog sich nach Verlust vieler Leute vom Schlachtfelde hinter einen Morast zurück, Roman aber blieb zwölf Tage lang an demselben Orte, stehen und wartete auf eine Verstärkung von polnischen Truppen aus Krakau, die aber von Metscheslaw auf dem Wege aufgefangen wurden. Roman kehrte auf diese Nachricht nach Wladimir in Wolhynien zurück, und ließ gleich nach seiner Ankunft den Fürsten Rurik Rostislawitsch von Kiew um Beendigung aller Streitigkeiten und Fehden bitten. Rurik willigte hierin und gab seinem Eidame Roman Polonno und die Hälfte des Korßunischen Gebiets, nebst der (zwischen Kiew und Luzk liegenden) Stadt Korßun.

 

In diesem Jahre richteten die Heuschreken in Rußland vielen Schaden an.

 

 

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Im Herbst dieses Jahres ließ Rurik Rostislawitsch von Kiew, nach genommener Verabredung mit seinem Bruder David Rostislawitsch von Smolensk, und Wsewolod Jurjewitsch von Rostow, den Fürsten Jaroslaw Wsewolodowitsch von Tschernigow, Igor Swätoslawitsch von Sewerien, und allen übrigen Fürsten von Olgs Stamme, den Antrag thun: alle Streitigkeiten und Mißhelligkeiten zwischen ihnen und den Fürsten von Wladimirs Stamme auf ewig zu heben. Er schlug zu dem Ende vor, daß man den im Jahre 1026 zwischen Jaroslaw Wladimirowitsch und seinem Bruder Mstislaw von Tmutarakan geschloßenen Vertrag, durch welchen Rußland nach dem Laufe des Dniepers getheile worden war, zum Grunde legen möchte; daß folglich die tschernigowischen, sewerischen und alle übrigen Fürsten von Olgs Stamme auf die Länder der Rostislawitschen keine Ansprüche machen, und die Fürstenthümer Kiew und Smolensk Wladimirs Stamme verbleiben, die Fürsten von Wladimirs Stamme aber sich dagegen aller Ansprüche auf alles was von alters her zu Tschernigow gehört habe, begeben sollten. Die Fürsten von Olgs Stamme kamen hierüber zusammen und beschloßen den Fürsten von Wladimirs Stamme folgende Antwort zu ertheilen: „Sie verlangten und begehrten zwar die gegenwärtigen Besizungen der Fürsten Rurik Rostislawitsch,

 

 

 

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David Rostislawitsch, und Wsewolod Jurjewitsch nicht, gedächten auch den erstern nie im Besize des Fürstenthums Kiew zu stöhren, aber sich dieser Stadt und des ersten rußischen Thrones gänzlich zu begeben und selbigen Wladimirs Stamme abzutreten, könnten sie deshalb nicht thun, weil sie selbst von keiner fremden Abkunft sondern vielmehr Nachkommen desselben Jaroslaw I. und noch dazu von seinem ältern Sohne Swätoslaw wären, deßen jüngerer Bruder Wsewolod, Wladimirs Vater gewesen sey: weshalb also der großfürstliche Thron zu Kiew, nach Ruriks Tode dem Aeltesten im Fürstenstamme, dem Gott so lange das Leben fristen werde, zu Theil werden müßte.“

 

Die Gesandten der Wladimirowitschen geriechen hierüber mit den Bojaren der Olgowitschen in großen Streit, und bemühten sich das Vorrecht des Wladimirischen Stammes, dadurch zu erweisen, daß man Wladimirn und seinem Sohne Mstislaw I. einmüthig den ersten rußischen Thron zugestanden habe, obgleich damals verschiedene ältere Fürsten von Swätoslaws und Olgs Nachkommen am Leben gewesen wären. Man kam also hierüber zu keinem Schluß, und die Gesandten reiseten unverrichteter Sachen zurück. Die Olgowitschen erfuhren hierauf, daß die Fürsten Wsewolod, Rurik und David sich zum Kriege rüsteten, und schickten einige ihrer Bojaren

 

 

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nebst dem Abt Dionisii als Gesandten an den ersten dieser Fürsten ab, um mit ihm, ohne Kiews zu erwähnen, einen besondern Vertrag zu schließen. Wsewolod willigte hierin und schloß mit den Olgowitschen einen Vertrag, des Inhalts: daß jeder das Seine ruhig besizen und auf die Besizungen des andern keinen Anspruch machen solle; worauf beide Theile ihre Truppen auseinander ließen.

 

Nach diesem schickten die Olgowitschen eine Gesandschaft an den Fürsten Rurik Rostislawitsch von Kiew und ließen ihm sagen: „Sie hätten gegen ihn nichts Böses im Sinn, und würden bey seinen Lebzeiten keinen Anspruch auf Kiew machen, da aber der gemeinschaftliche Vertrag mit ihm und Wsewoloden nicht zu Stande gekommen sey, so wären sie bereit, sich so lange bis selbiger berichtiget werden könne, mit ihm zu vereinigen, daß unterdessen keiner von beiden den andern feindlich behandeln wolle.“

 

Rurik Rostislawitsch schickte hierauf nach gepflogener Beratschlagung mit seinen Bojaren, von seiner Seite Gesandten nach Tschernigow, und schloß mit Jaroslaw Wsewolodowitsch und den übrigen Olgowitschen den ihm angetragenen vorläufigen Vergleich: daß in Erwartung des gedachten gemeinschaftlichen Vertrages niemand von ihnen den andern bekriegen wolle, welches von beiden Theilen mit einem Eide bekräftiger ward.

 

 

 

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Nach Schließung dieses Vergleichs, ließ Rurik seine und seiner Söhne Truppen, und die bey ihm befindlichen wilden Polowzer, reichlich beschenkt auseinander, und reisete in seinen eigenen Geschäften nach Owrutsch.

 

Im Jahre 1197 vermählte Wsewolod Jurjewitsch von Rostow seinen ältesten Sohn Konstantin mitAgaphia einer Tochter des Fürsten Mstislaw Romanowitsch. Diese Eheverbindung ward zu Wladimir an der Kläsma, in Gegenwart des Fürsten Wsewolod Jurjewitsch selbst, seiner Gemahlin und Kinder, wie auch der Fürsten Roman Glebowitsch von Räsan, Wsewolod Glebowitsch von Pronsk, Wladimir Glebowitsch und seines Sohnes Gleb, David von Murom und seines Bruders Jurii, nebst deren Gemahlinnen und Bojaren, feierlich begangen, und die Verlobten von dem Bischofe Johann von Rostow in der Kirche zur heiligen Mutter Gottes priesterlich eingesegnet. Die Hochzeitsfeier währete sieben Tage lang, wozu sich aus Kiew, Nowgorod und Bolgarien viele Kaufleute mit reichem Schmuck und andern kostbaren Waaren zu Wladimir eingefunden hatten.

 

Am 10ten Februar starb des Fürsten Jaroslaw Isäslawitsch jüngster Sohn Isäslaw, und ward in dem Kloster zum heiligen Feodor begraben.

 

 

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In diesem Jahr verspürte man am 8ten März in der 9ten Tagesstunde im ganzen kiewschen Gebiet ein Erdbeben, welches aber keinen großen Schaden verursachte.

 

In diesem Jahre schickte Jaroslaw Wsewolodowitsch von Tschernigow, nach gehaltener Berathschlagung mit seinen Brüdern und Neffen, im Anfange der großen Fasten seinen Neffen Olg Swätoslawitsch, zu einem Feldzuge wider den Eidam des Fürsten David von Smolensk gegen Witebsk ab.

 

Olg Swätoslawitsch kam auf diesem Zuge ins smolenskische Gebiet, Fürst David Rostislawitsch von Smolensk aber schickte ihm seinen Neffen Mstislaw Romanowitsch mit seiner eigenen Schaar, wie auch den räsanischen Fürsten Rostislaw Swätoslawitsch, seinen Eidam Gleb Wladimirowitsch, und den Fürsten Jaroslaw Wsewolodowitsch mit den Smolenskern entgegen.

 

Als beide Armeen einander nahe kamen, stellete Olg die seine in Schlachtordnung, und ließ sie den hohen Schnee, niedertreten, Mstislaw aber der die Seinen wegen eines nahe liegenden Waldes nicht gehörig in Ordnung stellen konnte, that einen schnellen Angriff, in welchem Olgs Schaar zum Weichen gebracht und sein Sohn David verwundet ward.

 

Unterdessen rückten die Polozker, welche den Tschernigowern zu Hülfe gekommen waren,

 

 

 

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gegen den smolenskischen Tüßäzkoi vor, deßen Truppen sogleich die Flucht ergriffen. Da nun die Polozker Olgs Unfall gewahr wurden, verfolgten sie die flüchtigen Smolensker nicht, sondern wandten sich vielmehr gegen Mstislaw, griffen seine Leute im Rücken an, umringten ihn selbst, und nahmen ihn mit allen die um ihn waren gefangen.

 

Rostislaw Swätoslawitsch, der mit einem Theil seiner eigenen und der räsanischen Truppen gleichfalls den Tschernigowern nachgesezt hatte, fand bey seiner Zurükkunft sein Fußvolk von den Polozkern geschlagen, und zog sich ohne etwas von Mstislaws Gefangenschaft zu wissen, gegen Smolensk zurück.

 

Da Olg Swätoslawitsch von dem Siege der Polozker über die Smolensker und von Mstislaws Gefangenschaft Nachricht erhielt, kehrte er in der Nacht zurück, bat sich von dem Fürsten Boris von Druzk den gefangenen Fürsten Mstislaw Romanowitsch aus, und schickte unverzüglich zu seinem Vetter Jaroslaw Wsewolodowitsch nach Tschernigow, um selbigen durch die Nachricht von dem glücklich ausgefallenen Treffen zu einem eiligen Zuge gegen Smolensk zu bewegen. Jaroslaw Wsewolodowitsch von Tschernigow zog ohne Zeitverlust seine Truppen zusammen, und brach in Begleitung aller seiner Neffen gegen Smolensk auf.

 

 

 

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Als Rurt Rostislawish von der unglüklichen Lage der Sachen seines Bruders David Nachricht erhielt, schikte er sogleich aus Owrutsch wo er sich damals aufhielt, zum Fürsten Jaroslaw Wsewolodowitsch, und ließ ihm folgende Vorstellung thun: „Es sey in einem Punkt des zwischen ihnen verabredeten Vergleichs festgesezt worden, daß während der Zeit bis die Gesandten aller rußischen Fürsten zur Hemmung alles Streits und Bestimmung der Besizungen zusammen kommen würden, niemand einen innerlichen Krieg anfangen solle. Da nun aber Jaroslaw diesen vorläufigen Vertrage zuwider gegen Smolensk ausgebrochen sey, so sehe er sich gezwungen von seiner Seite gegen Tschernigow aufzubrechen.

 

Jaroslaw Wsewolodowitsch war schon nahe bey Smolensk angekommen, als er diese entschloßene Drohung des Fürsten Rurik Rostislawitsch erhielt, und um sein eigen Land aus der Gefahr zu retten, nach Tschernigow zurük kehrte, von da er sogleich eine Gesandschaft an den Fürsten von Kiew abfertigte und selbigem melden ließ: „Er habe seinen Neffen Olg mit Ruriks Einwilligung gegen den Fürsten von Witebsk abgefertiget, David aber habe, um dem Fürsten von Witebsk, seinem Eidame, beyzustehen, Truppen gegen Olg ausgeschikt, welcher dagegen Gottes Schuz und Beystand genoßen habe. Rurik erwiederte auf diesen Vortrag

 

 

 

 

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der Tschernigowischen Gesandten: „Er habe zu dem Zuge gegen den Fürsten von Witebsk nicht anders als auf die Bedingung seine Einwilligung gegeben, daß man sich vorher mit den Fürsten David vereinigen und deshalb einige Leute nach Smolensk abfertigen sollte, Jaroslaw aber habe, ohne Davids Antwort abzuwarten, seinen Neffen Olg ins smolenskische Gebiet einrücken lassen. David habe diesem, um sich gegen Gewalt zu vertheidigen, seinen Neffen Mstislaw Romanowitsch entgegen geschikt, der jezt von Jaroslaw als ein Gefangener in Verhaft gehalten werde, und der ehe man vom Frieden reden könnte, zuvor mit allen seinen Leuten in Freyheit gesezt werden müßte.“ Man konnte hierüber nach langem Streit zu keinem Schluß kommen, und die Gesandten kehrten unverrichteter Sachen zurük.

 

In diesem Jahre starb am 7ten März Fürst Gleb Jurjewitsch von Turow Jaropolks Urenkel, dessen Leichnam nach Kiew gebracht, und in der Kirche zum heiligen Michael begraben ward.

 

Am 17ten May starb Wsewolod Swätoslawitsch, Igors Bruder, und ward in Tschernigow in der Kirche zur heiligen Mutter Gottes begraben. Die Geschichte meldet: daß dieser Fürst alle Olgowitschen an schönem Wuchs und Ansehn, an Tapferkeit, Rechtschaffenheit, Großmuth, Freigebigkeit und Milde übertroffen habe.

 

 

 

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Am 30ten May ward in Wladimir an der Kläsma neben der goldenen Pforte eine Kirche zur Empfängnis der heiligen Mutter Gottes angelegt.

 

In diesem Jahre schikte Rurik Rostislawitsch von Kiew, nach geflogener Berathschlagung mit verschiedenen Fürsten und Bojaren, seine Gesandten mit folgendem Auftrage an den Fürsten Wsewolod Jurjewitsch von Rostow nach Susdal: „Wsewolod habe vorher mit ihm und seinem Bruder David Abrede genommen, daß er um Weinachten mit allen seinen Truppen gegen die tschernigowschen Fürsten aufbrechen und sich mit ihm vor der Stadt Tschernigow vereinigen wolle, in welcher Hofnung er, Rurik, seine und verschiedener anderer Fürsten Truppen zusammen gezogen, sie durch Polowzer verstärkt, und auf Nachricht von ihm gewartet habe. Da aber Wsewolod, durch die Versicherungen der Tschernigower verleitet, seinen Zug im verfloßenen Winter eingestellt habe, so habe er gleichfals, nach einem mit den Tschernigowern geschloßenen Vergleich, des Inhalts: das man bis die Gesandten aller rußischen Fürsten sich versammlen würden, keinen Krieg anfangen sollte, seine Truppen auseinander gelassen. Nun aber habe Jaroslaw Wsewolodowitsch von Tschernigow, diesem geschloßenen Vergleich zuwider, seine Neffen ins smolenskische Gebiet einrükken lassen, und den Fürsten Mstislaw Romanowitsch geschlagen und

 

 

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gefangen genommen, daher man jezt den Fürsten Wsewolod ersuchen lasse, zu Mstislaws Befreyung und zur Bestrafung des Friedensstöhrers, ohne Zeitverlust gegen Tschernigow aufzubrechen.“

 

Rurik Rostislawitsch wartete den ganzen Sommer über auf die Antwort des Fürsten von Rostow, erhielt aber keine, weil die Tschernigowische Fürsten alle Wege besezt hielten und alle Boten auffangen ließen.

 

Endlich kam ein Bote von Wsewolod mit folgenden Auftrage: „Rurik möchte nur anfangen, er sey von seiner Seite bereit“ worauf Rurik sogleich seine Truppen zusammen zog, sie durch einige wilde Polowzer verstärkte und ins tschernigowsche Gebiet einfiel.

 

Jaroslaw Wsewolodowitsch sahe daß er beiden zu wiederstehen zu schwach wäre, und ließ dem Fürsten Rurik Rostislawitsch einen Friedensvertrag mit ihm und seinem Bruder David von Smolensk antragen, doch so das Rurik sich in seinen Streit mit den Fürsten Wsewolod von Rostow nicht mischen, sondern vielmehr die Beylegung desselben ihnen allein überlassen sollte. Rurik wollte sich zu keinem besondern Frieden bequemen und antwortete Jaroslaws Gesandten: „Einen besondern Frieden, ohne Vorwissen seines Bundesgenosen zu schließen, sey seiner Ehre und Würde zuwider. Wenn also Jaroslaw würklich Frieden zu haben wünsche, so müsse

 

 

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er solchen mit allen zugleich schließen, und deshalb die Gesandten, die man in dieser Rüksicht zu Wsewoloden abschiken wolle, durchlaßen, welches die Beendigung des Friedensgeschäftes befördern werde.“ Jaroslaw ließ die Gesandten nicht durch, und zog die Friedensunterhandluugen in die Länge, so daß der Krieg bis zum Herbste fortwährete.

 

Um diese Zeit schickten die Nowgroder eine Gesandschaft nach Susdal, und ließen den Fürsten Wsewolod bitten, ihren Fürsten Jaroslaw Wladimirowitsch von ihnen zu nehmen, und ihnen an seiner Stat einen seiner Söhne zum Regenten zu geben. Wsewolod behielt diese Gesandten: nehmlich den Poßadnik Miron und die Bojaren Iwan und Foma während seines Feldzuges gegen Tschernigow bey sich. Die Nowgoroder ließen durch andere Gesandten um die freye Rükkehr der erstern bitten, Wsewolod aber ließ während seines Feldzuges weder diese noch jene zurück. Die Nowgoroder vertrieben zwar endlich, am 26ten November, den Fürsten Jaroslaw aus der Stadt, der sich nach Torshok begab, und oben am Fluße Msta Steuer eintrieb, sie konnten sich aber durch innere Zwistigkeiten getrent, zu nichts gemeinschaftlich entschließen, und blieben den ganzen Winter über ohne Fürsten, worauf sie im folgenden Frühlinge nach Tschernigow schickten und den Fürsten Jaroslaw um seinen Sohn Jaropolk bitten ließen.

 

 

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In eben diesem Jahre war Roman Mstislawitsch von Wladimir in Wolhynien, auf genommene Verabredung mit den tschernigowschen Fürsten, in der Stille bis Polonno vorgerükt, und schikte von da streifende Partheyen ins Gebiet des Fürsten David von Smolensk. Fürst David Rostislawitsch fertigte sogleich seinen Neffen Rostislaw Mstislawitsch gegen ihn ab, und ließ den Fürsten Wladimir Jaroslawitsch von Halitsch zu einen Feldzuge gegen Wladimir in Wolhynien aufmuntern, wozu auch sein Neffe Rostislaw Mstislawitsch weiter vorrüken sollte, weil er selbst in Erwartung nothwendiger Nachrichten vom Fürsten Wsewolod Jurjewitsch zurük bleiben müßte. Rurik Rostislawitsch hörte unterdesen zwar, daß Wsewolod Jurjewitsch mit dem Fürsten David von Smolensk vereinigt ins Tschernigowsche und in das Gebiet der Wätitschen eingefallen seyn sollte, konnte aber darüber zu keiner Gewißheit gelangen, weil die tschernigowschen Fürsten niemand durchließen, und Wsewolod in solchen Sachen sehr sorglos zu Werk ging.

 

Indeßen war Wsewolod, seinem Versprechen gemäß, nebst den muromischen und räsanischen Fürsten würklich gegen Tschernigow, und nach seiner Vereinigung mit dem Fürsten David von Smolensk, ins Gebiet der Wätitschen vorgerükt, wo sie Koselsk, Bolochow, Bolchow und verschiedene andere Städte einnahmen. Jaroslaw Wsewolodowitsch, war damals auf einem Zuge

 

 

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gegen Rurik von Kiew begriffen, und konnte den Fürsten von Rostow und Smolensk keinen Widerstand thun.

 

Wsewolod Jurjewitsch hatte zu gleicher Zeit den Fürsten Jaroslaw Wladimirowitsch mit den Nowgorodern nach Weliki-Luki beordert, um das smolenskische Gebiet gegen die Einfälle der polozkischen Fürsten zu decken.

 

Als Jaroslaw Wsewolodowitsch von dem Einbruche der vereinigten rostowschen, smolenskischen und räsanischen Truppen ins Gebiet der Wätitschen, Nachricht erhielt, ließ er seine Neffen Olg Igorewitsch und Gleb Igorewitsch in Tschernigow zurück, sezte die dasigen Städte in wehrhaften Stand, brach hierauf selbst gegen die Fürsten Wsewolod und David auf, und verschanzte sich nicht weit von ihrer Armee in einem Walde, wo er die Polowzer unter seine Truppen vertheilte, und den verbündeten Fürsten Friedensvorschläge thun ließ.

 

Wsewolod bezeigte in einem mit den Fürsten von Smolensk und Räsan und verschiedenen Bojaren gehaltenen Kriegsrathe seine Neigung zum Frieden, den er auf folgende Bedingungen zu schließen vorschlug: Jaroslaw Wsewolodowitsch sollte, erstens den Fürsten Mstislaw in Freyheit sezen, zweitens in das Gebiet der Fürsten Rurik und David keine Einfälle thun, drittens, nach Ruriks Tode keine Ansprüche auf Kiew machen.

 

 

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David Rostislawitsch stellte zwar dagegen vor: man möchte sich hierüber zuvor mit seinem Bruder Rurik von Kiew besprechen, sich mit selbigem verabredeter Maßen bey Tschernigow vereinigen, und dadurch den Fürsten Jaroslaw Wsewolodowitsch zum Frieden nöthigen, Wsewolod aber trat der Meinung der räsanischen Fürsten bey, die folgende Punkte als Friedensbedingungen vorschlugen. Jaroslaw sollte erstens, den Fürsten Mstislaw in Freyheit sezen, zweitens, seinen Sohn Jaropolk Jaroslawitsch aus Nowgorod zurück ruffen, drittens, dem Bündniße mit dem Fürsten Roman Mstislawitsch von Wladimir in Wolhynien entsagen und ihm weder öffentlich noch heimlich Hülfe leisten, viertens, bey Ruriks und Davids Lebzeiten keine Ansprüche auf Kiew und Smolensk machen, und in die Besizungen dieser Fürsten keine Einfälle thun.

 

Jaroslaw ließ sich, außer der Aufhebung seines Bündnißes mit dem Fürsten Roman Mstislawitsch, alle übrige ihm vorgelegte Friedensbedingungen gefallen, bestätigte selbige mit einem Eide, sezte sogleich Mstislawen in Freyheit, und befahl seinem Sohne Jaropolk Groß-Nowgorod zu verlaßen.

 

Wsewolod kam am 5ten November nach Wladimir an der Kläsma zurück.

 

Unterdeßen fielen die Fürsten Wladimir Jaroslawitsch von Halitsch und Mstislaw Mstislawitsch

 

 

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bey Peremirko in die Besizungen des Fürsten Roman Mstislawitsch von Wladimir in Wolhynien ein, während daß Rostislaw Rurikowitsch, Mstislaw Wladimirowitsch und die Schwarzmüzen, von der Seite des Serets her die Gegenden um Kamenez verheerten, und mit vielen Gefangenen und vielem erbeutetem Viehe zurück kehrten.

 

Rurik Rostislawitsch nahm die ihm zuerst von seinem Bruder David, nachher auch von Wsewolod Jurjewitsch selbst, gemeldete Nachricht, wegen des mit dem Fürsten von Tschernigow geschloßenen Friedens, sehr übel auf, sagte zu dem rostowischen Gesandten: Wsewolod habe so wenig sein gegeben Worts gehalten, daß man inskünftige seinen Versprechungen keinen Glauben beymessen könne, und fertigte an selbigen von seiner Seite einen Gesandten mit folgendem Auftrage ab: „Ich habe auf Wsewolods Ansuchen ihm verschiedene zuvor dem Fürsten Roman Mstislawitsch verliehene Städte gegeben, und mir dadurch diesen meinen Eidam zum Feinde gemacht, der damals mit den räsanischen Fürsten verbunden meinem Bruder David den Krieg erklärte. Nach diesem versprach Wsewolod, mir gegen die tschernigowschen Fürsten Hülfe zu leisten, hat aber einen ganzen Winter und Sommer durch gezögert, und nachdem er endlich den Krieg angefangen, sich sogleich wieder mit dem

 

 

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Tschernigower vertragen, und dieses ohne mein Vorwißen und ohne im Friedensvertrage der wahren Ursache des Krieges zu erwähnen, der eigentlich blos wegen der dem Fürsten Roman genommenen und Wsewoloden gegebenen Städte entstanden ist. Da nun Wsewolod sein Versprechen so schlecht erfüllt hat, so nehme ich auch die ihm gegebene Städte zurück“. Man gerieht hierüber in einen weitläuftigen Wortwechsel, die Gesandten aber gaben nicht nach. Endlich überließ Rurik dem Fürsten von Rostow Perejaslawl, wohin dieser seinen Sohn Konstantin abschickte, und vertheilte die übrigen Städte unter seine Brüder und Neffen.

 

Um diese Zeit unternahm Roman Mstislawitsch von Wladimir in Wolhynien, ungeachtet der mit seinem Schwiegervater habenden Fehde, von der Seite des Bugs, einen Feldzug gegen die in Podlachien wohnende Jatwägen, die ihn vorher in seinen Besizungen beunruhiget hatten. Die Jatwägen flüchteten bey seiner Ankunft nach Preußen zu in die Wälder und Moräste, Roman aber verheerete alles Land vom Bug bis zum Niemen, und kehrte von Mstislawl in sein Land zurück.

 

Im Jahre 1198, starb am 23ten April, Fürst David Rostislawitsch von Smolensk, Mstislaws I. Enkel, nachdem er sich kurz vor seinem Tode in den Mönchsstand hatte aufnehmen lassen.

 

 

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Er ward in der Kirche zu den heiligen Boris und Gleb, die sein Vater erbauet hatte begraben. Seine Gemahlin ließ sich an seinem Todestage zur Nonne einkleiden.

 

Dieser Fürst hatte das Fürstenthum Smolensk 18 Jahre besesen und sein Alter überhaupt auf 57 Jahre gebracht. Die Geschichte meldet von ihm: daß er von mittlerm Wuchs, mit vielen Tugenden geschmückt, tapfer und freigebig gewesen, und ein sehr scharfes Gedächtnis gehabt habe. Das smolenskische Fürstenthum fiel nach ihm seinem Neffen Mstislaw Romanowitsch zu, sein Sohn Konstantin aber, begab sich zu seinen Vetter nach Kiew.

 

In diesem Jahre erneuerte Roman Mstislawitsch von Wladimir in Wolhynien sein Bündniß mit dem Fürsten Jaroslaw Wsewolodowitsch von Tschernigow, und trennte sich von seiner Gemahlin, Ruriks von Kiew Tochter, die er zur Nonne einkleiden ließ.

 

Rurik Rostislawitsch von Kiew, ließ, so bald er diese Nachricht erhielt, den Fürsten Wsewolod Jurjewitsch von Rostow, unter dem Vor wande daß der Friede zwischen ihm und Jaroslaw durch die Erneuerung des gedachten Bündnißes gebrochen sey, zu einem neuen Kriege gegen Tschernigow auffordern.

 

Am 6ten December dieses Jahres ward in Belgrad eine vom Fürsten Rurik Rostislawitsch

 

 

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erbaute Kirche durch den Bischof Andrian von Jurjew eingeweihet, bey welcher Gelegenheit Rurik mit vielen Fürsten und Bojaren ein dreitägiges Fest feierte.

 

Auch legte Rurik in eben diesem Jahre in Kiew eine nach seinen Taufnahmen benannte dem heiligen Waßili geweihte Kirche an, die am 4ten Januar des folgenden 1199ten Jahres von dem Mitropoliten Nikifor und dem Bischofe von Belgrad Andrian eingeweiht ward.

 

Da Wsewolod Jurjewitsch von Rostow erfuhr, daß ein Theil der Einwohner von Nowgorod den Fürsten Jaropolk Jaroslawitsch nicht zu seinem Vater zurückreisen laßen wolle, ließ er ihnen durch die bis dahin bey ihm gebliebene nowgorodsche Bojaren, Boris Shiroslawitsch und den Sotnik Nikifor mündlich andeuten: er gebe ihnen zwey Monathe Zeit, wenn sie ihn aber unterdessen nicht wegen der öftern Uebertretung ihres dem wladimirischen Fürstenstamme geleisteten Eides um Vergebung bäten, so werde er sie als Feinde behandeln; zu welchem Ende er allen seinen Städten Befehl ertheilte, daß sie ihre Kriegsleute zum Aufbruche bereit halten sollten.

 

Die Abgeordneten machten gleich nach ihrer Ankunft in Nowgorod den Auftrag des Fürsten von Rostow in der öffentlichen Versammlung des Volks bekannt, und veranlaßten dadurch großen Streit und Mißhelligkeiten, weil

 

 

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nemlich ein Theil der Einwohner sich standhaft für den Fürsten Jaropolk Jaroslawitsch erklärte, ein anderer aber, der Wsewolods Parthey hielt, den Fürsten Jaropolk aus der Stadt verweisen wollte, und sich besonders darauf berief, daß man Wladimirs Stamme den Eid der Treue geleistet habe, und sich für die Olgowitschen in keinen Krieg einlaßen müße. Endlich behielten leztere die Oberhand, man ließ Jaropolk zu seinem Vater abreisen, und sandte den Posadnik Iwanko nebst einigen vornehmen Bojaren und Sotniken mit der ehmals von Jaroslaw angeordneten jährlichen Steuer und verschiedenen ansehnlichen Geschenken zum Fürsten Wsewolod Jurjewitsch nach Susdal. Wsewolod vergab den Nowgorodern nach langer und inständiger Bitte ihr Vergehen, und schickte ihnen den Fürsten Jaroslaw Wladimirowitsch zu, welcher am 12ten Januar in Groß-Nowgorod ankam, und feierlich empfangen ward.

 

In diesem Jahre starb Fürst Wladimir Jaroslawitsch von Halitsch, mit welchem ein Zweig des berühmten und tapfern Fürstenstammes der Großfürsten Wladimir Jaroslawitsch und seines Sohnes Rostislaw ausging.

 

Die Halitscher hielten gleich nach seinem Begräbnis eine Berathschlagung, und theilten sich in verschiedene Partheyen, von welchen einige den Fürsten Rurik Rostislawitsch von Kiew um sein Gutachten ersuchen lassen, andre aber den

 

 

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Fürsten Rostislaw Rurikowitsch, und noch andre den Fürsten Roman Mstislawitsch von Wladimir in Wolhynien, zu ihrem Regenten haben wollten.

 

Roman Mstislawitsch ließ auf die erste Nachricht von Wladimirs Tode, seinen Schwiegervater Rurik Rostislawitsch um Verzeihung und zugleich um Erlaubniß und Hülfe zur Erlangung des Fürstenthums Halitsch bitten. Rurik antwortete: daß er ihm, vor einer mit allen Fürsten zu haltenden Berathschlagung, keine entscheidende Antwort geben könne, und lud ihn zu einer Versammlung der rußischen Fürsten ein.

 

Roman Mstislawitsch ließ zu gleicher Zeit seine Nichte, die oben erwähnte polnische Fürstin, um Hülfstruppen zur Beschüzung der Wladimirischen Grenzen ersuchen, welche ihm ihren Sohn Leschko den jüngern zusandte.

 

Nachdem Roman Mstislawitsch und die Halitscher eine geraume Zeit die Antwort des Fürsten Rurik von Kiew erwartet hatten, ersterer aber hierauf Nachricht erhielt: daß der König von Ungarn, vermöge eines erzwungenen Vergleichs mit dem Fürsten Wladimir Jaroslawitsch (der ihm in gefänglicher Haft sein Fürstenthum abgetreten hatte) Halitsch einnehmen wolle, und daß die ungarischen Truppen schon auf dem Grenzgebürge angekommen wären, sezte er sich selbst mit Hülfe der ihm von Leschko zugeführten Truppen in Besiz, und ward von den Halitschern ohne Wiederstand

 

 

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angenommen. Roman entließ hierauf den Fürsten Leschko und die bey ihm befindlichen polnische Großen mit reichen Geschenken nach Polen, die Ungarn aber kehrten auf die Nachricht von seiner mit polnischer Hülfe ausgeführten Besiznehmung von Halitsch, gleichfals wieder in ihr Land zurück.

 

Am 8ten April dieses Jahres ward dem Fürsten Wsewolod Jurjewitsch von Rostow ein Sohn gebohren, welchen er Johann nannte, und ihm zu Ehren in Starodub an der Kläsma eine Kirche zum heiligen Johann anlegen ließ.

 

In diesem Jahre ward in Perejaslawl, dem damaligen Gebiet des Fürsten Konstantin Wsewolodowitsch, von dem Mitropoliten Johan, ein Bischof, Nahmens Paul, eingesezt.

 

In diesem Jahre ward dem Fürsten Rostislaw Rurikowitsch eine Tochter, folglich den Fürsten Rurik von Kiew und Wsewolod von Rostow eine Enkelin gebohren, die nach ihrer Großmutter den Nahmen Ewphrosinia oder Radost nebst dem Beynahmen Smaragd erhielt, und durch ihre Geburt in Kiew und Wüschgrad große Freude veranlaßte. Sie ward von dem Fürsten Mstislaw Mstislawitsch und ihrer Muhme Predslawa zu ihrem Großvater abgeholt, und auf den Bergen in Kiew erzogen.

 

Am 14ten Julius dieses Jahres machte Rurik Rostislawitsch von Kiew den Anfang mit

 

 

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dem Bau einer im Kloster am Dnieper befindlichen Kirche, welche von Wsewolod, Wladimirs des zweiten Vater, angelegt, und nach seinem Tode hundert und eilf Jahre unvollendet geblieben war.

 

Um diese Zeit vermählte Rurik Rostislawitsch von Kiew seine Tochter Wseslawa mit dem räsanischen Fürsten Jaroslaw Glebowitsch.

 

Fürst Jaroslaw Glebowitsch von Räsan ersuchte bey dieser Gelegenheit den Fürsten Rurik von Kiew, und den Mitropoliten; das räsanische Gebiet von der Eparchie des tschernigowschen Bischofs zu trennen und in Räsan einen besondern Bischof einzusezen. Rurik gab hiezu seine Einwilligung, man erwählte den Abt Arsenii und schickte ihn zum Mitropoliten, welcher ihn am 26ten September zum Bischofe von Räsan einsegnete.

 

Am 30ten April dieses Jahres unternahm Wsewolod Jurjewitsch von Rostow, auf Bitte der räsanischen Fürsten, in Begleitung seines Sohnes Konstantin, einen Feldzug gegen die Polowzer, die sich auf diese Nachricht am Don herab in die Stepe zurück zogen. Wsewolod folgte ihnen neben gedachtem Fluße einen weiten Weg nach, traf sie aber nirgends an, und kam am fünften Junius wieder nach Wladimir an der Kläsma zurück.

 

In diesem Jahre starb in Perejaslawl-Ruskoi Fürst Jaroslaw Mstislawitsch Georgs Enkel.

 

 

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Auch starben um diese Zeit zwey Söhne des Fürsten Jaroslaw Wladimirowitsch, der eine, Isäslaw Jaroslawitsch, in Weliki-Luki, wo er sich zur Beschüzung des nowgorodschen Gebiets gegen die Einfälle der Litauer aufhielt, der andre Rostislaw Jaroslawitsch bey seinem Vater in Nowgorod. Sie wurden beide im Kloster zum heiligen Georg begraben.

 

Um diese Zeit starb auch Fewronia, verwitwete Gemahlin des Fürsten Michalko Jurjewitsch.

 

Im Jahre 1200, starb Jaroslaw Wsewolodowitsch von Tschernigow, und hinterließ zwey Söhne, Igor und Jaropolk.

 

Am 15ten Julius dieses Jahres, legten Wsewolod Jurjewitsch von Rostow und seine Gemahlin Maria, im Kloster zu Mariens Schuz und Schirm in Wladimir an der Kläsma, eine Kirche zur Entschlafung der heiligen Mutter Gottes an.

 

In diesem Jahre bezeigten sich die Nowgoroder wiederum mit ihrem Fürsten Jaroslaw Wladimirowitsch unzufrieden, und sandten den Erzbischof Martiri, nebst ihrem Poßadnik Miroschka, an den Fürsten Wsewolod Jurjewitsch von Rostow, um sich von ihm einen seiner Söhne zu erbitten. Der Erzbischof starb am 24sten August auf der Reise in Pereslawl, die übrigen kamen beym Fürsten von Rostow an, beschworen daselbst einen schriftlichen Aufsaz: daß sie inskünftige

 

 

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niemand anders als Wsewolods Nachkommen für ihre Fürsten erkennen wollten, und schickten diese Urkunde nach Nowgorod, wo sie vom ganzen Volke beschworen, und nach gehöriger Unterschrift und Untersiegelung, dem Fürsten von Rostow zugesandt wurde.

 

Wsewolod ernannte hierauf seinen Sohn Swätoslaw zum Fürsten von Nowgorod, die Nowgoroder aber entließen den Fürsten Jaroslaw Wladimirowitsch nach Nowo-Torg. Swätoslaw Wsewolodowitsch ward bey seiner Abreise aus Wladimir an der Kläsma von seinen Brüdern Konstantin, Jaroslaw, und Wladimir bis Pereslawl begleitet, kam am 12ten December in Groß-Nowgorod an, und ward daselbst feierlich und mit großer Freude empfangen.

 

In diesem Jahre fielen die Litauer aus den Wäldern ins nowgorodsche Gebiet ein, und kamen bis zum Fluße Lowat, in die Gegend von Nekljutsch, Sbelei, Swinart, und Wortsch, die Nowgoroder aber zogen eiligst einige Truppen zusammen, sezten ihnen bis Tschernän nach, und schlugen sie.

 

Um diese Zeit kamen die deutschen Ritter nach Liefland und legten die Stadt Riga an, die Liefländer aber riefen die Rußen zu Hülfe, worauf zwischen beiden Partheyen verschiedene Treffen mit abwechselndem Glück geliefert wurden.

 

 

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In diesem Jahre ließen die Nowgoroder die alte Festung in Staraja-Rußa abbrechen, und eine neue anlegen.

 

Im Jahre 1201, bat Konstantin Wsewolodowitsch seinen Vater, die Regierung in Perejaslaw an seiner Stat einem andern zu übertragen, welchem zufolge Wsewolod Jurjewitsch seinen Sohn Jaroslaw unter Aufsicht zweyer seiner besten Bojaren daselbst zum Fürsten einsezte.

 

In diesem Jahre starb in Tschernigow Wladimir Davidowitsch, ein Urenkel des Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch von Tschernigow.

 

Um diese Zeit rief Rurik Rostislawitsch von Kiew, die tschernigowschen Fürsten zu Hülfe, und schickte sich zu einem Feldzuge gegen den Fürsten Roman Mstislawitsch an, welcher ihm aber mit seinen halitscher, und wladimirischen Truppen zuvor kam, die Berendeer und Schwarzmützen zur Ergreifung seiner Parthey nöthigte, und unvermuthet vor Kiew erschien. Er zog sogleich von der kopirewschen Seite in die Stadt ein, ließ den Fürsten Rurik, wie auch die tschernigowschen Fürsten Igor und Wladimir, von seiner Ankunft benachrichtigen, und schloß mit ihnen einen Vertrag: daß Rurik sich aus Kiew nach Owrutsch, die Tschernigower aber über den Dnieper begeben sollten; worauf er die Regierung in Kiew seinem Neffen Igor Jaroslawitsch,

 

 

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Isäslaws Enkel, übertrug, und alles dieses dem Fürsten Wsewolod Jurjewitsch von Rostow bekant machen ließ.

 

Um diese Zeit richtete eine streifende Parthey Polowzer an der rußischen Grenze große Verherung an, Roman Mstislawitsch aber sezte ihnen auf dem Rückzuge nach, und holte sie am Fluße Roßi ein, wo er sie des Nachts überfiel und schlug, die befreyte rußische Gefangene in ihre Wohnsitze entließ, und selbst nach Halitsch zurück kehrte.

 

Im Jahre 1202 am 6ten Februar, starb Fürst Wladimir Jurjewitsch von Murom.

 

In diesem Jahre starb auch Helena, Gemahlin des Fürsten Jaroslaw Wladimirowitsch, welche in der Kirche des von ihrer Schwester Maria, Gemahlin des Fürsten Wsewolod Jurjewitsch von Rostow, erbaueten Klosters begraben ward.

 

Um diese Zeit befahl Wsewolod Jurjewitsch von Rostow, die in Nowgorod befindliche gefangene Waräger, ungeachter der fortwährenden Fehde, in ihr Land jenseit des Meeres zurück zu schicken, welches so viel fruchtete, daß die Waräger sogleich Gesandte nach Nowgorod schickten, und einen Friedensvertrag schlossen.

 

In diesem Jahre starb Fürst Igor Swätoslawitsch von Sewerien.

 

Am 9ten September dieses Jahres ward die von der Fürstin Maria von Rostow erbaute Kirche

 

 

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Kirche zur Entschlafung Mariä, von dem Bischofe Johan von Rostow, in Gegenwart des Fürsten Wsewolod Jurjewitsch und seiner Söhne Konstantin, Jurii, und Wladimir, eingeweiht.

 

In diesem Jahre starb Ewphrosinia Borißowna, Gemahlin des Fürsten Jaroslaw Jurjewitsch, und Schwiegerin des Fürsten Wsewolod Jurjewisch von Rostow, die in der Kirche zum heiligen Boris und Gleb neben ihren Eltern begraben ward.

 

Im Jahre 1203, kam Rurik Rostislawitsch, mit Hülfe der tschernigowschen Fürsten und einiger Polowzer, am 16ten Februar nach Kiew zurück, und nahm daselbst den Fürsten Mstislaw Wladimirowitsch gefangen, Igor aber rettete sich mit der Flucht.

 

Roman Mstislawitsch brach, sobald er diese Nachricht erhielt, nochmals gegen Kiew auf, Rurik aber, der ihm im Felde zu wiederstehen zu schwach war, begab sich eiligst nach Owrutsch wohin ihm Roman folgte. Die Geschichte meldet: man habe dem Fürsten Roman sehr angerathen, das Großfürstenthum Kiew für sich zu behalten, er habe sich aber dazu nicht entschließen können, und lieber Halitsch und Wladimir in Wolhynien sicher besitzen wollen, weil er wohl eingesehen, daß die Vereinigung dieser Fürstenthümer mit Kiew, sowohl den rußischen Fürsten als auch den Ungarn und Polen zuwieder seyn würde,

 

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und daß er selbige zu behaupten, weder hinlängliche Truppen noch Kräfte habe. Er trat also mit seinem Schwiegervater in Unterhandlung, und trug ihm unter folgenden Bedingungen Frieden an: Erstens, er sollte dem Bündnißse mit den tschernigowischen Fürsten entsagen; Zweitens, an niemanden Rache üben; Drittens, ohne seine und des Fürsten Wsewolods von Rostow Einwilligung sich mit niemanden in Bündniße einlassen, und keinen Krieg anfangen. Rurik nahm den ihm vorgelegten Friedensvertrag ohne Wiederrede an, und schickte ihn durch eine von beiden Theilen abgefertigte Gesandtschaft an den Fürsten Wsewolod von Rostow, welcher mit der ihm erzeigten Ehre daß man ihn für den ältesten und vornehmsten Fürsten von Wladimirs Stamme anerkannt und deshalb Väter und Bruder genannt hatte, zufrieden, selbigen gern bestätigte, und die Gesandten damit zu ihren Herren entließ. Nach diesem kehrte Rurik nach Kiew, Roman aber nach Halitsch zurück.

 

In diesem Jahre schickte Roman Mstislawitsch nochmals eine Gesandtschaft nach Susdal, und that dem Fürsten Wsewolod Jurjewitsch den Vorschlag: die tschernigowschen und sewerischen Fürsten mit einander auszusöhnen, und in ihr Bündniß aufzunehmen. Wsewolod sandte diesem zufolge seinen Bojaren Michailo Borißowitsch zu den tschernigowschen Fürsten

 

 

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und brachte das vorgeschlagene Bündniß zu Stande, zu dessen Bestätigung die tschernigowschen Fürsten von ihrer Seite an die Fürsten von Rostow und Halitsch einige ihrer vornehmsten Bojaren abfertigten.

 

Jezt herschte in ganz Rußland allgemeine Ruhe, sie währte aber nur eine kurze Zeit.

 

In diesem Jahre vereinigten die Fürsten Rurik Rostislawitsch von Kiew, dessen Eidam Roman Mstislawitsch von Halitsch, Jaroslaw Wsewolodowitsch von Perejaslawl, und andre, ihre Truppen, zogen am Dnieper herab gegen die Polowzer, und kamen nach glücklicher Erbeutung verschiedener feindlichen Läger, nach Tripol zurück, wo zwischen den Fürsten Rurik von Kiew, und Roman von Halitsch, wegen einiger vorgeschlagenen Einrichtungen, Anfangs einige Mißhelligkeiten, und hieraus ein heftiger Streit entstand, so daß beide Fürsten einander mit Krieg bedroheten. Roman wurde hiedurch so sehr wieder seinen Schwiegervater aufgebracht, daß er ihn auf der Stelle in Verhaft nehmen, in ein Kloster nach Kiew bringen, und nebst seiner Gemahlin und Tochter (Romans Gemahlin von der er sich schon vorher geschieden hatte,) in den geistlichen Stand aufnehmen, seine Söhne Rostislaw und Wladimir aber als Gefangene behandeln ließ. Hierauf zog er selbst in Kiew ein, berathschlagte sich daselbst mit den gegenwärtigen Fürsten und Bojaren über die

 

 

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Erhaltung der Ruhe im Reiche und Abwendung aller künftigen innern Kriege und Mißhelligkeiten, und ließ den Fürsten Wsewolod Jurjewitsch von Rostow, und andere, zu einer deshalb in Kiew zu haltenden Zusammenkunft einladen; es erschien aber niemand.

 

Roman Mstislawitsch sezte also wiederum den Fürsten Igor Jaroslawitsch in Kiew ein, und kehrte selbst nach Halitsch zurück.

 

In diesem Jahre zogen die tschernigowischen Fürsten, auf Bitte der polozkischen, gegen die Litauer, besiegten sie in einem Treffen, und kamen mit vieler Beute zurück.

 

Um diese Zeit ließ Wsewolod Jurjewitsch von Rostow, den Fürsten von Halitsch um Befreyung seines Eidams des Fürsten Rostislaw Rurikowitsch ersuchen, welchen Roman sogleich in die Stelle des Fürsten Igor Jaroslawitsch nach Kiew abfertigte. Rostislaw lebte hierauf in Kiew, nahm sich aber daselbst keiner Sachen an.

 

Im Jahre 1204, starb der tschernigowsche Fürst Olg Swätoslawitsch, ein Sohn des Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch.

 

Auch starb in diesem Jahre Helena, eine Tochter des Fürsten Wsewolod Jurjewitsch von Rostow.

 

In diesem Jahre unternahm Roman Mstislawitsch mit den Wladimiren, Halitschern, und den Truppen einiger ihm unterwürfigen Fürsten,

 

 

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im Frühlinge einen Feldzug ins sendomirische nach Polen, und eroberte zwey polnische Städte. Er erfuhr hierauf daß Metscheslaw gestorben sey, ließ seine Nichte die Königin, und ihren Sohn Leschko um Bezahlung der Kriegskosten ersuchen, und schickte sich in Erwartung derselben zum Rückzuge an, als er unvermuthet die Nachricht erhielt, daß die Polen den Fürsten Leschko nicht zum Könige angenommen hätten, und wiederum gegen Sendomir vorrückte. Leschko ließ hierauf, seinen Landsleuten zu gefallen, den Fürsten von Halitsch selbst um seinen Rückzug aus Polen ersuchen, Roman aber verlangte, daß man ihm entweder sogleich die Kriegskosten bezahlen, oder bis zu deren völligen Bezahlung die Stadt Lublin mit dem dazu gehörigen Gebiete einräumen sollte, womit er Leschko‘s Gesandten entließ, und selbst nach Halitsch zurück kehrte.

 

In diesem Jahre, kam ein Gesandter des römischen Pabsts zum Fürsten Roman Mstislawitsch von Halitsch, um ihn zur Annahme der lateinischen Religion zu bewegen, wofür ihn der Pabst zum Könige von Halitsch machen, und ihm verschiedene polnische Städte ertheilen wollte. Roman unterredete sich hierüber mit dem Gesandten, überwies ihn aus der heiligen Schrift und Geschichte, daß der Pabst unrecht habe, und schickte ihn mit diesem Bescheide zurück.

 

Im Jahre 1205, rief Wsewolod Jurjewitsch von Rostow seinen Sohn Swätoslaw

 

 

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Wsewolodowitsch aus Nowgorod zurück, und fertigte am 1sten März seinen ältesten Sohn Konstantin dahin ab, welchen alle seine Brüder und verschiedene Bojaren bis zum Fluße Kidescha begleiteten.

 

Als Konstantin bey dieser Gelegenheit von seiner Mutter, der Fürstin Maria, die schon seit sieben Jahren krank lag und täglich ihr Ende erwartete, Abschied nahm, ließ sie zugleich alle seine Brüder zu sich rufen, und bat sie bey ihrem mütterlichen Segen, diesen ihren ältesten Sohn Konstantin, als ihren Vater zu ehren, wogegen er sie jederzeit brüderlich lieben würde. Sie ermahnte ihre Söhne zu allem Guten, und ließ sich am folgenden Tage in dem von ihr selbst erbauten Kloster zur Nonne aufnehmen, wo sie nach 18 Tagen, am 19ten März, im Beyseyn ihrer Tochter Werchoslawa, der Gemahlin des Fürsten Rostislaw Rurikowitsch, verstarb. Sie ward hierauf in einen steinernen Sarg gelegt und in der Kirche zur Entschlafung der heiligen Mutter Gottes begraben.

 

Konstantin Wsewolodowitsch kam am 20sten März in Nowgorod an.

 

In diesem Jahre schickte Wsewolod Jurjewitsch von Rostow, gegen die wolgischen Bolgaren ein ansehnliches Heer, unter Anführung verschiedener Feldherren auf Fahrzeugen ab, welches viele Bolgaren, Tscheremißen, Morduanen, und

 

 

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Komonen gefangen nahmen, und mit guter Beute zurück kamen.

 

Um diese Zeit vermählte Wsewolod Jurjewitsch von Rostow, seinen Sohn Jaroslaw Wsewolodowitsch, mit einer Tochter des polowzischen Fürsten Jurii Kontschakowitsch.

 

Zu Ende des Sommers zog Roman Mstislawitsch von Halitsch, gegen Lublin in Polen, bemächtigte sich unterweges zweyer Städte, und schickte eine streifende Parthey gegen Sendomir aus, welcher er, (von dem Anzuge eines polnischen Heeres benachrichtiget,) mit seiner ganzen Macht folgte. Er ging über die Weichsel, machte daselbst Halt, und schickte nach allen Seiten streifende Partheyen zur Beobachtung des Feindes aus, als sich einige polnische Gesandten mit Friedensvorschlägen bey ihm einfanden.

 

Da diese Gesandten nicht zur Schließung eines völligen Friedens bevollmächtiget waren, und Roman die eigentlichen Gesinnungen der Polen wissen wollte, schickte er von seiner Seite Gesandten an Leschko ab, und versprach bis zur Erhaltung der versprochenen Antwort nicht weiter vorzurücken, wogegen ihn Leschko‘s Gesandten versicherten, daß auch von ihrer Seite bis zur Zusammenkunft der Bevollmächtigten nichts feindliches unternommen werden sollte, wozu zehn Tage bestimmt wurden. Roman Mstislawitsch gieng im Vertrauen diesen Waffenstillstand,

 

 

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am 13ten October, als am siebenten Tage nach Schließung desselben, von wenigen seiner Leute begleitet auf die Jagd, ward aber nicht weit von seinem Heere von einer Parthey der im nahen Walde stehenden polnischen Truppen überfallen. Er vertheidigte sich zwar mit vieler Tapferkeit, bis man ihm aus seinem Lager zu Hülfe kam, ward aber unterdessen so schwer mit einem Spieße verwundet, das man ihn halb todt ins Lager zurück brachte, und er desselben Tages verschied, worauf sein Tüßäzkoi mit seinem Leichname und mit der ganzen Armee nach Halitsch zurück kehrte.

 

Roman Mstislawitsch von Halitsch war ein Enkel des Großfürsten Isäslaw II. und hatte sich in seinem ganzen Leben als ein kluger herzhafter und sehr tapferer Mann gezeigt. Er hinterließ zwey Söhne, Daniel und Wasilii, beide in Kindesjahren, von welchen die Halitscher dem ältesten den Huldigungseid ablegten.

 

Rurik Rostislawitsch von Kiew, warf auf die Nachricht von Romans Tode, die Mönchskleidung ab, verließ sein Kloster, trat von neuem die Regierung in Kiew an, und suchte auch seine Gemahlin und Tochter zur Verlassung des geistlichen Standes zu bewegen, wozu aber erstere sich so wenig bereden ließ, daß sie vielmehr sogleich die lezte Weihe annahm. Er erneuerte hierauf unverzügiich sein Bündniß mit den Fürsten von Tschernigow und Sewerien, die ihm

 

 

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von ihrer Seite Glück wünschen ließen, schickte Gesandten an Wsewolod Jurjewitsch von Rostow und andre Fürsten, und schloß mit allen Frieden und Freundschaft.

 

Gleich darauf brach Rurik Rostislawitsch mit den tschernigowschen und andern Fürsten vereiniget gegen Halitsch auf. Der König von Ungarn schickte, sobald er hievon Nachricht erhielt, seinem Schwestersohne Daniel Romanowitsch von Halitsch Truppen zu Hülfe, welche die dasigen Städte besezten und befestigten. Rurik Rostislawitsch kam zwar selbst vor Halitsch an und umringte die Stadt, mußte aber nach verschiedenen mißlungenen Angriffen abziehen.

 

In diesem Jahre zogen die räsanischen Fürsten gegen den Don wider die Polowzer zu Felde, bemächtigten sich verschiedener polowzischen Lagerpläze und kamen mit vielen Gefangenen 2. zurück. -

 

Im Jahre 1206, zog Wsewolod (Tschermnoi, oder der rothe,) Swätoslawitsch von Tschernigow, mit seinen Brüdern und Vettern aus Tschernigow gegen Halitsch, Rurik Rostislawitsch von Kiew aber, nebst seinen Söhnen Rostislaw und Wladimir, mit allen Berendeern und einigen Polowzern, Skowen und Bouten, (gleichfalls Berendeer und Torken, aber von andern Stämmen,)

 

 

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gegen Wladimir in Wolhynien, wo sich auch die erbetene polnische Hülfstruppen einfanden.

 

Die Halitscher ließen den König von Ungarn um Hülfe bitten, welcher zur Beschützung des jungen Fürsten Daniel, in eigner Person mit seiner ganzen Macht nach Halitsch aufbrach, während daß Daniel Romanowitsch in Erwartung der Antwort des Königes sich mit seinen Großen aus Halitsch nach Wladimir in Wolhynien begab.

 

Wladimir in Wolhynien ward bald darauf von polnischen Truppen umringt, die rußischen Fürsten aber brachen ins Halitschische Gebiet ein.

 

Der König von Ungarn erfuhr bey seiner Ankunft disseits der Berge, daß Daniel Romanowitsch in Wladimir belagert werde, und blieb einige Zeit im Lager stehen. Als er hierauf weitere Nachricht erhielt, daß die Rußen sich noch nicht mit den Polen vereiniget hätten, Rurik selbst aber noch nicht ins Halitscher Gebiet vorgerückt sey, brach er sogleich nach Wladimir in Wolhynien gegen die Polen auf. Die tschernigowschen Fürsten stellten bey der Nachricht von dem Anmarsch der Ungarn ihren Feldzug gegen Halitsch ein, und schloßen mit dem Könige Frieden, nach dessen völliger Berichtigung jeder in sein Land zurück kehrte.

 

Die Halitscher ließen zuerst den König von Ungarn, um eine Anzahl Truppen zu ihrer

 

 

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Verthieidigung bieten, erhielten aber zur Antwort, daß der König dieses nicht thun könne, weil er seine Truppen selbst zu Hause nöthig hätte. Sie baten hierauf den Fürsten Jaroslaw Wsewolodowitsch von Perejaslaw die Regierung ihres Landes während der Minderjährigkeit ihres Fürsten zu übernehmen, und warteten auf ihn zwey Wochen lang, worauf sie endlich in das damals nur zwey Tagereisen von ihrer Stadt eutfernte Lager der Tschernigower schickten, und den Fürsten Wladimir Igorewitsch heimlich zu sich einladen ließen, welcher ohne solches den übrigen Fürsten zu eröffnen, sogleich in der Nacht nach Halitsch abreisete.

 

Unterdessen machte sich Jaroslaw Wsewolodowitsch von Perejaslawl nach genommener Abrede mit Rurik Rostislawitsch und andern Fürsten nach Halitsch auf den Weg, erfuhr aber nahe bey der Stadt, daß Wladimir Igorewitsch schon drey Tage vorher daselbst angekommen sey, und beschwerte sich sehr über die tschernigowschen Fürsten, die von ihrer Seite versicherten, daß alles ohne ihr Wissen und ohne ihre Einwilligung geschehen sey, und insgesamt ihren Rückzug antraten.

 

Als die Fürsten auf diesem Rückzuge nahe bey Kiew ankamen, nahm Wsewolod (Tschermnoi) Swätoslawitsch von Tschernigow, solches ohne Wiederstand ein, Rurik aber begab sich nach Owrutsch.

 

 

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Rostislaw Rurikowitsch blieb in Wüschgrad, Mstislaw Romanowitsch nahm Belgrad ein.

 

Nach diesem ließ Wsewolod Swätoslawitsch dem Fürsten Jaroslaw Wsewolodowitsch von Perejaslawl andeuten: daß er sich zu seinem Vater nach Susdal begeben sollte, weil er ihn, im Weigerungsfalle, mit Gewalt zur Verlassung des Kiewschen Gebiets nöthigen würde.

 

Jaroslaw Wsewolodowitsch begab sich diesem zufolge zu seinem Vater, Wsewolod Swätoslawitsch aber gab Perejaslawl seinem Sohne Michailo Wsewolodowitsch.

 

Nach diesem rief Rurik Rostislawitsch, nach genommener Abrede mit seinem Neffen Mstislaw Romanowitsch, unter dem Vorwande eines Feldzuges gegen Litauen, Polowzer zu Hülfe, zog schleunig alle seine eigene Truppen und die Truppen seiner Söhne und Neffen zusammen, und erschien vor Kiew. Wsewolod verließ bey seiner Annäherung die Stadt, Rurik nahm selbige in Besitz, und schickte seinen Sohn Wladimir nach Perejaslawl.

 

Im Jahre 1207, kam Wsewolod Swätoslawitsch mit den Tschernigowern, Seweriern und vielen Polowzern, am 28sten April, wiederum vor Kiew an und umringte die Stadt, mußte aber nach einer drey Wochen lang fortgesezten Belagerung ohne glücklichen Erfolg abziehen,

 

 

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Um diese Zeit zog Wladimir Igorewitsch, vor Wladimir in Wolhynien, nöthigte den Fürsten Daniel Romanowitsch selbiges zu verlassen, und sezte an dessen stat, seinen Bruder Roman Igorewitsch ein.

 

Am 28sten Februar dieses Jahres war eine Sonnenfinsternis.

 

Am 18ten März dieses Jahres kam Konstantin Wsewolodwitsch aus Nowgorod, nach Wladimir an der Kläsma, zu seinem Vater, welcher sich damals zu einem Feldzuge gegen Wsewolod Swätoslawitsch rüstete, und seinen Sohn unverzüglich nach Nowgorod zurück schickte.

 

Im Jahre 1208, kam Wsewolod Swätoslawitsch von Tschernigow mit seinen Söhnen und Neffen, und vielen Polowzern, wiederum über den Dnieper, umringte zuerst Tripol, welches sich nach einer dreytägigen Belagerung ergab, und rückte hierauf näher vor Kiew, wo zu gleicher Zeit Fürst Wladimir Igorewitsch, mit den Halitschern ankam. Rurik Rostislaw sahe, daß er der vereinigten großen Macht nicht wiederstehen könne, und begab sich aus Kiew nach Owrutsch.

 

Wsewolod Swätoslawitsch nahm Kiew ohne Wiederstand ein, und zog von da unverzüglich vor Belgrad, gegen den Fürsten Mstislaw Romanowitsch, der aller Hoffnung des Entsatzes beraubt um einen freyen Abzug bat, und sich mit allen seinen Leuten nach Smolensk begab.

 

 

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Nach diesem zog Wsewolod Swätoslawitsch gegen Mstislaw Mstislawitsch, Ruriks Neffen, vor Tortschesk und umringte die Stadt. Mstislaw der zwar jung, aber tapfer war, munterte seine Truppen auf, that einen schleunigen muthvollen Ausfall, und brachte Wsewolods Truppen zum Weichen, kehrte aber, da er wegen der großen Uebermacht der Feinde keinen völligen Sieg erhalten konnte, ohne großen Verlust in die Stadt zurück, und ließ zur Abwendung aller weitern Verheerung des Landes um einen freien Abzug bitten. Wsewolod Swätoslawitsch gewährte ihm solchen und kehrte selbst nach Kiew zurück.

 

Wsewolod Swätoslawitsch sezte gleich nach seiner Rükkunft nach Kiew, in allen Städten dieses Gebiets seine Befehlshaber ein, bezeigte seinen Brüdern und den Polowzern seine Erkentlichkeit, und ließ sie reichlich beschenkt von sich.

 

Als Wsewolod Jurjewitsch von Rostow erfuhr, daß Wsewolod Swätoslawitsch von Tschernigow, mit Hülfe der Sewerier und Halitscher, die Fürsten von Wladimirs Stamm, und unter diesen auch seinen Sohn Mstislaw, aus Kiew, Perejaslawl, Belgrad und andern Städten vertrieben, und die Olgowitschen sich auch des Fürstenthums Halitsch bemächtiget hätten, zog er alle seine Truppen zusammen, und ließ die räsanischen und muromischen Fürsten zum Beystande aufbieten, wozu sich diese sehr bereitwillig erklärten.

 

 

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Er beorderte zu gleicher Zeit seinen Sohn Konstantin mit den Nowgorodern, nach Moskwa, welcher sich unverzüglich in Begleitung des Poßadnik Miroschka mit einem ansehnlichen nowgorodschen Heere aufmachte, bis Moskwa vorrückte und daselbst seinen Vater erwartete.

 

Wsewolod Jurjewitsch war indessen auf die Nachricht daß Konstantin mit den Nowgorodern Twer vorbey gegangen sey, am 19ten August mit seinen Söhnen Jurii, Jaroslaw, und Wladimir, aus Wladimir an der Kläsma, wo er seinen Sohn Swätoslaw zur Regierung des Landes zurück ließ, aufgebrochen, und kam bald darauf bey Moskwa an, wo er seinen Sohn Konstantin väterlich umarmete, den nowgorodschen Poßadnik sehr gnädig aufnahm, den Nowgorodern über die ihrem Fürsten erwiesene Achtung und Treue und über die gute Ausrüstung ihrer Truppen sein Wohlgefallen bezeigte, und ihnen zu Ehren ein großes Gastmal anstellte.

 

Bald darauf kamen auch zwey räsansche Fürsten Gleb und Olg, Wladimirs Söhne an, die sich vorher über die von ihren Vaterbrüdern Roman Glebowitsch, und Swätöslaw Glebowitsch erlittene Beeinträchtigungen beschweret hatten, und beschuldigten diese ihre Vettern: daß sie allem Anschein nach mit den Fürsten von Tschernigow in einem geheimen Verständnisse stünden.

 

Wsewolod Jurjewitsch machte diese Sache sogleich seinen Räthen bekannt, die darüber verschiedene

 

 

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Meinungen äußerten. Einige hielten die Beschuldigung für wahr, andre für bloße Verläumdung, einige wunderten sich über die Schwachheit derer die eine solche Verläumdung für wahr hielten, andre erklärten es für sehr unvorsichtig, wenn man eine solche Anklage als bloße Verläumdung verachten wollte. Die gar zu vorsichtigen und furchtsamen riethen ihrem Fürsten nach seiner Residenz Wladimir zurück zu kehren, die getreuesten aber sagten: es würde sehr schimpflich seyn, ohne alle gegründete Ursache zurückzukehren, blos weil ein paar Jünglinge, die mit ihren Vettern in Feindschaft lebten, etwas gegen sie angebracht hätten; da selbst in dem Falle wenn die Sache völlig wahr wäre, solches kein schicklicher Anlaß zum Rückzuge sey, weil man alsdann lieber sich gegen die Oka wenden, daselbst, als in der Nähe von Räsan, genauere Erkundigung einziehen, und darauf alle Untersuchungen und Berathschlagungen gründen, bis so lange aber alles geheim halten müßte.

 

Wsewolod Jurjewitsch brach hierauf nebst seinem Sohne Konstantin, mit den Nowgorodern und der ganzen Armee, gegen die Oka auf, und fand daselbst die räsanschen Fürsten versammelt, welche ihn am gegenseitigen Ufer des Fluses mit ihren Truppen erwarteten, nemlich: Roman Glebowitsch mit seinen zwey Söhnen Mstislaw und Rostislaw, Igor mit seinen Söhnen und seinem Bruder Jurii, die Wladimirowitschen Gleb und Olg,

 

 

 

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und David von Murom. Romans Bruder Wsewolod von Pronsk, war kurz vorher verstorben, sein sohn Kir Michail aber, des Fürsten Wsewolod Swätoslawitsch Eidam, ließ sich durch einen Gesandten entschuldigen; daß er zwar ohne erhebliche Ursachen gegen seinen Schwiegervater nicht zu Felde ziehen würde, dagegen aber ihm auch gegen den Fürsten von Rostow keinesweges Hülfe leisten wolle, welche Erklärung nach dem Bericht einiger Schriftsteller, von den Feinden der räsanischen Fürsten, als ein Beweis des Einverständnisses derselben mit dem Fürsten von Tschernigow angegeben wurde.

 

Lezterer hatte würklich vor nicht gar langer Zeit mit diesen Fürsten Unterhandlungen gepflogen, und sich alle Mühe gegeben sie zu einem Bündnisse, oder wenigstens zur völligen Neutralität zu bewegen, worin auch sein Eidam gewilliget hatte, die übrigen räsanischen Fürsten aber hatten das Bündniß ausgeschlagen, und zugleich erklärt: daß sie gegen den Fürsten Wsewolod Jurjewitsch von Rostow, sich mit niemanden verbinden könnten.

 

Nach diesem bat Wsewolod Swätoslawitsch von Tschernigow, die räsanischen Fürsten um ihre Vermittelung zum Frieden, welche dieses dem Fürsten von Rostow bekannt machen ließen.

 

Wsewolod Jurjewitsch überlegte mit seinen vertrautesten Räthen was bey gegenwärtiger Lage der Sachen zu thun sey, und erhielt zur Antwort: es wäre zwar bey weiterm Vorrücken zu

 

 

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besorgen, daß die räsanischen Fürsten, wenn ihre Vermittelung fruchtlos ablaufen sollte, seine Parthey verlassen, oder wohl gar sich zur Parthey des Fürsten Wsewolod Swätoslawitsch schlagen könnten, dagegen aber, würde es sehr schimpflich seyn, ohne angegebene Ursache und ohne geschlossenen Frieden, zurück zu kehren; auch sey es gar nicht rathsam, die räsanischen Fürsten zu Friedensmittlern zu haben.

 

Diese Vorstellungen fruchteten beym Fürsten von Rostow so viel, daß er nach langer Berathschlagung endlich die räsanischen Fürsten als heimliche Feinde anzusehen, und diesem gemäß zu verfahren beschloß.

 

Er nahm am andern Morgen seine Stellung nahe am Ufer der Oka, so daß er den Fürsten Roman Glebowitsch am andern Ufer des Flusses vor sich hatte, und ließ diesen Fürsten mit seinen Kindern und Neffen zu sich einladen.

 

Die räsanischen Fürsten fanden sich sogleich ein, sezten sich in ihrem Zelte und erwarteten den Fürsten Wsewolod Jurjewitsch, welcher aber nicht aus seinem Zelte kam, sondern ihnen durch den Fürsten David von Murom und seinen Tüßäzkoi Michailo Borißowitsch, alles was man ihm hinterbracht hatte, vorhalten ließ.

 

Die Fürsten rechtfertigten sich, so gut als sie konten, und baten, ihnen ihre Verläumder anzuzeigen,

 

 

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Wsewolod schickte ihnen ihre Neffen Gleb und Olg zu, welche sie zwar übler Gesinnungen gegen den Fürsten von Rostow beschuldigten, aber weder hinlängliche Beweise noch Zeugnisse anführen konnten.

 

Roman und seine Neffen baten hierauf Wsewoloden, ihre Sache nach Recht und Billigkeit zu untersuchen, und sie nicht unverschuldet zu kränken, Wsewolod Jurjewitsch aber gab dem Rathe ihrer Feinde Gehör, ließ sie in Verhaft nehmen, schickte sie am 22sten September nach Wladimir an der Kläsma, und rückte selbst in Begleitung der Fürsten David, Gleb und Olg, ins Räsanische ein.

 

Er wandte sich zuerst gegen Pronsk, wo Fürst Kir Michailo bey seiner Annäherung den Fürsten Isäslaw Wladimirowitsch zurück ließ, und sich selbst zu seinem Schwiegervater Wsewolod Swätoslawitsch nach Kiew begab. Isäslaw vertheidigte zwar die Stadt mit vieler Tapferkeit, mußte aber, da der ihm zu Hülfe gekommene Fürst Roman Igorewitsch, von Wsewolods Truppen unter Anführung des Fürsten Olg Wladimirowitsch, geschlagen ward, um Frieden bitten, und zog am 18ten Oktober nebst den Bojaren aus der Stadt aus.

 

Wsewolod ließ sich von den Einwohnern dieser Stadt den Eid der Treue leisten, übergab sie dem Fürsten Olg Wladimirowitsch, sezte den Fürsten Isäslaw Wladimirowitsch in Freyheit,

 

 

 

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schickte die Fürstin Wera, Gemahlin des Fürsten Kir Michailo und Tochter des Fürsten Wsewolod Swätoslawitsch von Tschernigow, nebst den pronskischen Bojaren, nach Wladimir an der Kläsma, sezte in den übrigen eroberten Städten seine Stathalter ein, und näherte sich selbst der Stadt Räsan.

 

Er kam auf diesem Wege bis Dobroi-Sot, und wollte am folgenden Morgen über den Fluß Pronä setzen, als ihm einige Räsaner entgegen kamen und so wie schon vorher die Abgeordneten des Bischofs Arsenii, um Verschonung ihrer Stadt baten.

 

Wsewolod ließ sich durch diese Bitten des Bischofs und der Räsaner, zum Rückzuge bewegen, und wandte sich gegen Kolomna, wo vorgedachter Bischof bey ihm ankam, und nach abgestatteter Danksagung, in seinem und aller Räsaner Nahmen, um die Befreyung ihrer Fürsten bat.

 

Wsewolod versprach die Räsaner nicht zu beunruhigen, und die Sache wegen ihrer Fürsten mit seinen Räthen zu überlegen, verlangte aber dagegen, das alle übrige räsanische Fürsten sich bey ihm einfinden, die Räsaner aber einen Eid schwören sollten, daß sie nicht wider ihn dienen würden, und kehrte nach Wladimir an der Kläsma zurück, wo er am 21sten November ankam.

 

 

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Er beschenkte gleich nach seiner Rükkunft alle Nowgoroder und Pskower, entließ sie mit der Ermahnung, Recht und Gerechtigkeit nach den Gesetzen zu handhaben, sich untereinander zu lieben, und dem Muthwillen des Volks Einhalt zu thun, und behielt seinen Sohn Konstantin, den Poßadnik Dmitrii, welcher schwer verwundet war, und noch sieben andre bey Pronsk verwundete vornehme Nowgoroder bey sich.

 

Die Nowgoroder beschwerten sich bey ihrer Rükkunft über den Poßadnik Dimitri und seine Verwandten, wodurch das Volk dergestalt aufgebracht ward, daß es die Wohnungen der Angeklagten niederriß, ihr Vermögen plünderte und sogar den Leichnam des an seinen Wunden verstorbenen Poßadniks Dmitrii, als er aus Wladimir nach Nowgorod gebracht ward, von der Brücke in den Fluß werfen wollten, woran sie nur durch die Ermahnungen des Erzbischofs Mitrofan, welcher den Leichnam selbst zur Erde bestattete, gehindert wurden.

 

Bald nach diesem schickte Wsewolod Jurjewitsch von Rostow, seinen Sohn Swätoslaw nach Nowgorod, behielt dagegen seinen ältesten Sohn Konstantin bey sich, und errheilte selbigem Rostow, nebst fünf andern Städten, als: Belosero, Uglitsche-Pole, Jaroslawl, Kostroma, und Galitsch-Meräschkoi. - Die Nowgoroder nahmen den Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch bey seiner Ankunft mit Ehren auf,

 

 

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erklärten ihm aber, daß sie einmüthig beschlossen hätten, Miroschkens Familie nicht weiter in ihrer Stadt zu dulden, und überlieferten sie gänzlich in seine Hände, welchem zufolge er selbige in andere Städte des nowgorodschen Gebiets versezte.

 

Als Rurik Rostislawitsch erfuhr, daß Wsewolod das Fürstenthum Räsan bekriege, und sich zu einem Zuge gegen Tschernigow anschicke, zog er sogleich seine Truppen zusammen, und schickte nach Polowzern, bey deren Annäherung er schleunig gegen Kiew aufbrach.

 

Wsewolod Swätoslawitsch hatte damals den größten Theil seiner Truppen zu einem Feldzuge gegen Wsewolod Jurjewitsch von Weiß-Rußland, nach Tschernigow abgefertiget, und flohe bey Ruriks Ankunft mit einigen wenigen Leuten nebst seiner Gemahlin und Kindern aus Kiew.

 

Rurik zog ohne allen Wiederstand in Kiew ein, und schickte die Polowzer wohl beschenkt in ihre Wohnsitze zurück.

 

Im Jahre 1209, brach Wsewolod Swätoslawitsch mit seinen Brüdern und Neffen aus Tschernigow gegen Kiew auf, und stand 14 Tage lang vor der Stadt, mußte aber ohne allen Erfolg abziehen, und kam am ersten Februar wiederum nach Tschernigow zurück. Um diese Zeit schickte Fürst Wsewolod Jurjewitsch von Weiß-Rußland seinen Sohn Jaroslaw

 

 

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nach Räsan und sezte in allen Städten des räsanischen Gebiets seine Befehlshaber ein.

 

Um eben diese Zeit verbanden sich die Fürsten Gleb Wladimirowitsch und dessen Bruder Isäslaw, unter dem Vorwande der Befreyung ihrer Vettern, mit den tschernigowschen und sewerischen Fürsten, nahmen hierauf verschiedene in den Städten des räsanischen Gebiets angestellte Befehlshaber gefangen, und suchten den Fürsten Jaroslaw selbst aus Räsan zu vertreiben, der aber die Besazung der Städte verstärkte, und sich selbst zu seinem Vater begab. Wsewolod Jurjewitsch ließ über das Vorgefallene sogleich genaue Untersuchung anstellen, und die schuldigen Bojaren bestrafen.

 

In diesem Jahre vermählte sich Wsewolod Jurjewitsch von Weiß-Rußland zum drittenmale, mit Ljubow, einer Tochter des witebskischen Fürsten Waßilko.

 

In diesem Jahre schickte der König von Ungarn einige Truppen nach Halitsch, welche den Fürsten Wladimir Igorewitsch vertrieben, und an dessen Stat seinen Bruder Roman Igorewitsch einsezten.

 

In eben diesem Jahre fielen die Bolgaren ins räsanische Gebiet ein. Wsewolod Jurjewitsch befahl dem räsanischen Tüßäzkoi Matfei Andreewitsch ihnen entgegen zu rücken, der sie zwar in einem heftigen Treffen besiegte, aber selbst auf dem Platze blieb.

 

 

 

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Am 7ten December desselben Jahres ward dem Fürsten Konstantin Wsewolodowitsch von Rostow, ein Sohn gebohren, welcher in der heiligen Taufe den Nahmen Waßilei erhielt.

 

Im Jahre 1210, schickte Rurik Rostislawitsch von Kiew, zum Könige von Ungarn, um mit ihm Frieden und Freundschaft zu stiften, und Halitsch für seinem Sohn Rostislaw zu erhalten. Die Halitscher aber wollten wegen der beständigen Streitigkeiten um die Nachfolge in Kiew, nicht gern unter kiewscher Oberherrschaft stehen, und behielten ihren Fürsten Roman Igorewitsch.

 

In diesem Jahre ließ Wsewolod Swätoslawitsch von Tschernigow, durch den kiewschen Mitropoliten, der wegen kirchlicher Angelegenheiten nach Susdal und Nowgorod reisete, den Fürsten Wsewolod Jurjewitsch von Weiß-Rußland, um die Befreyung der räsanischen Fürsten ersuchen. Wsewolod nahm zwar den Mitropoliten sehr freundschaftlich auf, und gewährte ihm seine Bitte, wollte sich aber ohne vorgängige Rücksprache mit dem Fürsten Rurik von Kiew, zu keinem Bündnisse mit den tschernigowischen Fürsten verstehen, und ließ sich bey selbigem um seine Meinung erkundigen.

 

Im Jahre 1211, ward dem Fürsten Konstantin Wsewolodowitsch von Rostow, am 16ten Junius, sein zweiter Sohn gebohren, der in der heiligen Taufe, am 24sten desselben Monaths,

 

 

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den Nahmen Johann erhielt, mit seinem Fürstennahmen aber Wsewolod genannt wurde.

 

In diesem Jahre sezten die Nowgoroder ihren Fürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch in gefängliche Haft , und liessen den Fürsten Mstislaw Mstislawitsch, Rostislaws Enkel, aus Toropez zu sich berufen.

 

Mstislaw Mstislawitsch kam mit einer Anzahl Truppen nach Torshok, und ließ den Nowgorodern bekannt machen, daß er sich zu ihrem Schuz eingefunden habe, welche ihn hierauf nochmals im Nahmen des ganzen Volks zu sich einladen liessen.

 

Als Wsewolod Jurjewitsch von Weiß-Rußland hievon Nachricht erhielt, ließ er sogleich alle nowgorodschen Kaufleute in allen Städten des weißrußischen Gebiets gefangen nehmen, und schickte seinen Sohn Konstantin von Rostow, mit dessen Brüdern Jurii und Jaroslaw, gegen den Fürsten Mstislaw ab. Dieser rückte zwar Anfangs mit vielem Muthe vor, blieb aber bey Wüschnei-Wolotschok stehen, und ließ dem Fürsten Konstantin von Rostow, in Twer Friedensvorschläge thun, welchen zufolge Swätoslaw befreyt, und der von der Stadt Nowgorod dem Fürsten Wsewolod Jurjewitsch schuldige Tribut, völlig berichtiget wurde.

 

Wsewolod schickte hierauf seinen Sohn Wladimir nach Nowgorod, Mstislaw Mstislawitsch aber kehrte nach Toropez, und Konstantin aus

 

 

 

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Twer zu seinem Vater zurück, welcher alle nowgorodsche Kaufleute in Freyheit zu setzen befahl.

 

Als die Nowgoroder mit dem Fürsten Wladimir nach ihrer Stadt zurück kamen, ergriffen sie den Poßadnik Shdan Iwanow nebst dreyen Bojaren, die Mstislawen zur Regierung eingeladen hatten, und wollten sie von der Brücke herab werfen, der Erzbischof aber redete ihnen zu, und besänftigte sie.

 

In eben diesem Jahre fielen die Litauer ins nowgorodsche Gebiet ein. Wladimir Wsewolodowitsch sezte ihnen mit einigen nowgorodschen Truppen nach, holte sie bey Chodinizi ein, und besiegte sie.

 

Um diese Zeit schickte Wsewolod Jurjewitsch von Weiß-Rußland seinen Feldherrn Kosma Radschitsch gegen die Bolgaren, welcher aber bald, ohne etwas beträchtliches unternommen zu haben, zurück kam.

 

Im Jahre 1212, unternahmen die pronskischen Fürsten Kir Michailo und Isäslaw Wladimirowitsch einen Zug gegen Moskwa, auf welchem sie bey Kolomna Halt machten, und eine streifende Parthey vor sich her abfertigten.

 

Wsewolod Jurjewitsch von Weiß-Rußland ließ auf diese Nachricht seine Truppen aus Twer unter seinem Sohne Jurii vorrücken, der Isäslawen, am 26sten März, beym Bache Treßna schlug, und siegend zurück kehrte.

 

 

 

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Am 19ten April dieses Jahres starb in Kiew der Großfürst Rurik Rostislawitsch, im 37sten Jahre seiner Regierung.

 

Dieser Fürst hatte nach dem Bericht einiger Schriftsteller drey Gemahlinnen:
Die erste, eine polowzische Fürstin.
Die zweyte, eine Tochter des Fürsten Jurii Jaroslawitsch von Turow.
Die dritte, Anna eines Wsewolods (man weiß aber nicht welches) Tochter.

 

Er hinterließ zwey Söhne, Rostislaw und Wladimir.

 

Als Wsewolod Swätoslawitsch von Tschernigow, von dem Ableben des Fürsten Rurik Rostislawitsch Nachricht erhielt, verfügte er sich unverzüglich nach Kiew, und ließ seinen Bruder Olg in Tschernigow.

 

Um diese Zeit kamen die Polowzer vor Perejaslawl, kehrten aber auf die Nachricht daß von Kiew her Truppen im Anzuge wären, wie der in ihr Land zurück.

 

Bald darauf sandte Wsewolod Swätoslawitsch von Kiew, den Mitropoliten Matfei zum Fürsten Wsewolod Jurjewitsch von Weiß-Rußland, um mit ihm Frieden und Freundschaft zu stiften.

 

Der Mitropolit stiftete nicht nur einen Frieden und Freundschafts-Vertrag, sondern auch zu gleich eine Eheverbindung zwischen dem Fürsten Jurii Wsewolodowitsch, einem Sohne des Großfürsten

 

 

 

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Wsewolod von Weiß-Rußland, und einer Tochter des Großfürsten Wsewolod Swätoslawitsch von Kiew; worauf Wsewolod Jurjewitsch seinen Sohn Konstantin und dessen Gemahlin, nebst verschiedenen vornehmen Bojaren und Bojarenfrauen, mit vielen Geschenken nach seiner Schwiegertochter abschickte.

 

Um diese Zeit verließ Fürst Wladimir Wsewolodowitsch wiederum die Stadt Nowgorod.

 

Am 8. April dieses Jahres schickte der Großfürst Wsewolod Swätoslawitsch von Kiew, seine dem Fürsten Jurii Wsewolodowitsch versprochene Tochter, in Begleitung seines Neffen Igor Jaroslawitsch, seines Eidams Kir Michailo von Pronsk und deren Gemahlinnen, wie auch des Bischofs von Tschernigow und der ansehnlichsten Bojaren mit ihren Gemahlinnen, nach Wladimir an der Kläsma.

 

Er gab seiner Tochter eine reiche Ausstattung an Gold, Silber, Perlen, Edelsteinen, und Kleidungsstücken; schickte seinem Eidame viele Pferde, Waffen, und verschiedener Arten reicher Zeuge, und machte zugleich dem Fürsten Konstantin Wsewolodowitsch von Rostow, seiner Gemahlin, und seinen Bojaren, ansehnliche Geschenke.

 

Als die Braut mit ihrem Gefolge auf ihrer Reise nach Tschernigow kam, stellete Fürst Olg Swätoslawitsch, ihr zu Ehren, ein großes zwey Tage lang währendes Gastmal an, begleitete sie am dritten Tage mit seiner Gemahlin aus der Stadt, und befahl seinem Sohne

 

 

 

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Rurik Olgowitsch sie durch sein ganzes Gebiet bis Kolomna zu begleiten.

 

Sie kam am 28sten April, in Wladimir an der Kläsma an, und ward am folgenden Tage, der auf einen Sontag fiel, durch den Bischof Johan von Rostow, mit ihrem Gemahl Jurii Wsewolodowitsch ehelich verbunden, zu welcher Feyerlichkeit die räsanischen Fürsten, und Fürst David von Murom eingeladen waren, und acht Tage hindurch mit allerhand Lustbarkeiten unterhalten und freundlich bewirthet wurden.

 

Wsewolod Jurjewitsch beschenkte seine Schwiegertochter mit Gold, Silber, Perlen und Stoffen, wieß ihr die Stadt Jurjew zu ihrem Unterhalt an, und schickte die in ihrem Gefolge befindliche Fürsten und Bojaren, reichlich beschenkt, zurück.

 

In diesem Jahre zog Fürst Mstislaw Mstislawitsch von Toropez, gegen die Tschuden, Tormen genannt, (im dörptschen Kreise) nach Liefland, kehrte im Winter nach Pskow zurück, und unternahm hierauf einen neuen Feldzug, in die Gegend der Stadt Medweshaja-Golowa (Oedempä)

 

In eben diesem Jahre überfielen die Ungarn die Stadt Halitsch, bey welcher Gelegenheit die dasigen Fürsten Roman und Wladimir Igorewitsch, sammt ihren Kindern erschlagen wurden.

 

Im Jahre 1213, am 19ten April, starb der Großfürst Wsewolod Jurjewitsch von Weiß-Rußland,

 

 

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und ward in Wladimir an der Kläsma in der Kirche zur heiligen Mutter Gottes begraben.

 

Er hatte 36 Jahre regiert und sein Alter überhaupt auf 58 Jahre gebracht.

 

Seine Gemahlin ließ sich nach seinem Tode im Kloster zu Mariä Entschlafung zur Nonne einkleiden.

 

Seine nachgebliebene Söhne waren:
1. Konstantin in Rostow.
2. Jurii in Wladimir an der Kläsma.
3. Jaroslaw in Perestawl, Twer und Wolok.
4. Swätoslaw in Jurjew und Gorodez.
5. Wladimir in Moskwa.
6. Johann in Starodub.

 

 

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329

 

Ruriks Geschlechts-Register.

 

Rostislaw. Fürst von Smolensk, nachher Großfürst von Kiew, vom Jahre 1161 bis 1168.

 

Dessen Gemahlin ist nicht bekannt.

 

Dessen Sohn Rurik, Fürst von Belgrad, nachher Großfürst von Kiew.

 

oo Seine Gemahlinnen waren:
1. Eine polowzische Fürstin.
2. Eine Tochter des Fürsten Juri Jaroslawitsch von Turow.
3. Anna Wsewolodowitschna.

 

Seine Kinder waren:
1. Rostislaw.
2. Wladimir.
3. Eine Tochter, vermählt, mit dem Fürsten Roman Mstislawitsch von Wladimir in Wolhynien.
4. Wseslawa, vermählt mit dem Fürsten von Räsan, Jaroslaw Glebowitsch.
5. Eine Tochter, vermählt mit Gleb einem Sohne des Großfürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch,

 

 

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Zeitverwandte der rußischen Fürsten, vom Jahre 1195 bis 1213.

 

In Griechenland. Kaiser. Alexis III. von 1195 bis 1203. Isaak von 1203 bis 1204. Theodor v. 1204 bis 1222.

 

In Deutschland. Kaiser. Heinrich VI. von 1190 bis 1197. Friedrich II. von 1198 bis 1250.

 

 

In Polen. Leschko V. von 1194 bis 1227.

 

In Bolgarien. Zaren. Peter von 1186 bis 1196. Joannikii von 1196 bis 1207. Wratislaw vov 1207 bis 1215.

 

In Böhmen. Fürsten. Brätschislaw von 1193 bis 1196. Wladislaw von 1196 bis 1197. Premislaw von 1197 bis 1230.

 

In Sachsen. Fürst. Bernhard von Askanien von 1180 bis 1212.

 

In der Pfalz. Fürsten. Konrad von 1156 bis 1195. Heinrich von 1195 bis 1215.

 

In Bayern. Fürst. Ludwig I. von 1183 bis 1231.

 

In Brandenburg. Fürsten. Otto I. von 1169 bis 1198. Otto II. von 1198 bis 1206. Albert II. von 1206 bis 1221.

 

In Braunschweig. Fürst. Wilhelm von 1195 bis 1213.

 

 

 

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331

 

In Ungarn. Könige. Bela III. von 1174 bis 1196. Emmerich von 1196 bis 1204. Wladislaw II. von 1204 bis 1204. Andreas II. von 1204 bis 1235.

 

In Dänemark. Könige. Kanut VI. von 1182 bis 1203. Wladimir II. von 1203 bis 1241.

 

In Schweden. Könige. Swercher III. von 1192 bis 1210. Erich von 1210 bis 1219.

 

InArabien. Kalif. In Mongalien. Maßer LIII Kalif von 1180 bis 1225.

 

In Egypten. Sultane. Malek El Asis Otmann von 1193 bis 1198. Malek El Mansur von 1198 bis 1200. Malek El Adel Seifeddin Abubeker von 1200 bis 1218.

 

In Ikonium. Sultane. Gajatedin Kaikoßru von 1192 bis 1210. Aßedin Kaikaus von 1210 bis 1219.

 

In Alepo. Sultan. Gajatedin Gasi von 1181 bis 1216.

 

In Damask. Sultan. Saladin von 1174 bis 1249.

 

In Mongalien. Chan. Tschingis von 1176 bis 1229.

 

In Frankreich. Könige. Philipp II. von 1180 bis 1223.

 

 

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332

 

In England. Könige. Richard I. von 1189 bis 1199. Johann von 1199 bis 1216.

 

In Schottland. König. Wilhelm von 1165 bis 1214.

 

In Spanien. König. Alphons von 1158 bis 1214.

 

In Portugall. König. Sanches I. von 1185 bis 1212.

 

Patriarchen zu Konstantinopel. Georg von 1193 bis 1199. Johann von 1199 bis 1206. Michael von 1206 bis 1212. Theodor von 1212 bis 1215.

 

Römische Päbste. Cölestin III. von 1191 bis 1198. Innocentius von 1198 bis 1216.

 

Mitropoliten zu Kiew. Nikifor von 1175 bis 1205. Gabriel von 1205 bis 1208. Matfei von 1208 bis 1231.

 

In Rußland. Großfürsten und abgetheilte Fürsten.

 

In Kiew. Rurik Rostislawitsch von 1195 bis 1212. Wsewolod Swätoslawitsch von 1212.

 

In Rostow, Susdal und Wladimir an der Kläsma oder in Weiß-Rußland. Wsewolod Jurjewitsch von 1177 bis 1213.

 

In Tschernogow. Jaroslaw Wsewolodowitsch von 1177 bis 1200. Igor Jaroslawitsch in 1200. Wsewolod Swätoslawitsch von 1200 bis 1213.

 

 

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333

 

In Nowgorod-Sewerskoi. Igor Swätoslawitsch von 1180 bis 1202. Wladimir Igorewitsch von 1202. Olg Swätoslawitsch.

 

In Wladimir in Wolhynien. Roman Mstislawitsch

 

In Smolensk. David Rostislawitsch von 1180 bis 1198. Mstislaw Romanowitsch von 1198.

 

In Halitsch. Wladimir Jaroslawitsch von 1188 bis 1199. Roman Mstislawitsch von 1199 bis 1205. Wladimir Igorewitsch. Roman Igorewitsch.

 

In Luzk. Isäslaw Jaroslawitsch von 1183 bis 1197.

 

In Druzk. Boris

 

In Turow. Gleb Jurjewitsch bis 1197.

 

In Belsh. Wsewolod Mstislawitsch bis 1196.

 

In Belgrad. Rostislaw Rurikowitsch von 1196.

 

In Rostow. Konstantin Wsewolodowitsch von 1209.

 

In Toropez. Mstislaw Mstislawitsch. Wladimir Mstislawitsch bis 1214.

 

In Räsan. Igor Glebowitsch bis 1195. Roman Glebowitsch von 1195.

 

In Pronsk. Wsewolod Glebowitsch.

 

In Murom. David Jurjewitsch. Wladimir Jurjewitsch.

 

 

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334

 

In Groß-Nowgorod. Jaroslaw Wsewolodowitsch von 1189 bis 1197. Jaropolk Jaroslawitsch von 1197 bis 1198. Swätoslaw Wsewolodowitsch von 1200 bis 1205. Konstantin Wsewolodowitsch von 1205 bis 1209. Mstislaw Mstislawitsch. Wladimir Wsewolodowitsch

 

 

In Perejaslawl. Konstantin Wsewolodowitsch von 1197 bis 1201 Jaroslaw Wsewolodowitsch von 1201 bis 1206. Michael Wsewolodowitsch. Wladimir Rurikowitsch.

 

In Wüschgrad. Rostislaw Rurikowitsch.

 

In Tortschesk. Mstislaw Mstislawitsch.

 

In Pereslawl und Twer. Jaroslaw Wsewolodowitsch.

 

 

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335

 

43.

 

Fürsten.

Wsewolod Swätoslawitsch, in Kiew.
Konstantin Wsewolodowitsch, in Rostow.
Jurii Wsewolodowitsch, in Wladimir an der Kläsma.
Wladimir Igorewitsch, in Halitsch.
Daniel Romanowitsch, zu Wladimir in Wolhynien.
Wsewolod Swätoslawitsch, in Tschernigow.
Rurik Olgowitsch, in Nowgorod-Sewerskoi.
Mstislaw Mstislawitsch, in Groß-Nowgorod.
Mstislaw Romanowitsch, in Smolensk.
Wladimir Rurikowitsch, in Perejaslawl.
Wladimir Jurjewitsch, in Murom.
Roman Glebowitsch, in Räsan.
Boris Wseslawitsch, in Polozk.
Jaroslaw Wsewolodowitsch, in Peresawl und Twer.
Swätoslaw Wsewolodowitsch, in Jurjew.
Johann Wsewolodowitsch, in Starodub an der Kläsma.
Rostislaw Rurikowitsch, in Turow.
Wladimir Wsewolodowitsch, in Moskwa.


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336

 

Nach dem im Jahre 1213 erfolgten Tode des Fürsten Wsewolod Jurjewitsch, maßten sich viele rußische Fürsten des Großfürstlichen Titels an.

 

In diesem Jahre stritten Konstantin Wsewolodowitsch von Rostow, und Jurii Wsewolodowitsch von Wladimir an der Kläsma, um das Vorrecht des Alters, auf welches Konstantin in Rücksicht seiner Jahre, Jurii aber wegen des Vorzuges seines Thrones Ansprüche machte. Swätoslaw Wsewolodowitsch wollte seinen Bruder Jurii keinesweges für das Haupt seines Stammes erkennen, und begab sich zu Konstantin Wsewolodowitsch nach Rostow, Jurii aber verband sich dagegen mit seinen Brüdern Jaroslaw, Wladimir und Johann, und zog mit einem Heer gegen Rostow. Konstantin war zwar hinlänglich zur Gegenwehr gerüstet, und wollte seinen Brüdern entgegen ziehen, die Bojaren aber ließen es nicht zu Thätlichkeiten kommen, und

 

 

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bewogen die Brüder sich zu versöhnen, worauf jeder in sein Gebiet zurück kehrte.

 

In diesem Jahre feierte Konstantin Wsewolodowitsch das Fest des Haarbeschneidens seiner Söhne, Waßilko und Wsewolod, welches mit vielen Lustbarkeiten begangen ward.

 

Um diese Zeit entstanden neue Mißhelligkeiten zwischen den Brüdern. Wladimir Wsewolodowitsch von Moskwa, zerfiel mit Jurii Wsewolodowitsch von Wladimir an der Kläsma, und begab sich anfangs aus Wladimir nach Rostow, versöhnte sich aber nach kurzer Zeit wieder, und reisete aus Rostow nach Moskwa, wo er sich ohne Verzug in guten Vertheidigungsstand zu sezen bemühte.

 

Im Jahre 1214, war eine Hungersnoth, in welcher man die ganze Fasten durch Fleisch essen mußte.

 

In diesem Jahr vertrieben die Pskower ihren Fürsten Wladimir Mstislawitsch von Toropez, einen Enkel des Fürsten Mstislaw Rostislawitsch, und thaten über den Peipus-See einen Einfall in Liefland.

 

Um Petri-Fasten fiel ein Haufe Litauer ins pskowische Gebiet ein, und eilte mit vielen Gefangenen zurück.

 

Am 15ten April dieses Jahres, legte Konstantin Wsewolodowitsch in Rostow eine steinerne Kirche zur heiligen Mutter Gottes an.

 

In diesem Jahre zog Jurii Wsewolodowitsch von Wladimir an der Kläsma, mit seinen

 

 

 

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Brüdern Jaroslaw, Swätoslaw und Johan, und dem Fürsten David von Murom, gegen seinen Bruder Konstantin von Rostow, welcher dagegen einige Truppen auf der Wolga gegen Kostroma abfertigte. Jurii schloß bey Rostow mit seinem Bruder Konstantin Frieden, wandte sich von da gegen Moskwa, und zwang seinen Bruder Wladimir diese Stadt zu verlassen. Wladimir begab sich aus Moskwa nach Kiew, und bemühete sich Perejaslawl zu erhalten.

 

In diesem Jahre ward dem Fürsten Jurii Wsewolodowitsch von Wladimir an der Kläsma, ein Sohn gebohren, welcher den Taufnahmen Dmitrii und den Fürstennahmen Wsewolod erhielt.

 

In diesem Jahre unternahm Mstislaw Mstislawitsch von Nowgorod, mit seinen Brüdern David und Wladimir von Toropez, und den Pskowern unter Anführung des Fürsten Wsewolod Mstislawitsch, einen Feldzug nach Liefland, gegen ein tschudisches Volk, Jerwen genannt, welches seinen Tribut nicht entrichtet hatte. Die Fürsten rückten tief ins Land bis an die See, und machten bey Worobjin, oder Gersike Halt, wo die Liefländer durch ihre Landesältesten um Frieden bitten ließen. Mstislaw Mstislawitsch empfieng den Tribut, vergab ihnen, und kehrte nach Nowgorod zurück.

 

In diesem Jahre bewog der König von Ungarn die Halitscher, seinen Sohn, den Prinzen

 

 

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Koloman, zu ihrem Regenten anzunehmen, und versprach, daß selbiger sich in der rechtgläubigen griechischen Religion unterrichten lassen, und sich zu selbiger bekennen würde. Dieser Prinz kam bald darauf selbst in Halitsch an, und ward daselbst mit großen Ehrenbezeigungen empfangen; er ließ die Einwohner den Huldigungs-Eid ablegen, und nannte sich König von Halitsch.

 

Koloman hatte aus Ungarn zwey der römischen Religion zugethane Bischöfe mitgebracht, welche die Halitscher zur Annahme ihres Glaubens zu bewegen suchten, diese aber ließen sich weder durch Bedrängnisse noch Schmeicheleien, von seiten ihres neuen Königes, zu einer Religionsveränderung verleiten, sondern erinnerten selbigen vielmehr an sein eigenes Versprechen, die griechisch-katholische Religion anzunehmen; wovon aber Koloman nichts hören wollte. Die Halitscher entrüsteten sich über diese offenbahre Verletzung des geschlosenen Vertrages, besonders aber darüber, daß die römischen Glaubensgenossen sich heimlich zweyer Kirchen bemächtiget hatten; sie schickten zwey zuverläßige Männer zum Fürsten Mstislaw Romanowitsch nach Smolensk, und ließen ihm die Regierung ihres Landes anbieten. Mstislaw Romanowitsch, der damals krank lag, schickte die Abgeordneten mit ihrem Auftrage zu seinem Neffen Mstislaw Mstislawitsch nach Nowgorod, und ließ ihm von seiner Seite alle mögliche Hülfe versprechen.

 

 

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Um eben diese Zeit ließ Wsewolod Swätoslawitsch von Kiew, nach dem Bericht einiger Schriftsteller, den Rostislawitschen andeuten, daß sie sich aus Rußland entfernen sollten; wogegen Rostislaws Enkel, die sich selbst nicht zu helfen wußten, ihre Vettern Mstislaw Romanowitsch von Smolensk, und Mstislaw Mstislawitsch von Nowgorod von dieser ihrer unverschuldeten Verfolgung benachrichtigten und um ihre Hülfe und Unterstützung baten. sie ließen zu gleicher Zeit die Fürsten Konstantin von Rostow, Jurii von Wladimir an der Kläsma, und die übrigen Söhne Wsewolods, als die ältesten Fürsten von Wladimirs Stamm, um Schuz ersuchen, erhielten aber von selbigen, die unter sich selbst in Streit und Fehde lebten, zur Antwort: daß sie sich von ihnen keine Hülfe versprechen könnten.

 

Mstislaw Mstislawitsch machte nach seiner Rükkunft aus dem liefländischen Feldzuge, den Nowgorodern die unglückliche Lage der Rostislawitschen, und ihre vom Fürsten Wsewolod Swätoslawitsch erlittene Bedrängnisse bekannt, und erhielt von dem Volke einmüthig zur Antwort: „Ihre Voreltern hätten ehemals die Fürsten Wladimir, Jaroslaw, und viele andere, auf den kiewschen Thron geführt, und man wäre diesem Beyspiele zufolge auch jezt nicht minder bereit, ihm überall zu folgen, wohin ihn die Ehre, der Ruhm und das Wohl der Fürsten von Wladimirs Stamme ruffe,“ Mstislaw Mstislawitsch

 

 

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brach also am 8ten Julius mit einem aus Nowgorodern und Pleskowern bestehenden Heere, in Begleitung des Poßadniks Twerdislaw und vieler vornehmen Bojaren, aus Nowgorod auf, und kam bald darauf nach Smolensk, wo Mstislaw Romanowitsch, der schon völlig gerüstet war, mit seinen eigenen Truppen den Feldzug eröfnen wollte. Die Nowgoroder geriethen hiebey mit den Smolenskern in Streit, weil sie es ihrer Ehre zuwider hielten unter der Anführung des Fürsten Mstislaw Romanowitsch von Smolensk zu stehen, ungeachtet selbiger der älteste unter den Fürsten dieses verbündeten Heeres war; sie wollten deshalb nicht weiter vorrücken, Mstislaw Mstislawitsch aber verließ sie, und sezte den Zug mit den Smolenskern fort. Der Poßadnik Twerdislaw ermahnete hierauf die Nowgoroder, ihren Zug zur Beschützung der Nachkommen Wladimirs weiter fortzusetzen, und nicht mit Schimpf und Schande nach Hause zurück zu kehren, welches endlich so viel fruchtete, daß sie insgesammt aus Smolensk, zu Wasser und zu Lande aufbrachen, ins tschernigowsche Gebiet einrückten, sich zweyer Städte, Retschiza, und Olshizi, bemächtigten, und sich bey der Mündung des Pripet mit den Truppen des Fürsten Mstislaw Romanowitsch, seiner Brüder Jaropolk und Boris, und des Fürsten Rostislaw Rurikowitsch von Turow, vereinigten. Jezt sezte das verbündete Heer seinen Zug weiter fort, und machte bey

 

 

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Wüschgrad Halt, während das Wsewolod Swätoslawitsch mit seiner ganzen Macht aus Kiew ausrückte, und dicht vor dem feindlichen Heere stehen blieb.

 

Mstislaw Romanowitsch stellte jezt den Fürsten Mstislaw Mstislawitsch mit den Nowgorodern, auf den linken Flügel, gegen die Tschernigower, den Fürsten Rostislaw Rurikowitsch, seine Brüder Jaropolk und Boris, und die Pleskower, auf den rechten Flügel gegen die Perejaslawer und Schwarzmützen, er stand selbst mit seinen Smolenskern in der Mitte des Heeres, gegen die Kiewer, und fieng sogleich das Treffen an, in welchem Wsewolod Swätoslawitsch von Kiew überwunden, und seine Vettern Rostislaw Jaroslawitsch und Jaropolk Jaroslawitsch nebst vielen Bojaren gefangen wurden.

 

Wsewolod Swätoslawitsch zog sich vom Schlachtfelde nach Kiew zurück, und flohe von da mit seiner Gemahlin und seinen Kindern über den Dnieper.

 

Mstislaw Romanowitsch rückte nach erfochtenem Siege vor Wüschgrad, wo man ihm die Thore öfnete, und ihn ehrerbietig empfieng. Er schickte hierauf seinen Neffen Wladimir zum voraus nach Kiew, zog bald darauf selbst mit seinem Neffen Mstislaw Mstislawitsch von Nowgorod, dem Fürsten Rostislaw Rurikowitsch von Turow, und allen übrigen Fürsten in die Stadt ein, und ward mit vielen Ehrenbezeugungen

 

 

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empfangen. Man entließ den Fürsten Igor Jaroslawitsch, Isäslaws Enkel, den Wsewolod in Kiew zurück gelassen hatte, nach Luzk, und rückte hierauf mit vereinigter Macht vor Tschernigow, wo Wsewolod Swätoslawitsch, der sich zum fernern Widerstande zu schwach fühlte, Friedensvorschläge that, und Kiew dem Fürsten Mstislaw Romanowitsch abtrat. Man schloß auf diese Bedingungen Frieden, Mstislaw Mstislawitsch kehrte wieder nach Nowgorod, Wladimir Rurikowitsch aber nach Smolensk zurück.

 

Um diese Zeit schickte Jurii Wsewolodowitsch von Wladimir an der Kläsma, den Abt Simon, aus dem Kloster zur Geburt Christi, nach Kiew, und bat den Mitropoliten, selbigen zum Bischofe von Susdal einzusezen, der Mitropolit aber sezte ihn über Rostow und Susdal. Konstantin Wsewolodowitsch schickte hierauf von seiner Seite seinen Beichtvater und Abt des Klosters zum heiligen Peter, Nahmens Pachomii, zum Mitropoliten, worauf selbiger diesen Abt zum Bischofe von Rostow, Pereslawl und Jaroslawl einsezte, den vorgedachten Simon aber zum Bischofe von Susdal, Wladimir und Jurjew erklärte.

 

Im Jahre 1215, war in Großnowgorod in der Fastnachtszeit, am ersten Februar, ein starkes Donnerwetter.

 

Am 25sten März, war eine Sonnenfinsternis. Die Geschichtschreiber erwähnen, daß diese

 

 

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Begebenheit damals viele thörigte Wahrsagungen veranlaßt habe, und von einigen auf Krieg, von andern aber auf Hunger gedeutet worden, und das Volk dadurch in große Unruhe gerathen sey, bis der Bischof Simon es in der Kirche belehrt, und durch die Vorstellung: „daß niemand vor der Zeit Gottes Rathschläge ergründen könne, “ wieder besänftiget habe.

 

Um diese Zeit ward dem Fürsten Konstantin Wsewolodowitsch von Rostow , sein dritter Sohn gebohren, welcher den Taufnahmen Dmitrii, und den Fürstennahmen Wladimir erhielt, Konstantin legte bey dieser Gelegenheit in seinem Hofe zu Rostow eine neue steinerne Kirche zur heiligen Mutter Gottes an, mit welcher er die bey der Heilandskirche befindliche Schule verbinden wollte.

 

Um diese Zeit ließ Mstislaw Mstislawitsch von Nowgorod, den dasigen Poßadnik und verschiedene der vornehmsten Einwohner zu sich rufen, und machte ihnen bekant, daß er nach Halitsch zu gehen beschlossen habe, reisete auch kurze Zeit darauf würklich von Nowgorod ab, wo er indessen seine Gemahlin und seinen Sohn zurück ließ.

 

Die Nowgoroder begleiteten ihn zwar feyerlich auf den Weg, sandten aber gleich nach seiner Abreise ihren Poßadnik Jurii Iwanowitsch, den Tüsäzki Foma, und zehn vornehme Bojaren, zum Fürsten Konstantin Wsewolodowitsch

 

 

 

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von Rostow, und ließen um seinen Bruder Jaroslaw Wsewolodowitsch von Pereslawl und Twer bitten, wozu Konstantin seine Einwilligung gab, und Jaroslaw, der durch eine nach Pereslawl abgefertigte Gesandtschaft eingeladen wurde, sich gern bereden ließ.

 

Jaroslaw Wsewolodowitsch von Pereslawl, kam am 3ten May in Groß-Nowgorod an, und ward von dem dasigen Erzbischofe Anton und allem Volke mit dem heiligen Kreuze empfangen.

 

Jaroslaw verwies gleich im Anfange seiner Regierung den Poßadnik Jakun Subez und den Poßadnik von Torshok Foma Dobrünitsch, nach Twer, und machte sich hiedurch beym Volke verhaßt, worauf er sich selbst nach Torshok begab, alle nach Nowgorod reisende Kaufleute auffangen ließ, und der Stadt alle Zufuhr abschnit, welches bey der damaligen, durch Mißwachs veranlaßten Theurung, die Noth dergestalt vermehrete, daß ein Kad Roggen zehn Griwen, ein Kad Haber aber, drey Griwen galt, und viele Leute ihre Kinder für Getreide zur Arbeit verkauften. Auf diese Hungersnoth folgte die Pest, welcher zu entfliehen sich viele der reichsten Leute jenseit des Meeres zu den Warägern begaben.

 

Die Nowgoroder ließen dem Fürsten Jaroslaw Wsewolodowitsch Friedensvorschläge thun, und baten ihn einen Eid zu leisten: daß er inskünftige nach ihren alten Gesezen und Gebräuchen regieren wolle; Jaroslaw aber wollte sich

 

 

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keinesweges hiezu verstehen, und ließ die nowgorodschen Gesandten ins Gefängnis werfen.

 

Die Nowgoroder schickten in dieser Noth Gesandten an den Fürsten Mstislaw Mstislawitsch nach Toropez, und ließen ihn bitten, wiederum die Regierung ihres Landes zu übernehmen. Mstislaw Mstislawitsch wollte sich lange nicht dazu bequemen, sondern warf ihnen viel mehr ihre Unbeständigkeit und Untreue vor, ließ sich aber endlich doch durch anhaltendes inständiges Bitten, und einen von Seiten der Nowgoroder geleisteten schweren Eid zu ihrem Vortheile einnehmen. Er übergab seinem Bruder Wsewolod Toropez, reisete nach Nowgorod ab, nahm daselbst Jaroslaws Stathalter Chochat Grigoriewitsch, seinen Bojaren Jakow Stanislawitsch und alle seine Hofleute gefangen, nahm mit seinem Neffen Wladimir Rurikowitsch von Smolensk Abrede, und ließ in ihrer beiden Nahmen den Fürsten Jaroslaw Wsewolodowitsch andeuten: daß er Torshok und das ganze nowgorodsche Gebiet verlassen, und sich in seine eigene Besitzungen (nach Pereslawl) begeben, die gefangenen Nowgoroder in Freiheit sezen, und sie nicht zum Kriege gegen ihn nöthigen sollte. Mstislaw bat bey dieser Gelegenheit zugleich: daß Jaroslaw mit seiner Gemahlin, die Mstislaws Tochter war, anständig und ordentlich umgehen, oder wenn sie ihm nicht gefiele, sie lieber ohne Beleidigung, ihm ihrem Vater, zurück schicken möchte.

 

 

 

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Jaroslaw antwortete auf diese Vorstellung der Fürsten Mstislaw und Wladimir: „Nowgorod gehöre eben so wohl ihnen als ihm zu, und sey ihrer aller Erbe; die Nowgoroder hätten ihn anfangs selbst zu sich berufen, nachher aber beleidiget, er habe deshalb blos mit den Nowgorodern, und nichts mit den Fürsten zu thun“.

 

Im September dieses Jahres starb der Großfürst Wsewolod Swätoslawitsch, (Tschermnoi, oder der rothe genant) in Tschernigow, und hatte daselbst seinen Bruder Gleb Swätoslawitsch zum Nachfolger.

 

Um diese Zeit vermählte sich Wladimir Wsewolodowitsch von Perejasawl, Georgs Enkel, mit einer Tochter des Fürsten Gleb Swätoslawitsch von Tschernigow.

 

In diesem Jahre thaten die Polowzer einen Einfall ins perejaslawische Gebiet, und richteten nicht geringen Schaden an. Wladimir Wsewolodowitsch sezte ihnen bis zur Worskla nach, holte sie ein, schlug sie und machte viele Gefangene.

 

Bald darauf fiel wieder ein anderer Haufe Polowzer ins perejaslawische Gebiet ein, die Wladimir, durch den lezten Sieg aufgemuntert, bis zum Chorol verfolgte, und jenseit des Flußes angreifen wollte; die Polowzer kamen aber über den Fluß und lieferten ein Treffen, in welchem Wladimir selbst gefangen ward. Wladimirs

 

 

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Feldherr Peter, kam mit den übriggebliebenen Truppen in der Nacht nach Perejaslaw zurück, wo überall lautes Weinen und Klagen herschte; auch waren Wladimirs Brüder Konstantin und Jurii über diesen unglücklichen Vorfall sehr betrübt.

 

Im Jahre 1216, sandte Fürst Mstislaw Mstislawitsch von Nowgorod, zu den Fürsten Konstantin von Rostow und Jurii von Wladimir, um sich bey ihnen über ihren Bruder Jaroslaw Wsewolodowitsch von Pereslawl zu beschweren. Konstantin ließ seinen Bruder zur Befreyung der nowgorodschen und torshokschen Kaufleute, und zu seiner Rükkehr nach Pereslaw ermahnen, Jaroslaw aber wollte sich weder zu dem einen noch andern verstehen, und ward hierin von seinem Bruder Jurii Wsewolodowitsch bestärkt.

 

Als Mstislaw Mstislawitsch sahe, daß Jaroslaw durch keine gütliche Vorstellung zu bewegen sey, beschloß er in einer mit den Nowgorodern gehaltenen Berathschlagung, ihn durch Gewalt der Waffen zu zwingen, wozu sogleich Truppen ausgerüstet wurden. Mstislaw reisete unterdessen nach Smolensk, um den dasigen Fürsten Wladimir Rurikowitsch in sein Bündniß zu ziehen, kam von da wieder nach Nowgorod zu rück, und brach am 1sten März in Begleitung des Fürsten Wladimir Mstislawitsch, Romans Enkel, welcher die Pskower anführte, aus Nowgorod

 

 

 

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gegen Torshok auf. Die Fürsten kamen über den See Seliger an die Wolga, bemächtigten sich der Stadt Rschew, wo Jaroslaw einen Stathalter eingesezt hatte, und zogen hierauf, Mstislaw nemlich mit 5000 Mann und Wladimir mit 900 Pskowern, die Wolga herab, wider Jaroslaws Stathalter Jarun nach Subzob, wo Fürst Wladimir Rurikowitsch von Smolensk sich mit ihnen vereinigte. Sie machten hierauf beym Cholocholna Halt, und liessen Jaroslawen in Torshok Friedensvorschläge thun, welcher nicht nur ihre Vorschläge verwarf, sondern außer Torshok auch das ganze dazu gehörige Gebiet verlangte, und alle Zugänge zu diesem Ort durch Verhacke unwegsam machen ließ. Die Nowgoroder wollten demungeachtet gerade auf Torshok loßgehen, die Fürsten aber fanden für gut, diese Stadt vorbey gegen Twer vorzurücken, um dadurch Jaroslawen zur Verlassung des nowgorodschen und Vertheidigung seines eigenen Gebiets zu nöthigen. Sie kamen oberhalb Twer an die Wolga, und unterwarfen sich Jaroslaws eigene Besitzungen, worauf dieser Torshok einem seiner Feldherrn anvertraute, selbst mit einer auserlesenen Mannschaft nach Twer aufbrach, und eine Parthey junger Leute zur Auskundschaftung der Feinde voraus schickte, von welcher 30 Mann einer von Seiten der verbündeten Fürsten in gleicher Absicht abgeordneten Parthey in die Hände fielen. Als Mstislaw

 

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hiedurch erfuhr, daß Jaroslaw schon in Twer angekommen sey, schickte er nach genommener Abrede mit Wladimir Rurikowitsch, zum Fürsten Konstantin Wsewolodowitsch von Rostow, um selbigen zu einem gemeinschaftlichen Feldzuge gegen Pereslawl zu bewegen. Man ließ die Gesandten durch die Pskower unter Anführung des Fürsten Wladimir Mstislawitsch bis an die rostowsche Grenze begleiten, sezte den Zug an der Wolga fort, und bemächtigte sich unterweges der Städte Schoscha und Dubno, während daß Wladimir mit seinen Pskowern die Stadt Konstantinow und alles umliegende zu Jaroslaws Besitzungen gehörige Land, bis an die Mologa einnahm. Konstantin Wsewolodowitsch schickte unterdessen einen seiner Feldherrn, dem Fürsten Wladimir bis an die Grenze mit folgendem Auftrage entgegen: Er sey über seine Ankunft erfreut, wolle dem Bündnißse der Fürsten von Smolensk und Nowgorod gern beytreten, schicke ihnen zum Beweise dessen jezt fürs erste 500 Mann zu, und lasse die Fürsten ersuchen, seinen Schwager den Fürsten Wsewolod Mstislawitsch von Toropez zu ihm nach Rostow abzuschicken. Wladimir Rurikowitsch von Smolensk fertigte gedachten Fürsten sogleich nach Rostow ab, rückte nebst dem Fürsten Mstislaw von Nowgorod an der Wolga ins pereslawische Gebiet ein, und kam am 9ten April bey einer wüsten Stadt neben der Kirche zur heiligen Maria an, wo sich

 

 

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am folgenden Tage, als am ersten Osterfeste, auch Konstantin Wsewolodowitsch von Rostow mit seinem ganzen Heere einfand, von den Fürsten Wladimir von Smolensk und Mstislaw von Nowgorod mit vieler Achtung empfangen ward, und das mit selbigen geschlossene Bündniß eidlich bestätigte.

 

Die verbündeten Fürsten sezten hierauf ihren Zug gegen Pereslawl fort, und schickten den Fürsten Wladimir Mstislawitsch von Pskow, der gleichfals mit Konstantin verschwägert war, nach Rostow.

 

Jaroslaw Wsewolodowitsch von Pereslawl brach auf die Nachricht, daß die Smolensker, Nowgoroder und Pskower die Stadt Twer vor bey gezogen wären, mit allen seinen Truppen auf, um sich mit seinem Bruder Jurii Wsewolodowitsch von Wladimir an der Kläsma zu vereinigen, wohin sich auch Swätoslaw Wsewolodowitsch aus Pereslaw verfügte.

 

Konstantin Wsewolodowitsch ließ unterdessen seinen Bruder Jurii durch Gesandten unter allerhand vortheilhaften Vorschlägen ersuchen: er möchte, um die Ausbreitung des Krieges bis in seine Gränzen zu hindern, einen allgemeinen Frieden zu vermitteln suchen, Jurii aber verwarf nicht nur diesen Antrag, sondern ertheilte zugleich spöttisch zur Antwort: „er werde seine Gäste gern erwarten, und beym ersten Empfange sehr wohl bewirthen“.

 

 

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Sobald hierauf Jaroslaw selbst bey ihm ankam, nahm er mit ihm und seinen jüngern Brüdern Abrede, und rückte mit allen seinen Truppen, nebst den Muromern, Brodnizerrn, Gorodezern und andern, die zusammen ein ansehnliches Heer an Reuterey und Fußvolk ausmachten, bis zum Fluße Gsä vor. Bald darauf näherten sich auch die Fürsten Wladimir von Smolensk, Mstislaw von Nowgorod, und Konstantin von Rostow, von welchen die beiden erstern in der Nähe des feindlichen Heeres bey Jurjew stehen blieben, lezterer aber seine Stellung bey Lipiza nahm, und nach gehaltener Berathschlagung mit seinen Bundesgenossen, durch den Sotnik Larion, folgende Friedensvorschläge thun ließ: Erstens, Jurii soll seinem ältesten Bruder Konstantin und seinem Throne das Vorrecht des Alters zugestehen, Zweitens, Jaroslaw soll die gefangenen Nowgoroder und Torshoker in Freiheit sezen, und dadurch dem innerlichen Kriege und dem Blutvergiessen ein Ende machen.

 

Man sagt, daß Jurii die erstere Forderung völlig abgeschlagen, in Rücksicht der andern aber seinem Bruder Jaroslaw Recht gegeben habe.

 

Nach dem Empfange dieser Antwort ließ Mstislaw von Nowgorod seinen Eidam Jaroslaw nochmals in seinem eigenen Nahmen zur Freylassung der Nowgoroder und Schliessung eines besondern Friedens auffordern, Jaroslaw aber

 

 

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erwiederte: wenn Mstislaw in Nowgorod bleiben und ferner keine Ansprüche auf Torshok machen machen wolle, so wolle er von seiner Seite die Gefangenen in Freiheit sezen, zur Schadensersezung aber werde er sich keinesweges verstehen.

 

Nach diesem schickten die Fürsten Konstantin Wsewolodowitsch, Wladimir Rurikowitsch und Mstislaw Mstislawitsch nochmals jeder einen seiner Bojaren, als Gesandte mit folgender Vorstellung an die Fürsten Jurii Wsewolodowitsch, und Jaroslaw Wsewolodowitsch ab: „die Fürsten von denen, und an die wir abgesandt sind, sind alle von Wladimirs Stam; Konstantin, Wladimir, und Mstislaw sind nicht gekommen um jemanden sein Erbe zu nehmen, sondern sie verlangen blos, daß die Vorrechte des ältesten Bruders, so wie es die Religion und die rußischen Rechte erfordern, anerkant werden“. Jurii Wsewolodowitsch lud auf dieses Anbringen, seine Brüder und alle vornehme Bojaren zur Berathschlagung ein, und fragte sie was bey der gegenwärtigen Lage der Sachen zu thun sey. Viele der Anwesenden bestärkten die Fürsten Jurii und Jaroslaw in ihrem Verlangen nach Krieg, einer der ältesten Räthe aber, Andrei Stanislawitsch, der stillschweigend sizen blieb, gab auf Georgs Befragen warum er nicht rede, folgende Antwort. „Fürst! ich bin alt, und habe ein schwaches Gedächtnis, denke aber so bey mir selbst,

 

 

 

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wenn ihr siegt so werdet ihr davon keinen Nuzen haben und nur den Krieg verlängern, sollte aber das Treffen sich zu eurem Nachtheil endigen, so werdet ihr alles verliehren. Wäre es also nicht besser, deinem ältesten Bruder, das was ihm Gott und die rußischen Rechte verliehen haben, zu lassen, die Nowgoroder in Freiheit zu sezen, Frieden zu schliessen, und samt euern Unterthanen in Ruhe zu leben,“ Jurii gerieth über diese Rede sehr in Zorn, einige der übrigen Bojaren aber, die diese Rathschläge für weise erkanten, sagten zu ihm: „dieser Mann war schon bey deinem Vater gewohnt, was er dachte frey heraus zu sagen, wenn du ihn jezt übel behandelst, so wird inskünftige niemand das Herz haben, dir die Wahrheit zu sagen“. Die Schmeichler riethen indessen ihren Fürsten zum Kriege, und sagten: „Es ist von Alters her unter der Regierung der Fürsten eurer Vorfahren nie geschehen, daß jemand mit einer Armee ins susdalische Gebiet eingedrungen, und wohlbehalten zurück gekommen wäre“.

 

Jurii, dem wie die Geschichte meldet, dieser Einfall sehr gefiel, schickte also die Gesandten mit einer abschlägigen Antwort zurück, befahl allen seinen Truppen sich zum Streit zu rüsten, rückte am folgenden Morgen mit seiner ganzen Armee vor, und stellete seine Scharen auf folgende Weise in Schlachtordnung. Er selbst stand mit den Susdalern und Wladimirn auf

 

 

 

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dem Berge Wdowaja in der Mitte des Heeres, und hatte seinen Bruder Jaroslaw mit den Pereslawern zur Rechten, seine jüngern Brüder Swätoslaw von Jurjew und Johan von Starodub aber zur Linken.

 

Die Fürsten Konstantin, Wladimir und Mstislaw, standen mit ihrer Armee gerade über auf einem andern Berge Jurjewa genannt, so daß beide Heere nur durch einen zwischen diesen Bergen durchfließenden kleinen, aber schwer zu pasirenden Bach, Tugen genannt, getrennt waren. Fürst Jurii ließ überdies sein Lager von beiden Seiten gegen das Feld durch einen Wall und Flechtzaum befestigen, um gegen einen ungefähren Anfall sicher zu seyn, worauf beide Armeen sich gegenseitig den Uebergang über den Bach streitig machten, und gegeneinander Pfeile abschoßen.

 

Fürst Konstantin von Rostow wollte jezt seinen Bruder nochmals zum Frieden ermahnen lassen, die Fürsten Wladimir von Smolensk und Mstislaw von Nowgorod aber sagten: „wir haben schon dreymal zu ihm geschickt und nichts ausgerichtet, jezt ist keine Zeit zu verlieren; wir müssen auf Gott vertrauen und näher vorrücken“. Man stellte hierauf die Armee in Schlachtordnung: nemlich Wladimir Rurikowitsch mit den Smolenskern auf den linken Flügel, neben ihm Mstislaw Mstislawitsch mit den Nowgorodern und Mstislaw Mstislawitsch mit den Pskowern,

 

 

 

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in der Mitte, Konstantin Wsewolodowitsch mit den Rostowern und Beloserern gegen seine jüngern Brüder auf dem rechten Flügel, in welcher Ordnung man aufwärts am gedachten Bache fortzog, den Uebergang zu erzwingen suchte, und das Gefecht in der Nähe anfing. Es war damals ein heller und heißer Tag, und man hörte schon in allen Scharen die Trommeln schlagen und zum Streit blasen, als auf einmal ein schwarzes Gewölke mit heftigem Sturm, und Donner und Bliz entstand, so daß beyde Armeen in ihrer Stellung stehen bleiben mußten, und ob sie gleich die ganze Nacht durch in Schlachtordnung standen, vor den anhaltenden Sturme und Regen nicht zum Gefecht kommen konnten.

 

Konstantin versammelte unterdessen die Fürsten und Bojaren, und schlug ihnen vor, seinem Bruder nochmals Frieden anbieten zu lassen; da man aber überlegte, daß ein solcher Antrag nach so oft erhaltener abschlägigen Antwort, das Ansehen einer Bitte um Frieden haben möchte, und daß man jezt ohne sich selbst zu beschimpfen nicht wohl zurück gehen könne, so ward gemeinschaftlich beschlossen, unter einem andern Vorwande ins feindliche Lager zu schicken, und bey solcher Gelegenheit Georgs Gesinnungen erforschen zu lassen. Man schickte also zu ihm und ließ ihn auffordern: „Er sollte entweder von seiner Seite den Fürsten einen freyen Uebergang

 

 

 

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über den Fluß gestatten, oder selbst zu ihnen kommen, in welchem Fall sie sich gegen Lipizi zurück ziehen, und ihm den Uebergang keinesweges streitig machen wollten,“ wobey man zu gleich den Abgeordneten auftrug, wenn sich Gelegenheit fände, auch ein Wort vom Frieden zu reden.

 

Jurii antwortete auf diese ihm geschehene Vorschläge: „ich werde, ehe ich eine bequeme Gelegenheit finde, nicht zu ihnen kommen, noch sie zu mir kommen lassen, an den Frieden aber denke ich noch nicht,“ worauf er hämisch hinzufügte: „diese Fürsten haben einen so weiten Weg durch so viele Länder und Flüsse zurückgelegt, warum wollen sie denn nicht über diesen kleinen Bach gehen“.

 

Als die Abgeordneten am folgenden Morgen, am 19ten April, mit dieser Antwort zu ihrer Armee zurück kamen, fertigten die Fürsten gleich beym Anbruche des Tages eine Parthey der besten jungen Manschaft gegen die Schar des Fürsten Jaroslaw ab, welche das Gefecht unter anhaltendem Regen und starker Kälte bis zum Abende fortsezte.

 

Hierauf ward in einem beym Fürsten Konstantin von Rostow gehaltenen Kriegsrathe beschlossen, sich um den Tugen herum, gegen Wladimir an der Kläsma zu wenden; worauf die verbündete Armee sich sogleich vom Berge herab zog, die Truppen des Fürsten Georg aber gleichfalls

 

 

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die Höhen verliessen, und sich dem Feinde im Thale entgegen stellten.

 

Da nun um eben diese Zeit auch Fürst Wladimir von Pskow sich mit einigen Beloserischen und andern Truppen einfand, wurde sogleich ein allgemeiner Angriff beschlossen, und Anstalt zur Schlacht gemacht.

 

Konstantin ritt unter allen seinen Schaaren umher, ermahnte sie zur Tapferkeit und sprach unter andern zu ihnen: „wenn irgend einer der Fürsten meiner Brüder fallen, oder in eure Hände gerathen sollte, so wage es niemand, seine Hand gegen ihn aufzuheben; man schone seines Lebens und bringe ihn unbeschädiget zu mir“. Jezt ging zuerst der nowgorodsche Feldherr Iwan mit seinem Fußvolk, dann Fürst Wladimir Rurikowitsch mit den Smolenskern über den Graben. Iwan stürzte hiebey mit dem Pferde, die Nowgoroder aber liessen sich dadurch nicht aufhalten, sondern eilten ohne ihren Feldheren, mit ihren Streitärten und Dolchen in den Händen, gerade auf Jaroslaws Fußvolk zu, wurden aber, da sie einen steilen Berg zu ersteigen hatten, zum Rückzuge genöthiget, bis Wladimir Rurikowitsch mit den Smolenskern gleichfalls den Feind herzhaft angrif und Iwan sich bey seinen Truppen einfand, worauf er selbige wieder in Ordnung brachte, und von neuen in Jaroslaws und Georgs Scharen eindrang.

 

 

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Als Mstislaw von Nowgorod und Wladimir von Pskow ihr Fußvolk im Treffen sahen, brachen sie gleichfalls mit der Reuterey auf, Konstantin von Rostow aber grif die Scharen seiner jüngern Brüder an, und bemühte sich von seiner Seite, so wie sie von der ihrigen, sich durch Kriegserfahrenheit und Tapferkeit hervor zu thun und den Sieg zu erringen. Das Treffen währete einige Stunden lang auf derselben Stelle fort, und war so heftig, daß man vor dem Brechen der Lanzen, dem Trabe der Pferde, dem allgemeinen Geschrey und Geräusch, und dem Aechzen der Verwundeten, keine Stimme der Befehlshaber vernehmen, noch in dem dick aufsteigenden Staube etwas vor sich sehen konnte. Konstantin drang mitten in die Schar seiner jüngern Brüder und der Muromer ein, brachte sie zum Weichen und wandte sich gegen die Susdaler. Mstislaw von Nowgorod drang drey mal selbst mit seiner an einer schnur befestigten Streitaxt in der Hand, unter Georgs Truppen ein, wäre aber dabey bald selbst ums Leben gekommen. Ein wegen seiner großen Stärke berühmter Kriegsmann, Alexander Popowitsch, hieb mit seinem Schwerdte nach ihm, Mstislaw aber rief: ich bin Fürst Mstislaw. Alexander erwiederte: Fürst! es ist nicht deine Sache selbst zu fechten, sondern die Truppen anzuführen, und ließ ihn unbeschädigt gehen. Mstislaw stellte sich hierauf hinter seine Truppen, munterte sie wo es erforderlich war

 

 

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zum Streit auf, und hielt sie vom Weichen zurück.

 

Endlich wurden Georg und Jaroslaw überwunden, worauf ersterer mit seinen jüngern Brüdern nach Wladimir an der Käsma flüchtete. Das Treffen fing am 21sten April, Donnerstags in der zweiten Woche nach Ostern, frühe des Morgens an, und endigte sich Nachmittags.

 

Nach Endigung der Schlacht kamen Konstantin von Rostow, Wladimir von Smolensk, Mstislaw von Nowgorod, und die übrigen Fürsten zusammen, lobeten Gott für den ihnen verliehenen Sieg, und befahlen ungesäumt für die Verwundeten zu sorgen und die Todten zu begraben. Von Seiten Georgs und seiner Brüder waren in dieser schlacht 17250 Mann, von den Rostowern, Smolenskern, Nowgorodern und Pleskowern aber 2550 Mann geblieben.

 

Die Geschichtschreiber melden: daß Konstantin Wsewolodowitsch von Rostow, über den Verlust so vieler Leute sehr betrübt gewesen sey, die ungeachtet aller seiner zur Wiederherstellung des Friedens angewandten Mühe, dem Eigensinne und unbilligen Verlangen seiner Brüder aufgeopfert wurden.

 

Jurii Wsewolodowitsch wollte sich nach seiner Ankunft in Wladimir an der Kläsma zur Gegenwehr anschicken, konnte aber keine hinlängliche

 

 

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Anzahl Truppen zur Vertheidigung der Stadt zusammen bringen.

 

Jaroslaw Wsewolodowitsch flohe nach Pereslawl.

 

Konstantin Wsewolodowitsch brach am 22st. April mit den Fürsten Wladimir von Smolensk, Mstislaw von Nowgorod, und Wladimir von Pskow gegen Wladimir an der Kläsma auf, und umringte am 24sten die Stadt. In der folgenden Nacht brach in der Stadt Feuer aus, wobey die Nowgoroder sich zum Sturm anschickten, Konstantin aber hielt sie davon ab, und ließ seinen Bruder zur Verlassung der Stadt auffordern, wozu dieser sich drey Tage Bedenkzeit ausbat. Am 25sten April entstand wiederum ein Brand in der Stadt, bey welchem die Smolensker den Angrif thun wollten, aber von ihrem Fürsten Wladimir Rurikowitsch zurückgehalten wurden.

 

An eben diesem Tage ließ Jurii Wsewolodowitsch die Fürsten Wladimir Rurikowitsch und Mstislaw Mstislawitsch um ihre Fürsprache zur Erlangung eines freyen Abzuges bitten, und versprach in diesem Fall sich sogleich aus der Stadt zu begeben. Die Fürsten machten diesen Antrag dem Fürsten Konstantin Wsewolodowitsch von Rostow bekannt, welcher die Abgeordneten zu sich rufen ließ, und ihnen folgende Antwort gab: „Sagt meinem Bruder Georg: ich will nicht daß ein Haar von seinem Haupte falle; wenn

 

 

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er sich mit mir versöhnen, und Liebe und Freundschaft hegen will, so will ich ihm zuerst einen Eid leisten“.

 

Die Geschichte meldet: Georg sey beym Empfange dieser Antwort von Scham durchdrungen worden, weil er daraus die Herzensgüte und Liebe seines ältesten Bruders Konstantin ersehen habe.

 

Er kam am 26sten frühe mit seinen Brüdern Swätoslaw und Johann aus der Stadt, zum Fürsten Wladimir von Smolensk, wo er auch den Fürsten Mstislaw von Nowgorod fand, und bat beyde, ihm durch ihre Fürsprache irgend eine Besizung zu verschaffen. Diese ließen den Fürsten Konstantin von Rostow von der Ankunft und Bitte seines Bruders benachrichtigen, und erhielten von ihm zur Antwort: daß er die Bestimmung der künftigen Besizungen seines Bruders völlig auf ihr Gutbefinden ankommen lasse, und alles was sie festsezen würden, gern genehmigen wolle.

 

Wladimir Rurikowitsch von Smolensk und Mstislaw von Nowgorod, beschlossen hierauf daß Konstantin sowohl Rostow als Wladimir und alle dazu gehörige Städte und Länder haben, Georg aber, Radilow-Gorodez mit dem dazu gehörigen Gebiet an der Wolga erhalten sollte. sie liessen ihn den geschlosenen Friedensvertrag beschwören, und gaben ihm verschiedene Fahrzeuge und Kähne, auf welchen er mit seiner

 

 

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Gemahlin, seinen Kindern, und dem Bischofe Simon die Wolga herab fuhr.

 

Konstantin Wsewolodowitsch hielt hierauf seinen Einzug in Wladimir, und ward daselbst mit den gewöhnlichen Feyerlichkeiten empfangen. Er lud noch an demselben Tage alle Fürsten, Feldherren und Befehlshaber zu einem großen Gastmale ein, bewirthete und beschenkte sie reichlich, und ließ den schuldigen Wladimirern Verzeihung ankündigen.

 

Jaroslaw Wsewolodowitsch befestigte unterdessen Pereslawl, bis Konstantin Wsewolodowitsch mit Wladimir von Smolensk, Mstislaw von Nowgorod, und den übrigen Fürsten am 28sten April dahin aufbrach, da Jaroslaw sogleich seinem Bruder Friedensvorschläge thun ließ. Konstantin versicherte ihn von seiner Neigung zum Frieden, und kam am ersten May selbst bey Pereslawl an.

 

Jaroslaw kam hierauf am 3ten May, am Dienstage der vierten Woche nach Ostern, aus der Stadt, zu seinem Bruder, neigte sich ehrerbietig vor ihm, und bat um Verzeihung und Schuz, um nicht einer übeln Behandlung von Seiten seines Schwiegervaters ausgesezt zu seyn.

 

Konstantin Wsewolodowitsch ward durch diese Bitten seines Bruders gerührt und versicherte ihn: „wenn er sich inskünftige anständig und fürstlich betragen werde, so wolle er ihm nicht nur alle seine Besizungen lassen, sondern ihm auch

 

 

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als seinem Bruder mit Liebe und Achtung begegnen“. Jaroslaw versprach und schwor seinem ältesten Bruder Konstantin gehorsam zu seyn, beide Brüder umarmten sich mit Thränen, und gingen zusammen zum Fürsten Wladimir Rurikowitsch von Smolensk, wo sie den Fürsten Mstislaw Mstislawitsch von Nowgorod zu sich bitten liessen und zum Frieden bewogen. Jaroslaw entsagte allen Ansprüchen auf Torshok, und sezte die gefangenen Torshoker, Nowgoroder und Smolensker in Freyheit, Mstislaw aber verlangte zugleich seine Tochter zurück, und sprach zu Jaroslaw: „du bist nicht werth eine Fürstentochter zur Ehe zu haben, weil du dein bey der Vermählung in der Kirche geleistetes Versprechen vergessen, sie nicht als eine Frau, sondern als eine Magd gehalten, und so gar deinen Beyschläferinnen sie zu beschimpfen erlaubet hast“. Jaroslaw gab gezwungen seine Gemahlin ihrem Vater zurück, worauf ein allgemeiner Friede geschlossen ward, und alle Fürsten in ihre Besizungen zurück kehrten. *)

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*) Jaroslaw Wsewolodowitsch von Pereslawl hat drey Gemahlinnen gehabt:
1 Eine Tochter des Fürsten Boris von Polozk.
2 Eine Tochter des Fürsten Mstislaw von Nowgorod.
3 Eine Tochter des Fürsten Igor von Räsan.

 

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In diesem Jahre legte Konstantin Wsewolodowitsch in Rostow eine steinerne Kirche zur heiligen Erlösung an.

 

In diesem Jahre starb Fürst Roman Glebowitsch von Räsan, worauf Fürst Gleb Wladimirowitsch und sein Bruder Konstantin zu Ikadi eine Zusammenkunft veranstallteten, zu welcher sich außer ihrem leiblichen Bruder Isäslaw, auch folgende räsanischen Fürsten, als Kir Michail Wsewolodowitsch, die Swätoslawitschen Roman und Rostislaw, und die Igorewitschen Gleb und Roman einfanden. Alle diese Fürsten belustigten sich zusammen auf einem Gastmale, geriethen aber als sie recht vergnügt waren, in Uneinigkeit, Zank und Schlägerey, so daß sechs Fürsten erschlagen wurden, und nur Gleb Wladimirowitsch mit seinem Bruder Konstantin am Leben blieben, die bey diesem unglücklichen Vorfalle, die Vorwürfe und Rache des Fürsten Igor Igorewitsch und anderer fürchteten, und mit allen Ihrigen zu den Polowzern flohen. Dieses geschahe am 20sten Julius.

 

Mstislaw Mstislawitsch reisete bald nach seiner Rükkunft nach Nowgorod, zum Fürsten Mstislaw Romanowitsch von Kiew, um sich mit selbigem über die Befreyung der bedrängten Halitscher zu berathschlagen, während dessen er seine Gemahlin und seinen Sohn Waßilei in Nowgorod ließ.

 

 

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Im Jahre 1217, ließ Konstantin Wsewolodowitsch von Rostow seinen Bruder Jurii Wsewolodowitsch mit seiner Gemahlin aus Gorodez zu sich einladen, und schloß mit ihm folgenden Vertrag: Jurii Wsewolodowitsch soll sogleich Susdal, und nach Konstantins Tode auch Wladimir an der Kläsma haben, welches aber nach Georgs Tode Konstantins ältestem Sohne zufallen soll.

 

Mstislaw Mstislawitsch von Nowgorod vereinigte sich nach seiner Ankunft in Kiew, mit dem Fürsten Mstislaw Romanawitsch, einen Gesandten nach Halitsch zu schicken, um dem ungarischen Prinzen Koloman vorzustellen: daß er die Halitscher in ihrer Religion ungekränkt lassen, die Geistlichen von der römischen Confeßion aus dem Lande verweisen, und selbst nach seinem Versprechen die griechisch-rußische Religion annehmen möchte. Sie befahlen hiebey dem Gesandten, wenn Koloman auf diese Vorstellung nicht achten sollte, ihm weiter zu melden: „die rußischen Fürsten würden nicht zugeben, das er sein gegebenes Wort breche, und ihre Glaubensgenossen kränke“. Koloman schlug die Aufforderung zur Annahme der griechischen Religion gänzlich ab, und erklärte die vorgegebene Verfolgung der Halitscher für bloße Verläumdung. Der Gesandte überwieß zwar die Ungarn, daß sie einen rußischen Bischof vertrieben und verschiedene Kirchen weggenommen hätten, mußte aber ohne erhaltene Genugthuung

 

 

 

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nach Kiew zurück kehren, von da sich Mstislaw Mstislawitsch wiederum nach Nowgorod begab.

 

In eben diesem Jahre kamen die Deutschen in die Länder der Tschuden, und bewogen die Tschuden und Litauer zu Einfällen ins Nowgorodische und Pskowische Gebiet. Die Litauer zeigten sich an der Schelona, da aber Fürst Wladimir Mstislawitsch um eben diese Zeit in seinen eigenen Geschäften nach Nowgorod kam, und mit den nowgorodischen Truppen gegen sie aufbrach, flohen sie eiligst in ihre Gegenden zurück.

 

Nach diesem schickten die Nowgoroder den Fürsten Wladimir Mstislawitsch mit einem Heere nach Liefland gegen die Stadt Medweshaja-Golowa, wo ihn die Liefländer um einigen Aufschub zur Eintreibung des schuldigen Tributs ersuchen liessen.

 

Wladimir erfuhr indessen, daß eine aus Deutschen und Liefländern bestehende Armee gegen ihn im Anzuge sey, und zog selbiger entgegen; er besiegte die Liwen, Tschuden und Deutschen, und kam bald darauf nach Nowgorod zurück, wo eben damals Mstislaw Mstislawitsch wiederum aus Kiew angelanget war.

 

Um diese Zeit war im polozkischen Gebiet folgende Begebenheit vorgefallen. Fürst Boris Davidowitsch von Polozk, war nach dem Bericht der Geschichte ein guter, sanftmüthiger, aber

 

 

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sehr schwacher Mann. Er hatte sich zur zweyten Ehe mit Swätochna, einer Tochter des Fürsten Kasimir von Pommern vermählt, die er ihres Verstandes und ihrer Schönheit wegen sehr liebte. Diese Prinzeßin, war mit vielen pommerschen Edelleuten und Bedienten in Polozk angekommen, hatte daselbst der römischen Religion entsagt, den grichisch- rußischen Glauben angenommen, und hierauf einen Sohn gebohren, welcher von seinem Vater Wladimir, von der Mutter aber Woizech genannt ward.

 

Fürst Boris hatte von seiner ersten Gemahlin zwey Söhne, Waßilko und Wetscheslaw, welcher leztere gewöhnlich Wätschko genannt wurde. Beyde waren in Polozk allgemein beliebt, ihre Hofleute aber lebten mit den Pommern in beständigem Streit, weil nemlich die Polozker und Pommern einander beneideten.

 

Die Pommern waren insgesamt der römischen Religion zugethan, und durch ihre Sitten, Erziehung und Gebräuche sehr von den Polozkern verschieden, die Söhne des Fürsten Boris aber und dessen Gemahlin, mischten sich jeder von seiner Seite in die Mißhelligkeiten und Streitigkeiten, der Ihrigen. Fürst Boris dem dieses sehr verdroß, rechtfertigte bald seine Söhne, bald seine Gemahlin, und lebte zwischen ihnen in beständiger Unruhe.

 

Nach diesem fanden sich Leute die den Fürsten Waßilko und Wetscheslaw den Rath ertheileten, von ihrem Vater ein abgetheiltes Gebiet

 

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zu erbitten, um daselbst für sich in Ruhe zu leben. Waßilko und Wetscheslaw überlegten dieses mit ihren Räthen, von welchen einige ihnen dieses andere jenes riethen, bis sich die Fürsten selbst entschloßen ihren Vater um das dwinische Gebiet zu bitten.

 

Der Vater willigte zwar nicht sogleich in die Bitte seiner Söhne, gab aber endlich seine Einwilligung, bey welcher Gelegenheit die Prinzen sowohl von ihm selbst, als von ihrer Stiefmutter reichlich beschenkt wurden.

 

Waßilko und Wetscheslaw wurden bey ihrer Ankunft an der Dwina mit Freuden empfangen, und lezterer reisete gleich darauf nach Pskow, um daselbst gegen die Litauer Hülfe zu suchen. Einige Zeit nachher blieb Wetscheslaw in einem Treffen gegen die Liefländischen Ritter. Die Unordnungen und Streitigkeiten aber zwischen den Polozkern und Pommern in Polozk brachen endlich in Thätlichkeiten und Schlägereyen aus, an welchen auch das Volk Antheil nahm, so das von beyden Seiten viele Bojaren und die Fürstin Swätochna selbst das Leben inbüßten.

 

Im Jahre 1218 kam Fürst Wladimir Wsewolodowitsch von Perejaslaw, aus seiner Gefangenschaft bey den Polowzern, zu seinen Brüdern zurück.

 

 

 

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In eben diesem Jahre legte Konstantin Wsewolodowitsch von Rostow, am 6ten May, in Wladimir auf dem Markte eine steinerne Kirche zur Kreuzeserhöhung an.

 

Im Anfange des Winters fiel Konstantin Wsewolodowitsch in eine schwere Krankheit, und ließ alle Bojaren und die angesehensten Einwohner aus Rostow, Jaroslawl, Belosero und den übrigen Städten zu sich berufen, die er, nebst seinen beyden noch minderjährigen Söhnen Wassilei und Wsewolod vor sich kommen ließ, und ungefähr folgendermaßen anredete: „Er habe hinlänglich erkannt, daß alles in der Welt eitel und vergänglich sey. Die Fürsten wären zwar unter den Menschen hoch erhoben, auch bildeten sich viele derselben ein, daß ihre Länder ihnen blos zu ihrem eigenen Vortheile und ihrem Vergnügen anvertraut wären, weshalb sie sich der Rechtspflege und Landesregierung, zu deren Besorgung sie bestimmt wären, weder annehmen noch sich ernstlich damit beschäftigen wollten; nach seiner Meynung aber sey das Leben eines Fürsten die beschwerlichste aller Bestimmungen. Ein Fürst müsse nemlich nicht nur blos für sich, sondern auch stündlich für alle und jede besorgt seyn: strafen, beßern, ermahnen, jeden zu seiner Pflicht anhalten, Recht und Gerechtigkeit handhaben, Hülflose unterstüzen, und die Kriegsleute in guter Ordnung erhalten; bey welchen schweren Geschäften, seine Handlungen sehr oft von

 

 

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unwissenden Leuten, die das gute nicht erkennen, oder für schädlich halten, oder auch unmögliche, oder jeder nach seinen Einsichten und Absichten unbillige Dinge verlangen, getadelt und übelgedeutet würden. Er habe alles dieses jederzeit mit Geduld ertragen, da er bey sich selbst überzeugt gewesen sey, daß er nach den Gesezen und nach seinem besten Wissen verfahre. Er habe wider seinen Willen mit seinen Brüdern Krieg führen müssen, habe sie aber nachher, zur Beförderung der allgemeinen Ruhe, so gut als ihm immer möglich gewesen versorgt. Da er nun jezt diese Welt verlassen müsse, so übergebe er seine jungen Kinder zuerst Gott dem Herrn, dann seinem Bruder dem Fürsten Jurii Wsewolodowitsch, und bitte selbigen, sie zu allem Guten anzuführen, und vom Bösen, besonders vom Zorn, Stolz, Geiz und andern Lastern abzuhalten“.

 

Er ertheilte hierauf seinem Sohne Waßilei Konstantinowitsch, Rostow, Kostroma, und das nördliche Halitsch, seinem Sohne Wsewolod Konstantinowitsch, Jaroslaw und Uglitsche-Pole; seinem jüngsten Sohne Wladimir aber, welchen seine Amme auf den Armen trug, sollte man, wenn er zu reifem Alter gelangen würde, die Stadt Belo-Osero geben.

 

Die Großen und Bojaren konnten vor Thränen und Wehklagen ihrem Fürsten kein Wort erwiedern, weil sie ihn alle aufrichtig liebten,

 

 

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und ihn als ihren Vater, so wie die Geistlichen als ein Mußter der Gottesfurcht, die Armen als ihren Versorger, und alle insgesammt als einen billigen und unpartheyischen Richter verehrten.

 

Er sprach so lange er lebte mit allen die sich ihm näherten freundlich, tröstete die Betrübten, zeigte den Irrenden den rechten Weg, unterrichtete die Unwissenden im Geseze Gottes, bewies sich gegen jederman mildthätig, beleidigte niemand mit Worten, und freuete sich wenn er eine Gelegenheit fand jemanden Gutes zu thun; weshalb er auch den Beynahmen der Weise erhielt.

 

Er vertheilte kurz vor seinem Ende sein bewegliches Vermögen unter seine Kinder, sein Haus und seine Bibliothek aber hinterließ er der Schule.

 

So starb der Großfürst Konstantin Wsewolodowitsch von Rostow, am 2ten Februar, an einem Freytage, nachdem er nach seines Vaters Tode fünf Jahr regiert, und sein Alter überhaupt auf 32 Jahre gebracht hatte. Konstantin Wsewolodowitsch las nach dem Bericht verschiedener Schriftsteller fleißig in Büchern, war in verschiedenen Künsten und Wissenschaften erfahren, hatte viele gelehrte Männer um sich, kaufte viele alte griechische Werke um einen hohen Preis, und ließ selbige in die rußische Sprache übersetzen: er sammelte die Lebensbeschreibungen

 

 

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der Fürsten seiner Vorfahren und schrieb selbst und in Gemeinschaft mit andern an einer Geschichte derselben. seine griechische Büchersammlung allein, soll aus mehr als 1000 Werken bestanden haben.

 

Seine Gemahlin die Fürstin Agafia Mstislawischna, begab sich, nachdem sie seinen Leichnam zur Erde begleitet hatte, ohne nach ihrem Hause zurück zu kehren, ins Kloster zur Entschlafung der heiligen Mutter Gottes, und ließ sich daselbst zur Nonne einkleiden.

 

Konstantin Wsewolodowitsch hatte seinen Bruder Jurii Wsewolodowitsch zum Nachfolger, der seine Neffen, Konstantins Kinder Waßilei, Wsewolod, und Wladimir, anfangs ein halbes Jahr lang in seinem Hause als seine eigene Kinder hielt, und mit väterlicher Liebe versorgte, hierauf aber durch seinen Sohn und verschiedene Bojaren nach Rostow begleiten ließ, und nicht nur sehr oft einige seiner Bojaren zur Aufsicht über ihren Unterricht und Unterhalt dahin abfertigte, sondern auch jederzeit selbst für sie besorgt und bemüht war.

 

Am 3ten März dieses Jahres starb in Turow Rostislaw Rurikowitsch, des Großfürsten Rurik Rostislawitsch Sohn, und Eidam des Großfürsten Wsewolod Jurjewitsch. In eben diesem Jahre starb, am 12ten December, Konstantin Davidowitsch, des Fürsten Rostislaw Mstislawitsch Enkel.

 

 

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Im Jahre 1219, ließ Mstislaw Mstislawitsch seinen Sohn Swätoslaw in Nowgorod, und unternahm in Vereinigung mit seinem Neffen Wladimir Rurikowitsch von Smolensk und dem Fürsten Waßilko Borißowitsch von Polozk, einen Feldzug nach Halitsch.

 

Als die Fürsten Wladimir Rurikowitsch und Mstislaw Mstislawitsch sich der Stadt Halitsch näherten, rückte Prinz Koloman mit seiner ganzen Armee gegen sie aus, und lieferte ihnen ein Treffen, welches bis spät in die Nacht währete, und sich damit endigte, daß Koloman anfangs nach Halitsch, und von da mit allen den seinen nach Ungarn zurück kehrte.

 

Mstislaw Mstislawitsch hielt seinen Einzug in Halitsch, und ward von der dasigen Geistlichkeit mit einer goldenen Krone gekrönt, während daß Wladimir Rurikowitsch von Smolensk und Waßilko Borißowitsch von Polozk, das halitschische Gebiet besezt hielten.

 

Nach Verlauf dreyer Monathe fertigte der König von Ungarn den Prinzen Koloman wiederum mit einem ungarischen Heere ab, welcher unterweges einige polnische Hülfsvölker an sich zog, und sich der Stadt Halitsch näherte.

 

Mstislaw Mstislawitsch sahe sich zum Wiederstande zu schwach, verließ Halitsch, und verfügte sich zum Fürsten Wladimir Rurikowitsch, mit welchem er sich nach Smolensk begab.

 

 

 

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Prinz Koloman zog hierauf wieder in Halitsch ein, und hielt die Einwohner härter als vorher.

 

Um diese Zeit zogen die Bolgaren mit einer Armee die Kama herauf gegen die Jugren, und lieferten selbigen ein Treffen, während dessen sie sich durch List einer der feindlichen Städte bemächtigten.

 

Um eben diese Zeit fielen die räsanischen Fürsten Gleb und Wladimir mit einigen in Sold genommenen Polowzern, ins räsanische ein, Fürst Jurii Igorewitsch aber brachte eiligst einige Truppen zusammen und sezte ihnen mit seinen Brüdern bis zur Prona nach, wo er sie besiegte, und wiederum zu den Polowzern zu fliehen zwang.

 

In diesem Jahre ward dem Fürsten Jaroslaw Wsewolodowitsch von Pereslaw ein Sohn gebohren, welchen man nach seinem Vater Feodor nannte.

 

Mstislaw Mstislawitsch von Nowgorod ließ nach seiner Ankunft in Kiew seinen ältesten Sohn Swätoslaw zu sich rufen, und sandte an dessen Stelle seinen jüngsten Sohn Wsewolod nach Nowgorod.

 

Um diese Zeit schickten die Deutschen aus Liefland Gesandten mit Friedensvorschlägen nach Nowgorod, und baten um Befreyung ihrer Gefangenen, unter welchen sich auch der Bruder ihres Bischofs, ein Graf von Lauenburg, befand.

 

 

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Diese Gesandten nannten sich Knechte Gottes und freye Ritter. Die Nowgoroder verlangten von ihnen den Tribut, wie er vorher bezahlt worden war, sie wandten aber dagegen ein, daß sie selbst Liefland durch Krieg gewonnen hätten, worauf die Nowgoroder ihnen alles abschlugen, und sich zum Kriege gegen Liefland zu rüsten anfingen; die Ritter aber kamen ihnen zuvor, und brachten alle Ehsten unter ihre Bothmäßigkeit.

 

Im Jahre 1220, schickte der Großfürst Jurii Wsewolodowitsch seinen Bruder Swätoslaw mit allen seinen Truppen gegen die Bolgaren, welchem Jaroslaw Wsewolodowitsch von Pereslaw einen seiner Feldherren, Waßilko Konstantinowitsch von Rostow gleichfalls seinen Feldherrn mit den Rostowern und Ustiug-Shelesopolern, Fürst David von Murom aber seinen Sohn Swätoslaw und seinen Neffen Olg Jurjewitsch, zu Hülfe schickte.

 

Die ganze Armee versammelten sich an der Wolga bey der Mündung der Oka, zog auf Fahrzeugen und Kähnen herab, und kam verschiedene kleine Städte vorbey, bis in die Gegend der damals sieben Werste unterhalb der Kama liegenden Stadt Aschla, wo sie ans Land stieg, und daselbst einen bolgarischen Fürsten mit einem großen Heere vor sich fand.

 

 

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Swätoslaw ließ eine Schar zur Bedeckung der Kähne zurück, stellete seine Truppen in Schlachtordnung, so daß die Rostower auf dem rechten, die Ustiuger und Pereslawer auf dem linken Flügel, die Muromer und Wladimirer aber unter Swätoslaws eigener Anführung in der Mitten zu stehen kamen, und zog das hohe waldigte Ufer heran, wo er im freyen Felde eine überlegene bolgarische Macht, an Reuterey und Fußvolk antraf, und schleunig angrif. Die Bolgaren schoßen nur einmal ihre Pfeile ab, und flohen in die Stadt, welche auf Swätoslaws Befehl unverzüglich umringt und angegriffen ward, wobey die Bolgaren sich theils zu Fuß hinter ihren Verschanzungen wehreten, theils zu Pferde auf dem Wall herum ritten, und durch das Pfahlwerk Pfeile abschoßen. Swätoslaw bemerkte, das er schwerlich an der gewählten Stelle durchdringen würde, und befahl die Stadt an dreyen Orten zu stürmen, worauf er das Fußvolk mit Streitaxten und Feuer vorausschickte, die Schüzen und Lanzenträger mit Pfeilen und Selbstgeschoßen, welche Steine und Feuer warfen, folgen ließ, und das Treffen mit großer Heftigkeit so lange fortsezte, bis die Pfähle an zweyen Orten durchgehauen und der Wall durchgraben und erstiegen ward. Swätoslaw und die übrigen Fürsten ritten unter den Truppen umher, munterten sie zum Streit auf und behaupteten die eroberten Stellen.

 

 

 

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Da man aber der Hize und des Rauchs wegen nicht weiter vorrücken konte, führten sie die Truppen unter den Wind, an den Ort wo der Fürst von Murom den Angrif that, bemächtigte sich gemeinschaftlich des dasigen Thors, ließen das Pfahlwerk abhauen, den Wall durchbrechen, die hölzerne Wand verbrennen, und drangen bis mitten in die Stadt ein. Dieses geschahe am 15ten Junius. Der bolgarische Fürst sahe, daß er zum Wiederstande zu schwach sey, und verließ mit seinen Truppen die Stadt; Swätoslaw bemächtigte sich derselben und kehrte die Wolga aufwärts zurück, weil viele der Seinen verwundet waren.

 

Die Bolgaren näherten sich auf diese Nachricht in großer Anzahl den rußischen Fahrzeugen, Swätoslaw Wsewolodowitsch aber schickte sich sogleich zum Treffen an, und bewog sie dadurch zum Rückzuge. Er kam die bolgarischen Fahrzeuge vorbey, zur Mündung der Kama, sezte als er sich vor den Bolgaren sicher sahe, seinen Zug auf der Wolga fort, und kam glücklich bey Wladimir an der Kläsma an, wo ihn sein Bruder der Großfürst Jurii Wsewolodowitsch, mit vielen seiner Bojaren, nahe vor der Stadt, bey Bogeljubsk empfing, ihn sowohl als die muromischen Fürsten, die Feldherren und alles Kriegsvolk lobte und ehrte, und nach dreytägiger festlicher Bewirthung jeden in seine Wohnung entließ.

 

 

 

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Swätoslaw Wsewolodowitsch legte nach seiner Rükkunft in seine Stadt Jurjew, eine steinerne Kirche zum heiligen Georg an.

 

Jurii Wsewolodowitsch beschloß hierauf im folgenden Frühlinge in eigener Person gegen die Bolgaren zu Felde zu ziehen, es fanden sich aber unterdessen bolgarische Gesandten mit Friedensvorschlägen ein. Jurii verlangte von ihnen einen jährlichen Tribut, die Bolgaren aber wollten sich keinesweges dazu verstehen, und kehrten unverrichter Sachen zurück.

 

Jurii Wsewolodowitsch, schickte hierauf, sobald das Eis aufgebrochen war, den Fürsten Waßilei Konstantinowitsch mit den Rostowern nach Gorodez, und rückte selbst gegen die Oka vor, wo sich wiederum bolgarische Gesandten mit den nemlichen Friedensvorschlägen einfanden, und von ihm die nemliche Antwort erhielten. Er vereinigte sich hierauf mit dem Fürsten Waßilii Konstantinowitsch bey Gorodez, und schickte sich zum weitern Zuge an, als die bolgarischen Gesandten zum drittenmale erschienen, und viele kostbare Geschenke mitbrachten.

 

Jurii Wsewolodowitsch schloß jezt auf die vorher mit seinem Vater eingegangene Bedingungen Frieden, ließ selbigen durch die Gesandten beschwören, schickte von seiner Seite Gesandte zu den Bolgaren, um ihre Fürsten den Frieden

 

 

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beschwören zu lassen, und kehrte selbst nach Wladimir an der Kläsma zurück.

 

In eben diesem Jahre zog der Großfürst Mstislaw Romanowitsch von Kiew mit seinem Neffen Mstislaw Mstislawitsch von Nowgorod und einigen andern Fürsten gegen Halitsch; da man aber den Prinzen von Ungarn in gutem Vertheidigungsstande antraf, und sich der Stadt selbst nicht ohne große Mühe bemächtigen konnte, vertheilten sich die Fürsten ins platte Land, nahmen daselbst viele Leute, besonders viele Ungarn gefangen, und kehrten mit dieser Beute in ihre Besizungen zurück.

 

Um eben diese Zeit zogen die Nowgoroder unter ihrem Fürsten Wsewolod Mstislawitsch nach Liefland gegen Pertow, und schickten einige streifende Partheyen vor sich her. Die deutschen Ritter kamen ihnen mit einem, aus Litauern und Liwen bestehenden, Heere entgegen, und hatten mit ihren streifenden Partheyen verschiedene Gefechte, bis die nowgorodsche Hauptarmee an kam und den Sieg erkämpfte, worauf die Rußen sich der Stadt bemächtigten, den Tribut des Landes eintrieben, und mit vielen Gefangenen zu rückkehrten.

 

Im Jahre 1221, am 20sten Januar, starb die Großtfürstin Agafia Mstislawischna, Wittwe des Großfürsten Konstantin Wsewolodowitsch, in ihrem Kloster, und ward in Rostow in der Kirche zur heiligen Mutter Gottes begraben.

 

 

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Wsewolod Mstislawitsch reisete um diese Zeit aus Nowgorod nach Smolensk zu seinem Vater, welcher eben von seinem Feldzuge gegen Halitsch zurück gekommen war, und kehrte bald darauf über Torshok nach Nowgorod zurück, wo er gleich nach seiner Ankunft über den Poßadnik Twerdislaw Gericht halten ließ. Man läutete auf seinen Befehl auf Jaroslaws Hofe zur Versammlung des Volks, welches bewafnet aus allen fünf Theilen der Stadt, nemlich dem Kaufmanns-Theile, dem Zimmermans-Theile, dem Volks-Theile, dem slawischen-Theile, und dem Deutschen-Stadttheile, jedes Theil von seinen Bojaren und seinem Kriegsvolk begleitet, zusammen kam, den Poßadnik Twerdislaw, seiner Krankheit wegen, auf einem Schlitten vorführen ließ, und ihn unter großem Lerm und Geschrey, theils rechtfertigte, theils schuldig erklärte. Als Fürst Wsewolod Mstislawitsch sahe, daß die Parthey derer die den Poßadnik vertheidigte die größte sey, ließ er ihn in der Versamlung des Volks in Freyheit sezen, und machte damit der gerichtlichen Untersuchung ein Ende.

 

Am 7ten September, ward in Räsan eine steinerne Kirche im Kloster zur Geburt der heiligen Mutter Gottes eingeweiht.

 

Um eben diese Zeit kam der räsansche Fürst Gleb zum zweitenmale mit einem Haufen Polowzer vor Räsan, Igor Igorewitsch aber zog

 

 

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ihm aus der Stadt entgegen, und zwang ihn die Flucht zu ergreifen.

 

Im Jahre 1222, am 30sten May, ward dem Fürsten Jaroslaw Wsewolodowitsch von Pereslaw ein Sohn gebohren, der in der heiligen Taufe den Namen Alexander erhielt.

 

In eben diesem Jahre schickten die Nowgoroder den Erzbischof Mitrofan, und den Poßadnik Iwanko, zum Fürsten Jurii Wsewolodowitsch nach Wladimir an der Kläsma, und ließen ihm anstat des Fürsten Wsewolod Mstislawitsch, den sie ihre Stadt zu verlassen gezwungen hatten, um einen seiner Söhne ersuchen.

 

Jurii Wsewolodowitsch schickte ihnen seinen Sohn Wsewolod Jurjewitsch zu, der gleich nach seiner Ankunft einen Feldzug gegen Keßi in Liefland unternahm, in welchem die Liefländer und die ihnen zu Hülfe gekommenen Litauer, von den Nowgorodern geschlagen wurden.

 

Um diese Zeit schickten die von den Ungarn in ihrer Religion gekränkte Halitscher, zwey ihrer ansehnlichsten Männer zum Großfürsten Mstislaw Romanowitsch, und beschwerten sich bey ihm: daß Koloman seinem eidlichen Versprechen zuwider die griechische Religion verachte, die Haupt-Kirche der Stadt den Lateinern eingeräumt, und viele Bojaren und Kaufleute zur Annahme der römischen Religion gezwungen habe. Der Großfürst berief alle Fürsten zur Berathschlagung nach Kiew, machte ihnen die aus

 

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Halitsch erhaltene Nachrichten bekannt, und er suchte sie um Rath und Hülfe. Die Fürsten beschloßen nach reiflicher Ueberlegung einstimmig, einen Feldzug nach Halitsch zu thun, dieses Land aus seiner Bedrängnis zu reißen, und entweder einen rußischen Fürsten auf den halitschischen Thron zu sezen, oder den Prinzen Koloman zur Erfüllung seines Versprechens zu zwingen, wozu man sich sogleich durch Ausrüstung eines ansehnlichen Heeres anschickte.

 

Mstislaw Romanowitsch fertigte indessen eine Gesandtschaft nach Halitsch ab, und gab selbiger den Auftrag: den Prinzen Koloman zuerst zur Erfüllung seines Versprechens, zur Zurückgabe der den griechischen Glaubensgenoßen entrissenen Kirchen und zur Vertreibung der römischen Priester aus Halitsch aufzufordern, wenn er aber sich dazu nicht verstehen würde, ihm den Friedenstraktat zurückzugeben, und ihm den Krieg anzukündigen.

 

Koloman schickte gleich nach der Ankunft dieser Gesandtschaft einige seiner Leute nach Ungarn und Polen, um seinen Vater und den Fürsten Leschko um Hülfe zu bitten, welcher leztere sich unverzüglich selbst mit vielem Volke einfand. Der Großfürst Mstislaw Romanowitsch von Kiew brach auf diese Nachricht mit 50000 Mann und 2500 in Sold genommenen Polowzern nach Peresopniza auf, woselbst sich folgende Fürsten mit ihm vereinigten: Wladimir Rurikowitsch von

 

 

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Smolensk, Rostislaw Davidowitsch aus Owrutsch, Mstislaw Mstislawitsch und Rostislaw Mstislawitsch mit den turowschen und luzkischen Truppen, Jaroslaw Mstislawitsch von Perejaslaw, Mstislaw Swätoslawitsch von Tschernigow, Daniel Romanowitsch von Wladimir in Wolhynien, und andere, so daß überhaupt 17 Fürsten zusammen kamen. Man sezte hierauf den Zug in folgender Ordnung fort: Fürst Mstislaw Mstislawitsch war mit seinem Bruder, einigen andern Fürsten, und einem Haufen Polowzer im Vortrabe, die Fürsten Wladimir Rurikowitsch und Rostislaw Davidowitsch zogen auf dem rechten, und Mstislaw Swätoslawitsch von Tschernigow mit seinen Brüdern auf den linken Flügel, der Großfürst Mstislaw Romanowitsch aber befand sich mit seinen eigenen Truppen und allen übrigen Polowzern in der Mitte des Heeres. Man kam in dieser Ordnung bis zum Süret und traf daselbst einen ungarischen Vorposten an, welcher von den Fürsten Mstislaw Mstislawitsch und Rostislaw Davidowitsch angegriffen, geschlagen, und mit Hinterlassung vieler Gefangenen die Flucht zu nehmen gezwungen ward.

 

Der Großfürst schickte die Gefangene nach Luzk, ließ das Gepäcke in Terebowl, wo man die ungarische Besazung der Stadt auf ihrer Flucht aufgefangen hatte, und rückte die ganze Nacht durch weiter vor, um sich unversehens der vor dem Lager der Ungarn und Polen liegenden Anhöhen

 

 

 

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zu bemächtigen, neben welchen große Moräste befindlich waren.

 

Mstislaw Romanowitsch berief hierauf nach dem Berichte der Geschichte alle Fürsten und Feldherren zusammen, und änderte mit selbigen die bisherige Stellung der Truppen, so daß Mstislaw Swätoslawitsch von Tschernigow, auf dem rechten Flügel, Mstislaw Mstislawitsch und sein Bruder Rostislaw Mstislawitsch, auf dem linken Flügel, Wladimir Rurikowitsch mit verschiedenen kleinen Fürsten im Vortreffen, der Großfürst selbst aber in der Mitte des Heeres zu stehen kam, in welcher Ordnung man mit Tages Anbruche der feindlichen Armee nahe kam. Die Ungarn erschienen in ihren Harnischen wie Eis an der Sonne glänzend, Fürst Leschko stand mit allen polnischen Truppen auf dem rechten Flüge, der König selbst mit den Ungarn in der Mitte des Heeres und der ungarische Feldherr Bator mit den Halitschern auf dem linken Flügel. Die Polen griffen zuerst die Mstislawitschen an, und hätten sie beynahe zum Weichen gebracht, die Polowzer aber kamen ihnen zu rechter Zeit zu Hülfe, und trieben die Feinde zurück. Um eben diese Zeit fing auch das Haupttreffen zwischen dem Großfürsten Mstislaw Romanowitsch und den Ungarn an, welches von beiden Seiten mit großer Heftigkeit fortgesezt ward. Mstislaw Mstislawitsch bat seinen Bruder Rostislaw die Polen aufzuhalten, begab sich

 

 

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selbst zu den Polowzern, die wegen des engen Raums ihre Stellung hinterwärts genommen hatten, führte 2000 Polowzer und einen kleinen aber auserlesenen Theil seiner eigenen Leute, durch einen Graben um die polnische Armee herum, und grif dieselbe unvermuthet im Rücken an. Die Polen glaubten, daß sie aus dem Walde von einer starken Macht angegriffen wurden, und wandten sich insgesamt gegen Mstislaw, Rostislaw aber der dieses bemerkte, drang mit allen seinen Truppen vor, und brachte sie durch einen heftigen Angrif zum Weichen. Man erbeutete bey dieser Gelegenheit die polnische Hauptfahne und hielt sie ausgebreitet in die Höhe, worauf die Polen die an diesem Orte ihren Fürsten Leschko vermutheten, sich daselbst häufig einfanden, und nach dem Ausdruck einiger Geschichtschreiber, wie Vögel bey der Lockspeise gefangen wurden.

 

Unterdessen hatten die Ungarn den Fürsten Wladimir Rurikowitsch aus seiner Stellung gebracht, und sezten dem Großfürsten Mstislaw Romanowitsch hart zu, bis Mstislaw Swätoslawitsch von Tschernigow nachdem er die Halitscher in die Flucht geschlagen hatte, ohne selbige zu verfolgen, die Ungarn im Rücken angrif und gleichfals zum Weichen brachte.

 

Als König Koloman seine ganze Armee auf der Flucht begriffen sahe, flüchtete er selbst

 

 

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nach Halitsch und schickte sich an diese Stadt zu vertheidigen.

 

In diesem Treffen waren nach dem Bericht der Geschichte 20000 Ungarn geblieben, und 3000 gefangen worden, unter welchen leztern sich auch der ungarische Bischof und der Feldherr Bator befanden. Man erbeutete zugleich das ganze ungarische Lager und Gepäcke, mit vielen Reichthümern und Kostbarkeiten. Von den polnischen Truppen waren 3000 Mann auf dem Plaze geblieben, noch weit mehr aber gefangen worden.

 

Von rußischer Seite blieben, Fürst Igor Romanowitsch, ein Bruder des Großfürsten Mstislaw Romanowitsch von Kiew, Fürst Swätoslaw Wladimirowitsch, über 3000 Mann rußische Truppen und gegen 1000 Polowzer. Ueberdem waren viele rußische Fürsten verwundet: der Großfürst Mstislaw Romanowitsch war mit einer Lanze in der Hüfte durchstochen, Fürst Wladimir Rurikowitsch mit zwey Pfeilschüßen und einem Stiche am Fuße verwundet; Mstislaw Mstislawitsch verlohr unter dem Leibe zwey Pferde, blieb aber durch Gottes Beystand unversehrt.

 

Von den Befehlshabern und Feldherren waren verschiedene auf dem Plaze geblieben und viele verwundet worden.

 

Nach erfochtenem Siege ließen die rußischen Fürsten die Polowzer den Ungarn und Polen nachsezen, und rückten selbst mit ihrer ganzen

 

 

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Macht vor Halitsch, welches sie 17 Tage lang belagerten, täglich stürmten und durch Abdämmung des Flußes, wodurch den Belagerten das Wasser abgeschnitten ward, zur Uebergabe zu zwingen suchten. Am 17ten Tage der Belagerung entstand in der Stadt ein Brand, die rußischen Truppen rückten zum Sturm an, Koloman aber schickte ihnen einige vornehme Befehlshaber mit Friedensvorschlägen entgegen.

 

Der Großfürst Mstislaw Romanowitsch ließ alle Fürsten zu sich einladen, machte ihnen Kolomans Vorschläge bekannt, und ertheilte mit ihrer Genehmigung den ungarischen Gesandten folgende Antwort. Erstens, Koloman und sein Vater sollen dem Besiz von Halitsch auf immer und ewig entsagen. Zweytens, Koloman soll den rußischen Fürsten zur Ersetzung der Kriegskosten hundert und funfzig tausend Griwen bezahlen. Drittens, Koloman soll, so lange bis diese Summa völlig bezahlt ist, nebst seiner Gemahlin beym Großfürsten von Kiew verbleiben. Viertens, die Gefangenen sollen von beyden Theilen in Freyheit gesezt werden. Fünftens, die lateinisch-römischen Geistlichen, von welchen die Halitscher so viele Bedrängnisse erlitten haben, sollen dem Gerichte des Bischofs von Halitsch übergeben werden. Diese Friedensbedingungen wurden hierauf schriftlich verfaßt, und Kolomans Gesandten übergeben, welcher selbige in Gegenwart einiger von

 

 

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den rußischen Fürsten an ihn abgeordneten Bojaren beschwor, und die Thore der Stadt zu öfnen befahl. Der Großfürst schickte den Fürsten Mstislaw Mstislawitsch in die Stadt, Koloman kam unterdessen nebst seiner Gemahlin ins rußische Lager, und fertigte an eben den Tage jemanden an seinen Vater nach Ungarn ab, den er um seinige baldige Auslösung ersuchen ließ. Fürst Mstislaw Mstislawitsch ward hierauf zur Belohnung seiner bewiesenen Tapferkeit, zum Fürsten von Halitsch erklärt, Wladimir Rurikowitsch erhielt für seine ausgestandenen Beschwerden alle polnische Gefangenen, die er gegen 2000 Griwen Silber in Freyheit sezte; die Fürsten kehrten insgesammt jeder in sein Gebiet zurück, der Großfürst entließ die Polowzer reichlich beschenkt in ihr Land, und schickte Koloman mit seiner Gemahlin Salomonia unter starker Wache nach Tortschesk, wo er ein Jahr und zwey Monathe verblieb.

 

In diesem Jahre zog der Fürst von Smolensk in Verbindung mit dem Fürsten Jaroslaw von Perejaslaw ins polozkische Gebiet und bemächtigte sich zweyer den polozkischen Fürsten Boris und Gleb gehörigen Städte.

 

Im Jahre 1222 schickte Jurii Wsewolodowitsch von Wladimir (an der Kläsma) einige Befehlshaber und Kriegsleute an die Mündung der

 

 

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Oka, und befahl ihnen: an der Stelle wo vormals eine bolgarische, von den Rußen verwüstete Stadt gestanden hatte, eine neue Stadt zu erbauen.

 

In diesem Jahre kamen die Gesandten des Königes von Ungarn, mit den im Friedensvertrage versprochenen Silber und andern Geschenken in Kiew an, und überreichten dem Großfürsten Mstislaw Romanowitsch ein freundschaftliches Schreiben ihres Königes, worin er um die Befreyung seines Sohnes bat, und in seinem und seiner Kinder Namen den geschloßenen Vertrag aufs genaueste zu beobachten versprach.

 

Der Großfürst Mstislaw Romanowitsch nahm die Gesandten freundschaftlich auf, und sandte seinen Sohn nach Tortschesk, um den Prinzen Koloman mit allen seinem Stande gebührenden Achtung, bis an die ungarischen Grenzen zu begleiten.

 

Von dem erhaltenen Silber behielt er ein Drittheil für sich, und vertheilte die übrigen zwey Drittheile unter alle Fürsten, die mit ihm bey Wladimir in Wolhynien gewesen waren, die Fürsten Wladimir und Mstislaw ausgenommen, welche schon damals ihre Belohnung erhalten hatten.

 

Koloman ward bey seiner Ankunft in Halitsch vom Fürsten Mstislaw Mstislawitsch freundlich aufgenommen, welcher um eben diese Zeit

 

 

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seine Tochter Maria mit Kolomans Bruder Bela vermählte.

 

In eben diesem Jahre reisete Wsewolod Mstislawitsch wegen eines gegen ihn ausgebrochenen Mißvergnügens aus Nowgorod, zu seinem Vater zurück, die Nowgoroder aber ließen den Großfürsten Jurii Wsewolodowitsch um seinen Bruder Jaroslaw bitten, welcher bey seiner Ankunft mit gewöhnlichen Feyerlichkeiten empfangen ward.

 

Um eben diese Zeit ließ Jurii Wsewolodowitsch die Kirche zur heiligen Mutter Gottes in Susdal von neuem ausbauen. In diesem Jahre unternahm Fürst Jaroslaw Wsewolodowitsch von Nowgorod mit einer aus Nowgorodern, und Pskowern bestehenden Armee, einen Feldzug gegen Koliwan (Reval), in Liefland, wo die deutschen Ritter den Einwohnern, die ihnen vor langer Zeit von der Stadt Nowgorod auferlegte Schatzung, ferner zu bezahlen verboten, und die nowgorodschen Steuereinnehmer vertrieben hatten.

 

In diesem Jahre herrschte eine große Dürre, wodurch verschiedene Wälder und Moräste in Brand geriethen, und ein anhaltender Rauch das ganze Land bedeckte, so daß man viele Tagen lang, weder die Sonne noch Sterne sahe.

 

Im folgenden Winter zeigte sich ein Komet, dessen Schein oder Schweif gegen Mittag gewandt war.

 

 

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In eben diesem Jahre reisete Waßilko Konstantinowitsch von Rostow, auf Anrathen seines Vetters Jurii Wsewolodowitsch, zu seinem Großvater Mstislaw Romanowitsch, nach Kiew, wo er freundschaftlich aufgenommen ward, und nach einem kurzen Aufenthalte wieder nach Rostow zu rück kehrte.

 

Im Jahre 1223 griffen die Deutschen mit einer zahlreichen Armee Jurjew Liwonski (Dörpt) an, welches Fürst Wetscheslaw Borißowitsch von Polozk und die bey ihm befindliche nowgorodsche und pskowische Bojaren so lange mit vielem Muthe vertheidigten, bis es den deutschen Rittern glückte die Stadt in Brand zu stecken und während dem Brande mit stürmender Hand einzunehmen, wobey Fürst Wetscheslaw Borißowitsch von Polozk nebst vielen Nowgorodern und Pskowern erschlagen wurden.

 

Um diese Zeit unternahm der Poßadnik Feodor von Staraja-Rußa ohne deshalb in Nowgorod Anzeige zu thun, mit ungefehr 1000 Mann einen Feldzug nach Litauen, ward aber von einer übergelegenen feindlichen Macht, durch Wälder und Moräste, mit Verlust zurück zu kehren genöthiget.

 

Im Jahre 1224 kehrte Fürst Jaroslaw Wsewolodowitsch aus Nowgorod nach Perejaslawl zurück, die Nowgoroder aber baten den Großfürsten Jurii Wsewolodowitsch um seinen Sohn Wsewolod.

 

 

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In eben diesem Jahre unternahmen die Nowgoroder einen Feldzng gegen die deutschen Ritter nach Liefland, um die Stadt Jurjew wieder unter ihre Bothmäßigkeit zu bringen, sie wurden aber dergestalt geschlagen, das nur ein kleiner Theil ihrer ausgesandten Truppen zurück kam.

 

Bald darauf verließ Fürst Wsewolod Jurjewitsch von Nowgorod diese Stadt, verfügte sich von da nach Torshok und ließ seinen Vater hievon benachrichtigen.

 

DerGroßfürst Jurii Wsewolodowitsch brach, auf die Nachricht, das sein Sohn wegen der in Nowgorod entstandenen Unruhen diese Stadt verlassen habe, mit seinen eigenen und den Truppen seiner Brüder und Neffen, in Begleitung des Fürsten Waßilko Konstantinowitsch von Rostow und seines Schwagers Michaila Wsewolodowitsch von Tschernigow, zu einem Feldzuge gegen Nowgorod auf. Die Nowgoroder schickten zwar zwey ihrer ansehnlichsten Bojaren nach Torshok ab, welche sie beym Großfürsten entschuldigten, ihn um die Rückkunft seines Sohnes baten und selbigem mit aller Achtung zu begegnen versprachen, Jurii Wsewolodowitsch aber ertheilte ihnen zur Antwort: sie sollten entweder ihm sechs unruhige Bojaren, die er namentlich nannte, ausliefern, oder ihn bald vor ihrer Stadt erwarten. Die Nowgoroder lieferten gedachte Bojaren nicht aus, und beschlossen sich zu vertheidigen. Sie zogen alle ihre Kriegsleute zusammen, stelleten auf

 

 

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den Wege starke Vorposten aus, trugen selbigen auf, sich durch Verhaue zu decken, umgaben die Stadt mit einem Ostrog, und ließen den Großfürsten nochmals um Gnade und Schonung bitten. Der Großfürst ließ ihnen hierauf durch den tschernigowschen Tüsäzkoi Roman bekannt machen: sie sollten seinen Schwager Michaila Wsewolodowitsch von Tschernigow zu ihrem Fürsten annehmen, ihm zur Ersezung der Kriegskosten für Torshok 3000, für Nowgorod aber 7000 neue und 3500 alte Griwen Silber zahlen, und die Schuldigen selbst bestrafen, damit sie inskünftige weder das Volk aufrührisch machen, noch ihren Fürsten lästern könnten. Die Nowgoroder wollten sich zwar lange nicht hiezu verstehen, nahmen aber endlich den Fürsten Michail mit geziemender Achtung auf, ließen die Schuldigen durch den Tüsäzkoi bestrafen, und bezahlten dem Großfürsten alle verlangte Kriegskosten, womit selbiger nach Wladimir an der Kläsma zurückkehrte.

 

In diesem Jahre kam ein bisher in Rußland unbekanntes Volk aus dem nordöstlichen Asien an, das nach einem vor vielen Jahren erschollenen Gerüchte, sich verschiedener Gegenden und Länder in Osten bemächtiget, die Jaßen, Obesier (Georgier) und Koßogen überwunden hatte, und jezt die Polowzer (Komanen) am Don anfiel.

 

Verschiedene Schriftsteller erzählen: daß dieses Volk eigentlich Mongolen und Manshi heiße, und bis jezt in China Mongu und Manshuren genannt werden. Diese Mongolen waren bis auf ihren

 

 

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ersten Chan Tschingis in vier besondere Stämme oder Herrschaften getheilt: 1) Eki oder große Mongolen, 2) kleine Mongolen, die auch Su-Mongu oder Wasser-Mongalen hießen, und auch Tatarn genannt worden sind; 3) Markaten; 4) Metriten. Ihr Heerführer war Toschus Chan Tschingis *) Sohn, und Batü's Vater.

 

Als die jenseit des Dons ziehende Polowzer (Komanen) erfuhren, daß die Tatarn über die Wolga gekommen wären, daselbst alles ihrer Herrschaft unterworfen hätten, und sich dem Don näherten, ließen ihre dasige Fürsten Daniel Kobäkowitsch und Jurii Kontschakowitsch alle übrige jenseits und dieseits des Dniepers befindliche Polowzer auffordern, mit vereinigter Macht an den Don zu kommen und den Mongalen den Uebergang streitig zu machen; diese Polowzer aber schäzten den Feind zu gering, und ließen gedachten Fürsten zur Antwort ertheilen: sie möchten sich selbst über den Don zurück ziehen, die Mongolen ungehindert über den Fluß kommen lassen, und sie in die Stepen zu ziehen suchen. Unterdessen trieben die Tatarn die Polowzer über den Don, erschlugen viele derselben, nahmen viele gefangen und trieben die übrigen gegen

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*) Tschingis ward im Jahre 1154 gebohren, lebte 73 Jahr und starb im Jahre 1227; er war folglich bey der Ankunft der Tatarn im Jahre 1224 noch am Leben.

 

 

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das schwarze Meer, wo viele vor Hunger umkamen.

 

Um diese Zeit kam der polowzische Fürst Kotäk mit verschiedenen andern polowzischen Fürsten bey dem nicht weit von Tripol befindlichen polowzischen Wall nach Rußland, Daniel Kobäkowitsch und Jurii Kantschakowitsch aber waren von den Tatarn am Don erschlagen worden. Kotäk ließ seine Leute bey Tripol stehen, reisete selbst zu seinem Eidame Mstislaw Mstislawitsch von Halitsch, brachte selbigem Geschenke an Pferden, Kameelen und andern Sachen, bat um Hülfe gegen die Tatarn und sagte: „dieses Volk ist jezt in die Länder der Polowzer eingefallen; wenn ihm nicht durch Hülfe der rußischen Fürsten Einhalt geschieht, so wirds nach Ueberwindung der Polowzer nach Rußland kommen, und überall gleiche Verheerungen anrichten; es ist also nothwendig ihm mit vereinigten Kräften zu widerstehen.“ Eben dieses ward auch dem Großfürsten Mstislaw Romanowitsch von Kiew vorgestellt: welcher sogleich alle rußische, tschernigowsche und sewerische Fürsten wie auch den Fürsten Jurii Wsewolodowitsch von Wladimir an der Kläsma, aufforden ließ: daß sie insgesammt mit allen ihren Truppen sich an einem bestimmten Ort versammeln möchten, weil ein großes und mächtiges Volk an den rußischen Grenzen erschienen wäre, gegen welches man die Polowzer mit vereinigten Kräften vertheidigen müßte, damit diese sich nicht den Tatarn unterwürfen, und Rußland dadurch noch

 

 

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größerm Uebel ausgesezt würde. Dieser Vorschlag ward zwar von allen Fürsten genehmiget, und jeder versprach, sich unverzüglich mit so vielen Truppen als er nur immer zusammenbringen könnte einzufinden, es kamen aber viele, die ihre Felder nicht unbestellt lassen wollten, nur mit sehr wenigen Leuten an; wie denn Jurii Wsewolodowitsch von Wladimir an der Kläsma blos seinen Neffen Waßilko Konstantinowitsch von Rostow auf dessen inständiges Bitten mit nicht mehr als 800 Mann, und außer selbigen niemand von seinen Brüdern und Söhnen schickte. Der Großfürst Mstislaw Romanowitsch von Kiew strengte indessen alle seine Kräfte an, um sobald als möglich ein ansehnliches Heer zusammen zu bringen, womit er die Tatarn von einen Einfall in Rußland abhalten und ausserhalb der Grenzen des Reichs empfangen könnte. Er machte sich hierauf selbst nebst den Fürsten Wladimir Rurikowitsch von Smolensk, Mstislaw Wsewolodowitsch von Tschernigow, Mstislaw Mstislawitsch von Halitsch, Daniel Romanowitsch von Wladimir in Wolhynien und dessen Bruder Wsewolod Romanowitsch, Michailo Wsewolodowitsch von Nowgorod, und vielen andern auf den Weg, und schickte das smolenskische und kiewsche Fußvolk auf dem Dnieper bis zu den Wasserfällen herab, während daß das Halitschische und Wolhynische Fußvolk gleichfalls zu Wasser auf dem Dnieper ankam. Der polowzische Fürst Kotäk nahm um diese Zeit die christliche Religion und Taufe an.

 

 

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Die Fürsten versammelten sich mit der Reuterey beym Verhau, zogen von da weiter am Dnieper herab und machten bey der Waräger-Insel Halt, woselbst die von den Tatarn abgefertigte Gesandte bey ihnen ankamen, und dem Großfürsten Mstislaw Romanowitsch von Kiew folgende Vorstellung thaten: „Ihr Chan hege gegen die rußischen Fürsten, keine Feindschaft, und bedaure, daß sie, wie er höre, sich der Polowzer wider ihn annehmen wollten, da er ihnen doch nichts zu leide gethan habe; er lasse den rußischen Fürsten rathen in Ruhe zu blei ben, mit den Tatarn Frieden zu schließen, und die Polowzer nicht bey sich aufnehmen.“ Die Fürsten urtheilten, nach angestellter Berathschlagung, daß die Tatarn bey ihrer Vorstellung keine gute Absicht hätten, sondern sie blos deshalb von dem Bündniße mit den Polowzern abzubringen suchten, um nach Ueberwindung derselben sie mit desto größerm Vortheile anzugreifen. Sie verwarfen also den Vorschlag der Tatarn, behielten ihre Gesandten bey sich, rückten weiter vor und machten bey Olesch, am Dnieper Halt, wo die Bouten, Gangalen, Wügolzen und Halitscher sich mit ihnen vereinigten.

 

Die Tatarn standen in Erwartung einer Antwort auf ihre Vorschläge am Don, hörten daselbst ein Gerücht, als ob ihre Gesandten auf den Rath der Polowzer ermordet worden wären, und ließen deshalb durch andre Gesandten folgenden Vortrag thun: „sie wüßten nicht warum man ihnen eine

 

 

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so große Beleidigung angethan und ihre Gesandten erschlagen habe; wenn die Russen nicht zum Frieden geneigt wären, so möchten sie nur näher kommen, sie von ihrer Seite wären zum Empfange derselben bereit.“ Der Großfürst Mstislaw Romanowitsch schickte diese Gesandten mit der Antwort zurück, daß er selbst mit den Tatarn zusammen kommen und sich mit ihnen über den Frieden besprechen wolle.

 

Der Großfürst befahl hierauf alle versammelte Truppen zu zählen und fand: Kiewer, Perejaslawer, Gorodensker, Schwarzmüzen und Poroßen 22500; Smolensker und Turower unter Anführung des Fürsten Wladimir Rurikowitsch 13800; unter Anführung des Fürsten Mstislaw von Tschernigow und Sewerien 21300 Mann und 2000 Wätitschen; Halitscher, Wladimirer, Luzker und Donauer unter Anführung des Fürsten Mstislaw Mstislawitsch von Halitsch 23400, welche zusammen mit den Truppen der kleinen Fürsten eine Armee von neunzig bis hunderttausend Mann ausmachten, dergleichen man seit langer Zeit in Rußland nicht gesehen hatte. Ausser diesen erwartete man noch einige Truppen aus Nowgorod, den Fürsten, Waßilko Konstantinowitsch mit den Rostowern, die Truppen des Fürsten Jurii Wsewolodowitsch aus Weißrußland und die Truppen der räsanischen und muromischen Fürsten; auch versprachen die Polowzer gegen 50.000 Mann zusammen zu bringen.

 

 

 

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Fürst Mstislaw Mstislawitsch von Halitsch ging mit 10000 Mann Reuterey über den Dnieper und fand in einiger Entfernung vom Fluße in der Ebene einen tatarischen Vorposten, den er angrif und schlug. Der tatarische Feldherr Gemäbek flüchtete mit seinen übrig gebliebenen Leuten in die Gegend der polowzischen Grabhügel, Mstislaw Mstislawitsch aber zog sich wieder näher zum rußischen Heere zurück, und vereinigte sich daselbst mit den Polowzern. Unterdessen war auch der Großfürst Mstislaw Romanowitsch von Kiew dem Fürsten Mstislaw Mstislawitsch nach, mit allen Fürsten über den Dnieper gegangen, rückte neben dem Fluße bis zur Mündung des Flußes Chortiza fort, und machte daselbst am Ufer des Dniepers Halt, wo auch die Feldherren Jurii Domoshirowitsch und Dershikrai Wladislawitsch mit dem Fußvolk standen.

 

Um diese Zeit zeigten die ausgestellten Vorposten an, daß eine Parthey Tatarn zu Auskundschaftung des rußischen Heeres in der Nähe sey. Fürst Daniel Romanowitsch von Wladimir in Wolhynien und andre junge Fürsten warfen sich sogleich zu Pferde, eilten die Tatarn zu sehen, und ließen sobald sie sie ansichtig wurden dem Großfürsten sagen, daß er ungesäumt mit der ganzen Armee vorrücken möchte, weil sie nemlich das ganze tatarische Heer in der Nähe glaubten.

 

Der Großfürst Mstislaw Romanowitsch ließ 1000 Mann bey den Fahrzeugen zurück, rückte mit allen Fürsten, jeder bey seiner Schaar, in der Ebene

 

 

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vor, und traf bald auf die Tatarn, die sich nach einem kurzen Gefechte auf die Flucht machten. Die Russen sezten ihnen nach, und nahmen ihnen eine Menge Vieh ab, während daß die übrigen mit dem von den Polowzern erbeuteten Vieh glücklich davon kamen.

 

Die rußischen Fürsten folgten den Mongolen (oder Tatarn) durch die Stepen, und kamen am 8ten Tage an den Fluß Kalka, wo sie einen starken feindlichen Vorposten antrafen, und sich mit ihm in ein Gefecht einließen, in welchem der Feldherr Iwan Dimitriewitsch und zwey andre das Leben einbüsten. Die Tatarn hielten indessen hier nicht lange stand, der Großfürst ging über den Fluß und blieb am Ufer desselben stehen, Mstislaw Mstislawitsch von Halitsch aber folgte mit dem Vortrabe der Tatarn nach, schickte einen Haufen Polowzer unter Anführung eines gewissen Jarun zum Auskundschaften der Feinde voraus, und rückte selbst langsam vor.

 

Die ausgeschickte Parthey ward bald eine große Menge Tatarn gewahr, und kam mit der Nachricht zurück, daß der Feind nicht weit davon in Anmarsch begriffen sey.

 

Mstislaw Mstislawitsch von Halitsch hätte sich jezt, nach dem Rath seiner vornehmsten Feldherren, zur Armee des Großfürsten zurück ziehen sollen, er achtete aber, nach dem Bericht einiger Schriftsteller im Vertrauen auf seine Tapferkeit, diesen Rath nicht und schickte sich mit seinen Truppen

 

 

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zum Treffen an, ohne dem Großfürsten Mstislaw Romanowitsch, mit welchem er in Uneinigkeit gerathen war, von der Annäherung der Feinde Nachricht zu geben. Die Tatarn folgten der vorgedachten Parthey auf dem Fuße nach, gingen gerade auf die Russen zu, und erschienen auf einmal in solcher Menge daß sie das ganze Feld umher bedeckten und kein Auge sie übersehen konnte. Mstislaw Mstislawitsch sahe nunmehr sein Versehen ein, konnte sich aber nicht mehr zurück ziehen, und ließ den Großfürsten bitten, daß er mit der ganzen Armee vorrücken möchte.

 

Der Großfürst von Kiew achtete jezt nicht darauf daß Mstislaw Mstislawitsch ohne sein Vorwissen so weit vorausgegangen war, und ihm so lange keine Nachricht vom Feinde ertheilt hatte bis er sich weder ohne Gefahr zurück ziehen, noch ohne große Mühe zu rechter Zeit unterstüzt werden konnte, sondern bemühete sich vielmehr seine Truppen eiligst in Schlachtordnung zu stellen, die jungen Fürsten aber eilten ohne die Einwilligung der Aeltern abzuwarten, dem Fürsten von Halitsch mit ihren wenigen Leuten zu Hülfe. Mstislaw Mstislawitsch war fast rund um von Tatarn umgeben, und wurde mit großer Heftigkeit angegriffen, blieb aber so viel möglich in guter Ordnung; auch fochten die Fürsten Daniel Romanowitsch von Wladimir, Semen Olgowitsch, und Waßili Gawrilowitsch mit seltenem Muthe und Tapferkeit. Lezterer ward mit einem Spiese durchstochen, ersterer aber sezte ungeachtet

 

 

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einer in der Brust empfangenen Wunde das Gefechte fort, in welchem sehr viele Tatarn erschlagen wurden.

 

Als Mstislaw Jaroslawitsch von Luzk den Fürsten Daniel Romanowitsch, den er sehr liebte und zu seinem Erben eingesezt hatte, tödtlich verwundet sahe, grif er von seiner Seite, so wie Fürst Olg von Sewerien und Jarun nebst andern polowzischen Befehlshabern, die Mongolen mit solcher Heftigkeit an, daß man schon auf einen baldigen Sieg zu hoffen anfing, welches so lange währete, als die Tatarn der rußischen Armee auf keinen von beiden Flügeln in die Seite kommen konnten. Da aber die Polowzer in der Hize des Gefechts den Tatarn soweit nachfolgten, daß sie die Moräste hinter sich ließen, wurden sie von einer großen Menge Feinde umringt, geschlagen und in der Flucht auf die Scharen des Großfürsten geworfen, die dadurch so sehr in Verwirrung geriethen, daß sie ungeachtet aller angewandten Mühe nicht wieder in Ordnung zu bringen waren, worauf die Tatarn auch die übrigen rußischen Fürsten heftig angriffen, die sich zwar sehr tapfer vertheidigten, aber das Treffen nicht lange fortzusezen im Stande waren.

 

Mstislaw Mstislawitsch von Halitsch zog sich unter beständigem Gefechte zurück, und ward endlich die Armee des Großfürsten gewahr, konnte sich aber nicht mehr mit selbiger vereinigen.

 

 

 

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Der Großfürst sahe jezt, daß ihm die Tatarn zu sehr überlegen und die seinen völlig ermüdet wären, und fing an sich gegen die Kalka zurück zu ziehen, welches ihm die Feinde sehr erschwerten. Er kam indessen mit seinem Eidame dem Fürsten Andrei und dem Fürsten Alexander von Dubrowsk bey der Kalka an, und ließ an dem dasigen sehr steinigten Ufer des Flusses, während der Nacht eine Schanze von Holz und Steinen errichten, in welche einige tausend Flüchtige aufgenommen wurden. Die Tatarn ließen diese Schanze durch ihre Feldherren Tschirkan und Teschkan einschließen, und sezten den übrigen rußischen Fürsten drey Tage lang bis zum Dnieper nach. Der Großfürst Mstislaw Romanowitsch von Kiew vertheidigte sich diese drey Tage lang in der gedachten Schanze sahe sich aber hierauf durch die völlige Ermattung der Seinen gezwungen, den Feinden Vorschläge zur Uebergabe zu machen, womit er sich besonders an die bey den Tatarn befindliche Brodnizen und ihren Heerführer Ploskinä wandte. Dieser versicherte ihn daß die Tatarn alle Gefangene gegen Lösegeld in Freiheit sezen würden, der Großfürst glaubte ihm und überlieferte sich selbst in die Hände der Feinde, welche alle Russen niederhieben und die Fürsten umbrachten. Die Tatarn hatten sowohl in der Schlacht als bey der Verfolgung der Russen bis zum Dnieper sehr viele der Ihrigen verlohren, besonders da wo sie tapfere Fürsten und Befehlshaber antrafen.

 

 

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In der vorbeschriebenen Schlacht blieben von den rußischen Fürsten: Swätoslaw von Kanew, Isäslaw Igorewitsch von Sewerien, Jurii von Neswish, Swätoslaw von Schums, Mstislaw Wsewolodowitsch von Tschernigow und dessen Sohn Waßilko; ferner eine Menge Tüsäzken und Befehlshaber, an gemeinem Kriegsvolk aber gegen 70000 Mann.

 

Mstislaw Mstislawitsch von Halitsch und Daniel Romanowitsch kamen auf ihrer Flucht zu der Stelle des Dniepers wo die Fahrzeuge standen, gingen zusammen über den Fluß, und ließen die Fahrzeuge zerhauen, weshalb von dem ganzen grossen Heere nur ein sehr kleiner Theil nach Kiew zurück kam. Diese unglückliche Schlacht geschah am 16ten Junius, an einem Freytage.

 

Die Tatarn kamen nach diesem Treffen bis Tschernigow und Nowgorodok-Sewerskoi.

 

Waßilko Konstantinowitsch von Rostow war mit seiner Schar zu spät gekommen und bey Tschernigow stehen geblieben; Da nun die Tatarn hörten daß ein rußisches Heer bey Tschernigow stehe, wagten sie es nicht weiter vorzudringen, und eilten zu den Ihrigen zurück.

 

Waßilko Konstantinowitsch kehrte hierauf nach Rostow, die Nowgoroder aber nach Nowgorod zurück.

 

 

 

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Nach dem Berichte der Tatarn bestand ihr Verlust in gedachter Schlacht aus mehr als 100000 Mann; auch war daselbst der älteste Sohn ihres Chans geblieben.

 

Die Tatarn zogen sich wegen ihres erlittenen Verlusts, gegen die See, brachten die Polowzer völlig unter ihre Bothmäßigkeit und kehrten über den Don zur Wolga und weiter jenseit des Gebürges zurück; so daß bis zu Batü's Ankunft nichts weiter von ihnen zu hören war.

 

Die aus der Schlacht entronnenen Polowzer kamen nach Rußland und ließen sich in verschiedenen Städten taufen, deren Einwohner sie gerne aufnahmen, sie mit Lebensmitteln versahen und ihnen zum Anbau behülflich waren.

 

 

 

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Zeitverwandte der rußischen Fürsten vom Jahre 1213 bis 1224.

 

In Griechenland. Kaiser. Theodor von 1204 bis 1222. Johann von 1222 bis 1255.

 

In Deutschland. Kaiser. Friedrich II. von 1198 b.1250.

 

In Polen. König. Leschko V. von 1194 bis 1227.

 

In Bolgarien. Zaren. Wratislaw von 1207 bis 1215. Johann vov 1215 bis 1242.

 

In Böhmen. Fürst. Premislaw von 1197 bis 1230.

 

In Sachsen. Fürst. Albert I. von 1212 bis 1260.

 

In der Pfalz. Fürsten. Heinrich von 1196 bis 1215. Ludwig I. von 1215 bis 1228.

 

In Bayern. Fürst. Ludwig I. von 1183 bis 1231.

 

In Brandenburg. Fürsten. Albert II. von 1206 bis 1221. Johann I. von 1221 bis 1266.

 

In Braunschweig. Fürst. Otto I. von 1213 bis 1252.

 

In Ungarn.König. Andreas II. von 1204 bis 1225.

 

 

In Dänemark. König. Wladimir od. Waldemar II. von 1203 bis 1241.

 

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In Schweden. Könige. Erich von 1210 bis 1219. Johann von 1220 bis 1223. Erich von 1223 bis 1250.

 

In Arabien. Kalif. Maßer LIII. Kalif von 1180 bis 1225.

 

In Egypten. Kalifen. Malek El Adel Sei Feddin Abubeker von 1200 bis 1218. Malek El Kamel von 1218 bis 1238.

 

In Ikonium. Sultane. Aßedin Kaikaus von 1210 bis 1219. Aloedik Kaikobad von 1219 bis 1237.

 

In Alepo. Sultane. Gajatedin Gasi von 1181 bis 1216. Asis Gajateddin von 1216 bis 1236.

 

In Damask. Sultan. Saladin von 1174 bis 1249.

 

In Mongalien. Chan. Tschingis von 1176 bis 1227.

 

In Frankreich. Könige. Philipp II. von 1180 bis 1223. Ludwig VIII. von 1223 bis 1226.

 

In England. Könige. Johann von 1199 bis 1216. Heinrich III. von 1216 bis 1272.

 

In Schottland. Könige. Wilhelm von 1165 bis 1214. Alexander II. von 1214 bis 1249.

 

In Spanien. Könige. Alphons von 1158 bis 1214. Heinrich von 1214 bis 1217. Ferdinand von 1217 bis 1230.

 

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409

 

In Portugall. Könige. Alphons von 1212 bis 1223. Sanches von 1223 bis 1246.

 

Patriarchen zu Konstantinopel. Theodor von 1212 bis 1215. Maxim von 1215 bis 1216. Emanuel von 1216 bis 1221. Hermolaus von 1221 bis 1240.

 

Römische Päbste. Inocentius von 1198 bis 1216. Honorius von 1216 bis 1227.

 

Mitropolit zu Kiew. Matfei von 1208 bis 1231.

 

In Rußland. Großfürsten und abgetheilte Fürsten.

 

In Kiew. Wsewolod Swätoslawitsch bis 1214. Mstislaw Romanowitsch von 1214 bis 1224.

 

In Rostow. Konstant. Wsewolodowitsch bis 1218. Waßilko Konstantinowitsch von 1218.

 

In Wladimir an der Kläsma. Jurii Wsewolodowitsch.

 

In Halitsch. Wladimir Igorewitsch. Koloman von Ungarn von 1213. Mstislaw Mstislawitsch von 1219.

 

In Wladimir in Wolhynien. Daniel Romanowitsch.

 

In Tschernigow. Wsewolod Swätoslawitsch bis 1215. Gleb Swätoslawitsch von 1215.

 

In Nowgorod-Sewerskoi. Rurik Olgowitsch.

 

 

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410

 

In Groß-Nowgorod. Mstislaw Mstislawitsch bis 1215. Jaroslaw Wsewolodowitsch von 1215. Swätoslaw Mstislawitsch in 1219. Wsewolod Mstislawitsch von 1219 bis 1222. Jaroslaw Wsewolodowitsch von 1222 bis 1223. Michailo Wsewolodowitsch von 1224.

 

In Smolensk. Mstislaw Romanowitsch bis 1214. Kläsma. Wladimir Rurikowitsch von 1214.

 

In Perejaslawl. Wladimir Rurikowitsch bis 1214. Wladimir Wsewolodowitsch von 1214. Jaroslaw Mstislawitsch.

 

In Murom. Wladimir Jurjewitsch.

 

In Räsan. Roman Glebowitsch bis 1216. Igor Igorewitsch von 1216.

 

In Polozk. Boris Wseslawitsch. Boris Davidowitsch.

 

In Pereslawl und Twer. Jaroslaw Wsewolodowitsch.

 

In Jurjew. Swätoslaw Wsewolodowitsch.

 

In Starodub an der Kläsma. Johann Wsewolodowitsch.

 

In Turow. Rostislaw Rurikowitsch bis 1218.

 

In Moskwa. Wladimir Wsewolodowitsch.

 

In Pleskow. Wladimir Mstislawitsch bis 1214.

 

 

 

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411

 

In Toropez. Wladimir Mstislawitsch. Mstislaw Mstislawitsch. Wsewolod Mstislawitsch von 1215.

 

In Torshok. Jaroslaw Wsewolodowitsch von 1218.

 

In Jaroslawl. Wsewolod Konstantinowitsch von 1218.

 

In Belosero. Wladimir Konstantinowitsch von 1218.

 

In Owrutsch. Rostislaw Davidowitsch

 

In Luzk. Mstislaw Jaroslawitsch.

 

 

 

 

 

 

 

Ende des zweiten Zeitraums.

 

 

 

 

 

 

II. Annalen des

Russischen Reichs,

unter

der Regierung des Großfürsten Alexander Newsky.

1247 - 1263.

 

ein Bruchstück aus dem sechsten Bande der Aufsätze, betreffend die Russische Geschichte.

 

 

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119

 

 

1247 - 1263

 

Fürsten.


Daniil Romanowitsch in Kiew und Halitsch in Wolhynien.
Waßilii Romanowitsch in Wladimir in Wolhynien.
Swätoslaw Wsewolodowitsch in Wladimir an der Kläsma.
Boris Waßilkowitsch in Rostow.
Alexander Jaroslawitsch in Nowgorod.
Rostislaw Michailowitsch in Tschernigow.
Ingwar Ingwarewitsch in Räsan.
Gleb Rostislawitsch in Smolensk

 

___________________

 

Als Fürst Alexander zu Nowgorod den Tod seines Vaters, des Großfürsten Jaroslaw, erfuhr, reiste er nach Wladimir (an der Kläsma) zu seinem Oheim Swätoslaw Wsewolodowitsch; und da der Leichnam Jaroslaw's herbeygeführt wurde, giengen seine Brüder und Söhne demselben

 

 

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120 Annalen des Russischen Reichs

 

außerhalb der Stadt mit vielem Wehklagen entgegen, und begruben ihn zu Wladimir.

 

Hierauf bestieg Fürst Swätoslaw Wsewolodowitsch von Susdal den Thron des Großfürstenthums Wladimir; seinen Vettern aber, den Fürsten Alexander, Andrei, Konstantin, Damil, Michail und Jaroslaw, gab er Fürstenthümer, wie es sein Bruder der Großfürst Jaroslaw Wsewolodowitsch in seinem Testament verordnet hatte, an welchem er kein Wort veränderte.

 

Die Fürsten trennten sich hierauf und reisten nach ihren Erbtheilen; Swätoslaw aber blieb in Wladimir (an der Kläsma.)

 

In eben diesem Jahr gieng Fürst Andrei Mstislawitsch von Rulsk, der Bruder Rostislaw's, in die Horde zum Batü, der ihn der Verläumdung wegen vorgeladen hatte, als wenn seine Unterthanen eine Menge tatarischer Pferde aufkauften, um sie einzeln an fremde Völker zu verhandeln; und obgleich kein Beweis dafür vorhanden war, so endigte dennoch Fürst Andrei sein Leben in der Horde, nachdem er vieles erduldet hatte.

 

In dem nämlichen Jahr begab sich Fürst Andrei Jaroslawitsch von Susdal. der mit seinem abgetheilten Lande unzufrieden war, in die Horde zum Batü, um die Vergrößerung desselben zu bewirken. Der Chan empfieng ihn mit Ehren, und da er schon längst von den edlen

 

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121 unter dem G. F. Alexander Newsky.

 

Tugenden und der unüberwindiichen, alle Feinde überwältigenden Tapferkeit, und den vielen Siegen des Großfürsten Alexander gehört hatte, so ergriff Batü diese Gelegenheit (die Beschwerde des Fürsten Andrei) einen Gesandten zum Alexander zu schicken. Dieser kam noch in dem nämlichen Jahr zu Nowgorod an, und berief Alexandern zur Horde, indem er sagte "daß Batü, der von seinem edlen Muth und seiner unüberwindiichen Tapferkeit, und den vielen über seine Feinde erhaltenen Siegen gehört habe, und wisse wie verständig er sey, ihn zu sehen wünsche, und ihn deshalb unverzüglich zu sich in die Horde lade, wo er sowohl für sich selbst als für sein Land Vortheile finden werde;" wobey er ihm alle geziemende Ehre und die Vermehrung seiner Herrschaft versprach, und außerdem noch viele hochtrabende und übermüthige Reden hinzufügte, wie es der tatarischen Nation eigenthümlich war, die in tiefer Unwissenheit lebte. Großfürst Alexander, der sich wenig auf schmeichlerische Werte verließ, und den Hochmuth verachtete, ward anfangs sehr betrübt, bekümmerte sich in seinem Gemüth, und war lange unschlüßig, was er antworten sollte; doch da er erwägte, daß auch sein Vater Jarosiaw für den wahren Glauben und sein Volk in die Horde gezogen war, damit selbiges nicht in das schrecklichste Verderben gestürzt würde: faßte er den überlegten Entschluß, zur Rettung der Christen in die Horde zu gehen.

 

 

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122 Annalen des Russischen Reichs

 

Er schickte sich also zur Reise, und zog nach der Stadt Wladimir am der Kläsma) mit vielem Volk und einer genugsamen Anzahl seiner Hofleute; in Nowgorod aber ließ er seinen Sohn zurück, den Fürsten Waßilii Alexandrowitsch. Und es lief ein Gerücht bis an die Mündung der Wolga, daß Fürst Alexander Jaroslawitsch drohend und mit großer Macht im Anzuge sey. Nach einem kurzen Aufenthalt zu Wladimir bey seinem Oheim, dem Großfürsten Swätoslaw, wo er von selbigem Abschied nahm und den Segen des Bischofs Cyrillus empfieng, begab er sich auf die Reise, und gelangte zu den Lagerhütten Batü's unterhalb der Wolga. Als Batü von seiner Ankunft benachrichkigt war, befahl er, ihn vorzuführen; die Zauberer aber wollten ihn, wie es der Gebrauch bey ihnen war, zwischen durch die Feuer geleiten: doch Alexander gieng nicht, und betete weder das Feuer noch das Gesträuch an. Als die Zauberer dem Batü dies hinterbrachten, befahl er, Alexandern mit Ehrenbezeugungen vor sich zu bringen, ohne ihn durch die Feuer zu führen. Der Fürst, als er vor Batü gekommen war, begrüßte selbigen und sprach: "vor dir, o Zar ! neige ich mich, weil Gott dich der Herrschaft gewürdigt hat, aber vor (leblosen) Geschöpfen beuge ich mich nicht." Als Batü die Schönheit seines Angesichts, seinen hohen Wuchs und seine große Leibesgestalt sah, verwunderte er sich und lobte ihn öffentlich, indem er zu seinen Großen sprach:

 

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123 unter dem G. F. Alexander Newsky.

 

"Warlich dem ist also, wie man mir gesagt hat, daß diesem Fürsten niemand gleichet!" Auch behandelte er ihn mit höchlicher Achtung, und entließ ihn mit vielen Geschenken und großen Ehrenbezeugungem nebst seinem Bruder dem Fürsten Andrei, zu den Chanowitschen (den Nachfolgern in der Chanischen Würde), indem Batü nicht Gewalt hatte, die Zwistigkeiten der Fürsten ohne Mitbewilligung derselben zu schlichten. Bey seiner Abreise erbat Fürst Alexander vom Batü, daß er den Rußischen Landen die auferlegten harten Steuern erleichtern möchte, und erhielt darüber die Zusage.

 

In eben diesem Jahr verbreitete Batü das Gerücht, daß er selbst zu Felde ziehen wolle; da er aber schon an seinen Füßen krank war, so sandte er eigentlich seinen kraftvollen und mächtigen Heerführer Berendei mit einem großen Kriegsheer gegen die westlichen Ugern. Viele Städte wurden zerstört und bezwungen, da niemand wider ihn bestehen konnte, und viele Fürsten und Heerführer, die er lebendig gefangen nahm, sandte er zum Sartak, dem Sohne Batü's (welcher zwischen der Wolga und dem Don nomadisirte), und das ganze Jahr hindurch war Krieg im Lande der Ugern, wo Berendei der große Heerführer Batü's, getödtet ward.

 

Im Jahr 1248 vermählte sich Fürst Boris Waßilkowitsch von Rostow mit Maria, der

 

 

 

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124 Annalen des Russischen Reichs

 

Tochter des Fürsten Jaroslaw Jurjewitsch von Murom.

 

In eben diesem Jahr zog Fürst Michail Jaroslawitsch von Moskwa —der, während seine Brüder Alexander und Andrei bey den Chanowitschen verweilten, mit seinem Oheim dem Großfürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch von Wladimir, zerfiel — mit einem Kriegsheer gegen Wladimir (an der Kläsma) und zwang Swätoslawen, der nur ein Jahr im Besitz des Großfürstenthums gewesen war, die Stadt zu verlassen. Michail nahm sie zwar in Besitz, doch da er bald darauf hörte, daß die Litthauer in die Moskowischen Provinzen eingefallen wären , gieng er ihnen mit Kriegsmacht entgegen, und lieferte ihnen eine Schlacht am Flusse Porotwa *), in welcher er sein Leben verlor.

 

Als dies der Bischof Cyrillus von Rostow erfuhr, sandte er Leute ab, seinen Leichnam zu holen, der in der Kirche der heil. Mutter Gottes zu Wladimir beygesetzt wurde. Die Brüder aber des Fürsten Michail (die in Rußland anwesend waren, namentlich die Fürsten Konstantin, Daniil und Jaroslaw) setzten den Feldzug gegen die Litthauer fort, schlugen selbige bey Subzow und trieben sie in die Wälder.

 

Nach dem Tode des Fürsten Michail kehrte Großfürst Swätoslaw wieder nach Wladimir (an der Kläsma) zurück.

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*) Der Fluß Porotwa fällt in die Oka.

 

 

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125 unter dem G. F. Alexander Newsky.

 

Als Großfürst Alexander während seines Aufenthalts in der Horde vernahm, was sein Bruder Michail angestiftet, und bald hernach, daß er in der Schlacht gegen die Litthauer geblieben sey , verursachte es ihm großen Kummer.

 

Diejenigen aber, welche den Fürsten Andrei umgaben, und ihm gerathen hatten, um die Vergrößerung seines Erbtheils zu bitten, redeten ihm jetzt zu, daß er unverzüglich bey den Chanowitschen um die Vereinigung des Moskowischen Fürstenthums mit dem Susdalischen anhalten sollte. Als Fürst Alexander dies erfuhr, rieth er ihm ein solches Verfahren ab, indem er ihm vorstellte, daß es anständiger wäre, deshalb bey seinem Oheim und seinen Brüdern, als bey den Tatarem nachzusuchen, worüber denn großer Streit zwischen Alexander und Andrei entstand. Ersterer wollte das Moskowische Fürstenthum den jüngern Brüdern zuwenden, deren abgetheilte Länder ungleich kleiner waren, als das Susdalische, welches Fürst Andrei besaß. Da jedoch Fürst Alexander ihn nicht überreden konnte, so willigte er endlich unter Vermittlung der Chanowitschen ein, daß das Moskowische Fürstenthum dem Fürsten Andrei gemeinschaftlich mit dem Susdalischen zugetheilt werden sollte; Alexandern aber wurde das Großfürstenthum Kiew versprochen, sobald es erledigt seyn würde. Nach dieser Uebereinkunft

 

 

 

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126 Annalen des Russischen Reichs

 

verließen beyde Brüder die Chanowitsche.

 

Im Jahr 1249 reiste Fürst Alexander aus der Horde nach Wladimir (an der Kläsma) zu seinem Oheim, dem Großfürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch, von wo er sich nach Pereslawl am See Kleschtschino begab *); Fürst Andrei Jaroslawitsch aber reiste nach Susdal.

 

In eben diesem Jahr gieng Fürst Gleb Wassilkowit sch von Beloosero in die Horde zum Chan Sartak, dem Sohne des Batü, der ihn mit Achtung behandelte, und mit Ehrenbezeugungen nach seiner Heymath entließ.

 

Am 27. December des nämlichen Jahrs starb zu Wladimir (an der Kläsma) Fürst Wladimir Konstantinowitsch von Uglitsch; sein Leichnam ward nach seinem Vaterlande Uglitsche-Pole gebracht, und in der Kirche des heil. Erlösers beygesetzt. Er hinterließ zwey Söhne, die Fürsten Andrei und Roman; (ersterer war kinderlos).

 

In eben dem Jahr verschied Fürst Waßilii Wsewolodowitsch von Jaroslaw zu Wladimir

 

*) Es ist wahrscheinlich; daß Alexander zu Pereslawl ein Heer zusammenbrachte, um nach Kiew zu gehen, wie es weiter unten erhellt. Pereslawl wurde unter Alexandern von seinem Bruder, dem Fürsten Daniil Jaroslawitsch beherrscht.

 

 

 

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127 unter dem G. F. Alexander Newsky.

 

(an der Kläsma); sein Leichnam aber ward nach seiner Vaterstadt Jaroslawl gebracht, und am 8ten Februar in der Kirche der heil. Mutter Gottes beygesetzt. Er hinterließ von seiner Gemahlinn Xenia einen Sohn, den Fürsten Waßilii, und eine Tochter, die Fürstin Maria, welche mit dem Fürsten Feodor Romanowitsch von Smolensk vermählt war, und selbigem nach dem Tode ihres Bruders, des Fürsten Waßilii, Jaroslawl zur Mitgabe brachte.

 

Im Jahr 1250 entschlief der Erzbischof von Nowgorod, Spiridon, und ward mit den geziemenden Zeremonien in der Kirche zur heil. Sophia beygesetzt.

 

In diesem Jahr reiste Fürst Boris Waßilkowitsch von Rostow in die Horde zum Chan Sartak, dem Sohne Batü's, der ihn mit vieler Achtung behandelte, und ihn nach seiner Heymath entließ.

 

In eben diesem Jahr gieng der hochwürdigste Cyrillus, Mitropolit von Kiew und ganz Rußland, aus Kiew nach Tschernigow, Räsan und Wladimir; und die Fürsten und Bojaren giengen ihm entgegen und empfiengen ihn mit großen Ehrenbezeugungen.

 

In dem nämlichen Jahr vermählte sich zu Wladimir (an der Kläsma) Fürst Andrei Jaroslawitsch von Susdal mit der Tochter des Großfürsten Daniil Romanowirsch von Halitsch, Ustinija. Die Trauung geschah zu Wladimir

 

 

 

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128 Annalen des Russischen Reichs

 

in der Kirche der heil. Mutter Gottes, durch den hochwürdigsten Mitropoliten von Kiew, und durch den Erzbischof von Rostow, Cyrillus, und ward mit großer Feyer und vielen Lustbarkeiten vollzogen.

 

In eben diesem Jahr gieng der Großfürst Swätoslaw Wsewolodowitsch nebst seinem Sohne, dem Fürsten Dmitri Swätoslawitsch in die Horde zum Chan Sartak, dem Sohne Batü's und ward mit Achtung empfangen.

 

Im Jahr 1251 kam der Großfürst Alexander Jaroslawitsch aus Pereslawl in Groß-Nowgorod an, und es war deshalb überall Freude unter dem ganzen Volk.

 

Als aber die Nowgoroder erfuhren, daß Fürst Alexander Anstalten treffe, nach Kiew zu ziehen *), bestürmten sie ihn mit Bittten, daß er

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*) Der Großfürst Daniil Romanowitsch von Halitsch schrieb sich damals Selbstherrscher von Kiew und ganz Rußland, und beherrschte in der That den südwestlichen Theil von Rußland; wenn also Großfürst Alexander, wie hier gemeldet wird, Anstalten machte, nach Kiew zu ziehen, so konnte dies auf keine andere Weise geschehen, als mit bewaffneter Hand oder hinlänglicher Macht, wegen des zu erwartenden Widerstandes der Fürsten von Halitsch und Tschernigow, welche sich für die ältesten Stammgenossen hielten. Die Nowgoroder hingegen, welche unaufhörlich Einfälle von den Litthauern, den in Livland ansäßig gewordenen Deutschen, den Schweden und Dänen besorgten, verweigerten dem Alexander, wie man hier sieht, das Kriegsheer nur um ihrer Selbstvertheidigung willen: denn der Eroberung wegen nach Kiew zu ziehen, konnte ihnen unter solchen Umständen weit dünken; alle aber wünschten, Alexandern, als einen weisen Fürsten und als den berühmtesten Feldherrn dieses Zeitalters, bey sich zu behalten. Da nun Großfürst Alexander blos mit seinen eigenen und Pereslawischen Truppen nicht stark genug war, den Halitschischen und Tschernigowischen vereinigt die Spitze zu bieten, so verschob er diesen Feldzug auf eine günstigere Zeit.

 

 

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129 unter dem G. F. Alexander Newsky.

 

bey ihnen bleiben möchte, und weigerten sich, ihm nach Kiew zu folgen. Er blieb also in Groß-Nowgorod und besaß außerdem auch Pereslawl.

 

In eben diesem Jahr gieng der hochwürdigste Cyrillus, Mitropolit von Kiew und ganz Rußland, nebst dem Erzbischoff Cyrillus von Rostow, von Wladimir (an der Kläsma) nach Nowgorod, wo ihm die ganze Priesterschaft mit den heil. Kreuzen, die Archimandriten und Igumenen und die angesehensten Männer des Großfürsten Alexander Jaroslawitsch nebst vielem Volk mit großen Ehrenbezengungen entgegen giengen; die Nowgoroder aber baten ihn, daß er ihnen den Dalmat zum Bischof setzen möchte.

 

Storchs Mater II. Bd.

 

 

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130 Annalen des Russischen Reichs

 

In eben diesem Jahr befiel Großfürst Alexander Jaroslawitsch zu Nowgorod an einer schweren Krankheit.

 

Auch regnete es in diesem Jahr zu Nowgorod so häufig und stark, daß alle Kornfelder und Wiesen überschwemmt, und die große Brücke über den Wolchow-Fluß vom ausgetretenen Wasser weggerissen wurde; im Herbst aber schlug der Frost allen aufgesammelten Vorrath nieder.

 

In eben diesem Jahr kehrte Fürst Gleb Waßilkowitsch aus der Horde zurück, und gieng nach seinem Erbtheil Beloosero.

 

Von Seiten der Tataren war dieses Jahr friedlich.

 

Im Jahr 1252 gieng Großfürst Alexander Jaroslawitsch von Nowgorod abermals in die Horde zum Chan Sartak, dem Sohne Batü's, um ihn zu bewegen, daß er den gegebenen Befehl aufheben möchte, in ganz Rußland Truppen zu stellen, und sich in Bereitschaft zu halten, mit den Tataren gemeinschaftlich in den Krieg zu ziehen *); in Nowgorod ließ Alexander seinen Sohn, den Fürsten Waßilii Alexandrowitsch

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*) Mengu-Chan, der im Jahr 1251 zur Chanischen Regierung gelangt war, sandte damals ein tatarisches Heer nach Thibet und ein anderes nach Persien, während Newrui mit seinem abgesonderten Truppenkorps gegen den Fürsten Andrei von Susdal abgeschickt wurde.

 

 

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131 unter dem G. F. Alexander Newsky.

 

zurück, Pereslawl hingegen übertrug er seinem Bruder, dem Fürsten Andrei Jaroslawitsch von Susdal. Dieser letztere, obgleich mit Edelmuth und Tapferkeit begabt, achtete dennoch die Regierung seiner Lande als eine Nebensache, befliß sich unaufhörlich der Jagd, und vertraute sein Ohr jungen und unverständigen Rathgebern, durch welche gar viel Unordnung, Verarmung der Unterthanen und Mangel in den öffentlichen Einkünften entstand; die schlechte Finanzverwaltung aber hatte zweyjährige Rückstände in den Abgaben zur Folge.

 

Die Tataren hatten lange das Aeußerste gedroht. In diesem Jahr endlich sandte der Chan den Zarewitsch Newrui und die tapfern Krieger, den Fürsten Katiak und den Fürsten Alübuga mit einem großen Heer Tataren wider den Fürsten Andrei Jaroslawitsch von Susdal und wider sein ganzes Susdalisches Land. Sie giengen den 23sten Julius durch eine Furth über den Fluß Kläsma unterhalb Wladimir, und zogen nach Susdal.

 

Früh Morgens am Tage des heiligen Boris, den 24sten Julius, ging ihnen Fürst Andrei mit dem aus Pereslawl zusammengebrachten Heer und seinen Susdalischen Truppen entgegen, und lieferte ihnen eine Schlacht. Das Blutbad war groß, der Sieg aber blieb den Tataren, ihrer Menge wegen. Fürst Andrei von Susdal, der sich nur mit Mühe gerettet hatte,

 

 

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132 Annalen des Russischen Reichs

 

und sein Heer zerstreut und geschlagen sah, flüchtete nach Pereslawl am See Kleschtschino; die Tataren verfolgten ihn zwar, aber er entkam aus ihrer Mitte und reiste nach Nowgorod. Nun setzten die Tataren den Krieg in der umliegenden Gegend von Susdal und Pereslawl fort und stifteten viel Unheil an; der Zarewitsch Newrui mit seinen Gefährten nahm Pereslawl (am See Kleschtschino) wo die Gemahlin Jaroslaw's, des Fürsten von Murom (Schwiegermutter des Fürsten Boris Waßilkowiksch von Rostow) mit ihren Kindern und der Wojewode Shidislaw von den Tataren umgebracht wurden; die übrigen Kinder des Fürsten Jaroslaw's von Murom aber und alle seine Leute nahmen die Tataren gefangen und führten selbige mit sich nach der Horde, wohin sie darauf zurückkehrten.

 

Fürst Andrei kam zwar in Nowgorod an, wurde aber von den Nowgorodern nicht aufgenommen, und reiste also nach Pleskow, wo er seine Gemahlinn Ustinija Daniilowna erwartete, die er wegen des Ueberfalls der Tataren, unter der Begleitung von Bojaren, nach Kolüwan (Reval) abgeschickt hatte. Als sie bey ihm angelangt war, begab er sich mit ihr nach Livland, wo er bey seiner Ankunft in Riga von dem Heermeister *) empfangen, und mit großen Ehrenbezeugungen aufgenommen ward.

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*) Der damalige Heermeister war Andreas Stuckland.

 

 

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133 unter dem G. F. Alexander Newsky.

 

In diesem Jahr starb, auf seiner Rückkehr aus der Horde, Großfürst Swätoslaw Wsewolodowitsch von Wladimir (an der Kläsma) am 3ten Februar.

 

In dem nämlichen Jahr kam Großfürst Alexander Jaroslawitsch aus der Horde mit großen Ehrenbezeugungen nach Wladimir (an der Kläsma). Der hochwürdigste Mitropolit von Kiew und ganz Rußland gieng ihm bey der güldenen Pforte mit den heil. Kreuzen, mit der ganzen Priesterschaft und mit vielem Volk entgegen, und der Großfürst nahm Besitz vom Großfürstenthum Wladimir *). Mit dem Großfürsten Alexander kam nach Wladimir Fürst Dmitrii Swätoslawitsch (der Sohn des Großfürsten Swätoslaw Wsewolodowitsch von Wladimir.)

 

Und es begann Großfürst Alexander wiederum Städte und Kirchen zu erbauen, und die Flüchtigen zu ihren Häusern zu sammeln;

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*) Dies beweist hinlänglich, daß Großfürst Alexander nicht eher zum Großfürstenthum Wladimir gelangte, als nach dem Tode seines Oheims, Swätoslaw Wsewolodowitsch. Jedoch kann ihm Sartak wohl die Zusage gegeben haben, entweder Kiew oder Wladimir im Fall der Erledigung zu bekommen, weit er Alexandern wirklich hochschätzte, und sogar, wie man aus den Annalisten sieht, auf seine Vorstellung die schon angeordneten Steuern und Truppenwerbungen aufhob.

 

 

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134 Annalen des Rußischen Reichs

 

und die Städte füllten sich wieder an mit Leuten aus allen Gegenden des Rußischen Landes, mit denen von Halitisch, Wollhymen, Kiew, Tschernigow, Perejaslawl und von vielen andern Orten her, und es war nach dem Spruch des Propheten: Ist eines Landes Fürst gütig und willfährig , so ist er das Ebenbild Gottes; er sammelt nicht Schätze, er verachtet nicht des Unschuldigen Blut, ist ein Vater der Wittwen und Waisen, ein Richter zur Gerechtigkeit, ein Ernährer der Dürftigen, Liebhaber der Gnade und nicht Liebhaber des Goldes, den Kindern seines Hauses ein Segen, und denen, die da draußen sind , oder die von fremden Landen zu ihm kommen, ein Pfleger; auf solche sieht Gott und erzeigt ihnen seine Gnade, gleichwie Gott auch diesem Großfürsten Alexander Wohlthaten erwies, ihn mit Ueberfluß und Ruhm segnete, und ihm in allem Fortgang und Gedeihen verlieh.

 

In eben diesem Jahr schickte der Römische Pabst (Innocentius IV.) von seinetwegen und von Seiten des Kollegiums der Kardinäle, Gesandte, und namentlich den Haldus von Hemon, an den Großfürsten Alexander Jaroslawitsch, um eine Vereinigung des Glaubens vorzuschlagen. Unter diesem Anerbieten war, nebst andern Dingen die Anerkennung der päbstlichen Obergewalt verborgen, indem sie die Kirchenvereinigung als um desto nothwendiger vorstellten,

 

 

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135 unter dem G. F. Alexander Newsky.

 

weil alsdann die Kräfte der ganzen Christenheit sich gemeinschaftlich den Tataren und ihren Eroberungen widersetzen würden. Großfürst Alexander schrieb ihnen zur Antwort: Das Glaubensbekenntniß der rechtgläubig-morgenländischem griechisch-rußischen Kirche, nach Anleitung der Evangelien der heiligen Apostel Christi, hienächst aber die Aussprüche der heiligen Väter von den sieben allgemeinen Kirchenversammlungen: dieses ist unsere Lehre, die wir verehren; eine andere Lehre aber nehmen wir nicht an, und andern Reden geben wir keinesweges Gehör. Die Gesandten kehrten also nach Hause zurück, ohne etwas ausgerichtet zu haben, und so vergrößerte sich überall immer mehr der Ruhm des Großfürsten Alexander, nicht nur von seiner Tapferkeit, seinen Siegen und seiner Regierungsweisheit, sondern auch von seiner geistlichen Standhaftigkeit, seinen christlichen Tugenden und seinem Gottgefälligen Wandel.

 

In eben dem Jahr ward auf Befehl des Großfürsten Alexander Jaroslawitsch von Wladimir und unter dem Segensspruch des hochwürdigsten Cyrillus, des Mitropoliten von Kiew, die Krutizüsche Eparchie errichtet, und Mitrofan als erster Bischof in Krutizü eingesetzt, welcher sechszehn Jahre hindurch dem Bisthum vorstand.

 

In eben diesem Jahr ward der Zarewitsch der Horde zu Rostow vom Erzbischof Cyrillus

 

 

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136 Annalen des Rußischen Reichs

 

von Rostow getauft, und erhielt in der heil. Taufe den Namen Peter. *)

 

Im Jahr 1253 ward zu Rostow die Kirche der heil. Märtyrer Boris und Gleb von dem Rostowischen Erzbischof Cyrillus, in Gegenwart der rechtgläubigen Fürsten, Boris von Rostow and Gleb von Beloosero, eingeweiht.

 

Am 11ten September dieses Jahres ward dem Fürsten Boris Waßilkowiksch von Rostow ein Sohn, Namens Dmitrii geboren.

 

Damals kamen auch die Litthauer nach den nowgorodischen Landen, befehdeten die Gegend von Toropez und Drui, und kehrten mit vielen Gefangenen heim. Fürst Waßilii Alexandrowitsch von Nowgorod aber, der damals nur dreyzehn Jahre alt war, nebst den nowgorodischen Heerführern und den Nowgorodern und den Starorussanen, holten die Litthauer bey Toropez ein, schlugen sie, nahmen ihnen alle Gefangene ab, und kehrten darauf wohlbehalten nach Nowgorod zurück.

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*) Um diese Zeit bezeigten viele Tataren, und namentlich auch Sartasch und Mengu, Neigung vom Götzendienst abzustehen, und erlaubten die freye Ausübung des Gottesdienstes in der Horde Leuten von verschiedenen Religionen, die außerdem mit Weibern und Kindern daselbst wohnten. Dies dauerte so lange, bis sie den mahomedanischen Glauben annahmen.

 

 

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137 unter dem S. F. Alexander Newsky.

 

In diesem Jahre war eine große Feuersbrunst in Nowgorod, in welcher die Slawna, von der Kirche des heil. Ilga bis zur Gasse Nutnaja, verbrannte.

 

In dem nämlichen Jahr befehdeten die Jatwägen und Litthauer die Gegend von Pinsk, Bussowka und Dorogitschin. Als sie aber wieder heimkehrten, überfiel sie Fürst Waßilii Romanowitsch von Wladimir in Wolhynien und schlug und zerstreute sie.

 

In eben dem Jahr vermählte sich Fürst Rostislaw Michailowitsch von Tschernigow mit der Tochter Bela's des Königs von Ungarn, und bald darauf zog er unter dem Beystande seines Schwiegervaters mit einem Kriegsheer gegen den Großfürsten Daniil Romanowitsch von Halitsch in Wolhynien zu Felde. Als er bey der Stadt Halitsch angekommen war, traf er auf den Großfürsten Daniil, der sein eignes großes Heer und das Heer seines Bruders, des Fürsten Waßilii von Wladimir in Wolhynien bey sich hatte. Nach einem langen und hartnäckigen Kampfe trug endlich Großfürst Daniil von Halitsch den Sieg davon, Fürst Rostislaw Michailowitsch von Tschernigow aber, der sein ganzes Heer verloren hatte, zog sich nach Ungarn zurück. Bald darauf starb er kinderlos; nach ihm aber regierte in Tschernigow sein Brnder, Fürst Roman Michailowitsch.

 

In eben diesem Jahr kamen aus Jurjewo (Dörpt) die livländischen Deutschen mit andern

 

 

 

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138 Annalen des Rußischen Reichs

 

Völkerschaften *) nach Pskow, und verbrannten daselbst die Dörfer; aber die von Pskow fielen schnell über sie her und tödteten viele Deutsche. Als die Nowgoroder das Unrecht vernahmen, welches die Deutschen in Pskow verübt hatten, zogen sie nebst den Kareliern wider sie aus, bekrieqten alle Wohnsitze an der Narowa und verwüsteten die Gebiete. Da sandten die Deutschen Abgeordnete nach Pleskow und Nowgorod, wegen des Friedens zu unterhandeln, und fügten sich in allem nach dem Willen der Nowgoroder und Pleskower, und schlossen auf solche Weise den Frieden **)

 

*) Fürst Andrei Jaroslawitsch von Susdal war nach seiner Abreise von den Tataren, aus Susdal und Pereslawl nach Pskow gegangen; als er aber genöthigt war, sich von dort zu entfernen, reiste er zu den deutschen Rittern nach Dörpt und Riga, wo er mit Achtung aufgenommen ward, wie oben erzählt werden ist. Hier suchte er um Hülfe gegen die Pleskower an, von welchen er sich gekränkt und beleidigt glaubte, und dies war die Ursache, weshalb die Deutschen, zufolge ihres dem Fürsten Andrei gegebenen Versprechens, gegen Pskow zogen, wie hier geschrieben steht. Da sie aber die Stadt nicht einnahmen und geschlagen wurden, so schlossen sie im folgenden Jahr Frieden mit den Pleskowern und Nowgorodern; diese sowohl als jene fürchteten damals die Tataren, welche Nowgorod und Litthauen mit einem Einfall bedrohten.

 

**) Damals gieng Fürst Andrei Jaroslawitsch von Riga nach Kolüwan (Reval), wo er seine Gemahlinn zurückließ und seine Reise über das Meer nach Schweden fortsetzte, woselbst er von dem Regenten Warhus oder Birger, zur Zeit der Minderjährigkeit des Königs von Schweden Waldemars I, achtungsvoll aufgenommen wurde.

 

 

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139 unter dem G. F. Alexander Newsky.

 

Zur Zeit des Einfalls der Deutschen in Pskow begannen die Pleskower mit dem Fürsten Jaroslaw Jaroslawitsch von Twer Unterhandlungen zu pflegen, um ihn zu ersuchen, daß er mit Kriegsmacht zu ihrer Vertheidigung zu ihnen kommen möchte. Er verließ deshalb Twer im Winter des Jahrs 1254, und gieng nach Pskow; die Einwohner daselbst empfiengen ihn mit Ehrenbezeugungen, und baten ihn, daß er bey ihnen bleiben möchte, indem sie von ihm Schutz hofften. *)

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*) Dieses Verfahren der Pleskower war der Anordnung entgegen, die Großfürst Jaroslaw Wsewolodowitsch in seinem Testament gemacht hatte, nach welchem Nowgorod und Pskow dem Alexander, Twer aber dem Jaroslaw bestimmt war. Als nun Alexander zur Herrschaft von Wladimir gelangte, setzte er seinen Sohn, den Fürsten Waßilii Alexandrowitsch in Nowgorod ein; da jedoch dieser Fürst damals nur vierzehn Jahre alt war, so sieht man wohl, daß die Pleskower mehr Vertrauen auf die guten Anstalten des Fürsten Jaroslaw von Twer, als auf die nowgorodischen Bojaren setzten, die der Jugend ihres Fürsten mit Rathschlägen zu Hülfe kamen, und gegen welche sich schon in Nowgorod selbst Mißvergnügen zu äußern anfieng.

 

 

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140 Annalen des Russischen Reichs

 

In eben diesem Jahr ward dem Fürsten Boris Waßilkowitsch von Rostow sein Sohn Konstantin geboren.

 

In eben diesem Jahr nach dem großen Osterfeste starb zu Uglitsch Fürst Konstantin JarosIawitsch von Halitsch in Sewerien. Sein Leichnam ward nach Wladimir (an der Kläsma) gebracht, wo selbigem der Bruder des Verstorbenen, Großfürst Alexander, nebst dem Mitropoliten Cyrillus und der ganzen Priesterschaft, und die Bojaren mit einer großen Menge Volks entgegen giengen, und wo er in der Kirche der heil. Mutter Gottes von Wladimir beygesetzt wurde. Zu Halitsch in Sewerien aber folgte in der Regierung Fürst David, Sehn des Fürsten Konstantin Jaroslawitsch.

 

Im Jahr 1255 begannen einige nowgorodische Bojaren, aus Unzufriedenheit und Mißgunst gegen ihre dem Fürsten Waßilii Alexan-drowitsch umgebende Brüder, Unterhandlungen mit den Pleskowern, und ließen durch selbige den Fürsten Jaroslaw Jaroslawitsch von Twer, der sich von Twer nach Pskow begeben hatte, zu sich nach Nowgorod einladen, um ihn, sobald er käme, in Besitz des Fürstenthums Nowgorod zu setzen. Es gelang ihnen, den Fürsten Jaroslaw durch die Vorstellung zu überreden: er sey unter den Fürsten älter als sein Neffe, der Fürst Waßilii; wenn gleich sein Bruder Alexander das Großfürstenthum Wladimir

 

 

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141 unter dem G. F. Alexander Newsky.

 

beherrsche, so sey doch sein zweyter Bruder, Fürst Andrei, von den Tataren aus Rußland vertrieben, über das Meer verreist und Gott wisse, ob er noch lebe; ihm käme es eher als andern Fürsten zu, in Nowgorad zu seyn, sowol wegen der Vertheidigung des Landes gegen auswärtige Feinde, als wegen der innern Anordnungen bey den gegenwärtigen, durch die Tataren so gefährlichen Zeiten, welches alles sie von dem Fürsten Waßilii wegen seiner Minderjährigkeit nicht erwarten könnten, da er selbst jetzo kaum sein funfzehntes Jahr erreicht habe. Durch diese und ähnliche Reden bewogen sie den Fürsten Jaroslaw Pskow zu verlassen, und sich nach Nowgorod zu begeben.

 

Diejenigen Bojaren hingegen, welche dem Großfürsten Alexander und seinem Sohne Waßilii treu geblieben waren, sandten, sobald sie diesen Plan erkundschaftet hatten, schleunigst nach Wladimir (an der Kläsma), um den Großfürsten Alexander davon zu benachrichtigen. Da die Bojaren hierauf erfuhren, daß Jaroslaw in der That auf seinem Zuge von Pskow nach Nowgorod begriffen sey, und da sie das Blutvergießen unter Christen und den häuslichen Zwist zwischen Neffen und Oheim nicht gestatten wollten, auch das gemeine Volk durchgehends mißvergnügt und gegen sie war, so verließen sie die Stadt mit dem Fürsten Waßilii Alexandrowitsch, und giengen nach Torshok. Jaroslaw

 

 

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142 Annalen des Rußischen Reichs

 

aber zog in Nowgorod ein, und ward vom Volk mit Freuden empfangen.

 

Als diese Nachrichten nach Wladimir gelangten, gieng Großfürst Alexander sogleich nebst seinem Vetter, dem Fürsten Dmitrii Swätoslawisch, mit einem starken Heer nach Torshok, wo sie den Fürsten Waßilli trafen, und ihren Zug weiter nach Nowgorod fortsetzten. Auf dem Wege erhielt der Großfürst Kundschaft aus Nowgorod, durch den Eilboten Reschetka, einen Nowqoroder, welcher die Nachricht brachte, daß Fürst Jaroslaw Jaroslawitsch Nowgorod verlassen habe, da er die verschiedene Denkart der Einwohner bemerkt, indem die angesehensten Leute von ihm abfielen, und da er gehört habe, daß der Großfürst gegen seine Parthey im Anzuge sey. Die Nowgoroder aber läuteten nach dem Abzuge Jaroslaws die Sturmglocke nach ihrem alten Gebrauch, und beschlossen festzuhalten an dem Hause des Herrn, an dem Nowgorodischen Recht *) und an ihrem Vaterland, sagend: "Sey es

 

*) Warscheinlich verstanden die Nowgoroder hier unter dem Nowgorodischen Recht das vermeyntliche Privilegium, sich selbst aus den Fürsten vom Stamme Rjuriks und Wladimirs l denjenigen, welchen sie wollten, zum Beherrscher zu wählen. Obgleich sie von Zeit zu Zeit Fürsten zu sich beriefen, so erhellt dennoch aus der Geschichte, daß die Großfürsten ihnen auch nach eignem Gutbefinden welche zuschickten, wobey sie zuweilen auf den Wunsch der Nowgoroder Rücksicht nahmen, wobey aber zuweilen auch der Großfürst, den Umständen gemäß, denjenigen aus den Fürsten seines Stammes nach Nowgorod sandte, welchen er glaubte gebührender Weise senden zu müssen.

 

 

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143 unter dem G. F. Alexander Newsky.

 

es zum Tode oder zum Leben, wir wollen unser nicht schonen!"

 

Und es sandten die Nowgoroder ihren hochwürdigsten Erzbischof Dalmat und den Tüsazkoi Kliment zum Großfürsten Alexander Jaroslawitsch mit der Bitte, daß er aufhören möge zu zürnen. Er aber sprach zu ihnen: "Gebt mir heraus meinen Feind, den Poßadnik Ananii; wofern ihr mir ihn nicht ausliefert, werde ich euch mit Krieg überziehen." Die Nowgoroder aber hatten deshalb viele Unterredungen und standen dreymal vier und zwanzig Stunden in voller Rüstung zum Kampf, stündlich den Angriff erwartend. Am vierten Tage sandte ihnen Großfürst Alexander den Fürsten Boris von Rostow mit dieser Erklärung: "Da ihr meinen Feind, den Poßadnik Ananii nicht ausliefern wollt, so nehmt ihm wenigstens das Amt eines Poßadniks ab, und ich werde euch ferner nicht zürnen." Des andern Morgens versammelten sich die Nowgoroder und sprachen:"Dieses hat der Fürst ersonnen nebst unsern Eidbrüchigen; es richtet sie Gott und die heilige

 

 

 

 

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144 Annalen des Russischen Reichs

 

Sophia, daß die Fürsten mit uns hadern!" Demungeachtet nahmen sie dem Ananii das Amt eines Poßadniks ab, und gaben es dem Michail Stepanowitsch, und erhielten vom Großfürsten Alexander Jaroslawitsch den Frieden gänzlich nach seinem Willen, und bekräftigten selbigen durch das Küssen des heil. Kreuzes. Großfürst Alexander zog hierauf in Nowgorod ein, wo ihm der Erzbischof Dalmat mit den Kreuzen und der ganzen Priesterschaft entgegen gieng. Der Großfürst setzte hierauf seinenSohm den Fürsten Waßilii, wieder in das Fürstenthum Nowgorod ein; er selbst aber zog von hier weg mit großen Ehrenbezeugungen, und es ward Friede und große Ruhe.

 

In eben diesem Jahr kehrte der Bruder Alexanders, der Fürst Andrei Jaroslawitsch über das Meer zurück. Der Großfürst empfieng ihn liebreich, und wollte ihm Susdal wieder erstarren; doch da er die Aufmerksamkeit der Tataren fürchtete, und besorgte, daß er selbige reizen möchte, Susdal mit Krieg zu überziehen, so erlaubte er seinem Bruder, dem Fürsten Andrei, sich nach Nishnei-Nowgorod zu begeben. Fürst Andrei reiste also im Jahr 1256 nach Gorodez und nach Nishnei-Nowgorod, um daselbst zu herrschen, und mit ihm reiste Fürst Boris Waßilkowitsch von Rostow mir vielen Geschenken zu den Tataren, desgleichen auch die Gesandten des Großfürsten Alexander Jaroslawitsch,

 

 

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145 unter dem G. F. Alexander Newsky.

 

die ebenfalls Geschenke mit sich führten, welche sämmtlich, nachdem sie von den Tataren Ehrenbezeugungen empfangen hatten, wohlbehalten nach ihrem Vaterlande zurückkehrten. *) Hierauf erstattete Großfürst Alexander seinem Bruder, dem Fürsten Andrei, Susdal, da die Besorgnisse wegen der Tataren verschwunden waren.

 

In eben diesem Jahr kamen die Schweden, Jemen, Sumen, Dänen und Tschuden mit großer Kriegsmacht, und begannen eine Stadt zu bauen am Flusse Narowa. Die Nowgoroder sandten hierauf zum Großfürsten, um ihn davon

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*) Die Ursachen dieser überschickten Geschenke und Gesandtschaften waren folgende: Kurz vorher hatte sich das Gerücht verbreitet, als wenn die Tataren, Zahlmeister (Volkszähler) nach den Städten schicken, und Desätnike, Sotnike und Tüsärschnike Aufseher über Zehn, Hundert, Tausend) anstellen wollten. Hierauf ward in den Russischen Städten beschlossen, dieses nicht zu dulden; um es aber nicht dahin kommen zu lassen, schickte man Gesandte und Geschenke ab. Der Großfürst wünschte noch außerdem, daß sein Bruder, Fürst Andrei, vom Chan wieder eingesetzt werden möchte, welchen Endzweck er auch erreichte; die Zählung hingegen versprach der Chan unter der eignen Direktion der Fürsten zu lassen, und die Zahlmeister wurden also nur gleichsam mit dem Auftrage zu ihnen beordert, die freywilligen Gaben in Empfang in nehmen.

 

Storchs Mater. II. B.

 

 

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146 Annalen des Russischen Reichs

 

zu benachrichtigen; selbst aber schickten sie in ihren Gebieten umher und ließen ein Kriegsheer aufbringen.

 

In dem nämlichen Winter kam Großfürst Alexander, und mit ihm der Mitropolit von Kiew, Cyrillus, noch Nowgorod; der Großfürst zog mit den Susdalern gegen die Tschuden, besiegte sie, kehrte mit vielen Gefangenen zurück und entließ den Mitropoliten von Kiew nach Nowgorod; er selbst aber zog auf unbekannten Wegen, so daß die Nowgoroder nicht wußten, wo und wohin der Fürst gieng. Einige zwar glaubten, daß er gegen die Tschuden zöge; aber er gieng nach Koporje, von wo er die überflüßigen Leute entließ, und hierauf mit seinem Pereslawischen und Susdalischen Heer und mit den Nowgorodern gegen die Schweden und Jemen zu Felde zog, um ihrer vieler Unthaten, Beleidigungen und Einfälle willen; entschlossen, keine Feindseligkeiten weiter zu erdulden, wofern sie die bisherigen nicht vergüten würden. Der Marsch war so schlecht, daß man weder Tag noch Nacht sah, (sie zogen im Winter über den Ladoga-See gen Norden) und sie giengen über unwegsame Gebirge. Da sie angelangt waren, bekriegten sie die Jemen und alle am Meer gelegene Gebiete, und kehrten darauf mit vielen Gefangenen und mit Ruhm zurück; das Land ward berühmt durch den furchtbaren Feldzug Alexanders, und alle kamen

 

 

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147 unter dem G. F. Alexander Newsky

 

mit dem Großfürsten wohlbehalten in Nowgorod an. Bey seiner Rückkunft ließ Großfürst Alexander seinen Sohn, den Fürsten Waßilii, in Nowgorod; er selbst aber gieng nach den an der untern Wolga gelegenen Oertern, und nahm die Nowgorodischen Gesandten, Elferii und Michail Pischtschinitsch mit sich, welche nach der Horde giengen.

 

Jn eben diesem Jahre trug der Großfürst Daniil Romanowitsch von Kiew und Halitsch in Wolhynien nebst seinem Bruder, dem Fürsten Waßilii Romanowirsch von Wladimir in Wolhynien, mehrere Siege über die Jatwägen und Litthauer davon, vertrieb selbige über den Fluß Jassolda, und befreyte viele Christen aus der Gefangenschaft. Auch in Livland schlug er die Kreuzfahrer und Deutschen, trieb sie über die Narowa, verfolgte sie bis nach Riga, und kehrte mit einer beträchtlichen Menge Gefangenen zurück.

 

In eben diesem Jahr entschlief zu Pereslawl der Bruder Alexanders, Fürst Daniil Jaroslawitsch, und zu Räsan Fürst Oleg Ingwarewitsch von Räsan. Dieser letztere nahm vor seinem Ende, am Mittwoch in der Charwoche, die Tonsur an, und ward am 8. März in der Kirche des Erlösers beygesetzt; nach ihm aber folgte zu Räsan sein Sohn Roman.

 

Im Jahr 1257 gieng Großfürst Alexander Jaroslawitsch von Wladimir zum drittenmal

 

 

 

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148 Annalen des Russischen Reichs

 

nach der Horde, und mit ihm giengen Fürst Boris Waßilkowitsch von Rostow, Fürst Andrei Jaroslawitsch von Susdal und Fürst Jaroslaw Jaroslawitsch von Twer mit vielen Geschenken. Die Tataren bewillkommten sie bey Ulawatschi, worauf sie wohlbehalten heimkehrten. *)

 

In eben dem Jahr vermählte sich Fürst Gleb Waßilkowitsch von Beloosero in der Horde, und kehrte nebst seiner Gemahlin Feodora vom Chan mit großen Ehrenbezeugungen nach seiner

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*) Dieser Zug der Russischen Fürsten in die Horde wurde augenscheinlich in der Absicht unternommen, die Tataren zu bereden, daß sie sich mit den Geschenken begnügen, und nicht auf den Einfall gerathen möchten, die unter dem Namen Tamga bekannte Steuer einzuführen; desgleichen um die Zahlung und Anstellung der Desätniken, Sotniken und Tüsazki abzuwenden, weshalb die Tataren schon zuvor nach Räsan und Murom gegangen waren. Die Fürsten stellten dem Chan vor, daß das ganze Land gemeinschaftlich gegen diese Neuerungen aufstehen würde; Chan Mengu aber hatte damals schon nicht mehr die Macht, die Batü (der kurz zuvor gestorben war) und dessen Vorgänger besaßen; denn da die Nachkommen des Tschingis sich vermehrten, theilten sie die Ulussen (Stämme) unter sich, und ihre Horden, die in weiter Entfernung in einem großen Theil von Asien, Afrika und Europa zerstreut waren, standen gewöhnlich schlecht mit einander, und geriethen oft unter sich in Streit.

 

 

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149 unter dem G. F. Alexander Newsky.

 

Heymath zurück. Bey seiner Ankunft zu Rostow ward er an der Kirche vom Bischof Cyrillus empfangen, und nachdem er seine Andacht verrichtet hatte, erhielt er den Segen vom Bischof und von seiner Mutter, der Fürstin Moria Michailowna.

 

In eben dem Jahr zog Großfürst Daniil Romanowitsch von Kiew und Halitsch in Wolhyniem mit seinem Sohne Lew und mit den Litthauischen Fürsten Wikent und Erdwik, dem König von Ungern zu Hülfe gegen die Schwiegersöhne desselben, die Fürsten von Mähren und Böhmen, und nachdem diese besiegt waren, kehrte er mit großer Beute nach seiner Heymath zurück. Nach diesem Siege krönte sich Großfürst Daniil auf inständiges Bitten seiner Mutter mit der Zarischen Krone.

 

Im Jahr 1258 kamen Tatarische Zahlmeister nach Wladimir an der Kläsma; da dies aber dem Versprechen zuwider war, welches der Chan Alexandern gegeben hatte, so befahl der Großfürst alle aus der Horde geschickte Rechnungsführer und Zahlmeister aus allen Rußischen Städten herauszuschickem und sandte hierauf seine eignen Leute, die Steuern, nach alter Einrichtung, aber nicht nach Tatarischem Gebrauch, zu erheben. *)

 

*) Um diese Zeit waren den Tataren zinspflichtig:

 

die Ugren, Tschechen, Lächen, Jatwägen, Litthauer, die am Meer wohnenden Deutschen, die Tschuden, Korelier, Ustjugen, beyderseitige Bolgaren, die Burtassen, Tscherkessen, Mordwanen, Tscheremissen und Polowzen.

 

 

 

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150 Annalen des Russischen Reichs

 

Um die nämliche Zeit reisten Gesandte von der Horde nach Nowgorod, und der Großfürst sendete seine Leute mit ihnen.

 

Fürst Waßilii Alexandrowitsch von Nowgorod aber, der den bösen Rathgebern unter den Nowgorodern Gehör gab, beschimpfte die Gesandten der Horde; diese reisten hierauf entrüstet aus Nowgorod weg zum Großfürsten Alexander nach Wladimir, bey welchem sie sich deshalb beschwerten und Genugthuung forderten. Da sie selbige nicht erhielten, wollten sie nach der Horde zurückkehren; der Großfürst aber, das Unheil erwägend, welches hieraus entstehen könnte, berief die Fürsten seine Brüder, und nachdem sie berathschlagt hatten, ließ der Großfürst den Gesandten der Horde sagen, daß er sich ihrer Beschimpfung annehme , als wenn sie ihm angethan wäre, daß sie selbst Zeugen seyn sollten, wie er sie rächen würde, und daß er sie deshalb bäte, bey ihm zu verweilen. In der That war auch der Großfürst durch jene Beschimpfungen beleidigt, weil die Tataren von seinen Kommissarien und Leuten auf der Reise begleitet waren. Dem zufolge zog Großfürst Alexander Jaroslawitsch von Wladimir selbst, mit seinem Bruder dem Fürsten Andrei Jaroslawitsch

 

 

 

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151 unter dem G. F. Alexander Newsky.

 

von Susdal, seinem Vetter dem Fürsten Dmitrii Swätoslawitsch, und dem Fürsten Boris Waßilkowitsch von Rostow, nachdem sie Gesandten der Horde mit sich genommen hatten, mit Kriegsmacht in die Nowgorodischen Lande. Da die Nowgoroder dies vernahmen, geriethen sie in große Bestürzung.

 

Als aber die Fürsten und Gesandten vor Nowgorod angelangt waren, entfloh Fürst Waßilii Alexandrowitsch der ihre Ankunft nicht abwartete, aus Furcht vor dem Zorn seines Vaters, aus Nowgorod nach Pskow.

 

Die Gesandten machten zwar nach ihrer Ankunft in Nowgorod Anstalten die Abgaben einzufordern, nahmen aber solche dennoch nicht an; dagegen gaben ihnen die Nowgoroder viele Geschenke, sowohl für den Chan als für sie selbst, und entließen sie in Frieden. Hieran befahl der Großfürst, zwey Poßadnike, die seinem Sohn böse Rathschläge gegeben hatten, nach dem bürgerlichen Gesetz zu richten, und nachdem sie strenge bestraft worden, ward das Amt des Poßadniks dem Michail Fedorowitsch und die Stelle des Tüsäzkoi dem Shidat Domoshirow gegeben. Der Großfürst aber führte seinen Sohn Waßilii aus Pskow die Wolga hinunter nach Gorodez, und verhütete auf solche Weise alle Folgen dieser feindseligen That; in Nowgorod aber ließ er seinen Vetter, den Fürsten Dmitrii Swätoslawitsch.

 

 

 

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152 Annalen des Russischen Reichs

 

In eben dem Jahr kamen die Litthauer mit den Polotschanen nach Smolensk, und nahmen Woischtschina mit Sturm ein. Auch kamen in dem nämlichen Jahr Litthauer mit Kriegsmacht nach Torshok; da die Nowgoroder sich versammelt hatten, zogen sie gegen selbige, und es war eine große Schlacht; aber die Litthauer siegten und fügten den Einwohnern von Nowotorshok viel Unheil zu. *)

 

In eben dem Jahr eroberten die Tataren ganz Litthauen und kehrten mit vielen Gefangenen und großen Reichthümern nach ihrer Heymath zurück. Dem Fürsten Daniil Romanowitsch von Halitsch schicken sie Gesandten zu, um ihn zu bedrohen und die unbezahlten Abgaben einzufordern.

 

Im Jahr 1259 kamen Gesandte aus der Horde nach Wladimir mit der Nachricht, daß nach dem Tode Batü's sein Bruder Burkai zur Chanschaft in Kipkschak erhoben sey; sie beklagten

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*) Von den Polozkischen und Litthanischen Fürsten siehe im dritten Theil des Rodoslowniks Geschlechtsregisters) das ganze erste Kapitel. Aus demselben erhellt, daß die, vom Großfürsten Mstislaw l Wladimirowitsch von Kiew, verbannten Polozkischen Fürsten, nach ihrer Rückkehr aus Konstantinopel, abermals in Polozk residirten; von ihnen stammen nicht nur die Litthauischen Fürsten, sondern auch die Jagellonen und die übrigen, in jenem Kapitel verzeichneten.

 

 

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153 unter dem G. F. Alexander Newsky.

 

sich zugleich beym Großfürsten, daß sie aus vielen Rußischen Städten die Geschenke und Abgaben für die verflossenen Jahre noch nicht erhalten hätten. Großfürst Alexander, um sie zu beruhigen, gab ihnen die Hoffnung, daß er bey seiner Durchreise durch die Städte, die Zahlfähigkeit einer jeden untersuchen wolle. Zu Nowgorod aber verbreitete sich das Gerücht, daß ein Tatarisches Heer im Anzuge sey, weil die Abgaben nicht richtig eingehoben worden, und der Termin verstrichen sey, die Geschenke nach der Horde zum Chan abzufertigen; die Nowgoroder schickten also ihre Abgesandte mit vielen Geschenken in die Horde zum Chan. Großfürst Alexander reiste selbst nach Rostow, Susdal, Pereslawl und Nowgorod. Während seines Aufenthalts in Nowgorod erschienen bey ihm zwey Tataren, Berkai und Kaßatschik genannt, welche erklärten, daß sie das ganze Nowgorodische Gebiet vom Chan in Pacht genommen, auch schon an die Chanische Schatzkammer einen beträchtlichen Vorschuß abgetragen, und sich dafür ein Chanisches Patent ausgewirkt hätten, um in den Nowgorodischen Gebieten die Steuern nach der Zählung (nach dem Anschlage oder Kadaster) zu erheben. Als das Nowgorodische gemeine Volk dies erfuhr, begann in Nowgorod ein großer Aufstand gegen die Tataren, und das Volk schrie in den Gassen: eher wollen wir sterben für die heil. Sophia, als die Abgabe nach der Zahlung entrichten!

 

 

 

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154 Annalen des Russischen Reichs

 

Die angesehensten Leute zwar sagten, daß man die Tataren auf irgend eine Art zufrieden stellen müsse , damit kein weiteres Aufsehen entstehe; das Volk aber bewies große Widersetzlichkeit und rief: die Vornehmen befehlen, daß das Volk nach der Zählung steuern soll, aber sie selbst wollen sich von der Zählung ausschließen! die Einnehmer, welche sich fürchteten, von dem Volk todt geschlagen zu werden, baten den Großfürsten Alexander inständigst, daß er ihnen Schutzwächter geben möchte; der Großfürst befahl daher dem Sohne des Possadniks und den Bojarenkindern, sie vorzüglich die Nacht über zu bewachen; des Morgens verließ Alexander die Stad und mit ihm die Tataren; die angesehensten Leute aus Nowgorod aber sandten den Tataren die Geschenke zur Reise. Der Großfürst gieng aus Nowgorod nach Pskow, von wo er nach Wladimir (an der Kläsma) zurückkehrte, indem er überall alles zum Bessern anordnete.

 

Kurz darauf lief die Nachricht ein, daß der Chan der Horde, Mengu, bey der Einnahme einer Stadt an der Chinesischen Grenze getödtet sey·

 

Im Jahr 1260 war überall in Rußland Friede.

 

In diesem Jahr zogen Großfürst Daniil Romanowitsch von Kiew und Halitsch in Wolhyniem und sein Bruder Fürst Waßilii Romanowitsch von Wladimir in Wolhynien in den Krieg

 

 

 

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155 unter dem G. F. Alexander Newsky.

 

gegen Mendog, den Fürsten von Litthauen; mit ihnen waren zwey Söhne des Fürsten Mendog: Wikent und Towtewil oder Theophil, und Mistr von Ifland (der Heermeister von Livland) mit seinem Heer. Towtewil nahm Polozk; Großfürst Daniil aber und sein Bruder Waßilii nahmen den Mendog Slonin, Wolkowüisk und Meshibug ab. Als nun Fürst Mendeg von Litthauen die Fortschritte des Großfürsten Daniil sah, sandte er ihm Abgesandte, um den Frieden zu bitten, und übergab ihm seinen Sohn Wüischleg oder Woißelk, in der heil. Taufe Waßilii genannt, als Geißel. Da der Friede abgeschlossen war, kehrten Großfürst Daniil und sein Bruder Waßilii mit Beute nach ihrer Heymath zurück.

 

Im Jahr 1261 ward dem Großfürsten Alexander Jaroslawitsch von Wladimir sein Sohn Daniil geboren.

 

In diesem Jahr gab der Erzbischof von Rostow, Cyrillus, wegen seines hohen Alters und seiner großen Kraftlosigkeit, das Bißthum ab. An seine Stelle kam der Archimandrit des Bogojawlenskischen Klosters, Ignatius, unter der Einsegnung des Mitropoliten von Kiew und ganz Rußland, Cyrillus.

 

In eben dem Jahr starb Fürst Andrei Wladimirowitsch von Uglitsch kinderlos zu Uglitsche-Pole, und ward in eben dieser Stadt in der Kirche des Erlösers beygesetzt.

 

 

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156 Annalen des Rußischen Reichs

 

In eben diesem Jahr setzte der hochwürdigste Cyrillus, Mitropolit von Kiew und ganz Rußland, den Mitrofan zum Sarskischen und Podonskischen Erzbischof ein *).

 

Im Jahr 1262 ward Ignatius zum Bischof eingesetzt in der Stadt Rostow durch den hochwürdigsten Mitropoliten von Kiew und ganz Rußland, Cyrillus, zur Zeit des rechtgläubigen Fürsten Boris Waßilkowitsch von Rostow und seines Bruders des Fürsten Gleb Waßilkowitsch von Beloosero, am 19ten Tage des Monats September.

 

In eben dem Jahr starb der seelige Erzbischoff Cyrillus von Rostow, den 21sten März, und ward beygesetzt in der Kirche der heil. Mutter Gottes zu Rostow.

 

In eben dem Jahr, nachdem Sartak, der Sohn Batü's, in der Horde getödtet worden, ward Rath gehalten in den Rußischen Städten,

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*) D. i. zum Erzbischof von Sarai, dem Wohnsitz der Chane, und von der Gegend am Don, wo mitten unter den Tatarischen Lagerhütten vie-le Christliche Wohnörter und rechtgläubige Kirchen vorhanden waren. Sarai bedeutet im Tatarischen eben das, was Serail auf Türkisch, nämlich das Chanische Residenzschloß. Dieses war auf der Insel zwischen der Wolga und ihrem Arm, Achtuba genannt, erbaut; die steinernen Ruinen der Stadt Sarai erstrecken sich noch heutiges Tages auf dreyßig Werst.

 

 

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157 unter dem G. F. Alexander Newsky.

 

und viele Fürsten kamen unter sich überein, die Tatarischen Pächter und Einnehmer aus ihren Städten zu vertreiben. Dem zufolge verjagten die Fürsten besagte Pächter aus den Städten Wladimir, Rostow, Susdal, Jaroslawl, Pereslawl und Ustjug; einige von ihnen aber wurden zur heil. Taufe bekehrt.

 

In eben dem Jahr sandte Großfürst Alexander Jaroslawitsch von Wladimir den Fürsten Jaroslaw Jaroslawitsch von Twer mit einem Kriegsheer nach Nowgorod, von wo er mit seinem Vetter, dem Fürsten Dmitrii Swätoslawitsch von Nowgorod, und mit dem Schwager des Großfürsten Alexander, dem Fürsten Konstantin Wetscheslawitsch von Witebsk und seinem Heer, nebst dem Fürsten Towtewil von Polozk und seinem Heer, einen Kriegszug mit großer Heeresmacht gegen Jurjew (Dörpt) that. Die Stadt hatte damals drey Mauern, aber sie ward in kurzem durch einen einzigen Sturm gewonnen, und die Deutschen niedergemacht. Es blieben hiebey von Russischer Seite folgende tapfere, biedere und unerschrockene Männer: Peter Mäsnikowitsch, Jakow Gwosdotschnik, Ilja Degterew und Ismail Kusnezow; die Fürsten und Heere aber kehrten siegreich und mit vielen Gefangenen heim.

 

Im Jahr 1263 ward dem Fürsten Gleb Waßilkowitsch von Beloosero sein Sohn Michail geboren.

 

 

 

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158 Annalen des Rußischen Reichs

 

In diesem Jahr langten in Wladimir (an der Kläsma) tatarische Gesandte beym Großfürsten Alexander an, um ihn wegen der Wahl eines neuen Chans an die Stelle des verstorbenen Chans Mengu, zur Berathschlagung nach der Herde zu laden. Großfürst Alexander gieng, obgleich ungern, zum viertenmal in die Horde, abermals aus dem Grunde, damit Rußland in Frieden und Ruhe erhalten, und die Abgaben erleichtert werden möchten. Als er an die Lagerhütten Berkai's gelangte, ward er sehr krank und brachte den Winter daselbst zu. Wie seine Krankheit sich zu bessern anfieng, reiste er wieder zurück nach Rußland, wo er bey seiner Ankunft zu Gorodez abermals krank befiel. Als er sah, daß sein Ende herannahete, ließ er sich im Feodorowskischen Kloster einkleiden, und erhielt den Namen Alexei; in eben der Nacht, den 14ten November, starb er im 44sten Jahr seines Alters.

 

Aus dem Feodorowskischen Kloster ward sein Leichnam in die Stadt Wladimir (an der Kläsma) gebracht, wo demselben sowohl der Mitropolit Cyrillus von Kiew und ganz Rußland nebst der ganzen Priesterschaft, als die Fürsten und Bojarem unter großem Wehklagen des Volks, außerhalb der Stadt entgegen giengen, und wo er in dem Roshdestwenskischen Kloster in der Kirche zur Geburt der heil. Mutter Gottes am 23sten November beygesetzt wurde.

 

 

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159 unter dem S. F. Alexander Newsky.

 

Die Ueberbringung der Reliquien des heiligen Großfürsten Alexander Newski aus der Stadt Wladimir an der Kläsma nach der Stadt des heil. Peters an der Newa erfolgte zu Wasser, zur Zeit des frommen und großen Kaisers Peters des Ersten, den 30sten August 1724, am Tage der Feyer des Nystädtischen mit der Krone Schweden geschlossenen Friedens. Sie wurden in der obern Kirche des Troizkischen Alexander-Newskischen Klosters, an der linken Seite beym Eingange in selbiges Kloster, beygesetzt, von wo sie am 30sten August 790 in die durch die Besorgung und unter der Aufsicht des hochwürdigsten Mitropoliten Gabriel von Nowgorod und St. Petersburg, neuerbaute Kathedralkirche zur hochheiligen Dreyeinigkeit gebracht wurden, ebenfalls zur Zeit des Friedensschlusses mit Schweden. Alexander regierte zehn Jahr Wladimir. *) Seine erste Gemahlinn, die Fürstinn Paraskowia, war eine Tochter des Fürsten von Witebsk, Betscheslaw; die zweyte, Großfürstinn Alexandra, ist zu Wladimir (an der Kläsma) im Uspenskischen

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*) Während seiner Regierung kamen viele ausländische Familien nach Rußland, begaben sich unter seine Herrschaft und traten in seine Dienste.
Während seines Lebens verherrlichte sich dieser berühmte Fürst durch seine weise Regierung und durch viele Heldenthaten: nach seinem Tode aber durch nicht geringe Wunder.

 

 

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160 Annalen des Russischen Reichs

 

Nonnenkloster begraben; die dritte, Großfürstinn Wassa, ist ebenfalls in diesem Kloster begraben. Großfürst Alexander Jaroslawitsch hatte vier Söhne, nämlich

 

1) den Fürsten Waßilii,
2) den Fürsten Dmitrii,
3) den Fürsten Andrei,
4) den Fürsten Daniil.
5) die Fürstinn Ewdokia, welche zu Wladimir an der Kläsma im Uspenskischen Nonnenkloster, neben ihrer Mutter, der Fürstinn Alexandra, der zweyken Gemahlinn des Großfürsten Alexander Jaroslawitsch, begraben ist.

 

 

 

Quelle:

 

Materialien zur Kenntniß des Russischen Reichs.

Herausgegeben von Heinrich Storch, Russisch-Kaiserlichem Hofrath, Korrespondenten der Kaiserl. Akademie der Wissenschaften zu St. Petersburg, und Mitglied der freyen ökonomischen Gesellschaft daselbst. Zweyter Band. S. 118 - 160 Leipzig, 1798. bey Johann Friedrich Hartknoch.