Lepsius 1822 über die Stifterfiguren des Domes zu Naumburg

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I.

Ueber das Alterthum und die Stifter des Domes zu Naumburg und deren Statuen im westlichen Chor desselben.

Hierzu 10 Kupfertafeln.

(Mittheilungen aus dem Gebiet historisch-antiquarischer Forschungen, Heft I. Naumburg, 1822. 4.)

 

Nachdem der Verfasser in seiner Geschichte der Bischöfe des Hochstifts Naumburg vor der Reformation (Bd. I., v. J. 962 — 1304) und in seinem Werke: Naumburg a. S., sein Dom und andre alterthümliche Bauwerke (bei Puttrich, Baudenkmale in Sachsen, Leipzig, 1841) den Gegenstand dieser Schrift mehrfach in historischer und architektonischer Beziehung berührt, und zum Theil weiter ausgeführt hatte, konnte die Rechtfertigung eines theilweisen Wiederabdrucks derselben in Frage gestellt werden. Allein der Verfasser selbst hat sie durch jene beiden Werke keineswegs für beseitigt erachtet, vielmehr nimmt er in denselben häufig darauf Bezug und weist auf die darin gegebenen Erörterungen zurück. Gleichwohl ist sie im Buchhandel längst vergriffen, und daher dem größeren Publikum unzugänglich geworden. — Hierdurch bedingte sich jedoch bei dem gegenwärtigen Wiederabdruck die Weglassung dessen, was (und das gilt namentlich vom architektonischen Theile) dort ausführlich behandelt ist, und von den Urkunden, welche in der Bischofsgeschichte mitgetheilt sind: wogegen wir den lateinischen Text derjenigen Urkunden, welche in der Bischofsgeschichte gar nicht, oder nur in deutscher Uebersetzung gegeben sind, hier nicht glaubten fehlen lassen zu dürfen, zumal sie zu den wichtigsten gehören. Jene Statuen aber, die hier den Haupttheil der Untersuchung bilden, sind in historischer Beziehung im Puttrichschen Werke nur

 

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Lepsius, ges. Schriften. 1

 

 

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äußerst kurz behandelt, und die dort gegebenen lithographischen Abbildungen der Figuren werden dennoch die hier beigefügten Kupfertafeln noch als eine willkommne Beigabe erkennen lassen. Die Anmerkungen sind angemessen abgekürzt, und die architektonische Abhandlung, vorzüglich gegen die Ansichten Büschings (Versuch einer Einleitung in die Geschichte der altdeutschen Baukunst, Breslau, 1821) und Wiebekings (Theoretisch-praktisch-bürgerliche Baukunst, München, 1821) gerichtet, durfte füglich ganz weggelassen werden, weil diese schon längst nicht mehr als Autoritäten gelten, und in neuerer Zeit der Gegenstand anderweit die gründlichste und umfassendste Behandlung in vielen Schriften erfahren hat.

D. H.

 

 

 

Zu den interessantesten Denkmalen altdeutscher Baukunst gehört der Dom zu Naumburg, nicht nur um deswillen, weil wir hier in den verschiedenen und zu verschiedenen Zeiten entstandenen Theilen des Gebäudes, neben den vorherrschenden Ueberresten des neugriechischen, oder römisch-deutschen Styls, die Uebergänge zu der spätern reindeutschen Bauart, und diese schon in einem gewissen Grad der Ausbildung erblicken, sondern auch wegen verschiedener bemerkenswerther Eigenthümlichkeiten in der Anlage und Bauart, wodurch dieses Kirchengebäude sich von andern unterscheidet. Dahin gehört der westlich angebaute Chor, mit seinen merkwürdigen Statuen, welche nicht nur wegen ihrer geschichtlichen Beziehung, sondern auch als Ueberreste altdeutscher Steinbildnerei zu den beachtenswerthesten Kunstdenkmalen aus der Zeit ihrer Verfertigung zu zählen sind.

 

Ueber eben diese Statuen wird das Publikum fortwährend mit mancherlei abgeschmackten und doch vielfältig geglaubten Mährchen, von einer lachenden Braut, ihren und ihres Liebhabers abentheuerlichen Schicksalen u. dergl. unterhalten, und obschon einige bessere Nachweisungen darüber in ältern Schriften vorhanden sind, so sind sie doch theils noch zu wenig zur allgemeinern Kunde gekommen, theils noch zu mangelhaft und zum Theil so entschieden unrichtig, daß es an der Zeit geschienen, diesen Gegenstand neu zu beleuchten und einer gründlichen Forschung zu unterwerfen.

 

Die Aufgabe, die zu lösen war, stellte sich als eine doppelte dar. Einmal kam es darauf an, das Alter und die Bedeutung der Statuen nach den besten Quellen zu erörtern; nebendem aber mußten diese, zum Theil sehr beschädigten und gemißbandelten Bildwerke in ihrem Charakter an sich, und als Denkmale der Kunstfertigkeit aus sehr entfernter Zeit, mit möglichster Sorgfalt und Treue aufgefaßt und dargestellt werden.

 

Schon seit längerer Zeit waren jene Statuen im westlichen Chor der Domkirche ein Gegenstand, der die Aufmerksamkeit der Kunstfreunde und Forscher

 

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im Gebiet der Kunstgeschiehte auf sich zog. Fiorillo und Büsching haben den Kunstwerth derselben sehr erhoben. Letzterer, in seiner Reise durch einige Münster des nördlichen Deutschlands (S. 342), theilt darüber folgende Bemerkungen mit:

 

„Der Chor gegen Abend ist dreiseitig geschlossen. Abend-Chöre sind eine überaus seltene Erscheiuung, und ich erinnere mich zur Zeit keiner eben so eingerichteten Kirche in Deutschland. Der Chor hat gemalte Glasscheiben, von denen sich drei Fenster noch ziemlich gut erhalten haben. Die Gewölbe sind einfach, die Kappen tief ausgehöhlt. Die Gurtfortsetzungen gehen in drei Säulen nieder. Vor ihnen stehen hohe Gestalten, in Stein gehauen und sehr vorzüglich, sowohl in Hinsicht der Gesichter, die ausdrucksvoll und zierlich gearbeitet sind, als auch der Gewänder kunstreich und leicht ausgeführt.

 

Ueber die eigentliche Verfertigungszeit mag ich mir keine Bestimmung erlauben, da ich sie dazu weit genauer hätte untersuchen müssen, als mir erlaubt war. Alle Gestalten sind mit Farben angemalt, und alte Inschriften an den Schilden der Ritter besagen ihre Namen.--“

 

Noch lobpreisender verbreitete sich früher Fiorillo *) über den Kunstwerth dieser Säulen: „Es sind Meisterstücke,“ sagt er, „an denen man sich nicht satt sehen kann.“ — „Fast möchte man der ohnlängst geäußerten ,Hypothese beitreten, daß Sicilianer, von Otto III. nach Deutschland berufen, diese Werke geschaffen, die so schön sind, daß man selbst die spätere, geschmacklose Bemalung mit Farben darüber vergißt u. s. w.“

 

Wenn auch, was Fiorillo und Büsching über die Arbeit an den Statuen sagen, eine zu große Vorstellung von dem Kunstwerth derselben erregen sollte, so ist doch so viel gewiß, daß die meisten in einem großartigen Styl gearbeitet und als Denkmale altdeutscher Art und Kunst um so bewundernswerther sind, als sie gleichsam zu den Incunabeln der deutschen Steinbildnerei gehören, und aus dem Zeitraum ihrer Entstehung gar wenig Bildwerke sich so wohl erhalten haben. **)

 

Man hat an dem Alterthum dieser Statuen gezweifelt. Fiorillo bemerkt, daß sie von einigen für Produkte späterer Zeit gehalten werden. Büsching wagt darüber nichts zu bestimmen. Gleichwohl ist nichts gewisser, als daß sie gerade so alt sind, als dieser Theil der Kirche selbst. Darüber entscheidet ein Umstand, der freilich bei einer nur flüchtigen oder zu entfernten Betrachtung leicht übersehen werden konnte, der Umstand nämlich, daß diese Bildwerke mit

 

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*) Fiorillo, Geschichte der zeichnenden Künste, Bd. I. S. 77.

**) Ders. l. c. S. 466.

 

 

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denjenigen Werkstücken der Gurtfortsetzungen oder Mauerpfeiler, an und vor welchen sie frei aufgerichtet zu stehen scheinen, aus dem Ganzen gehauen sind. *)

 

Gehören nun die Gurtfortsetzungen wesentlich zur Substruction der Gewölbe, so können auch diese Bilder nicht jünger sein, als das Gebäude selbst. Hierdurch widerlegt sich zugleich die Meinung eines ältern Forschers in der Geschichte des Naumburger Stifts, des ehemaligen Domprediger Zader **), daß diese Statuen aus dem vormaligen Kloster St. Georgen in die Domkirche versetzt worden. Das Alter dieser Statuen bestimmt sich daher genau nach der Zeit der Erbauung des westlichen Chors. Es sind Theile der Werkstücke, aus welchen dieser erbaut ist. In Urkunden, alten Beschreibungen der Domkirche und Chroniken führt derselbe verschiedene Namen, als: der neue Chor, der westliche Chor, Chorus occidentalis, aber auch unserer lieben Frauen Kapelle, capella B. Mariae Virginis, auch der neue Chor unserer lieben Frauen.

 

Um über die Zeit der Erbauung sowohl dieses westlichen, als auch des östlichen Chors zu näheren Aufschlüssen zu gelangen, ist es nöthig, in der Geschichte des Kirchenbaues weiter und bis zur ersten Gründung derselben zurückzugehen und den successiven Ausbau derselben in der Ordnung zu verfolgen.

 

Ueber die Zeit der ersten Gründung läßt sich nichts mit Gewissheit bestimmen.

 

Müßten wir annehmen, daß der Bau der Domkirche erst durch die Verlegung des von Kaiser Otto I. zu Zeitz gestifteten Bisthums nach Naumburg veranlaßt worden, so würde das Datum ihrer Gründung nicht über das Jahr 1028 zurückgesetzt werden können; denn nicht früher als in diesem Jahre erfolgte die päpstliche Genehmigung der von dem Kaiser Konrad und den beiden Markgrafen Herrmann und Eckard II. in Antrag gebrachten Verlegung. ***) Es ist jedoch nicht wahrscheinlich, daß vor der Verlegung des Hochstifts zu Naumburg noch keine Kirche existirt haben sollte, welche zur

 

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*) Ein sprechender Beweis, daß in Deutschland die Steinmetzen sich nicht bloß mit dem künstlichen Steinschnitt und der Bearbeitung der Mauersteine zu Säulen, Kapitälern, Friesen u. s. w. beschäftigten, sondern jede Gattung von Bildhauerarbeit fertigten.

**) In seiner handschriftl. Chronik des Stifts Naumburg, von welcher das Original im Magistratsarchiv zu Naumburg, ein Auszug in der Stiftsbibliothek zu Zeitz verwahrt wird. Vergl. Schamel, Beschreib. des Klosters St. Georgen, S. 3.

***) S. Beilage I.

 

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bischöflichen Kirche erhoben werden konnte. Mehrere Gründe vereinigen sich, das Gegentheil anzunehmen.

 

Durch kaiserliche und päpstliche Gesetze war angeordnet, daß Bisthümer nicht an zu kleinen Orten gegründet werden sollten, um die bischöfliche Würde dadurch nicht zu erniedrigen. *) Daß auch bei der Verlegung des bischöflichen Sitzes von Zeitz nach Naumburg jene Erfordernisse in Betrachtung gekommen, daß namentlich mehrere Stifts- und Klosterkirchen hier schon existirten, und daß die Markgrafen Herrmann und Eckard, welche die Verlegung des Stifts in die Stadt Naumburg so eifrig betrieben, ihren Antrag hierdurch hauptsächlich unterstützten, geht aus der Urkunde Kaiser Heinrichs III. vom Jahre 1051 hervor, in folgenden Worten: quod duo principes — — haereditatem suam Deo et beatis Apostolis Petro et Paulo per manum ipsius Imperatoris (Conradi) contulerunt et in ipsa forum regale, ecclesias, congregationes monachorum et monialium construxerunt, ea tamen conditione quod sedes Episcopalis — — de Ziza in Nuenburg praedicto modo constructum referretur. **) Wie hätte auch der Bau der Stiftskirche so schnell zu Stande kommen können, da schon im Jahre 1032, also drei Jahr nach der ausgewirkten päpstlichen Genehmigung, Papst Johann XX. in einer zweiten Urkunde (Beilage No. II.) die nun schon erfolgte Verlegung des Hochstifts nach Naumburg bestätiget.

 

Muthmaßlich wurde schon von Markgraf Eckard I. der Grund zur Naumburger Domkirche gelegt, und dann fällt die Zeit ihrer Gründung noch in das 10te Jahrhundert. Aus jener Zeit möchte jedoch außer der Krypta, so weit nicht mit dieser ebenfalls Veränderungen vorgenommen worden, wenig oder nichts mehr übrig sein. Ueber derselben erhob sich der ursprüngliche Chor. Wenig jünger sind das Schiff, die Seitenflügel und Abseiten, ingleichen die östlichen Thürme; und so weit mochte die Kirche noch vor der Verlegung des Hochstifts zu derselben vollendet sein. Bald nach derselben erfolgte deren feierliche Einweihung. ***)

 

Gewiß nicht früher als im 12ten, wahrscheinlich aber erst im 13ten Jahrhundert, hat die Veränderung und Erweiterung des hohen Chores stattgefunden. Der ältere, im frühern Baustyl, ohne Strebepfeiler ausgeführte, im Halbkreis, wie die Krypta geschlossene und mit einem Nischengewölbe ohne Gurte bedeckte Chor mochte, wie bei dieser Bauart leicht geschehen konnte, weil eine kreisförmige Mauer dem excentrischen Gewölbedruck weniger Widerstand

 

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*) S. Bischofsgeschichte, S. 13.

**) S. Beilage III.

***) S. Bischofsgeschichte S. 16, 17.

 

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leistet, schadhaft geworden sein, mußte abgetragen werden, oder fiel von selbst ein. *)

 

Ein anderer Styl im Kirchenbau war unterdessen aufgekommen. An die Stelle der Kreisform im Schluß der Kirche war das Vieleck, an die Stelle des Nischengewölbes das Kappengewölbe, dessen Gurte an den von außen angebrachten Strebepfeilern ausreichende Widerlage erhielten, und an die Stelle des Kreisbogens über den Maueröffnungen der Spitzbogen getreten. Breite, hohe, spitzig überwölbte Fenster, mit doppelten und dreifachen Stöcken und großartigen Bogenverzierungen hatten die kleinen rund bedeckten Fenster des ältern — neugriechischen — Styls verdrängt, und eine Bauart war herrschend geworden, die in vieler Hinsicht als Gegensatz der frühern erscheint.

 

Hiernach bestimmte sich nun auch der Styl, in welchem der Chor erneuert wurde. Da es aber zugleich darauf ankam, für den Meß- und Chordienst mehr Raum zu gewinnen und, um die Wirkung der neuen Bauart auf das Gemüth zu verstärken, den Schluß des Chors und den Hochaltar weiter zurücktreten zu lassen, so mußte der Chor, über dessen ursprüngliche Grundlage, die Mauer der Krypta, hinaus verlängert werden, und so geschah auch hier, was aus gleichem Grunde an mehrern Orten und häufig geschehen ist.

 

Daß bereits im 12ten Jahrhundert Hauptreparaturen an der Domkirche nöthig geworden, dahin deutet eine Stiftung Bischof Wichmanns, der im Jahre 1152 einen jährlichen Zins von 30 Solidis zur Reparatur des Kirchengebäudes dem Domcapitul vermachte. **)

 

Noch zeigt der hohe Chor einen nicht unbedeutenden Ueberrest alter, bunter Glasfenster. Zu bedauern ist, daß von allen das interessanteste, wovon sich in einer alten Beschreibung der Domkirche eine Abbildung befindet: ein Denkmal nämlich der Verlegung des Hochstifts von Zeitz zur hiesigen Kirche, bei einer Ausbesserung der Fenster in neuerer Zeit, verschwunden ist. Dasselbe stellte in der Mitte einer, aus vier Zirkelstücken zusammengesetzten Figur, einen Papst, und zu jeder Seite desselben einen Bischof dar, jeder durch eine besondre Umschrift um den Kopf bezeichnet: IOHANNES APOSTOLICVS. HVNFREDVS ARCHIEP. HILDEWARDVS EPISCOPVS. (Papst Johann XX. Erzbischof Hunfried zu Magdeburg, Hildeward, Bischof zu Naumburg, unter welchen die Verlegung des Bisthums zu Stande kam.) Das Ganze umgab folgende Umschrift: PA. IOHANNES HVNFREDO.

 

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*) Ein Beispiel liefert die Domkirche zu Merseburg, Cron. Episc. Merseb. p. 364 ad ann. 1040 — 1050.

**) S. Bischofsgeschichte, S. 47.

 

 

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MAGDEBVRG . HILDEWARDO . CIZA . REGENTE AD NVENBVRG . SEDES . TRANSDVXIT. *)

 

Auch dieses Denkmal spricht sehr dafür, daß die Erweiterung des hohen Chors bald nach der Verlegung des Bisthums zur hiesigen Stiftskirche erfolgt sein müsse. Eine treue Copie desselben nach der alten Abbildung wird zugleich dazu dienen, den Styl der ältern Glasmosaik zu charakterisiren. Indeß können nicht alle, im hohen Chor noch vorhandene bunte Glasfenster aus jener Zeit — mehrere derselben müssen später eingesetzt sein. Dafür spricht der Charakter der Schriftzeichen in mehrern, bei den Figuren angebrachten Inschriften: neugothische Minuskel, oder sogenannte Mönchschrift, welche nicht vor dem 13ten Jahrhundert auf Denkmälern und Bildwerken vorkommt. Zu vermuthen ist, daß diese spätern Fenster unter dem Dekanat eines Domdechant Ulrich gefertigt wurden. Dahin deutet ein Votivgemälde aus einem derselben, eine Erscheinung Christi darstellend, mit der Umschrift: To petit Ulricus post fata, Decanus amicus etc., welches aber auch nicht mehr vorhanden. Wir kennen aber keinen frühern Dechant dieses Namens, als Ulrich von Ostrau, welcher das Dekanat vom Jahre 1308 bis 1330 verwaltete. **)

 

Bemerkenswerth ist der Umstand, daß dieser westliche Anbau in Urkunden, Chroniken und handschriftlichen Beschreibungen der Domkirche der neue Chor genannt wird. Unstreitig ist diese Benennung so alt, als der Bau selbst; sie entstand, als dieser Chor noch neu war, in Beziehung auf einen schon vorhandenen ältern, nämlich den östlichen Chor.

 

Alle Formen im westlichen Chor deuten auch auf die erste Hälfte des 13ten Jahrhunderts. Um diese Zeit hatte der deutsche Baustyl sich in den Hauptformen entwickelt, aber doch bei weitem noch nicht die Leichtigkeit, den Schwung und Reichthum erreicht, der die spätern Bauwerke auszeichnet, und neben dem neuern Styl blicken immer noch, besonders in den Details der Verzierungen, neugriechische Formen hervor, die seit der Mitte des 13ten Jahrhunderts immer mehr verschwinden.

 

Von den bunten Fenstern, die sich in diesem Theil der Kirche erhalten haben, dürfen wir annehmen, daß sie durchgängig noch zu den ursprünglichen, gleich nach der Beendigung des Baues eingesetzten, gehören. Dahin deuten

 

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*) S. ebendas. S. 14, 15, und unsere Abbildung hier Tab. X.

**) Beschreibungen der bunten Fenster der Domkirche, so weit sie sich bis zum 17. Jahrh. erhalten hatten, s. bei Groitzsch (descript. Salae fluvii, Lips. 1594), in Zaders Chronik und den ältern handschriftl. Beschreibungen der Domkirche.

 

 

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die Schriftzeichen — neugothische Majuskel — wie sie vor der Einführung der Minuskel aus Denkmälern vorkommt. *)

 

Indeß ist so viel gewiß, daß das Alter dieser Fenster nicht über die Mitte des 13ten Jahrhunderts hinausreicht, weil aus einem dieser Fenster, das aber nun nicht mehr vorhanden, nebst mehrern Bischöfen aus dem 12ten und 13ten Jahrhundert, die ehemals **) darauf dargestellt und durch die Umschriften bezeichnet waren, auch Bischof Engelhard mit vorkam, der dem Bisthum bis zu seinem Ableben, 1243, vorgestanden.

 

Hierdurch ist die Vermuthung begründet, daß der westliche Chor erst unter Engelhards Nachfolger, Bischof Dietrich II., erbaut worden, und mehrere Umstände vereinigen sich, diese Vermuthung zu bestätigen und fast außer Zweifel zu setzen.

 

Im Jahre 1249 erließ Dietrich einen offenen Brief, in welchem er sein Vorhaben, den Bau der Domkirche zu vollenden (totius operis consumationem), ankündiget und eine allgemeine Aufforderung erläßt, ihn bei seinem Vorhaben durch milde Beiträge zu unterstützen. ***) Dieser Urkunde ist ein namentliches Verzeichnis der ersten Stifter und Stifterinnen der Domkirche eingeschaltet, und so wie dieses Verzeichnis an die Bildsäulen jener Stifter und Stifterinnen im westlichen Chor erinnert, so scheint auch der Urheber jener Statuen deutlich aus dem Inhalt dieser Urkunde hervorzublicken.

 

Unverkennbar spricht sich ein gewisses Interesse, das Bischof Dietrich an den Personen der von ihm genannten Stifter nimmt, und die Absicht aus, durch ihre Namensnennung ihr Andenken zu erneuern und fortzupflanzen.

 

Den Grund dieses Interesse Bischof Dietrichs an jenen Personen zu entdecken, ist gerade nicht schwer. Dietrich stammte, wie mehrere seiner Vorgänger, aus Wettinischem Geschlecht. ) Er war ein Sohn Markgraf Dietrichs,

 

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*) Gatterer, Praktische Diplomatik, S. 135.

**) S. Groitsch und Zader.

***) Die Urkunde s. abgedruckt in der Bischofsgeschichte, S. 292, Nr. 64.

) Folgende Bischöfe zu Naumburg bis zu Dietrich stammten aus dem Wettinischen Hause: 1) Günther, -der siebente Bischof, ein Sohn des Gero und der Bertha (Annex. Chron. Mont. ser. ed. Mader p. 203). 2) Dietrich, der neunte Bischof. (Albin in Chron. Misn. 284.) 3) Günther II. Derselbe scheint aber bald nach der Wahl verstorben und nicht wirklich eingeführt worden zu sein. (S. Paul Lange.) 4) Wichmann, Sohn des Grafen Gero aus Baiern und der Mathilde, Tochter des Thimo von Wettin. (S. Chron. Mont. Ser. am angez. Orte. Chron. Bigaug. ibid p. 260.) 5) Berthold, der vierzehnte Bischof, wird für Bischof Wichmanns Bruder gehalten. S. Sagittar hist. Episc. Numb. 6) Dietrich II.

In Blutsverwandtschaft mit dem Wettinischen Hause standen auch Uto I. und II. Von mehrern andern Bischöfen des 12ten Jahrhunderts ist das Geschlecht nicht bekannt.

 

 

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genannt der Bedrängte, und mehrere der von ihm in seinem Briefe genannten und im westlichen Chor aufgestellten Stifter und Stifterinnen der Domkirche gehörten, wie sich aus den weiter unten folgenden Erörterungen ergeben wird, zu seinen Geschlechtsvorfahren.

 

So wie nun dieses Verhältniß für ihn eine Hauptveranlassung sein konnte, auf den Ausbau der Domkirche Bedacht zu nehmen und das von jenen begonnene Werk zu vollenden; so lag es ihm auch vor andern nahe, bei dieser Gelegenheit ihr Gedächtniß zu erneuern, und durch ein dauerndes Denkmal zu verewigen.

 

In diesem Sinne wurde der Bauplan zu dem westlichen Chor entworfen und ausgeführt. Man könnte es die Halle der Stifter nennen. Denn daß jene Bildsäulen nicht die Bestimmung haben, dem Gebäude bloß zur Zierde zu dienen, geht aus der oben bezeichneten Art ihrer Aufstellung, oder vielmehr ihrer, im Bauplan selbst gegründeten Verbindung mit ihrem Standort — den Hauptträgern des Gewölbes — hervor.

 

Indeß erreichte Dietrich seine Absicht, den Kirchenbau zu vollenden, nicht völlig. Denn immer noch fehlte, wie noch jetzt, der vierte Thurm, der nicht weiter als bis zum Kirchendach ausgeführt ist, ob man gleich die Absicht, ihn zu vollenden, noch bis in das funfzehnte Jahrhundert verfolgte. *)

 

Sämmtliche Statuen stehen in der Höhe des Umgangs, 5½ Fuß über dem Boden; hiernach bestimmt sich der Augenpunkt bei den Abbildungen, die wir davon mittheilen. Sie stehen auf kleinen Konsolen unter Baldachinen, die gleich den Statuen mit den Pfeilerstücken, aus welchen sie hervorragen, aus dem Ganzen, und in der Form von Klöstern und Kirchen, unstreitig sie als Stifter bezeichnend, gearbeitet sind. **)

 

Die Männer erscheinen durchgängig in langen, bis an die Knöchel herabreichenden Kleidern und übergeworfenen Mänteln, die meisten in ruhiger Stellung, Schild und Schwert, letzteres in der Scheide, vor sich nieder oder im Arme haltend. Die vergoldeten Verzierungen der bunt gemalten Schilder bestehen größtentheils aus Laubwerk, Blumen, arabeskenartig gebildet, von

 

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*) S. Puttrich, l. c. S. 44.

**) Die Baldachine in dieser Form gehören zu den Eigenthümlichkeiten des in dieser Periode herrschenden Stils an Bilderwerken, und dürften vor dem dreizehnten Jahrhundert nicht leicht vorkommen. Später verschwindet die spielende Nachahmung der Schlösser und Kirchen und geht in freiere und zierlichere Formen über.

 

 

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einem breiten, vergoldeten Schildesrand umgeben. Nur die sechste Figur (Sizzo) zeigt einen stehenden Löwen. Alle, bis auf Sizzo, sind ohne Bart gebildet.

 

Die Frauen sind durchgängig mit langen Roben und faltenreichen Mänteln bekleidet. Letztere sind am Halse umgeschlagen und werden durch ein Band zusammengehalten, welches an einer Seite des Mantels befestiget, auf der andern Seite durchgezogen und am Ende mit einer Quaste versehen ist. Kinn und Wangen umschließt ein knapp anliegendes Tuch; die Stirn, außer bei Figur 2, ein platter Aufsatz, mit Steinen und Perlen reich verziert. An der Brust der meisten Figuren, der männlichen sowohl als weiblichen, ist ein Kleinod — ein Schmuck von Steinen und Perlen — wahrzunehmen.

 

Was den Charakter dieser Bildwerke und die Arbeit anbetrifft, so ist nicht zu leugnen, daß sie, zum größten Theil wenigstens, in einem großartigen Stil und ziemlich richtigen Verhältnissen gearbeitet sind. Die Gesichter sind nicht ohne Ausdruck, die Stellungen — bis aus einige fehlerhafte Arme — natürlich, die Gewänder verständig geordnet. Besonders hat der Bildner die langen Mäntel zu benutzen gewußt, um malerische Formen zu schaffen und zugleich Abwechselung in die Darstellungen zu bringen.

 

Diese Mannigfaltigkeit und diese Freiheit in der Behandlung des Stoffes ist um so bewundernswürdiger, wenn wir die Schwierigkeiten erwägen, mit welchen der Steinmetz zu kämpfen hatte, um die Figuren aus den ungeheuern Werkstücken, und zwar bei den Doppelstatuen zwei aus Einem, und aus dem groben Material des Sandsteins heraus zu arbeiten. So wie sich hierinnen ein ungemeiner Grad von Uebung und technischer Kunstfertigkeit verräth, so deuten die Köpfe, Stellungen und Gewänder auf wahre, nur durch gute Vorbilder erworbene Kunstbildung und Erkenntniß edler Formen, und ist es auch dem Künstler nicht gelungen, sich zum Idealen zu erheben, so ist doch das Streben darnach nicht zu verkennen.

 

Fig. 1. hat durch eine Feuersbrunst sehr gelitten. Ein Theil des Schildes ist abgesprungen. Das Gesicht ist häßlich überweißt, wodurch diese überhaupt nicht vorzügliche Figur noch mehr entstellt wird. Brav ist die Draperie des über den rechten Vorderarm hängenden Mantels, und der unter dem Mantel den Griff des Schwertes umfassenden Hand.

 

tl_files/Fotos/Naumburg/Graf-Dietrich-Stifterfigur-Dom-Naumburg-Puttrich-1841-.jpg

 

Fig. 2. Matrone, im Gesicht beschädiget. Kinn und Wangen umhüllt ein glatt anliegendes Tuch, die Stirn eine schmucklose Binde, und über derselben ein Schleier. Sie hält ein offenes Buch in den Händen und mit der rechten zugleich den faltenreichen Mantel. Bis auf die ein zu scharfes Dreieck bildende Faltenparthie am Mantel vortrefflich drapirt.

 

tl_files/Fotos/Naumburg/Gaefin-Gepa-Stifterfigur-Dom-Naumburg-Puttrich-1841-.jpg

 

Fig. 3. und 4. Die männliche Figur mit der Umschrift: ECHARTVS MARCHIO, zeigt uns eine hohe Gestalt mit ernstem Gesicht. Das gelockte

 

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Haar ist mit einem leichten Barett bedeckt. Der Leibrock wird durch den Gürtel zusammengezogen, wodurch sich über demselben eine Menge kleiner, sehr natürlicher Falten bilden. Der über die linke Schulter herübergezogene Mantel wird durch die Quaste des von der rechten Seite herüber kommenden Bandes festgehalten. Das rechte Knie spielt durch das Gewand, ist aber in der Abbildung zu scharf bezeichnet. Der linke Arm (am Original) ist verfehlt.

 

Zu der männlichen Figur steht die weibliche in richtigem Verhältnis. Ein Theil der Körperform geht, bei dem für die Abbildung gewählten Standpunkt, durch den schweren Mantel verloren. Weit malerischer erscheint dieselbe in einiger Entfernung, von der linken Seite betrachtet, weil auf dieser Seite das Gewand, das sie mit der Linken zusammenfaßt, sehr schöne Falten bildet, auch der Kopf ganz frei erscheint. Schön und faltenreich fällt das Untergewand um die Füße, von denen nur die äußersten Spitzen sichtbar werden.

 

Fig. 5. Männliche Statue im bloßen Kopfe, einfach schlichtes Haar, finsteres, auf dem Original mehr düsteres, Gesicht. Der Mantel ist unter dem rechten Arm hervorgezogen und über die linke Schulter geworfen, wodurch hier viel Faltenwurf entsteht. Gut gearbeitete Hände. Der linke Fuß des Originals nebst einem Theil der Konsole ist abgebrochen. Die Aufschrift lautet: TIMO. DE. KISTERICZ. QVI. DEDIT. ECCLESIE. SEPTEM. VILLAS.

 

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Fig. 6. WILHELMVS. COMES. VNVS. FVNDATORVM. Fettes Gesicht, lockiges Haar, darüber ein ganz leichtes Barett. Der Faltenwurf des Mantels entspricht der Spannung desselben, welche dadurch entsteht, daß er von der rechten Hand gefaßt und nach der linken Schulter hinaufgezogen wird. Der linke Arm ist steif und unnatürlich.

 

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Fig. 7. SIZZO. COMES. DO. Finsteres Gesicht, mit geöffnetem Munde, in welchem die Zähne sichtbar sind. Starkes, lockiges Haar, krauser Bart. Der rechte Arm, welcher das Schwert hält, ist gezwungen. Ueber dem linken theilt sich der von der Schulter herabfallende Mantel, welcher hier in viele, wohlgeordnete Falten zerfällt.

 

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Fig. 8. DIDMARVS. COMES. OCCISVS. Kräftiges Gesicht. Die krausen Haare mit einer Mütze, wie es scheint, von Rauchwerk bedeckt. Schwerfällige Figur; doch erscheint dieselbe in der Abbildung noch breiter, als im Original. Weites, faltenreiches Unterkleid. Der Mantel ist unter dem rechten Arme hervor und über die linke Schulter herum geworfen, daß er über die rechte wieder herüber fällt. Der schwere Schild ist zur Vertheidigung des Oberkörpers bis an den Mund erhoben. Die rechte Hand faßt den Griff des Schwertes, wobei aber nicht zu entdecken, wo dessen ganze Länge Raum findet, ohne sich um die Figur herum zu biegen. Die Statue erscheint zwar unbebülflich und schwerfällig, entspricht aber doch der Idee des Bildners und ist nicht ohne Verdienst.

 

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Fig. 9. u. 10. Beide Statuen sind beschädigt, vorzüglich die männliche, an welcher der rechte Fuß und ein Theil des von der Rechten gehaltenen Mantels fehlt. Das Gesicht des Mannes erscheint trübsinnig, das der Frau heiter und lächelnd. Der fein und leicht gearbeitete Kopf des Originals würde noch mehr an Liebreiz gewinnen, wenn dort der Ausdruck des Lachens mehr gemildert wäre. Die Stellung ist nicht ohne Grazie, im Original fast zu schlank. Der Faltenwurf, besonders am rechten Schenkel, der spielend hervortritt, ist vortrefflich geordnet. Um die Leichtigkeit und Grazie dieser Statue ganz darzustellen, müßte sie mehr von der Seite abgebildet sein.

 

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Fig. 11. Matrone. Das Gesicht, welches in der Abbildung nicht ganz gelungen, ist im Original wohl proportionirt. Weites, gürtelloses, faltenreiches Untergewand, durch welches der rechte Schenkel natürlich hervorspielt; der ganze rechte Arm, nebst einem Theil des Mantels aus dieser Seite, ist weggebrochen, von dem Zeichner aber mit Einsicht ergänzt. Mit der Linken, die vom Gewand verdeckt wird, hält sie, an den Leib angedrückt, ein Buch, wodurch sich hier ein Faltenwurf bildet, der ungemein verständig geordnet ist, wenn auch die Bausche, die von der Spitze des Daumens ausgeht, zu groß erscheint. Unstreitig läßt diese Statue in Rücksicht auf Stellung und Behandlung der Gewänder am wenigsten zu wünschen übrig.

 

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Der Anstrich der Gewänder ist so gewählt, daß sie sich gegenseitig heben, und nicht nur die Verschiedenheit der Kleidungsstücke, sondern auch das Aeußere und Innere der Gewänder, wo diese sich umschlagen, sichtbar wird. Die Kopfbedeckungen der Frauen, die Kleinodien, die Kanten an den Kleidern, sowie die Schildesfiguren und Ränder sind vergoldet. Die Inschriften auf den Schildern einiger der männlichen Figuren bezeichnen die dargestellten Figuren ganz kurz, nur durch die Taufnamen und die persönliche Würde. Man folgte bei dieser Kürze dem ältern Urkunden-Stil. Auch in den Mortuologien und Calendarien der Domkirche, und noch in Bischof Dietrichs Briefe, sind dieselben Personen nur mit ihrem Taufnamen und persönlichen Stand — Marchio, Comes, Comitissa — bezeichnet.

 

Die Schriftzeichen sind sehr charakteristisch; sie nähern sich mehr der gemeinen, als der sogenannten neugothischen Majuskel, weichen aber auch von jener in mehreren Zeichen wesentlich ab. Nicht unwahrscheinlich ist es jedoch, daß auch diese Aufschriften, wie der ganze Anstrich der Bildsäulen, einmal erneuert worden.

 

Sagittar ist gegen Zader *) der Meinung, daß eine solche Erneuerung im 16ten Jahrhundert Statt gefunden haben möge, welches um so

 

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*) Chronik des Stifts Naumburg. Vergl. Schamel, Geschichte des Klosters St. Georgen, S. 3.

 

 

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wahrscheinlicher, da 150 Jahr früher der Bosauische Mönch Paul Lange meldet, daß jene Schilder sehr verblichen seien. *) Vielleicht waren an mehreren Schildern auch die Inschriften so verblichen, daß sie nicht mehr gelesen werden konnten, daher diese leider nicht mit erneuert worden.

 

So viel über das Alterthum und den Kunstwerth dieser Statuen, durch welchen zugleich ihr Werth für die Kunstgeschichte bestimmt ist. Was ihre Deutung anbetrifft, so ist dieselbe im Allgemeinen keinem Zweifel unterworfen. Denn daß sie die Stifter und Förderer des Baues der Domkirche darstellen sollen, darüber entscheidet nicht bloße Tradition und was mehrere Chroniken davon melden, sondern der Umstand, daß die dargestellten Personen, so weit sie durch die Inschriften kenntlich sind, durch die alten Calendarien und Mortuologien **) und sonst als Gründer und Wohlthäter der Domkirche bekannt sind, auch bei den Statuen des Wilhelm und Thimo die beigefügten Bemerkungen: unus fundatorum — qui dedit ecclesiae septem villas — diese Beziehung noch besonders herausgehoben ist.

 

Der Bildsäulen sind überhaupt elf, sieben männliche und vier weibliche. Von diesen die erste (rechter Hand des Eingangs), die dritte und alle folgende in der schon beschriebenen Maaße in die Mauerpfeiler eingemauert. Die zweite Statue ist in dem Felde zwischen zwei Pfeilern auf einer Konsole stehend, frei aufgerichtet, jedoch mit der Mauer durch einen eisernen Stab, der durch den Leib der Statue geht, befestiget.

 

Der Platz gegenüber ist leer, jedoch durch einen Baldachin an der Mauer, als zur Aufstellung einer Statue darunter bestimmt, bezeichnet. Auch ist eine sehr beschädigte Statue, die hier gestanden, aber herabgestürzt sein soll, zwar vorhanden; dieselbe harmonirt aber im Stil nicht mit den übrigen und ist ohne Kunstwerth. Es ist auch keine Konsole, und überhaupt keine Vorrichtung zu deren Aufstellung an der Mauer, und keine Spur, daß eine Statue oben gestanden haben könnte, zu erblicken, daher, wenn diese Statue wirklich bestimmt gewesen sein sollte, den leeren Platz auszufüllen, zu vermuthen, daß sie noch vorher verunglückt und daher bei Seite gesetzt worden.

 

tl_files/Fotos/Naumburg/Graf-Konrad-Stifterfigur-Dom-Naumburg-Puttrich-1841-.jpg

 

An allen übrigen Statuen sind der Schildesrand und andere Stellen vergoldet, bei dieser nicht, und die auf dem weißen Schildesrand schwarz aufgeschriebenen Worte: Conradus Comes sind offenbar von neuerer Hand. Diese Statue hat ehemals in einer unbesuchten Seiten-Kapelle gelegen, und ist erst in neuerer Zeit von einem Kirchner hervorgesucht, mit einem Kopf und Händen von Gyps versehen, angemalt und hierher gesetzt worden.

 

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*) S. Beilage VIII.

**) S. Beilagen V., VI., VII.

 

 

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Schwer ist es, über die in den Statuen dargestellten Personen und ihre Familienverhältnisse ganz befriedigende Nachricht zu geben, da die Urkunden, welche uns ihre Namen nennen — Bischof Dietrichs Brief, die Mortuologien und Calendarien, und die Aufschriften auf den Statuen — hierüber keine nähere Auskunft geben. Bischof Dietrich nennt dieselben in folgender Ordnung:

 

1) Herrmannus Marchio. 2) Relegyndis Marchionissa. 3) Eckardus Marchio. 4) Uta Marchionissa. 5) Sizzo Comes. 6) Conradus Comes. 7) Wilhelmus Comes. 8) Gepa Comitissa. 9) Bertha Comitissa. 10. Theodericus Comes. 11) Gerburg Comitissa.

 

Außer diesen nennen uns die Mortuologien noch

12) Timo de Kisteritz. 13) Ditmarus Comes. — welche auch auf den Schilden zweier Statuen genannt sind, und 14) Adelheidis Comitissa.

 

Also vierzehn Namen, acht weibliche und sechs männliche, und solchergestalt zwei Personen (namentlich zwei weibliche) mehr, als in den zwölf Statuen (die zertrümmerte mit gerechnet) dargestellt sein können.

 

Was wir über die persönlichen Verhältnisse der genannten Personen mitzutheilen vermögen, wollen wir unsern Lesern nicht vorenthalten, wären es auch, wie nicht zu leugnen, zum Theil nur Vermuthungen, die noch sehr der Prüfung und Berichtigung bedürfen.

 

Zuerst also werden in Bischof Dietrichs Briefe genannt

Herrmannus Marchio, Relegyndis Marchionissa, Eckardus Marchio, Uta Marchionissa.

 

Herrmann und Eckard (II.) waren Söhne Eckards I., Markgrafen in Thüringen. Derselbe stammte aus einem der edelsten Geschlechter in Ostthüringen *). Unter den Thüringischen Dynasten stand er in solchem Ansehen, daß er von ihnen zum Herzog über ganz Thüringen erwählt wurde.

 

Nach seiner Ermordung zu Pölde (1002) wurde sein Leichnam erst in seiner Stadt Jena, am Ausfluß der Unstrut in die Saale (wo jetzt das Rittergut und Dorf Großjena liegt) gebracht, später aber nebst den Ueberresten mehrerer seiner Vorfahren in der Kirche des von ihm gestifteten Klosters St. Georgen zu Naumburg beigesetzt **).

 

Seine Söhne Herrmann und Eckard behaupten unter den Gründern der Domkirche zu Naumburg den ersten Platz, weil sie, wie wir aus der Bulle Pabst Johanns XX. und noch mehr aus der Urkunde Kaiser Heinrich III. ersehen, die Verlegung des Stifts von Zeitz nach Naumburg sehr angelegentlich

 

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*) S. Dietmar, Chron. Merseb. I. IV. ed. Wagner. p. 87.

**) S. die historischen Nachrichten v. Gr. Jena und Brotuffs Historien von Freiburg und Tscheiplitz im folgenden Bande dieser Schriften.

 

 

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betrieben, und außer der Stadt Naumburg, welche zu ihren thüringischen Erbgütern gehörte, dem Stifte bedeutende Güter zugeeignet haben *). Beide starben ohne Leibeserben. Herrmann im Jahre 1032, Eckard im Jahre 1046 **).

 

Seine und Herrmanns Erbgüter, so weit er diese nicht der Stiftskirche und andern geistlichen Stiftungen zu Naumburg zugeeignet, fielen auf ihre

 

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*) Vergl. Annal. Sax. am angezogenen Orte, wo er von der Versetzung der Leiche Eckards I. nach Naumburg spricht, in folgenden Worten: quam urbem (Nuenburg) devotio succedentium (Eckardi I.) cum omni hereditate sua ad servitium Dei ejusque genitricis et St. Petri, aliorumque Sanctorum tradiderunt carnali posteritate deficiente.

 

Naumburg gehörte daher zu den Erbgütern Eckards und seiner Vorfahren, wie auch aus den Kaiserlichen und Päpstlichen Urkunden über die Verlegung des Stifts hierher deutlich hervorgeht. Unstreitig beabsichtigte Eckard I., sich hier eine seinem Ansehen, seiner Macht und seinen hochstrebenden Planen mehr als die beschränkte Burg zu Großjena entsprechende Residenz zu bauen, wozu die Lage des Orts ungemein günstig und einladend war.

 

Gleichzeitig mit der neuen Burg legte er auch den Grund zu der neuen Stiftskirche und zum Kloster St. Georgen; denn es ist nicht wahrschein1ich, daß seine Söhne, Herrmann und Eckard, in so kurzer Zeit mit so vielerlei Stiftungen, als die Urkunde Kaiser Heinrichs III. erwähnt und ihnen zugeschrieben werden, zu Stande gekommen sein sollten, wenn nicht der Grund dazu schon früher gelegt gewesen wäre. Dafür spricht auch folgende Stelle im Chronico Montis sereni: Mortuo Dithmaro Schwanhildis ejus relicta nupsit Ekkehardo Marchioni, filio Guntharii, Marchionis de Thuringia, qui numburgensem fundavit Episcopatum (wiewohl nur von der Stiftskirche die Rede sein kann), ingl. Joh. Tylig (vormals Probst im Kloster St. Moritz vor Naumburg) am angezogenen Orte in folgenden Worten: post mortem Dithmari primi marchionis Lusatiae, ejus relictam Suanhildam accepit Ekkhardus Marchio Thuringiae, qui fundavit Nuenburgensem Episcopatum et Monasterium St. Georgii ibidem, ubi ejus sepultura hodie (ao. 1400) in medio ecclesiae cernitur, übereinstimmend mit der Chron March. Misn. bei Ludwig, T. 8, p. 187.

 

Daß bereits um das Jahr 1021, und jedenfalls, noch ehe an die Verlegung des Bisthums von Zeitz nach Naumburg gedacht worden, zu Naumburg eine Stiftskirche gestanden und ein Capitul daselbst gewesen, geht aus der Stelle im Chron. Episcopor. Merseb. (bei Ludwig am angez. Orte) hervor, nach welcher Markgraf Herrmann gegen den Bischof Bruno zu Merseburg sich erbietet, die Präpositur (praeposituram in Nuenburg noviter fundatam) an das Stift Merseburg zu verweisen.

**) S. Schultes, direct. diplom. Altenb. 1820. S. 147. Hermann contr. ad ann. 1046.

 

 

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Schwester Mathilde, Dietrichs II. e tribu Buzzici Gemahlin und deren Nachkommen. *)

 

Sein Todestag geht einzig aus dem von Zader mitgetheilten Extrakt des alten Mortuologii (Beil. No. VIl.) hervor in folgenden Worten: Hechardus Marchio ob. d. Timothei Cal. Februarii. Die hinzugefügten Worte: sepultus in monasterio, hat man auf das Kloster St. Georgen bezogen, und mit Grunde; denn obgleich aus Bischof Dietrichs Brief und andern gleichzeitigen Urkunden hervorgeht, daß auch die Kathedral-Kirchen, und namentlich die unsere, früher Monasteria genannt worden; so ist doch vorauszusetzen, daß, wenn er in der Domkirche beigesetzt worden wäre, man den Platz seines Begräbnisses, wie bei den andern in dieser Urkunde benannten Personen näher bezeichnet haben würde, wozu noch kommt, daß auch sein Vater, nebst mehrern seiner Geschlechtsvorfahren, im Georgenkloster beigesetzt worden, und solchergestalt dieses zum Familien-Begräbnis bestimmt gewesen.

 

Seine Bildsäule im westlichen Chor der Domkirche, oder der Kapelle unserer lieben Frauen — in der Ordnung die vierte — bezeichnen die Worte: ECHARTUS MARCHIO.

 

Relegyndis Marchionissa ist unstreitig Markgraf Herrmanns, so wie Uta Marchionissa Markgraf Eckards Gemahlin.

 

Jene war, nach Dietmar, eine Tochter Herzogs Boleslaus von Polen. **) Ihren Todestag setzt das Calendarium (Beil. No. V.) auf den 21. März.

 

Uta war eine Schwester Esiconis V. von Ballenstädt. Nach dem Mortuologio A. (Beil. Nr. VI.) starb sie am 23. Octbr. (X. Cal. Nov.) und liegt vor dem Altar St. Crucis begraben. — Beider Namen lernen wir nur aus Bischof Dietrichs Briefe und den Mortuologien kennen.

 

Markgraf Eckards Bildsäule (die vierte rechter Hand) ist durch die Aufschrift auf dem Schilde bezeichnet. Die ihm zur Linken, an demselben Pfeiler aufgestellte weibliche Figur stellt ohne Zweifel seine Gemahlin Uta vor, so wie

 

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*) S. Braun Meißn. Thür. Geschichte B. I. S. 67, 87 f. f. Zugleich mit Herrmanns und Eckards Erbgütern ging auch die ihnen erblich zustehende Schutz- und Schirmherrlichkeit über die von ihrem Vater und ihnen selbst zu Naumburg gegründeten geistlichen Stiftungen, und namentlich über das Bisthum, auf das Wettinische Haus über, aus welcher in der Folge die Landeshoheit über bemeldetes Stift abgeleitet worden. — Aus diesem Verhältnis ist der Umstand zu erklären, daß dieses Geschlecht in früherer Zeit, namentlich bis ins dreizehnte Jahrhundert, diesem Stift so viele Bischöfe gegeben.

**) Chron. Merseb. S. IV., p. 205, Nt. 76.

 

 

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in den beiden Statuen an dem Pfeiler gerade gegenüber höchst wahrscheinlich Markgraf Herrmann und dessen Gemahlin Relegyndis dargestellt sind.

 

So erscheint dieses Doppelpaar der vornehmsten Stifter in symmetrischer Aufstellung, und durch dieselbe, so wie durch die Plätze an den Hauptpfeilern zunächst dem Altar, vorzüglich ausgezeichnet, und die Aufschrift auf Eckards Schilde reicht für sich allein zu, diese vier Statuen nach ihrer Beziehung zu deuten. Man hat die erste und zweite Statue auf Herrmann und Uta beziehen wollen, gleichsam als sei der Rang der aufgestellten Personen durch die Reihe von der Ersten, rechter Hand rings herum, bezeichnet. Aber erstens stehen diese beiden Bildsäulen in keiner Verbindung, sondern von einander getrennt, und da die weibliche Statue die einzige ist, welche mit keinem Pfeiler in Verbindung, sondern zwischen zwei Pfeilern an der Mauer frei aufgerichtet steht; so folgt daraus, daß diese gar nicht in der ersten Berechnung und dem Bauplan mit begriffen gewesen, sondern nachträglich mit aufgenommen worden. Beide Statuen sind durch nichts ausgezeichnet, und bei der weiblichen scheint noch überdieß der Schleier und das aufgeschlagene Buch auf den geistlichen Stand zu deuten.

 

Den fünften Platz in Bischof Dietrichs Briefe nimmt Sizzo Comes ein. Er wird durch die siebente Bildsäule, mit der Inschrift: SYZZO COMES DO. (Doringiae) dargestellt. *) Es ist derselbe, welchen Paul Lange in der lateinischen Chronik Sighardum, Comitem de Kefersberg, in der deutschen Chronik aber (s. Beil. No. VIII.) Sichart, Graf von Kefersberg nennt, ein Bruder Bischof Hildewards, unter dem die Verlegung des Bisthums nach Naumburg zu Stande kam. **)

 

Außer seiner Bildsäule in unserer Domkirche hat sich von ihm noch ein zweites bildliches Denkmal erhalten, ein Gemälde, welches aus dem bereits im vierzehnten Jahrhundert zerstörten Schlosse Kevernburg herrührt, und jetzt, wiewohl sehr verblichen, noch in dem Fürstl. Schwarzburg‘schen Archiv zu Arnstadt aufbewahrt wird. Dasselbe stellt drei Männer und drei Frauen vor; die Umschriften, die jedoch nur aufgeklebt sind, und von späterer Hand sein mögen, nennen den Stammvater der Grafen zu Käfernburg und Schwarzburg Gundar, dessen Sohn Sigert, und Enkel Sizzo, letztern in folgenden Worten:— — (das erste Wort fehlt und scheint abgesprungen zu sein) Comes, filius Sigeri, cui ob fortitudinem suam in bello Imperator mutavit nomen, eum vocando

 

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*) Ebenso bezeichnet ihn der Pirnaische Mönch: Sizo Grave czu Duringen (Menck. Script. R. Germ. T. II., P. 1499).

**) Von ihm s. Schöttgen, de Sizzone Kefernburgico, in Opusc. min. N. VII. p. 196

 

Lepsius, ges. Schriften. 2

 

 

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Sighardum, qui fundator est ecclesiae Numburgensis. Gleich den andern beiden Figuren ist er dargestellt ohne Harnisch, eine Fahne in der Linken, Schild und Schwert in der Rechten haltend. Auf jedem der drei Schilder ist, wie auf unserer Statue, ein stehender Löwe zu sehen. Mit der linken Hand hält er das Bild einer Kirche, wie die Stifter von Kirchen und Klöstern bezeichnet zu werden pflegen. Ob nun gleich die Unterschrift diese Andeutung auf die Domkirche zu Naumburg zu beziehen gestattet, so möchte sie doch wohl vielmehr auf das von ihm allein gestiftete Kloster St. Georgenthal zu beziehen sein. *)

 

Dem Sizzo folgt in der Urkunde Bischof Dietrichs 6) Conradus Comes. Seiner gedenkt das Mortuologium sub B. (Beil. No. VII.) in folgenden Worten: Conradus Comes, fundator, ob. XVI. Cal. Mart. et sepultus est in monasterio. Das Mortuologium A. (Beil. No. VI.) setzt seinen Tod auf XVI. Kal. Februarii, ein, bei der Anwendung des römischen Kalenders, weil die Calendae nach dem folgenden Monat benannt werden, häufig vorkommendes Versehen, wovon weiter unten noch ein Beispiel vorkommt. Oben ist schon erwähnt worden, daß auch die zertrümmerte Statue die Aufschrift hat: Conradus Comes.

 

Da die meisten der nachfolgenden Namen — aber nicht alle — auf Mitglieder des Wettinischen Hauses — e tribu Buzici — zu beziehen sind, so ist auch das Geschlecht dieses Konrad dadurch angedeutet. Muthmaßlich ist es der dritte Sohn Dietrichs II. und der Mathilde, Schwester der beiden Markgrafen Herrmann und Eckard II., ein Bruder des bald zu nennenden Thimo. Er zeugte keine Söhne, wodurch, wie bei den beiden Markgrafen und mehrern der folgenden, seine Freigebigkeit gegen die Naumburger Stiftskirche vielleicht mit veranlaßt wurde. Seine einzige Tochter Bertrade vermählte sich mit Beringer, einem Bruder Graf Ludwigs, benannt der Springer. **)

7) Wilhelmus Comes, 8) Gepa Comitissa.

Ihn nennt nicht nur Bischof Dietrichs Brief, sondern auch die Aufschrift auf der sechsten Bildsäule, letztere mit dem Zusatz: unus fundatorum, ingleichen beide Mortuologien und das Calendarium, letzteres in folgenden Worten: Mart. 2. obiit Wilhelmus Comes fundator, qui sepultus est ante Altare St. Crucis.

 

Gewiß ist dieser Wilhelm kein anderer, als Wilhelm von Camburg, der um das Jahr 1078 lebte. Derselbe war ein Enkel Dietrichs II., Sohn des Gero, Bruderssohn des vorgenannten Konrad, und des Thimo. Ein Bruder von ihm, Günther, war zu Naumburg Bischof.

 

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*) Hellbach, Grundriß des Fürstl. Hauses Schwarzburg-Rudolstadt, 1820.

**) S. Anhang zur Petersberger Chronik, ed. Mader, p. 203.

 

 

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Seine Gemahlin hieß Geva. *) Da nun auch in Bischof Dietrichs Briefe, unmittelbar nach Wilhelm, eine Geva oder Gepa genannt wird, so ist die Identität unseres Wilhelm und des Wilhelm von Camburg, so wie der einen und der andern Geva oder Gepa wohl nicht zu bezweifeln.

 

Von letzterer meidet der Gosecker Mönch, daß sie vom Teufel besessen gewesen, in der Krypta der Klosterkirche aber geheilt worden, **) wofür sie aus Dankbarkeit zu jener Krypta eine Stiftung gemacht habe. — Aus den Mortuologien ersehen wir, daß sie am 4. März (IV. Non. Mart.) gestorben ist, und vor dem Altar St. Crucis begraben liegt — also an der Seite Wilhelms; auch dieser Umstand deutet auf die Verbindung dieser Beiden im Leben. Dagegen ist nicht zu vermuthen, daß eine der Bildsäulen die ihrige sei, weil sie dann ihren Platz vermuthlich auch neben ihrem Gemahl erhalten haben würde.

 

9) Bertha Comitissa. Ihrer gedenkt auch das Calendarium, welches ihren Todestag auf den 17. Septbr. setzt, und daher kann sie nicht, wie Schlegel ***) meint, die Gemahlin Dedos, Dietrich II. ältesten Sohnes Tochter Graf Wiprechts von Groitzsch sein, denn diese starb (im Jahr 1144) am 15. Decbr. (XVIII. Cal. Januarii.) ) Sie war unstreitig die Gemahlin seines Bruders, des schon genannten Gero, mit dem sie drei Söhne, Dietrich, Wilhelm von Camburg und Günther, Bischof zu Naumburg, ingleichen zwei Töchter, Willa und Thiesburge, erstere Aebtissin zu Gerbstedt, letztere Probstin zu Gernrode, zeugte. ††)

 

10) Theodoricus Comes, könnte entweder Dietrich II. Schwager der beiden Markgrafen, Vater Thimos, Geros und Konrads, oder Dietrich III., Sohn Geros und der vorgenannten Bertha sein. Das letztere ist das wahrscheinlichere, weil der ältere Dietrich in Bischof Dietrichs Briefe wohl vor Conrad und Wilhelm genannt sein würde. Von den beiden Mortuologien meldet A.

 

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*) Liber de fund. Monast. Gosecc. bei Mader, p. 221.

**) Ebendas. „hujus curationis pro gratia sex Corvete huic conseruntur etc.“ Die Worte sex Corvete geben keinen Sinn. Da aber zwei Dörfer Groß- und Klein-Corvede nahe bei Goseck liegen, so wird richtiger zu lesen sein: sex mansus in Corvede. Bemerkenswerth ist es übrigens, daß jene Teufelsbeschwörung gerade in dem schauerlichen Raum der Gruftkirche vorgenommen wurde.

***) Immo et illam (Bertham, Dedonis uxorem, Viperti filiam inter fundatores cathedralis ecclesiae Numburgensis offendimus in diplomate a Theodorico, Numburg. Episcopo, anno 1249 exarato (dissert. de numm. Goth. Cygn. Etc. p. 148, nt. e.)

) Append. Chron. Mont. sereni, ap. Mader. S. 206

††) Ebendas. S. 203

 

 

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seinen Sterbetag in folgenden Worten: II. Id. Octbr. obiit Theodoricus Comes, fundator, sepultus est ante altare St. Johannis Evangelistae. Er kann in keiner andern, als in der ersten Statue dargestellt sein, da keine andere für ihn übrig bleibt.

 

11) Gerburg Comitissa. Ihren Namen nennen Bischof Dietrichs Brief und beide Mortuologien. A. mit der Angabe ihres Todestags: XIII. Kal. Novbr. obiit Gerburgis Comitissa; B. bezeichnet ihren Begräbnisplatz: Gerburgis Comitissa fundatrix, sepulta ante altare St. Crucis. Ueber ihre Abstammung und Familienverhältnisse ist nichts auszumitteln. *) Mit ihrem Namen schließt sich das von Bischof Dietrich mitgetheilte Verzeichniß der Stifter. Es sind aber, wie schon gedacht, außer diesen noch folgende zu nennen:

 

12) Timo. Er wird für den schon erwähnten Thimo, Dietrichs II. Sohn, Konrads und Geros Bruder gehalten. Von ihm theilt der Verfasser einer handschriftlichen Beschreibung der Domkirche, in Begründung auf eine ältere Handschrift, folgende Erzählung mit: In seiner Jugend sei er einmal mit einem andern jungen Herrn seines Alters, der, als sie bei Gelegenheit einer Prozession am Ostertage die Schnelligkeit ihrer Pferde gegen einander versucht, ihm zuvorgekommen, in Streit gerathen, und letzterer habe ihm eine Ohrfeige gegeben. Thimo habe jenem das nachgetragen. Am folgenden Osterfeste habe er demselben wieder ein Wettrennen angetragen, und als er jetzt ihm zuvorgekommen, statt die Ohrfeige zu erwiedern, das Schwert gezogen und ihn erstochen. Um ihn der Rache der Verwandten des Erschlagenen zu entziehen, habe ihn die Mutter an den Hof Kaiser Heinrichs IV. geschickt, in dessen Kriegsdiensten er sich dergestalt hervorgethan, daß derselbe sich bewogen gefunden, ihm bei eingetretener Vacanz die Markgrafschaft Meißen zu übertragen. So weit stimmt diese Nachricht mit der Erzählung überein, welche die Annales Vetero - Cellenses in Begründung auf ein Chronicon Episcopale Aulae Merseb. **)

 

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*) Schlegel erklärt sie ohne Weiteres für die Gemahlin des in Bischof Diethrichs Briefe unmittelbar vor ihr genannten Grafen Diethrich, vermuthlich aus keinem andern Grunde, als weil beider Namen in der Urkunde nacheinander folgen. Dieser Grund erscheint jedoch sehr unzureichend, da von einer Gemahlin Diethrichs II., Namens Gerburg, so wenig, als ob er überhaupt vermählt gewesen, etwas bekannt. Ein ehemaliger Naumburgischer Advocat Kayser ist geneigt, diese Gerburg für die Tochter des Grafen Bruno im Pleißner Lande zu halten, welche Nonne und Aebtissin in dem von ihm (1127) gestifteten Kloster zu Schmöllen wurde (Bertuch, Chron. Port. I. 8, 9). Wäre dieses zu erweisen, so würde vielleicht die zweite allenfalls auf die elfte Statue zu beziehen sein.

**) Menck, Script. R. G. T. II. S. 380.

 

 

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von unserm Thimo mittheilen. In unserer Handschrift aber wird noch weiter hinzugefügt: in späteren Jahren sei sein Gewissen erwacht, und um sich mit dem Himmel zu versöhnen, habe er nicht nur das Kloster Niemeck gegründet, sondern auch zum Bau unserer Stiftskirche ansehnliche Beiträge geleistet.

 

Thimo ist der erste, der in Urkunden unter der Benennung Comes de Wettin vorkommt. *) Diesen Namen dürfte er jedoch erst später, nach dem Tode seines ältern Bruders, angenommen haben, denn früher heißt er Comes de Brena. **) Noch früher mochte er sich blos nach seiner Herrschaft Kistritz, die er dem Stift Naumburg zueignete, geschrieben haben. So ohne Zweifel auch in der Urkunde über jene Schenkung, und dann ist es erklärlich, daß aus jener Urkunde diese Benennung auch auf seine Bildsäule und in die Mortuologien überging.

 

Auf der Bildsäule lesen wir: Thimo de Kistritz qui dedit ecclesiae septem villas. In dem Mortuologio A., welches zugleich seinen Todestag angiebt: VII. Id. Mart. obiit Thimo de Kistritz, in dem andern (B.) Thimo de Kistritz qui dedit ecclesiae Kistritz et alias villas multas, sepultus est ante Altare St. Stephani.

 

Kistritz ist ein Dorf, welches zwei Stunden von Naumburg, nahe bei Osterfeld, liegt, und in Verbindung mit Osterfeld und noch acht Dorfschaften zur Domprobstei gehört. Villicatio in Kistritz, cum parochia ibidem sita etc. wird auch bereits in der Bestätigungs-Urkunde Pabst Gregors IX. vom Jahre 1228 über die Verlegung des Hochstifts nach Naumburg unter den Besitzungen desselben mit aufgeführt. ***)

 

13) Ditmarus Comes ist in der achten Bildsäule dargestellt, welche die Aufschrift hat: Ditmarus Comes occisus. Seiner gedenken beide Mortuologien folgendermaßen: (A.) III. Kal. Jul. obiit Ditmarus Comes. (B.) Ditmarus Comes fundator sepultus ante Altare St. Johannis Evangelistae. Höchst wahrscheinlich ist es der Sohn Herzog Bernhards in Sachsen ( 1011). Seines Vaters Schwester Schwanhildis war Markgraf Eckards I. Gemahlin, er selbst folglich mit Herrmann und Eckard II. Geschwisterkind. Diese Vermuthung bestätiget das auf dem Schildesrand hinzugefügte Wort: occisus. Ein Vasall von ihm, Arnold, hatte ihn bei dem Kaiser des Hochverraths eingeklagt und behauptet, daß er ihm nach dem Leben trachte. Der Kaiser verordnete im Jahre

 

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*) So nennt ihn sein Sohn in einer Urkunde von 1153. S. Schöttgen, diplom. Nachlese, VII., S. 430.

**) In einem Gosecker Diplom v. J. 1053. S. Leukfeld, Antiqua. Halberst. p. 679.

***) S. den Abdruck der Urkunde in der Bischofs-Geschichte, S. 278, Urk. 56.

 

 

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1048 zu Pölde (Polethae), daß er sich durch den Zweikampf reinigen sollte. Er kämpfte, wurde aber besiegt und fiel. *)

 

14) Adelheidis Comitissa. Das Calendarium und das Mortuologium A. nennen zwei Wohlthäterinnen der Domkirche dieses Namens in folgenden Worten: 1) das Calendarium: — Febr. 8. obiit Adelheidis Comitissa. — Septbr. 18. Memoria Adelheidis fundatricis. 2) das Mortuologium: — Prid. Id. Febr. obiit Adelheidis Comitissa. XIII. Kal. Decbr. obiit Adelheidis Comitissa.

 

Nur in dem Calendario ist von einer Adelheid, mit dem Beisatz fundatrix die Rede, deren Memoria auf den 18. September fällt. Da nicht nothwendig anzunehmen, daß der Jahrestag ihrer Memoria ihr Sterbetag **) gewesen, so kann diese mit einer der beiden andern Adelheiden gar wohl eine und dieselbe Person sein. Mit welcher? ist nicht zu bestimmen.

 

Nach dem Mortuologio fällt der Todestag der einen auf den 8. Februar, der der andern auf den 19. Novbr. Letztere halten wir mit zureichendem Grunde für die Gemahlin Graf Ludwigs, zubenannt der Springer, der in demselben Mortuologio selbst unter den Wohlthätern -— aber nicht als Stifter — der Kirche mit genannt wird. Die Worte sind: II. non. Maji obiit Ludowicus Comes. Ueber die Identität dieses Ludwigs mit Ludwig dem Springer kann kein Zweifel erhoben werden, da die Angabe des Todestags genau mit der auf Ludwigs Grabstein im Kloster Reinhardsbrunn übereinstimmt.

 

Ueber seiner Gemahlin Todestag herrscht einige Ungewißheit, wozu ihre Grabschrift zu Reinhardsbrunn und die Chronik des Reinhardsbrunner Mönchs Veranlassung gegeben. Erstere lautet nach der von Reyher gegebenen Copie und Abbildung ihres Denkmals so: anno Dni. M. C. XXV. Kal. Decembris obiit Adelheidis, Comitissa etc. Der Reinhardsbrunner Mönch aber meldet ihren Todestag in folgenden Worten: eodem anno (1010) obiit Adelheidis XV. Kal. Novbris. Leicht zu vereinigen sind beide Angaben in den Zahlzeichen. Ein Punkt nach dem ersten X. in der Grabschrift giebt das Jahr 1010, und die folgenden Zahlzeichen XV. gehören dann zu Kal. Aber auch die Abweichung in der Angabe des Monats ist leicht erklärlich, wenn wir annehmen, daß der Mönch, indem er den Todestag nach römischem Kalender bezeichnen wollte, sich verschrieb, weil er den deutschen im Kopfe hatte. (Vgl. oben bei Nr. 6.) Unser Mortuologium weicht nun von der Angabe der Grabschrift nur um zwei Tage ab —

 

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*) S. Lambert, Schafnab. ad. anno 1048.

**) S. hierüber und über die Anniversarien, durch welche das Andenken der verstorbenen Wohlthäter der Stiftskirche gefeiert wurde, Ursinus Gesch. d. Domk. zu Meißen, Einl. S. XIII.

 

 

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vielleicht ein Irrthum, weil der Schreiber die Calendas nicht richtig berechnete, oder ein Schreibfehler.

 

Die zweite, am 8. Febr. verstorbene Adelheid möchten wir dann für Ludwigs des Springers Schwester, gleiches Namens, halten. Eine gewisse Verbindung zwischen diesen drei Personen anzunehmen, bestimmt uns noch der Umstand, daß die Ministrationen, deren das Mortuologium bei ihren Memorien gedenkt, aus einem und demselben Fond, de molentino in Kroppin, geleistet worden. *) Daß auch Ludwig mit dem Wettinischen Hause verschwägert war, ist oben bei Conrad bemerkt worden.

 

Sehr möglich aber wäre es auch, daß das Jahrgedächtniß der Adelheidis fundatricis auf eine dritte Person, namentlich auf Adelheid, Aebtissin zu Gernrode, die Tochter Dietrichs II. Marchionis orientalis, und der Schwanhild, und solchergestalt der Schwestertochter der beiden Markgrafen Herrmann und Eckard II. zu beziehen wäre.

 

Aus dem, was über die Familienverhältnisse der genannten Personen mitgetheilt worden, geht hervor, daß die meisten derselben ein enges Familienband umschließt. Anschaulicher wird sich dieses aus der in der Beilage No. IX. beigefügten Stammtafel darstellen. In derselben berühren und verbinden sich die drei berühmten Geschlechter, an deren Spitze der Thüringische Markgraf Günther — ex nobilissimis Thuringiae australis natalibus genealogiae ortum ducens -— der edle Dietrich — e tribu Buzici; egregiae libertatis vir -— und der sächsische Herzog Herrmann Billung stehen. Die oben als Mitstifter unserer Domkirche genannten Personen sind in der Stammtafel durch besondere Schrift bezeichnet. Es sind folgende: außer Dietmar, dem Enkel Herrmann Billungs, die beiden Markgrafen Herrmann und Eckard II. mit ihren Gemahlinnen Relegyndis und Uta, und aus dem von Dietrich abstammenden Hause Wettin, Konrad, Thimo, deren Schwägerin Bertha, Dietrich II., Wilhelm und dessen Gemahlin Geva. Zu vermuthen ist, daß auch Sizzo, Gerburg und Adelheid durch Familienbande mit jener verbunden waren, wiewohl dieses noch nicht nachzuweisen ist.

 

Dürfen wir nun die im westlichen Chor der Domkirche aufgestellten Statuen ohne Ausnahme auf jene als Stifter genannten Personen beziehen, so ist es ein höchst interessanter — ein wahrhaft ehrwürdiger Familienkreis, der bei dem Eintritt in jene Halle sich unsern Blicken darstellt, und der durch seine Beziehung auf das noch jetzt in Meißen und Thüringen blühende, erlauchte Fürstenhaus für uns ein noch höheres Interesse gewinnt. Denn Wettin war die Wiege der Sächsisch-Meißnisch-Thüringischen Dynastie.

 

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*) Ueber dieses untergegangene Dorf s. die histor. Nachr. Über Schönburg im folgenden Bande.

 

 

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Von Thimo, den die fünfte Bildsäule nennt, stammen sämmtliche, jetzt noch lebende Regenten und Prinzen des Sächsisch-Meißnischen Hauses ab.

 

Von Konrad, Dietrich und Wilhelm ist keine Nachkommenschaft vorhanden, eben so wenig von Herzog Ditmar und von den beiden Markgrafen Herrmann und Eckard. Ihr Andenken aber lebt in der Geschichte.

 

Letztere haben für uns *) hauptsächlich um deswillen vorzügliches Interesse, weil zu ihren ausgebreiteten erblichen Besitzungen in hiesiger Gegend die Stadt Naumburg gehörte, und sie nicht nur durch die Verlegung des Hochstifts hierher und durch die Gründung mehrerer Kirchen und Klöster, sondern hauptsächlich durch die Stiftung der Peter-Paul-Messe die hiesige Stadt, welche bis dahin von keinem Chronisten genannt wird, zuerst in Aufnahme gebracht und ihren spätern Wohlstand begründet haben.

 

Durch so mannigfaltige Erinnerungen, Betrachtungen und Gefühle, als an den Anblick dieser Denkmale sich knüpfen, erhalten sie für uns einen hohen und um so höhern Werth, als es die einzigen sind, die wir von jenen Fürsten aus früherer Zeit besitzen.

 

Denn das Grabmal Eckard I., das im Kloster St. Georgen gestanden, ist, wie das Kloster selbst, längst untergegangen. Die Grabsteine des Wettinischen Geschlechts auf dem Petersberge bei Halle beginnen erst mit Markgraf Konrad dem Großen, und sind bekanntlich aus weit späterer Zeit.

 

Doch das schönste Denkmal, das sie sich selbst gestiftet, ist unsere Domkirche. Sie ist ziemlich gut erhalten; nur an wenig Stellen hat das Mauerwerk durch Feuersbrünste, wovon auch im westlichen Chor die Spuren sehr sichtbar sind, gelitten. Aber zu beklagen ist es, daß in späterer Zeit, als der Sinn für das Große und Erhabene in der Anlage und Bauart altdeutscher Kirchen ganz erloschen war, die unsrige durch allerlei Einbau im Innern sehr entstellt, hierdurch aber die Wirkung jener alterthümlich-großen Formen sehr geschwächt, und der Eindruck des Ganzen auf das Gemüth zerstört worden. Ja man ist so weit gegangen, daß man, um für die zwischen den Pfeilern, welche das Schiff von den Seitengängen trennen, eingebauten Verschläge und Gallerien mehr Raum zu gewinnen, die zu beiden Seiten jedes Pfeilers angefügt gewesenen Säulen weggeschlagen, und hierdurch die Bogen eines Theils ihrer Substruction und schönsten Zierde beraubt hat.

 

Nicht minder beklagenswerth ist die Zerstörung mancher schätzbaren Altargemälde und anderer alter Bildwerke, womit die Kirche früher reichlich ausgestattet gewesen, von denen aber nur wenig sehr beschädigte Ueberreste sich

 

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*) Für die Bewohner der Stadt Naumburg. Diese Abhandlung wurde nämlich in der Versammlung des Alterthums-Vereins zu Naumburg am Petri-Pauli-Tage 1821 vorgelesen.

 

 

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erhalten haben. Sie gingen zu Grunde, weil nichts für deren Erhaltung geschah, nicht durch unabwendbares Schicksal, sondern weil dem Muthwillen nicht gewehrt wurde, der sich daran versündigte.

 

Daß jene interessanten Bildwerke im westlichen Chor zum größten Theil sich noch ziemlich erhalten haben, liegt in ihrer Aufstellung außer dem gewöhnlichen Bereich von Menschenhänden, und in ihrer unzertrennlichen Verbindung mit ihrem Standort, die ihnen eine noch lange Dauer und bis zum gänzlichen Untergang des Gebäudes ihre Erhaltung sichert.

 

 

 

 

Beilagen.

 

I.

 

Bulle Papst Johanns XX. vom Jahre 1028, in welcher derselbe seinen Consens in die Verlegung des Zeitzer Bisthums nach Naumburg ertheilt, nach dem Original der, im Archiv des Domkapituls zu Naumburg befindlichen Erneuerungs-Bulle Papst Gregors IX. vom Jahre 1228 hier mitgetheilt.

 

S. die Urkunde in deutscher Uebersetzung mitgetheilt Bischofsgeschichte S. 189 bis 191, No. 6. Der lat. Text ist zwar bereits von Sagittar und Lünig mitgetheilt worden, wird aber hier genau nach der vidimirten Copie Papst Gregors gegeben. Wie aus dem Eingang der Erneuerungs-Urkunde von 1228 (Bischofsgesch. S. 277) zu ersehen, war die ältere, auf (ägyptischem) Papier geschriebene Bulle Papst Johanns XX. durch die Länge der Zeit dergestalt schadhaft und unleserlich worden, daß kaum noch davon Gebrauch gemacht werden konnte. Um daher den gänzlichen Untergang derselben zu verhüten, wurde dieselbe dem Papst Gregor mit dem Gesuch um deren Renovation vorgelegt. Diese erfolgte mit der größtmöglichen Genauigkeit, indem alle verblichenen, aber nach dem Zusammenhang supplirten Sylben und Buchstaben durch ausgezeichnete Schrift (Majuskel, in der Urkunde litterae tonsae benannt) signalisirt, diejenigen Stellen aber, welche gar nicht mehr zu lesen und mit Sicherheit zu ergänzen waren, ganz ausgelassen und durch leer gelassene Zwischenraum angedeutet wurden.

 

 

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Von dergleichen Erneuerungs-Urkunden (Vidimationen) s. Gatterer prakt. Diplomatik S. 72.

 

Iohes eps servus servor. del. ILDEwardo Epo Citicen ecclie. perpetuaıım in domino sal‘t. Si extraneis privatisq; personis apl‘ica suffrAGIA . . . . . . quanto elegantius agitıır si sce Eccl‘le eis egENti impertiri promto animo stuDEAmus . . . . lucri POTissimuM premiuM, apud COnditorem omnium deum in ethereis arcibus promereri cREdimus qVANdo loca ad meliorem prOcul dubio per nos fuerint statum perducta. Igitur quia filius noster xplanissimus. ImpEratOr Cunradus fervens hoc desiderio petiit. . . suis litteris ac nunTIIs rogans . . . . . . . . licentia QVA inconsulta, aggredi tantıım opus nolebat liCeret, vobis ac sibi CUjus intuitu, providentis, ac mODEratione erat inVENtum Epatum Siticen ad honorem sanctorum aplorum Petri et Pauli consecratum IN NuEmburgum locum munitum et ab hoste solito depredari eum remotum transmutare quem locum sanctum heres cuiusdam Wichardi Ducis cotidianam desolationem illius et deprecationem dicti Imperatoris non ferens sancte eccl‘ie Siticen perpetuo iure contulit inclinati preCIBVS . . . . . . . . . . . confratris nostri H. magdeburgen archiepi et heredum dicti Wichardi videlicet Hermanni Marchionis et germani sui Eckardi consilio omnium Eporum et cl‘icorum nostrorum licentiam damus ac inde transmutari et in Nuenburgo extrui . . . et in perpetuo maNERE APOSTOLIca auctoritate judicamus et eundem locum cum omibus pertinentiis sancte Citicen . eccl‘ie ad honorem sanctorum apostolorum Petri et Pauli consecratum omnibusq; rebus et possessionibus quas modo habere videtur et que in antea acquisierit vobis vestrisque successoribus in perpetuum confirmamus . quod enim sancti canones cOgENte NECEssitate non contradicunt et quod sepe factum fuisse legimus nostris temporibus fieri non prohibemus . Si quis autem quod non credimus temerario ausu contra hoc nrum apl‘icum privilegium venire aut in quoquam in fringere presumserit seu violator extiterit sciat se auctoritate dei omipotentis et beati Petri Apl‘orum principis ac nostre anathematis vinculo esse innodatum . et aRegno dei alienum . atque cıımJuda traditore domini nostri jh‘u xpi socius sit in inferno excommunicationiq; subjaceat donec resipisCENs AD satisfactionEM et congruam emendationem redeat . qui vero pio intuitu curator et observator huius nostri apl‘ici privilegii extiterit benedictionis gratiam vitamque eternam et etherei Regni gaudia a domino percipere mereatur in secula seculorum. amen.

 

Scriptum per manus Georgii Notarii regionarii atq; scriniarii sancte apostolice sedis in mense Decembris. Indiction. XII.

Valete in xpo.

 

 

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II.

 

Bulle Pabst Johanns XX. vom Jahre 1032, in welcher derselbe die bereits erfolgte Verlegung des Hochstifts von Zeitz nach Naumburg bestätiget.

 

Nach dem Original auf Pergament im Archiv des Domcapituls. - In deutscher Uebersetzung mitgetheilt in der Bischofsgeschichte S. 194 - 196, No. 9.

 

(ebenfalls von Sagittar, Lünig und Eckard bereits abgedruckt, aber nicht mit diplomatischer Treue und Genauigkeit.)

 

.†. IOHS. EPS. SERVVS. SERVOR. DI. DILECTO. IN. CPO. FILIO. HILDIWARDO. scte. nuenburgensis aecclae. epo et omibus successoribus tuis ppetuam in dno salute. Convenit aplico moderamini pia religione pollentjb. benevola compassione succurrere ac poscentium animis alacri devotione imp‘tire assensum. Ex hoc enim lucri potissimum premium a conditore omnium do. pcul dubio promeremur . si venerabilia loca opportune ordinata ad meliorem per nos fuerint statum p‘ducta.

 

Sicut igit‘ kme fili Tibi absenti rogatu filii nostri xpiantissimi Imperatoris CONRADI . et Confratis nostri Hunfredi Magaburgensis Archiepi . nec non illorum qui hereditatem suam aecclae contuierunt . videlicet HERIMANNI Marchionis et germani sui EKKIHARDI et maxime pro magna utilitate et securitate aecciae tuae consilio eporum et clericorum nrorum sedem epalem de Ziza in nuenburg transferre concessimus ita nunc quoque tibi presenti cum clero tııo et dignioribus de populo et nuntjis predicti imperatoris et Archiepi . Consilio eorundem eporum et clericorum nostrorum factum phamus et tam tibi quam omnib; successorib; tuis p‘petua stabilitate confirmamus; quod enim scdm canones p necessitate sepe factum fuisse legimııs nostris quoq; temporibus fieri non prohibemus. Quoniam Ergo canonice et communi assensu omnium ad quos pertinebat sedis tuae translacio facta est. absque omi contradictione universi successores tui a nuenburk clero et populo eligantıır . atque ad eundem titulum regulariter consecrentur et magadeburgensibus archiepis. quorum dioecesin translatio non excedit . utpote metropolitanis suis omni pletatis devocione sint subjecti.

 

Hoc quoq; commmunicato consilio placet addere . quod eccla citicensis in honorem beatorum apostolorum PETRI et PAVLI consecrata non omnimodis negligatur . sed in loco clericorum in nuenburk transeuntium monachi vel canonici substituantur . qui integris stipendiis ejusdem aecciae inibi deo serviant et sicut pacis filii matri suae nuenburgensi aecclae in domino semp‘ devote obediant; Si quis autem quod minime credimııs temeraria presumtione contra hoc nrm aplicıım privilegium venire aut in aliquo contraire presumpserit . seu violator exstiterit sciat se auctoritate dei omnipotentis et beati Aplorum principes petri . ac nra anathematis vinculo esse innodatum . Et a regno dei alienum . atque cum Iuda traditore dni nri ihu xpi socium futurum in inferno excommunicationiq; subjiciat donec resipiscens ad satisfactorem . et

 

 

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congruam emendationem revertatur . Qui vero pio intuitu curator et observator hujus nri aplici privilegii exstiterit . benedictionis gram vitaq; aete‘nam et etherei regni gaudia a domino percipere mereat in secula seculorum. AMEN;

scriptum p man‘ georgii notarii regionarii adq; scriularli sctae aplicae sedis in mense marcio Ind. XV.;

 

† BENE VALETE.

 

 

III.

 

Urkunde Kaiser Heinrichs III. vom Jahre 1051, in welcher er die Verlegung des Hochstifts nach Naumburg bestätigt, und demselben seinen Hof zu Kusenti und mehrere Höfe und Ortschaften zueignet. Nach dem Original im Domcapituls-Archiv.

In deutscher Uebersetzung in der Bischofsgeschichte S. 214-216, No. 19.

(Diese Urkunde ist wegen der darinnen benannten, vom Kaiser Heinrich selbst dem Stift zugeeigneten Höfe und Ortschaften für die Stiftsgeschichte und ältere Topographie Thüringens nicht unwichtig.)

 

IN NOMINE SANCTAE ET INDIVIDUAE TBINITATIS HEINRICUS DIVINA FAVENTE CLEMENTIA ROMANORUM IMPERATOR AUGUSTUS. Ad regiae majestatis pertinet providentiam non solum eeclesias Dei terrenis facuitatibus sublimare. verum etiam quecunque ab aliis pie et diligenter ad utilitatem earum coliata sunt . vei ordinata! omni diligenciae studio confirmare . et ne aliquod detrimentum . vei inquietudinem paciantur in posterum! provide precavere. Ad hoc enim sublimati sumııs! ut non solum presenti sed et futurae tranquillitati servorum dei consulamus. Quapropter omnibus christianae fidel cultoribus presentibus scilicet et futuris notum esse volumus! qualiter pie memorie pater meus CVONRADVS. romanorum Imperator augustus . pia compassione necessitatibus ecciesiarum condolens! et dei nutu consulere cupiens! episcopatum in cicensi loco a venerabili Ottone Imperatore constructum. nutantem et vix ad sua tempora perturantem! ad nuenburg propter pacis firmitatem et religionis augmentıım . et temporalium rerum supplementum! hac racione transtulit. et immutavit. Impetravit quippe pio consilio suo . et suorum! maxime Hunfredi Magdeburgensis archiepiscopi et Hildiwardi qui tunc mediocritati cicensis ecclesiae presidebat . quod duo principes videlicet. Herimannus marchio et frater ejııs Eckehardus . hereditatem suam deo et beatis apostolis PETRO et PAVLo! per manum ipsius imperatoris contulerunt . et in ipsa forum regale . ecclesias . congregaciones . clericorum . monachorum . monialium construxerunt . ea tamen condicione . quod sedes episcopalis cum universis ad ipsam pertinentibus de ciza in nuenburg predicto modo constructum transferretur .

 

 

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et apostolica et imperiali aııctoritate ibidem confirmaretur in perpetııum. Predictas ergo oportunitates imperator considerans . et maxime incursıım hostilem paganorum desiderans declinare! consilio universorum principum regni sui sicut predictum est sedem episcopalem cum omnibus pertinenciis de ciza in nuenburg ab hostili incursu remotum transtulit . et prenominatorum archiepiscopi et episcopi interventu JOHANNIS papae . cuius assensu translatio facta est! privilegium ad ipsam confirmandam optinuit . et tandem cartam inde scriptam proprio sigillo suo insigniri iussit. Ex propria etiam liberalitate pro remedio animae suae et parentum suorum balgestat curtem regalem in pago THVRINGIAE sitam cum omnibus attinentiis et fagetum adiacens civitati . cum mııltis aliis regalibus beneficiis! nuenburgensi episcopatui contulit . et imperialis privilegiis auctoritate singula confirmavit . Nos quoque pro salute animae nostrae et parentum nostrorum! curtem quantam cusenti . in pago qui vocatur ZVRBA et Fulkmeresrod! curtem ab Hesichone comite consanguineo nostro nobis hereditario iure traditam et comitatum in locis PIPECHA et FLOGERSTETE . ac poldestete . aliisque locis ad predicta loca pertinentibus . in THVRINGIA . et in pago OSTERGOWE situm . cum omnibus suis iuste legaliterque pertinenciis! ex nostra regali et imperiali authoritate sepe dictae ecclesiae in proprium dedimus atque tradidimus . et propriis cartis nostro sigillo signatis singula corroboravimus . Ut ergo predicta sedis episcopalis translacio . et nostrae regales imperialesque traditiones diligenter factae et confirmatae . stabiles et inconvulsae omni permaneant evo! pro redempcione animae nostrae et parentum nostrorum . nec non ob interventum HEVERHARDI venerabilis ejusdem sedis episcopi! hanc cartam inde conscriptam manu propria corroborantes! sigilli nostri impressione iussimus insigniri.

 

Signum domini HENRICI TERCII REGIS invictissimi secundi ROMANORUM imperatoris Augusti.

WINTHERIUS CALCELLARIUS VICE LIVTBALDl ARCHICANCELLARII ET ARCHIEPISCOPI RECOGNOVI.

Data II. Kalendas Aprilis. Indictione III Anno dominicae incarnacionis M. L. I. Anno autem domini HEINRICI Tercii regis secundi imperatoris ordinacionis XXIII. Regni XII. Imperii IIII. Actum in nomine domini in Merseburg . feliciter. Amen.

 

 

IV.

 

Bestätigungsbulle Pabst Innocentius II. Vom Jahre 1137. Nach dem Original im Archiv des Domcapituls.

 

INNOCENTIUS EPS SERVVS SERVOR DEI VENERABILI FRI UDHONI NUENBURGENSI EPO EJUSQ; SUCCESSORIBUS CANONICE PROMOVENDIS IN P - P - M; Licet ea que semel aplice sedis auctoritate sancita sunt, iuxta scita paternor caonum nichil dehabeant firmitatis. tamen que a predecessorib; nostris

 

 

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30

 

rationis et ecclesiastice dispensationis intuitu instituta cognoscimus. eor vestiglis inherentes . nri favoris munimine firmare debemus. Sicut autem ex scriptis felicis memorie Johis Pape accepimus . idem Romanus pontifex rogatu gloriosii Chunradi Imperatoris Augusti . predecessori tuo Ildivardo episcopo aplica auctoritate concessit ut epalem sedem que in Citicensi erat eccla . in Nuenburc locum siquideın munitum . et ab hostium incursione securum. sibi transferre liciret. Cum utiq; beatus Augustinus certis ex causis id fieri annuat . videlicet aut p persecutor feritate aut locor difficultate aut maior societate. Sed et predecessores nri qui diversis fuere etatibus . eandem translationem ad alia loca unius ejusdemq; dioceseos que tutiora esse videbantur . fieri permiserunt . utpote potestatem habentes unum epatum in duos dividere. duos in unum conjungere . vei aliter exigente necessitate temporis dispensare.

 

Nos igitur quor precipue interest venerabilibus locis salubriter providere. mutatione ipsam a prevato Johe apostolice memorie factam presenti privilegio roboramus. et eundem locum Nuenburch . episcopalem sedem constituimus ipsumq; cum omibus pertinentiis Sce Citicensi eccle ad honorem beator apior Petri et Pauli consecratum . omnibusq; rebus et possessionibus quas modo habere videtur et inantea rationabiliter acquisierit . tibi tuisq; successoribus in perpetuum confirmamus. Salva nimirum sce Romane ecclesie reverentia. Nulli ergo hominum fas sit. te vel successores tuos super hac nra constitutone ac confirmatione temere perturbare, aut aliquam vobis exinde contradictionem vel molestationem inferre. Si qua igitur in posterum ecclastica secularisve persona hanc nre constitutionis paginam sciens contra eam temere venire temptaverit . secundo tertiove commonita . nisi reatum suum congrua satisfactione correxerit . potestatis honorisq; sue dignitate careat. reamq; se divino judicio eristere de ppetrata iniquitate cognoscat et a sacratissimo corpore et sanguine dni nri ihu xpi aliena fiat atque in extremo examine districte ultioni subjaceat. Cunctis aute eide loco sua iura servantib; sit pax dni nri ihu xpi. Quatenus et hic fructum bone actionis pcipiant . et apud districtu iudicem praemia aeterne pacis inveniant. AM. A-M. AM.

 

Ego Innocentius catholice eccle eps.

 

† Ego gregorius diac. card. Scor. Sergii et Bachi. † Ego Conradus sabinensis eps. subscripsi. † Ego Otto diac. card. Sci Georgii ad uelu. aureu. † Ego Petrus Card. pbr. tt. Ste Susanne. † Ego Gerardus pbr. card. tt. sce crucis in hierim. † Ego Amselm pbr. card. † Ego Lictifred‘ pbr. card. tt Vestine. † Ego lucas pbr. card. scor Johes et Pauli. † Ego Martinus pbr. card. tt sci Stephani. † Ego Wiydo indign. sacdos. † Ego Gvido diac. Card. scor. cosme et Damiani. † Ego Gvido diac. card. sci Adribni. † Ego Crisogon diac. Card. sce. MARIE in porticu.

Dat. Rome per manum ALMERICI sce Romane eccle diac. card. et Cancell. ij. Idus Januarii Indictione I. Incarnationis dnice Anno M.CXXXVII. Pontificatus Domni INNoc. Pape ij. Anno. VIII.

 

 

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V.

 

Extrakt aus dem Calendario Numburgensis Ecclesiae.

 

(Wir theilen diesen Ertrakt nach einer eigenthümlichen Handschrift mit, welche den Titel führt: Mortuologium Numburgense et Cicense ad Exemplar copiale Summe Rev. Capituli Numburg. descriptum, variis monumentis et epitaphiis ecclesiae Cathedralis Numburg. illustratum et accessionibus variorum Bursarorum auctum a. J. G. Kayser Numb. M, DCC. LVIII. Sie ist weit vollständiger, als der von Schöttgen (in S. u. K. Diplomat. et script. hist. germ. T. II. S. 160) mitgetheilte Abdruck, der nur für einen Extrakt gelten kann, weil er nur die Namen der Wohlthäter, aber nicht die Anordnung der Ministrationen enthält. Wir theilen daraus nur mit, was auf einige unserer Stifter Bezug hat.)

Februar. 8. obiit Adelheidis Comitissa et dantur canonico praesenti et absenti 7 pf. de Kroppen facit 17 gr. n. 1 pf. ministrat. praepositus.

Mart. 2. obiit D. Wilmarus (Wilhelmus) *) Comes fundator, qui sepultus est ante Altare St. Crucis. **)

Mart 21. obiit Relegundis Fundatrix . et dantr. canon : praesenti et absenti 12 pf. Ministris (i. e. lectoribus) 12 pf. Eccles. 5 pf. facit . 31 gr. 2 pf. Cellarius ministrat.

Septbr. 18. Memoria Adelheidis fundatricis et dantur canon 1 pf. ad offer. de fabrica

(eod.) obiit Bertha Comitissa plenum officium cum elemosyna. Praepositus dat.

 

 

VI.

 

Extrakt eines alten Mortuologii (A.) s. r. Ministationes, quae praeposito majoris Ecclesiae Numburgensis secundum Mortuologium Numburgense sunt praestandae.

 

(Wir geben diese Urkunde, weil außer den, zu unsern Stiftern gehörigen Personen, deren Namen zum Unterschied cursiv gedruckt sind, nur wenige andre darinnen verzeichnet sind, vollständig. Unsere Handschrift ist von der Hand des vorgenannten Kayser; nach der Ueberschrift folgt die Bemerkung: ex copia Seculi XIV. descripta.)

 

IX. Januarii. obiit Eckardus Marchio et ponetur candela de Talento cere quam dat prepositus.

Pridie Idus Februarij. obiit Adelheydis Comitissa et dantur vj. den. Canonico presenti et absenti de Molendino in Kruppen.

 

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*) In dem Abdruck bei Schöttgen und Kreysig ist bloß Wilhelmus zu lesen.

**) Nichts von Ministrationen.

 

 

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32

 

XVI. Kal. Februarij. obijt Conradus Comes et ponetur candela de Talento.

 

IV. Non. Marcii. obijt Gelba comitissa et ponetur candela de Talento.

 

Non. Marcii. obijt Wilhelmus Comes et ponetur candela de Talento.

 

VII. Idus Marcii. obijt Thimo de Kisteritz. et ponetur candela de Talento.

 

IV. Idus Marcii obijt Lutolffus de Deynstete et datur canonico presenti in choro in vigilijs vj denarii . vicario III. den: Capellano II. denar: et tantum in missa Animarum. Item dant; V. Modii ad Eleemosynam candela ponetur de Talento Item Ecclesiasticis IV. denarii de molendino in Kruppen.

 

VIII. Idus Marcij. obijt Iohannes Sacerdos et dantur canonico presenti VI. denar. et ponetur candela.

 

Kal. Aprilis obijt Gunths Episcopus et ponetur candela.

 

Prid. non. Aprilis obijt Vto. Episcopus, et dant; canonico presenti et absenti X. Denar. ecclesiasticis liijor et candela.

 

II. Non. Maij. obijt Ludewicus . Comes et dantur canonico presenti et absenti VI. denarij Ecclesiast. IV. denar. et candela de Molendino in Kruppen.

 

Non. Maij. obijt Otto Imperator Magnus et dantur canonico presenti et absenti X. denar. Ecclesiasticis IV. denar. et ponetur candela de Molendino in Kruppen.

 

III. Kal. Julij. obijt Dytmartus Comes et ponetur candela.

 

XV. Kal. Augusti. obiit Heinricus de Indagine et datur canonico presenti solidus denar. Vicario iiij. den. Capellano ij. denar. et Ecclesiasticis IV. denar. et ponetur cereus de Talento ad stipam iij. Solid. de Manso in Buttitz.

 

XV. Kal. Octobr. obijt Berchta . Comitissa, et ponetur candela.

 

II. Kal. Octobr. obijt Hinricus de strassburgk et dantur VI. denarij canonico presenti, vicario V. solid. et candela. Item illj. Modii pro Eleemosyna de parochia in civitate.

 

III. Non. Octobr. obiit Hinricus Imperator tercius, et ponetur candela.

 

II. Idus Octobr. obiit Theodericus Comes fundator et ponetur candela.

 

XII. Kal. Novembris obiit Gerburgis Comitissa et ponetur candela.

 

X. Kal. Novembr. obiit Vtha. Marchionissa et ponetur candela.

 

IV. Non. Julij. hoc est ipso die Sancti Vdalrici, dominus Burchardus prepositus Numburgensis Instituit quod singulis annis in die S. Vdalrici predicto salus populi peragetur et dabuntur per prepositum Numburgensem qui pro tempore fuerit. 1½ Sexagene et XVI. grossorum vsualium Et dabuntur cullibet canonico presenti. In Missa XVIII. denar. vicario IX. Capellano IV. Ecclesiastico Solidus Canonico vero Beate Marie IX. denar. cuilibet Capellano Ipsorum IV. choralibus legentibus psalterium nocturno tempore dabuntur IV. Solidi. Item choralibus Sancte Marie pro psalterio legendo III. Solid. Ipso uero sublato de medio conuertatur in Anniuersarium suum. Ita quod medietas in vigiliis detur et medietas in Missa Animarum presentibus in choro et ponetur candela de Talento, dabuntur etiam V. Modii frumenti pro stipe peragenda Et prepositus, qui pro tempore fuerit, de Bonis per predictum dominum Burchardum prepositum nuncupatis.

 

 

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33

 

Feria Vta post octavam Epiphan. domini obiit idem dominus prepositus cujus Anniuersarium tunc peragetur.

 

XIII. Kal. decembris obiit Adelheydis Comitissa et dantur canonico presenti et absenti VI. denarij. cum candela de Molendino in Kruppen.

 

Idus Decembris obiit Agnees Imperatrix et ponetur candela.

 

 

 

VII.

 

Extrakt aus einem andern alten Mortuologio (B.).

 

(Diesen Extrakt hat Zader in seiner handschriftlichen Chronik des Stifts Naumburg B. IV. p. 6 in margine beigeschrieben. Dabei enthält ein eingehefteter Zettel folgende Worte: „Die Namen so hier in margine stehen, als etc., und was dabei steht, habe ich aus einem alten Mortuologio, so von Pergemen war geschrieben, und das ist der Naumburgischen Kirchen Motuologium, und unter alten Sachen zu Zeitz anzutreffen gewesen, so aber in dem Kriegswesen wegkommen.“

 

Das wichtigste an dieser Urkunde ist, daß bei den meisten der darinnen ziemlich vollständig aufgeführten Stifter der Ort des Begräbnisses genau bezeichnet ist.

 

Hechardus Marchio ob. d. Timothei 9. Cal. Febr. sepult. in monasterio.

 

Cunradas Comes fund. ob. 16. Cal. Martii et sepult. in monasterio.

 

Gepa Comitissa fundatrix sepulta ante Altare S. Crucis.

 

Thimo de Kisteriz q. .tulit. Ecclae. Kistriz et alias vilias multas sepult. ante alt. S. Stephani.

 

Regelindis fundatrix.

 

Ditmarus Comes fundator sepult. ante Alt. S. Joh. Evang.

 

Herrmannus Marchio fundator.

 

Theodoricus Comes fundator sepult. ante Altare S. Crucis.

 

Gerburch Comitissa fundatrix, sepult. ante Alt. S. Crucis.

 

Utha Marchionissa fundatrix.

 

 

Zusatz von Zader.

 

Adelheidis Comitissa ob. 2. Idus Februar. (sic in antiquo mortuologio, cujus fragmentum accepl.)

 

 

 

VIII.

 

Extrakt aus des Bosauischen Mönchs P. Langens ungedruckter deutscher Chronik, nach dem Autographo.

 

„- Es schreiben auch ettlich von ym (Kaiser Konrad), daß er daz edele Bisthumb oder den thum zu Naumburg hab gestiftet, wiewol auch andere werden gelesen und genannt stiftere des bisthumbs zu Naumburg als Eckenbertus, der

 

Lepsius, ges. Schriften. 3

 

 

 

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34

 

auch Eckhardus von etlichen wird genannt lantgraf in doringen vnd Marggraf von dem landesperg, der das Schloß Eckersperg vnd das Closter Sant Georgen bei Numburg gepawt vnd gestifft hat, vnd Sigehardt, eyn graf von Keffersperg. Darumb muß der Thumb zu der Numburg mer den eyn Stifter gehat haben, die darzu gehulfen han, als man noch sihet ettlicher graffen siben oder acht in Steyne mit yren Schilden gehawen auf gut altfrenckisch, yn vnser liben frawen Capel die eyn groß teyl des stifftes eynnymt, welche graffen vnd herren alle mit sampt yren frawen werden stiffter vnd woltheter dieſes stifts zur Numburg genannt; als man list an yren schilden die doch serh verblichen seyn u. s. w.

 

 

 

IX.

 

Abstammung und Verwandtschaft der Gründer und Erbauer des Naumburger Doms.

(Die Namen der, zu den Stiftern gehörigen Personen sind durch die Schrift ausgezeichnet.)

 

 

Dietrich           Günther                             Herrmann Billung.

(e tribu Buzici) (Markgr. in Nordthüringen) (Herzog zu Sachsen.)

|                      |

|                      |

|                      |           -------------------------------------------------

Dedo.             Eckard I. Gem. Schwanhildis           Bernhard.

|                     ---------------------v------------------------       |

|             -----------------------------------------------------     |

Dietrich II. Gem Mechtildis Herrmann.   Eckhard II.   Dietmar

----------------v----------- Gem. Relegyndis Gem. Uta

------------------------------------------------------------------------------

Dedo.  Friedrich.   Gero.   Konrad.   Beatrix.   Thimo.

                      Gem. Bertha.

------------------------------------------------------------------------------

Günther. Dietrich III. Wilhelm.   Willa.   Thiesburge.

                                Gem. Geva.

 

 

 

X.

 

Verzeichniß der Naumburgischen Bischöfe.

 

1. Hugo I.

von 968.

7. Günther I.

von 1079.

 

2. Friedrich

von 980.

8. Walram

von 1090

 

3. Hugo II.

von 991.

9. Theodorich I.

von 1111.

 

4. Hildeward

von 1003.

10. Richwin.

von 1123.

 

5. Cadelous

von 1030.

11. Udo I.

von 1126.

 

6. Eberhard

von 1048.

12. Günther II.

von 1148.

 

 

 

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35

 

13. Wichmann

von 1150.

28. Witticho II.

von 1372.

 

14. Berthold I.

von 1154.

29. Christian

von 1382.

 

15. Udo II.

von 1161.

30. Ulrich II.

von 1394.

 

16. Berthold II.

von 1187.

31. Gerhard II.

von 1409.

 

17. Engelhard

von 1207.

32. Johann II.

von 1422.

 

18. Theodorich II.

von 1244.

33. Peter

von 1434.

 

19. Meinher

von 1272.

34. Georg

von 1463.

 

20. Ludolf

von 1281.

35. Theodorich III.

von 1463.

 

21. Bruno

von 1285.

36. Heinrich II.

von 1466.

 

22. Ulrich I.

von 1304.

37. Theodorich IV.

von 1481.

 

23. Heinrich I.

von 1317.

38. Johann III.

von 1492.

 

24. Witticho I.

von 1335.

39. Philipp

von 1517.

 

25. Johann I.

von 1348.

40. Nikolaus

von 1542.

 

26. Rudolf

von 1352.

41. Julius

von 1547.

 

27. Gerhard I.

von 1360.

 

 

 

 

 

 

 

 

II.

 

Episcopatus Tarpatiensis.

(Aus dem handschriftlichen Nachlaß. Nach 1847.)

 

Auf welches Bisthum ist die Bezeichnung Episcopus Tarpatiensis zu beziehen, welche in einigen Stift-Naumburgischen und Pfortaischen Urkunden aus dem Zeitraume 1268 — 69 dem Aussteller derselben beigelegt wird?

 

Von den hier näher zu bezeihnenden fünf Ablaßbriefen sind die vier ersten in dem alten Diplomatario des Klosters Pforta, im letzten Titel, unter der Ueberschrift Indulgencie zu finden, von der fünften hat sich das Original im Domkapitels-Archiv zu Naumburg erhalten.

 

Die Abschriften im Diplomatario sind mit Ueberschriſten, welche den Inhalt kürzlich bezeichnen , wie folgt, versehen.

 

1) Dedicacio ecclesie Portensis cum indulgencia annexa.

 

Eingang : universis Christi fidelibus etc. Fridericus dei gracia Kareliensis episcopus et Darbetensis ecclesie postulatus, Salutem etc.

3*

 

 

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36

 

Schluß: Datum in Porta, anno domini MCCLXVIII. die nalivitatis beate Marie, pontificatus nostri anno nescio (sic!).

 

Ueber die in der Ueberschrift erwähnte Einweihung der Kirche zu Pforta lautet der Bericht wie folgt: Rogati ab ipsis (fratribus monasterii) oratorium ipsorum cum venerabilibus fratribus nostris Domino Friderico de Merseborg et Domino Christiano Lithoviensi episcopis ad honorem dei et sancte matris ejus beate Marie et beati Johannis baptiste, anno domini MCCLXVIII. proxima sequenti dominica post Egidi etc. dedicavimus, cooperante gracia septiformi etc. — Der, zum Gedächtniß der Einweihungsfeier ertheilte Ablaß wird denen verheißen, die an der künftigen jährlichen Gedächtnißfeier Theil nehmen werden.

 

2) XL. dies et I. Karena per episcopum tarbatensem in capella sante Margarete in porta.

 

Eingang: Fridericus dei gracia tarbatensis episcopus, crucis Christi minister universis etc.

 

Schluß: Datum in Porta anno domini MCCLXIX. Pontificatus nostri anno secundo.

 

Der Inhalt der Urkunde beschränkt sich auf die Ablaßertheilung.

 

3) XL. dies et I. Karena per Tarbatensem, quando clerus processionaliter nos visitat feria VI. post cantate.

 

Eingang wie No. 2. Die Ablaßertheilung soll denen zu Gute kommen, welche an dem Tage, wo der Naumburgische Clerus das Kloster Pforta in Procession besucht, den Zug begleiten.

 

Schluß: datum in Porta anno domini MCCLXIX. pontificatus nostri anno secundo.

 

4) XL. dies et I. Karena in henczisleben.

 

Eingang (wie bei No. 2 und 3). Der Ablaß wird denen ertheilt, die reumüthig zum Bau der Kirche zu Henczisleben beitragen werden. Schluß: Datum in Porta etc. (wie 2 und 3).

 

5) Aeußere Aufschrift der Urkunde: Indulgenci altaris undecim mille virginum.

 

Eingang ganz wie bei den vorigen. Der Bischof ertheilt denjenigen, die zu gewissen Zeiten in der Domkirche vor dem Altar der 11000 Jungfrauen an dem Gesang oder Gebete Theil nehmen würden, Ablaß wie gewöhnlich auf 40 Tage. Schluß: Datum in Porta anno Domini MCCLXIX. Pontificatus nostri anno secundo in vigilia Pasche.

 

In Uebereinstimmung mit dem, was in dem Ablaßbriefe No. 1. von der Einweihung der Klosterkirhe zu Pforta gemeldet wird, stehen

 

1) ein Ablaßbrief des Bischofs Friederich zu Merseburg, der hier bezeugt, daß er in Verbindung mit den Bischöfen Friedrich von Karelien

 

 

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37

 

und Christian von Litthauen in Auftrag des Bischofs Dietrich zu Naumburg, als Diöcesan, die Einweihung verrichtet habe, worauf die daran sich knüpfende Ablaßertheilung folgt. *) Datum anno domini MCCLXVIII. iiii Idus Septbr. pontificatus nostri ao. tercio.

 

2) Eine Urkunde des Bischofs Dietrich zu Naumburg. Hier meldet derselbe, daß und warum er die am ersten September vor sich gegangene Einweihung der Klosterkirche nicht selbst verrichten können, und daß er bei der dringenden Behinderung **) den genannten drei Bischöfen in dieser Angelegenheit seine Vices übertragen habe. — Es folgen die Bestimmungen wegen der Ablaßertheilung und zulegt die ihm als Bischof der Diöces zukommende Genehmigung und Bestätigung der von andern Prälaten bei dieser Gelegenheit ertheilten Indulgenzen. Datum in Porta ao. dni. MCCLXVIII. in die nativitatis S. Marie, pontificatus nostri an. 24.

 

Richtig werden von Wolf (Chronik des Klosters Pforta, Bd. 2. S. 150 Leipzig, Vogel, 1846) die beiden Bischöfe, Friedrich nach der Bezeichnung : Bischof von Karelien, und Christian, Bischof von Litthauen, den Episcopis in partibus infidelium zugezählt, da in diesen Landen die Einführung des Christenthums noch keinen festen Halt gewonnen hatte. Was insonderheit Litthauen betrifft, so ist es bekannt, welche Bemühungen der Erzbischof Albrecht zu Riga anwendete, die Bewohner dieses Landes für den christlichen Glauben zu gewinnen. ***) Denn wenngleich der Fürst Mandog im Jahre 1252 sich öffentlich zum Christenthum bekannt und die, in Folge dessen, vom Papst Innocenz IV. ihm übersendete Krone angenommen hatte, so trat er doch sechs Jahre später wieder feindlich gegen den deutschen Orden auf, und sein Sieg

 

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*) Die Urkunde schließt mit einer Bestätigung aller übrigen, dem Kloster bei dieser Gelegenheit ertheilten Indulgenzen (omnes indulgencias gratas et ratas habemus, quas quique venerabiles patres episcopli etc. conferunt monasterio supradicto. Es ist nicht einleuchtend, wie der Bischof zu Merseburg sich die Befugniß einer solchen Bestätigung zueignen konnte, die nur dem Bischof der Diöces zukam.

 

**) Es galt dem Ausbruch eines Bruderkriegs zwischen den Söhnen des Markgrafen Heinrich des Erlauchten, Albrecht und Dietrich, des Bischofs Neffen, zuvorzukommen und Frieden zu stiften, welcher Zweck durch die kräftige Vermittelung des Bischofs glücklich erreicht wurde.

 

***) Ich entnehme die hier zunächst über die litthauischen Vorgänge und weiter unten über die kirchlichen Zustände in Livland und der kirchlichen Provinz des erzbischöflichen Stuhls zu Riga mitgetheilten Notizen, zum Theil wörtlich aus der gehaltreihen Schrift des Herrn v. Schlözer : die Hansa etc., da speciellere und unmittelbare Quellen mir nicht zur Hand sind.

 

 

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über die Ritter am 13. Juli an den Ufern der Durba in Kurland vernichtete die Hoffnung, welche die römische Kurie an die Existenz eines bischöflichen Sitzes in diesem Lande geknüpft hatte. So erklärt sich die Anwesenheit und Verrichtung eines Bischofs von Litthauen bei der Einweihung einer Klosterkirche im mittleren Deutschland.

 

Ebenso erklärt sich die Anwesenheit und Mitwirkung eines Bischofs von Karelien bei jener Einweihungsfeier, wobei es übrigens zweifelhaft bleibt, ob einer oder der andere dieser beiden Bischöfe vielleicht dem Bischof Dietrich als Weihbischof zugeordnet war, oder ob beide nur zufällig, oder in anderweiten Angelegenheiten und Aufträgen der römischen Kurie, sich hier aufhielten.

 

Wir haben gesehen, daß Friedrich nur in seiner ersten Urkunde sich noch als Bischof von Karelien, nebendem aber schon als Postulatus Darbetensis bezeichnet.

 

Diese doppelte Bezeichnung und in dieser das Wort postulatus deutet auf die noch ermangelnde päpstliche Bestätigung, die aber bald darauf erfolgt sein muß, da Friedrich in den folgenden Ablaßbriefen sich ohne weiteres als Episcopus Tarbatensis, auch am Schlusse derselben das Jahr 1269, als das zweite seiner neuen Würde bezeichnet. Hierbei entsteht nun die Frage, auf welches Bisthum die hier dem Bischof Friedrich beigelegte Bezeichnung tarbatensis zu beziehen sei?

 

In der schriftlichen Form des Namens (Tarbatensis) stimmen die Copien der drei spätern Ablaßbriefe in dem alten Diplomatario mit der Original-Urkunde im Naumburger Domkapitels-Archive — abgesehen von dem b und p, worauf nichts ankommt — überein. Wenig abweichend lautet das Wort in der ersten Urkunde, nämlich Darbetensis (der zweite Vokal e für a). Ganz unrichtig ist das Wort in den Abdruck besagter Urkunden bei Bertuch *) und Schamel **) übergegangen, nämlich in Darwecensis. Tarbatensis oder Tarpatensis ist das Richtige. Wolf a. a. O. S. 152 hat das Wort in dem Diplomatario Darbecensis gelesen und leitet diese Bezeichnung von einem angeblichen Bisthum Darbe ab. Darunter sei das Bisthum Treviso im Venetianischen Gebiet zu verstehen, indem die Stadt Treviso auch Tarbesium genannt worden, wovon die Tarviser Mark ihren Namen habe.

 

Mir erscheint diese Ableitung sehr zweifelhaft, da einestheils von einem Bisthum Treviso nichts bekannt, anderntheils nicht wahrscheinlich ist, daß ein von Geburt deutscher Geistlicher — denn als ein solcher ist er durch seinen deutschen Namen Friedrich bezeichnet — den Weg zu einem italienischen Bisthum gefunden haben sollte, und nicht zu erdenken, was nach seiner Wahl und Berufung

 

 

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*) Chron. Port. S. 168.

**) Chron. Port.

 

 

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ihn so lange in Deutschland zurück- und abgehalten haben könnte, von seinem Bischofssitz Besitz zu nehmen und die Verwaltung desselben anzutreten, da doch aus der, dem Datum seiner drei jüngern Ablaßbriefe hinzugefügten Anzeige: anno pontificatus nostri secundo zu ersehen, daß die päpstliche Bestätigung seiner Wahl vor länger als einem Jahre schon erfolgt sein mußte und er in Folge dessen sich als wirklicher verwaltender Bischof geltend machte.

 

Näher liegt es wohl, an das Bisthum Dorpat in Livland zu denken, dessen Name neben der noch jetzt üblichen Form, auch Tharbat, Tarbat geschrieben wurde, wie dieses urkundlich nachzuweisen ist.

 

Es genügt, auf die Umschriften von zwei Münzen, bei Heineccius, de sigillis T. XI. hinzuweisen, wo der Name des Bisthums einmal (ganz wie in der Urkunde im Domkapitels - Archiv) Tharpat und einmal Tarpat geschrieben ist.

 

Die Sache unterliegt wohl keinem Zweifel und verhält sich wie folgt :

 

Im Jahre 1245 war der Bischof Albert Fuerbeer vom Papst Innocenz aus Irland berufen und zum päpstlichen Legaten und Erzbischof der baltisch-deutschen Lande Preußen, Livland und Esthland ernannt worden. Später wurde ihm zu seinem Sitz Riga in Livland angewiesen und die bischöfliche Kirche daselbst zur erzbischöflichen erhoben. Hier gedachte er den Glanz seiner hohen Stellung und ausgedehnten Machtvollkommenheit zu entwickeln. Aber dazu hätte größere Kraft und Gewandtheit gehört, als er besaß. Nur zu bald gerieth er mit dem mächtigen deutschen Orden, so wie auch mit den livländischen Rittern in Conflicte, in denen er sich nicht zu benehmen wußte, und wodurch sein Ansehn und seine Wirksamkeit sehr verringert wurde, auch führte es zu nichts, daß nach dem Ableben des Papstes Innocenz IV. (1254) dessen Nachfolger, Alexander IV., ihn mit Aeußerungen der Zuneigung und des Vertrauens überhäufte, indem derselbe (1255) die Kirche zu Riga unter den besondern Schutz des Apostelfürsten St. Peter stellte, und ihn als Erzbischof über sämmtliche bischöfliche Kirchen in Livland, Kurland und Preußen, so wie über die russischen und das Bisthum Warschau anerkannte. In der Wirklichkeit beschränkte sich seine erzbischöfliche Gewalt auf Livland, Kurland und das deutsche Esthland. — Wir werden sehen, was weiter erfolgte.

 

Daß im Jahre 1268 Riga und die übrigen bischöflichen Städte und Stiftsgebiete in Livland, namentlich und vor allen Dorpat, in den Kampf des Fürsten von Nowgorod mit den Dänen in Esthland verflochten wurden , hatte darin seinen Grund, daß ein Theil des Nowgorodischen Heeres, um von Süden her in Esthland einzufallen, über Dorpat vorgedrungen war und, während zwischen Nowgorod und Livland Waffenruhe herrschte, im Stiftsgebiet große Gewaltthätigkeiten und Verwüstungen verübt hatte, wodurch der Bischof Alexander und die Bewohner seines Stiftsgebiets, so wie im Allgemeinen die deutsche Bevölkerung Livlands, zur vereinten Theilnahme an dem Kampfe der Dänen gegen die Russen

 

 

 

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40

 

hingerissen wurden. Soweit ging der Eifer des Bischofs Alexander, daß er sich persönlich an die Spitze seiner Mannschaft stellte, — leider zu seinem Verderben, indem er unter den Mauern der esthnischen Veste Wesenberg im Kampfgewühl erschlagen wurde.

 

So entstand die Vacanz des bischöflichen Stuhles zu Dorpat und so kam es, daß noch in demselben Jahre, bei dessen Wiederbesetzung, die Wahl auf unsern Friedrich fiel, der sich in dem ersten seiner aufbewahrten Ablaßbriefe noch als Bischof von Karelien bezeichnet, wobei jedoch sehr zu bezweifeln, daß er jemals jenen Bischofssitz in Besitz genommen und dessen Verwaltung angetreten habe, wie dieses auch in dem sonderbaren Schlusse des Datums jener Urkunde, in den Worten: Pontificatus nostri anno — nescio angedeutet zu sein scheint. Soviel geht jedoch daraus hervor, daß er im Bereich der baltischen Kirchenlande kein Fremdling war, vielmehr wohl schon früher dort in kirchlichen Verhältnissen und Würden gestanden hatte.

 

Gleichzeitig dauerten die Kämpfe zwischen dem Erzbischof Albert und dem Orden fort, welche dahin führten, daß im Jahre 1269 der Erzbiſchof in seiner Kapelle von einer Anzahl Rittern überfallen und fortgeschleppt wurde.

 

Nach diesen Vorgängen ist der Zustand der Verwirrung zu beurtheilen , der in den kirchlichen Verhältnissen der Ordenslande und übrigen baltischen Gebiete, namentlih der kirchlichen Provinz Riga herrschte, als nach dem Hinscheiden Alexanders Friedrich zu dessen Nachfolger erwählt und berufen wurde. Seiner Einführung stand wohl hauptsächlich entgegen, daß dem Erzbischof von Seiten der Ritter das Recht der Besetzung der Bisthümer streitig gemacht wurde. So erklärt sich, warum Friedrich, auch nachdem die päpstliche Bestätigung seiner Wahl bereits im Jahre 1268 erfolgt war, wie dieses aus der Zählung der Jahre seiner Würde (pontificatus anno secundo) hervorgeht, — es doch gerathen fand, die Abreise noch auszusetzen und einstweilen zu bleiben — da, wo er sich befand.

 

 

 

 

Quelle:

Kleine Schriften, Beiträge zur thüringisch-sächsischen Geschichte und deutschen Kunst- und Alterthumskunde

von Karl Peter Lepsius, Erster Band, Magdeburg 1854, Creutz‘sche Buchhandlung (R. Kretzschmann) S. 1 – 40

 

Bildnachweis:

Die eingefügten Bilder stammen aus dem Werke von Dr. L. Puttrich „Naumburg an der Saale, sein Dom und andere alterthümliche Bauwerke; Leipzig Brockhaus 1841; Tafel 4, 16, 17“

 

Hinweis: Den Grundriß des Westchors des Naumburger Doms St. Peter und Paul mit den Standorten der Stifterfiguren hat die Stadt Naumburg im Internet unter folgendem Link veröffentlicht:

 

http://www.stadt-naumburg.de/Dom/Westchor/Dom_Westchorgrundriss.html