Dissertation Adolf Vogeler: Otto von Nordheim in den Jahren 1070-1083

OTTO VON NORDHEIM IN DEN JAHREN 1070-1083.

BEITRAG ZUR GESCHICHTE KÖNIG HEINRICHS IV.

INAUGURAL-DISSERTATION ZUR ERLANGUNG DER PHILOSOPHISCHEN DOCTORWÜRDE

AN DER UNIVERSITÄT GÖTTINGEN

VON ADOLF VOGELER AUS MINDEN

MINDEN. VERLAG VON KÖRBER & FREYTAG 1880.

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Meinen Eltern.

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Wie stets in Zeiten heftiger politischer Bewegung die geistigen Kräfte des Einzelnen mehr angestrengt werden und ihre Bedeutung daher auch mehr zur Geltung zu kommen pflegt, als in Zeiten träger Ruhe, so ist es auch während der sturmbewegten Regierungsjahre des unglücklichen Königs Heinrich IV. geschehen: eine ungewöhnlich grosse Anzahl hochbegabter Männer tritt uns in dieser Epoche fast auf allen Gebieten entgegen. Es konnte nicht fehlen, dass die Geschichte solcher hervorragenden Personen die Aufmerksamkeit der Forscher auf sich zog und ihnen zu biographischer Darstellung Anlass gab. Leute wie Gregor VII., wie Anno von Köln, wie Adalbert von Bremen, Burkard von Halberstadt, Benno von Osnabrück, wie Herzog Rudolf von Schwaben u. a. haben in unserer Zeit der eifrigsten historischen Forschung sämmtlich ihren Biographen gefunden. Otto von Nordheim, der Mann, dessen Geschichte uns in der nachfolgenden Arbeit beschäftigen wird, hat bis jetzt allein schon zwei Monographien hervorgerufen, von denen die eine das Leben des Herzogs bis zum Jahre 1069 1), die andere bis 1070 2) darstellt. Beide dieser Biographen weichen in der Auffassung der Geschichte Otto's wesentlich von einander ab; während die eine Otto meist als den braven Patrioten darstellt, der nur hier und dort das Interesse des Reiches nicht verstanden hat, neigt der Verfasser der anderen mehr zu der umgekehrten Ansicht. Wie bemerkt, reichen die erwähnten Arbeiten nicht über das Jahr 1070 hinaus, trotzdem der Herzog Otto erst 1083 starb und nach 1070 erst seine weitgehende politische Wirksamkeit begann. Der Verfasser der nachfolgenden Monographie hat es sich daher zur Aufgabe gemacht, die Geschichte des Herzogs in den Jahren 1070--1083 zu verfolgen und aus der politischen Thätigkeit Otto's in diesen Jahren ein möglichst sicheres Urtheil über seinen Charakter und seine Absichten zu erhalten. Für die Vorgeschichte kann der Verfasser auf die erwähnten Arbeiten verweisen.
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1) Neumann: De Ottone de Nordheim. Pars prior. Vratisl. 1871. 2) Mehmel: Otto von Nordheim, Herzog von Bayern. Götting. 1870.

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Ueber die Geschichte der wichtigen Jahre von 1070-1080 ist man auch heute noch durchaus nicht völlig im Klaren, trotzdem Floto, Giesebrecht u. a. der Erforschung dieser Zeit eine ausserordentliche Sorgfalt gewidmet haben. Das Bild jener Zeit gewinnt an Deutlichkeit und Licht, je schärfer die handelnden Personen hervortreten; auch von diesem Gesichtspunkt aus dürfte der Versuch einer Monographie, wie er hier gemacht ist, gerechtfertigt erscheinen. –

Die grösste Gefahr lag für den Verfasser darin, sich zu sehr auf die Reichsgeschichte einzulassen und der Arbeit so den Charakter der Monographie zu nehmen, wie es beispielsweise bei verschiedenen der erwähnten Biographien geschehen ist. Der Verfasser verhehlt sich nicht, dass er diesen Fehler keineswegs ganz vermieden hat, er weiss aber auch, dass derselbe bei der Stellung Otto's von Nordheim zur Reichsgeschichte und bei dem Stande unserer Quellen gar nicht zu vermeiden ist; er hat aus diesem Grunde die Arbeit einen Beitrag zur Geschichte Heinrich's IV. genannt. –

Was die Quellen angeht, so dürfte es vielleicht angemessen erscheinen, darüber einiges vorauszuschicken, allein der Verfasser begnügt sich mit der Erklärung, dass er beinahe keinem einzigen der Autoren in der zweiten Hälfte des XI. Jahrhunderts volle Wahrheitsliebe zusprechen kann, ja dass nach seiner Ueberzeugung einigen selbst der angeseheneren Chronisten überhaupt das Bewusstsein fehlt, in geschichtlichen Werken die Wahrheit sagen zu müssen. Die meisten der damaligen Geschichtsschreiber, wie z. B. Lambert von Hersfeld, waren einfache Mönche ohne Connex mit hochgestellten Personen, bei denen sie sich über die Ereignisse im Reich Kunde erbitten konnten, und es darf daher nicht auffallen, wenn man die Klatschereien der Landstrassen und Klöster als historische Wahrheiten in den Quellen jener Zeit findet; 1) Vorsicht war daher hier vor allen Dingen geboten. –

Von neueren Darstellungen sind besonders diejenigen von Floto und Giesebrecht herangezogen, jedoch auch eine Anzahl kleinerer Arbeiten, die manchen dankenswerthen Beitrag liefern, haben ihre Berücksichtigung gefunden.
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1) Bresslau in dem historischen Jahresbericht von 1878 p. 145 hat darauf zum ersten Male die Aufmerksamkeit gelenkt.

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I. Das Attentat Otto's von Nordheim auf König Heinrich IV. 1)

Aus einem der angegehensten sächsischen Geschlechter stammend, dessen reiche Besitzungen sich durch ganz Sachsen und die Nebenländer erstreckten, wurde Otto von Nordheim durch das Herzogthum Baiern, 2) womit ihn die Kaiserin Agnes im Jahre 1061 belehnte, der mächtigste Fürst in Deutschland. 3) Nicht zufrieden jedoch mit dem Einfluss, welchen er als solcher altem Herkommen gemäss auf die öffentlichen Verhältnisse des Reiches ausüben konnte, wagte er es, selbst Hand an den jungen König zu legen; mit Anno von Köln und Ekbert, dem Oheim des Königs, vollbrachte er jene gewaltsame That, welche die Majestät des königlichen Namens so tief erniedrigte: er entriss der kaiserlichen Mutter den jungen Sohn und brachte damit die Zügel der Regierung in seine und seiner Genossen Hände. Seit
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1) Giesebrecht: Geschichte der deutschen Kaiserzeit, Bd.III., p.155.. Floto: Kaiser Heinrich IV. und sein Zeitalter, Bd.I, p. 351 ... Lindner: Anno II. der Heilige von Köln p. 65. Mehmel: Otto von Nordheim p. 51 ... Delbrück: Ueber die Glaubwürdigkeit Lamberts v. Herzfeld. Bonn 1873 p. 21 Meyer: Lambert v. Hersfeld. Königsberg 1877 p. 12 ..
2) clarissima atque opinatissima in republica dignitas Lamb. 1071 M.G.S.S.V.
3) Mehmel a. a. O. p. 12: Bei seinen grossen Besitzungen und Lehen in Sachsen wurde Otto durch das Herzogthum Baiern der mächtigste Fürst des Reiches.

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dieser Zeit finden wir ihn bei den wichtigsten Vorgängen im Vordergrunde stehen und neben Anno von Köln auch von den Schriftstellern der damaligen Zeit als eigentlichen Leiter der Staatsgeschäfte bezeichnet. 1) Eine völlige Aenderung in dieser mächtigen, gebietenden Stellung brachte erst das Jahr 1070 mit sich. In diesem Jahre nämlich wurde die Anklage auf Hochverrath gegen Otto erhoben, er wurde beschuldigt, auf Mord an seinem König und Herrn gesonnen zu haben. Es ist dies Ereigniss für die weitere Geschichte des ausserordentlichen Mannes von so entscheidender Bedeutung, dass es sich lohnen wird, dabei zu verweilen.

Lambert von Hersfeld erzählt zum Jahre 1070:

Berühmt am Hofe und von grossem Ansehen im Staate war damals Herzog Otto von Baiern. Aber wie dem Ruhme die Missgunst immer zu folgen pflegt, so beneideten auch ihn sehr viele schlechte Menschen, die sich beklagten, dass seine Macht und sein übergrosser Ruhm ihrem bösen Treiben hinderlich seien, und suchten eifrig nach einer Gelegenheit, ihn zu verderben. Daher stifteten sie einen freien, aber sehr übel berüchtigten Mann, Namens Egino, zu seinem Tod und Untergang an. Dieser erhob die Klage gegen den Herzog dass er ihn oftmal durch Bitten und hohe Versprechungen zur Ermordung des Königs aufgereizt hätte, und zur Beglaubigung seiner Anklage zeigte er ein Schwert vor, das ihm der Herzog zur Ausführung des schändlichen Verbrechens gegeben hätte; leugne jener, so sei er bereit, auf jede rechtlich mögliche Weise die Wahrheit seiner Worte darzuthun. Als diese Anklage verbreitet wurde, waren alle, die Otto einmal im Interesse des gemeinen Wohles beleidigt hatte, sofort in feindlichster Absicht thätig, den Zorn des Königs mit aller Gewalt und allen Mitteln gegen den Herzog zu entflammen, u. s. w. – Ich breche hier vorläufig ab, da es mir zunächst darauf ankommt, über das Mass von Schuld, das dem Herzog beizumessen ist, ein möglichst sicheres Urtheil zu bekommen. --
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1) Lamb. ad. an. 1063. Tum vex consilio usus Coloniensis archiepiscopi et Ottonis ducis Bajoariorum, quorum tunc arbitrio respublica administrabatur ...

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Als Anstifter des Egino nennt Lambert plerique homines nequam, qui malitiae suae potentiam ejus atque immoderatam gloriam obstare querebantur. Es ist möglich, dass der Annalist hier an die Consiliarii regis denkt, die die häufige Abwesenheit des Herzogs vom Hofe 1) des Königs zur Einleitung ihrer Intrigue benutzt haben, immerhin bleibt die Redensart zu allgemein, als dass man mit Sicherheit sagen könnte, wer gemeint ist. 2) An anderen Stellen äussert sich Lambert bestimmter; so zum Jahre 1071. Es wird dort erzählt, wie Leupold von Mörsburg „quidam regi carissimus, cujus opera et consiliis familiarissime uti solitus erat“ sich durch einen Fall vom Pferde mit seinem eigenen Schwerte bis auf den Tod verletzte. Das Schwert Leupold's war, wie die Sage ging, das uralte Schwert des Mars, mit dem Attila vor Zeiten die Völker des Abendlandes bezwungen hatte; später schenkte es die Königin von Ungarn dem Herzog Otto von Baiern aus Anerkennung für seine wackeren Kriegsthaten, und von diesem kam es durch die Hand des jungen Markgrafen Dedi in die des Königs, der es wiederum an Leupold schenkte. Weil dieses Schwert nun die Ursache zum Tode Leupold's war, so sahen einige, die dem Herzog Otto wohlgesinnt waren, in dem Unfalle die strafende Hand Gottes, denn eben Leupold sollte besonders den König angetrieben haben, Otto zu verfolgen und vom Hofe zu verbannen.

Diese ganze Darstellung Lamberts ist historiSch ohne Werth, ein Geklatsch, das die Phantasie müssiger Mönche ausgeheckt hat. Der Tod Leupold's erregte allerdings grosses Aufsehen, und auch in anderen Klöstern suchten fromme Brüder nach einer Erklärung dieses plötzlichen Strafgerichtes des Himmels, die dann allerdings wesentlich anders ausfiel als in Hersfeld. 3) – An einer dritten Stelle endlich nennt Lambert
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1) Otto ist in den Jahren 1069 und 1070 nicht häufig am Hofe gewesen, denn nur eine Urkunde St. 2722 nennt ihn.
2) Der König ist hier nur der verführte, trotzdem wirft der Annalist im Laufe der Darstellung eine solche Menge missbilligender Seitenblicke auf ihn, dass er schliesslich dem Leser als der Hauptschuldige erscheint.
3) So erzählte man sich in Altaich: Leupold sei bestraft quia res sanctae Mariae inquietare moliebatur – cfr. Annales Altahenses ad an. 1071. M.G.S.S.XX.

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ganz bestimmt einen Grafen Giso und Adalbert mit vier Söhnen als Anstifter Egino's. 1) Es muss sehr befremden, dass der hersfelder Annalist zum Jahre 1070 eine ganz unbestimmte Kategorie von Leuten anführt, später ein ihm selbst nicht sehr sicher dünkendes Gerücht erwähnt, und endlich ganz bestimmte Personen nennt. Man sieht nicht recht ein, warum die letztbezeichneten Personen nicht schon 1070 genannt werden, 2) warum der Annalist ferner Gerüchte beibringt, wenn er ganz bestimmte Thatsachen kennt. Offenbar hat er den Zusammenhang, der zwischen den Grafen Giso und Adalbert und der Anklage gegen Otto bestanden haben soll, erst im Jahre 1073, als die Grafen den Tod fanden, erfahren, und wir irren gewiss nicht, hier ein eben solches Gerücht als Quelle anzunehmen, wie es der Tod Leupold's hervorrief, denn hier wie dort suchte die fromme Phantasie nach Erklärung für ein eben so plötzliches wie schweres Unheil. 3) –

Unter diesen Umständen bleibt von Lambert's Bericht wenig mehr übrig; unter vielen allgemeinen Redensarten, die keine Bedeutung haben, finden sich einige brauchbare historische Wahrheiten
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1) Lamb. ad an. 1073 Giso quoque comes et Adalbertus cum quattuor filiis suis, quibus incentoribus idem perditus -- Egino -- tragicam hanc fabulam confinxerat, . . . occisi sunt . . . Deo vindicante innocentiam Ottonis ducis.
2) Man könnte einwenden, Lambert habe den annalistischen Fortschritt seines Werkes nicht unterbrechen wollen und deshalb diese Art der Mittheilung gewählt. Dagegen lässt sich jedoch erwidern, dass eine zweimalige Nennung der Namen, der annalistischen Form unbeschadet, möglich, ja bei der Wichtigkeit der Thatsachen nothwendig war.
3) Mehmel a. a. O. p. 52 bemüht ich, die Grafen Giso und Adalbert näher zu bestimmen; er hält den ersteren mit Wenck, Hessische Landesgeschichte Bd. III, p. 75 für einen Grafen von Gudensberg; diese Annahme führt ihm dann zu einer weiteren. Im Amte Gudensberg so argumentirt er, hatte Otto von Nordheim ein Dorf Holzhausen, somit waren Otto und Giso Nachbarn. „Man kann danach wohl vermuthen, dass Privatstreitigkeiten, ebenso wie sie die Veranlassung zu Giso's Tod wurden, auch den ersten Anlass zur Anklage des Herzogs gegeben haben.“ -- Diese Reihe von Hypothesen ist durch nichts gestützt und ich halte es für müssig, sich in Betrachtungen zu ergehen, die kaum auf Wahrscheinlichkeit Anspruch machen können.

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wie z. B. das Faktum der Anklage Egino's, das Vorzeigen des Schwertes u. s. w. alles Dinge, die Jedermann erfahren konnte, und man muss hier wie an anderen Stellen wieder einmal zugeben, dass von einer eingehenderen Kenntniss des Annalisten, wie sie die Bekanntschaft mit hochgestellten, eingeweihteren Personen ergeben hätte, nicht die Rede sein kann.

Neben Lambert kommt in erster Linie der Annalist von Altaich in Betracht. 1) Man hat wohl behauptet, 2) der bairische Mönch sei ebenso sehr gegen Otto von Nordheim eingenommen, wie z. B. der Verfasser des Triumphus S. Remacli gegen Anno von Köln, allein so liegt das Verhältniss keineswegs. --- Bei der Belehnung mit Baiern wird Otto in den Annalen nur „vir prudens“ genannt; als er im Jahre 1065 in den Begitz des Klosters Altaich gelangt, sagt der Mönch von diesem Ereigniss, das ihn selbst aufs empfindlichste traf, doch nur: quod mox multi coeperunt opinari et dicere, quia non ei cessurum esset prospere. 3) So hält sich der Annalist durchaus fern von persönlichen Angriffen gegen den Herzog, nur die Thatsachen selbst lässt er für sich sprechen, und diese bilden einen so vortrefflichen Zusammenhang, geben uns ein so deutliches Bild von dem Wesen und Streben Otto's, dass man dieselben nur auf die wichtigsten Gründe hin verwerfen darf. Ich will nicht bestreiten, dass man in Altaich manches Ereigniss gehässig ausgelegt haben mag, und dass dadurch auch das Bild, was der Annalist vor unseren Augen vom Herzog entrollt, hier und dort zu dunkel erscheint, aber im Grossen und Ganzen wird man seine Darstellung aufrecht erhalten können, die niemals so einseitig und beschränkt wird, wie die des gepriesenen hersfelder Mönches. –
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1) Annales Altahenses S.S. XX p. 772.
2) Giesebrecht a. a. O. p. 1111. Mehmel a. a. O. p. 30 geht noch weiter: Abt und Mönche, sagt er, mochten den Herzog manchmal verwünschen, es mag sie bitter gekränkt haben, dass sie auf ihren Todfeind in der Litanei den Segen des Himmels herabflehen mussten.
3) Ich sehe nicht ein, wie derartige Bemerkungen Mehmel a. a. O. p. 30 zu folgender Aeusserung veranlassen konnten: Wo der Verfasser derselben -- der Annalen -- Gelegenheit hat, etwas vorzubringen was den Leser gegen Otto einnehmen könnte, da thut er es.

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Schon beim Jahre 1067 erwähnt der bairische Annalist die zweideutige Stellung des Herzogs zu den Parteikämpfen in seinem Herzogthum, dann im folgenden Jahre die bedenkliche Zusammenkunft Otto's mit Gottfried in Italien, wo Verhandlungen gepflogen sind, über deren Inhalt wir leider nichts wissen; jedenfalls gaben sie zu mancherlei Gerüchten über Otto Anlass. Als dann, so erzählen die Annalen weiter, der König Heinrich im Jahre 1069 von jenem glänzenden Zuge gegen die Liutizen heimkehrte, bat ihn Otto von Nordheim, bei ihm auf einem am Wege liegenden Gute einzukehren und sein Gast zu sein. Gern ging der junge Herrscher darauf ein, er ahnte nicht, dass der treulose Herzog seinen Tod geplant hatte. In Heinrich's Begleitung war sein Rathgeber und Lehrer Cuno, 1) der, wie man sich erzählte, bei Otto nicht sehr in Gunst stand. Mit ihm, so hatte der Herzog mit seinen Mannen beschlossen, wolle man einen Streit beginnen und sein Leben bedrohen, springe dann der König hinzu, den Tumult zu beschwichtigen, so solle er von Egino, den Otto unter den seinigen ausersehen hatte, ermordet werden. -- Dieser verabscheuenswürdige Plan wurde auch in der That in Scene gegsetzt, ohne dass er jedoch bis zu Ende durchgeführt wäre, denn auf Chuno's Hilferuf sammeln sich seine Genossen schleunigst, um ihm beizustehen, und so wird der Streit bald beigelegt. Kein Mensch hatte damals eine Ahnung von dem verruchten Plan, bis später Egino die Vorgänge erzählte und zum Beweise ein Schwert vorzeigte, das ihm Otto zur Ermordung des Königs gegeben hatte. --

Diese Vorgänge auf dem Gute des Herzogs haben wir in das Frühjahr 1069 zu setzen, im Sommer desselben Jahres verschwören sich 12 sächsische und fränkische Fürsten gegen den König; unter ihnen soll sich Otto wiederum befunden haben. 2) Nur zwei von ihnen, Markgraf Dedi von der Ostmark und Graf Adalbert von Ballenstädt wagen es, offen vom König abzufallen
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1) Nach Giesebrecht a. a. O. p. 1112 derselbe, dem Heinrich 1064 mehrere Güter in der Wetterau schenkte ob fidele servicium humilemque supplicationem Cunonis nostre juventutis pedissequi. –
2) Auch Ekkehard M.G.S.S. VI p. 200 bestätigt, dass der Aufstand Dedi's nicht sine Saxoniae principum consilio geschehen sei.

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und die Waffen gegen ihn zu ergreifen, während die übrigen scheinbar die Treue bewahren, um den König desto sicherer verderben zu können oder für die aufständischen Fürsten bei ungünstigem Verlauf des Aufruhrs desto leichter Verzeihung zu erwirken. Es gelang Heinrich sehr schnell, den Aufstand niederzuschlagen; Otto verhielt sich abwartend. Als der König Scheidungen, eine Burg des Markgrafen, belagerte, war auch Otto zugegen, allein er duldete nicht, dass von seiner Begleitung Jemand dem König oder seinen Gegnern Beistand leistete. Dedi und Adalbert ergaben sich schliesslich ihrem Herrn und denunzirten ihm nun in ihrem gerechten Zorne die treulosen Mitverschworenen. 1) Heinrich jedoch wollte sich nicht mit einem Male so viele Fürsten verfeinden und stellte sich, als wisse er von ihrer Schuld nichts, wahrscheinlich aus Rücksicht auf seine beabsichtigte Ehescheidung, wozu er auf die Unterstützung der Fürsten rechnete. Bekanntlich wurde dieser Plan des Königs durch das Eingreifen des Papstes verhindert. -- Gegen Pfingsten 1070 endlich trat jener Egino mit seiner Anklage auf: Otto autem dux -- so sagt der Annalist -- nullo modo quiescere patiebatur, sed occulta consilia semper contra regem machinabatur. Et cum jam hoc pene omnibus esset in ore, rex tamen dissimulabat se credere, donec Egino praedictus regem adiit et rem omnem, cujus ipse optime conscius fuerat, manifestavit. --

Dies ist mit kurzen Worten die Darstellung des Altaicher's, die an Genauigkeit kaum etwas zu wünschen übrig lässt; kritische Bedenken liegen gegen sie nicht vor, ein vorsichtiges ferebatur oder dicebatur, das statt bestimmter Ausdrücke sich findet, nimmt mehr für wie gegen den Annalisten ein. Wenn uns Lambert ganz allgemein von der Anklage Egino's gegen den Herzog berichtet, so finden wir hier eine chronologische, klare Darstellung über Zeit, Ort der Handlung des Gegenstandes der Anklage. 2) Graf über Zeit, Ort und Handlung des Gegenstandes der Anklage. 2) Es ist selbstverständlich, dass Egino bei seiner Anschuldigung
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1) Die Einwendungen Mehmel's gegen diese Darstellung des Altaicher's sind bereits von Neumann widerlegt. cfr. Meyer a. a. O. p. 8.
2) Auch Mehmel a. a. O. p. 64 giebt dies zu. Die Darstellung, sagt er, ist viel zusammenhängender; es wird wird eine bestimmte Gelegenheit angegeben, bei der der Mord beabsichtigt sein soll; man sieht hier, wie es möglich war, dass Heinrich gegen Otto Verdacht schöpfen konnte. Er erinnert sich des Besuches, er erinnert sich auch des nächtlichen Streites zwischen seinem Ministerialen Cuno und den Leuten des Herzogs. Man muss zugestehen, dass Egino keinen besseren Anknüpfungspunkt für seine Anklage finden konnte.

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auch Einzelheiten beibrachte, und wir irren gewiss nicht, wenn wir in der Erzählung des Annalisten die des Klägers erblicken.

Nach den hersfelder und altaicher Annalen ist Bruno's Sachsenkrieg 1) heranzuziehen. Hier wird behauptet, der König selbst habe Egino zu seinem Auftreten gegen den Herzog bewogen, weil er keinen Augenblick daran gezweifelt hätte, dass Otto mit allen Baiern den aufständischen Sachsen zu Hilfe eilen würde. Bruno giebt hier ganz gegen seine Gewohnheit seinen Gewährsmann nicht an, also hat diese Darstellung noch nicht einmal den Anspruch auf Wahrheit, wie manche andere Schandgeschichte, die der gehässige Autor uns über den König überliefert hat.

Wichtiger als diese Darstellung ist der Bericht Ekkehard's: 2) Otto -- so erzählt er beim Jahre 1071 -- verlor das Herzogthum Baiern. Dieser war von Geburt ein Sachse, ein Mann vom höchsten Adel, an Klugheit und Kriegstüchtigkeit die meisten Zeitgenossen überragend und von so gewaltigem Ansehen bei den Fürsten, dass der König, der schon damals den Sachsen verdächtig und verhasst war, bei unglücklichem Verlauf seiner Sache fürchtete, jener könne gegen ihn auf den Thron gehoben werden. Dies Verhältniss missbrauchte Egino, ein armer Mann, von niedriger Herkunft, wegen seiner Frechheit und Ehrlosigkeit übel genug berüchtigt, trat unter dem Schutze einiger Getreuen des Königs 3) vor die Reichsversammlung und erhob gegen jenen
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1) Bruno: De bello Saxonico cap. 19 M.G.S.S.V.
2) M.G.S.S. VI p. 200.
3) Die Worte lauten bei Ekkehard patrocinantibus sibi quibusdam regis fidelibus. Mehmel a. a. O. p. 52 Sieht darin eine Otto feindliche Hofpartei, die plerique homines nequam des hersfelder Annalisten. Von einer Anreizung des Egino durch andere ist jedoch hier bei Ekkehard keine Rede. Jene Worte patrocinantibus . . . bedeuten wohl nur, dass sich Egino, der nach des Chronisten Ansicht ein homo mediocri loco natus, ein ignobilis war, unter den Gerichtsschutz einiger bei Hofe angesehener Leute stellte.

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grossen Helden, der ihn gar nicht kannte, die Anklage, er habe mit ihm über die Ermordung des König verhandelt; sich selbst erbot er, wie das Sitte ist, dem König als Bürgen, bis er im Zweikampf mit dem Herzog die Wahrheit seiner Anklage bestätigt hätte. --

Wir sehen, dass auch Ekkehard den Herzog für unschuldig hält, jedoch fällt auch diese Autorität nicht sehr ins Gewicht, denn einmal kann der Chronist keineswegs für unparteiisch gelten, vielmehr zeigt sich auch bei ihm eine starke Abneigung gegen den König, ferner ist er nicht Zeitgenosse, und endlich leidet sein Bericht an manchen Schwächen: Egino ist nicht ein homo mediocri loco natus, ein ignobilis, wie er hier genannt wird, sondern ein freier Mann; dass er ferner dem Herzog Otto bis zur Zeit der Anklage gänzlich unbekannt gewesen wäre, ist, abgesehen von den anderen Berichten, an sich schon sehr unwahrscheinlich. -- Das Motiv zum Auftreten Egino's in dem Bericht Ekkehard's entspricht doch sehr der Mittheilung des altaicher Annalisten, dass Otto's zweideutige Stellung in aller Munde war; sonst lernen wir hier wenig, die Kenntniss des Chronisten beschränkt sich auf das, was er auf der Landstrasse erfuhr. –

Endlich kommen noch Berthold-Bernold 1) in Betracht. Diese berichten zum Jahre 1067 von Fehden in Sachsen, dann heisst es z. J. 1068 Heinricus rex adolescentiae suae errore seductus legittimae conjugis adeo obliviscitur et tam nefandis criminibus involutus esse diffamatur, ut etiam principes ejus eum regno privare molirentur.

1069: Pax et reconciliatio in populo in natali Domini apud Goslare regali edicto sub sacramento sunt confirmatae . . . Dedi marchio Saxonicus regi Heinrico rebellat.

Z. J. 1070: Francia civili laborat discordia. Otto dux Bajoariae regi Heinrico rebellat et Magnus filius Ottonis ducis Saxoniae aequilonalis. --

Es ist ein Irrthum, wenn Giesebrecht 2) mit Stenzel behauptet, Otto erscheine hier als schuldig des Attentates,
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1) M.G.S.S. p. 429.
2) a. a. O. p. 1112.

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vielmehr ist in diesem ungemein dürftigen Bericht die Frage gar nicht erwähnt; trotzdem habe ich diese kurzen Notizen herangezogen, weil man aus ihnen von dem fortwährenden, nimmer ruhenden Schwanken und Wogen der Parteien sowohl im Reich als besonders in Sachsen eine Vorstellung bekommt.

Was sonst noch von Quellen vorhanden ist, ist gänzlich unbedeutend und kann hier übergangen werden. 1)

Wir haben gesehen, dass von sämmtlichen Darstellungen, die uns über das Attentat Otto's überliefert sind, nur eine den Anspruch machen kann, eingehend und genau zu sein: die altaicher Annalen; sie sind es allein, die dem Herzog Schuld beimessen, sollen wir ihnen folgen?

Die Sachsen waren nie mit dem Regiment der Salier zufrieden gewesen, schon 1048 finden wir den Grafen Dietmar, den Bruder des Herzogs Bernhard von Sachsen, des Attentates auf Heinrich III. angeklagt, dann im Jahre 1057 kurz nach dem Tode des mächtigen Kaisers jenen Aufstand Otto's, eines Bruders des Markgrafen Wilhelm, mit der ausgesprochenen Absicht, den jungen König Heinrich IV. zu tödten, und die Krone wieder an einen Sachsen zu bringen u. s. w. 2) – Als Heinrich IV. dann zu Jahren gekommen war, führte er ein so durchaus unmoralisches und anstössiges Leben, dass selbst seine Freunde darüber klagen; besonders die Absicht, sich von seiner rechtmässigen Gemahlin scheiden zu lassen, hat sehr viel böses
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1) Ann. Corb. S.S. III, 6 Otto Bavariorum ducatum amisit.
Ann. August. S.S. III, 128 Otto dux Bawariorum conjurationis contra regem arguitur.
Ann. Ottenb. S.S. V, 7 Otto dux contra regem magnam cedem fecit juxta Askinewage.
Ann. Weissenb. S.S. III, 71 Otto Bawariorum dux quasi conjurasset in regem Heinricum hostis judicatus est et honor ejus ad alios translatus.
Ann. Laub. S.S. IV, 21 Otto Bawariorum dux de conjuratione facta in regem deprehenditur et honore privatur.
Ann. Wirziburg. S.S. II 245 Ottho dux regi Heinrico rebellat.
Ann. Hilihenesheim. S.S. III, 105 Otto dux Bajoariae regi Heinrico rebellat
2) cfr. Giesebrecht a. a. O. p. 163.

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Blut gemacht und von verschiedenen Seiten hören wir, dass man ernstlich an eine Entthronung des Königs gedacht hat. 1) --

Wir sahen vorher, 2) dass Otto von Nordheim in den Jahren 1069 und 1070 in Urkunden sehr selten, nur einmal erscheint, offenbar hatte er seit der selbstständigen Regierung des jungen Königs viel von seinem früheren massgebenden Einfluss eingebüsst. Wie wir noch später erfahren werden, war es nun eine der schwerwiegendsten Klagen, die die Fürsten und besonders die sächsiSchen stets gegen den König erhoben, dass er die gute alte Sitte, mit dem Rath der Fürsten zu regieren, verletze und eigenmächtig nur auf den Rath seiner Consiliarii z. Th. unfreier Leute höre. Wie schwer musste es einem hochstrebenden, ehrgeizigen Manne, wie dem Nordheimer, werden, sich in eine Regierung zu fügen, wo er wenig mehr galt, nachdem er vorher lange Jahre die Geschicke des Reiches in seiner mächtigen Hand gehabt hatte, wie bitter musste er, der Vertreter eines alten hochangesehenen Geschlechtes, der grösste Grundbesitzer im Reiche, der Herzog des geehrtesten und mächtigsten Herzogthums, wie bitter musste er es empfinden, bei Hofs hinter namenlosen Emporkömmlingen sich zurückgesetzt zu sehen! Jener Cuno, der bei dem Attentat eine Rolle spielte, war minister et nutritor regis und man sagte sich, er besitze nicht die Gunst des Herzogs, jener Leupold von Mörsburg, von dem man sich erzählte, er sei an dem Verfahren gegen Otto der Hauptschuldige, war ebenfalls einer der vertrautesten Räthe des Königs.

Wenu man alle diese Umstände in Rechnung zieht, so begreift sich wohl, wie der ebenso ehrgeizige und stolze, wie treulose 3) Herzog, der die Sympathie und Liebe seines Volkes in seltenem Masse hatte, zu dem Gedanken des Attentates kommen konnte, es galt sowohl ein Gefühl des beleidigten
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1) Mehmel a. a. O. p. 56 leugnet dies trotz der positiven Mittheilung bei Ekkehard und Berthold-Bernold.
2) p. 9 Anm. 1.
3) Ich erinnere noch an einen Brief des Bischofs Günther von Bamberg an Anno von Köln cfr. Jaffé Bibl. V Udalrici Cod. Nr. 23; darin heisst es über Otto: Movet me etiam ducis Bawariorum tam facile recepta purgatio, tam facile credita expurgatio. Dolosis enim consiliis nihil dissimulatione aptius est . . . Nostris mores, nostris tempora; quid credat aut cui credat nemo habet. Der Brief stammt allerdings aus weit früherer Zeit, aber er ist trotzdem charakteristisch.

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Stolzes wie des Ehrgeizes zu befriedigen durch eine That, die damals vielen Leuten erwünscht sein mochte. --

Man hat wohl in der moralischen Verworfenheit des Klägers, 1) die allerdings nur königsfeindliche Quellen bezeugen, während der Annalist von Altaich sich gar nicht über die Person Egino's auslässt, einen Beweis für Otto's Unschuld gesehen, allein mit Unrecht:in ehrenhafter Mensch giebt sich zu einem Morde und gar einem Königsmorde nicht her, Otto musste sich zur Erreichung seines Zieles einen Schurken kaufen, der ihm zugleich noch den Vortheil bot, dass seine Aussage ohne Bedeutung blieb, wenn des Herzogs Charakter und Lebenswandel den Verdacht eines Mordes von selbst ausschloss. --- Mehmel 2) sieht einen weiteren Grund für Otto's Unschuld in der Erstarkung des jungen Königs im Jahre 1070, denn nur so habe er sich Uebergriffe wie hier gegen Otto erlauben dürfen, jedoch auch dieser Punkt beweist nichts. Mit demselben Rechte kann man sagen: dass Heinrich dem Herzog nicht früher entgegentrat, war nur eine Folge seiner Schwäche, erst 1070 konnte er es wagen, seinen mächtigen Vasallen zur Rechenschaft zu ziehen. -- Am Ende des Jahres 1069 war nämlich Gottfried in Italien, ein ränkevoller Mann und alter Gegner der Salier, gestorben, am Anfang des Jahres 1070 waren die mächtigen Erzbischöfe von Mainz und Köln und der Bischof
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1) Mehmel a. a. O. p. 59. Egino wurde im Jahre 1072 in Folge von Räubereien in Ketten gelegt und dem Volke als Warnung vor der strafenden Gerechtigkeit des Königs vorgeführt; -- man merke dabei wohl, dass damals gerade Anno, der Genosse Otto's an der kaiserswerther That, wieder ans Ruder gekommen war. -- 1073 wurde er dann von Bauern geblendet und musste hinfort an den Thüren bettelnd sein Brot suchen. -- Nur Lambert berichtet uns diese Schicksale des Mannes, der Altaicher lässt sich gar nicht über Egino aus; dies Schweigen für absichtlich zu halten, liegt nach dem ganzen Charakter der Annalen kein Grund vor.
2) a. a. O. p. 57.

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von Bamberg nach Rom citirt, um sich dasselbst gegen eine Anklage auf Simonie zu vertheidigen, nur mit Mühe gelang es ihnen, den schärfsten Massregeln von Seiten des Papstes zu entgehen; 1) natürlich hatte ihr Ansehn sehr gelitten, als sie nach Deutschland heimkehrten.

Dazu kommt noch, dass der König damals mit seinem Schwager, dem Herzog Rudolf von Schwaben, in ungetrübt gutem Vernehmen stand. Eben die furchtbaren Umtriebe Otto's und der anderen sächsischen Fürsten mögen Rudolf möglichst eng an den König gedrängt haben. Wir finden nämlich in den Annalen von Weissenburg zum Jahre 1069 die Nachricht: Adelheid, conjux Ruodolfi regis, quod castitatem non servaverit, et marito et honore privata est. 2) Also liess sich Rudolf in demselben Jahre von seiner Gemahlin Adelheid, einer Schwester der Königin Bertha, scheiden, in welchem Heinrich's Versuch, die letztere zu verstossen, misslang. Es liegt auf der Hand, dass hier ein und derselbe verabredete Plan vorliegt, wie würde Rudolf es sonst gewagt haben, den König in seiner Schwägerin so schmählich zu beschimpfen! 3) Heinrich mochte wünschen, das Geschlecht der Bertha in den Augen der Oeffentlichkeit möglichst herabzusetzen, um seine Scheidung desto leichter vollziehen zu können. Schon im Jahre 1071 nahm Rudolf seine einstige Gemahlin wieder in Ehren auf, nachdem diese sich vorher in Gegenwart des Papstes von dem Verdacht des Ehebruchs gereinigt hatte;
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1) Lamb. ad. an. 1070: Sed ille -- archiepiscopus Moguntinus --persistebat in Sententia, illud prae se ferens, quam terribiliter anno superiore a papa pro simili causa objurgatus fuisset et quam vix et aegre sine dampno gradus sui evasisset et quod postea recentibus litteris sedis apostolicae, ne sine diligentissima discussione manus illi imponeret, commonitus fuisset.
2) cfr. G. Frörer: Papst Gregor VII. und sein Zeitalter Bd. II p. 195. Diese Nachricht ist O. Grund: „Die Wahl Rudolfs von Rheinfelden“ und Mädge: „Die Politik Gregors den Gegenkönigen Rudolf und Hermann gegenüber“ entgangen.
3) Lamb. ad an. 1069. Praeterea ne-rex-parentibus reginae causam defectionis et justam turbandae reipublicae occasionem daret, qui si viri essent, cum armis et opibus plurimum possent, tantam filiae suae contumeliam procul dubio insigni aliquo facinore expiaturi essent.

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auch Heinrich hatte sich damals schon mit der Bertha ausgesöhnt, die ihm jetzt seinen ersten Sohn gebar. In demselben Jahre 1071 erhielt Welf auf Vermittlung Rudolf's vom König das Herzogthum Baiern, das Otto verlor, noch am 29. Dezember treffen wir Rudolf neben Anno, Adalbert von Bremen, Benno von Osnabrück u. a. in der Umgebung des Königs. 1) – Aus alle dem erkennt man das gute Einverständniss zwischen Rudolf und Heinrich während dieser Zeit, das, wie bemerkt, nicht am wenigsten durch das Verhalten Otto's hervorgerufen sein mag. -- Man sieht also, dass Heinrichs Macht hoch stand, als Egino auftrat, und er es ohne Gefahr wagen konnte, seinen übermächtigen Vasallen zur Rechenschaft zu ziehen.
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1) St. 2751 cfr. Giesebrecht a. a. O. p. 1112.

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II. Der Prozess Otto's von Nordheim. 1)

Es war im Mai, als Egino mit seiner Anklage vor den König trat; dieser berief nun auf den 19. Juni 2) einen Reichstag nach Mainz, um dort über Otto das Urtheil des Hofgerichtes sprechen zu lassen. -- Vielleicht ist es nicht Zufall, dass Heinrich gerade Mainz zum Orte der Verhandlung wählte, hier inmitten seiner eigenen Besitzungen war er vor etwaigen Umtrieben, welche die Sachsen zu Gunsten ihres Genossen ins Werk setzen konnten, ganz sicher. -- Der Herzog erschien am bestimmten Tage in Mainz, und der König setzte ihm daselbst die Klage auseinander. Als Otto die That leugnete, gab ihm Heinrich die gesetzlichen sechs Wochen Frieden mit der Weisung, nach Ablauf der Zeit in Goslar zu erscheinen und im gottesgerichtlichen Zweikampf mit seinem Ankläger seine Unschuld zu beweisen. -- So erzählt Lambert. Nach ihm ist von einer Gerichtsverhandlung in Mainz gar nicht die Rede, der König handelt ganz eigenmächtig und schliesst die Fürsten von jeder Theilnahme aus. Ganz konsequent fährt der Annalist fort: Als man auseinander gegangen war, fingen die Fürsten an, sich über die ungünstige Entscheidung zu beklagen, und hielten es weder für recht noch billig, dass
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1) Ausser den p. 1 angeführten Arbeiten erwähne ich hier noch die von Querner: Zur Frage nach der Glaubwürdigkeit Lambert's von Hersfeld. Zürich 1878. Berücksichtigen kann ich diese ganz verfehlte Arbeit nicht.
2) 6 Wochen vor dem ersten August; so Lambert.

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ein Fürst von so hohem Adel, von so durchaus unbeflecktem Rufe zum Kampf mit dem verruchtesten Menschen verurtheilt sei, der seine ererbte Freiheit durch Dieberei, Rauben und allerlei Laster schon längst verwirkt habe. Der Herzog jedoch will im Vertrauen auf Gott und seine gute Sache, aufgebracht durch die unwürdige Behandlung, lieber mit jedem beliebigen, selbst einem unwürdigen und unebenbürtigen Manne kämpfen, als im Verdacht eines solchen Verbrechens bleiben.

Anders ist die Darstellung in den Annalen von Altaich: der König eröffnet vor der versammelten Menge der Fürsten die Anklage gegen den Herzog. Dieser weiss jedoch mit grosser Schlauheit jeden Punkt in Abrede zu stellen; endlich wird ihm befohlen, nach Hause zurückzukehren und am bestimmten Tage in Goslar zum Zweikampf mit seinem Kläger zu erscheinen.

Während Lambert's Darstellung den Eindruck erzeugen will, als habe der König hier durch sein eigenmächtiges Verfahren eine Rechtsverletzung begangen, 1) kann es trotzdem keinem Zweifel unterliegen, dass der Verlauf des Prozesses sich ganz in den rechtlich ordnungsmässigen Bahnen bewegte: 2) Egino, ein freier Ritter, stellte die Anklage, zeigte das Schwert vor, Welches Otto ihm gegeben haben sollte, ganz wie das Gesetz es verlangte, und bot Kampfesgruss, als der Herzog die Klage leugnete, und so Behauptung gegen Behauptung stand. Das Hofgericht d. h. die versammelten Fürsten unter dem Vorsitz des Königs urtheilten den Gegenstand der Ansprache kampfwürdig, und so musste sich der Herzog auf den Kampf einlassen, wenn er nicht die durch schlechten Lebenswandel erzeugte rechtliche Unfähigkeit seines Gegners geltend machen wollte. 3) Diesen letzten und einzigen Ausweg wählte Otto
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1) Lamb. ad an. 1072 Ruodolfus . . . conterritus tamen ducis Bajoariae recenti exemplo et aliorum quorumdam, quos rex praecipitata sententia absque discussione legitima dampnaverat . . .
2) cfr. Planek: Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter. 1879 Bd. II pp. 147.
3) Dass Egino's rechtlicher Charakter den Weg offen liess, bezeugt Lambert; schon eine Anklage auf Räuberei, der nicht eimmal eine Verurtheilung, sondern vielleicht nur ein Ausgleich mit dem Kläger gefolgt war, genügte, den Einwurf mit Erfolg geltend zu machen.

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nicht und zwar aus leicht erklärlichen Gründen. Er stand, wie wir sahen, längst in dem Rufe, seinem Könige nicht treu zu sein, wich er hier aus, so erkannte er damit moralisch seine Schuld an, 1) was er auf alle Fälle vermeiden musste. Es ist sehr wohl denkbar, dass einige von Otto's Freunden ihm riethen, doch jenen Ausweg einzuschlagen, und aufgebracht waren, als er es trotzdem nicht that. -- Den König trifft keine Schuld, er steht hier völlig rein da, einfach als Repräsentant des herrschenden Rechtes. -- Ein ganz analoger Fall war schon im Jahre 1048, wie bereits erwähnt ist, vorgekommen, 2) auch dort lag eine Hochverrathsklage gegen einen sächsischen Fürsten vor, Aussage stand gegen Aussage, und nur der Zweikampf blieb übrig, der dann auch stattfand und einen für den Fürsten ungünstigen Verlauf nahm. --

Die Frist von sechs Wochen verging, ohne dass wir von einer Aenderung in den Verhältnissen zwischen Heinrich und Otto erfahren; am ersten August erschien dann der Herzog, wie man ihm aufgetragen hatte, in der Nähe Goslar's, jedoch
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1) Lamb. ad an. 1070 Otto . . pugnare malebat quam tanti sceleris suspicione teneri . . .
2) Es ist interessant, zu sehen, wie sich bei Lamb. sowohl wie in den Ann. Altah. die Darstellung beider Prozesse verhält:

Lambert

1048:
1070:
Ibi -- Polethe -- postero die Dietmarus comes, frater ducis Bernhardi, cum a milite suo Arnoldo accusatus  fuisset de inito contra imperatorem consilio, congressus cum eo, ut objectum crimen manu propria purgaret, victus et occisus est.
Igitur rex eum -- Ottonem -- Mogontiam cum ceteris principibus ad colloquium evocavit, quid delatum esset exposuit negantique inducias dedit, ut . . . objectum crimen congressus cum accusatore suo manu propria refelleret.


Annales Altahenses

1048:
1070:
Autumno comes Dietmarus Saxo majestatis reus ac proscriptus ab Arnoldo pridem milite suo singulari certamine vietus . . . occubuit.
His ille auditis . . . constanter perstabat negare, tandemque dimissus jubetur domum ire, certo die ad Goslare venturus et de eodem crimine coram rege et principibus singulari certamine se purgaturus.


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nicht allein, sondern umgeben von einer grossen Zahl Bewaffneter. 1) Es beginnen nun jene merkwürdigen Verhandlungen, in denen die Darstellung bei Lambert und dem Altaicher wiederum in sehr charakteristischer Weise von einander abweichen. Lambert: Otto schickte Gesandte an den König und liess ihm sagen, er sei bereit, am Hofe zu erscheinen und unter der Bedingung, welche die Fürsten des Reiches für billig halten würden, die gegen ihn erhobene Anklage zurückzuweisen, wenn Heinrich ihm Bürgen stellen wolle, dass er sicher zu ihm kommen und sicher seinen Prozess führen könne. 2) Sehr barsch erwiderte darauf der König, er gebe dem Herzog weder für sein Kommen noch für erneute Verhandlung Frieden und Sicherheit, sondern nur das erwarte er, dass jener sich zum Zweikampf stelle, sonst würde er ihn ohne weiteres für überführt halten. Wenig rathsam schien es Otto's Freunden, dass dieser sich jetzt noch zum Zweikampf stellen solle, wo des Königs Zorn aufs äusserste gegen ihn entbrannt sei, und er ihm nicht einmal für sein Kommen sicheres Geleit gewähren wolle. 3) Diese Bedenken drückten sie dem Herzog aus, der ihnen auch beistimmte und
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1) Lamb. cum armata multitudine.
2) Es heisst wörtlich missis ad regem nunciis mandavit, si sibi tuto venire, si tuto causam dicere liceret, paratum se coram venire, et conditione, quam principes regni aequam judicassent, crimen, cujus insimulatus fuerat, refellere. Die Redensart tuto venire et tuto causam dicere findet sich bei Lamb. noch an mehreren Stellen: ad an. 1072 Propter quod -- Ruodolfus -- assiduis legationibus ad curtim regiam, ut causam diceret accersiebatur . . ad an. 1075 (Saxones petunt) Heinricus diem potius statuat, locum designet, copiam det tuto coram veniendi et tuto causam dicendi, ut secundum palatinas leges justa examinatione habita vel puniat convictos vel absolvat innocente . . . und diem potius locumque -- rex -- constitueret, quo tuto venire tuto causam dicere liceret. Ueberall bedeutet das causam dicere „Verhandlungen führen“, danach würden wir unsere Stelle zu interpretiren haben. Diese Interpretation verlangt auch der Zwischensatz conditione -- quam principes regni aequam judicassent, denn wäre damit schon der in Mainz verhängte Zweikampf gemeint, so würde sich Lambert widersprechen, da diesen ja nach ihm der König und nicht die Fürsten verhängt hatten.
3) Delbrück a. a. O. p. 22 . . sieht in dieser Darstellung bei Lambert ein Meisterwerk perfider Geschichtsschreibung; ich kann ihm darin nicht beistimmen. Das Kunststück, erst zu sagen si sibi tuto venire, si tuto causam dicere liceret . . . , nachher dann das causam dicere wegzulassen und ein Wehgeschrei über die freche Rechtsverletzung des Königs zu erheben, wäre denn doch ein wenig zu plump, wenn es beabsichtigt wäre. Mir scheint vielmehr, dass auch der Annalist selbst keine richtige Vorstellung des ganzen Hergangs hatte, da er schlecht unterrichtet war. -- Charakteristisch ist sein Bemühen, den Herzog möglichst rein zu waschen, ein Umstand, der nicht am wenigsten für Otto's Schuld sprechen dürfte.

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mit seinem Gefolge abzog. -- Erst am folgenden Tage setzte der König ein Gericht nieder, welches aus sächsischen Fürsten bestand, weil sie Otto am meisten hassten, und weil er selbst sächsischer Fürst war. Dieses urtheilte den Herzog des Majestätsverbrechens für überführt und erklärte ihm des Todes schuldig.

Annales Altahenses: Otto blieb vor Goslar liegen und liess dem König mittheilen, er könne nicht an den Hof kommen, wenn ihm jener nicht vorher sicheres Geleit für Kommen und Gehen verbürge. Heinrich erwiderte, für sein Kommen stelle er ihn in einen Frieden, das weitere jedoch werde vom Ausgang des Zweikampfes abhängen. Darauf bat Otto um neuen Aufschub, ritt aber, ohne die Antwort abzuwarten, davon, weil er glaubte, dass der König sein Gesuch nicht abschlagen werde. Als die Kunde davon an den Hof drang, wollten einige sofort zur Verfolgung des Herzogs aufbrechen, aber seine anwesenden Freunde wussten die Sache den ganzen Tag hinzuziehen, bis plötzlich 1) der König die versammelten Fürsten unter dem Eid, womit sie dem Reiche zur Treue verpflichtet waren, 2) fragte, was das Recht in diesem Falle verlangte. Darauf erkannten jene den Herzog des Majestätsverbrechens für schuldig, sprachen ihm sein Herzogthum ab, das dem Könige heimfiel, und erklärten ihn für vogelfrei. --
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1) Es ist dies ganz die Art, welche die Vita Heinrici am König lobt: Tam subtilis ingenii tamque magni consilii fuit, ut dum sententia principum vel in causa decernendi juris vel in tractandis regni negociis hesitaret, ipse cito nodum solveret . . . M. G. S.S. XII cap. 1.
2) cfr. Franklin: das Reichshofgericht im Mittelalter Bd, II p. 159.

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Es kann zunächst keinem Zweifel unterliegen, dass Otto nicht in der Absicht bei Goslar erschien, sich auf den Zweikampf einzulassen. 1) Wie er seiner Bestimmung zu entgehen hoffte, ist nicht ganz klar. Wahrscheinlich stellte er an den König das Verlangen, von neuem die Anklage untersuchen zu lassen, möglich dass er inzwischen noch mehr Freunde erworben hatte und auf Abänderung des ersten Urtheils rechnete. Als der König jedoch seine Forderung nicht erfüllte, mag er um neuen Aufschub gebeten haben und in der Hoffnung, dass Heinrich ihm seinen Wunsch nicht abschlagen werde, davon geritten sein. Wie schon früher, zeigt sich der junge König auch hier von jeglichem Vorwurf frei. Wie sehr er sich bemühte, selbst den Anschein einer Rechtsverletzung zu vermeiden, beweist der Umstand, dass er noch von neuem beim Hofgericht ein Urtheil über den Herzog finden liess, trotzdem Otto mit Leib und Gut rechtlich schon verfallen war, wenn er den Termin des Gottesgerichtes verfallen liess.

Wer die Urtheilsfinder waren, wissen wir nicht. Die Behauptung Lambert's, der König habe den Gerichtshof absichtlich aus sächsischen Fürsten zusammengesetzt, weil Otto diesen am meisten verhasst gewesen wäre, und weil er selbst zu ihnen gehörte, trifft nur zum Theil zu. Wir haben bei Otto's Stellung
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1) Berthold ad an. 1070. Otto proditionis in regem reus a quibusdam accusabatur et ut se duello expurgaret locus ei a rege dabatur. Quod dum facere nollet. . . . .
Bernold ad an. 1070. Sed praedictum Ottonem cum legitime ad satisfactionem vocatus nollet venire ducatu privavit.
Ekkehard ad an. 1072. Otto cum Eginone, ut pote dux cum latrone, primas cum ignobili, congredi contempsit.
Danach hätte Otto jetzt jenen obenerwähnten Ausweg genommen.
Franklin a. a. O. Bd. I p. 33 Anm. I ist zu vorsichtig, wenn er behauptet, man könne nicht einmal sagen, Otto habe sich dem Zweikampf entziehen wollen.
Auch Mehmel a. a. O. p. 68 sagt: „Otto war nicht gewillt, diesen Zweikampf zu bestehen; darüber kann kein Zweifel sein.“ Wenn er aber weiter behauptet, die Nachricht Ekkehard's sei sicher die richtige, so ist das ein Irrthum. Seine ganze Darstellung leidet unter der unklaren Vorstellung, welche er sich von dem rechtlichen Hergang in Hochverrathsprozessen, wie der vorliegende ist, macht.

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in Sachsen allen Grund, den ersten Theil der Begründung, welchen der Annalist für die Zusammengetzung des Gerichts aus Sachsen angiebt, als tendenziöse Entstellung zurückzuweisen; der zweite Punkt hingegen mag bestehen bleiben. Wenn der Zweikampf schon auf sächsischem Boden stattfinden sollte, weil Otto's Stammgut Nordheim in dem Sächsischen Gau Rittega lag, so hat der König deshalb vielleicht auch das Gericht über Otto nur aus seinen sächsischen Genossen zusammensetzen lassen, trotzdem unseres Wissens damals das Gesetz diese Rücksicht nicht erforderte.

Durch das Urtheil des Hofgerichts war Otto friedlos geworden d. h. seine gesammte Rechtsfähigkeit war vernichtet, seine Ehre und Freiheit verloren, alle und jede Berechtigung, Vorrechte und Würdigkeiten waren dahin, die Familienbande gelöst, der Rechtsschutz dem Friedlosen entzogen. Eigen und Lehen fielen dem König oder dem Lehnsherrn anheim, die Vassallen wurden ihres Lehnseides entbunden u. s. w. 1)
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1) cfr. Franklin a. a. O. Bd. II p. 368. . . .


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III. Die Execution gegen Otto und seine Ergebung in die Gnade des Königs.

In der Absicht, das Urtheil des Hofgerichts zu vollstrecken, vielleicht auch aus Beutegier und persönlichem Hass begannen nun zuerst die Freunde des Königs einen wüsten Vernichtungskrieg gegen die reichen Güter des Herzogs. Darauf sammelte der König selbst ein Heer und brach damit zur Verfolgung des friedlosen Gegners auf. Bevor er jedoch Goslar den Rücken wandte, liess er sich von Otto's mächtigen Verwandten und Freunden Geiseln stellen, um im Rücken gegen etwaige Angriffe gesichert zu sein. Zunächst griff er dann die festen Burgen des Herzogs an. Den Hanstein an der Werra, den Otto schon im Anfang der Feindseligkeiten, vielleicht um seine Kräfte nicht zu zersplittern, oder weil die Burg nicht stark genug war, von der Begatzung entblösst hatte, liess der König von Grund aus zerstören, sodann zog er gegen den Desenberg bei Paderborn, wo noch eine Besatzung Otto's lag; dieselbe kapitulirte jedoch bald, und an ihrer Stelle liess der Kömg in der Burg eine Abtheilung seiner eigenen Leute zurück. Weiter ging der Zug gegen die Besitzungen, die Otto mit seiner Gemahlin, der Wittwe des westfälischen Grafen Hermann von Werla, empfangen hatte; mit schonungsloser Härte wüthete das Kriegsvolk des Königs. 1)
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1) Giesebrecht III p. 169 meint, es sei von Uebel gewesen, dass sich der König selbst an dem Verwüstungswerk gegen des Herzogs Besitzungen betheiligte, denn man habe daraus ersehen können, dass er ein persönliches Rachegefühl zu befriedigigen gesucht hätte. -- Auch Mehmel a. a. O. p. 74 spricht von der Befriedigung eines „persönlichen Rachegefühles“ beim König. -- Ohne Zweifel ist Lambert's Bericht übertrieben. Die Theilnahme des Königs an der Execution versteht sich überdies doch, wie mir scheint, von selbst, und ich sehe hierin nichts, als dass Heinrich seine Pflicht that.

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Inzwischen hatte jedoch auch Otto Truppen gesammelt; 1) mit einem kriegsgeübten Heer von ungefähr 3000 Mann zog er nach Thüringen und rächte sich an dem König, indem er die überaus reichen Fiscalgüter plünderte. -- Es giebt einen hohen Begriff von dem Rufe und der Macht des Herzogs, dass es ihm gelang, in der verhältnissmäßig so kurzen Zeit von 3 bis 4 Wochen ein so starkes Heer aufzubringen, mag dasselbe zum Theil aus raubritterlichem Gesindel bestanden haben, das nur die Aussicht auf Beute lockte, es nahmen doch andrerseits die ersten sächsischen Fürsten, wie der junge Herzog Magnus, an dem Unternehmen Otto's Theil und knüpften so ihr Geschick an das des Genossen. -- Bis Eschwege drang Otto verwüstend und verheerend vor; dort trafen Bauern von seinen Gütern zu ihm, die nichts als das nackte Leben vor dem Andringen der königlichen Truppen gerettet hatten. Ihr Herr sprach ihnen Muth zu und weckte ihr verzweifelndes Herz durch reiche Beschenkung mit Stücken der geraubten Beute zu neuem Hoffen. Wie diese Bauern von den Schaaren des Königs misshandelt waren, ebenso litten die Thüringer unter den Angriffen, welche Otto's Truppen machten. Sie hatten jedoch vor Jahren einen Bund unter sich geschlossen, keine Räuber in ihrem Lande zu dulden. 2) Daher rotteten sie sich auch jetzt zusammen, den eingedrungenen Feind aus ihrem Gebiete zu vertreiben. Unter der Führung eines Grafen Rutger
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1) Floto a. a. O. p. 356 vermuthet, Otto sei bis dahin bei einem Schwiegersohne Welf in Süddeutschland gewesen, allein das ist unwahrscheinlich, vielmehr wird er in Sachsen geblieben sein, wo sein Anhang am grössten war, um dort Truppen zu sammeln.
2) Schon 1069 sagen die Thüringer bei Lamb.: Iam pridem se sacramento obstrictos obligatosque fuisse, ut raptores et praedatores inultos non sinerent.

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von Bielstein rückten sie Otto, der noch bei Eschwege stand, entgegen und griffen ihn daselbst am 2. September an, allein das Schicksal war ihnen wenig günstig. Kaum den ersten Anprall der Gegner hielt dieses thüringische Heer, das zum Theil aus Bauern bestanden zu haben scheint, 1) aus, bald löste es sich in wilde Flucht auf, allen voran jagte Graf Rutger auf flüchtigem Rosse davon; 300 Todte bedeckten das Schlachtfeld, während von Otto's Rittern nur ein einziger gefallen und zwei andere verwundet waren. Der Erfolg war für Otto also ein überaus glänzender und legt deutlich genug Zeugniss ab von der Feldherrngabe des Führers, die wir auch sonst zu bewundern Gelegenheit haben werden. Am Abend des Schlachttages entliess der Herzog die grösste Zahl der Fürsten 2) seines Heeres in die Heimath, nur eine geringe Zahl Ritter behielt er bei sich, mit denen er sich in das östliche Sachsen zurückzog, wo er seinen Lebensunterhalt theils vom Raube, theils von den Gütern seines Freundes Magnus bestritt. 3) Man sieht nicht recht ein, warum Otto nach diesem grossen Erfolge an eine Fortsetzung des Krieges zunächst nicht dachte, vielleicht fürchtete er, sich mit dem Truppenmaterial, welches ihm zu Gebote stand, gegen einen ernstlichen Angriff doch nicht behaupten zu können, und wollte daher den Winter zu neuen Rüstungen benutzen. --

Die Niederlage der Thüringer machte einen sehr tiefen Eindruck auf den König, der schleunigst von seinen Raubzügen in sein geliebtes Goslar heimkehrte, das er schon aufs äusserste bedroht glaubte. Erst nach Weihnachten verliess er die Stadt wieder.
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1) Floto a. a. O. p. 356 meint, es Seien nur Ritter gewesen, allein das ist unwahrscheinlich. Bei Lambert heisst es alii -- Thuringi -- in proximos montes et silvas evadere, alii, per iter quo venerant citatis equis reverti, summo conamine nitebantur . . Die ersteren scheinen Bauern zu Fuss gewesen zu sein, daher erklärt sich auch wohl der grosse Verlust der Thüringer.
2) principes sagt Lambert; Floto a. a. O. übersetzt fälschlich „Ritter.“
3) Die Annal. August. 1070 sagen Ottone ad Liuticios secedente, was sich wohl nur auf das östliche Sachsen bezieht; möglich ist es immerhin, dass Otto mit den Liutizen Verbindungen anzuknüpfen suchte.

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Es war zu Weihnachten in Goslar, 1) als Heinrich über das erledigte Herzogthum Baiern neue Verfügung traf: auf Verwenden Rudolf's von Schwaben wurde der junge Welf, ein Schwiegersohn Otto's von Nordheim, damit belehnt. Dieser hatte Anfangs die Sache seines Schwiegervaters mit Rath und That 2) unterstützt. Dann aber aus Furcht vor der Rache des Königs dem Herzog erst die Hilfe verweigert und ihm schliesslich, weil er um die Herzogswürde buhlte „und sonst den königlichen Rathgebern nicht sicher schien“, seine Gemahlin Ethelinde mit Schanden zurückgeschickt. 3) -- Die Belehnung mit Baiern erkaufte Welf daneben noch durch eine Menge seines Gutes und seiner Schätze. --

Nach einem alten Herkommen scheinen die bairischen Fürsten bei der Neubesetzung ihres Herzogthums selbst eine Stimme gehabt zu haben 4), woran sich der König in diesem Falle jedoch nicht gekehrt hatte. Um daher etwaige Unruhen sofort zu unterdrücken, beschloss er, den neuen Herzog selbst in sein Herzogthum einzuführen. Auf den Rath seiner Vertrauten wurde Goslar vorher in die Obhut sächsischer Fürsten gegeben, 5) dann brach der König auf und zog gegen Baiern. Allein inzwischen hatte auch Otto neue Streitkräfte zusammengezogen und sich damit in den Hasungerwald am Habichtswalde geworfen, entschlossen, hier die Entscheidung mit seinem Gegner herbeizuführen. Der von Natur schon starke Platz wurde befestigt und mit Lebensmitteln versehen, so dass man im Stande war, sich dort zu halten.
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1) Dass damals in Goslar eine grosse Anzahl Fürsten anwesend war, ist eine Vermuthung Floto's a. a. O. Bd. I. p. 357, die durch eine willkürliche Behandlung der Urkunde St. 2751. entstanden ist. Giesebrecht a. a. O. III p. 1112 hat die Sache näher erläutert.
2) „armis et consiliis* sagt Lambert.
3) Ann. Altah. ad an 1071. Ergo cum jam soceri sui ambiret ducatum et hoc regiis consiliariis non videretur cautum, eandem uxorem suam patri remisit et se post hac nunquam ad illam accessurum rursus juravit.
4) cfr. Mehmel a. a. O. p. 7.
5) Dass diese Fürsten gerade Otto's Feinde und des Königs Freunde waren, wie Mehmel a. a. O. p. 72 meint, sagt Lambert nirgends.

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Als die Kunde dieses energischen Widerstandes zum König drang, verstärkte er sein Heer schnell durch Contingente aus Sachsen, Thüringen und Hessen und erliess gleichzeitig an die entfernteren Fürsten des Reiches den Befehl, ihre Truppen zu einem Kampfe mit Otto bereit zu halten. -- Zu einer Entscheidung durch die Waffen sollte es jedoch nicht kommen. Einer der vertrautesten Rathgeber des Königs war schon damals der vortreffliche Graf Eberhard von Nellenburg. 1) Als dieser sah, dass ein Kampf mit dem entschlossenen Gegner nicht ohne grosse Gefahr für das Reich geführt werden könne, ging er in das Lager des Herzogs und begann, ihn bei Gott zu beschwören, dass er nicht sich und die Seinen in so grosse Gefahr stürzen möge, noch sei nicht alle Hoffnung auf Verzeihung, noch nicht alle Aussicht auf eine glückliche Zukunft geschwunden; wenn er mit seinem Heere seine feste Stellung verlassen und sich dem König auf gerechte Bedingungen hin ergeben wolle, so verspreche er eidlich, ihm Verzeihung für die Schuld, deren man ihn zeihe, und die Restitution in alle Verluste, die er nach Kriegsrecht erlitten, beim Könige zu erwirken. Otto erklärte sich bereit, auf den Vertrag einzugehen, und auch der König war auf Eberhard's Zureden nicht abgeneigt, das Uebereinkommen zu billigen, da er schon Ueberdruss am Kriege hatte, weil ihn die Fürsten des Reiches aus besonderer Liebe zum Herzog nur wenig unterstützten. Auf beiden Seiten wurde dann der Frieden beschworen, Otto selbst bis Ostern den 24. April in königlichen Schutz gestellt; Ostern solle er in Köln erscheinen und unter dem Gesetz, das die Fürsten für billig halten würden, die Dedition vollziehen. --

Es ist Lambert, dem wir diese eingehende Darstellung der Verhandlungen verdanken. Richtig ist, dass Heinrich im Jahre 1071, nachdem Welf Herzog von Baiern geworden war, viele Unruhen zu bekämpfen hatte; 2) im höchsten Grade bedenklich
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1) Von ihm heisst es in einer Urkunde vom 27. Okt. 1073 St. 2769 Eberhardus comes, cujus consilium eo in tempore multum in nostra viguit curia . . .
2) Berthold ad an. 1071 Heinricus rex multas insidias a Saxonibus passus viriliter omnes transivit.

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erscheint jedoch das Auftreten Eberhard's. Wie kam dieser dazu, ohne Vorwissen des Königs dem Herzog veniam culpae, cujus insimulatus fuerat, et omnium, quae jure belli amiserat, restitutionem eidlich zu versprechen d. h. ihm zuzusichern, dass die gesammte Wirkung der Acht gehoben werden sollte? 1) Wie lächerlich klingt es, wenn Eberhard Otto beschwört, doch nicht sich und die Seinen in die äusserste Gefahr zu bringen, da Otto's Leben ohnehin verfallen war, seine Gemahlin in Folge der Acht als Wittwe, seine Kinder als Waisen betrachtet wurden! 2) Wenn Eberhard endlich jene grossen Versprechungen macht und der König seine Zustimmung dazu giebt, was soll dann der Fürstentag in Köln noch beschliessen? Otto war recht- und friedlos; durch die Dedition, auf die auch nach Lambert der König keineswegs verzichtete, wurde dieser Zustand nicht aufgehoben, der Herzog stellte damit Leben und Gut in die Gewalt des Königs. 3) Lambert klagt auch später nicht über Vertragsbruch, als Heinrich den Herzog und seine Genossen nach der Uebergabe gefangen setzen lässt. Aus alle dem können wir mit Sicherheit schliessen, dass die Verhandlungen zwischen Otto und Eberhard nicht in der Weise stattgefunden haben, wie Lambert uns glauben machen will.

Der Annalist von Altaich berichtet beim Jahre 1071:

Als Otto fühlte, dass seine Sache einen unglücklichen Vorlauf nehmen würde, gewann er den Erzbischof Adalbert von Bremen, welchen er früher beleidigt hatte, für sich und bat ihn, er möge doch Fürsprecher für ihn beim König sein. Dieser ging darauf ein und hörte nicht auf, in der Messe für den Herzog zu bitten, bis es ihm gelang, des Königs Herz milder zu stimmen.

Wie die altaicher Annalen, so berichtet auch Adam von Bremen, 4) dass die Rebellen sich auf den Rath Adalbert's von
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1) Iure belli hatte Otto nichts mehr verloren.
2) So heisst es später einmal im Prozess Friedrich's von Isenburg Uxor ejus vidua, liberi ejus orphani sunt judicati. cfr. Caes. Heisterb. Vita S. Engelberti bei Boehmer: Fontes II, 321.
3) cfr. Excurs.
4) Adam: Gesta episcoporum Hammaburgensium Lib. III cap. 59. S.S. VII: Eodemque anno restincta est illa conspiratio prima in regem facta, in qua dux Otto et Magnus devastata per annum Saxonia tandem consilio praesulis -- Adalberti -- in potestatem se regis dederunt.

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Bremen in die Gewalt des Königs begeben hätten. Bernold 1) endlich erzählt, Otto und seine Genossen hätten sich freiwillig ergeben.

Diese verschiedenen Nachrichten stehen nicht so sehr in Widerspruch mit einander, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Wahrscheinlich handelte es sich in den Verhandlungen, die der Graf Eberhard führte, lediglich um neue Induciae für den Herzog, die Heinrich um so lieber bewilligen mochte, je mehr es ihm darauf ankommen musste, den Krieg möglichst schnell beendet zu sehen. Auch Otto musste erkennen, dass er durch die Fortsetzung des Kampfes, welche wenig Erfolg versprach, den Zorn des Königs aufs äusserste gegen sich entflammte, gewann er hingegen vorläufig Zeit und Sicherheit, so war es möglich, sich inzwischen den König wieder geneigter zu machen. So wurde durch den Frieden, welchen Heinrich den Rebellen zunächst bis Ostern den 24. April gewährte, eine Basis geschaffen, auf der man weitere Schritte thun konnte. Ostern erschien Otto trotz der Verabredung, nach welcher er sich an diesem Feste in Köln dem König ergeben sollte, nicht dort, 2) erhielt aber ohne weiteres neue Induciae bis Pfingsten, wohl weil die Verhandlungen zwischen ihm und dem König noch nicht ihren Abschluss erreicht hatten. Dieselben wurden durch den Erzbischof Adalbert von Bremen geführt, den Otto als Mittelsperson gewonnen hatte; ihm gelang es, auch durch geistlichen Zuspruch, das Herz Heinrich's milder gegen seine Feinde
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1) In pentecoste Otto jam pridem dux Bajoariae cum sociis suis regi Heinrico ad deditionem venit sua sponte anno ab incarnatione Domini 1071, regni autem Heinrici 15, aetate vero ejus 20, indictione 9, tertia feria ejusdem ebdomadae 18, Kalendas Julii.
2) Lamb. Pascha Coloniae -- rex -- celebravit, ibique rursus Ottoni duci inducias usque in pentecosten dedit -- daraus interpretirt Giesebrecht a. a. O. III, 161 Otto sei selbst zugegen gewesen und habe um neue Frist gebeten, allein davon findet sich nichts. Wenn Otto einmal in Köln war, konnte er sich auch unterwerfen um so leichter, als ihm Eberhard ja, wie Giesebrecht vorher versichert, Sicherheit für seine Person und auch noch Rückgabe der Allode versprochen hatte.

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zu stimmen, und als Otto daher Pfingston in Halberstadt sammt seinen Genossen vor das Antlitz seines beleidigten Königs trat und sich, sein Lehen und sein Gut, in die Verfügung des Herrschers stellte, da mochte er schon die Zusicherung erhalten haben, dass er wenigstens nicht an seinem Leben gestraft würde. Der König übte denn auch einen Gnadenakt und schenkte den Rebellen das Leben, aber er ging nicht so weit, ihnen ganz zu verzeihen. Auffallender Weise wissen die altaicher Annalen nichts davon, dass Otto sowohl wie seine Genosgen mit Haft bestraft wurden, was uns Lambert berichtet. Der junge Magnus kam in des Königs eigenen Gewahrsam; wo Otto blieb, wissen wir nicht, da uns keine Quelle darüber Auskunft giebt. Zwar ist eine Urkunde erhalten, die aus jener Zeit stammt und Otto unter den Zeugen nennt, allein dieselbe ist in dem in Betracht kommenden Theile jedenfalls gefälscht und kann daher hier übergangen werden. 1) --

Erst nach einem Jahre erhielt Otto mit der gratia des Königs auch seine Freiheit wieder, Pfingsten 1072 in Magdeburg; jedoch nicht, ohne vorher einen Theil seiner Güter an den König und seine Rathgeber verloren zu haben. -- Trotzdem die Haft Otto's gerade ein Jahr gedauert hat, trotzdem Lambert von einem bestimmten Tage --- statuto die -- spricht, an dem die Gefangenen dem König zurückgestellt werden sollten, so kann man doch nicht mit Sicherheit sagen, ob in der That vorher der Termin der Rückgabe festgesetzt oder dessen Bestimmung dem König anheimgestellt wurde. Für die letztere Annahme spricht nicht nur der Umstand, dass Otto nach Lambert's Angabe seine Freiheit erkaufte, sondern auch die Thatsache, dass Magnus noch länger in Haft blieb; auch entspricht sie mehr den Rechten, die der König über übergebene Leute hatte. ---
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1) St. 2749. Das Original der Urkunde stammt erst aus dem zwölften Jahrhundert. Die Aufführung Otto's und Magnus' unter den Zeugen als Herzöge beweist die Unechtheit der Zeugenreihe. Wäre Magnus im Herbst 1071 in Meissen anwesend gewesen, würde Bruno auch kaum sagen: Rex Magnum ducem in carcere suo per integrum biennium tenuit, ita ut nullus in hoc tempore sciret, utrum viveret vel ubi esset. Bruno cap. XIX.

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Man könnte unter diesen Umständen geneigt sein, noch andere Gründe für Otto's Freilassung zu suchen, möglich, dass wir eine Mitwirkung des Erzbischofs Anno, der kurz vorher das Regiment wieder in die Hand bekommen hatte, anzunehmen haben, möglich auch, dass die inzwischen veränderte Stellung des Königs gegenüber dem Herzog Rudolf von Schwaben 1) das ihrige beigetragen hat.
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1) Auch gegen ihn war inzwischen die Anklage auf Felonie erhoben worden.

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IV. Otto von Nordheim als Führer der Sachsen im Kampfe gegen König Heinrich IV. 1)

Während der Zeit der Minderjährigkeit des Königs und des vormundschaftlichen Regimentes der Kaiserin Agnes war die fürstliche Gewalt in allen Theilen Deutschland's sehr in die Höhe gekommen. „Zur Herrschaft, klagt der brave Adam von Bremen, 2) kam ein Weib und ein Knabe, zum grossen Unglück des Reiches, die Fürsten voller Unwillen über das schwache Regiment weigerten erst demselben den Dienst, dann wetteiferten sie unter einander um den Vorrang, endlich ergriffen sie frech die Waffen und waren eifrig darauf bedacht, ihrem Herren und König die Krone zu rauben. Aber dies Alles muss man selbst sehen, beschreiben lässt es ich schwer.“ -- Die Herrschaft der Bischöfe und der anderen Fürsten, die dem schwachen Regiment der Kaiserin folgte, war auch nicht stark genug, die Zustände zu bessern, die Schmach der kaiserswerther That klebte ihr an, und Willkür und Eigenmächtigkeit waren die Mittel, durch welche die Einzelnen sich den Rang abzulaufen suchten. Das „Vae terrae, cujus rex puer est“ hallte wieder durch alle deutschen Lande und fand beklagenswerthe Illustrationen in dem unsichern
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1) Floto I p. 372.
Giesebrecht III p. 272.
Waitz: D. V. G. Bd. VI. u. VIII.
v. Sybel: Zs. Bd. XXVII p. 513.
2) Liber III cap. 33.

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Rechtszustande, den Fehden und Unruhen, durch die das Reich heimgesucht wurde. --

Anders jedoch sollte es werden, als der junge talentvolle König selbst die Zügel der Herrschaft in die Hand nahm, die Macht und den Uebermuth der Fürsten wollte er brechen, allein Herr in seinem Reiche sein. 1)

Schon seit der Wahl Konrad's II., woran die Sachsen nicht Theil genommen hatten, lässt ich ein steter Gegensatz zwischen den letzteren und dem salischen Hause nachweisen. Es war eine der Hauptaufgaben der salischen Politik, diesen Widerstand der Sachsen niederzudrücken und zu brechen. Heinrich IV. verfolgte nur einen Plan weiter, den sein Vater schon gehegt hatte, durch möglichst häufigen Aufenthalt, im sächsischen Lande die Sachsen einzuschüchtern und ihre Opposition niederzuhalten. Die Stadt Goslar, die schon von Heinrich III. in der glänzendsten Weise ausgeschmückt war, 2) ersah auch Heinrich IV. zu seiner Residenz in Sachsen. Man hat wohl daran gedacht, 3) der letztere habe die Absicht gehabt, Goslar zur Reichshauptstadt zu machen und das alte Institut des Wanderkönigthums aufzuheben, allein dies dürfte doch kaum zutreffen. Die Stadt Goslar, im äussersten Osten des damaligen Reiches gelegen, ist am allerwenigsten zur Residenz geschaffen, sie hat nicht die Möglichkeit, sich auszudehnen, sie liegt nicht auf einer beherrschenden Höhe, sie liegt auch nicht im Thale eines grossen Flusses, hat also keine von den Voraussetzungen, die man meistens bei einer Hauptstadt erfordert und auch findet.

Hätten die Salier in der That daran gedacht, sich eino Residenz zu schaffen, ein Gedanke, der sonst dem deutschen Mittelalter beinahe ganz fremd ist, so hätten sie ohne Frage irgend eine Stadt am Rheine, der grossen Verkehrsader des damaligen
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1) Bruno cap. 60: Ut solus omnium dominus esset, nullum in regno suo dominum vivere vellet . .
2) Adam: Gest. ep. Ham. Liber III cap. 27 und Thyen: Benno II. von Osnabrück p. 34 Anm. 5.
3) Nitzsch: Die oberrheinische Tiefebene . . . In den „Deutschen Studien“ p. 133: Wir erfahren, dass er -- Heinrich III. -- daran dachte, die Residenz des königlichen Hofes in Goslar möglichst zu fixiren . . .


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Deutschland, gewählt. -- Mir scheint die Sorgfalt, welche sie auf Goslar's Herstellung verwendet haben, wie ebenso ihr häufiger Aufenthalt in der Stadt nichts weiter zu bedeuten, als eben das, jene bewusste Absicht gegen die Sachsen auszuführen. Hielt der König diesen Plan, durch möglichst häufige Anwesenheit in Sachsen den Widerstand des Landes allmählich zu brechen, fest, so ergab sich daraus für ihn zweierlei: einmal musste er sich genügend sichern, zweitens musste er sich daselbst Lebensmittel zu verschaffen suchen. Die Fürsten Sachsen's und Thüringen's besassen in ihren Ländern eine grosse Zahl fester Burgen, in denen sie selbst dem König zu trotzen wagten; so hatte z. B. Dedi Beichlingen und Burgscheidungen, im Beitz Otto's von Nordheim werden uns genannt Hanstein und Desenburg, im Besitz der Billunger die Lüneburg u. s. w. Es war natürlich, dass auch Heinrich solche Burgen bauen musste, um in ihnen und ihrer Besatzung Schutz gegen etwaige Angriffe zu finden. 1) Unter den Burgen, deren Lambert uns noch 7 mit Namen anzugeben weiss, trotzdem zu der Zeit, als der Annalist schrieb, schon eine zweimalige Zerstörung derselben stattgefunden hatte, ragte besonders die Harzburg auf dem Burgberg hervor. Sie hatte der König so reich und herrlich ausgestattet, dass Sie an Glanz manchen Bischofssitz überstrahlte, und um sie auch dem Volke lieb und werth zu machen, hatte er daselbst die königlichen Gebeine seines Sohnes beisetzen lassen. -- Wenn der König in Sachsen Burgen bauen wollte, so war das Volk verpflichtet, ihm dabei zu helfen. Für die Burgen werden auch neue Wege gebaut sein, auch ihre Herstellung fiel den Sachsen zur Last. Anfangs, so erzählt Bruno, 2) sei der Burgenbau den Sachsen wie eine Spielerei des Königs erschienen, und gern hätten sie ihn dabei opibus et operibus unterstützt, bis ihnen schliesslich
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1) Lamb. ad an. 1074: Der König verspricht seine Burgen brechen zu wollen, jedoch nur unter der Bedingung ut Saxones et Thuringi sua quoque castella, quae tempore regni ejus exstructa fuissent, pari modo diruerent. -- Die Stelle zeigt deutlich die Anschauung des Königs. -- Auch Ekkehard sagt ad an. 1068 . . Rex . . privata praesidia nimirum potentibus regni non satis fidens instituere . . . coepit.
2) Bruno cap. 16.


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die Augen aufgegangen wären, und sie mit Schrecken erkannt hätten, dass sie einem Werke ihre Hände geliehen, von dem ihrem Lande nur Knechtschaft drohe. Aus dieser verdrehten Darstellung erhellt doch zur Genüge, dass der König von seinen Rechten, die Kräfte und Mittel der Sachsen für seine Zwecke in Anspruch zu nehmen, vollen Gebrauch gemacht hat. 1) –

Als Baumeister der Burgen hatte Heinrich seinen vertrauten Freund, den Bischof Benno von Osnabrück, jenen architectus praecipuus hinzugezogen, der mit den sächsischen Bauern nicht eben eben allzu zart umzugehen pflegte. 2) In die Burgen legte Heinrich schwäbische und fränkische Ritter, vielleicht grösstentheils Ministerialen, als Besatzungen und zwar in nicht geringer Anzahl: so lagen in der Harzburg allein z. B. ungefähr 300 Mann. Der königliche Hof nun sowohl wie die Mannschaften der Burgen wollten unterhalten werden, und es galt auf irgend eine Weise die Mittel dazu zu schaffen. Leider fehlt uns eine Darstellung über die Grösse der Fiscalgüter in Sachsen, aber so viel lässt sich mit Sicherheit sagen, dass ihre Erträge dem verschwenderischen 3) Glanze der Hofhaltung keineswegs entsprachen. 4) --- Ein Zeichen stetiger Geldnoth ist es, wenn wir
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1) Lamb. -- Rex permisit praesidiis -- ut . . . et ad castella munienda circumquaque manentes cogerent et impensas affatim convectare et per se ipsos servili manu desudare . .
2) M.G.S.S. XII. Vita Bennonis cap. 10. Benno zwang die sächsischen Bauern selbst mit Schlägen zu ihren Pflichten, was sein vortrefflicher Biograph mit dem nichtswürdigen Charakter der Sachsen entschuldigt.
3) Was Adam von Adalbert erzählt. Gilt auch wohl von Heinrich. Auch Adalbert erbaute Castelle, auch er pflegte stets grosses Gefolge zu haben, das er unterhielt novis populum et regionem exactionibus aggravans. Ad. III, 36.
4) Ann. Altah. Ad an. 1073: Sed quia in vicino ipsarum urbium praedia pauca vel nulla habebat . .
Lambert ad an. 1066: Ubi – Goslariae – ab ipso jam initio autumni usque ad cam partem hiemis tamquam stativis castris se continuerat, sumptus habens regiae magnificentiae multum impares. Nam praeter pauca quae ex reditibus regalis fixi veniebant vel quae abbates coactitio famulatu ministrabant, cetera omnia in cottidianos usus ejus cotttidianis impensis emebantur.
Bruno cap. 4.


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von verschiedenen Seiten die Bestechlichkeit des Königs und seiner Räthe in herben Worten tadeln hören, 1) ein Zeichen von Armuth, wenn Heinrich die verpönte Simonie von neuem betrieb und zwar in einer Weise, die manches brave Herz empörte, -- In der Zeit der Minderjährigkeit des Königs werden sich gerade in dem freieren Sachsen die Fürsten mancher Besitzung bemächtigt haben, die dem Reiche gehörte; 2) diese verlorenen Güter wieder zu erlangen, musste des Königs Bestreben sein. Zwar warf man ihm vor, er bediene sich, um sich zu bereichern, unerlaubter Mittel, der Gewaltthätigkeit und der falschen Anklage, 3) allein wir müssen es dahingestellt sein lassen, in wie weit diese Vorwürfe berechtigt waren. Es hat allerdings den Anschein, als sei der König in seinen Mitteln nicht sehr wählerisch gewesen und schwerlich wird man ihn ganz freisprechen können. -- Auch andere Mittel, seine Macht in Sachsen zu vergrössern, mag Heinrich angewandt haben, so das, erledigte Lehen missliebigen Söhnen vorzuenthalten, ein Recht, welches ihm als König zustand, dessen Ausübung jedoch stets einen gehässigen Charakter tragen musste. -- Was aber das gemeine Volk noch besonders aufbrachte, war ein weiterer Schritt des Königs. Sachsen war reich an grossen Forsten, 4) die meistens Fiscalgut gewesen zu sein scheinen, so vor allen der Harz; nun wurde aber gerade in Sachsen viel Schweinezucht betrieben, 5) und das Volk sah es als sein Recht an, die königlichen Weiden und Forsten zur Schweinemast zu benutzen. Der König jedoch glaubte, auch hier aus seinen Besitzungen Capital schlagen zu
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1) Lamb ad an. 1063; 1071 und dergl. m., Triumphus S. Remacli M.G.S.S. XI p. 436 . .
2) Schaumann: Geschichte des niedersächsischen Volkes p. 190.
3) Carmen de bello Saxonico 1, 45 ed. Waitz: Abhandlungen der königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Gött. Bd. XV.
(Praesidia)
Heredes circumveniunt vi praedia tollunt.
Lamb. ad. an. 1073 ut sua singulis patrimonia per vim seu per calumpniam erepta restituat . .
Bruno cap. 25 und 26.
4) Adam Lib. I, cap. I. Agerubique fertilis compasams et silvestris . . . 5) Vita Bennonis cap. 10.

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können und verbot die unentgeltliche Benutzung seiner Vorsten und Weiden, er gab den Besatzungen seiner Burgen den Befehl, Uebergriffe der Sachsen zu hindern und im Weigerungsfalle das Vieh der Leute wegzutreiben. 1) Ferner nahm er die Wasser- und Holzgerechtigkeit für sich in Anspruch 2) und traf damit den sächsischen Bauer, der die Berechtigung solcher Massregeln nicht verstand, auf's tiefste; noch heute hält der Bauer den Wasser- und Waldfrevel kaum für ein Unrecht, wie viel weniger vor 800 Jahren! -- Ein weiterer Grund besonders für die Erheburg des sächsischen Adels war folgender: Während frühere Könige stets mit dem Rathe der Fürsten regiert hatten, so glaubte Heinrich IV. sich über diese Tradition hinwegsetzen zu können, und zog anstatt der Fürsten schwäbische Ministerialen als Rathgeber an seinen Hof, die er in jeder Weise gegen die Fürsten protegirte. 3) Ihnen schenkte er die den Sachsen abgenommenen Güter und Lehen, 4) ja zu ihren Gunsten machte er von seinem Rechte, über die Hand von Vassallentöchtern verfügen
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1) (Praesidia) tributa et vectigalia silvarum et camporum importabilia exigebant
Carm. de bello Saxonico I. 42
pupillus et advena quivis
Indigenas prohibent silvis communibus uti
Pascua praeripiunt abigunt armenta gregesque
2) Lamb. (Saxones queruntur) ut aquas nostras pecunia bibere et ligna nostra precio comparare cogeremur . . .
3) Lamb. ad an. 1073. (Suerorum) enim illi gens erat acceptissima et eorum plerosque obscuris et pene nullis majoribus ortos amplissimis honoribus extulerat et primos in palatio fecerat, et ad eorum nutum cuncta regni negocia disponebantur. Quae res cum valde exosum invisumque principibus reddiderat et eorum plerique indignitatem rei non ferentes nisi pro responso necessario evocati in totum palatio abstinebant . .
Ekkehard ad an. 1068 Heinricus rex . . principes despicere, nobiles opprimere, inferiores sustollere . . coepit.
Bernold ad an. 1073: Roudolfus dux Alemanniae et Bertholfus dux Karinthiorum et Welf dux Bajoariae a rege Heinrico discesserunt; quia aliis subintroeuntibus consiliariis suum consilium apud se non valere perspexerunt.
4) Bruno cap. 25. sagt Otto zu den Sachsen . . et hominibus advenis vestra bona largiens.

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zu können, Gebrauch, d. h. er verheirathete die Töchter sächsischer Edler mit seinen Ninisterialen, 1) was um so mehr Erbitterung hervorrufen musste, als in keinem Lande die Standesunterschiede beim Connubium so schroff hervorgekehrt wurden, wie in Sachsen. Endlich kam es selbst vor, dass der König Dienstmannen, die sich bereits lange als Freie gerirt hatten, reklamirte. 2)

Dieses sind kurz die Gründe, die jene folgenschwere Erhebung des sächsischen Landes hervorriefen. Ich habe dieselben hier zusammengestellt, weil der folgende Kampf sonst unverständlich ist, und weil keine der bisherigen zusammenhängenden Darstellungen mir genügend erschien. 3)

Kehren wir jetzt zu unserem Helden zurück: Wir verliesson Otto, als er Pfingsten 1072 seine Freiheit wieder erlangte. Er scheint sich danach auf seine Güter zurückgezogen zu haben, welche die Gnade des Königs ihm gelassen hatte, denn in der nächsten Zeit erfahren wir nichts von ihm; erst als die Bewegung in Sachsen gegen den König beginnt, wird er uns von Lambert als eins der Häupter genannt. Trotzdem war Otto nicht von Anfang an unter den verschworenen Fürsten, wie uns ein Brief zeigt, den Sudendorf zuerst edirt hat. Ich lasse ihn hier folgen, da er von hoher Wichtigkeit ist 4)

Amico suo O[ttoni] H[ecilo] potiora quaeque.
Admonendus videris, quia amicus, ut scintillam ingenii tui boni foveas, fovendo nutrias, objurgandus, si haec negligenter pretereas, approbandus, si, que preclare domi positus minabaris, preclare exequaris, ut debeas. Caeterum, quia persuadeo tibi,
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1) Bruno cap. 25
2) So den Friedrich vom Berge und Wilhelm mit dem Beinamen König von Lothesleben, cfr. Bruno cap. 26.
3) Es wäre an der Zeit, die Gründe des Sachsenkrieges einmal erschöpfend zu behandeln; das einzig brauchbare findet sich bei Waitz. Floto sowohl wie Giesebrecht geben einfach die Uebersetzung dessen wieder, was in den Quellen steht, d. h. Phrasen, welche uns heute unverständlich sind, wenn auch die Chronisten bestimmte Gedanken damit verbunden haben; sie kleideten deutsche Begriffe in das Gewand einer fremden Sprache und erzeugen dadurch bei uns manches Missverständniss.
4) Sudendorf Registrum III p. 42 oder Giesebrecht a. a. O. III p. 1246.

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ut facias, dicam et quonam modo perficias. Nullam excusationis pretensionem 1) recipiens, volo, rogo, ut venias. Dico autem id maxime propter te, quia fieri id posse video honore salvo, commodo tuo in melius mutato, nec, quo nunc uteris, commodum appello. Nolo, te gravet, viae prolixitas, que non magna est, nec abstineant pericula, que putantur, nec sunt, vel titubare 2) faciat animum puerilis inconstantia. Socius noster dominus B[urchardus] bene tibi vult, benigne de te promittit. Certe quia eum 3) ut unum ex nobis experti sumus, quia in nullo, quod honestum, tibi deerit, promittimus; tu fac cogites, si fide vel promissis eum tibi obligasti. Quod si factum per te confringitur aut minus ratum redditur, indignum facis te, nobilitati tuae vim diceris 4) inferre. Cave facias. Ego et Hermannus, socii suitui, si veneris, futuri -- nostram tibi devotam promittimus operam. Fac virum te judicem. Salutat te Hermannus et Heinricus, socius noster, valens clericum. 5) Vale.

Burkard von Halberstadt sowie Hezil von Hildesheim scheinen noch im Laufe des Jahres 1072 im guten Einvernehmen mit dem König gestanden zu haben, dann überwarf sich Burkard mit ihm, weil Heinrich seiner Kirche ein Gut geraubt hatte. 6) Was den Bischof Hezil zum Gegner Heinrichs machte, ist nicht ganz ersichtlich. 7). Als er den vorstehenden Brief an Otto schrieb, war er bereits mit Burkard und Hermann, dem Oheim
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1) pretensionem Handschrift.
2) titillare H.
3) jam H.
4) vindiceris H.
5) Die Worte valens clericum sind unverständlich, vielleicht sollen sie heissen „der einen Pfaffen werth ist.“ Sudendorf und Giesebrecht lassen die Stelle unerklärt.
6) Bruno cap. 26 und Sudendorf Reg. II Nr. 17.
7) Bei Sudendorf Reg. I finden sich zwei Briefe Herzil's an den König, Nr. 7 und 8, die der Herausgeber in das Jahr 1075 setzen zu müssen glaubt. Hezil beklagt sich darin, dass der König in seine bischöflichen Rechte zu Goslar eingegriffen hat. Der Grund der angegebenen Datirung scheint lediglich eine Stelle in Nr. 8 zu ein, wo es heisst Me igitur ut hominem vestrae majestati devotissimum, gratias mutationi dexterae excelsi pro vobis referentem . . . oppressit nuntius vester. Die mutatio dextera soll die Schlacht an der Unstrut gebracht haben. Natürlich ist dann auch Nr. 7 nach jene Schlacht zu setzen, da der König ja dadurch erst wieder in den Besitz Goslars kam, also erst in Hezil's Rechte eingreifen konnte. Warum ist aber in dem ersten Briefe die Schlacht mit keiner Sylbe erwähnt? Drohend ruft Hezil am Schluss desselben aus Consulite ergo, consulite vestrae et dignitati et personae, ne ecclesiae, cui debetis patrocinari, videamini econtrario adversari, ne destruatis, quod vestrum est construere nec debilitetis, quod solidare et redintegrare debetis. Cavete quoque, ne non punita ibi homicidia, adulteria, perjuria eterna animae vestrae generent pericula. Inspiret vobis Dominus, ut mihi non imponatis illam necessitatem, ut de vobis aliquam faciam proclamationem, ne queram opus quodlibet potius subire quam de statu et debito mei juris quiequam minuere. Ganz im Gegensatz zu diesem stolzen drohenden Ton steht der des zweiten Briefes, wo es am Schluss sehr bescheiden und kleinlaut heisst: Quicquid autem vos de me statueritis, ego nunquam immemor, quid vestrae majestati debeam, impendam vobis semper ea, quae debeo meo et illi, cujus honorem omni affectu cupio. Zwischen beiden Briefen liegt demnach ein grosser Erfolg des Königs, wahrscheinlich die Schlacht an der Unstrut; dann fällt aber der erste Brief nicht in das Jahr 1075, da Heinrich erst nach der Schlacht in den Besitz Goslars kam. Möglich ist, dass eben dieser Controverspunkt zwischen dem König und Hezil das gute Vernehmen beider zerriss und dass Heinrich 1075 genau wieder so vorging wie 1073, wohin ich den ersten Brief Hezil's setzen möchte.


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des jungen Magnus, im Bunde gegen den König. Der Brief wird von Giesebrecht mit Recht in den Juni 1073 gesetzt, im Mai wurde der Heereszug gegen Polen ausgeschrieben, bald darauf nennt Lambert schon Otto unter den Anführern der Verschwörung, schon im Juli brach man vereint gegen den König auf.

Otto hat domi positus eine stolze Drohung ausgestossen; wann ist dies gewesen? Wahrscnheinlich nach seiner Entlassung aus der Haft; damals mag er dem König Rache geschworen haben. Diese Drohung auszuführen, fordert Hezil den Herzog auf und verspricht ihm dazu die Mitwirkung Burkards und Hermanns, mit denen er selbst schon verbündet ist, den ersteren, den Bischof von Halberstadt, solle sich Otto zu gewinnen suchen; also hat er bis dahin offenbar in keiner näheren Beziehung zu jenem gestanden. Es sei schon etwas geschehen, fährt der Bischof fort, was nicht rückgängig zu machen sei, jetzt müsse Otto zugreifen, auf die Unterstützung der Verbündeten könne er rechnen.


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Man sieht aus diesem Briefe, dass Otto nicht von vornherein den Verschworenen angehörte, dass diese andrerseits sich bemühten, ihn für ihre Sache zu gewinnen, denn nur so durften sie auf Erfolg rechnen. Es entspricht ganz der Lage, dass Otto die ihm angebotene Gelegenheit sofort ergriff und sich mit Energie der Bewegung anschloss; ein unrühmliches, zurückgezogenes Leben sagte seinem feurigen Geiste nicht zu, und neuen Einfluss zu gewinnen, durfte er zunächst nur im Kampfe gegen den König hoffen. Auch hatte er noch eine Freundespflicht zu erfüllen, sein treuer Waffenbruder, der junge Magnus, schmachtete noch in der Gefangenschaft des Königs, ihn galt es auf alle Fälle zu befreien. Das mächtige Herzogsgeschlecht der Billunger war Heinrich ein Dorn im Ange, und er wollte die günstige Gelegenheit, die sich ihm in dem Vergehen des Herzogs Magnus bot, dazu benutzen, dem Geschlechte das Herzogthum zu entziehen. Als Magnus sich dem König ergab, lebte sein Vater Ordulf 1) noch. Dieser starb während der Gefangenschaft seines Sohnes, und es entstand damit die interessante Frage: verfiel die Erbschaft des Herzogs durch das Jus dedicionis dem König oder nicht? Heinrich wünschte, dass Magnus aus freien Stücken auf sein Herzogthum verzichten solle, dieser jedoch dachte nicht daran, den Verzicht zu leisten, und so blieb er in Gefangenschaft, wodurch der König zugleich eine Bürgschaft für die Ruhe Sachsens zu haben schien. Um seinen Freund, der für ihn litt, zu befreien, soll sich Otto von Nordheim mit Leib und Gut dem König zur Verfügung gestellt haben, von Heinrich aber barsch abgewiesen sein, „er möge sich selbst seines Lebens und seiner Freiheit freuen, die er doch nur als Geschenke königlicher Gnade zu betrachten habe.“ Diese Antwort aber wurde ein Same des Hasses und ein Quell des Zornes, so erzählt Lambert. 2) -- Man wird auf diese Mittheilung nicht allzuviel Gewicht legen dürfen, jedoch ist sie ein deutliches Zeichen für
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1) Ueber seinen Tod cfr. Giesebrecht a. a. O. III, 1112.
2) Bruno cap. 22 erwähnt die Bemühungen Hermanns, seinen Neffen loszukaufen. Quem -- Magnum -- enim patruus suus inaestimabili praediorum sive pecuniarum pretio redimere non valuit, hunc divina pietas . . . . liberavit.


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die grosse Popularität Otto's; ein Kranz von Sagen und Anekdoten wand sich um die Stirne dieses echt nationalen Helden, auf dem die Augen des sächsischen Volkes mit Liebe und Stolz ruhten.

Das Feuer des Aufstandes flammte bald lichterloh empor und ergriff das ganze sächsische Land. Einen Erzbischof, sieben Bischöfe, drei Markgrafen, einen Pfalzgrafen, fünf Grafen zählt Lambert als die Häupter der Aufständischen auf. An ihrer Spitze stand neben Burkard von Halberstadt, dem unversöhnlichen Feind des Königs, Otto von Nordheim. Es ist dies ein Beweis für die anerkannte Ueberlegenheit Otto's, dass er, ohne im Besitz einer uns bekannten hohen Würde zu sein, ganz ohne weiteres die Leitung übernimmt, und sich in dieser Vertrauensstellung über den mächtigen Billungern mehr als zehn Jahre bis zu seinem Tode zu halten vermochte. -- Unter den Grossen stand eine bewaffnete Volksmenge von 60,000 Mann, fest entschlossen, ihre Rechte und Freiheiten, die nach ihrer Meinung der König verletzt hatte, auch mit den Waffen in der Hand zu vertheidigen.

Der König hatte im Mai des Jahres 1073 einen Heereszug gegen die Polen ausgeschrieben, an dem auch die Sachsen Theil nehmen mussten. Da man glaubte, Heinrich habe es auf die völlige Knechtung und Unterwerfung des sächsischen Volkes abgesehen, so verbreitete sich das Gerücht, der Heereszug solle den Sachsen gelten.

Am Peter- und Paulstage, dem 29. Juni, war ein Reichstag nach Goslar 1) ausgeschrieben; dahin strömte nun eine grosse Anzahl sächsischer Fürsten, um dem König die Beschwerden vorzutragen und auf ihre Abstellung zu dringen. Eine Deputation ging an den Hof ab, fand aber dort keine Gelegenheit, ihre Sache vorzubringen. Der König vermied wohl absichtlich jede Conferenz,
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1) Bruno cap. 23 und Ann. Altah. ad an. 1073. Lambert zeigt sich weniger genau unterrichtet; er nennt den ersten August als Tag der Verhandlung, was falsch ist. Die Rede, welche er den sächsischen Gesandten in den Mund legt, ist ein rhetorisches Schaustück, ihr Erfolg und Eindruck selbstverständlich eine tiefe Ergriffenheit – valde perfuotus -- des Königs.


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er mochte die Klagen der Sachsen längst kennen, und es lag gewiss nicht in seiner Absicht, dieselben abzustellen. Nicht nur vernachlässigt, sondern, wenn, wir Bruno glauben dürfen, geradezu schnöde behandelt, 1) kehrten die Abgesandten zu dem grossen Haufen der Ihrigen, die wir uns in der Nähe von Goslar zu denken haben, zurück. Diese wurden aufs äusserste erbost über die Rücksichtslosigkeit Heinrichs und brachen voller Wuth gegen Goslar auf, den König in seinem eigenen Palaste anzugreifen ; nur mit Mühe gelang es dem Markgrafen Dedi oder nach Lambert Burkard von Halberstadt, die Masse von diesem letzten Schritt abzuhalten und sie zu beruhigen. Inzwischen brach Heinrich von Goslar auf und ging auf die feste Harzburg, wo er sich sicherer fühlen mochte. In der folgenden Nacht versammelten sich die anwesenden sächsischen Fürsten in einer Capelle und vereinbarten dort eine Tagfahrt aller Sachsen, auf der man über Mittel gegen die gemeinsamen Leiden berathen wollte. Bald darauf kam dieselbe bei Wormsleben denn auch zu Stande, und es entrollt sich nun vor unseren Augen das interessante Bild einer altdeutschen Volksversammlung ganz in der Weise, wie Tacitus sie darstellt. Nachdem Schweigen geboten war, erhebt sich der Führer, Otto von Nordheim, und hält eine gewaltige Ansprache an die Versammelten. Er setzt erst den Zweck der Zusammenkunft auseinander und entwickelt dann in kurzen Worten, wie viel Unbill man bisher schon von dem leichtsinnigen und übermüthigen König erfahren und mit Geduld ertragen habe, dann weist er darauf hin, welche Ungeheuerlichkeiten ihrer, der freien Söhne freier Väter, noch warteten; zum Schluss fordert er die Anwesenden auf, mit ihren Klagen der Reihe nach vorzutreten. Da erhebt sich zuerst der Erzbischof Wezel von Magdeburg, dann Burkard von Halberstadt, der Markgraf Dedi, Graf Hermann u. a. und bringen ihre Klagen gegen den König vor. Otto selbst klagt den König an, dass er ihn in ungerechter Weise seines Herzogthums beraubt habe.
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1) Bruno cap. 23 erzählt von einer geradezu unanständigen Behandlung der Sachsen durch den König; Bruno zeigt sich hier überall sehr gut unterrichtet, seine Darstellung wird in vielen Punkten durch die Ann. Altahenses bestätigt.


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Endlich schwören alle Anwesgenden, die Bischöfe zuerst: für die Freiheit der Kirchen und des sächsischen Landes mit ganzen Kräften eintreten zu wollen, dann die Laien: die Freiheit ihrer Ahnen aufrecht erhalten und Beraubung ihres Landes hinfort nicht mehr dulden zu wollen. -- So stellt uns Bruno diese Vorgänge dar; mag die Versammlung nun wirklich in dieser Weise stattgefunden haben oder nicht; -- als sicher kann gelten, dass Otto von Nordheim der Versammlung präsidirte und hier die Rolle des Demagogen mit Geschick zu spielen verstanden hat.

Der König hielt sich damals noch immer auf der Harzburg auf, er mochte die Drohungen der Sachsen verachten und sich unter dem Schutze seiner Burgen und ihrer Besatzungen völlig in Sicherheit glauben. Um so grösser war sein Erstaunen, als er eines Tages ein mächtiges sächsisches Heer gegen die Harzburg heranrücken und am Fusse derselben Lager schlagen sah. Es waren Otto und seine Genossen, die wahrscheinlich sogleich vom Orte der Versammlung gegen den König augebrochen waren und denselben durch ihr geschlossenes Vorgehen völlig überraschten. Ohne über die nöthigen Mittel zu verfügen, der Gewalt mit Gewalt zu begegnen, schickte Heinrich, um sich über seinen Zustand klar zu werden, eine Gesandtschaft an die Sachsen, bestehend aus dem Herzog Berthold von Kärnthen, dem Bischof Friedrich von Münster und dem Capellan Siegfried. 1) Durch sie liess er die Sachsen fragen, was ihr Zusammenschaaren bedeute, er hoffe nicht, dass sein Verhalten Anlass gebe, einen Bürgerkrieg zu beginnen. Zugleich befahl er, die Waffen niederzulegen und etwaige Beschwerden friedlich vorzutragen, damit er mit dem Rath der Fürsten und seiner Freunde, wo es nöthig sei, Abhilfe schaffe. Im Namen der Sachsen antwortete Otto von Nordheim: „Sie beabsichtigen keinen Bürgerkrieg, gern würden sie dem König ihren Treueid bewahren, wenn Heinrich sich gegen sie als König erweisen wolle; dies aber solle er erst zeigen, indem er die Zwingburgen niederreissen
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1) Nach Lambert wären die Bischöfe Benno von Osnabrück und Eppo von Zeitz ausser Berthold die Gesandten gewesen; Friedrich von Münster dagegen gehört nach ihm zu den Verschworenen.


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lasse, willige er nicht ein, so seien sie entschlossen, Freiheit, Recht und Gut mit Gottes Hilfe gegen jeden Angriff zu vertheidigen.“

Der König war nicht gewillt, seine erfolgreich begonnenes Politik bei diesem ersten Angriffe aufzugeben; da sich jedoch weitere Verhandlungen zerschlugen, so blieb ihm nur ein Ausweg übrig, den Drohungen der Gegner zu entgehen, die Flucht, denn bei der Stärke des Feindes durfte er es nicht wagen, sich auf einen Kampf mit ihm einzulassen. Natürlich hatte Otto diesen Fall vorgesehen und die Wege, die von der Burg abwärts führten, besetzen lassen. Trotzdem gelang es Heinrich, den Feind zu täuschen. Er suchte die Verhandlungen zu erneuern, zeigte sich den Wünschen der Gegner scheinbar geneigt, und verliess, nachdem er so ihre Wachsamkeit abgelenkt hatte, in der Nacht vom 8. auf den 9. August mit den Fürsten und Freunden, die in seiner Umgebung waren, die Burg. Nach einer gefahrvollen Flucht 1) kam er am 13. August wohlbehalten in Hersfeld an. Unterwegs soll der wachsame Otto dem König entgegengetreten sein, um ihn abzufangen, allein der Adlerblick des Salier's soll den Sachsen so eingeschüchtert haben, dass er ihn ruhig seines Weges ziehen liess. Wir verdanken diese seltsame Mittheilung, die in das Reich der Sage gehört, dem Annalisten von Altaich. 2) In Hersfeld traf der König bei seiner Ankunft schon eine Anzahl Fürsten an, die sich zum Heereszug gegen Polen eingefunden hatten. Rudolf von Schwaben und andere Fürsten aus Schwaben, Baiern und vom Rhein
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1) Die Darstellung Lamberts von dieser Flucht hat etwas romanhaftes. Wenn der König Schätze und Reichsingignien mitnehmen konnte, warum vergass er denn die Lebensmittel? Die Quelle des Annalisten ist hier sicher keine hochgestellte Person, sondern vielleicht ein Trossknecht aus dem Gefolge des Königs. -- Giesebrecht hält sich auch hier zu eng an Lambert.
2) Ann. Altah. ad an. 1073: Heinricus . . . in Franciam disposuit abire. Cui abeunti saepe dictus Otto in via ingidias tetendit et multo majorem militum copiam habens, transeunti tamen se inspicienti congredi non praesumpsit. Natürlich soll die Begegnung noch im Harz stattgefunden haben und nicht in Franken, wie Giesebrecht III. 1126. fälschlich interpretirt.


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lagerten inzwischen noch bei Mainz, wo Sie weitere Instructionen vom König erwarteten; sie hatten bereits Kenntniss der sächsischen Verhältnisse erhalten und glaubten, der Feldzug gegen Polen werde unter den obwaltenden Umständen nicht stattfinden. Der König sandte ihnen sofort seine Boten zu mit der Aufforderung, nach Spieskappel in die Nähe von Hersfeld zu kommen. Jene brachen auch sofort auf und trafen kurz nachher in Spieskappel mit dem König zusammen. Dieser klagte nun gegen sie unter Thränen über die Schmach, die er und mit ihm die königliche Majestät durch den Uebermuth der Sachsen erlitten hatte, und forderte sie auf, ihn zu rächen. Anfangs waren die Ansichten getheilt, bis man endlich nach längeren Verhandlungen übereinkam, sich am 5. Oktober mit Heeresmacht in Herren-Breitungen, einer hersfeldischen Besitzung, zum Kampf gegen die Sachsen einzufinden; darauf verliess der König die Gegend und wandte sich an den Rhein.

Inzwischen hatten auch die Sachsen von der Flucht des Königs Kunde erhalten, und es musste nun Otto's Sorge sein, seine Macht so zu erweitern, dass er im Stande war, grösseren Angriffen des Königs zu begegnen. Es gingen daher bald, nachdem Heinrich die thüringische Grenze überschritten hatte, Gesandte aus dem sächsischen Lager ab, die auf einer Zusammenkunft bei Trettenburg 1) die Thüringer aufforderten, am Aufstand Theil zu nehmen. Die Thüringer waren in derselben bedrängten Lage wie die Sachsen, denn auch gegen sie befolgte der König seine energische Politik. Es liess sich unter diesen Umständen erwarten, was auch geschah, dass sie freudigen Herzens den Sachsen Hilfe versprachen. Wie in Sachsen, so traf man nun auch hier sogleich Anstalten zu einer kraftvollen Führung des Krieges. Den Aebten von Fulda und Hersfeld und anderen Fürsten, welche in Thüringen Besitzungen hatten, liess man sagen, sie sollten sich zum Kampfe gegen den König bereit halten, sonst würde man sie wie Feinde behandeln; auch zwang man den Erzbischof Siegfried von Mainz, der sich gerade in Erfurt aufhielt, bevor er Thüringen vorliess, zur Stellung von
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1) Es ist dies jetzt ein Hügel.


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Geiseln. Freilich stand er sowohl wie Erzbischof Anno von Köln schon damals in dem Rufe, die Sache der Aufständischen zu unterstützen.

Inzwischen hatten die Sachsen schon einen grossen Erfolg zu verzeichnen. Eine Abtheilung unter Graf Hermann war beim Beginn der Feindseligkeiten vor die Veste Lüneburg gezogen, die einst ein Eigenthum der Billunger, dann von Heinrich unter dem Vorwande, dass sie mit Magnus nach dem Ius Dedicionis verfallen sei, weggenommen war. Mangel an Nahrungsmitteln zwang die königliches Besatzung bald zur Capitulation, die ohne Bedingung erfolgte. Der König war damals noch in Hersfeld, als von Hermann ein Bote kam, der die Auslösung der Besatzung gegen die andere des noch immer gefangenen Magnus in Vorschlag brachte. Wohl oder übel musste Heinrich darauf eingehen, 1) und am 15. August ging von Hersfeld aus der Befehl an die Besatzung der Harzburg, die Kerkerthüren des jungen Herzogs zu öffnen und ihn zu entlassen. Ungeheurer Jubel empfing ihn in seiner Heimath, 2) mit welchen Gefühlen mag erst Otto ihm begegnet sein, der doch die Veranlassung der ertragenen Leiden war. -- Auch die Thüringer gingen nach Abschluss des Vertrages mit den Sachsen sofort gegen die Castelle des Königs in ihrem Lande vor und hatten bald einen namhaften Waffenerfolg zu verzeichnen: Nach einer Belagerung von wenigen Tagen fiel die Heimburg in ihre Gewalt; die Besatzung entliess man ungekränkt. Darauf rückten sie vor die sehr feste Hasenburg und brachten auch dieses Castell durch energische Belagerung bald in grosse Noth.

Bis hierher ist der Bericht Lamberts, auf den wir fast ausschliesslich angewiesen sind, klar und einfach; wir sehen, wie die Woge des Aufstandes mehr und mehr anschwillt, wie die Sachsen täglich mehr Kraft gewinnen, und durch eine einheitliche vernünftige Kriegführung im Bunde mit den Thüringern einen
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1) Da die Begatzung der Lüneburg aus Schwaben bestand, so höhnte man in Sachsen: ein Sachse wiege 70 Schwaben auf. cfr. Bruno cap. 21.
2) Bruno cap. 22. De reditu ducis Magni quanta fuisset omni Saxoniae gaudia, Tulliana non posset explicare facundia: non magis de illo gauderent, si eum a morte redivivum accepissent.

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Erfolg nach dem anderen erringen, wie andrerseits der König Macht und Anhang mehr und mehr verliert, und aus einer Position nach der anderen gedrängt wird.

Unter diesen Verhältnissen, fährt Lambert nun fort, ersuchte König Heinrich die Erzbischöfe von Mainz und Köln, eine Zusammenkunft mit den Gegnern zu halten, um einen Frieden zu vermitteln. Diese verabredeten in Folge dessen mit den Führern der Sachsen eine Zusammenkunft in Corvey auf den 24. August. Am bestimmten Tage war Siegfried von Mainz in Corvey anwesend, an Anno's Stelle hingegen eine Gesandtschaft erschienen. Unter den sächsischen Fürsten, die der Verabredung gemäss dort hingekommen waren, wird sich auch Otto von Nordheim befunden haben, trotzdem er nicht besonders genannt wird. Siegfried versuchte zunächst die Sachsen zu gewinnen, allein diese warfen dem König die ungeheuerlichsten Dinge vor und sprachen sogar offen aus, dass sie ihn ferner kaum mehr als König dulden könnten. 1) Nach sehr langen Verhandlungen kam man endlich zu dem Schluss, dass beide Theile, der König sowohl, wie die Aufständischen erst zur Sicherheit 12 Geiseln stellen sollten, und dann auf einem allgemeinen Fürstentag die Klagen der Sachsen in Gegenwart des Königs zur Sprache kommen sollten. Als Termin zur Auslieferung der Geiseln wurde der 13. September, als Ort Homburg festgesetzt; der Fürstentag sollte am 20. October in Gerstungen stattfinden. --

Diese Zusammenkunft in Corvey berichtet uns allein Lambert, der innere Zusammenhang seiner Darstellung ist
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1) Giesebrecht III, 1127 meint, man habe von Sigfried verlangt, mit Kirchenstrafen gegen den König vorzugehen; Lambert scheint das allerdings ausdrücken zu wollen, trotzdem glaube ich nicht, dass solche Verhandlungen in Corvey stattgefunden haben. Fast alle Verhandlungen bei Lambert entwickeln sich nach einer gewissen Geschäftsordnung: 1. Klagen und Schimpfen seitens der Sachsen gegen den König, 2. positives Beschlussfassen. -- Interessant ist übrigens, dass er hier Vergehen des Königs nur leise andeutet, die Bruno cap. 7 und cap. 9 ausführlich erzählt. Man erkennt daraus deutlich, wie verbreitet in jener Zeit die abscheulichsten Anklagen gegen den König waren, da der Annalist die Kenntniss derselben bei seinen Lesern voraussetzt.


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unhaltbar. 1) Am 15. August war der König noch in Hersfeld, am 16. soll bereits die Versammlung zu Spiesskappeln sein, am 17. der König Thüringen verlassen, am 18. mögen dann die Thüringer ihre Feindseligkeiten beginnen, nach wenigen Tagen --- paucis diebus --- also am 20. vielleicht fällt die Heimburg. Dann erst ging man an die Belagerung der Hagenburg und die hier gemachten schnellen Fortschritte erst bringen den König auf den Gedanken, durch Siegfried und Anno eine friedliche Vermittlung mit seinen Gegnern anzubahnen. Die Zusammenkunft in Corvey fand dann schon am 24. August statt. -- Dazu gehört eine Geschwindigkeit, mit der man in unserer Zeit des Dampfes nicht zu wetteifern vermag. Die Motivirung Lamberts ist und bleibt eine unmögliche. Wie so oft, scheint der Annalist auch hier nur die äusseren Vorgänge zu kennen, und sich alles andere selbst hinzuzudenken. An der Thatsache, dass in Corvey eine Zusammenkunft stattgefunden hat, die die erwähnten Resultate hatte, wird man festhalten müssen, nur ist es fraglich, ob dieselbe in der That vom König ausging, oder ob sie nicht vielmehr von den sächsischen und den anderen Fürsten vereinbart wurde. Dem König konnte an einer friedlichen Aussöhnung mit den Sachsen um so weniger
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1) Lindner a. a. O. p. 78 vermuthet, die Aufforderung des Königs an Siegfried und Anno sei in Spiesskappel ergangen, wo Siegfried anwesend gewesen sein soll, während Anno nicht da war; Anno, meint er, habe dann auch nicht in Corvey sein können, weil die Zeit zu kurz war. Diese Erklärung giebt Lindner vorsichtig mit einem „mag“ und „kann“; man gewinnt durch dieselbe nichts. Nehmen wir an, der König habe schon in Spiesskappel die Aufforderung erlassen, so würden wir einmal die Versammlung der Thüringer und ihre Angriffe auf Heinrich's Burgen vorher oder gleichzeitig mit den Vorgängen in Spiesskappel setzen müssen, da erst die Erfolge auf die Burgen Heinrich zu dem Entschluss treiben, dann aber war Siegfried in Erfurt; ausserdem widerspräche das Lambert, der sagt, weil die Thüringer den König nicht in fremde Länder verfolgen wollten, griffen sie die Burgen an und die Hersfelder sind doch noch eigentlich keine gens extera für das damalige Thüringen; endlich hätten sich Anno und Siegfried doch vorher berathen müssen, und wenn Anno Boten senden konnte, konnte er auch selbst kommen. So gelangen wir also nicht voran. Anders hilft sich Giesebrecht; er lässt Heinrich schon von der Harzburg die Erzbischöfe auffordern, allein diese Auffassung widerspricht sowohl den Mittheilungen des Annalisten wie den ganzen Verhältnissen,


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liegen, als er sie ja mit dem Reichsheer, welches am 5. October zusammenkommen musste, niederzuwerfen hoffen durfte, und als Sieger andere Forderungen zu stellen im Stande war, wie sie sich je auf einem Fürstentag durchsetzen liessen; den sächsischen wie auch den anderen Fürsten hingegen, die ohne Frage zum Theil die Sache der Sachsen begünstigten, musste daran liegen, den Heereszug auf alle Fälle zu hintertreiben. Als – Als der König von den Abmachungen in Corvey erfuhr, hielt er es mit seiner Stellung für unvereinbar, denselben nachzukommen; er durfte die Geiseln nicht stellen, wenn er damit nicht officiell die Aufständischen als gleichberechtigte Macht anerkennen wollte. Am 13. September erschienen daher nur Siegfried und Anno in Homburg und verbürgten sich anstatt durch Stellung von Geiseln mit ihrem Wort für die Sicherheit der Sachsen zum Tage in Gerstungen. Von einer Sammlung des Heeres am Anfang October, wie es in Spieskappel vereinbart war, ist dann weiter nicht die Rede, am 20. October dagegen kam jener anberaumte Fürstentag in Gerstungen wirklich zu Stande. Daselbst erschienen die Fürsten Sachsens und Thüringens, an ihrer Spitze warscheinlich Otto von Nordheim, mit 14000 Bewaffneten; der König stand damals in Würzburg, er wollte nicht nach Gerstungen kommen, um, wie Lambert naiv genug sagt, durch seine Gegenwart nicht die Wuth des Volkes zu reizen, wahrscheinlich um nicht mit den Sachsen verkehren zu müssen, die in seinen Augen Rebellen waren. Als Abgesandte schickte er zu den Gegnern Siegfried von Mainz, Anno von Köln, die Bischöfe von Metz und Bamberg, ferner die Herzöge Rudolf von Schwaben, Gottfried von Lothringen und Berthold von Kärnthen. Ueber die Verhandlungen, die nun stattfanden, wissen wir nichts. Nach Lambert klagen natürlich die Sachsen erst wieder über den König, dann werden zwei Beschlüsse gefasst, von denen jedoch nur der folgende publicirt wird: Die Sachsen sollen dem König für ihre Rebellion eine entsprechende Genugthuung leisten, der König soll andrerseits den Sachsen Straflosigkeit und Abstellung ihrer Beschwerden zusichern. Die Genugthuung d. h. die Uebergabe soll zu Weihnachten in Köln vor sich gehen. -- Es entspricht dieser Beschluss ganz der Situation: Heinrich


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musste auf seinem Rechte bestehen, das von dem Friedensbrecher eben die Unterwerfung forderte, Berthold, 1) der diese Verhandlungen nach Würzburg verlegt, berichtet, der König habe eine Expedition gegen die Sachsen unternehmen wollen, allein diese seien ihm zuvorgekommen, und hätten ihm eine Satisfaction versprochen, wenn er ihnen die Rechtsame ihrer Vorfahren zugestehen wolle. Darauf sei ein Colloquium zu Würzburg gehalten und nach vielen Klagen beschlossen, dass die Sachen dem König Weihnachten die Satisfaction leisten sollten. -- Die Satisfaction nennt Berthold eine falsa.

Der Verlauf der Verhandlungen war folgender:

In Würzburg hatte sich zu dem Zwecke, eventuell gegen die Sachsen zu kämpfen, das Reichsheer versammelt. 2) In Folge der mit Siegfried getroffenen Verabredung fanden jedoch erst Verhandlungen statt, da die Sachsen schon vorher bedingungsweise Unterwerfung angeboten hatten. 3) Hier in Gerstungen
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1) Berthold ad an. 1073: Dehinc dispogita rex expeditione in Saxoniam praevenientes eum Saxones satisfactionem illi si justicias majorum suorum illis concederet, unanimiter promittebant. Et facto pro hac pactione Herbipoli colloquio nihil alind post multas illorum et intolerabiles injusticiae quam sustinnissent querelas actum est, nisi quod dedignanter regi falsam denuo satisfactionem in natali Domini se facturos juxta quorumdam episcoporum et ducum praedictorum -- Rudolf, Welf, Berthold -- consilium condixerant.
2) Carmen de bello Saxonico II, 1 u. f.
Interea regis Germania laeta jubentis
Imperiis acies ad praelia misit alacres,
Agmina Wangionum cum robore Pojariorum,
Suevos, Lotharios, equites ad bella valentes.
His comitatus iter rex protendebat ad hostes.
St. 2768 und 2769 nennen ausser den Unterhändlern, die Heinrich nach Gerstungen schickt, noch in seiner Umgebung den Erzbischof Liemar von Hamburg-Bremen, die Bischöfe von Naumburg, Osnabrück und Augsburg, den Herzog Welf und Graf Eberhard. Dass diese sich nicht allein des in Gerstungen angesagten Fürstentages wegen so zahlreich eingefunden hatten, zeigt schon der Umstand, dass eben nur ein Theil mit den Sachsen verhandelte, also der Fürstentag kein allgemeiner war.
3) Carmen de bello Saxonico II, 17
(Saxones)
Adversus regem se deliquisse fatentur.


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erhoben sie erst ihre Klagen gegen den König, und es gelang ihnen, die königlichen Unterhändler soweit auf ihre Seite zu ziehen, dass sie versprachen, den König zu überreden:

His ut jus patrium reddat, commissa remittat;
Sonst ihn nicht weiter zu unterstützen. Die Gründe, welche die königlichen Gesandten veranlassten, so verrätherisch zu handeln -- denn Heinrich verlangte offenbar die dedicio, ohne sich Bedingungen auflegen zu lassen, -- kennen wir nicht 1). Dass man diesen Ausgang auf Seiten des Königs als totale Niederlage auffasste, und die Treulosigkeit der Fürsten verabscheute, zeigt deutlich die Stimmung des Carmen de bello Saxonico. 2) Einigen Fürsten auf der Seite des Königs musste es sehr lästig sein, gegen die Sachsen, mit denen sie sympathisirten, zu kämpfen, daher ergriffen sie diesen Ausweg, einen Frieden herzustellen. Die Sachsen versprachen die Uebergabe, Heinrich andrerseits musste sich verpflichten, die Folgen derselben auf ein Minimum zu redueiren. -- Ebensowenig wie der König waren die Sachsen mit diesem Ausgang zufrieden, da sie extremere Massregeln gewünscht hätten, nur die Fürsten des Königs gewannen, denn sie waren dadurch zunächst von dem Heereszug gegen die Aufständischen entbunden und behielten zunächst freie Hand. 3)

Lambert berichtet, ausser dem veröffentlichten Beschluss
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1) Carmen II, 42
Sed quibus inducti primates artibus illi
genti consensum tunc praebuerint scelerosum,
hoc alias patefit mihi vita salusque supersit.
2) Wenn Lambert glaubt, der König sei pedibus, ut ajunt, in sententiam eingegangen, so ist das ein Irrthum.
3) Meine Auffassung dieser Vorgänge weicht wesentlich von der Floto's, Giesebrecht's und Lindner's ab. Jene halten sich im Ganzen an Lambert, dessen Darstellung jedoch nicht richtig ist. Halten wir fest, dass die Corveyer Zusammenkunft auf Anregung der Sachsen stattfand, so erklären sich die Widersprüche in Lambert's Erzählung sehr einfach. Das auf den 5. October ausgeschriebene Reichsaufgebot wurde eben auf den 20. verschoben und rückte dann nicht mehr gegen den Feind vor, weil man sich mit ihm verständigte. Das Carmen muss hier alle anderen Quellen aufwiegen, da es aus der Nähe des Königs hervorgegangen ist und gerade hier die augenblickliche Stimmung des Hofes unmittelbar reproducirt.


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sei noch ein geheimer gefasst worden, nämlich der, den König abzusetzen und einen anderen zu wählen, ja man habe schon sofort Rudolf von Schwaben wählen wollen, wenn dieser sich nicht geweigert hätte, auf eine so ordnungswidrige Weise die Krone anzunehmen.

Ich will kein Gewicht darauf legen, dass Lambert diesen geheimen 1) Beschluss schwerlich erfahren haben würde, dagegen scheint man mir zur Beurtheilung dieser oft ventilirten Frage die Stellung des Papstes und Rudolf's bisher nicht in der genügenden Weise herangezogen zu haben. -- Heinrich hatte sehr geschickt in dem Augenblick, wo seine Stellung schwierig zu werden begann, einen drohenden Conflict mit Gregor durch inen demüthigen Brief 2) beizulegen gewusst und den Papst versöhnt. Schon vorher hatte Rudolf mit dem Papste in Unterhandlung gestanden und sich in einem Briefes an Gregor offen für den Frieden zwischen Königthum und Papstthum ausgesprochen. In dem Antwortschreiben Gregors, das uns erhalten ist, 3) dankt ihm dieser für seinen Eifer und lobt besonders einen Satz in Rudolfs Brief: videlicet ut sacerdotium et imperium in unitate concordiae conjungantur. Nam sicut, so fährt der Papst fort, duobus oculis humanum corpus temporali lumine regitur, ita his duobus dignitatibus in pura religione concordantibus corpus ecclesiae spirituali lumine regi et et illuminari probatur. Unde nobilitatem tuam scire volumus, quia non solum circa regem Heinricum . . . aliquam malivolentiam non observamus, ed neque aliquem christianum hominem Deo auxiliante hodio habere volumus . . .

Man sieht aus diesem Schreiben, dass damals weder Gregor noch Rudolf feindliche Absichten gegen den König hegten. Nach dem demüthigen Briefe Heinrich's, welchen der Papst Ende September empfing, hatte er vollends keinen Grund mehr, seine friedlichen Gesinnungen zu ändern. Noch
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1) Lamb. Id tamen haud temere publicari placuit.
2) Dieser Brief kam zwischen dem 24. und am 27. September in Rom an; am 27. schreibt Gregor an Erlembald nach Mailand über den Brief des Königs: Heinricum regem praeterea scias dulcedinis et obedientiae plena nobis verba misisse et talia, qualia neque ipsum neque autecessores suos recordamur Romanis pontificibus misisse. Cfr. Jaffé II p. 41.
3) Jaffé II p. 33.


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am 9. October schreibt 1) er an Erlembald von Mailand, dass er auf Frieden mit dem König hoffe. Ob Rudolf inzwischen seine Angichten änderte, wissen wir nicht, jedoch ist es nicht wahrscheinlich, denn in demselben Briefe Gregor's an Erlembald findet sich mit Bezug auf Rudolf die Bemerkung, dass er bemüht sei nostrum atque regis animum firmiter unire. -- Somit können wir annehmen, dass der Herzog von Schwaben in Gerstungen nicht im entferntesten an eine Absetzung des Königs Heinrich gedacht hat. 2) --- Mit Recht macht Lindner 3) ferner darauf aufmerksam, dass sich unter den Abgesandten des Königs in Gerstungen der treueste Anhänger Heinrich's, Herzog Gottfried von Lothringen, befand, wie sollte dieser dazu gekommen sein, hier den schwärzesten Verrath zu üben? Ja endlich würde denn Otto von Nordheim ohne weiteres seine Zustimmung zur Wahl seines Gegners Rudolf gegeben haben? Schwerlich, er hätte dann sein nächstes Ziel, das Herzogthum Baiern wieder zu erlangen, aufgeben müssen, denn Rudolf würde sich in dieser Frage als König zu Gunsten seines Freundes Welf entschieden haben. Danach haben wir allen Grund, anzunehmen, dass in Gerstungen der Gedanke, den König abzusetzen und Rudolf zu wählen, überhaupt nicht aufgetaucht ist. In Sachsen mochte man diese extreme Massregel allerdings wünschen, und es ist leicht erklärlich, wie Lambert zur Kenntniss dieser falschen Gerüchte gelangte. 4) --

Nachdem jene Verhandlungen in Gerstungen beendet waren,
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1) Jaffé II p. 43.
2) O. Grund a. a. O. p. 33 betont, dass sich Rudolf auch nach den gerstunger Verhandlungen noch in der Nähe des Königs aufhielt.
3) Lindner a a. O. p. 80.
4) Giesebrecht a. a. O. p. 1127 sagt: Mir scheint nun allerdings den Verhältnissen zu entsprechen, dass die Sachsen auf die Absetzung des Königs drangen und Rudolf durch Aussichten auf den Thron zu gewinnen suchten; . . . G. hält sich fast ganz an Lambert, während schon Floto I, 396 und auch Lindner p. 80 ein geheimes Abkommen in Gerstungen leugnen, freilich aus unzureichenden Gründen. -- O. Grund a. a. O. p. 34 macht die Bemerkung: Im Interesse der deutschen Fürsten wäre zu wünschen, dass man die Unhaltbarkeit dieger ganzen Erzählung mit Evidenz nachweisen könnte.


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und scheinbar ein Frieden hergestellt war, kehrten die Sachsen nach Hause zurück. Otto und seine Anhänger hatten nicht die Absicht, den Bedingungen des Friedens nachzukommen, 1) man hatte vorläufig Aufschub erreicht und den Heereszug des Königs zu vermeiden gewusst. Wer bürgte aber dafür, dass der Zug nicht dennoch zu Stande kam. Erfüllten die Sachsen die Bedingungen des Friedens nicht, so vermochten sich die süddeutschen und rheinischen Fürsten auf die Dauer der gerechten Forderung des Königs, ihrer Heerespflicht nachzukommen, schwerlich zu entziehen. So war die Lage der Dinge, als ein Ereigniss eintrat, das dem Verhältniss zwischen Heinrich und Rudolf und anderen Fürsten den Todesstoss gab, und die Weigerung der Heerespflicht von Seiten Rudolfs u. a. auch in der öffentlichen Meinung zu rechtfertigen im Stande war, ein Ereigniss, das den König Heinrich als Verbrecher und den Verrath an ihm als erlaubt erscheinen liess. Der König blieb mit den Fürgsten, die bei ihm waren, noch bis Ausgang des Monats Oktober im Würzburg, und zog dann auf Regensburg zu. Da erfolgte in Nürnberg die Anklage Regingers, 2) er behauptete, der König habe ihm zur Ermordung der Herzöge Rudolf und Berthold gedungen und erklärte sich bereit, seine Anklage im gottesgerichtlichen Zweikampf zu vertheidigen. Ulrich von Kosheim, einer von Heinrichs Getreuen, der auch im Complott sein sollte, erbot sich sofort, den Zweikampf mit Reginger anzunehmen, allein Rudolf gab vorläufig eine unbestimmte Antwort. Ohne die Sache zum Austrag gebracht zu haben, zog Heinrich nach Regensburg weiter, „allen verhasst, allen verdächtig“, so gewaltig war der Eindruck dieses Vorfalles. Dass die Anklage Regingers wahr gewesen sei, wagt keine Quelle zu behaupten. Der schwere Verdacht, Reginger zu seinem Auftreten bewogen zu haben, ruht auf den Sachsen. -- Otto und seine Genossen hatten viel erreicht: ihr Gegner war ein geschlagener Mann, in den Augen der Welt nicht mehr werth, König zu sein; aber welche Mittel waren nöthig gewesen,
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1) Berthold kann daher von einer falsa satisfactio sprechen.
2) Berthold a. a. O. nennt ihn unus de consiliariis regis.


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zu diesem Ziele zu gelangen? Verrath und immer wieder Verrath! 1)

Jetzt konnten die Sachsen es wagen, den Erzbischof von Mainz aufzufordern, er solle zur Wahl eines neuen Königs einen Wahltag nach Mainz berufen, oder ihnen selbst die Erlaubniss geben, sich aus ihrer Mitte einen König zu setzen. Sicher war es Otto von Nordheim, auf den sie ihre Augen gerichtet hatten. Siegfried von Mainz ging auch in der That auf die Wünsche der Sachsen ein, und entbot die Fürsten des Reiches zu einer Versammlung nach Mainz. Auf die Nachricht von diesem frechen Vorgehen eilte Heinrich aus Bayern herbei an den Rhein, um durch seine Gegenwart die Wahl zu stören; die Wucht der Ereignisse riss ihn unterwegs in Ladenburg am Neckar auf das Krankenbett nieder, doch seine kräftige Natur siegte bald über die lebensgefährliche Krankheit, und machte die schadenfrohen Hoffnungen seiner Gegner zu nichte. Kaum hergestellt, eilte er weiter und fand in den treuen Bürgern von Worms einen offenen Schutz. Es ist rührend, zu sehen, wie diese wackeren Bürger ihren königsfeindlichen Bischof zum Thore hinausjagen, und ihren verlassenen, betrogenen Herrn und König mit allem möglichen Pomp in ihre Mauern holen; besser konnte sich das deutsche Bürgertum nicht in die Geschichte einführen, als es hier geschehen ist.

Der angesetzte Wahltag in Mainz wurde aus Furcht vor der Nähe des wieder erstarkten Königs nur schwach besucht; schon wollten die erschienenen Fürsten, da sie nicht beschlussfähig waren, in ihre Heimath zurückkehren, als der König sie durch Gesandte zu einer Berathung nach Oppenheim entbieten liess. Anfangs trug man Bedenken, die Bitte des Königs zu erfüllen, erst als man zur Sicherheit Geiseln mit ihm gewechselt hatte, zogen die Versammelten nach Oppenheim, wo Heinrich mit ihnen zusammentraf. Wer diese Fürsten waren, ist nicht mit Sicherheit zu sagen, wahrscheinlich jedoch waren
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1) Floto a. a. O. I, p. 395 war der erste, welcher den Sachsen die Schuld an Reginger's Auftreten gab. Dass auch Rudolf „nicht ganz unbetheiligt“ war, vermuthet Grund a. a. O. p. 36, ohne diesen Verdacht begründen zu können.


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Sachsen nicht dabei. Es scheint, als Seien Otto und die anderen sächsischen Fürsten gar nicht in Mainz erschienen, trotzdem der Wahltag auf ihre Anregung hin erst berufen sein soll. -- Wir sind für diese Ereignisse ausschliesslich auf Lambert angewiesen und können daher nicht sagen, in wie weit die Darstellung zutrifft. -- Das Resultat der Berathung in Oppenheim war der Beschluss, dass Heinrich sich von dem Verdacht des Attentates durch ein Gottesgericht reinigen müsse: Ulrich von Kosheim sollte mit Reginger kämpfen. Also man nahm jetzt die Bedingung an, zu der sich der König schon früher erboten hatte. Der Zweikampf fand später nicht statt, da Reginger kurz vor dem bestimmten Tage plötzlich starb. --

Inzwischen nahte Weihnachten heran; die verbündeten Sachsen und Thüringer hatten trotz der Gerstunger Beschlüsse die Feindseligkeiten gegen die Burgen des Königs keineswegs eingestellt und waren natürlich noch weniger gewillt, die Unterwerfung in Köln zu vollziehen. -- Wiederum sind es die Fortschritte der Feinde gegen die Hasenburg, die den König schliesslich veranlassen, von neuem mit ihnen in Unterhandlungen zu treten, wiederum ist es Siegfried und Anno, die den Frieden vermitteln, endlich ist es wiederum Corvey, das die Erzbischöfe den sächsischen Fürsten als Ort der Zusammenkunft bestimmen.

Am 20. December hatte auch Gregor VII. in den Kampf zwischen den Sachsen und dem König eingegriffen; 1) er gebot beiden Theilen, die Waffen niederzulegen und dem apostolischen Stuhle die Entscheidung zu überlassen, aber die sonst so mächtige Stimme verhallte hier wirkungslos.

Der Abrede gemäss kamen Anno und Siegfried zwischen dem 12. und 18. Januar 1074 in Corvey mit den Sachsen zusammen, und forderten sie Namens des Königs auf, in ihrem Vorgehen gegen die Castelle einzuhalten, allein die Sachsen wollten davon nichts wissen. Das endliche Resultat der Verhandlung war der Beschluss: in der Woche nach Mariä Reinigung mit den anderen Fürsten des Reiches in Fritzlar zusammen zu treffen und einen neuen König zu wählen.
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1) Jaffe II p. 57.


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Die Motivirung dieser zweiten Zusammenkunft in Corvey entspricht genau der der ersten im Jahre 1073. Ob Lambert von den Beschlüssen beider Tage manches durcheinander geworfen hat, dürfte schwer zu entscheiden sein, jedenfalls kam der Beschluss, den man hier 1074 fasste, einen Wahltag anzusetzen, nach den Verhandlungen im Jahre 1073 zur Ausführung. An der Thatsache der beiden Zusammenkünfte wird man festhalten müssen, weil dafür zu genaue Angaben sprechen, wie z. B. Die der Daten. Wie aber die Vorgänge im Einzelnen gewesen sind, wissen wir nicht, und es ist dies, wie Floto bemerkt, auch schliesslich gleichgültig, da diese letzte Zusammenkunft in Corvey auf den allgemeinen Verlauf der Dinge gar keinen Einfluss übte.

Drei Tage nach den Verhandlungen in Corvey fiel die feste Hasenburg in die Hände der Belagerer, die nun von dort gegen Spatenberg und Vakenrot rückten, und auch diese Burgen des Königs mit Erfolg angriffen. Im letztgenannten Castell befand sich die Königin Bertha; sie holte jetzt der Abt von Hersfeld auf Geheiss des König in sein Kloster, wo die hochschwangere Frau mit einem Knaben niederkam. Die Aufständischen hatten die Ueberführung der hohen Frau ohne weiteres erlaubt, sie üben überall eine Mässigung, die staunenswerth und gewiss nicht ohne Berechnung ist; mit Ausnahme der Kämpfe um die Harzburg 1) war bis dahin der Krieg ohne Blutvergiessen geführt worden. Heinrich, der sich noch immer in Worms aufhielt, beschloss endlich nach dem Fall der Hasenburg und bei der bedenklichen Lage, in der sich die anderen Castelle befanden, an der Spitze eines Heeres nach Sachsen zu ziehen. 2) Zwar weigerten sich die Erzbischöfe von Mainz und Köln, die Bischöfe von Strassburg
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1) Hier schlugen sich die Ritter der Burg mit den Bürgern von Goslar; erst erlitten die Ritter eine Niederlage, dann aber die Bürger. Die Besatzung der Burg wurde allmählich eine entsetzliche Plage für die ganze Gegend.
2) Giesebrecht III, 296 meint, der König habe durch diesen Zug den Tag von Fritzlar verhindern wollen, allein davon sagt Lambert kein Wort. Die Auffassung des Annalisten ist ebenfalls nicht zu halten: zwischen dem 12. und 18. Januar ist die Zusammenkunft in Corvey, drei Tage nachher fällt die Hasenburg, nun muss der König endlich Ernst machen, wenn er nicht seinen Ruf ganz einbüssen will, ohne Versuch einer Befreiung will er seine Besatzungsn nicht mehr preis geben, deshalb entbietet er die Fürsten zum Heereszug; mit den Angekommenen unternimmt er die Fahrt nach Hersfeld, wo er am 27. Januar eintrifft, also hätte der Zug gegen die Sachsen binnen 6 bis 12 Tagen entboten und unternommen werden müssen, was nicht möglich ist.


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und Worms, die Herzöge von Schwaben, von Baiern, von Kärnthen, von Nieder- und Oberlothringen und die Vassallen von Hersfeld und Fulda, Heeresfolge zu leisten, trotzdem war es eine ganz stattliche Schaar, mit der der König am 27. Januar in Hersfeld ankam. 1) Es herrschte damals eine entsetzliche Kälte, bis auf den Grund sollen die Flüsse gefroren sein, die Thiere erstarrten im Walde und in den Ställen. -- Auch die Sachsen waren im Felde erschienen an Zahl sehr stark; sie standen am östlichen Ufer der Werra bei dem kleinen Orte Vach und waren fest entschlossen, dem König den Eintritt in Thüringen zu verwehren. Schon am 26. Jannar, also einen Tag, bevor der König noch in Hersfeld erschien, hatte er durch den Abt des Klosters, der damals eine Vertrauensstellung zwischen Heinrich und den Aufständischen eingenommen zu haben scheint, Verhandlungen mit den Sachsen anknüpfen lassen. Es lag gewiss nicht in seiner Absicht, mit den Gegnern zu schlagen; er war wohl schon mit einem Theil der sächsischen Fürsten einig, als er nach Hersfeld kam, so besonders mit Otto von Nordheim, von dem er wusste, „dass die Entschlüsse aller Sachsen von dem seinen abhängig seien.“ 2) Die Rückkehr des Abtes erwartete der König auf den Gütern der Abtei, zwei Meilen von der Werra entfernt. Sein Heer litt an dem Nothwendigsten Mangel und erhielt sich zum Entsetzen der Mönche, so gut es ging, von den Vorräthen des Klosters. Auch die Sachsen scheinen Mangel
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1) Das Carmen giebt die Stärke der Heere auf 6000 und 60000 Mann an, nach ihm ist des Königs Heer vortrefflich gerüstet, das der Sachsen nicht.
Lambert schätzt die Sachsen auf 40000 Mann.
Bruno cap. 31 nennt das Heer der Sachsen maximus, nach ihm ist auch das Heer des Königs gross aber zum Kampf wenig gerüstet.
2) Bruno cap. 30. Ottoni duci, de quo sciebat omnium consilia pendere.


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gelitten zu haben, denn sie entliessen einen Theil des Heeres in seine Heimath. Der Abt brachte bald die Nachricht zum König, die Sachsen seien zu Unterhandlungen geneigt. In Folge dessen sandte Heinrich vier Bischöfe, darunter den braven Embricho von Augsburg 1) zu ihnen, um den Frieden zu vermitteln. Die Bedingungen, unter denen sich die Sachsen bereit erklärten, den Frieden abzuschliessen, sind nach Lambert folgende:
1. Zerstörung der königlichen Castelle,
2. Rückerstattung der geraubten Güter,
3. Restitution Otto's von Nordheim in sein Herzogthum Bayern,
4. Amnestie für alle diejenigen, welche vom König abgefallen waren, oder ihn nicht gegen die Sachsen unterstützt hatten, so besonders für Siegfried von Mainz, Anno von Köln und Rudolf von Schwaben, 2)
5. Fortbestehen des sächischen Rechts,
6. Aufhören des fortwährenden Aufenthalts des Königs in Goslar,
7. Gerechtigkeit gegen Kirchen und Klöster, gegen Wittwen und Waisen,
8. Eine würdigere Währung der königlichen Ehren von Seiten des Königs.

Anders sind die Begingungen, welche Bruno angiebt:

1. Zerstörung der Castelle,
2. Einstellung der Depraedationen,
3. Zusammensetzung des königlichen Rathes während der Hofhaltung in Sachsen aus sächsischen Fürsten,
4. Amnestie für die Sachsen.
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1) Ann. August. ad an. 1074 S. S. III p. 1298. Favente Deo, per Embriconem Augustensem pontificem in purificatione Sanctae Mariae cum rege idem Saxones et multi conjurationis ejusdem auctores vix pacificantur.
2) Lindner a. a. O. p. 83 glaubt, Siegfried und Anno seien bei diesem Frieden zugegen gewesen, allein in den Urkunden, die er anführt, sind sie, wie schon Giesebrecht dagegen bemerkt hat, nicht genannt cfr. 2771 und 2772. Lambert hatte hier ja das Heer des Königs vor Augen und ein Siegfried und Anno wären ihm sicher nicht entgangen.


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Berthold nennt nur die Zerstörung der Castelle, das Carmen endlich stellt gewisse Dinge nur als Gnadenakte des Königs hin, die wir jedoch als Bedingungen ansehen können:
1. Gewährung des sächsischen Rechts,
2. Oeffnung der Castelle,
3. Herstellung eines Friedens.
Von diesen sämmtlichen Bedingungen machen nur zwei Schwierigkeiten, die Lambert angiebt: Die Restitution Otto's in sein Herzogthum und die Amnestie für Siegfried, Anno, Rudolf u. s. w.

Bruno erzählt, 1) dass Otto und einige andere Fürsten durch grosse Versprechungen vom König bestochen, den Frieden herbeigeführt hätten. Danach unterliegt es keinem Zweifel, dass die eine jener beiden Bedingungen, die Restitution Otto's in sein Herzogthum, allerdings ihre Richtigkeit hat. 2) Otto mochte fühlen, dass er von dem lauen Betragen der süddeutschen Fürsten nicht das erreichen würde, was er und seine Sachsen wünschten, und schloss daher lieber mit dem König seinen Frieden. Dabei verhehlte er sich allerdings keinen Augenblick, dass dieser Friede, der sich ja gerade in dem Punkte, welchen der Nordheimer für sich in das Friedensinstrument aufnehmen liess, gegen Welf und Rudolf richtete, das lose Band, das die Sachsen und die süddeutschen Fürsten an einander knüpfte, gänzlich zerreissen würde. An eine allgemeine Amnestie als Friedensbedingung ist unter diesen Umständen nicht mehr zu denken, 3) dieselbe wird sich, wie Bruno angiebt, eben nur auf die Sachsen bezogen haben. Es ist, wie wir schon erwähnten, durchaus nicht unwahrscheinlich, dass der König schon mit Otto einig war, als er nach Hersfeld kam, denn sonst erscheint der ganze Zug doch etwas abenteuerlich.
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1) Bruno cap. 31. Tune Otto dux et caeteri, quibus magna fuerant promissa, persuadent aliis, quatenus hac eum conditione reciperent.
2) Ottoni duci . . honorem injuste ablatum pollicetur cum magno augmento restituere, si se vellet in honorem pristinum reducere. Bruno cap. 30.
3) Bruno cap. 31 nennt diesen Frieden den Ursprung grosser Leiden. Nam suevorum, qui foederis jam pridem -- 1073 -- cum Saxonibus facti non immemores cum rege contra Saxones venire noluerant, ipsi Saxones, dum foedus cum rege facerent, fuerunt obliti. Man könnte für die allgemeine Amnestie die p. 55, Anm. 1 herangezogene Stelle der augsburger Annalen anführen, wo es heisst Saxones et multi conjurationis ejusdem auctores vix pacificantur, allein der Ausdruck multi conjurationis ejusdem auctores ist zu allgemein; Anno, Siegfried u. a. wird man auch schwerlich auctores conjurationis nennen können. Lambert selbst scheint über die Bedingung der allgemeinen Amnestie nicht ganz sicher gewesen zu sein, denn kurz nach diesem Frieden erzählt er: Cum enim -- rex -- crimen rebellionis Saxonibus donasset, aliis regni principibus, qui conjurationis socii fuerant, quod juste succenseret, non habebat.


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Der König mochte auf so hochgespannte Forderungen, wie die Sachsen sie ihm durch die abgesandten Bischöfe überbringen liessen, nicht gerechnet haben, das Streben vieler Jahre, das Ziel seiner Politik sah er mit einem Schlage vernichtet; es ist ganz glaublich, wenn Lambert uns berichtet, dass er sich lange weigerte, die Bedingungen anzunehmen, und seine Rathgeber auszankte, die ihn in dies gefahrvolle Unternehmen gerissen hatten. -- Da sich hierdurch der Abschluss des Friedens verzögerte, wurde auch das sächsische Volk unruhig, und haderte mit den Fürsten, dass sie verhandelten, wo sie den sichern Sieg über den verhassten Gegner in Händen hatten, ja man soll sogar Otto von Nordheim dringend aufgefordert haben, den Königstitel anzunehmen, und sofort die Schlacht zu beginnen. Kälte und Hunger, sowie Furcht vor Ueberfällen der Liutizen mögen diese Erregung des Volkes hervorgerufen haben. Zum Glück waren die Fürsten, und vor allen Otto von Nordheim, besonnen genug, das stürmische Drängen ihres Volkes zurückzuweisen. -- Der König ging endlich auf die Bedingungen ein, und so kam der Friede am 2. Februar zu Stande; 15 Bischöfe gingen aus dem Lager des Königs in das der Sachsen und schlossen dort ab. Dann kamen die Sachsen in geschlossenem Zuge zum König und unterwarfen sich ihm. Er bot den Mächtigen den Friedenskuss und wiederholte mit eigenem Munde die Friedensbedingungen.

Dass Heinrich als Gegenforderung bei dem Abschluss des Friedens die dedicio stellte, und dass die Sachsen sich derselben als Strafe für ihre Rebellion auch unterwarfen, sagt Berthold:


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Qui (Saxones) vim belli metuentes ad dedicionem eo pacto venerunt . . . . und das Carmen II, 179
Languida vix tanto motabant frigore membra.
Armis exuti, demissi colla superba
Nudatique pedes, pariter cum supplice voto
Regis castra petunt, cui se sua cunetaque dedunt.

Der Friede 1) war von Otto und den anderen sächsischen Fürsten in Abwesenheit der anderen Reichsfürsten abgeschlossen worden, ja im bewussten Gegensatz zu ihnen, daher ruft Bruno mit Recht aus: „Hujus foederis inconsulta compositio Saxonibus maximorum malorum fuit origo.“

Nach Abschluss des Friedens entliess Heinrich sein Heer und zog mit den Sachsen nach Goslar; von dort gingen Boten an die Besatzungen der Burgen, welche die Einstellung aller Feindseligkeiten befahlen; zerstört jedoch sollten die Castelle erst dann werden, wenn die angehäuften Vorräthe aufgezehrt wären. Der König zögerte, die Bedingungen des Friedens sofort zu erfüllen, er hoffte noch manches abwenden zu können. Auf den 10. März berief er daher einen allgemeinen 2) Fürstentag nach Goslar, wohl mochte er wünschen, dass Rudolf, Welf u. a. daselbst erschienen und im Zorn über die Perfidie der Sachsen seine Weigerung, die eingegangenen Bedingungen auszuführen, unterstützen würden; allein am festgegetzten Tage erschienen nur Sachsen und Thüringer in zahlreicher Menge. Als der König trotzdem noch Ausflüchte suchte, und seinen Versprechungen nicht nachkommen. wollte, da stürzte die wahrscheinlich von Otto 3) furchtbar aufgereizte Masse auf den königlichen Palast los,
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1) Giesebrecht III p. 245 glaubt, die sächsischen Fürsten hätten sich nur darum mit Heinrich vertragen. um sich nicht ganz von den anderen Fürsten zu trennen und in die Hände der Bauern zu geben; „über sie hatte die Idee der Reichseinheit doch unfraglich noch nicht alle Gewalt verloren. Solche „Ideen“ sind doch wohl stets etwas problematischer Natur.
2) principes de toto regno sagt Lambert. Ganz unrichtig ist die  Auffassung Lindner's a. a. O. p. 84: „Um die sächsischen Fürsten zu gewinnen, berief er sie für den 10. März nach Goslar.“
3) Er drang auf Erfüllung der Zusage, die ihm der König gemacht hatte.


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zum äussersten entschlossen, wenn Heinrich nicht erfülle, was er zugesagt. So bedroht musste er nachgeben, nochmals versprach er, seine Burgen zu brechen, allerdings sollten auch die sächsischen Fürsten die ihrigen zerstören, die unter seiner Regierung erbaut waren; ferner gab er die Versicherung, Otto von Nordheim, der sein Herzogthum zurückforderte, binnen eines Jahres nach dem Urtheil der Fürsten Genugthuung zu geben, 1) und auch sonst alle Bedingungen des Gerstunger Friedens zu erfüllen, andrerseits scheinen sich die Sachsen verpflichtet zu haben, die während des Aufstandes von ihnen occupirten Krongüter dem König wieder zuzustellen. 2) Der Befehl, die Burgen zu zerstören, erging nun sofort, selbst die prächtige Harzburg konnte Heinrich nicht retten; dort sollten allerdings nur die Befestigungen gebrochen werden, während das Kloster und die schöne Kirche, die daselbst mit grossen Kosten aufgeführt waren, bestehen bleiben sollten. Leichtsinniger Weise zogen die Beauftragten des Königs zum Bruch der Mauern die sächsischen Bauern aus der Umgegend herzu, die bald im Andenken an die furchtbaren Leiden, die sie gerade von der heldenmüthigen, ritterlichen Besatzung der Harzburg erduldet hatten, voller Wuth die ganze Burg zerstörten. Kein Stein blieb auf dem anderen, Kirche und Kloster wurden dem Erdboden gleichgemacht, selbst die Gräber wurden aufgerissen, und die Gebeine der Todten, darunter eines Sohnes des Königs, in alle Winde zerstreut. -- Drei Tage vor dieser That hatte Heinrich Goslar und Sachsen verlassen, schon mochte er in Worms angekommen sein, als die Nachricht des Frevels einlief. Aufs Tiefste war der König verletzt; wenn er schon den gerstunger Frieden wohl nicht in der Absicht geschlossen hatte, ihn zu halten, so war jetzt der Zeitpunkt gekommen, furchtbare Rache
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1) Ob dies eine Modification des Gerstunger Versprechens, Otto sein Herzogthum zurückzustellen, ist, dürfte schwer zu entscheiden sein. Der König mochte allerdings diese Form der Zusage jetzt wählen, eben in der Hoffnung auf die Opposition der süddeutschen Herzöge, deren Macht er gegen die verhassten Sachsen zu benutzen gedachte.
2) Bruno cap. 42. Dort schreibt Werner von Magdeburg: Praedia, quae querebatur ablata, legatis ipsius reddidimus, donec ipsi legati dixerunt, nihil esse reliquum, quod reddere deberemus.


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an den Sachsen zu nehmen, jetzt hatte er die öffentliche Stimme für sich: die Sachsen für diese Schändung zu strafen, erschien als heilige Pflicht. --- Entsetzen ergriff dagegen die sächsischen Fürsten, als sie von dem Frevel hörten, und sie erboten sich, den Zorn des Königs auf alle Weise zu besänftigen, jedoch vergeblich. --

Wir sehen nun, wie der König in ganz bewunderungswürdiger Weise seinem Ziel entgegen geht. Auf seinen Zügen durch Süddeutschland und die Rheingegenden gewann er einen Fürsten nach dem anderen für seinen Zweck; auch mit dem Papste wurde der Frieden erneuert. Im Mai 1074, als der Hof in Nürnberg war, kamen daselbst die Kaiserin Agnes und andere Abgesandte des Papstes an, und nahmen den König als „gehorsamen Sohn“ in den Schooss der Kirche auf; ein Nationalkonzil jedoch, das die Legaten in Deutschland halten wollten, verweigerten die deutschen Bischöfe, besonders Siegfried von Mainz und Liemar von Bremen. Der Papst war darüber entrüstet und suspendirte Liemar, wie Siegfried, „wie mit seinen Villici, klagt der brave Erzbischof von Hamburg-Bremen, springt dieser Papst mit seinen Bischöfen um.“ 1) Die Folge davon war, dass die Bischöfe Schutz beim König suchten. Auch durch eine andere Massregel wurden die Bischöfe damals eng an den König gedrängt. Man kennt Gregors Bemühen, den Coelibat in Deutschland durchzuführen, gerade in den Jahren 1074 und 1075 2) ging ein Schreiben nach dem andern mit dahin zielenden Befehlen aus Rom an den deutschen Episcopat ab, allein alles Bemühen war vergeblich, tumultuarisch erhob sich der niedere Clerus und drohte mit Excessen, falls die Bischöfe nicht von ihrer Forderung der Einführung des Cölibats abstanden. Natürlich gab der Papst den Bischöfen Schuld, und diese, von unten und oben bedrängt, mussten sich in den Schutz des Königs begeben. Weihnachten 1074 finden wir Heinrich in Strassburg,
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1) Sudendorf Reg.I, Nr. 5.
2) Vom 24. März 1075 besitzen wir allein drei derartige Briefe bei Jaffé II p. 185 . .


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umgeben von einer grossen Anzahl Fürsten, die er bereits für sich gewonnen hatte.

Inzwischen gaben sich die sächsischen Fürsten alle erdenkliche Mühe, das drohende Unheil von sich abzuwenden; eine Gesandtschaft nach der anderen ging an den König ab, mit dem Erbieten, sich einem Gericht aus den Fürsten des Reiches unterwerfen zu wollen, allein der König nahm die Gesandten kaum an. Der kluge Burkard von Halberstadt suchte den Papst für sich zu gewinnen, indem er tiefe Entrüstung darüber heuchelte, dass das Nationalkonzil verhindert war, -- Gregor dankte ihm herzlich für seinen Eifer, that aber keinen Schritt für die Sachsen; andere sächsische Fürsten wandten sich um Verwendung an den Erzbischof von Mainz. Der König erklärte schliesslich, von einem Heereszug gegen Sachsen abstehen zu wollen, wenn die Aufständischen die dedicio sine omni conditione vollziehen wollten, darauf jedoch gingen diese wieder nicht ein, trotzdem ihre ohnehin bedrängte Lage schon durch Verrath im eigenen Lager von Tag zu Tag gefahrvoller wurde. -- Zu geschickt war König Heinrich vorgegangen, zu ergrimmt waren die süddeutschen Herzöge über den Separatfrieden von Gerstungen, zu abhängig war der von oben und unten bedrängte Episcopat von dem König, zu allgemein sprach endlich die öffentliche Stimme; gegen die Tempel- und Leichenschänder, als dass noch auf eine friedliche, für die Sachsen günstige Beilegung zu hoffen gewesent wäre. Von Worms aus erliess Heinrich endlich am 5. April 1075 den officiellen Befehl an alle Fürsten des Reiches, sich am 8. Juni mit Heeresmacht zu einem Zuge gegen die Sachsen auf der hersfeldischen Besitzung Herren-Breitungen einzufinden. Damals soll der König auch noch Boten an die Sachsen besonders an den Erzbischof von Magdeburg gesandt haben mit der Zusicherung der Straflosigkeit gegen Auslieferung der Rädelsführer und als solche bezeichnete er Otto von Nordheim, Burkard von Halberstadt und den Pfalzgrafen Friedrich. Der schwache Werner gesteht später in einem Briefe an Siegfried von Mainz, dass es in seiner Absicht gelegen habe, darauf einzugehen. 1)
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1) Bruno cap. 48. Quod si me forte majestas ejus -- regis -- accusat, quia nuper quasi pugnaturus cum eo venerim, hoc quod ipsa veritas, quae Christus est, novit verum esse respondete, me nulla pugnandi causa venisse, sed ob hoc solum, sicut coram legatis ejus fuerat constitutum, ut eos quos in nostris partibus suos vocaverat inimicos, volentes sive nolentes ei praegentarem, quatenus vestro aliorumque principum judicio vel in crimine deprehensi justo supplicio subjacerent, vel innocentes inventi vobis intercedentibus gratiam ejus reciperent.


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Die Sachsen, welche den erniedrigenden Bedingungen des Königs nicht Folge leisten wollten, beschlossen endlich, an demselben Tage, wie der König mit seinen Truppen in Herren-Breitungen, so in Lupniz zwischen Eisenach und Langensalza zusammenzukommen, und im Nothfalle selbst eine Schlacht zu liefern. Vorher jedoch ordneten sie Buss- und Bettage durch das ganze Land hin an, nackten Fusses gingen sie in die Kirchen, und in Sack und Asche baten sie demüthig ihren Schöpfer, das drohende Unheil, welches furchtbare Zeichen ankündigten, von ihren Häuptern abzuwehren.

Am 8. Juni traf das Heer des Königs in Herren-Breitungen ein, so zahlreich und so glänzend, wie man sich keines anderen erinnerte. Besonders strahlten die Böhmen unter ihrem tapfern Herzog Wratislaus hervor, der rühmend meinte, den Krieg allein mit seinem Heer beendigen zu können. -- Auch die Sachsen hatten sich bei Lupniz gesammelt, an Zahl und Glanz dem Heer des Königs mehr als gewachsen. Spione theilten dem König mit, es sei die Absicht der Feinde, Gesandte an ihn zu schicken, um möglicher Weise einen Frieden herzustellen; falls das aber erfolglos sei, so wären auch sie zum Kampfe entschlossen. Der König fürchtete, wohl im Andenken an die Gerstunger Verhandlungen von 1073, nicht sowohl die Schlacht, als den Wankelmuth seiner Fürsten, und brach daher ohne weiteres gegen die Feinde auf. Sein Heer war voll guten Muthes, verächtlich sprach man von den Bauernbanden der Feinde. Unter den Fürsten wirkte besonders Rudolf von Schwaben sehr eifrig im Interesse des Königs, um den auf ihm lastenden Verdacht der Felonie zu entkräften. -- Am ersten Tage d. h. noch am 8. Juni, rückte der König bis Oberellen vor, am 2. gelangte er gegen Mittag ganz in die Nähe des feindlichen


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Lagers, ohne dass er selbst oder die Gegner es wussten. 1) Den Führer der Sachsen, und das war auch hier Otto von Nordheim, trifft hier der Vorwurf der unbegreiflichsten Sorglogigkeit; als ob der König noch weit entfernt wäre, sitzt man ruhig und ungestört im Lager, bis sich plötzlich die Nachrichten, der König rücke heran, dann, er sei schon ganz in der Nähe, überstürzen und nun eine allgemeine Verwirrung hervorrufen. Die nothwendigsten Vorkehrungen, Anordnung des Heeres, Schutz des Lagers u. s. w. konnten nicht mehr getroffen werden, halb bewaffnet stürzen sich die Sachsen den Truppen des Königs entgegen. Dieser war nämlich auf die Nachricht von der Nähe des Feindes, die er vom Herzog Rudolf erhielt, eiligst vorgerückt, und überraschte die Sachsen vollkommen. Mit Mühe gelang es Otto endlich, wenigstens einigermassen Ordnung herzustellen, er liess seine Truppen einen Keil bilden und warf sich dann den Schwaben und Baiern, die nach alter Sitte an der Spitze des königlichen Heeres einher zogen, 2) entgegen. Speer und Lanze zertrümmerten beim ersten Anprall, dann griff man zu den Schwertern, einer Waffe, die der Sachse ausgezeichnet zu handhaben verstand. Furchtbar wogte bald der Kampf hin und her, dort sank der Markgraf Ernst von Bayern tödtlich getroffen vom Pferde, dort besiegelten zwei Söhne des Grafen Eberhard von Nellenburg die ererbte Treue gegen ihren König durch ehrenvollen Tod; heldenmüthig kämpfte Rudolf von Schwaben, nur der Vortrefflichkeit seiner Rüstung dankte er sein Leben, als der Schwertstreich eines Sachsen sein Haupt bedrohte. Auf Seiten der Sachsen strahlte allen voran der Held Otto von Nordheim, der durch Tapferkeit gut zu machen suchte, was seine Sorglosigkeit verschuldet hatte; wo das Handgemenge am dichtesten war, dorthin wandte er sein Ross, und erschreckt
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1) Die gegenseitige Unklarheit der beiden Heere über Stand und Lage des Gegners ist ausserordentlich auffällig.
2) Berthold ad an. 1075 ut se lex habet alemannica. -- Nach dem Carmen d. b. S. III war die Schlachtordnung folgende: 1. Schwaben, 2. Baiern, 3. Böhmen, 4. Franken, an ihrer Spitze der König, 5. Niederlothringer, 6. Oberlothringer, 7. Westfalen und Friesen.


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wichen die Königlichen vor den todtbringenden Streichen seines Schwertes zurück; bald rief seine mächtige Stimme in den hinteren Reihen die Zaghaften zur Tapferkeit anf, „die Freiheit der Väter gelte es zu vertheidigen,“ „Sieg oder Tod allein dürfe die Losung sein.“ S verrichtete er zu gleicher Zeit die Pflicht des tapfersten Kriegers und des vortrefflichsten Feldherrn. Lange wogte der Kampf unentschieden her und hin, dann begannen die tapfern Schwaben und Baiern zu wanken, schon kündeten Boten dem König an, wie verzweifelt seine Lage sei; allein die Entscheidung sollte doch anders kommen. Als die Gefahr für die königlichen Truppen im Vordertreffen ihren Höhepunkt erreicht hatte, brach plötzlich von einer Seite Graf Hermann von Glisberg mit seinen Vassallen, von der anderen die Vassallen und Ministerialen von Bamberg auf die Sachsen ein, dann griffen auch der Herzog von Böhmen und der tapfere Gozelo von Lothringen mit ihren noch frischen Truppen in den Kampf ein. 1) Dieser Uebermacht vermochten die Sachsen nicht zu widerstehen, wirkungslos verhallte die Stimme des tapferen Nordheimers, in wilde Flucht lösten sich die Reihen auf. 2) --- Es begann nun die Verfolgung und ein entsetzliches Gemetzel unter den sächsischen Bauern, von denen eine sehr grosse Zahl umkam; von dem sächsischen Adel dagegen waren nur zwei gefallen. -- Unter freudigem Zuruf der Menge kehrte der König am Abend des Schlachttages ins Lager zurück, seines glänzenden Sieges froh; das sächsische Lager fiel mit seinen reichen Schätzen in die Hände der königlichen Truppen, die es dann auch gründlich ausplünderten. 3) Am Tage nach der Schlacht wurden die Todten
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1) Man begreift nicht, warum diese Abtheilungen so lange warteten; vielleicht gestattete das Terrain eine gleichzeitige Entfaltung des gewaltigen königlichen Heeres nicht. Es scheint, als ob diese Legionen Schwenkungen gemacht hätten und den Sachsen in die Flanke gefallen wären.
2) Nach dem Carmen III. hätte der König selbst die Schlacht entschieden, allein davon berichten die anderen Quellen nichts, allerdings sind sie fast sämmtlich antiköniglich gesinnt und werfen dem König stets die elendeste Feigheit vor.
3) Besonders roh sind die Böhmen, cfr. Carmen III, 205. Ihnen wird auch sonst dieser Vorwurf gemacht.


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bestattet, und die Verwundeten der Pflege übergeben; auf Seiten des Königs waren viele Edle geblieben, ihre Leichen sandte man in die Heimath. Noch auf dem Schlachtfelde erklärte der Erzbischof Siegfried von Mainz die Fürsten Thüringens in den Bann, weil sie auf der Synode zu Erfurt mit dem Schwerte sein Leben bedroht hätten. 1) -- Der König gönnte seinen erschöpften Truppen noch einige Tage Ruhe, und rückte dann gegen das sächsische Land vor, die ganze Strenge des Gesetzes gegen die Friedensbrecher walten zu lassen. Brennend und sengend durchzog er die reichen Gefilde, und nichts verschonte seine Rache. --

Die Fürsten des geschlagenen Heeres hatten sich unter Otto's Führung inzwischen bis nach Magdeburg zurückgezogen, und sich dort in einem festen Lager verschanzt, noch fest entschlossen, den Widerstand gegen den König nicht aufzugeben. 2) Gross wird ihre Zahl allerdings nicht gewesen sein, einige vom sächsischen Adel hielten es schon damals für richtiger und vortheilhafter, sich dem König zu ergeben, der sehr glimpflich mit ihnen umging. -- Nachdem der König einen Theil des sächsischen Gebietes verheert hatte, entliess er endlich von Goslar aus die einzelnen Heeresabtheilungen in ihre Heimath, da er an Lebensmitteln Mangel litt. Man verabredete, sich am 22. Oktober mit noch grössern Contingenten in Gerstungen von neuem einzufinden,
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1) Giesebrecht a. a. O. p. 316 meint, der König habe durch diese Erklärung Siegfried's dem Kampf einen religiösen Charakter leihen wollen. Delbrück a. a. O. p. 48 erklärt sich dagegen.
2) Berthold ad an. 1075. Otto autem quondam dux et Magnus dux et caeteri majores Saxonum adhuc in perduellione eadem et ratione qua prius demum post fugam rebelles et pugnaces pertinaciter duraverunt. Bald nach der Schlacht schreibt Erzbischof Siegfried an Gregor u. a.: Et tamen adhuc – Saxones – in eadem obstinatione perdurant etiam victi; et iterum perfidum caput levant ac, totius regni gladios contra se acuentes, iterum recidua bella parant. Unde timemus, quod pro peccato populi de vagina sua eductus sit gladius Domini; et nisi per vestram aliorumque sanctorum propicietur intercessionem, forsitan deseviet usque ad internicionem. Saluto namque pacis vinculo et rupto disciplinae freno gens insurgit contra gentem; de terminis regni hostilis gladius exterminavit concordiam et pacem; et ita obmutescentibus evangelii tubis, nec praeco elamoris vocem nec populus habet audiendi aurem . . . cfr. Jaffé V p. 47.


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um dann den Krieg zu beendigen. Der König verliess hierauf ebenfalls Sachsen und begab sich mit seinen getreuen Franken nach Worms. -- Bald begannen in Sachsen die Zusammenkünfte des Volkes von neuem; natürlich hatte sich bei dem Volke nach der entscheidenden Niederlage eine tiefe Muthlosigkeit eingestellt, es überhäufte die Fürsten mit Vorwürfen, es drohte sogar Gewalt gegen sie, denen man alles Unglück zuschrieb, zu gebrauchen; nur mit Mühe gelang es noch einmal dem mächtigen Worte des populären Helden Otto und dem geistlichen Zuspruch des Bischofs Burkard von Halberstadt, die aufgeregte Masse zu beruhigen, allerdings konnte man unter diesen Umständen an eine Fortsetzung des Krieges schwerlich denken. Bruno hat uns verschiedene Briefe aus jener Zeit überliefert, die uns ein Bild der damaligen Stimmung in Sachsen gehen; sie war höchst kläglich, man kam auf ganz verzweifelte Gedanken, von denen allerdings keiner ausgeführt wurde; nur die Forderung des Königs, sich auf Gnade und Ungnade zu ergeben, weigerten sich die sächsischen Fürsten nach wie vor zu erfüllen, wohl wollten sie sich einem Fürstengericht stellen und sich dessen Urtheil unterwerfen, aber sich nicht mit Leib und Gut in die Willkür des gefürchteten Königs begeben. --

Am 22. Oktober versammelte sich der Abrede gemäss das Reichsheer von neuem, zwar nicht so stark wie das erste Mal, denn die mächtigen Herzöge Rudolf, Berthold und Welf und viele anderen Fürsten hatten dem König die Heeresfolge verweigert, 1) aber es war doch zahlreich genug, die Expedition gegen die Sachsen mit Erfolg zu unternehmen. -- Nicht sehr entfernt von Gerstungen hatten sich auch die Sachsen eingefunden, bei Nordhausen stand ihr zahlreiches Heer. --

Wie im Jahre 1074 der Bischof Embricho von Augsburg eine vermittelnde Stellung zwischen dem König und seinen Gegnern eingenommen hatte, so hatte er auch hier schon vor dem 22. Oktober Schritte eingeleitet, die eine friedliche Verständigung
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1) Dass Rudolf und Berthold für ihre Theilnahme an der Schlacht bei Homburg Kirchenbusse gethan hätten, wie Bruno cap. 54 mittheilt, scheint nur übertriebenes Gerücht zu sein.


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herbeiführen sollten. Wir haben einen Brief 1) von ihm an Bischof Burkard von Halberstadt, worin er diesem mittheilt, dass er an der neuen Unternehmung des Königs gegen Sachsen Theil nehmen werde, um eine Aussöhnung zu Stande zu bringen. In dem Briefe schlägt er seinem Collegen einige Fürsten vor, denen die Sachsen ihre Sache vertrauen sollten: die Erzbischöfe von Mainz und Salzburg, den Bischof von Passau, den Herzog Berthold von Kärnthen und sich selbst. Burkard ging auf diesen Vorschlag ein, denn als Friedensvermittler treffen wir bald Siegfried von Mainz, Gebhard von Salzburg, Embricho von Augsburg und an Stelle der beiden anderen Adalbero von Worms und Herzog Gozelo von Lothringen; diese, sagt Lambert, hatten die Sachsen namentlich vom König gefordert, weil ihre Treue am meisten erprobt war. 2) -- Der Inhalt der Verhandlungen, die diese fünf Unterhändler des Königs mit den Sachsen pflegen, ist nach Lambert folgender: der König verlangt die Unterwerfung ohne Bedingung, darauf wollen jedoch die Sachsen zunächst nicht eingehen, da sie aber andrerseits wegen der Stärke des Königs an eine erfolreiche Schlacht nicht denken können, so erfüllen die Fürsten den Wunsch des friedliebenden Volkes und versprechen die dedicio. Der König sowie seine Fürsten schwören, die Uebergabe solle nur eine Form sein und die Folgen derselben sofort aufgehoben werden, so dass den übergebenen Leuten keinerlei Schaden daraus entspringe; so wird man einig. --

Nach Bruno, 3) dessen Bericht hier sehr verständig ist, versprechen die Fürsten des Königs auf ihr Wort, dass die
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1) Sudendorf Reg. II Nr. 16. Giesebrecht scheint diesen Brief gar nicht zu kennen, seine Darstellung schliesst sich ganz eng der des hersfelder Chronisten an. Dadurch wird sie vielfach unrichtig, denn Lambert berichtet wahres und falsches neben einander.
2) Hos quinque nominatim ad colloquium suum Saxones expetierant, quod hos constantissimae fidei et veritatis esse compererant, et quicquid hi spopondissent ratum fore haud dubio credebant. -- Die Motivirung bei Lambert ist tendenziös wie diese ganze Darstellung. cfr. Delbrück a. a. O. p. 42, der sich allerdings auch hier wiederum von seiner vorgefassten Meinung zu sehr hinreissen lässt.
3) Bruno cap. 54.


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sächsischen Fürsten, falls sie dem König auf Gnade und Ungnade ergeben wollten, und Sachsen ruhig bliebe, weder in langer noch in harter Gefangenschaft ihre Strafe verbüssen sollten. Nach einem späteren Gerüchte soll Heinrich seinen Fürsten geschworen haben, er werde die übergebenen Leute schon anfangs November wieder in seine gratia aufnehmen.

Nach Berthold 1) hat der König heimlich geschworen, wenn die Sachsen öffentlich die dedicio vollziehen wollten, so gewähre er exoptata vitae securitas, pacis fideique non fictae foedus inviolabile, justitiarum legumque paternarum suarum plenaria libertas.

Das Carmen 2) endlich stellt den Hergang noch anders dar:
Ergo propinquantis dicto cum milite regis
Castra petunt humiles Saxonum quique valentes,
Iam diffidentes armisque dolisque fugaeque.
Armis exuti, demissi colla superba
Nudatique pedes, cuncti cum supplice voto
Regi se dedunt omni sine conditione.

Soviel scheint festzustehen, dass der König von seiner Forderung der unbedingten Unterwerfung nicht abgegangen ist, dass er aber andererseits durch seine Fürsten den Gegnern gewisse Vergünstigungen in Aussicht gestellt hat, 3) so vielleicht die, ihr Leben zu schonen. 4) Hätte der König den Sachsen alles zugestanden, was Lambert angiebt, so erscheint der Grund, warum diese nicht sofort annehmen, nämlich das Misstrauen in die fides des Königs, doch schwach, und es ist sicher eine abgeschmackte Entstellung, dem König nachher Treubrüchigkeit vorzuwerfen. Lambert denkt sich hier, wie so oft, den König viel zu schwach und die anderen Fürsten viel zu liebenswürdig gegen
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1) Berthold ad an. 1075.
2) Carmen II, 287.
3) Von dem Schwur des Königs, von dem jene obenerwähnten Quellen fabeln, ist natürlich keine Rede. Es zeigt sich uns hier ein vortreffliches Beispiel, wie oft und mit wie verschiedenen Variationen und Klatschereien als historische Wahrheiten in diesen Quellen stehen.
4) Meyer a. a. O. p. 42 meint, die königlichen Gesandten hätten mit den grossen Versprechungen, die sie nach Lambert machen, ihre Befugnisse überschritten. Ich glaube nicht an die Versprechungen.


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die Sachsen; Heinrich war stark und seine Fürsten allerdings zum Frieden geneigt, jedoch nur, wenn unbedingte Unterwerfung erfolgte. 1)

Am Tage, nachdem sich die Sachsen zur Unterwerfung entschlossen hatten, am 27. Oktober 2) stellte Heinrich sein Heer in der Ebene bei Spier auf. Da kamen in langem Zuge zum Schauspiel der Anwesenden die sächsischen und thüringischen Edlen heran, und übergaben sich demüthig dem Willen des siegreichen Königs, unter ihnen Wezel von Magdeburg, Bischof Burkard von Halberstadt, dann Otto von Nordheim, Herzog Magnus von Sachsen, sein Oheim Graf Hermann, der Pfalzgraf Friedrich u. a. Der König empfing sie und gab sie verschiedenen Fürsten zur Bewachung. In wessen Haft Otto von Nordheim zunächst gerieth, erfahren wir nicht, später finden wir ihn bei Bischof Robert von Bamberg. 3)

Ob dieser Friede von Spier wiederum Otto's Werk war, wie eine Stelle bei Lambert anzudeuten scheint, dürfte schwer zu entscheiden sein. Lambeit 4) lässt später einmal in Bezug auf diesen Frieden sächsische Gesandte zu Otto sagen: Consilium potius perquirat ad ereptionem principum, -- Saxonum -- quibus ipse, ut se dederent, vehementissimus auctor fuerit; jam dudum opinionem indubiam multorum mentibus insedisse, quod idcirco
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1) So lässt Lambert selbst bei Gelegenheit die Fürsten sagen: Consensisse tamen in hoc omnes regni principes, de usurpato in republica novo hoc et multis retro seculis inaudito facinore non aliter regni vel reipublicae posse satisfieri quam, ut se absque ulla exceptione dedant.
2) Nach Lambert nicht der 26. Oktober, wie Giesebrecht sagt. Am 22. Okt. kam das Heer des Königs in Gerstungen zusammen, dann werden Verhandlungen angeknüpft, die sich zerschlagen; nun wartet man 3 Tage, dann erst beginnen neue Verhandlungen, also frühestens am 25. Okt. Die Unterhändler Heinrich's verabschieden sich schliesslich von den Sachsen mit dem Versprechen, ihnen postera die Antwort vom König zu bringen; diese Antwort kommt dann am 26., an demselben Tage erklären sich die Sachsen zur dedicio bereit, die dann am folgenden Tage, also am 27. Oktober erfolgt. -- Ob dieses Datum, auf das schliesslich nichts ankommt, richtig ist, lässt sich mit Recht bezweifeln, da Lambert's Darstellung ja nicht richtig ist.
3) Dieser wurde erst am 30. November Bischof von Bamberg
4) Lambert ad an. 1076. Meyer a. a. O. p. 42. Der Letztere hat auf diese Stelle zuerst aufmerksam gemacht.


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dedicionem ceteris tantopere suaserit, ut eorum sanguine regis sibi animum deplacaret, et communi exitio suam ipse salutem mercaretur . . . . .

Otto dachte nach der Schlacht bei Homburg noch zunächst nicht an eine Unterwerfung unter den König, dann aber gelang es ihm nicht mehr wie früher, die Massen zum Kampfe zu entflammen, die Aussicht schwand, den Krieg mit Erfolg fortzusetzen; dem König andrerseits musste an einer schnellen Beruhigung Sachsens sehr viel liegen, weil er dadurch freie Hand gegen Rudolf und Genossen, wie auch besonders gegen den Papst, bei dessen Ansprüchen auf die Dauer ein Friede unmöglich war, bekam. Es ist daher nicht unmöglich, dass der König Otto durch Privatabmachungen gewann, und dieser seinen ganzen Einfluss für Heinrich geltend machte.


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V. Otto von Nordheim als Statthalter des Königs in Sachsen und sein Abfall von Heinrich.

Durch die Besiegung der Sachsen hatte Heinrich festen Boden unter die Füsse bekommen, und er konnte nun daran denken, den fortwährenden Anmassungen Rom's, die er bisher theils ertragen, theils durch ausserordentlich geschickte diplomatische Verhandlungen umgangen hatte, entgegenzutreten. Es war zu Anfang des Jahres 1076, als zu Goslar päpstliche Gesandte beim König erschienen, die ihm von neuem den Umgang mit seinen excommunicirten Räthen untersagten, von neuem das Verbot gegen Simonie einschärften, und ihn sogar mit dem Banne zu bedrohen wagten. Es ist sehr geschickt von Gregor, sich zunächst stets gegen des Königs Räthe zu wenden, er wusste wohl, dass er mit dieser Forderung die Sympathien der Reichsfürsten ganz auf seiner Seite hatte. Den König erbitterten die neuen Forderungen des Papstes aufs äusserste, er hatte einen so hohen Begriff von seiner Stellung, eine so starre Auffassung von den unveräusserlichen Rechten seiner Krone, wie selten ein Herrscher gehabt hat, und sein Entschluss, dem Papst energisch entgegenzutreten, war daher bald gefasst.

Bald nach der Unterwerfung der Sachsen hatte Heinrich seine alte Politik wieder aufgenommen, aus den Trümmern erstanden von neuem die Burgen, wiederum bevorzugte der


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König seine Ministerialen, wiederum ging er rücksichtslos mit dem Volke um; er konnte sich keinen Augenblick verhehlen, dass mit der geringsten Bedrängniss und Niederlage seinerseits in Sachsen das Zeichen zu neuem Aufstande gegeben sein würde, falls er nicht noch Vorkehrungen traf, dieses Land sich trotzdem zu erhalten. Heinrich griff nun zu einem Mittel, das äusserst gefährlich war, aber, im Falle es sich bewährte, auch entscheidende Folgen gehabt haben würde. -- Es war noch um Weihnachten 1075, als der damals in Goslar weilende König Otto von Nordheim zu sich kommen liess, und nach Stellung zweier Söhne als Geiseln ihn aus der Haft erlöste: nec solum in gratiam, so erzählt Lambert, sed in tantam quoque familiaritatem receptus est a rege, ut omnia deinceps consilia tam de privata quam de republica ceteris auriculariis familiarius cum eo communicaret. Bruno 1) erzählt dasselbe Ereigniss: Ille -- Otto -- sient erat vir in omnibus prudens ad consilia regis frequenter accessit et sapientia sua brevi tempore promeruit, ut quidquid ad honorem regis pertineret, ejus consilio maxime rex ipse disponeret. Denique quem nuper habebat hostem saevissimum, eum nunc coepit habere consiliatorem fidelissimum. -- Wenn wir schon früher sahen, dass Otto sich der Seite zuneigte, wo
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1) Cap. 57. Er berichtet, Heinrich habe Otto ermorden lassen wollen und ihn deshalb ohne Wissen des Bischofs Robert von Bamberg, in dessen Haft Otto war, nach Goslar holen lassen. Den Boten habe er aufgetragen, sie sollten bei Tage ruhen und des Nachts reisen. Als Otto nun so von vier bewaffneten Leuten begleitet um Mitternacht nach Goslar kam, und die Begleiter ihn in einen Wald bringen wollten, da erkannte er erst, dass er im Walde seinen Tod finden sollte. Daher bat er jene um die Erlaubniss, in der Kirche beten zu dürfen; als man ihm dies verweigerte, entriss er einem der Begleiter das Schwert und stürzte so mit nacktem Schwerte an das Bett des Bischofs Robert, der in Goslar war. Diesem theilte er unter vielem Lärm mit, was man mit ihm heabsichtige, und bat ihn um seine Hilfe. Als das Gerücht dieser Vorgänge sich in der Stadt verbreitete, änderte der König seine Absicht, er beschloss, Otto nicht mehr zu tödten, sondern liess ihn vielmehr ganz frei. --

Dies Geschichtchen beweist, wie ganz unverhofft den Sachsen die Aenderung in Otto's Stellung zum König kam; um eine Erklärung zu finden, erfand man diese Mordgeschichte.

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ihm der grösste Vortheil winkte, so tritt dieser Zug seines Charakters hier noch einmal sehr deutlich hervor, und es ist bezeichnend, wenn Lambert jener oben angeführten Stelle noch hinzufügt: Ceterorum, qui se dederant, nec mentio habita est. Otto sollte in dem zukünftigen Kampfe mit Gregor dem König Sachsen sichern. Es muss auffallen, dass wir von Gregor nicht einen einzigen Brief an Otto von Nordheim kennen, und dass also wahrscheinlich zwischen ihnen keine Correspondenz stattgefunden hat, während wir Briefe an die Herzöge Rudolf, Welf, Gozelo, Berthold und Wratislaus haben. Der Papst konnte sich über die gewaltige Stellung, die Otto trotz des Verlustes seines Herzogthums in Deutschland einnahm, gewiss nicht einen Augenblick im Unklaren sein, auch dürfen wir sogar eine persönliche Bekanntschaft 1) beider Männer annehmen, um so mehr ist bemerkenswerth, dass eine Verbindung zwischen ihnen anscheinend nicht existirt hat.

Es ist möglich, dass Otto dem König noch um so geeigneter für seine Zwecke erschien, je weniger ihn Scrupel ergriffen, wenn Heinrich den Kampf mit Gregor bis zum äussersten führte. -- Vielleicht waren schon, wie wir vorher erwähnten, bei dem Frieden von Speier Privatunterhandlungen zwischen dem König und Otto entscheidend gewesen, und die kurze Haft über den letzteren nur verhängt, um seine selbstsüchtige Politik zu bemänteln, weil die Popularität des Mannes dem König ebenso viel werth sein mochte, wie der Mann selbst.

Sicher war Otto in alle Pläne des Königs eingeweiht und nicht unbetheiligt, als dieser nach Worms eilte, und dort am 24. Januar 1076 die Absetzung des Papstes dekretirte. Die Antwort liess nicht lange auf sich warten, schon am 22. Februar schleuderte Gregor den Bannstrahl gegen das Haupt des Königs. Dieser war von Worms sofort nach Sachsen zurückgekehrt und war hier eifrig bemüht, das Land zu befestigen, das er zum Bollwerk seiner Macht ausersehen hatte. Otto von Nordheim unterstützte ihn überall, und als Heinrich anfangs März das
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1) Otto war noch 1068 in Rom gewesen, als Gregor schon die Politik der Curie mehr oder weniger leitete. cfr. Ann. Altahenses ad an. 1068.


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Land wieder verliess, blieb Otto als Stellvertreter, als Vicekönig von Sachsen zurück. Otto, sagt Lambert, in castello Hartesburg residebat. Huic rex per totam Saxoniam vices suas et publicarum rerum procurationem delegaverat; dato insuper negocio, ut castellum Hartesburg et aliud in monte, qui dicitur Lapideus, qui proximus Goslariae imminet, summa ope exstrueret. --

Der Bann des Papstes begann bald seine Wirkung zu üben, alle gläubigen Gemüther flohen die Nähe des Ausgestossenen, um nicht ebenfalls der Exkommunikation zu verfallen, und so ihres Seelenheils verlustig zu gehen. Von den Herzögen war am 29. Februar Gozelo, die Zierde Lothringens, 1) ermordet worden, ein unersetzlicher Verlust für den König, der in dem treuen Manne stets eine Stütze seines Thrones gefunden hatte. Die süddeutschen Herzöge hatten, wie es scheint, nur auf eine günstige Gelegenheit gewartet, um dem König von neuem ihren Treueid zu brechen. Auf die Kunde des Bannes fingen sie im Verein mit einigen Bischöfen an, gegen den König zu konspiriren; ohne Wissen ihres Herrn entliessen sie sächsische Fürsten, die ihrer Haft anvertraut waren. Dann brach auch in Sachsen das Unglück gegen den König los, der Aufstand erhob von neuem sein Haupt, nur drohender und mächtiger als früher. Bald wälzte er sich lawinenartig gegen die Harzburg, wo Otto residirte. Auf ihn kam in diesem Augenblicke Alles an, von den weltlichen Grossen war er fast der einzige, der noch auf Seiten Heinrich's stand, und es ist nicht unwahrscheinlich, dass er in der That im Stande war, den Aufstand niederzudrücken, oder ihn doch mit dem König zu versöhnen. Er musste sich in diesem Augenblick seiner Stellung sehr wohl bewusst sein, er musste erkennen, dass der König mit seinem Abfall verloren war, andrerseits konnte ihm nicht verborgen bleiben, dass Heinrich's Lage immerhin eine schwierige war.

Die aufständischen Sachsen schickten Gesandte an ihn und forderten ihn auf, an der Bewegung Theil zu nehmen, und nicht treulos sein Vaterland zu verrathen, kehre er nicht zu
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1) Annales St. Jacobi Leodiensis ad an. 1076: Gozelo, decus Galliae. M. G. S.S. XVI p. 639.


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ihnen um, so werde man ihn und die Seinen als Feinde und Verräther behandeln u. s. w. 1) Otto soll zur Ruhe gemahnt haben, er versprach eine Gesandtschaft an den König zu schicken, welche jenen bitten sollte, die noch in Haft befindlichen sächsischen Fürsten frei zu geben, die Castelle niederreissen zu lassen, und den Sachsen ihre Freiheit, Gesetz und Rechte der Vorfahren zu garantiren, sonst, so sollten die Gesandten drohend hinzufügen, werde er selbst des Königs Sache verlassen, und zu der seines angestammten Volkes zurückkehren. Wie er es meinte, zeigte sich sofort, indem er zugleich mit der Abschickung seiner Gesandten die Besatzung aus der Harzburg und dem Steinberg zog, und mit ihnen in das Lager der Rebellen übertrat. Inzwischen waren alle Versuche des Königs, eine Aenderung in seiner bedrängten Lage hervorzubringen, gescheitert, mehr und mehr zog man sich von ihm zurück, nur die Erzbischöfe Siegfried von Mainz und Hildolf von Köln standen noch auf seiner Seite. -- Da gelang es auch dem Bischof Burkard von Halberstadt, vielleicht nicht ohne Otto's Beistand, 2) auf seinem Transport nach Ungarn zu entfliehen, und nun konnte Heinrich auf Ruhe in Sachsen gar nicht mehr rechnen, denn Burkard war sein unversöhnlichster Feind, und gewiss nicht milder gestimmt worden durch die strenge und harte Behandlung, die
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1) Bruno erzählt von diesen Vorgängen nichts, trotzdem er sich sonst, gerade über Otto sehr gut unterrichtet zeigt; es scheint, als verschweige er diesen dunklen Punkt in Otto's Leben absichtlich
2) Die Annales Palidenses M. G. S.S. XVI p. 70 erzählen z. J. 1068: Ipse -- Heinricus rex -- Bucconem Halberstadensem episcopum in urbe Harcesburch custodie mancipavit, extorquens ab eo duas meliores munitiones. Ille autem utpote vir consilii asserens se inde acturum cum duce Ottone, avo scilicet imperatrici Richenzen, vocato eo cum paucis non sine cautela extra urbem dimissus est. Mandato itaque regis coram peracto cum de castellis representandis fidem adstruerent, dux episcopum mann adprehensum sibi adtraxit, et quingentis militibus sub monte latentibus signo evocatis, custodes, qui cum ipso erant, exterruit atque ipsum libertati restituit.-- Es scheint dies eins jener Gerüchte zu sein, die sich an Otto und Burkard, die bedeutendsten Führer der Sachsen, damals in Fülle angeknüpft haben. Der Kern der Mittheilung scheint die Gefangenschaft und glückliche Flucht Burkard's zu sein, womit möglicher Weise die Gefangenschaft des Herzogs Magnus vermischt ist.


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der König ihm zugedacht hatte. 1) Als Heinrich die Nachricht von der Flucht des Bischofs erhielt, versuchte er einen anderen Weg, Sachsen zu beruhigen. Was er bisher zu verhindern bemüht gewesen war, führte er jetzt selbst aus, er liess die noch gefangenen sächsischen Fürsten zu sich bringen, und schenkte ihnen nach einem wohl berechneten Gnadenakt die Freiheit, so dem Erzbischof von Magdeburg, den Bischöfen von Merseburg und Meissen, dem Herzog Magnus, dem Pfalzgrafen Friedrich u. a.; mit grossen Versprechungen wurden sie sämmtlich in die Heimath entlassen, nachdem sie ihm vorher eidlich Treue und Unterstützung gelobt hatten.

Auf die oben erwähnte Gesandtschaft Otto's hatte Heinrich einen Tag zur Unterredung in Saalfeld bestimmt; als Otto dorthin kam, fand er an Stelle des Königs den Bischof Ebbo von Zeitz vor, der ihm den Befehl brachte, möglichst viel Truppen zusammenzuziehen, und mit dem König in der Mark Meissen zusammen zu treffen; von dort wollte Heinrich einen gemeinsamen Angriff gegen die aufständischen Sachsen machen, deren Zahl er offenbar unterschätzte; denselben Befehl wie Otto erhielten auch die anderen sächsischen Fürsten, die der König vor kurzem entlassen hatte. Allein Heinrich hatte sich getäuscht, Otto sagte sich hier in Saalfeld öffentlich von ihm los, und trat definitiv zu den Sachsen über. Alle beschönigenden Phrasen Lamberts sind nicht im Stande, den Vorwurf des hässlichsten Verrathes zu entkräften, der hier auf Otto lastet. Dem Beispiele des Nordheimers folgten die anderen Fürsten, die ohnehin die versprochene Hilfe nicht leisten konnten, da ihre Vasallen sich weigerten, dem König gegen die aufständischen Stammesgenossen Heerespflicht zu leisten. Von Sachsen hatte der König in Zukunft nichts mehr zu erwarten. Offenbar war er darauf nicht gefasst gewesen, denn bald nach den Saalfelder Vorgängen finden wir ihn in der That in Verbindung mit den Böhmen in der Mark Meissen, um von hier, vereinigt mit Otto und den
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1) Ueber „Burchard II. von Halberstadt, der Führer der Sachsen in den Kriegen gegen Heinrich IV.“ handelt eine Monographie von Dr. Otto Wackermann im Progr. der höheren Bürgerschule zu Biedenkopf von 1878, die wenig bietet.


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anderen sächsischen Fürsten, die Rebellen niederzuschlagen. Bis an die Mulde, die damals durch Regengüsse hoch angeschwollen war, drang er vor, als plötzlich die Nachricht kam, dass die Söhne des Markgrafen Gero, die Urheber des neuen Aufstandes, mit 7000 leichten Reitern eiligst heranzögen, um ihn zu überfallen. In Folge dessen kehrte der König schleunigst um, und nur dem hohen Wasser der Mulde dankte er seine Rettung. -- Während dieser Vorgänge im Herbst 1076 1) hielten die süddeutschen Verschworenen eine Versammlung in Ulm ab, und beschlossen, einen allgemeinen Fürstentag in Tribur 2) zu veranstalten, um dort einen neuen König zu wählen; als Tag wurde der 16. Oktober festgesetzt. Boten gingen an alle Fürsten des Reiches ab, sie von den Vorgängen in Ulm in Kenntniss zu setzen, und sie nach Tribur einzuladen. Auf die Nachricht davon fiel unter anderen der schwache, charakterlose Erzbischof Siegfried von Mainz vom König ab und suchte, wie Lambert sagt, durch doppelte Feindschaft gegen den König den schlechten Eindruck seiner früheren Freundschaft zu verwischen. Inzwischen entkamen auch noch die Geiseln, die einige der sächsischen Fürsten früher dem König gestellt hatten, in ihre Heimath, zwei Söhne Otto's von Nordheim unter ihnen, den einen hatte Heinrich selbst dem treulosen Vater zugesandt, den andern liess der Wächter ohne Wissen seines Herrn entschlüpfen.
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1) Bernold: Apologia pro Gebehardo Constantiensi cap. 5. Giesebrecht p. 1136.
2) Dieser Ort war wohl nicht ohne Absicht ausgesucht worden. In der Ebene bei Tribur und Oppenheim, dem Platz Kamba, war auch Konrad II. gewählt. cfr. Bresslau: Jahrbücher des deutschen Reiches unter Konrad II. p. 17 und 18 Anm. I. Daselbst findet man auch das Terrain angegeben.


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VI. Stellung Otto's von Nordheim auf den Fürstentagen zu Tribur und Forchheim. 1)

Man hat über den Tag von Tribur sehr viel gestritten, ohne zu einer feststehenden Anschauung zu gelangen, bis schliesslich Giesebrecht in einer Stelle bei Arnulf von Mailand die Lösung der Frage gefunden zu haben glaubt. Seine Ansicht hat Beifall gefunden, und ist gerade in den neueren Arbeiten durchweg angenommen worden. Da wir uns mit Giesebrecht nicht einverstanden erklären können, und da ferner die Auffassung der Vorgänge in Tribur für die Kenntniss der Politik Otto's ausserordentlich wichtig ist, werde ich die ganze Frage noch einmal genau prüfen.

Die Stellung, welche Papst Gregor zu der Absicht der Fürsten, einen neuen König zu wählen, einnahm, ist aus einigen Briefen ersichtlich. Am 3. September 1076 2) schreibt er an die Deutschen: Man solle mit Heinrich milde verfahren, wenn er nur sein Unrecht einsehe, die bösen Räthe entlasse, und die
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1) Arnold Schäfer im v. Sybel Zs. VIII p. 141. --
O. Grund: Die Wahl Rudolfs v. Rheinfelden.
Goldschmidt: Die Tage von Tribur und Canossa. Strassb. 73.
Braun: In dem Programm des Gymnasiums zu Marburg von 1874 und 1875.
Die Arbeiten von Goldschmidt und Braun bieten wenig neues.
2) Jaffé II p. 245.


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Kirche als Herrin, nicht aber als Magd betrachte, endlich nicht Missbräuche vertheidige, die gegen die Freiheit der Kirche gerichtet seien -- er meint die Investitur --; weigere sich der König, so solle man einen anderen wählen, der das zu thun verspreche, was der Kirche und dem Reiche fromme. Darauf heisst es weiter Ut autem vestram electionem -- si valde oportet, ut fiat -- apostolica auctoritate firmemus, et novam ordinationem nostris temporibus corroboremus, sicut a sanctis nostris patribus factum esse cognoscimus: negocium, personam et mores ejus quantocius potestis nobis indicate. Nachdem er dann noch den der Kaiserin Agnes geleisteten Treueid unter allen Umständen für nicht bindend erklärt hat, fährt er fort: Hoc tamen videtur laudabile: postquam certum fuerit apud vos et ommnino firmatum, quod ejus – Agnetis -- filius a regno removeatur, consilium ab ea et a nobis requiratur de inventa persona ad regni gubernacula. Tunc aut nostro communi consilio assensum praebebit -- Agnes -- aut apostolicae sedis auctoritas omnia vincula, quae videntur justiciae contradicere, removebit.

In diesem Brief ist allerdings die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass Heinrich König bleiben kann, andrerseits aber sehr energisch auf eine Neuwahl hingewiesen. Gregor überlässt es völlig den deutschen Fürsten, zu verfahren, wie ihnen gut dünkt, nur stellt er seine unabweislichen Bedingungen; er verlangt, dass man ihm und der Kaiserin Agnes noch vor der Wahl die Person dessen mittheilen solle, den man in Aussicht genommen hat. -- Einen anderen Brief, der noch deutlicher seine Gesinnung zur Zeit der triburer Verhandlungen erkennen lässt, schrieb Gregor am 31. Oktober 1) nach Mailand. Ad tantum enim numerum, so heisst es daselbst, fideles romanae ecclesiae pervenerunt, ut nisi ad satisfactionem veniat rex, alium regem palam dicant eligere. Quibus nos favere servata justicia promisimus; promissumque firmum tenebimus. Auch hier zeigt sich der Papst einer Neuwahl keineswegs abgeneigt, nur will er die Gerechtigkeit gewahrt wissen, was wohl nichts anderes
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1) Jaffé II, 251.


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bedeutet, als je nachdem der alte oder der neuerwählte König - auf seine Forderungen eingehen will oder nicht, ihm die Anerkennung geben oder verweigern. -- Nach Tribur sandte Gregor als Legaten den Patriarch Sieghard von Aquileja und den Bischof Altmann von Passau, die beide dereinst in naher Beziehung zum salischen Königshause gestanden hatten. 1) Sie hatten den Auftrag, alle Exkommunicirten, die sich zur Busse bereit erklärten, mit Ausnahme des Königs selbst zu absolviren. Ausserdem erschienen in Tribur noch andere Abgegandte des Papstes aus Laienstande, die die Exkommunikation des Königs rechtfertigen, und die Zustimmung der Curie zu einer Neuwahl versprechen sollten. --

Aus allen diesen Angaben wird klar, dass sich Gregor noch völlige Freiheit in seinen Entschlüssen vorbehielt; er überliess es den Fürsten, die Entscheidung zu treffen, die er dann je nach Belieben anerkannte oder nicht.

Am festgesetzten Tage erschienen in Tribur zuerst die Schwaben und Baiern unter den Herzögen Rudolf und Welf, dann zogen auch die Sachsen unter Otto von Nordheim heran; ihnen rückten die Süddeutschen entgegen, und es kam erst jetzt bei der Begegnung zu der officiellen Aussöhnung zwischen den beiden Heeren, die sich noch vor kurzem bekriegt hatten: unter Thränen verzieh man sich alle Feindschaft und gelobte sich Frieden und Freundschaft. 2) Welf und Otto versprachen sich bei ihrem Wiedersehen, den alten Hader in Betreff des Herzogthums Baiern vorläufig ruhen zu lassen, bis der neugewählte
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1) Altmann von Passau war Caplan der Königin Agnes, Sieghard von Aquileja Kanzler des Königs gewesen; der letztere trat 1077 ganz auf Heinrich's Seite.
2) Ich sehe keinen Grund, diese Mittheilungen Bruno's zu verwerfen; man muss doch stets berücksichtigen, dass wir hier mit einer Zeit eines für uns oft geradezu komischen Ceremoniells zu thun haben. Die beiden Heere hatten sich nach der Homburger Schlacht noch nicht wiedergesehen, und es war daher die Aeusserlichkeit erforderlich.
O. Grund's a. a. O. p. 102 Einwendungen gegen die Darstellung Bruno's bedeuten sehr wenig, und ich unterlasse es, sie einzeln zu widerlegen d. h. seinen Vermuthungen die meinigen entgegenzustellen, denn über Vermuthungen kommt man eben hier nicht hinaus.


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König entscheide. Durch diese Privatabmachung zwischen den beiden Fürsten wurde die Möglichkeit einer friedlichen Verhandlung erst geschaffen.

Bei einer etwaigen Wahl konnten nur zwei Leute in Betracht kommen, Rudolf von Schwaben und Otto von Nordheim. Für die Wahl des Letzteren waren ohne Frage die Sachsen; unzweifelhaft hatten die letzten Vorgänge in Sachsen Otto's Ansehen nur noch gehoben, auf den ersten Ruf seines Volkes war er zu ihnen kommen, hatte er die Sache des Königs verlassen, und diesem damit den letzten und vielleicht sichersten Halt genommen. Rudolf andrerseits hatte sicher den Herzog Welf und die oberdeutschen Fürsten auf seiner Seite, deren Zahl und Macht übrigens nicht so bedeutend gewesen sein wird, da wir wissen, dass Heinrich gerade in Schwaben und Baiern viele Anhänger hatte. Für Rudolf mochten im Fall einer Wahl auch die Legaten wirken, denn Rudolf stand dem Papst ohne Frage näher, wie Otto von Nordheim.

Auf dem anderen Ufer des Rheines bei Oppenheim stand der König mit einer grossen Zahl seiner Getreuen 1) „adhortatu et suasu minax et animosus,“ wie ihn Berthold nennt. -- So erkennt man die Parteien 2) ganz deutlich zur Zeit, wo die Verhandlungen der Fürsten in Tribur beginnen. Es fragt sich nun, wie war es möglich, dass die Absicht der Fürsten, einen neuen König zu wählen, trotz sehr langer Verhandlungen nicht
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1) cum non mediocri suae confoederationis coetu Berthold 1076
2) O. Grund p. 59 nimmt in Tribur drei Parteien an: 1) Rudolf und seine Anhänger, dazu rechnet er die Mehrzahl der anwesenden sächsischen Fürsten. Diese waren entschlossen, auf alle Fälle eine Königswahl vorzunehmen. 2) Die Legaten, dazu Männer wie Gebhard von Salzburg und Adalbero von Würzburg; sie wollen, dass sich Heinrich völlig der römischen Autorität unterwirft, aber König bleibt. 3) Bischof Dietrich von Verdun, Huzmann von Speier, Konrad von Basel u. a. „Ihnen wird sich Otto von Nordheim eher angeschlossen haben als Rudolf's Partei, er, der schon im gerstunger Frieden gezeigt hatte, dass ihm die Erfüllung seiner und der Sachsen Sonderinteressen mehr als die Absetzung des Königs wog.“ Diese dritte Partei will vermitteln. -- Diese Auffassung und Zusammensetzung der Parteien ist meines Erachtens eine gründliche Verkennung der Verhältnisse und der Personen.


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zur Ausführung kam? Zur Beantwortung dieser Frage muss ich die überlieferten Berichte einzeln betrachten: 1)

Lambert erzählt: die Verhandlungen begannen damit, dass man das Leben des Königs von Jugend auf besprach, und danach einstimmig zu der Ansicht kam, Heinrich hinfort nicht mehr als König anzuerkennen, sondern einen anderen zu wählen. Inzwischen hatte Heinrich, der am anderen Ufer des Flusses Stand, Verbindungen mit seinen Gegnern anzuknüpfen gewusst, er schickte Gesandte zu ihnen, welche die Fürsten jedoch nach längeren Auseinandersetzungen abweisen. Den ersten Gesandten folgen andere, jedoch auch diese müssen stets ohne Erfolg umkehren. So sind sieben Tage hingegangen, da beschliesst man, einen König zu wählen, und mit Tagesanbruch den König Heinrich anzugreifen; auch Heinrich rüstet sich zum Kampf, und erwartet den Gegner zur Schlacht. Allein an Stelle eines feindlichen Heeres erscheinen am Morgen Gesandte der Sachsen und Schwaben im Lager des Königs, und bieten ihm unter einer Reihe theils sehr schwerer Bedingungen Frieden an, den der bedrängte König annimmt. -- Dies ist der Inhalt des Lambert'schen Berichtes. Man fragt vergeblich, was die Fürsten sieben Tage lang angefangen haben, man begreift nicht, warum sie sich dann plötzlich in Aufregung und Kampfes Wuth versetzen, und wie sich der Annalist endlich den wahrscheinlichen Verlauf, dass man sich des Abends zur Ruhe legte mit der Absicht, am nächsten Morgen einen König zu wählen, und dann proxima Iuce Heinrich anzugreifen, denkt, ist mir nicht ganz klar geworden. Wie eine Inspiration kommt den Sachsen und Schwaben, die man auf den ersten Blick für etwas anderes hält, als die vorher erwähnten principes Saxoniae et Sueviae, in der Nacht dor plötzliche Friedensgedanke. Gerade
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1) Auf Bonitho: Liber ad amicum VIII Jaffé II p. 670 nehme ich keine Rücksicht. Die Fragen „ob der Papst den König exkommuniciren könne, oder nicht, und ob der König gerecht exkommunicirt sei,“ die Bonitho die deutschen Fürsten behandeln lässt, haben an sich nichts auffallendes (cfr. Franklin a. a. O. p. 326 und 378), aber dass sie nur Bonitho mittheilt, muss uns stutzig machen. Mit ihrer Bejahung hat der Liber ad amicum einen seiner tendenziösen Zwecke erreicht.


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an der entscheidenden Stelle vermisst man den Deus ex machina, hier findet sich ein Vacuum. 1)

Auch Bruno 2) weiss von vielen erfolglosen Gesandtschaften des Königs, die Fürsten erklären jedoch, dieselben als Abgesandte eines Exkommunicirten gar nicht annehmen zu können. Dann heisst es plötzlich an derselben Stelle, wo uns Lambert verliess: Ut igitur stilus velociter currat, humilitatem poenitentis accepturos se promittunt ea conditione, si vellet implere cuncta, quae ei nostrates facienda proponunt. Es kann gar kein Zweifel sein, dass sich unter den Worten Ut igitur stilus velociter currat etwas verbirgt, was dem Verfasser unangenehm war und zu seiner übrigen Darstellung nicht passte, oder was er selbst nicht wusste. Bei dem bekannten Charakter des Bruno'schen Werkes ist die erste Annahme die wahrscheinlichere.

Wie bemerkt zieht Giesebrecht eine Nachricht Arnulfs von Mailand zur Erklärung der dunklen Vorgänge heran. Die betreffende Stelle lautet wörtlich: 3) Eodem tempore gens Teutonum illa barbarica praecipue duces Bertholdus, Rodulfus et Welfo cum comitibus et episcopis cognita excommunicatione Romana a regio prorsus se subtraxere consortio in nullo communicantes. Insuper in multis accusantes eum criminibus infamia denotabant. Interim consilio sanctissimi Cluniacensis abbatis, Agnetis quoque regiae matris nec non sapientissimae jam dictae Mathildae statuitur generale colloquium inter ipsos regem et apostolicum pacis ac justiciae causa. 4) Aus den drei genannten Personen Hugo, Agnes und Mathilde greift Giesebrecht eine, den Abt Hugo, heraus und meint unter Hinzuziehung einer Stelle bei Berthold ad an. 1077 Et ipse -- Hugo -- cum
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1) Giesebrecht a. a. O. p. 388 hält sich an Lambert, dem er wiederum alle Phrasen nachschreibt.
2) Bruno cap. 88.
3) SS. VIII p. 30.
4) In diesem Bericht findet sich die Fürstenversammlung in Tribur nicht einmal angedeutet. Irrthümlich schreibt Arnulf der Kaiserin Agnes, dem Abt Hugo und der grossen Gräfin einen Beschluss zu, den die Fürsten in Tribur fassten; möglich, dass der Gedanke des generale colloquium von jenen drei Personen ausging und durch Vermittlung der Legaten zum Beschluss erhoben wurde.


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papa nuper 1) ob regis communicationem Romae reconciliatus advenerat . . Hugo sei in Tribur zugegen gewesen, und habe den Frieden vermittelt. Ich will kein zu grosses Gewicht darauf legen, dass Siegebert von Gembloux eigens bemerkt, 2) Gregor habe auch das Herz der Mutter dem König Heinrich entfremdet, trotzdem kann ich Giesebrecht nicht beistimmen. Wenn wir drei, ja mit Paul von Bernried vier, ausführliche deutsche Quellen über den Tag von Tribur haben, und keine von ihnen die Anwegenheit Hugo's erwähnt, sollen wir dann eine sehr kurze, italienische Quelle heranziehen, um daraus mit Hilfe einer Mittheilung, die eine dieser deutschen Quellen an andrer Stelle macht, zu interpretiren, was in der italienischen Quelle nicht einmal ausgesprochen ist? Abt Hugo von Cluny war in der damaligen Zeit eine der angesehensten und bekanntesten Erscheinungen, ist es nur möglich, dass ein Lambert, der doch selbst von jenen laici erzählt, die im Auftrage des Papstes in Tribur wirkten, ein Berthold, ein Bruno, ein Paul von Bernried nichts von der Anwesenheit eines so hervorragenden Mannes erfahren hätten, noch dazu, wenn dieser einen so tief gehenden Einfluss ausgeübt hätte? Wenn Berthold beim Jahre 1077 jene Mittheilung über Abt Hugo macht, so zeugt das eben davon, wie sehr die Schicksale jenes Mannes die Welt und den Annalisten insbesondere interessirten, und da sollte er die Mitwirkung Hugos in Tribur gar nicht kennen? das ist kaum denkbar. 3)
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1) Dies Wort nuper ist sehr unbestimmt; setzen wir dafür wirklich einmal eine bestimmte Zeit, etwa Januar 1077. So lässt sich daraus noch gar kein Rückschluss auf die Zeit machen, in der Hugo mit Heinrich verkehrt hat, es kann dies vor der Zusammenkunft in Tribur und nachher gewesen sein. Vielleicht ist Hugo derjenige, welcher den König erst zur Canossafahrt veranlasst hat.
2) Siegebertus Gemblacensis ad an. 1076 M. G. SS. VI p. 363 . . Gregorius . . animum etiam Agnetis matris ipsius -- regis -- ab eo alienat.
3) O. Grund a. a. O. p. 61 . . legt der Wirksamkeit des Abtes Hugo eine sehr hohe Bedentung bei; Hugo soll sich der vermittelnden Partei angeschlossen haben. Schliesslich als Rudolf und seine Anhänger fast mit ihren Wünschen durchgedrungen seien, wäre Hugo selbst nach König Heinrich gegangen und hätte einen Frieden doch noch mit ihm zu Stande gebracht.


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Wir sahen, dass Bruno an der entscheidenden Stelle etwas verschweigt, was ihm unangenehm ist; was aber konnte Bruno nach den einleitenden Worten über die anfängliche Freundschaft zwischen Sachsen und Schwaben, die meines Erachtens nicht anstössig sind, unangenehmer sein, als erzählen zu müssen, dass an die Stelle der Einigkeit allmählich das Gegentheil trat und eben dadurch die geplante Neuwahl nicht zu Stande kam? Hier liegt der Kernpunkt. Wir sahen vorher, dass Heinrich noch mit einer ganz respectablen Macht 1) auf dem linken Ufer des Rheines lagerte, er war minax et animosus; da beginnen die Verhandlungen: Regni autem primates -- sagt Berthold -- inter se quaeritabant et Deo datore attentius unusquisque pro se ad invicem conferebant, quid super tam immani causa ipsis difiniendum fuerit, also mit Einzelverhandlungen geht die Zeit, nach Berthold zehn Tage, hin. Die Fürsten berathen eifrig unter sich der eine mit dem anderen, was sie thun sollten, können jedoch nicht einig werden. Trotz aller Berathungen kommt man nicht zum Schluss; da fallen inzwischen die meisten Bischöfe, die noch bei Heinrich ausgehalten hatten, von ihm ab, er sieht sich mehr und mehr isolirt; trotzdem will er nicht auf die hohen Forderungen der Gegner, die wegen ihrer eigenen Uneinigkeit sich schliesslich auf Verhandlungen mit ihm einlassen, eingehen, da soll es endlich zur förmlichen Wahl kommen und dann sofort zur Schlacht. Dies vermeidet der König, indem er sich schliesslich unterwirft. Dass der eigentliche Zweck des Tages besonders an der Rivalität Rudolf's von Schwaben und Otto's von Nordheim scheiterte, lässt sich nicht nachweisen. Jedoch ist es wahrscheinlich. 2) Otto hatte anfangs in der Hoffnung, die er sich selbst auf die Krone machte, jenen Vertrag mit Welf abgeschlossen, und so erst eine Basis zur Verhandlung
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1) Auch Lambert ad an. 1076 . . dehinc ceteris, qui ad auxilia sibi -- regi -- ferenda frequentes convenerant, singulis in sua dimissis . . Dazu rechne man noch die grosse Anzahl Bischöfe, die bei ihm war.
2) Diese Ansicht sprach zuerst Arnold Schäfer aus; während Giesebrecht und Grund ihr nicht beitraten, hat Delbrück sie angenommen. Schäfer verwirft die Darstellung Bruno's über den Tag zu Tribur, macht aber trotzdem aus der Erzählung desselben Verfassers über den Reichstag zu Forchheim Rückschlüsse auf die Vorgänge in Tribur. Giesebrecht nennt dies Verfahren inkonsequent. Wir sahen, dass es gar nicht nöthig ist, Bruno's Bericht zu verwerfen; vielmehr liest man bei ihm zwischen den Zeilen ganz deutlich, dass die Verhandlungen in Tribur an der Uneinigkeit der Fürsten scheiterten. Wer unserer Darlegung über die fortwährende Rivalität zwischen Rudolf und Otto beistimmt, wird uns auch hier recht geben.


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geschaffen. Als er dann im weiteren Verlauf der Verhandlungen seine Erwartung mehr und mehr schwinden sah, so knüpfte er an die Wahl Rudolf's, der am meisten Aussicht hatte, seine Bedingungen, wahrscheinlich trotz seines Vertrages mit Welf, Zusicherungen über Bayern an, zu denen sich Rudolf jedoch nicht verstehen wollte. Mittlerweile recipirten die Legaten mehrere Anhänger des Königs und es kam so ein neues Element in die Verhandlungen, das einen Frieden mit dem König herzustellen suchte. Dasselbe gewann an Macht, je mehr sich die Einzelverhandlungen der Fürsten zerschlugen, endlich war man bereit, einen Frieden herbeizuführen, allein der König wollte die hohen Bedingungen nicht annehmen, darum sollte es schliesslich zur Abstimmung kommen; dieser letzten Massregel beugte Heinrich durch seine Unterwerfung vor.

Die Quellen sind nicht ganz einig über die Bedingungen, die man dem König stellte, nur soviel steht fest, dass die Früchte dieser Verhandlungen allein dem Papste in den Schooss fielen, was bei dem scharfen Gegensatz der Parteien vorauszusagen war. Je eifersüchtiger die Fürsten aufeinander waren, je entschiedener sie in ihrer Gesammtheit dem König gegenüberstanden, desto mehr Vortheile musste der dritte Faktor daraus ziehen, die päpstliche Partei, die klar und ruhig ihr Ziel im Auge behalten konnte.

Heinrich gelobte sich am zweiten Februar 1077 1) in Augsburg einem Fürstengericht zu unterwerfen, dem der Papst in eigener Person als Schiedsrichter zwischen den klagenden Fürsten und dem angeklagten König vorsitzen sollte. Wenn der König, so beschlossen die Fürsten unter sich, durch eigene
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1) In dem Briefe Jaffé V p. 130 heisst es congruo tempore . .


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Schuld innerhalb eines Jahres, vom Tage seiner Exkommunication an gerechnet, nicht absolvirt sei, 80 habe er damit alles Anrecht auf die Krone verwirkt. 1) Ferner sollte der König den Umgang mit den Gebannten, besonders seinen Räthen meiden, weiter sich bis zum Tage von Augsburg in Speier aufhalten, ohne Regierungsgeschäfte vorzunehmen und königliche Abzeichen zu tragen, endlich die Stadt Worms ihrem vertriebenen Bischof zurückstellen. 2) -- Auch hat sich der König entschliessen müssen, einen Brief an den Papst zu schreiben, worin er ihm Gehorsam und Reue gelobt und zugleich verspricht, sich zur bestimmten Zeit zum Gericht zu stellen.

Die Bedingungen waren sehr hart, und gewiss hat nur die äusserste Noth den König gezwungen, sie anzunehmen.

Nachdem die Fürsten auf diese Weise zunächst einen Frieden hergestellt hatten, trennten sie sich; Otto von Nordhein kehrte wohl mit den Sachsen in seine Heimath zurück. -- Während Heinrich die Bedingungen, die man ihm gestellt hatte, zum Theil erfüllte, gingen Gesandte der Fürsten an den Papst ab, um diesem officiell das Ergebniss der Verhandlungen von Tribur mitzutheilen.

Heinrich durfte auf keinen Fall den Tag von Augsburg zu Stande kommen lassen; dieser konnte für ihn zur ungeheuren
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1) Bonitho a. a. O. Legem enim suam nolebant destruere, ut, si quis ante annum et diem ab excommunicatione non fuerit solutus, omni careat dignitatis honore. -- Der Termin, nach dessen Ablauf der Gebannte auch in die Acht verfiel und umgekehrt, war auch später Jahr und Tag. cfr. Franklin Bd. II, p. 380 und Giesebrecht a. a. O. p. 1138.
2) Nach Bruno musste der König auch noch eine schriftliche Erklärung abgeben, dass er die Sachsen ungerecht getroffen hätte; diese Schreiben sollten dann von den sächgischen Fürsten durchlesen, mit des Königs Siegel versehen, und durch sächsische Boten in Italien und Deutschland verbreitet werden. -- Man hat hier wohl nicht mit Unrecht eine Verwechslung mit den Briefen vermuthet, die Heinrich an den Papst und die Deutschen schrieb. M. G. LL. II p. 49. Nach Bonitho a. a. O. hätten die Fürsten auch damals noch versprochen, später mit dem König einen Zug gegen die Normannen in Italien zu unternehmen. Wie sollten die Fürsten damals dazu gekommen sein? Ich glaube Bonitho hier nicht.


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Schmach werden, das Loos des letzten Merowinger's hätte vielleicht auch ihn getroffen; deshalb unternahm er jene mehr geschmähte als verstandene Flucht nach Italien, wo er zu den Füssen Gregor's Verzeihung erbettelte. In Canossa feierte Gregor, ohne es zu wollen, seinen grössten Triumph.

Als sich die Nachricht von dem Vertragsbruch des Königs in Deutschland verbreitete, kam ein neuer Fürstentag in Ulm zu Stande, der jedoch wegen der entsetzlichen Kälte, die damals herrschte, nur schwach besucht wurde. Dass Otto von Nordheim in Ulm anwesend war, steht nicht fest. 1) Daselbst beschloss man, am 13. März 1077 einen allgemeinen Fürstentag in Forchheim abzuhalten. Gesandte gingen über die Alpen und erbaten des Papstes Mitwirkung: Briefe und Legaten solle er nach Forchheim senden. 2) Gregor kam dieser Forderung nach und schickte den Cardinaldiakon Bernhard und den Abt von St. Victor zu Marseille, ebenfalls Bernhard genannt, zur Versammlung ab. Am Tage, nachdem diese von Canossa abgegangen waren, erschien Graf Mangold beim Papst, durch den dieser über die Absicht einer Neuwahl in Deutschland definitiv unterrichtet wurde. In Folge davon sandte er einen Boten an König Heinrich, der noch in Italien stand, mit der Aufforderung, ihm freies Geleite nach Deutschland zu geben. Willige der König nicht ein, so lautete die Weisung des Boten, dann solle er zum Papste zurückkehren, und die Dinge in Deutschland ihren Lauf gehen lassen. 3) Heinrich gab dem Boten eine abschlägige Antwort, dieser kehrte daher zum Papst zurück, Graf Mangold hingegen, der mit ihm beim König gewesen war, ging wie die Legaten, nach
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1) Die Nachricht beim Annalista Saxo ad an. 1077 M. G. SS. V. Igitur mense Martio Saxones ac Suevi mediantibus Sigefrido Mogontino Metropolitano et Adalberone Wirzeburgensi episcopo. Ottone de Nordheim, Bertholdo duce de Zaringen apud Forchheim conveniunt, ist nicht selbständig, gerade die Worte mediantibus . . . finden sich bei Ekkehard, jedoch in anderem Zusammenhbang, und der Annalist hat sie falsch entlehnt.
2) cfr. Vita Gregorii VII. Pauli Bernriedensis cap. 44, bei Mabillon Acta SS. Maji VI und Berthold ad an. 1077.
3) Dies soll, wie Paul v. Bernried mittheilt, am 1. März geschehen sein; die Zeitrechnung erregt sehr grosse Bedenken und ist kaum haltbar.


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Forchheim. Von den deutschen Fürsten waren daselbst anwesend die Erzbischöfe von Mainz und Salzburg, sieben sächsische Bischöfe, vier andere, ferner die Herzöge Rudolf, Welf und Berthold, dann Otto von Nordheim, vielleicht auch Magnus, Graf Hermann u. a. 1) Die Zahl der Erschienenen war im Verhältniss zu der gesammten Anzahl der deutschen Fürsten eine ungemein geringe.

Die Verhandlungen begannen nach Paul von Bernried mit einer Rede der Legaten, worin diese die Unzufriedenheit des Papstes mit dem Betragen des Königs ausdrücken, zugleich aber seinen Wunsch äussern, mit der Wahl eines neuen Königs bis auf seine Ankunft in Deutschland zu warten, falls dies ohne Gefahr geschehen könne. Darauf erhoben die Fürsten ihre Klagen über den König; so geht der erste Tag hin. Nach Berthold nimmt die Verhandlung den umgekehrten Gang. Die Fürsten erheben erst ihre Klagen über den König, wie wir das auch sonst in den Verhandlungen zwischen den Fürsten Heinrich's IV. finden, und stimmen schliesslich darin überein, einen anderen König wählen zu müssen; die Legaten sind erstaunt über die Geduld und Langmuth der Deutschen, berufen sich in Betreff der Neuwahl jedoch auf ihr Commonitorium: Wenn es ohne Gefahr geschehen könne, mit der Wahl bis zur Ankunft des Papstes zu warten. Dann lesen sie Briefe vor, in denen die Vorgänge in Italien und des Königs neue Umtriebe dargestellt werden -- Am folgenden Tage 2) kommt man wiederum in die Herberge der Legaten, denen man von neuem die Nothwendigkeit einer Neuwahl vorzustellen sucht, diese jedoch antworten ihrer Instrucktion gemäss, sie stellen also die Entscheidung in die Hand der Fürsten, übernehmen dafür aber auch keine Verantwortung. Darauf trifft man sich mit Erlaubniss der Legaten in der Herberge des Erzbischofs von Mainz, wo eine gesonderte Berathung der weltlichen und geistlichen Fürsten stattfindet. Dann erfolgt die öffentliche Abstimmung der wieder vereinigten Fürsten. Die erste Stimme hat der Erzbischof von Mainz, er giebt sie Rudolf von Schwaben, dem
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1) cfr. Annal. Yburgenses ad an. 1077 M. G. SS. XVI und Marianus Scotus M. G. SS. V p. 561.
2) So Paulus Bernriedensis; Berthold weiss von mehreren Tagen nichts.


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nächsten Verwandten des Königs Heinrich, der anwesend war. Ihm folgen die geistlichen Würdenträger der Reihe nach, dann die weltlichen von den Herzögen bis zu den Geringeren. So wird Rudolf gewählt. Ihm schwört man den Treueid, andrerseits verspricht er, die Königskrone solle nicht erblich in seinem Hause sein, nur freie Wahl der Fürsten hinfort über den Thron entscheiden. Es geschah die Wahl an den Iden des März, also begannen die Verhandlungen am 14. -- Wir haben in jener Zeit selten für ein Ereigniss zwei so vortreffliche Berichte, wie hier bei Berthold und Paul von Bernried, die wahrscheinlich eine gemeinsame päpstliche Quelle benutzt baben. Daraus erklärt sich dann leicht, wie es kommt, dass beide Berichte über das Verhalten der Legaten sehr gut unterrichtet sind, hingegen von etwaigen Bedenken der Laienfürsten, von Bedingungen, die dieser oder jener an die Wahl Rudolf's knüpfte, nichts wissen. Darüber giebt uns nun Bruno Aufklärung: Nach ihm sind viele der Wahl für würdig befunden, 1) schliesslich kommt man aber einmüthig auf Rudolf von Schwaben. Als jedoch die einzelnen Wähler ihn als König begrüssen sollten, da machten einige vorher ihre Bedingungen, so zuerst Otto von Nordheim. Er werde den neuen König nur dann anerkennen, wenn dieser verspreche, ihm seine ihm ungerecht entrissens Würde d. h. das Herzogthum Baiern zurückzugeben. In derselben Weise gehen auch andere vor, da jedoch traten die Legaten dazwischen und erklärten solches Betragen für Simonie, nur einen Verzicht auf die Erbfolge seines Geschlechts und auf die Besetzung der Bisthümer verlangten auch sie von Rudolf. -- Grund 2) glaubt diese Nachrichten Bruno's verwerfen zu müssen und führt auch einige Bedenken dagegen an, allein seiner AuffasSung kann ich nicht beistimmen. 3) Bruno zeigt sich, wie kaum ein anderer Schriftsteller, während dieser Jahre aufs vortrefflichste gerade über Otto unterrichtet,
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1) Diese Mittheilung ist nicht richtig, es handelte sich nur um Rudolf oder Otto. Intere ist, dass wir dieselbe Redensart bei Wipo in der Wahl Konrad's II. finden. cfr. Bresslau a. a. O. p. 11 und 12.
2) a. a. O. p. 103.
3) Auch Waitz: O. G. VI p. 152 Anm. III hält Grund's Einwendungen für zu weitgehend.


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es ist, als ob er seine Nachrichten aus unmittelbarer Nähe Otto's empfangen hätte. Was er uns hier mittheilt, ist um so glaubwürdiger, als es der Situation völlig entspricht, auch sind es Thatsachen, die man eben nicht erfindet. Man darf nur nicht immer sofort daran denken, dass es gar keine andere Möglichkeit gegeben hätte, als gerade Rudolf von Schwaben zu wählen. Otto's Anhang in Forchheim war nicht gering, da ja besonders Sachsen zugegen waren. Als er sah, dass er trotzdem unterliegen musste, war es natürlich, dass er seine Bedingungen stellte, bevor er Rudolf, seinen Rivalen, als König und Herrn anerkannte, und es war entschieden ein Glück für den Herzog von Schwaben, dass die Legaten eingriffen.

Die Wahl geschah auf dem Pilatushofe zu Forchheim; am Wahltage drangen zum ersten Male seit langer Zeit wieder warme Sonnenstrahlen durch den winterlichen Himmel, so dass der Schnee zu schwinden begann, ein glückliches Vorzeichen der neuen Herrschaft, das leider trügerisch war; die aus ihrem Winterschlaf erwachende deutsche Erde ging keinem friedlichen Sommer entgegen.

Zwölf Tage nach der Wahl krönte Siegfried den neuen König in Mainz.


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VII. Otto von Nordheim als Führer der antiköniglichen Partei vom Tode König Rudolf's bis zur Wahl Hermann's.

Es entspricht ganz der Mittheilung Bruno's über Otto's Verhalten in Forchheim, wenn wir in der nächsten Zeit wenig von ihm hören. Unmuthig über das Fehlschlagen seiner Ziele mag er sich auf seine sächsischen Besitzungen zurückgezogen haben. Erst als die grossen Kämpfe zwischen König Heinrich und Rudolf beginnen, erscheint er wieder.

Die Regierungsjahre Rudolf's von Schwaben gehören mit zu den entsetzlichsten Abschnitten unserer deutschen Geschichte, und man wendet sich um so lieber von ihnen ab, als das vorliegende Quellenmaterial keine sichere Vorstellung der Zeit gestattet. 1) Man hört nur von einem gegenseitigen Verwüstungskrieg zwischen den Anhängern beider Könige, der oft mit der entsetzlichsten Grausamkeit und Rohheit geführt wurde. Auch einige grosse Schlachten fanden statt, über deren Ausgang wir jedoch nichts Sicheres sagen können. Bei Melrichstadt trug Otto mit seiner Abtheilung einen Sieg über die Gegner davon, auch bei Flarchheim kämpfte er mit und auch hier wohl nicht ohne Erfolg.
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1) Wer die Genesis der Giesebrecht'schen Darstellung in diesen Abschnitten einmal näher prüft, erhält einen seltsamen Einblick in die Art, wie Giesebrecht Geschichte schreibt.


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Bald nach der Schlacht bei Flarchheim am 7. März 1080 sprach der Papst von neuem den Bann über Heinrich aus, am 25. Juni desselben Jahres antwortete Heinrich darauf mit der Wahl Wiberts von Ravenna zum Gegenpapst; so hatte das Reich denn zum ersten Male das Schauspiel, zwei Könige und zwei Päpste an der Spitze zu sehen, von denen sich jeder für den rechtmässigen hielt und seinen Gegner ächtete und bannte. In Deutschland rüsteten die beiden Könige endlich zur Entscheidungsschlacht, am 15. Oktober 1080 trafen ihre Heere bei Mölsen zusammen. Anfangs waren Heinrich's Ritter entschieden im Vortheil, schon war ihnen der Sieg gewiss, da griff der kriegskundige Otto von Nordheim in die Schlacht ein und erfocht einen glänzenden Sieg. Er hatte seine Ritter von ihren ermüdeten Pferden steigen lassen 1) und machte zu Fuss zweimal Angriffe auf die Abtheilungen feindlicher Reiter, die beide völlig gelangen. Schwer jedoch hatten die Sachsen ihren Sieg erkaufen müssen: König Rudolf lag an zwei tiefen Wunden, von denen die eine tödtlich war, darnieder. Noch am Tage der Schlacht 2) verschied der beherzte Mann, der auch seiner Würde nie froh geworden war.

Es war ganz natürlich, dass an die Spitze der antiköniglichen Partei der Sieger von Mölsen, Otto von Nordheim trat. Allein aus zu verschiedenartigen Elementen war diese Partei zusammengegetzt, als dass Otto auch ohne weiteres die Würde Rudolf's zu erlangen hoffen durfte. Die oberdeutschen Fürsten, vor allen Welf, würden einer Wahl Otto's nie beigestimmt haben, auch den eifrigen Gregorianern mochte es nicht lieb gein, Otto als König begrüssen zu müssen; nur die Sachsen mochten jetzt endlich hoffen, die Wahl Otto's durchzusetzen. --

Als die sächsischen Fürsten sich im Dezember versammelt hatten, um über die Zukunft des Reiches einen Beschluss zu fassen, traf die Nachricht ein, dass König Heinrich mit einem Heere heranrücke, um Sachsen zu unterwerfen. Der König erwartete so wenig Widerstand, dass er, wie man sich erzählte, schon Weihnachten in Goslar zu feiern hoffte. Allein er hatte
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1) cfr. Baltzer: Zur Geschichte des Deutschen Kriegswesens . . p.98.
2) Ueber Rudolf's Todestag handelt Giesebrecht a. a. O. p. 1155.


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sich getäuscht, binnen kurzer Zeit brachte Otto ein schlagfertiges Heer auf die Beine, und rückte dem König entgegen, fest entschlossen, eine neue Schlacht zu liefern. Heinrich musste daher seinen Plan aufgeben, er stand von einem Heereszug ab, und versuchte den Weg des Friedens zu betreten. Durch eine Gesandtschaft liess er den sächsischen Fürsten sagen, er selbst verzichte darauf, Sachsen jemals wieder zu betreten, da man nun einmal einen eigenen König haben wolle, so möge man seinen Sohn Konrad zum König von Sachsen machen und so wenigstens seinem Hause die Königskrone lassen. Im Namen der Sachsen antwortete Otto der Gesandtschaft: „Häufig habe er gesehen, dass ein böser Bulle ein böses Kalb gezeugt hätte, daher habe er weder nach dem Sohn noch nach dem Vater sonderliches Verlangen.“ 1) Es ist wiederum Bruno, der uns dies Geschichtchen aufbewahrt hat, mag es wahr sein oder nicht, es ist für Otto immerhin sehr charakteristisch; solche Züge geben Zeugniss von der ungemeinen Popularität des Mannes.

Die Neuwahl zog ich sehr lange hin, es fehlte an einer geeigneten Person, die Gegensätze zu vereinigen. Die Sachsen durften ohne die süddeutschen Fürsten die Wahl nicht vornehmen, wenn sie sich nicht einem gemeinsamen Angriffe des Königs und der süddeutschen Fürsten aussetzen wollten, denn eine Absonderung Sachsens vom Reich unter einem eigenen König, woran Otto von Nordheim damals vielleicht gedacht hat, würde wahrscheinlich den König Heinrich mit dem treulosen Welf und Genossen ausgesöhnt haben.

Dem König brannte in Deutschland der Boden unter den Füssen, es drängte ihn, nach Italien zu eilen, und seinen Papst nach Rom zu führen. Allein er durfte es nicht wagen, Deutschland zu verlassen, ohne sich mit seinen Gegnern ausgesöhnt zu
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1) Floto II p. 234 setzt hinter die Erwiderung Otto's: Aber der tapfere Nordheim meinte es nicht so schlimm: wenn irgend einer, so war er zum Unterhandeln bereit. Wunderbar, dass Heinrich ihm nicht Baiern bot! Dass Otto noch andere Ziele erstrebte, als nur das eine, Baiern wieder zu erlangen, vermuthet Floto nirgend's und kommt daher auch zu den seltsamsten Urtheilen über Otto, nennt ihn einen „klugen und redlichen Fürsten“ (II, 107.)


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haben. Er sandte daher am Anfang des Jahres 1081 Boten an die sächsischen Fürsten, und liess diese bitten, einen Platz zu bestimmen, wo einige abgeordnete Fürsten beider Parteien mit einander unterhandeln könnten. Jene gingen auch darauf ein, und man verabredete, sich im Februar in Kauffungen an der Weser zu treffen. Am festgesetzten Tage erschienen in Kauffungen von Seiten des Königs die Erzbischöfe von Köln und Trier, die Bischöfe von Bamberg, Speier und Utrecht, 1) von Seiten der Sachsen die Erzbischöfe von Mainz, Magdeburg und Salzburg, die Bischöfe von Paderborn und Hildesheim, ausserdem weltliche Fürsten, an ihrer Spitze Otto von Nordheim. Die Königlichen verlangten ein geheimes Gespräch mit den Sachsen, allein diese bestanden auf Oeffentlichkeit der Verhandlungen. Schweigend sass man nach diesem Eingang da, die Sachsen erwarteten die Anträge der königlichen Boten, diese hingegen schwiegen, um bei den Anwesenden den Schein zu erwecken, als seien sie von den Sachsen zu der Unterredung aufgefordert und nicht umgekehrt. 2) Endlich brachen die Sachsen das Schweigen und baten den Erzbischof Gebhard von Salzburg, dass er sich über die Lage der sich bekämpfenden Parteien einmal auslasse. Der Erzbischof erfüllte die Bitte 3) und stellte nach einer längeren Rede endlich den Königlichen folgende Alternative: endweder sollen sie den Beweis führen, dass König Heinrich und seine Partei noch jure herrschen könne, oder es den Sachsen überlassen zu zeigen, dass dies nicht möglich sei; sei eine dieser beiden Ansichten bewiesen, so solle diese auch
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1) Dieselben nennt Gebhard von Salzburg in seinem Brief an Hermann von Metz. cfr. Gretzer opp. VI p. 435.
2) So berichtet Bruno. Was die königlichen Gesandten zu diesem Betragen veranlasste, ist unklar; vielleicht hatten sie die Absicht, das Publikum zu täuschen, besonders die sächsischen Fürsten bei den anwesenden Sachsen zu verdächtigen.
3) Es scheint, dass Bruno hier Augenzeuge war, so genau zeigt er sich unterrichtet; besonders die Schilderung Gebhard's lässt kaum einen Zweifel daran cap. 126: Qui surgens, ut erat vir per omnia prudens et honestus, et honori quem gerebat non minimum conferens honoris, vultu modesto, voce mediocri, sensum profudit sapientis et pii pectoris: . . .


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gelten, und der Krieg damit sein Ende haben. 1) -- Bei dieser Schärfe der Gegensätze war natürlich an eine friedliche Verständigung nicht zu denken. Ganz richtig erwiderten die königlichen Abgesandten, darüber zu berathen, sei nicht der Zweck der Versammlung, auch habe man dazu ohne Mitwirkung des Königs und seiner gesammten Unterthanen kein Recht. Darauf traten sie mit ihrer eigentlichen Absicht hervor, mit der Bitte um einen Waffenstillstand von dem Tage der Verhandlungen an bis Mitte Juni. Während dieser Zeit, so versprachen sie, solle ein allgemeiner Fürstentag stattfinden, auf dem die eben berührten Fragen behandelt und entschieden werden sollten. Die Sachsen erklärten sich mit einem Waffenstillstand einverstanden, wenn er firma et integra sei, d. h. wenn er sich auf alle Mitglieder der antiköniglichen Partei, also auch auf den Papst erstrecke. Als jene jedoch nur versprachen, allen deutschen Anhängern der Gegenpartei Waffenstillstand und Frieden bis zur genannten Zeit gewähren zu wollen, da erhob sich Otto von Nordheim: „Glaubt Ihr, so rief er den Gesandten zu, wir seien thöricht genug, uns von Euch täuschen zu lassen, Ihr wollt Frieden haben, um in Italien desto ungestörter unseren Verbündeten, den Papst, angreifen und entehren zu können. Entweder Ihr gebt uns und allen unseren Anhängern einen vollen Frieden und nehmt einen solchen von uns an, oder ein Friede wird überhaupt nicht geschlossen. Wollt Ihr das erstere nicht, so geht, woher Ihr gekommen seid, aber so viel sage ich Euch vorher, hofft nicht, dass wir Euch und Eure Anhänger in Ruhe lassen werden, wenn Euer König in Italien ist; wir werden uns alsbald einen neuen König wählen, der unser Land vertheidigt und uns gegen Euch zu Felde führt.“ Niemandem konnte weniger an dem Frieden gelegen sein, als gerade Otto von Nordheim, und sein
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1) In seinem Briefe, wo Gebhard ein Hauptgewicht auf die Exkommunikation Heinrich's und seiner Partei legt, drückt er denselben Gedanken folgendermassen aus: ut si causam suam juxta leges et consuetudines defendere non possent, senioribus illorum consiliis acquiescerent, non confusionem hoc reputantes, si meliora et viciniora saluti ab illis discentes errorem suum relinquerent. Haec in auribus omnium qui aderant, non contentione, sed humiliter proponentes nihil profecimus.


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kurzes abweisendes Betragen ist leicht erklärlich. Nach der Rede Otto's kam eine Vorständigung nicht mehr zu Stande, man gelobte sich nur einen siebentägigen Waffenstillstand, zu welchem Zwecke ist nicht gesagt, möglich dass man eine Fortsetzung der Verhandlungen in Aussicht nahm, von der wir allerdings nichts mehr hören.

Im März zog König Heinrich kühn über die Alpen, um seinen grössten Gegner, Gregor, der noch im Februar den Bann über ihn und seine Partei erneuert hatte, zum Schweigen zu bringen. Vorher suchte er jedoch die noch treuen Gebiete Deutschland's, so gut es möglich war, zu sichern und den Feind zu schwächen, indem er ihm im eigenen Lager Feinde erregte.

Trotzdem jene Verhandlungen in Kauffungen nicht den von den Königlichen gewünschten Ausgang hatten, trotzdem die Sachsen den Frieden von Februar bis Juni 1081 ausgeschlagen hatten, geschah es auffallender Weise doch erst im Juni, 1) dass ein sächsisches Heer in feindlicher Absicht gegen Ostfranken ausrückte. Unter Morden und Verwüstungen gelangte es bis nach Bamberg, wo Welf und die Schwaben mit ihm zusammentrafen. Bei Ochsenfurt 2) am Main wählte man dann plötzlich Hermann, aus dem Geschlechte der Luxenburger, zum König, einen in Lothringen reich begüterten Mann, dessen Name meines Wissens bei dieser Gelegenheit zum ersten Mal genannt wird.

Diese Wahl war ein Schlag der Süddeutschen vor allen Welf's gegen Otto von Nordheim, der ich nach dem Todo Rudolf's selbst Hoffnung auf die Krone gemacht hatte. 3) Allerdings
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1) Giesebrecht p. 535 scheint dieser Punkt in Bruno's Darstellung nicht aufgefallen zu sein.
2) Diesen Ort nennen die Annales Yburgenses und das Chronicon Petershusanum cap. 34. Die Annales Palidenses geben Eisleben an ad an. 1082: Heremannus cognomento allium pro eo, quod electus Isleven, ubi allium habundat.
3) Auch Giesebrecht giebt das zu p. 536: „Die Wahl in Ochsenfurt fand dort -- in Sachsen -- wenig Beifall bei denen, die vor allem das Interesse des eigenen Landes im Auge hatten, am wenigsten bei Otto von Nordheim, der sich selbst Rechnung auf die Krone gemacht zu haben scheint.“ -- Nimmt man dies hier an, so kann man dieselben Absichten auch früher schon bei Otto voraussetzen


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konnte sich dieselbe bei der Lage der Parteien nicht erfüllen. Lange vor der Wahl schrieb 1) Gregor an Altmann von Passau und Wilhelm von Hirschau über die Wahl, welche bevorstand: ut non aliqua gratia suadente aut ullo metu cogente proporent, eam temere personam eligere, cujus mores et caetera, quoe regi oportet, inesse a suscipienda christianae religionis defensione et cura discordent . . . . man solle mit der Wahl langsam vorgehen und Gott um einen defensor et rector inständigst bitten; dann fährt er fort: Nisi enim ita oboediens et sanctae ecclesiae humiliter devotus ac utilis, quemadmodum christianum regem oportet, et sicut de Rodulfo speravimus fuerit, procul dubio ei non modo sancta ecclesia non favebit, sed etiam contradicet. Nur den solle man wählen, der dem Stellvertreter Petri unbedingten Gehorsam verspricht in allen Dingen, die ihm dieser sub verbis: per veram oboedientiam befiehlt. -- Es ist, als ob sich diese Anseinandersetzungen direkt auf Otto bezögen, der allerdings kaum auf die Forderung des Papstes, als König ein miles, ein Vasall des römischen Stuhles zu werden, eingegangen sein dürfte. -- In Hermann hatte Welf und seine Partei Jemanden aufgestellt, der nur wegen seiner geringen Bedeutung und seiner Ohnmacht leichter im Stande war, die Gegensätze zu vermitteln, und so die Auflösung der antiköniglichen Partei zu verhindern.
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1) Jaffe II p. 473.


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VIII. Otto's Aussöhnung mit Hermann und sein Tod.

Otto war bei der Wahl nicht zugegen gewesen; als er ihr Resultat hörte, war er sehr überrascht, und dachte nicht daran, den neuen König anzuerkennen. Es entspricht ganz der bisherigen Politik und dem Charakter des Mannes, wenn wir ihn sofort nach dem Fehlschlagen eines Planes wieder in Verbindung mit der Gegenpartei d. h. mit Anhängern 1) des Königs Heinrich finden, die ihn unter grossen Versprechungen auf ihre Seite zu ziehen bemüht waren. Was nützte es Hermann, dass er bei Höchstädt einen glänzenden Sieg über ein feindliches Heer davontrug; ohne Sachsen's sicher zu sein, war seine Stellung unhaltbar, und Sachsen stand da, wo Otto stand. Trotzdem sächsische Fürsten bei der Wahl in Ochsenfurt zugegen waren, vermochte Hermann doch die Stimmung des sächsischen Landes nicht für sich zu gewinnen, so lange er nicht Otto von Nordheim gewann. Dieser aber war nahe daran, definitiv zu Heinrich überzutreten, im November sollten die Verhandlungen zwischen ihm und den königlichen Unterhändlern ihren Abschluss finden, da trat im letzten Augenblick eine Aenderung ein. Als der Herzog nämlich, so erzählt Bruno, zu den Königlichen reiten wollte, um mit ihnen abzuschliessen, stürzte auf ebenem Boden
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1) Ob es gerade Ekbert von Meissen war, mit dem Otto unterhandelte, wie Giesebrecht p. 536 meint, ist nicht mit Sicherheit zu sagen.


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sein Pferd, und er selbst erlitt dadurch einen Schenkelbruch, der ihn einen ganzen Monat am Gehen hinderte. Wie Alles in jener frommen Zeit, so galt auch dieser Unfall als eine Strafe Gottes, die den Verräther an der guten Sache getroffen hatte. Otto selbst soll das Unglück als Gottesgericht angesehen haben, und in Folge dessen zur alten Partei zurückgetreten sein. Den wahren Grund seines abermaligen Uebertrittes kennen wir nicht, möglich, dass sich die Verhandlungen zwischen ihm und den königlichen Unterhändlern mehr und mehr zerschlugen, möglich auch, dass in der That der Eindruck jenes wunderbaren Ereignisses auf den alternden Helden mitwirkte. Genug, der Herz trat zur Partei Königs Hermann über, Boten gingen an Freund und Feind, den Gesinnungswechsel zu verkünden. Grosse Freude herrschte darüber in Sachsen, das nun bald ebenfalls ganz dem neuen König zufiel. Hermann konnte es jetzt wagen, nach Sachsen zu kommen; daselbst wurde er in Goslar am zweiten Weihnachtstage 1081 von Siegfried von Mainz zum König gekrönt.

Hier bricht Bruno, die beste Quelle für die Geschichte Otto's von Nordheim, ab, und damit hört unsere Kenntniss vorläufig auf.

Am Ende des Jahres 1082 verliess König Hermann Sachsen, und dachte von Schwaben aus dem König Heinrich nach Italien zu folgen, so gewaltig war seine Macht gestiegen. Schon war er in Schwaben, als er die Nachricht erhielt, Otto von Nordheim, den er als Stellvertreter in Sachsen zurückgelassen, sei gestorben. Am 11. Januar 1083 hatte diesen der Tod ereilt. Auf die Kunde von diesem Ereigniss eilte Hermann nach Sachsen zurück, weil er daselbst die äusserste Verwirrung fürchtete und nicht mit Unrecht. Mit Otto war der Geist dahingegangen, der die Stimmung des sächsischen Volkes beherrschte, es gab Niemand, der ihn zu ersetzen vermochte. Mit Otto hatte Hermann seine beste Stütze verloren, Heinrich aber seinen gefährlichsten Gegner in Deutschland. Hermann kam seitdem nie mehr zu Ansehen und sank bald zum verächtlichen Schattenkönig herab.


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Schluss.

Wir haben uns so das Leben dieses Mannes vorzuführen gesucht und den ungeheuren Einfluss erkannt, den er auf die Geschicke und politischen Verhältnisse in einer der verhängnissvollsten Epochen unserer deutschen Geschichte ausgeübt hat. -- Otto von Nordheim war ohne Frage der bedeutendste Feldherr seiner Zeit, die empfindlichsten Niederlagen verdankte Heinrich stets seiner geschickten Kriegskunst, die im entscheidenden Augenblicke stets das entscheidende Mittel zu finden wusste. Dabei war er von seltener persönlicher Tapferkeit, manches Spielmannslied mag sie gepriesen haben. -- Ferner besass er in hohem Masse die Gabe des Demagogen; wo seine mächtige Stimme erschallte, da ertönte lauter Beifall der Zuhörer; volksthümliche Redewendungen gewannen ihm die Zuneigung der Leute. Das gewöhnliche Schicksal des Demagogen traf ihn nicht; ihn verliess nie, wenn man den einen Vorfall im Jahre 1076 abrechnet, die Gunst und Liebe seines tapferen Volkes, das alle guten und schlechten Eigenschaften in Otto verkörpert sah. Ohne ihn würde der sächsische Aufstand vielleicht niemals die riesigen Dimensionen angenommen haben, wie es geschah; ohne ihn wäre vielleicht Gregor's Politik gescheitert; hätte er nicht im entscheidenden Moment den König treulos verlassen, so wäre Canossa vielleicht ein unbekannter Name.

Jedoch es ist müssig, sich in derartige Betrachtungen zu verlieren. Fragen wir zum Schluss noch, wie es denn kam, dass alle Tüchtigkeit, alle materielle Macht, über die Otto gebot,


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nicht dazu führte, ihn eines der vorgesteckten Ziele erreichen zu lassen, wie es kam, dass aller Wankelmuth und alle Treulosigkeit doch zu nichts halfen? Der Grund liegt einmal in der Unbestimmheit der Ziele selbst, dann auch in der Ungunst der Verhältnisse. Hätte Otto mit Consequenz nach einem umwandelbaren Ziele gestrebt, entweder nach der Königskrone oder seit Verlust seines Herzogthums nur nach diesem, so würde er dasselbe vielleicht erreicht haben. Gab er von vorn herein den Gedanken auf, sein Herzogthum wieder zu erlangen, so konnte er sich mit Welf definitiv aussöhnen, und dann hatte er gegen Rudolf gewonnenes Spiel; gab er hingegen den Gedanken der Königsherrschaft, sei es über Sachsen oder über das ganze Reich, auf, so konnte er dem König treu bleiben, und leicht wieder zu seinem Herzogthum gelangen. --- Dass er keine von beiden Absichten fallen liess, brachte beide zu Falle.


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Excurs. 1)

Zur Beurtheilung Lamberts ist es von Wichtigkeit, einen Ausdruck zu prüfen, der sich sowohl in den hersfelder Annalen, wie in anderen Quellen jener Zeit sehr häufig findet und ein feststehender Rechtsbegriff war; ich meine das Wort dedicio. Zur Erklärung desselben ist es nothwendig, sich eine Anzahl der häufigen Stellen, in denen es vorkommt, vorzuführen:

Otto von Nordheim erbietet sich, Hab und Gut und sogar die eigene Person in die Gewalt des Königs zu stellen, wenn dieser dafür den Herzog Magnus freigeben wollte. 2) Darauf erwidert ihm der König ipsum -- Ottonem -- et omnia, quae ipsius essent, jam pridem dedicionis jure im potestatem regiam cessisse, nec eum objecto quondam crimine adhuc ita purgatum, ut sui vel suarum rerum jure gentium 3) traditionem ullam liberam haberet. -- Demnach erkennt der König ein Jus dedicionis an, nach welchem der deditus weder über seine Person noch über eine
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1) Waitz V. G. VI, p. 476 . . . .
2) Lamb. ad an. 1073.
3) Das Jus gentium findet sich bei Lambert häufiger; es sei mir gestattet, die Stellen hier anzugeben:
1062: Imperatrix nec filium sequi nec injurias suas jure gentium expostulare voluit . .
1063: Ut nec manibus in legatos ipsos temperassent, nisi jus gentium plus quam ira valuisset.
1071: Gauderet ipse beatus sorte sua, quod totam communis patris hereditatem, quam jure gentium secum dividere debuisset, solus sine consorte obtineret;


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Habe frei verfügen kann, nach dem vielmehr diese Verfügung in der potestas regia steht.

Der König hat sich der Lüneburg, die den Billungern gehörte, bemächtigt, quod omnia, quae praedicti ducis – Ottonis Saxonici patris Magni -- fuerant, in potestatem regiam jure dedicionis per Magnum filium ejus venisse argumentabatur. -- Danach geht wiederum der Besitz des deditus, selbst der nach Vollzug der dedicio erst angeerbte, in die potestas regia über, während sich die Person des Uebergebenen schon in der Hand des Königs befindet. -- Der König schickt Gesandte an die Sachsen mit der Aufforderung ut se dederent atque in clementia ejus potius quam in armis suis . . . . spem sibi deinceps ponerent. Sed illi . . . . extremae dementiae esse judicabant, ut ei praecipitanter sanguinis sui jus potestatemque facerent.

Noch deutlicher drückt eine weitere Stelle die Consequenz der dedicio aus: Es handelt sich um die Wiederherstellung eines friedlichen Verhältnisses zwischen Sachen und dem König; während der Unterhandlungen darüber äussern sich die Sachsen wie folgt: Si autem hoc -- nämlich pax -- aliter quam per dedicionem fieri non posset, consultius sibi esse, ut salva existimatione sua incolumi libertate sua in congressione publica morerentur, quam dediti ritu pecudum jugularentur vel diu in custodia habiti insuper fame et siti aliisque cruciatibus macerati omni morte tristiorem vitam exigerent. --

Hieraus wird ersichtlich, dass der Begriff der dedicio die Ergebung auf Gnade und Ungnade in sich fasst; trotzdem kommt es vor, dass dies noch besonders ausgedrückt wird. Die Gesandten des Königs sagen zu den Sachsen: Consensisse tamen in hoc omnes regni principes de usurpato in republica novo hoc et multis retro saeculis inaudito facinore non aliter regi vel
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1073: Nisi paucorum sapientum moderatio propter jus gentium, quo legatis est deferendum, intercessisset.
1074: Non ita -- Saxones -- expertes rationis, ita sint immemores vulgati etiam apud barbaras nationes juris gentium, ut nesciant ab injuria legatorum etiam inter atrocissimas inimicitias temperandum . .
Neben dem Jus gentium kennt Lambert noch ein Jus caeli, ein Jus fori, ein Jus belli, ein Jus germanitatis und ein Jus majorum.


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reipublicae satisfieri, quam ut se absque ulla exceptione dedant . . . Hier heisst absque ulla exceptione ohne jede Bedingung d. i. auf Gnade und Ungnade.

Wenn sich auch der deditus durch die dedicio mit Leib und Gut in die Gewalt des Königs stellte, so konnte der Letztere doch schon vor der Uebergabe dem übergebenen Manne gewisse Zusicherungen gemacht haben, so dass die dedicio mehr eine Form war, die beibehalten wurde, um dem bestehenden Recht zu genügen; so scheint es der Fall gewesen zu sein bei den Verträgen in Gerstungen im Jahre 1073 und 1074.

Es sei mir gestattet, hier noch einige Stellen aus Lambert anzuführen, die die Folgen der dedicio näher definiren: Jene oben erwähnten königlichen Gesandten fahren fort . . sibi autem, quorum hoc consilio agant, curae futurum, ut nihil ex hac dedicione, quod saluti eorum, quod honori, quod rei familiari officiat, experiantur. Das sächsische Volk ist damit nicht zufrieden, ihm scheint es intolerabile ei -- regi -- sanguinis sui jus potestatemque facere, cujus crudelitatis tam clara cepissent experimenta; lieber will es in rühmlichem Kampf untergehen, quam ut in exiliis et carceribus ritu pecudum jugulati ridiculum hostibus suis spectaculum praebeant. Die Gesandten hingegen reden zum Frieden und kehren dann zum König zurück, der ihnen eidlich verspricht nihil se in eos -- Saxones --, si dediti fuissent, praeter voluntatem et sententiam acturum eorum, quorum opera et beneficio incruenta sibi haec victoria obtigisset. In Folge dieser Zusage versprechen die Fürsten den Sachsen non salutis, non libertatis, non praediorum, non beneficiorum, non ceterae supellectilis suae ullam eos jacturam sensuros, sed postquam faciem regis et regni majestatem momentanea satisfactione magnificassent, statim dedicione absolvendos et patriae libertatique, in nullis imminuto sibi suae condicionis statu restituendos esse . . . tandem -- Saxones -- dedicioni consenserunt et fidem principum regisque clementiam propriae salutis periculo experiri statuerunt . . . . Denjenigen, die sich noch nicht unterwerfen, setzt der König einen Termin fest ante quem si in dedicionem non venissent, tamquam hostes publici ab omnibus, quibus respublica curae esset, ferro et igne infestarentur.


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Es ist ganz gleichgültig, ob die angegebenen Verhandlungen in der That so geführt sind oder nicht, der Begriff der dedicio ergiebt sich daraus mit Sicherheit. Um ihn noch einmal auszusprechen, so ist sein Inhalt folgender: Der übergebene Mann stellt sich mit Hab, Gut und Leben in die freies Verfügung des Königs; der Letztere kann nach Belieben die Todesstrafe in Haft verwandeln, er kann zugleich vor Vollzug der dedicio sich zu gewissen Conzessionen verstehen. Durch einen Gnadenact hebt der König dann, wann und in wie weit er will, die Consequenzen der Uebergabe auf und schenkt dem übergebenen Manne seine gratia wieder.

In derselben Bedeutung wie bei Lambert finden wir auch bei anderen Schriftstellern jener Zeit den Ausdruck dedicio. Um zunächst bei der Uebergabe des Jahres 1075 zu bleiben, will ich folgende Stellen anführen:

Annales St. Jacobi Leodiensis ad an. 1075 . . . et eorum -- Saxonum -- principes in dedicionem accepit -- rex --.

Annales Yburgenses ad an. 1075. Dedicio Saxonum et Turingorum . .

Annales Augustani ad an. 1075. Saxones domiti in dedicionem recipiuntur.

Annales Ottenburani ad an. 1075. Expeditio regis tertia in autumno et dedicio Saxonum ac Turingorum.

Vita Heinrici quarti cap 3 . . non tamen -- Saxones -- ad dedicionem cogi potuerunt . . . Iterum cum -- rex -- inde digrossus, reparato in brevi exercitu eos invaderet, diffidentes viribus suis utpote in priori bello gravissime contusis, quod saluti proximum erat, se dedidere, sperantes regem sola dedicione contentum, gratiam suam facile donaturum . . . . . . ut parati -- Saxonum principes -- essent ante mori quam denuo dedicione subici.

Einige andere Stellen sind noch:
Wipo gesta Cuonradi cap. 20 Ernestus -- sine omni pactione imperatori se reddidit . .
cap. 21 dux Chuono . . se reddidit, nachher in gratiam receptus . .
Hier steht reddere statt dedere.


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Wipo cap. 21 Imperator . . cunctos, qui sibi rebelles fuerant, in dedicionem recepit.

Annales Altahenses ad an. 1041: Igitur multi terrae principes una cum Pragensi episcopo caesarem adeunt, inscio duce -- Bohemico -- se dedunt gratiamque obtinent

ad an. 1049: Qua spe -- vitam et sanitatem impetrandi -- adtractus, dux Gotefridus illo devenit et per manus se ille tradidit. Qui Trevirorum episcopo datur custodiendus . . .

Adam: Gesta episcoporum Hammaburgensium III cap. 59. Eodemque anno restincta est illa conspiratio prima in regem facta, in qua dux Otto et Magnus devastata per annum Saxonia tandem consilio praesulis in potestatem se regis dederunt . . .

Bernold ad an. 1071: In pentecoste Otto jam pridem dux Bajoariae cum sociis suis regi Heinrico ad deditionem venit sua sponte . . .

Diese Angaben mögen für unseren Zweck genügen -- Einige andere Stellen mögen zeigen, dass die dedicio auch äusserlich in einem demüthigenden Aufzuge geschah:

Annales Altahenses ad an. 1037. Postea vero, -- Poppo -- veniens discalciatus et laneis ad carnem tectus, gratiam impetravit imperatoris.

Carmen de bello Saxonico III, 285.

(Saxones)
Armis exuti demissi colla superba
Nudatique pedes cuncti cum supplice voce
Regi se dedunt omni sine conditione.

Zum Schluss will ich noch mittheilen, dass sich in den Landrechten der Dithmarschen 1) die Bedeutung der dedicio erhalten hat. Wörtlich ist daselbst deditus mit „der avergheven man“ übersetzt. An Stelle des Königs tritt hier die souveräne Landesgemeinde, deren Mitglieder das Recht haben, die Folge der Uebergabe an dem übergebenen Mann zu vollziehen. Ich will einige bezeichnende Stellen anführen:
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1) ed. Michelsen Altona 1842.


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Landrecht von 1447 §. 37.
Vortmer wor en man is avergheven, dat bewislik is, unde is ghescreven in des landes bok, wol den man dael sleyt, de Schal dar nenen vrede umme beteren   . .

Landrecht von 1539. XXXI.
Vortmer wan de man overgeven wert, 80 schal dat richte mit den clegeren den overgeven man -- -- -- u. s. w.

Wo an der zweiten Stelledie Striche stehen, fehlt der Ausdruck für die Hinrichtung.


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Vita.


Ich, Adolf Vogeler, bin am 6. November 1858 geboren zu Minden i. W., wo mein Vater Kaufmann ist. Den ersten Unterricht erhielt ich auf der Bürgerschule meiner Vaterstadt; 9 Jahre alt, kam ich auf das Gymnasium in Minden, das ich Ostern 1877 mit dem Zeugniss der Reife verliess. Ich wandte mich dann nach Bonn, wo ich mich anfangs besonders philologischen Studien hingab; später richtete ich meine Aufmerksamkeit mehr und mehr auf das Studium der Geschichte. Nach dreisemestrigem Aufenthalt siedelte ich von Bonn nach Berlin über, um dort meine Studien fortzusetzen. Daselbst hielt ich mich noch vier Semester auf, in denen ich mich vornehmlich mit Geschichte beschäftigte. -- Während meiner Universitätszeit hörte ich die Professoren Bücheler, Usener, Maurenbrecher, Menzel, Schäfer, Kekulé in Bonn, Nitzsch, Droysen, Bresslau, Harms, Scherer in Berlin. In Bonn war ich Mitglied des philologischen Proseminars und des ordentlichen historischen Seminar's bei den Herren Professoren Menzel und Maurenbrecher; in Berlin nahm ich an den historischen Uebungen der Herren Professoren Droysen, Nitzsch und Bresslau Theil; auch Herr Geh. Rath Waitz war so freundlich, mir einige Semester hindurch die Theilnahme an seinen historischen Uebungen zu gestatten. -- Allen diesen Herm sage ich meinen Dank für die Anregung und die Förderung, die ich durch sie erhalten habe. Zu ganz besonderem Dank jedoch fühle ich mich den Herren Professoren Nitzsch und Bresslau verpflichtet und spreche denselben hiermit öffentlich aus. Auf Anregung des Herrn Professors Nitzsch habe ich die vorliegende Arbeit begonnen , leider gestattete mir der plötzliche Tod des hochverehrten Herrn nicht, ihm dieselbe noch vorzulegen.



Quelle:
Otto von Nordheim in den Jahren 1070-1083.
Beitrag zur Geschichte König Heinrich IV.
Inaugual-Dissertation an der Universität Göttingen
von Adolf Vogeler aus Minden.
Minden. Verlag von Körber & Freytag 1880.



Hinweise:

Diese Dissertation ist eingescannt über die digitalen Sammlungen der ULB Münster im Internet unter folgendem Link abrufbar:
https://sammlungen.ulb.uni-muenster.de/hd/content/structure/2729031

Die Grablege der Familie Ottos von Nordheims wurde 1977 in der St. Nikolaikapelle des ehem. Klosters St. Blasien bei Grabungsarbeiten in Northeim entdeckt. Wer mehr über Otto von Nordheim und die Grabstätte erfahren möchte, kann dies ausschließlich während einer Stadtführung, denn die Grabstätte ist nicht öffentlich zugänglich. Führungen können bei Northeim Touristik gebucht werden. Infos gibt es unter www.northeim-touristik.de.

Die nachfolgende genealogische Übersicht von Werner Schubart (Sachsenblume und Sachsenkaiser in der Klosterkirche zu Hecklingen. Heimat-Kalender für die Alt-Bernburger Lande 9.1934, S. 111-120) zeigt die Nachkommen Otto's von Nordheim auf: