H. Heß 1859: Über das vormalige Kloster Burgelin bei Stadt-Bürgel.

XVI. Über das vormalige Kloster Burgelin bei Stadt-Bürgel.
von H. Heß.

 

Nachdem über das vormalige Kloster Burgelin bei Stadt-Bürgel bereits in der älteren Schrift „Kurze historische Beschreibung der vormaligen berühmten Abtei und Klosters Burgelin von dem Edlen von Gleichenstein 1729 verschiedene bemerkenswerthe Nachrichten mitgetheilt, und nachdem dasselbe im „dritten Jahresbericht des Thür.-Sächsischen Vereins zur Erforschung der vaterländischen Alterthümer 1823, sowie in dem großen Werk „Denkmale der Baukunst des Mittelalters in Sachsen von Puttrich. 1847, in seinen Haupttheilen beschrieben worden ist, könnte es vielleicht überflüssig erscheinen, nochmals auf diesen Gegenstand zurückzukommen, und denselben einer weiteren Beleuchtung zu unterwerfen. Es dürfte jedoch eine solche darin ihre Berechtigung finden, daß in erstgedachter Schrift fast nur der historische Standpunkt aufgefaßt, der bauliche Theil aber fast gar nicht berührt worden ist, in den beiden letzteren Schriften aber den vormaligen Klostergebäuden nicht diejenige nähere Beleuchtung gewidmet ist, die selbige nach ihrem Umfang und ihrer architektonischen Bedeutung wohl beanspruchen können. Es sind daher die nachfolgenden Zeilen weniger dazu bestimmt, weitere historische Nachrichten über dieses vormalige Kloster beizubringen, als vielmehr eine umfassendere Beschreibung der Klosterbauten in ihrem jetzigen, und muthmaßlich früheren Zustand zu liefern, um dadurch die Alterthumsfreunde näher mit diesem interessanten, leider nur zum geringen Theil noch erhaltenen Bauwerk bekannt zu machen und somit mittelbar auf die fernere Erhaltung dieses so vorzüglichen Zeugnisses frühester

 

 

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Kunstthätigkeit hinzuwirken 1). Bereits ist für selbiges ein lebhaftes Interesse rege geworden, und muß es dankbar anerkannt werden, daß demselben in neueren Zeiten auch von Seiten der betreffenden großh. Behörden diejenige Aufmerksamkeit und thätige Fürsorge gewidmet wird, die eine fernere Erhaltung und allmähliche Restauration desselben mit Sicherheit erwarten läßt.

 

Urkundliche Nachrichten über das vormalige Kloster:

 

Aus einer, in dem bekannten älteren Werk: Thuringia sacrap. 753, und in „Schultes' Directorium diplomaticum p. 302 abgedruckten Urkunde 2) geht hervor, daß eine Frau Bertha von Glizberk, Gemahlin Heinrichs des Markgrafen, sich im Jahr 1133 veranlaßt fand, unter Zustimmung ihrer Verwandten, Otto von Kirchberg und Luthold von Glizberk, zum Seelenheil ihrer Verwandten Damian und Ottilie und zur Ehre Gottes und der heiligen Jungfrau Maria ein Kloster für sieben adeliche Jungfrauen zu stiften, und als Baustätte einen der edlen Familie von Glizberk, oder Gleisberg, gehörigen Platz, südwestlich von der Stadt Bürgel, auszuwählen. Es gehörten die Dynasten von Glizberg, die gleichzeitig Besitzer des Orts Bürgel waren, zu den angesehensten Geschlechtern Thüringens, und wird bereits im Jahr 1030 eines Hermann von Glizberk urkundlich gedacht, sowie auch von einem Dynasten von Glizberk im Jahr 1036 das ansehnliche Schottenkloster in Erfurt gestiftet wurde. Das Stammschloß dieser Familie befand sich auf einem hohen, zwischen Jena und Dornburg

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1) In dem bekannten Werk „Systematische Darstellung der Entwickelung der Baukunst der Obersächsischen Länder vom X. - XV. Jahrhundert von Puttrich 1852 äußert sich der Verfasser über das fragliche Bauwerk in folgender Weise: „Die Klosterkirche zu Thalbürgel ist eins der ansehnlichsten Gebäude romanischen Stils, das Großartigkeit, Zierlichkeit und Pracht in nicht geringem Grade in sich vereinigt. S. 23.

2) Pia ex intentione commota Ego Bertha per inconsolabilem obitum Patrui Waltheri et Fratis Eckberti de Glitzberk post Inchoationem Monasterii Burgeliensis omnia bona hereditaria cum Consensu Nostrorum Consanguineorum Ottonis de Kirchberg et Lutholdi de Glitzberg pro remedio animarum Damiani et Ottiliae Parentum ibi sepultorum ad Inaugurationem VII piarum sororum Congregationem in Honorem Dei et S. Mariae Virginis proprietatis jure consecrari, Pax Domini Jesu Christi sit vobis qui voluntatem meam nullo tempore convelli permittunt, sanctissime Jesu Mercedem illis restituas in futuro. Anno M.CXXXIII die S. Georgi.

 

 

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gelegenen Berg, nordöstlich des Orts Kunitz, gelangte nach Aussterben dieser Familie in den Besitz der deutschen Kaiser, und kam endlich in den Besitz der Herzöge von Sachsen, während dem es im sog. Bruderkrieg zerstört wurde. Nur weniges Mauerwerk und einige Umwallungen bezeichnen dermalen noch die frühere Wohnstätte der vormaligen Herren von Glizberk.

 

Nachdem durch den Bischof Udo von Naumburg die Bestätigung des neuen Klosters Cisterzienserordens vom Pabst Innocenz II. eingeholt und solche vom deutschen Kaiser Lothar nach Diplom vom Jahr 1136 confirmiert worden war, wurde auch durch Vermittelung des Erzbischofs Adalbert von Mainz diesem Kloster der Schutz des Kaisers Friedrich im Jahr 1138 zugesichert.

 

Die Schutzgerechtigkeit über das Kloster wurde früher wohl von den Herren von Glitzberg besessen, gelangte nach dem Aussterben dieser Familie jedoch in die Hände der Markgrafen von Meißen und Landgrafen von Thüringen resp. der Herzöge von Sachsen, da nach einer im großh. geh. Staatsarchiv zu Weimar in Abschrift befindlichen Urkunde des Markgrafen Heinrich des Erlauchten vom Jahr 1253, derselbe seine Genehmigung zu einem von dem Kloster beabsichtigten Grundstücksverkauf ausspricht.

 

Nach Inhalt mehrerer Notizen, welche sich in den älteren Klosterregistern befinden und in dem bereits angezogenen Werk Thuringia sacra abgedruckt sind, ist der Bau der Klosterkirche im Jahr 1142 beendigt, die Ausführung der Wohn- und Wirthschaftsgebäude der Conventualen aber erst im Jahr 1150 bewirkt worden, worauf im Jahr 1172 durch den Abt Eborinus der Bau der beiden östlichen Thürme vorgenommen, und endlich im Jahr 1199 durch den Abt Hilarius die sog. Himmelspforte oder das Portal am westlichen Eingang erweitert wurde.

 

Weiter geht aus obengedachten Klosterregistern hervor, daß im Jahr 1449 das östliche Chor der Kirche erweitert, und im Jahr 1499 eine Capelle zu Ehren der heiligen Anna im nördlichen Thurme angelegt, auch im Jahr 1488 das zeitherige Nonnenkloster in ein Kloster für Benedictinermönche umgewandelt wurde, welche letztere Veränderung durch ein Diplom des Herzogs Wilhelm III. von Sachsen ihre Bestätigung erhielt. Aus einer großen Anzahl, theils in dem Werk Thuringia

 

 

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sacra, theils in dem großh. geh. Staatsarchiv zu Weimar in Abschrift befindlicher Urkunden ist ferner ersichtlich, wie während des langen Bestehens dieses Klosters demselben viele und reiche Geschenke an Grundstücken und Zinsen gemacht worden sind, und wie dadurch das Vermögen desselben sich auf eine ansehnliche Höhe erhob, sowie denn auch die Äbte des unter der Oberaufsicht des Bischofs von Naumburg stehenden Klosters ein bedeutendes Ansehen genossen, und in ihren schriftlichen Ausfertigungen sich des Eingangs „von Gottes Gnaden bedienten. Welche bedeutende Stellung dieses Kloster in der Kirchenwelt einnahm, dürfte übrigens auch daraus hervorgehen, daß noch in jetzigen Zeiten von der päbstlichen Gewalt Äbte von Burgelin ,,in partibus infidelium ernannt werden 1).

 

Von weiteren, die Schicksale des Klosters betreffenden Ereignissen liefern übrigens die obengedachten Urkunden nur eine sehr spärliche Ausbeute, und geben solche nur Kenntnis von verschiedenen Irrungen des Klosters mit nachbarlichen Privaten und Ortschaften, Verhandlungen mit dem Bischof zu Naumburg, sowie endlich die Namen und Amtirungszeit der achtzehn Klosteräbte, dessen vorletzter, ein Georg von Watzdorf, sich sehr um das Kloster verdient machte, und dessen letzter Abt Michaelis im Jahr 1524 von den aufrührerischen Bauern vertrieben wurde. Die Namen der Priorinnen sind nicht bekannt.

 

Nach einem fast vierhundertjährigen Bestehen dieses Klosters wurde dasselbe endlich von dem Kurfürsten Johann Friedrich dem Großmüthigen von Sachsen im Jahr 1530 aufgehoben, dessen Einkünfte zu Stipendien und Dotationen für Kirchen und Schulen bestimmt, und demnächst die vormalige Klosterkirche zur protestantischen Kirche für den Ort Thalbürgel und sieben eingepfarrte Ortschaften eingerichtet, wobei man die Bestimmung traf, daß die Unterhaltung der Kirchdachung der Herrschaft, die Instandhaltung des übrigen Kirchgebäudes aber von den sämtlichen eingepfarrten Gemeinden getragen werden solle.

 

Nachdem in jener Zeit wahrscheinlich der Chor mit Querschiff und Vorhalle eingelegt worden war, scheint die Einziehung der beiden Zwischendecken

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1) Nach einer im großherzogl. geh. Staatsarchiv zu Weimar befindlichen, mit dem Siegel des Klosters versehenen Urkunde befand sich auf selbigem die Abbildung des h. Georg, dem das Kloster gewidmet war.

 

 

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im Kirchschiff, sowie die Einlegung der beiden Abseiten und theilweise Zumauerung der Arkadenöffnungen, nach einem in selbigen befindlichen, mit der Jahreszahl 1581 bezeichneten Mauersteine zu urtheilen, erst in diesem Jahre vorgenommen worden zu sein, bei welcher Gelegenheit wohl auch die Herstellung der inneren Emporen, Kirchstände und Weiberstühle bewirkt worden sein mag. Von den Conventualengebäuden scheinen übrigens mehrere noch längere Zeit gestanden zu haben, da nach fol. 96b der etc. Gleichenstein'schen Schrift von dem Herzog Bernhard von Jena im Jahr 1675 die Erlaubnis erlheilt wurde, „Steine vom alten Klostergemäuer zum Bau einer neuen Kirche in dem ¾ Stunden westlich von Thalbürgel gelegenen Ort Kleinlöbichau zu verwenden.

 

Im allgemeinen konnte die Lage des ehemaligen Klosters als eine sehr günstige bezeichnet werden. Denn nicht allein besaß dasselbe eine freie, gesunde Lage auf einer mäßigen Anhöhe auf der Abendseite des Orts Thalbürgel, mit freundlichem Blick in den nahen Thalgrund und die bewaldeten Umgebungen, sondern es verbanden sich mit diesen Vorzügen auch noch die Vortheile eines festen Baugrundes und die Nähe guter Bausteine, sowie denn auch das nahe fließende Gewässer die Anlage der nöthigen Fischteiche und Mühlen gestattete.

 

Allgemeine Disposition der Klosterbauten.

 

Wie bei den meisten deutschen Klosterkirchen damaliger Zeit war auch hier die Kirche von Morgen nach Abend zu gestellt und dieselbe im allgemeinen nach dem Typus der älteren christlichen Kirchen in Basilikenform aufgeführt, wonach das mit gerader Balkendecke versehene Mittelschiff, Querschiff und Chor erhöht, die an ersteres sich anlehnenden Abseiten nebst östlichem Chorschluß aber niedriger gehalten und durch diese schon äußerlich in die Augen fallende Kreuzform der Haupttheile die symbolische Bestimmung des Bauwerks für den christlichen Cultus angedeutet wurde. Auch hier begann die Kirche auf der Abendseite mit der, die ganze Breite des Kirchschiffs einnehmenden Vorhalle, woselbst die Gläubigen sich zum Eintritt in das eigentliche Gotteshaus vorbereiteten, und die sonach den Übergang aus der äußeren weltlichen Umgebung in die Räume des inneren Gotteshauses bildete. An diese Vorhalle schloß sich auf der Morgenseite das Schiff der Kirche mit dem breiteren Mitteltheil und den beiden schmäleren und niedrigeren Nebenseiten,

 

 

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in welchen drei, durch zwei Arkadenstellungen getrennten, Räumen sich die Gläubigen während des Gottesdienstes aufhielten. Denselben Zweck hatte wohl auch das östlich anstoßende breitere Querschiff mit seiner mittleren Vierung, wenn schon dessen Räume wohl auch zu Aufstellung von Altären gedient haben mögen. Die Ecken zwischen dem Langschiff und Querschiff wurden durch zwei hohe Thürme eingenommen. Der Kopf des lateinischen Kreuzes wurde wie gewöhnlich durch den quadratisch geformten Chorbau mit dem Hochaltar gebildet, an den sich auf der Morgenseite eine große halbzirkelförmige Nische zu Aufstellung des Bischofsstuhls schloß. Den quadratischen Chortheil umgaben auf zwei Seiten kleinere, zu Aufstellung von Altären dienende, ebenfalls halbrund geschlossene Chortheile.

 

Auf der Südseite der Kirche lag das Cimeterium nebst dem dasselbe umgebenden Kreuzgang, an welchen sich auf drei Seiten die Wohngebäude für den Abt und die Conventualen anschlossen, wogegen die zum Kloster nöthigen Wirtschaftsgebäude nebst Hofraum auf der Abendseite der Kirche ihren Platz fanden. — Leider haben sich von der großen Anzahl der früheren Klostergebäude nur wenige und selbst diese in sehr veränderter Gestalt erhalten, weshalb es dermalen schwer ist, sich ein Bild der früheren großartigen Bauanlage des Klosters vergegenwärtigen zu können.

 

Nach diesen, die geistlichen und weltlichen Verhältnisse, sowie die allgemeine Disposition des ehemaligen Klosters betreffenden Notizen wenden wir uns zu der näheren Beschreibung der Kirche, und zwar zunächst zu der auf der Abendseite derselben gelegenen Vorhalle.

 

Die Vorhalle.

 

Wie aus den noch übrigen Theilen dieser Vorhalle zu entnehmen, bestand dieser zu Vorbereitung der Gläubigen und zu Aufnahme der für einige Zeit von dem kirchlichen Verbande ausgeschlossenen Personen dienende Raum, das sog. Paradies, aus einer größeren mittleren Halle von quadratischer Grundform, und aus zwei danebenliegenden schmäleren Räumen, die mit der mittleren Halle je durch drei ansehnliche Arkadenöffnungen verbunden waren.

 

In der Mitte der westlichen Umfassungsmauer dieser Vorhalle befinden sich noch die unteren Theile des nach dem Klosterhof zugehenden Haupteingangs der Kirche, neben welchen auch noch das große, zu Erhellung

 

 

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der nördlichen Nebenhalle dienende und aus zwei nebeneinanderliegenden, durch eine freistehende Säule getrennten Öffnungen bestehende Fenster vorhanden ist, dessen Gegenstück in der südlichen Nebenhalle wie letztere selbst sich jedoch nicht mehr erhalten hat.

 

Sowohl die an der oberen Schiffmauer nach der mittleren Vorhalle noch sichtbaren Mauerverzahnungen und die sehr starken Umfassungs- und Mittelmauern der Vorhalle, als auch der 2 Fuß starke Vorsprung der letzteren gegen die anstoßenden Schiff- und Abseitenmauern lassen nach Analogie mehrerer noch vorhandener Klosterkirchen damaliger Zeit vermuthen, daß die drei Vorhallen einen besonderen höheren Bau gebildet und aus zwei Stockwerken bestanden haben, was mit ziemlicher Sicherheit von dem mittleren Theile, mit Wahrscheinlichkeit aber von den Nebenhallen angenommen werden kann, da nur auf diese Weise ein gehöriger Zugang zu dem oberen Raum der mittleren Halle zu ermöglichen war. Doch dürfte es schwer sein, über die Anzahl und Formen dieser Oberstocke eine sichere Ansicht zu gewinnen, indem weder Zeichnungen oder sonstige Nachrichten über die frühere Gestalt der Kirche vorhanden sind, noch sonst die noch übrigen Gebäudetheile hierüber bestimmte Anhaltungspunkte zu geben vermögen 1).

 

In jeder der beiden starken Mauern zwischen der mittleren größeren Vorhalle und den beiden Nebenhallen zeigen sich drei offene Arkaden, deren jedoch, wie noch jetzt aus den Innenseiten der Nebenhallen zu ersehen, ursprünglich vier vorhanden waren, von denen aber die beiden östlichen Öffnungen nach der mittleren Vorhalle hin zugesetzt wurden, als später das in letzterer befindliche Portal erweitert worden ist. Danach waren diese Arkaden ursprünglich in der Weise disponiert, daß auf jeder Seite der Halle zwei durch einen Mittelpfeiler getrennte, und mit einem großen Bogen überspannte Bogenstellungen vorhanden waren, deren jede wieder aus zwei durch eine freistehende Säule gesonderte Öffnungen bestand. Aus zwei Kreuzgewölbeanfängen in der östlichen Mauer

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1) Obschon viele Klosterkirchen damaliger Zeit auf der Abendseite mit zwei Thürmen versehen sind, so lassen doch die in der Vorhalle unseres Klosters noch vorhandenen Untermauerungen durchaus nicht auf das Vorhandensein solcher Thürme schließen, wofür übrigens auch die kurze Zeit nach dem Bau der Kirche stattgefundene Aufführung zweier hohen Thürme auf der Ostseite der Kirche sprechen dürfte.

 

 

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der Vorhalle ist zu ersehen, daß die große mittlere Vorhalle mit einem halbkreisförmigen Kreuzgewölbe bedeckt war, wogegen die beiden Seitenhallen je durch zwei kleinere Kreuzgewölbe mit mittleren Gurtbogen ihre Bedeckung erhielten.

 

Obschon die mittleren Arkadenstellungen durch hohes Alter und längeren Mangel einer oberen Bedeckung zum Theil sehr gelitten haben, so sind dieselben doch noch soweit erhalten, um daraus die ebenso passende als reiche Ausschmückung dieser Bautheile ersehen zu können. Auf reich und kräftig profilierten Sockeln oder Basen stehen die vier Fuß starken mittleren Arkadepfeiler, deren Leibungen, wie die darüberstehenden halbzirkelrunden Bogen, nach beiden Seiten zu mit kleinen Ecksäulen versehen sind, zwischen denen in flachen großen Hohlkehlen starke, zu Dreiviertheil ihrer Stärke vorspringende Säulen hervortreten, deren jede mit attischer Base und reichgeschmücktem Capitäl in sog. Würfelform versehen ist, und deren Vorsprung sich wie die Rundungen der kleineren Ecksäulen in der Bogenleibung mit gleichmäßigem Wulste fortsetzt. Gewändeleibungen und Bogen werden durch ein kräftiges Kämpfergesims getrennt, dessen Profil die bekannte umgekehrte attische Basis zeigt.

 

Ein besonderer Reiz wird dieser Vorhalle durch die obenerwähnten beiden freistehenden Säulen zwischen den beiden westlichen Bogenöffnungen verliehen, von denen die nördliche jedoch ihrer früher darüber befindlich gewesenen Bogen beraubt ist und daher jetzt ganz isoliert dasteht. Dieselbe wurde zeither als Untertheil der nach der Reformation in der Kirche aufgestellten Kanzel benutzt und ist erst neuerlich wieder an ihrem früheren Ort aufgestellt worden. Jede dieser Säulen von kurzer und schwerer Form besteht aus einem kräftigen Postament, auf welchem die eigentliche Säule mit Fuß, Schaft und Capitäl ruht. Der Säulenfuß zeigt noch das in jener Stilepoche übliche steile attische Profil mit viereckiger Unterplatte, oberem und unterem Wulst und zwischenliegender starker Einziehung nebst den vier, dem romanischen Stil eigenthümlichen, von den Platten bis an den unteren Wulst reichenden Blattwinkeln, über welchen Fuß sich dann der oben 18 Zoll starke, nur mäßig hohe Säulenschaft mit oberer Verjüngung, jedoch ohne Ausbauchung erhebt. Auf diesem Säulenschaft ruht ein großes Capitäl in Form eines nach unten zu halbzirkelförmig auslaufenden Würfels, der daselbst durch

 

 

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einen Astragal begrenzt wird, dessen Obertheil aber seinen Schluß, und die zu Auflage der Archivoltebogen erforderliche Größe noch durch einen starken Auskragestein mit Platte erhält. Gleichwie dem romanischen Baustil gemäß durch ebenerwähnte untere Eckblätter eine ebenso zweckmäßige als ansprechende Basis für die Säule gewonnen wird, ebenso sind auch den vier oberen Ecken des Auskragesteins vier Blätter zu Sicherung gegen den Druck der darüberstehenden lastenden Bogen beigefügt. Die vier Seitenflächen dieser ziemlich schwerfälligen Capitäle zeigen die in jener Zeitepoche öfter vorkommende Verzierung eines in Bogenform herabhangenden, mit Perlenreihen umgrenzten Tuchs, unterhalb welcher Formen die in Rundung auslaufenden Flächen mit reichen Arabesken und Perleneinfassungen in gut disponierter Weise ausgefüllt sind.

 

Wie bereits oben bemerkt, wird der westliche Schluß der Vorhalle, und somit der ganzen Kirche, durch eine starke, aus Werkstücken construierte, 10 - 12 Fuß hohe Mauer gebildet, in welcher außer einem großen gekuppelten Fenster in der nördlichen Vorhalle auch noch die Überreste der vom Klosterhof in die mittlere Vorhalle führenden großen Thür sichtbar sind, deren doppelte, weit geöffnete Leibungen auf der Außenseite reiche romanische Gliederungen zeigen, die ihre frühere halbzirkelförmige Überwölbung aber verloren hat. Die Sohlbank dieser Thür liegt nicht im Niveau mit dem noch vorhandenen Fußboden der Vorhalle, sondern befindet sich solche um einige Fuß gegen letzteren erhöht, weshalb man früher mittels einiger Stufen von dem höher gelegenen äußeren Klosterhof in die Vorhalle hinabsteigen mußte. Welche Formen und Verzierungen die große westliche Giebelmauer besessen hat, läßt sich dermalen nicht mit Bestimmtheit angeben, da selbige von der Disposition der oberen Theile des Vorhallenbaues abhängig waren, hierüber aber, wie bereits bemerkt, keine sicheren Nachweise vorliegen. Aus gleichem Grunde läßt sich auch über das frühere Aussehen der Seitentheile der Vorhalle keine bestimmte Auskunft geben.

 

Auf der Morgenseite waren die drei Vorhallen durch eine Mauer von dem anstoßenden eigentlichen Kirchschiff getrennt, die sich zum größten Theil nur noch in der mittleren und südlichen Vorhalle erhalten hat, und in deren Mitte die einzige, aus der Vorhalle nach dem Kirchschiff

 

 

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führende Thür, das große Portal, noch vorhanden ist, und unter welchem ohnzweifelhaft die sogenannte Himmelspforte zu verstehen sein dürfte, die von dem Abt Hilarius im Jahr 1199 „extendiert wurde, da ein anderes großes Portal sonst nicht vorhanden war. Weil aber eine solche größere Portalanlage wegen der bereits vorhandenen Schiffarkaden nicht füglich nach der Innenseite des Schiffs zu gelegt werden konnte, so mußte dieselbe nach außen zu in der Vorhalle angebracht werden, was freilich die obengedachte Vermauerung der beiden anliegenden östlichen Arkadenöffnungen, sowie eine Beeinträchtigung der früheren symmetrischen Disposition der Vorhalle zur Folge hatte.

 

Gedachtes Portal verdient als der ausgezeichnetste Theil der ganzen Klosterkirche eine etwas nähere Beleuchtung.

 

Das Portal.

 

Ähnlich den Kirchportalen aus der Zeit des romanischen Baustils zeigt auch dieses Portal die, diesem und dem folgenden gothischen Stil ganz eigenthümliche Zurückstellung des eigentlichen Thürgestells mit der von innen nach außen sich erweiternden großen Mauerleibung, nebst der Anlage einer unteren lothrechten Mauerabstufung und einer darüber befindlichen halbzirkelförmigen Überwölbung, nur daß hier ungewöhnlich großartige Verhältnisse stattfinden und eine besonders reiche Ausschmückung in Anwendung kam. An die äußere flachgehaltene Gliederumrahmung schließen sich nemlich im Untertheil des Portals vier winkelrechte tiefe Absätze, in denen früher auf jeder Seite vier freistehende zierlich geformte Säulen standen, deren Capitäle bis unter ein reich gegliedertes Kämpfersims reichten, und oberhalb dessen die unteren Vertiefungsecken sich in winkelrechten halbzirkelförmigen Archivolten fortsetzten, die unteren Säulenrundungen aber in kräftigen Wulsten mit Zwischengliedern fortliefen.

 

Am inneren Schluß dieser Säulenstellungen treten auf beiden Seiten breite, mit Gliedern eingefaßte Gewände hervor, die zur Befestigung der breiten Thürflügel dienten und auf denen ein 10 Fuß langes, oben halbzirkelförmig geschlossenes Thürfeld ruht. Zur Unterstützung der erwähnten Portalsäulen und Mauerabsätze dient ein mit den einzelnen Säulenvertiefungen verkröpftes Basament, dessen verzierte Glieder durch die lang angehäuften Schutte sehr gelitten haben und sich daher dermalen in ziemlich ruinösem Zustand befinden.

 

 

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Von den sonst in den Portalabsätzen gestandenen acht Säulen ist, nachdem auch die beiden letzten in neueren Zeiten weggenommen und als Decoration einer Kiesgrubenöffnung im großh. Park zu Weimar aufgestellt worden sind, keine mehr vorhanden, was um so bedauerlicher erscheint, als diese Säulen durch ihre Anzahl und günstige Ausschmückung eine wesentliche Zierde dieses Portals ausmachten. Jede dieser 11 Fuß 4 Zoll hohen Säulen bestand nach Maßgabe der zwei noch vorhandenen aus einer unteren viereckigen Platte mit darüberliegendem Fußsims in Form des attischen Basenprofils, aus einem unten 12, oben 9 Zoll starken Schaft, aus einem Sandsteinstück, und aus einem nach unten rund auslaufenden Würfelcapitäl mit unterem Astragal und oberer Platte. Die Seitenflächen dieser Capitäle sind mit flachgearbeiteten Arabesken in mannigfachen Mustern verziert und bieten in ihren originellen phantastischen Formen wenn auch kein sehr effectvolles, doch ein mit den Umgebungen in Einklang stehendes Ansehen dar.

 

Über beiden Säulenstellungen zieht sich ein um die Mauervertiefungen und Thürgewände verkröpftes Kämpfergesims in umgekehrter attischer Basenform und trennt dadurch in kräftiger Weise den unteren lothrechten Theil des Portals von dem oberen mit halben Zirkelbogen geschlossenen Theil, sowie es zugleich dem letzteren ein schattenreiches, ausdrucksvolles Auflager gewährt. Über diesem Kämpfersims erheben sich nun, entsprechend den unteren Mauerecken und Säulenrundungen, die mächtigen halbzirkelförmigen Schlußbogen des Portals, indem solche bald in vortretenden Ecken, bald in kräftigen Wulsten die unteren Profile fortsetzen, zugleich aber mit passenden Zwischengliedern und effectvollen Einschnitten abwechseln.

 

Den inneren Schluß des Portals bildet das aus zwei breiten Thürgewänden und aus einem großen halbzirkelförmigen Thürfeld bestehende Thürgestell mit zweiflüglicher Eingangsthür in das Kirchschiff, gleichsam das Innere eines von breiten verzierten Rahmen umgebenen Gemäldes. Beide mit romanischem Gliederwerk verzierten Thürgewände stehen auf einer nur wenig über dem noch vorhandenen Fußboden erhobenen Sohlbank und dienen zu Tragung des an die halbzirkelförmigen Portalbogen sich anschließenden großen Thürfeldes (Tympanon), das bei 10 Fuß Länge und 5 Fuß Höhe aus einem Stück besteht. Um dasselbe

 

 

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zieht sich eine gut disponierte, den altgriechischen Formen sich nähernde Arabeskenverzierung, in deren Mitte auf einfachem Postament sich ein großes schmuckloses lateinisches Kreuz erhebt. Unterhalb des wagrechten Arabeskenzugs und Kreuzes zeigen sich noch die Spuren einer zum größten Theil verwitterten, nicht mehr leserlichen Schrift in lateinischer Majuskelform, die nach 12b der Gleichenstein'schen Schrift noch im Jahr 1729 folgenden Inhalt hatte:

 

Ad Portam Coeli prior est Haec Porta Fidelis
Haec est ablutis Batismate Porta salutis 1199.

 

aus welcher Inschrift die besondere Bedeutung hervorgeht, die früher sich an dieses Portal knüpfte.

 

An die obengedachten zwei Thürgewände sind mittels sechs eiserner, in eigenthümlich geformte Verzierungen auslaufender Bänder zwei Thürflügel von gewöhnlichen starken Bohlen befestigt, an denen auf den ersten Blick nichts besonderes zu bemerken und bei denen man zweifelhaft wird, ob solche trotz ihres sichtbar hohen Alters wirklich noch die ehemaligen Thüren dieses so reich verzierten Portals sind. Dieser Zweifel schwindet jedoch bei näherer Betrachtung der Thür selbst, indem hinter einzelnen Stellen der augenfällig sehr alten Thürbänder sich noch Spuren von starkem Pergament mit Farbenresten vorfinden, wodurch es höchst wahrscheinlich wird, daß die jetzige gewöhnliche Thür nur als glatte Unterlage für das darauf befestigte Pergament gedient hat, letzteres aber in angemessener Weise mit farbigen Malereien verziert war. Durch eine solche Thürdecoration war dann eine Übereinstimmung derselben mit der reichen Umfassung hergestellt und dürfte bei früherer Vollständigkeit des Portals diese Thürmalerei allerdings in günstiger Übereinstimmung mit den kräftig-farbigen Steinquadern des Portals gestanden haben.

 

Aus obigen Andeutungen dürfte zu entnehmen sein, daß das ebenbeschriebene Portal bezüglich seiner Massendisposition und Decoration der Einzelheiten in der That als ein sehr bemerkenswerthes Bauwerk bezeichnet werden kann, und daß solches daher in seiner früheren Vollständigkeit ein ebenso würdiges als ansprechendes Ansehen dargeboten haben mag. Denn wenn überhaupt schon die romanischen Portalanlagen durch die tiefe, breite Abfassung ihrer Leibungen und durch die Fülle

 

 

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der ruhigen halbzirkelförmigen Archivolten eine vorteilhafte Form darboten, so mußte solche bei diesem Portal durch die ungewöhnlich großen Dimensionen und den besonderen Reichthum seiner Verzierungen noch mehr gewinnen, weshalb denn auch dieselbe selbst in seinem jetzigen unvollkommenen Zustand noch immer ein sehr vortheilhaftes und imposantes Ansehen gewährt. Sehr wird dieselbe noch durch die vorzügliche Ausführung gehoben, da solche in der That von großer Sorgfalt und technischer Fertigkeit Zeugnis gibt, und auch die verwendeten Sandsteinwerkstücke die den großartigen Formen entsprechenden Größenverhältnisse besitzen.

 

Nach der erst in neuerer Zeit erfolgten Wegschaffung der vor dem Portal aufgehäuften Schutte und Aufgrabung der nördlichen Vorhalle hat sich auch der ursprüngliche Fußboden dieser Räume vorgefunden, wogegen der Raum der ehemaligen südlichen Vorhalle, nach Entfernung eines daselbst gestandenen Backhauses, in ein Gärtchen umgewandelt wurde, dessen südliche und westliche Umfriedigung jetzt durch einen Holzzaun gebildet wird. Wie bei dem hohen Alter dieses aus Sandsteinplatten bestehenden Fußbodenpflasters zu erwarten, befindet sich solches dermalen in ziemlich ruinösem Zustand. Im nördlichen Theile desselben hat sich noch eine größere Grabsteinplatte ohne Inschrift erhalten, die vor kurzem geöffnet wurde und wobei sich unter dieser Platte und einer auf Weidengeflecht ruhenden starken Gypslage die Gebeine eines Leichnams, jedoch ohne sonst weitere Gegenstände, vorgefunden haben. Ebenso wurde im Fußboden der mittleren Vorhalle ein von außen nicht besonders bezeichnetes Grabmal mit darin befindlichen Gebeinen vorgefunden, das aus keiner Ummauerung, sondern aus ganzen Steinen bestand, und eine oben breite, nach unten sich verjüngende Form besaß, welche Sargform bekanntlich auf ein sehr hohes Alter schließen läßt, und in dieser Weise sich auch bei den alten Grabmälern der Wettinschen Familie in dem früheren Peterskloster bei Halle vorgefunden hat. An welcher Stelle sich die Grabstätte des im Jahr 1436 verschiedenen Abts Ehrhard befindet, dessen in der Gleichenstein'schen Schrift mit dem Bemerken Erwähnung geschieht, „daß solches im Jahr 1680 geöffnet und dieser Abt mit gar kostbarem Habit gleich am Eingang gefunden, bleibt

 

 

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unbestimmt. Die beiden erstgedachten Gräber sind übrigens demnächst sorglichst wieder in ihren früheren Zustand versetzt worden.

 

Wie bereits oben gedacht und wie sich aus den noch vorhandenen Gewölbeanfängen in den Ecken der mittleren und Nebenhallen mit Bestimmtheit entnehmen läßt, war früher die mittlere Vorhalle mit einem halbzirkelförmigen Kreuzgewölbe quadratischer Grundform, jede der Nebenhallen aber mit zwei, durch einen Quergurt getrennten Kreuzgewölben aus leichten Tuffsteinen bedeckt, weshalb denn die Gewölbefelder früher jedenfalls mit Kalkputz versehen und nach Analogie ähnlicher Vorhallen mit passenden Malereien geschmückt waren. Das nächste Motiv zur Überwölbung der mittleren Vorhalle lag wohl zunächst in dem dadurch erzielten sicheren Fußboden des Oberstocks, doch mag dabei wohl auch die damit gewonnene passende Umgrenzung des nach oben halbzirkelförmig geschlossenen Portals mit eingewirkt haben? Mit der Überwölbung der mittleren Halle stand aber aus constructiven und ästhetischen Rücksichten die Überwölbung der beiden Nebenhallen in naher Verbindung.

 

Kann übrigens schon aus den ungewöhnlich starken Vorhallenmauern auf deren Bestimmung zur Tragung eines Oberstocks des Vorhallenbaues geschlossen werden, so läßt sich die frühere Existenz eines solchen, wenigstens über der mittleren Vorhalle, auch noch aus den vorhandenen Überbleibseln eines Gurtsimses auf der Morgenseite der über dem Portal stehenden Giebelmauer des mittleren Kirchschiffs entnehmen, da dieser Gurtsims wohl als Brüstungsschluß einer offenen Arkadenstellung in einem Raume diente, woselbst ehemals sich die Nonnen während des Gottesdienstes in der Kirche ungestört aufhielten, wie solches in ähnlicher Weise noch in der Klosterruine zu Paulinzelle sichtbar ist und auch an anderen älteren Klosterkirchen vorgefunden wird. Ein anderer Zweck gedachten inneren Gurtsimses dürfte schwer zu finden sein. Zu diesem Nonnenchor gelangte man wahrscheinlich durch eine auf der Mittagseite desselben angebrachte Thür, an welche Seite ein Klostergebäude mit den Zellen der Conventualen grenzte, dessen Existenz sich noch aus einer dicht an die Kirche stoßenden großen, mit kleinen Zellenfenstern versehenen Mauer entnehmen läßt.

 

Durch die erst in neuerer Zeit bewirkte Aufräumung der Vorhalle

 

 

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von Schutt und hohem Gesträuch, sowie durch die hierauf erfolgte mäßige Wiederinstandsetzung dieser Räume mittels Ergänzung des Mauerwerks, Aufstellung der nördlichen Arkadensäule, Bedeckung des Portals u. s. w. hat die Vorhalle so ziemlich wieder ihre frühere räumliche Ausdehnung gewonnen; doch bleibt es bedauerlich, daß die zu diesen Baulichkeiten angewiesenen Mittel nicht auslangend waren, um auch die Restauration des Portals und der nördlichen Arkaden bewirken zu können, wodurch, nebst der Wiederaufstellung der beiden früher weggenommenen Portalsäulen, die Vorhalle einigermaßen wieder ihr früheres Ansehen gewonnen haben würde.

 

Bezüglich des dermaligen baulichen Zustandes der Vorhalle ist noch zu gedenken, daß die mehr oder weniger erhaltenen Mauern derselben dermalen keine schützende Bedeckung besitzen, sondern einen unregelmäßigen ruinösen Zustand zeigen, daß jedoch das in die mittlere Vorhalle eingreifende, bis vor kurzem ebenfalls unbedeckte und von Gesträuch durchwucherte Portal neuerdings eine schützende Bedachung erhalten hat, wonach denn wenigstens dieser Haupttheil der alten Klosterkirche gegen fernere Zerstörung gesichert ist.

 

Das Mittelschiff mit Abseiten.

 

An die westliche Vorhalle stößt unmittelbar das große Kirchschiff, eine sog. Pfeilerbasilika, das aus einem noch stehenden hohen Mittelschiff von 136ʹ Länge, 34ʹ Breite und 54½ʹ Höhe besteht, an das sich auf jeder Seite ein, durch Pfeilerarkaden mit ersterem verbundenes Nebenschiff (Abseite) von je 107ʹ Länge, 15½ʹBreite und 24ʹ Höhe anlehnte, die beide jedoch dermalen nicht mehr vorhanden sind. Das Kirchschiff war in der Art disponiert, daß die wagrechten Deckengebälke der beiden Abseiten noch über den Arkadenbogen des Mittelschiffs lagen, und die einseitigen Abseitedachungen bis zum Untertheil der in den oberen Schiffmauern angebrachten Fenster reichten, deren Anzahl und Größe auslangend war, um dem mittleren Kirchschiff das gehörige Licht zu verschaffen. Leider ist diese ursprüngliche, durch Abwechselung der Formen und klare Darstellung des baulichen Zwecks vortheilhaft in die Augen fallende Anlage dermalen nur in sehr unvollständiger Weise noch vorhanden, indem nach Säcularisation des Klosters und demnächstiger Aptierung der ehemaligen Klosterkirche für den protestantischen Gottesdienst dieselbe einer totalen Umwandlung unterworfen wurde, wobei nicht

 

 

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allein die beiden Abseiten bis auf das Grundwerk gänzlich abgebrochen, die nach denselben ausmündenden unteren Arkadenöffnungen der mittleren Schiffmauern bis zum Kämpfersims der ersteren zugemauert und die oberen halbzirkelförmigen Arkadenöffnungen mit Fenstern ausgesetzt wurden, sondern auch das frühere hohe Mittelschiff in sehr störender Weise durch zwei eingezogene Zwischengebälke bis zum Scheitel der letztgedachten Fenster erniedrigt worden ist. Es fällt daher schwer, sich jetzt ein deutliches Bild des früheren Zustandes dieses Kirchschiffs zu machen, das, wie aus der nachfolgenden Beschreibung näher hervorgehen dürfte, sich durch Großartigkeit der baulichen Anlage und angemessene Ornamentierung deren einzelner Theile sich in früherer Vollständigkeit sehr vortheilhaft dargestellt haben mag.

 

Um ebensowohl den mittleren hohen Kirchschiffmauern die gehörige Stabilität zu verschaffen und die Nebenhallen in Verbindung mit dem Mittelschiff zu bringen, als auch für die in den Abseiten befindlichen Kirchgänger den nöthigen Überblick nach dem auf der Morgenseite der Kirche stehenden Hochaltar zu gewinnen, sind in dem Untertheil jeder dieser Mittelmauern sieben große Arkadenöffnungen angebracht, die durch sechs freistehende, 6ʹ lange, 3½ʹ breite Pfeiler und zwei halbe Seitenpfeiler mit darüber befindlichen Bogen gebildet werden, wobei aber nicht, wie in älteren romanischen Kirchen üblich, Pfeiler mit freistehenden Säulen abwechseln oder Säulen allein angebracht sind, sondern nur Pfeiler in gleichmäßiger Form und Entfernung sich fortsetzen. Letztere bauliche Disposition möchte indessen als ein besonderer Vorzug des in Rede stehenden Bauwerks anzusehen sein. Denn wenn auch zugegeben werden kann, daß die früher üblichen Säulenstellungen eine minder gehemmte Verbindung des Mittelschiffs mit den beiden Nebenhallen ermöglichten, und die Säulenstellungen an sich allerdings ein freieres Ansehen als die stärkeren Pfeiler darboten, so wurde dagegen durch die Pfeilerstellungen ein günstigeres, den unteren Tragkräften und der oberen Mauerlast entsprechendes Ansehen gewonnen, zumal dabei hier noch die schweren Pfeiler durch Abfassungen der Ecken und reiche Gliederungen ein leichteres Ansehen erhielten. Es besteht nemlich jeder einzelne Pfeiler zunächst aus einem unteren starken Basament mit unterer Platte und oberer breiten Abfassung, über welchen sich der hohe oblonge Pfeilerschaft

 

 

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erhebt, dessen abgeschrägte Ecken sechs starke Klebesäulen zeigen, die mit Sockelsimsen und verzierten Capitälen versehen sind. Der Obertheil der Arkadenpfeiler wird durch ein kräftiges Kämpfergesims mit oberer Platte, Wulst, Einziehung und unterem schmäleren Wulst nebst Zwischengliedern bekrönt, das auch über den vorstehenden Kuppelsäulen wegläuft und daselbst mit winkelrechten Verkröpfungen versehen ist. Auf diesem stark ausladenden Sims erheben sich nun die mächtigen Pfeilerbogen in halber Zirkelform, und zwar mit denselben architektonischen Gliedern und Profilen, wie solche an den unteren Pfeilern bemerklich sind, so daß jede der Rundungen der unteren Halbsäulen sich in Form eines starken Wulstes in den Archivolten fortsetzt.

 

Es ist sonach auch bei dieser Pfeileranlage das bei romanischen Fenstern und Thüren übliche Princip der auf beiden Seiten sich öffnenden Leibungen festgehalten, das mit der Verhinderung von Beschädigungen an den winkelrechten Ecken, auch noch eine belebte Ansicht und erleichterte Durchsicht nach der Chornische und dem Hochaltar verband. Dieses so vortheilhafte, von der antiken und modernen Bauweise ganz abweichende Princip fand übrigens bereits bei den romanischen Bauten stete Anwendung und entwickelte sich später als charakteristisches Kennzeichen des sogenannten gothischen Baustils.

 

Leider wurden durch die obenerwähnten Vermauerungen der Untertheile der Arkaden auch die, in den verschiedenartigsten Mustern gebildeten Capitäle der 84 noch vorhandenen Halbsäulen zum großen Theil versteckt, weshalb die ersteren nur wenig oder doch in sehr unvollkommener Weise noch zur Evidenz gelangen. Die fraglichen Arkaden gehen jedoch nicht bis zum Kreuz oder Querschiff der Kirche, sondern es setzt sich das Kirchschiff bis dahin durch zwei, 22ʹ lange, durch die im Jahr 1174 eingebauten Thürme gebildete Mauerflächen fort, die ebenfalls bis zur Schiffdecke reichen und unten durch zwei große Bogenhallen belebt, oben aber durch zwei mächtige, auf Kämpfersimsen ruhende Gurtbogen begrenzt werden.

 

Von den die Arkadenpfeiler deckenden Kämpfersimsen steigen zwischen den Untertheilen der Archivolten lothrechte, durch Platte und einige Glieder gebildete Lesinen bis zu einem in mäßiger Entfernung über den Archivolten angebrachten Gurtsims heran, unter welchem auf der Nordseite

 

 

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ein mit reichen Arabesken verzierter Steinfries in mehrfachen Mustern angebracht ist, wogegen auffallenderweise auf der Südseite nur ein Gurtsims ohne solchen verzierten Fries sichtbar wird. Durch diese, dem mittleren romanischen Baustil eigenthümliche Lesinenverzierung oder Umrahmung der Archivolten wird zwar den beiden noch ganz erhaltenen Arkadenstellungen ein weiterer, sehr ansprechender Schmuck verliehen, doch kann nicht in Abrede gestellt werden, daß dadurch die unteren Theile der Schiffmauern einigermaßen in Mißverhältnis zu den Obertheilen dieser Innenwände kommen, da oberhalb der gedachten reichen Archivolten und Umrahmungen die Mauerflächen ganz glatt ohne jede Verzierung bis zur Decke des Kirchschiffs hinaufgehen, und solche nur auf jeder Seite durch acht große Fenster belebt werden. Indessen möchte dabei zu berücksichtigen sein, daß eine den unteren Theilen analoge reiche Verzierung der oberen Theile dieser Wände deshalb weniger geboten erschien und daher wohl auch nicht angebracht wurde, weil solche bei der bedeutenden Höhe des Kirchschiffs von 54½ʹ und bei dem kurzen Sehwinkel vom Kirchfußboden aus doch nur sehr unvollständig ins Auge gefallen sein würde, auch die oberen Wände bereits durch die ziemlich großen Fenster mit breiten, nach innen sich erweiternden Leibungen ziemliche Belebung besaßen. Es wäre jedoch möglich, daß die leeren Wandflächen zwischen den Archivoltenumrahmungen und Fenstern, der romanischen Ornamentierung gemäß, ursprünglich mit Wandgemälden verziert waren, obgleich sich von solchen dermalen gar keine Spur vorfindet und die Wandflächen nur die rein bearbeiteten Werkstücke in ihrer ansprechenden Naturfarbe zeigen. Indessen mögen selbst diese einfach behandelten Mauerflächen deshalb früher ein vortheilhaftes Ansehen dargeboten haben, weil die Fugen der großen Steine in wagerechten Linien durchlaufen und die Stoßfugen der winkelrecht bearbeiteten Werkstücke überall einen regelrechten Verband zeigen.

 

Wenn sonach die oberen Theile dieser Innenwände eine große Einfachheit besitzen und auch die mit halben Zirkelbogen geschlossenen Fenster nur mit breiten schrägen Leibungen ohne weitere Verzierungen versehen sind, so sind dagegen die Außenseiten und Fenster der oberen Theile des Kirchschiffs mit mehr Schmuck bedacht worden. Denn nicht allein sind die in ansprechenden Verhältnissen geformten, 3 Fuß breiten,

 

 

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9 Fuß hohen Fenster mit einer starken Gewandungsverbreitung und kräftiger Wulstverzierung umrahmt, sondern es ist auch jedes zwischen den Fenstern liegende Wandfeld durch eine vor der Mauer stark vortretende, auf einem vorspringenden Gurtsims stehende Halbsäule mit Sockeln und Capitälen geschmückt; auf welchen letzteren dann ein das Ganze kräftig schließender Bogenfries in bekannter romanischer Form aufruht, der dem aus Werkstücken bestehenden Dachsims als Unterlage dient.

 

Wo die unteren Enden dieser mit Gliederwerk umrahmten Bogen nicht auf den Halbsäulchen selbst aufruhen, sind solche unten mit kleinen Consolen oder durch Menschenköpfe geschlossen, wodurch der ganze Fries eine sehr belebte und ansprechende Form gewinnt, sowie denn überhaupt der Außenseite dieses Bauwerks durch dieses in seinen Elementen einfache, in seiner Ganzheit jedoch reiche Gesims ein ebenso eigenthümlicher als vortheilhaft in die Augen fallender Schluß nach oben verschafft wird. Wie bekannt, bildet dieser, aus mehr als halbzirkelförmigen fortlaufenden Bogen bestehende Fries ein charakteristisches Element des romanischen Baustils, und scheint sich solches aus dem älteren lombardischen Dachsims mit kleinen Consolen und darauf ruhenden wirklichen Bogen entwickelt zu haben. Diese ganze Wanddecoration gewährt übrigens umsomehr ein zwar ernstes, jedoch günstiges Ansehen, als erstere sich auf den glatten Mauerflächen gehörig abhebt und auch diese Wandtheile, wie im Innern, aus großen regelrechten Quadersteinen construiert sind.

 

Gedachte äußere Wandseiten haben sich im allgemeinen noch gut erhalten, doch sind durch die vieljährige Einwirkung der Nordwestwinde die Steine der nördlichen Front insofern etwas afficiert worden, als solche eine dunkelgraue finstere Farbe angenommen haben, wogegen die Steine auf der südlichen Front noch ganz ihre ursprüngliche helle Farbe zeigen.

 

Bei der an diesem Bauwerk sonst bemerkbaren künstlerischen Behandlung der baulichen Formen, sowie bei sonstiger consequenter Durchführung des romanischen Baustils muß es daher überraschen, daß die beiden Frontwände des Kirchschiffs in einzelnen Theilen verschieden von einander aufgeführt worden sind. Während nemlich die unteren Arkaden sich auf beiden Seiten ganz gleich gestalten, sind nicht allein die Oberfenster der Nordseite mit halben Zirkelbogen, diejenigen auf der

 

 

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Südseite aber mit flachen Spitzbogen geschlossen, und dem südlichen Bogenfries eine größere Bogenanzahl als auf der Nordseite gegeben, sondern es ist auch, wie bereits erwähnt, der innerliche nördliche verzierte Fries auf der Südseite ganz weggelassen worden. Es dürfte allerdings schwer sein, über die Motive dieser auffallenden Verschiedenheiten eine genügende Aufklärung zu geben, da auch der von etc. Lepsius und etc. Puttrich dafür angenommene Grund einer späteren Wiederaufführung der südlichen Frontmauer nach einem Brand der Kirche und zwar bereits zur Zeit des in Aufnahme gekommenen gothischen Baustils deshalb nicht als auslangend betrachtet werden kann, weil einestheils die allgemeine Construction beider Mauerseiten in Arbeit und Material ganz dieselbe ist und auch sonst constructive Bedenken einer solchen einseitigen Maueraufführung entgegentreten, anderntheils aber die Glieder um die südlichen Fenster ebenso wie die auf der nördlichen Seite behandelt sind, auch der darüber befindliche Fries, mit Ausnahme der vermehrten Bogen, dieselben Formen wie auf der Nordseite zeigt.

 

Allem Vermuthen nach beruht die verschiedene Behandlung der beiden Mauerseiten vielmehr darin, daß während des mehrjährigen Baues der Klosterkirche die südliche Mauer etwas später als die nördliche aufgeführt wurde, wobei, wie bei romanischen Bauten öfter vorkommt, von dem Baumeister Abänderungen beliebt und damals schon bekannte gothische Formen eingeflochten wurden, wenn nicht, wie von etc. Lübke in seiner Geschichte der Architektur bemerkt wird, solche Verschiedenheiten der beiden Frontseiten ihren Grund in einer symbolischen Bedeutung dieser Seiten und in der verschiedenen Benutzung der zugehörigen beiden Abseiten haben. Übrigens wurde bei romanischen und gothischen Bauwerken eine zu strenge Beobachtung symmetrischer Formen nicht befolgt und kommen dergleichen Abweichungen bei solchen Bauten häufig vor.

 

Eine ähnliche, ebenfalls mit den architektonischen Regeln nicht ganz übereinstimmende Unregelmäßigkeit äußert sich darin, daß die Mittel der oberen Fenster nicht mit den Mittelachsen der darunterstehenden Arkadenöffnungen schneiden, indem sich bei acht Fenstern nur sieben Arkadenöffnungen vorfinden, mithin die resp. Mittel nicht aufeinander treffen. Doch mag diese, jetzt allerdings sehr bemerkbare Unregelmäßigkeit

 

 

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früher deshalb weniger fühlbar gewesen sein, weil bei den sehr hoch liegenden Fenstern und der ziemlichen Mauerfläche zwischen Arkaden und Fenstern ein scharfer Vergleich der beiden Achsen nur schwer vorgenommen werden konnte, von außen aber die inneren Arkaden wegen der vorstehenden Abseiten nicht gesehen werden konnten, und die in letzteren befindlichen kleineren, den Arkadenöffnungen correspondierenden Fenster äußerlich nicht direct mit den höher und mehr zurückgelegenen oberen Fenstern in Vergleich kamen. Das Motiv dieser ungewöhnlichen Disposition dürfte wohl darin seine Erklärung finden, daß bei einer regelrechten Achsenstellung der Arkaden und oberen Fenster die letzteren dann in eine zu weite und ungünstig aussehende Entfernung von einander gekommen sein würden, sowie denn auch durch eine Verminderung der oberen Fenster von 16 auf 14 Stück die Erleuchtung des Mittelschiffs wesentlich beeinträchtigt worden wäre.

 

Bezüglich der westlichen Giebelmauer des Mittelschiffs oder der östlichen Mauer der Vorhalle oberhalb des obengedachten Hauptportals ist noch folgendes zu gedenken. Es wurde bereits oben bemerkt, daß der untere Theil dieser Mauer bis zur Brüstungshöhe über dem Deckgewölbe der Vorhalle mit einer offenen Arkade zwischen Kirchschiff und Nonnenchor versehen war. Diese frühere, jedenfalls günstig in die Augen fallende Arkadenstellung ist leider jetzt nicht mehr vorhanden, sondern es ist, wahrscheinlich bei Gelegenheit der Wegnahme des Oberstocks über der Vorhalle, die jetzige, bis zum Dach reichende Giebelmauer aufgeführt worden, die dermalen den westlichen Schluß der Kirche bildet, und bei ihrer ganz gewöhnlichen Construction aus kleinen Bruchsteinen und bei gänzlichem Mangel äußerer Decoration in grellem Contrast zu den beiden anstoßenden verzierten Langseiten des Kirchschiffs steht.

 

Der obere Schluß des ganzen Mittelschiffs wurde, wie jetzt noch, durch eine gerade Holzdecke und nicht durch ein Steingewölbe gebildet, wofür, außer dem gänzlichen Mangel jeder Gewölbanfänge und der, wegen geringer Mauerstärke der Schiffmauern sonst nöthig gewesenen äußeren Strebepfeiler und Widerlagsbogen, auch noch die Analogie ahnlicher Klosterkirchen zu Paulinzelle, Petersberg, Kloster-Lausnitz u. a. spricht, und wie solches überhaupt bei den romanischen Basilikenkirchen üblich war. Doch möchte nicht zu verkennen sein, daß durch eine Überwölbung

 

 

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des mittleren Kirchschiffs statt der geraden Decke das innere Ansehen der Kirche sehr gewonnen haben würde, da hierdurch eine mehr organische Verbindung der unteren und oberen Theile gewonnen und damit das Mißverhältnis zwischen den hohen Obermauern und unteren durchbrochenen Arkaden gemildert worden wäre, wie solches bei mehreren überwölbten Kirchen damaliger Zeit deutlich zu Tage tritt. Da sowohl die beiden später eingelegten Zwischenbalkenlagen, als auch die oberste, den früheren Schluß der Kirche bildende Dachbalkenlage neueren Ursprungs sind, so ist dermalen die frühere Construction und Decoration der letzteren nicht mehr mit Sicherheit zu bestimmen, und bleibt es zweifelhaft, ob die noch in der Kirche des ¾ Stunden von Thalbürgel entfernten Orts Taupadel befindlichen Deckenbalken Theile der vormaligen Klosterkirche sind, zu welcher ersteren, im Jahr 1678 neu erbauten Kirche nachweislich Materialien der alten Klosterkirche Burgelin verwendet wurden, und welche Balken allerdings durch das an selbigen bemerkliche eigenthümliche Schnitzwerk auf ein sehr hohes Alter hindeuten. Nach Maßgabe noch vorhandener Kirchendecken damaliger Zeit waren wohl auch hier die Felder zwischen den vortretenden verzierten Balken durch eingeschobene starke Bohlen ausgefüllt und diese Balkenfelder wieder durch gekehlte Querleisten in einzelne Quadrate oder Füllungen abgetheilt.

 

Wie die oberste Balkendecke über dem mittleren Kirchschiff, ist auch das darüber befindliche Dachwerk nicht mehr das ursprüngliche, sondern läßt solches durch Construction und Beschaffenheit der Hölzer die Spuren späteren Ursprungs erkennen. Weil aber bei einer, wegen schadhaften Dachwerks nothwendig gewordenen Erneuerung desselben doch wohl die alten Dachziegeln wieder verwendet worden wären, liegt die Vermuthung nicht fern, daß bei der im Jahr 1572 durch Blitzstrahl veranlaßten Einäscherung des nördlichen Thurmaufsatzes auch das übrige Dachwerk des Mittelschiffs nebst dessen Hohlziegelbedeckung mit vom Brand zerstört und demnächst das Dachwerk nebst Ziegelbelag erneuert worden sei, wobei das Dach die dermaligen Giebelabwalmungen erhielt und die früher üblichen Hohlziegel, von denen sich in dem umgebenden Bauschutte viele Überbleibsel vorfinden, durch Plattziegel ersetzt worden sind. Allem Vermuthen nach besaß das frühere, in gleichmäßiger

 

 

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Forsthöhe über dem Mittelschiff, Querschiff und Chor fortgehende Dachwerk die jetzige mäßige Dachhöhe, wie solche, als Reminiscenz an ihren italienischen Ursprung, an den meisten Bauwerken romanischen Stils bemerklich ist.

 

Um den beiden neben dem Mittelschiff gelegenen Abseiten die gehörige Höhe zu geben, ohne dadurch die oberen Kirchfenster ungebührlich hinaufzurücken, war, wie sich aus den an den anstoßenden Thürmen eingehauenen Dachleistenvertiefungen erkennen läßt, den Dachungen auf den Abseiten eine flächere Rösche als auf dem Dach des Mittelschiffs gegeben.

 

Als man nach Säcularisation des Klosters die zugehörige Kirche für den protestantischen Gottesdienst der Gemeinde Thalbürgel und noch sieben anderer eingepfarrten Gemeinden einrichtete, wurde das Mittelschiff dieser Kirche zu diesem Zweck als auslangend erachtet, und wurden deshalb außer dem Obertheil der Vorhalle, dem Querschiff, Chor, Kreuzgang u. s. w. auch die beiden Abseiten eingelegt, zugleich aber, um der Kirche den äußeren Schluß und die erforderliche Höhe zu geben, die zeither offenen Arkaden (nach einer in einem Stein noch vorhandenen Jahreszahl wahrscheinlich im Jahr 1581) bis zum Kämpfersims zugemauert und eine untere Balkendecke eingezogen. Man würde übrigens die Größenverhältnisse dieser Abseiten jetzt kaum noch bestimmen können, wenn nicht neben gedachten Dachröschenvertiefungen an den Thürmen auch noch die vorhandenen Lageröffnungen der Abseitenbalken und endlich das vorhandene Grundwerk jetzt noch einen sicheren Nachweis über die Ausdehnung und Formen dieser Nebenbauten abzugeben vermöchten. Danach waren diese 107½ʹ langen, 25½ʹ breiten und 24ʹ hohen Abseiten nach außen mit einer 3ʹ starken Mauer geschlossen und besaßen, wie das mittlere Kirchschiff, gerade Balkendecken, über denen sich die einseitigen Dachsparren bis zum Untertheil der oberen Schifffenster erstreckten, woselbst deren Anfallpunkte unter einem vorspringenden Fenstergurtgesims eine sichere Auflage fanden. Wenn nun auch die geraden Balkendecken im Schiff und Nebenhallen noch nicht auf das Nichtvorhandensein einer Überwölbung der letzteren schließen lassen und die Abseiten vieler romanischen Kirchen mit gerader Schiffdecke, mit Steingewölben bedeckt sind, so ist eine Überwölbung derselben hier doch deshalb

 

 

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nicht anzunehmen, weil sich an den noch vorhandenen Arkadenpfeilern nirgends Spuren von solchen Gewölben vorfinden, und ein besonderer Grund zu einer solchen Bedeckung hier nicht vorlag.

 

Welche Decorationen die Außenmauern der Abseiten gehabt haben, ist zwar dermalen nicht genau zu bestimmen, doch läßt sich nach Analogie der übrigen Bautheile und ähnlicher Kirchanlagen damaliger Zeit vermuthen, daß solche mit kleinen halbzirkelförmig geschlossenen Fenstern versehen waren, zugleich aber außer einem Sockelsims wohl auch einen oberen Bogenfries mit Dachsims, vielleicht auch Wandsäulenstellungen, wie am oberen Mittelschiff, besessen haben. Um den Blick von innen nach außen zu beschränken, waren die Abseitefenster wohl, wie üblich, ziemlich hoch über dem Fußboden angebracht, sowie denn selbige dem romanischen Baustil entsprechend und im Sinne des damaligen katholischen Ritus, zu Gewinnung einer inneren feierlichen Dämmerung nur mäßig groß, jedoch des besseren Ansehens wegen gleich den oberen Fenstern mit breiten inneren und äußeren Leibungen umrahmt gewesen sein mögen.

 

Aus den Seitenräumen der Vorhalle führten früher keine Thüren nach den Abseiten, dagegen fand, wie sich noch jetzt zeigt, eine Passage aus der nördlichen Abseite nach dem anstoßenden Thurm und von da nach dem Querschiff statt, sowie denn auch von der südlichen Abseite aus eine Communication mit dem anstoßenden Kreuzgang vorhanden gewesen sein mag, was sich jedoch erst nach Untersuchung des verschütteten Grundwerks der südlichen Abseite mit Bestimmtheit herausstellen wird. Dasselbe gilt auch von einem etwaigen Ausgang aus der nördlichen Abseite nach der Straße zu.

 

Jemehr aus obenstehender Beschreibung des Kirchschiffs mit Abseiten hervorgeht, welches vortheilhafte und großartige Ansehen das Innere dieser Theile in früherer Vollständigkeit gehabt haben mag, umsomehr ist es zu bedauern, daß solches eine so große Zerstörung und Verunstaltung erfahren mußte. Denn nicht allein ist außer der in ganz unpassender Weise bewirkten Zumauerung der unteren Theile der Arkadenöffnungen zwischen den Schiffpfeilern auch die frühere ansehnliche Höhe der Kirche durch Einziehung zweier Balkenlagen zu Auflagerung fiscalischer Getreidekörner fast bis auf die Hälfte erniedrigt, und dadurch

 

 

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dem Inneren ein überaus gedrücktes, den Längen- und Breitenverhältnissen der Kirche nicht entsprechendes Ansehen gegeben, sondern es sind auch auf beiden Seiten doppelte Emporen mit schwachen Tragsäulchen, Kastenstände und ein Orgelchor mit großem unteren Verschlag angebracht worden, wodurch zugleich die schönen Arkadenstellungen nebst deren Umrahmungen und Arabeskenfriesen zum großen Theil versteckt worden sind. Rechnet man hiezu noch die vielen aufgestellten Weiberstühle, das moderne Kanzelgestell mit neuem Sakristeianbau, sowie endlich den Altar und die Orgel mit moderner Umgebung, so ist leicht zu ermessen, welche Deformitäten dieses ansehnliche Bauwerk erlitten hat und welches höchst unangenehme Ansehen dasselbe daher in seinen halb alterthümlichen, halb modernen Formen dermalen besitzt.

 

Eine grelle Deformierung der Außenseite der Kirche (namentlich der nördlichen Frontseite) wird jetzt noch durch eine, die Treppe zu der nördlichen Empore in sich fassende hölzerne, ganz einfach behandelte Cavade veranlaßt, und wäre daher, nachdem bereits eine auf der Mittagsseite gestandene störende Cavade in neuerer Zeit entfernt worden, auch die Einlegung der ersteren sehr zu wünschen. Einige Ausgrabungen auf den jetzt mit Graswuchs und Obstbäumen bedeckten Abseiteplätzen haben ergeben, daß die Fußboden in den Abseiten mit demjenigen im Mittelschiff im Niveau liegen und wie letzterer mit Sandplatten bedeckt waren, obschon wegen der später im Schiff angebrachten Weiberstühle mit Dielung jetzt nur wenige Spuren davon noch bemerklich sind. — Allem Vermuthen nach dürften sich unter diesem Dielboden auch noch ältere Grabsteine vorfinden.

 

Die beiden Thürme.

 

Auf Seite 12 der mehrgedachten Gleichenstein'schen Schrift befindet sich die aus einem Klosterregister entnommene Notiz, daß im Jahr 1174 die beiden östlichen Thürme durch den Abt Thegenhard begründet worden seien, wonach also die Aufführung dieser Thürme nur wenige Zeit nach der im Jahr 1142 erfolgten Vollendung der Klosterkirche stattgefunden hat. Die Bestätigung dieser Angabe ergibt sich sowohl durch den Mangel von Steinverzahnungen zwischen den fraglichen Thürmen und anstoßenden Mauern des Kirchschiffs, als auch durch die verschiedene Construction und Verzierungsweise letztgedachter Bauten, indem die Thurmmauern zwar noch denselben romanischen Stil wie die

 

 

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Schiffmauern zeigen, denselben jedoch eine wesentlich mindere Sorgfalt in der Ausführung als den Schiffmauern gewidmet ist, und namentlich die am Kirchschiff angewandte Quadersteinbekleidung hier nicht bemerklich wird. Aus der späteren Aufführung gedachter Thürme möchte nun zu schließen sein, daß die Klosterkirche ursprünglich mit keinen Thürmen, sondern nur mit einem höheren Vorhallenbau auf der Abendseite versehen war, und daß die Aufführung zweier Glockenthürme erst dann für angemessen erachtet wurde, als, wie weiter unten angedeutet werden wird, sich gleichzeitig auch das Bedürfnis eines neuen Chors mit Querschiff herausstellte, und diese Bauten nebst den Thürmen dann zugleich zur Ausführung gebracht wurden.

 

Wenn daher auch eine solche Baufolge anzunehmen ist, so kann hiebei doch in Frage kommen, ob die später aufgeführten Thürme an Stelle der früher länger als jetzt gewesenen, aber eingelegten Schiffmauern getreten sind, oder ob das Kirchschiff ursprünglich schon mit der westlichen Seite der Thürme abschloß und letztere nebst Querschiff und Chor an die Stelle des an das Kirchschiff anstoßenden, früher nothwendig vorhanden gewesenen Chors getreten sind. Da jedoch die erstere Annahme wegen der dann zu bedeutenden Länge des Kirchschiffs wenig Wahrscheinlichkeit für sich hat, so scheint vor Aufführung der Thürme, des Querschiffs und Chors der frühere Chor unmittelbar an dem jetzigen östlichen Schluß der Schiffarkaden gestanden zu haben, der jedoch damals wohl nur eine mäßige Größe gehabt und vielleicht nur aus einem Chor mit Apsis und Nebenabsiden bestanden hat.

 

Die beiden, in ihren Untertheilen fast noch ganz erhaltenen Thürme sind in die beiden Ecken des Langschiffs und Querschiffs so eingebaut, daß ihre Außenseiten theilweis die Innenseiten des mittleren Kirchschiffs und Querschiffs bilden. Jeder derselben von 25½ Fuß Länge und ebensoviel Tiefe stieg in gleicher Form und Höhe mit wenig merklichem Absatz, ohngefähr 90 Fuß, bis zu dem früheren, jetzt aber nicht mehr vorhandenen Dachsims empor, über welchem sich nach Analogie ähnlicher Klosterkirchen damaliger Zeit wohl nur eine hölzerne, mit Schiefer gedeckte Spitze in viereckiger oder wohl auch achteckiger Form erhob. Doch ist ein sicherer Nachweis über die frühere Form dieser Spitze, sowie auch darüber, ob die Frontseiten der Thürme, wie häufig vorkommt, sich in

 

 

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hohe Frontons endigten, deshalb jetzt nicht möglich, weil der nördliche, theilweis in Ruinen liegende Thurm dermalen gar keine Bedachung mehr besitzt, der südliche aber in seinem Mauerwerk zwar noch die Auflage des oberen Thurmaufsatzes, nicht aber die ursprüngliche Bedachung behalten hat, und letztere in neuerer Zeit durch ein hohes achteckiges Stockwerk mit moderner italienischer Haube ersetzt worden ist.

 

Beide Thürme waren früher in ihrem Erdgeschoß mit Kreuzgewölben bedeckt, oberhalb derselben aber mit mehreren Balkenlagen zu Aufstellung der hölzernen Thurmtreppen versehen, von denen mehrere im südlichen Thurm sich noch erhalten haben. In jeder der Thurmfrontmauern unterhalb der Dachspitzen waren, wie jetzt noch an den Innenseiten des südlichen Thurms ersichtlich und bei den im romanischen Stil aufgeführten Thürmen üblich, zwei gekuppelte, je durch eine freistehende Säule getrennte Bogenfenster nebst oberem, zur Auflagerung der Bogen dienenden Kragstein angebracht, um ebensowohl für den Schall der an dieser Stelle befindlichen Glocken Ausgang zu gewinnen, als auch dem Thurm selbst einigen Schmuck zu verschaffen. Eine weitere erhebliche Fortsetzung des Mauerwerks oberhalb gedachter Thurmfenster erscheint nicht als wahrscheinlich; denn einestheils war es dem romanischen Baustil eigenthümlich, dergleichen Fensterstellungen meist nur im obersten Theil des Thurms anzubringen und dadurch demselben einen angemessenen Schluß zu verschaffen, anderntheils aber würden auch die durch viele Fenster durchbrochenen, nur 3½ Fuß starken Mauern nebst weiter darauf folgender Dachspitze nicht mehr die erforderliche Stabilität dargeboten haben.

 

Wie bereits bemerkt, wurde der nördliche Thurm im Jahr 1572 durch den Blitzstrahl getroffen und brannte damals dessen Spitze mit unterliegenden Balkenlagen ab, nach welcher Zeit derselbe jedoch nicht wieder aufgebaut wurde, sondern in seinem Obertheil in Trümmer zerfiel, und damit wohl auch den Einsturz des unteren Kreuzgewölbes nach sich zog, dessen Gewölbeanfänge in den Ecken noch zu bemerken sind. Im Untertheil der östlichen Seite dieses Thurmes ist eine nach dem anstoßenden Querschiff ausmündende große offene Arkadenstellung mit zwei, durch eine freistehende Säule getrennte, Bogen angebracht, welche vorzügliche Bauanlage erst in neuester Zeit durch Herausnahme der Mauerausfüllungen

 

 

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in den Arkadenöffnungen zur vollen Ansicht gelangte. Auf einer starken, durch Basament unterstützten freistehenden Säule mit romanischem Würfelcapitäl und darüber befindlichem reichgegliederten Kämpfersims ruhen nemlich zwei halbzirkelförmige Gurtbogen, die auf den beiden anderen Seiten ihre Lagerung auf zwei vorspringenden, mit demselben Kämpfergesims bekrönten Pfeilern haben, und über welcher Kuppelstellung sich dann noch ein, in halbem Zirkel gebildeter vortretender Nischenbogen wölbt. Die ganze, in großen Werkstücken ausgeführte Arkadenstellung trägt noch das Gepräge des romanischen Baustils in seiner besten Entwickelung und gewährt durch günstige Formen und gute Ausführung ein sehr vortheilhaftes Ansehen. Gedachte Bogenstellung wurde wahrscheinlich zugemauert, als im Jahr 1499 der Parterreraum dieses Thurms zu einer, der heiligen Anna gewidmeten, Capelle eingerichtet und an der östlichen Seite derselben ein Altar seine Stelle fand. Zu derselben Zeit wurde auch die aus diesem Raume nach der nördlichen Abseite führende, jetzt mit Spitzbogen geschlossene Thür, deren ursprünglich romanische Anlage in ihrem Grundwerk noch erkenntlich ist, hergestellt, wie solches durch eine auf der äußeren nördlichen Thürleibung befindliche Inschrift, als:

 

Anno DMI MCCCCXCIX ADESTO HEV TERCIA ANNA
inclita.

 

angedeutet ist, welche Inschrift vermuthlich auf die Anrufung der h. Anna als Schutzpatronin der Getrauten bei den in dieser Capelle vorgenommenen Trauungen zu beziehen sein dürfte. Die südliche Thürleibung zeigt die Inschrift:

 

Sanct Anna zur Seligkeit.

 

Eine früher aus diesem Raume nach dem Kirchschiff führende, mit Rundbogen geschlossene Öffnung ist wahrscheinlich erst zur Zeit der Anlage gedachter Capelle zugemauert worden, sowie denn wohl auch damals das zu besserer Erhellung der Capelle nöthige große, mit Spitzbogen geschlossene Fenster auf der Nordseite des Thurms hergestellt wurde, dessen Obertheil bereits mit Fischblasen-Maßwerk in spätgothischem Stil verziert ist. Von diesem nördlichen Thurm haben sich die Mauern nur noch in der Höhe der mittleren Schiffmauern erhalten und zeigen solche in ihren Obertheilen nur noch Spuren der Zerstörung und allmählichen

 

 

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Verfalls; doch liegt die Befürchtung einer baldigen gänzlichen Zerstörung derselben hier nicht sehr nahe, indem sowohl die solide Steinverbindung des Mauerwerks, als auch die jetzige Festigkeit des Kalkmörtels dieser Mauer selbst ohne obere Bedeckung noch eine ziemliche Dauer sichert.

 

Ganz ähnlich dem ebenbeschriebenen nördlichen Thurm ist der auf der Mittagseite stehende, welcher sich bis auf die frühere Bedachung und oberen Sims, in seinem Mauerwerk wahrscheinlich noch in ganzer Höhe erhalten hat. Die Mauern dieses und des nördlichen Thurms werden nicht, wie sonst bei romanischen Thürmen üblich, durch wagrechte Simse und lothrechte Lesinen belebt, sondern gehen in ununterbrochener Höhe bis zum früheren Dachsims und obengedachten achteckigen Aufsatz fort, und zeigen außer einigen kleinen, zur Erhaltung der Treppe dienenden Fenstern, nur die unterhalb des obenerwähnten Dachsimses befindlichen gekuppelten Schallfenster, welche jedoch, wahrscheinlich zu besserer Unterstützung des in späterer Zeit aufgesetzten hohen Thurmaufsatzes, fast ganz ausgemauert und daher jetzt nur noch von der Innenseite des Thurms zu bemerken sind. Es kann nicht in Abrede gestellt werden, daß diese fast zu einfache Behandlung der Außenseiten dieser Thürme sehr von den Thürmen ähnlicher Klosterkirchen abweicht und namentlich in auffallendem Contrast zu der reichen Decoration der anstoßenden Kirchschiffmauern steht.

 

Durch diesen, zu noch besserer Verbreitung des Glockenschalls erbauten hohen Thurmaufsatz mit achteckigem Geschoß von Bleichwerk und ausgeschweifter italienischer Haube, sowie durch die Überziehung der unteren Mauern mit weißem Kalkputz wurde dem Thurm und gleichzeitig der ganzen kirchlichen Bauanlage ein überaus unpassender moderner Charakter verliehen und somit das äußere Ansehen dieses alten Bauwerks wesentlich beeinträchtigt. Bei der im Jahr 1524 stattgefundenen Beraubung des Klosters scheinen übrigens auch die früher auf diesem Thurm befindlich gewesenen Glocken entfernt worden zu sein, da von den drei jetzt auf demselben befindlichen Glocken nur noch eine, und zwar vom Jahr 1515 mit der Inschrift Ave Gloriosa, aus älterer Zeit stammt, und selbst diese nicht zum früheren Klostergebäude gehört, sondern solche nach etc. Gleichenstein aus der Kirche des nahegelegenen Orts Beulbar,

 

 

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als solche mit in die Kirche zu Thalbürgel eingepfarrt wurde, nach letzterem Ort translociert worden ist. Zu den in besagtem Thurmaufsatz aufgehängten Glocken gelangt man jetzt durch eine, in der früheren unteren Arkadenstellung angebrachte Thüre mittelst einer steilen Treppe von Klotzstufen, wogegen man früher, als die Parterreräume der Thürme noch überwölbt waren, wahrscheinlich von dem Dachboden des Kirchgebäudes aus in die beiden anstoßenden Thürme gelangte.

 

Sehr würde die Ansicht der Abendseite des südlichen Thurms gewinnen, wenn auch deren untere, jetzt zugemauerte Arkadenstellung wieder geöffnet würde, für welchen Fall dann die jetzt fehlende Mittelsäule wieder zu ergänzen wäre. Noch ist bezüglich des südlichen Thurms zu bemerken, daß aus dessen Parterreraum nicht, wie im nördlichen Thum, eine Thüröffnung nach der anstoßenden Abseite führt, und daß, wie bereits oben angedeutet, der Raum zwischen den beiden Thürmen dermalen durch einen höchst störenden zweistöckigen hölzernen Einbau mit unterer Sakristei und oberem Kirchenstand eingenommen wird.

 

Das Querschiff der Kirche.

 

An das östliche Ende des mittleren Kirchschiffs und die östlichen Seiten der Thürme schloß sich früher das Querschiff der Kirche (Transept), durch welches der Querflügel eines lateinischen Kreuzes als Grundform der ganzen Kirchenanlage gebildet wurde. Es bestand dieser Kirchtheil aus einem mittleren, von vier großen Gurtbogen umschlossenen Raum von quadratischer Form (die sog. Vierung) und aus zwei oblongen Nebenseiten, welche drei Theile zusammen die bedeutende Länge von 112ʹ mit 54ʹ Höhe und 32ʹ Breite besaßen, und sich sonach in der Höhe der Schiffmauern fortsetzten, wie solches sowohl aus den noch vorhandenen Resten der früheren Schiffmauern als auch aus den zu Auflagerung des Balkenwerks dienenden Kragsteinen in den Thürmen deutlich hervorgeht. Weiter ist aus den, unmittelbar mit den Thürmen verbundenen Mauersteinen des Querschiffs zu entnehmen, daß die Thürme nicht bloß stumpf an das etwa schon vorhanden gewesene Querschiff angesetzt, sondern letzteres gleichzeitig mit den Thürmen und wahrscheinlich auch mit den östlichen Chortheilen aufgeführt worden war.

 

Da die westliche Seite des Querschiffs zumeist durch die noch vorhandene große, nach dem Mittelschiff sich öffnende Bogenöffnung (die sog. Porta triumphalis), sowie durch die an beide Seiten desselben stoßenden

 

 

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Thürme gebildet wurde, so besaßen die beiden übrigen westlichen Mauertheile des Querschiffs nur noch eine mäßige Länge, deren Obertheile, wie aus den zum Theil noch vorhandenen Gewandstücken zu entnehmen, je mit zwei mäßig großen, durch schräge Leibungen eingefaßte Fenster versehen, und deren Obertheile durch halbzirkelförmige Bogen geschlossen waren.

 

Diese Fenster sind mit keinem äußeren Gliederwerk umgeben, wonach sich auch an diesem Bautheile die verschiedene Behandlung des Querschiffs und des Langschiffs deutlich ausspricht, an welchem letzteren die Fenster mit Gliederwerk umrahmt sind. Im Untertheil der an den südlichen Thurm anstoßenden Flügelmauer hat sich noch eine, aus dem Querschiff in den früher daranstoßenden Kreuzgang führende ansehnliche Thür erhalten, welche dem romanischen Baustile gemäß mit einem, unten wagrecht, oben halbzirkelförmig geschlossenen Thürfeld und davortretendem Gurtbogen geschlossen ist. Auf der Außenseite dieses Thürfelds lassen sich noch die Spuren eines erhaben gearbeiteten Kreuzes, jedoch ohne sonstige Verzierungen, erkennen.

 

Von den beiden Giebelseiten dieses Querschiffs haben sich nur noch 8 - 9 Fuß hohe Mauern erhalten, die jetzt als Befriedigungen eines an der Stelle des Querschiffs befindlichen, dem Ortsschullehrer überlassenen Obstgartens dienen. Von einem gegliederten Sockelwerk, noch von den an den Gebäudeecken der Giebelmauern sonst üblichen Lesinenverzierungen ist auffallenderweise hier nichts zu bemerken, und scheint jede dieser Giebelmauern außer der auf der Mittagseite noch vorhandenen, aus der Kirche in das anstoßende Conventualengebäude führenden Thür, nur mit zwei oberen größeren Fenstern versehen und höchstens mit einem wagrechten Fries bekrönt gewesen zu sein, über dem dann ein mit einigen Fenstern und einer durchbrochenen Schlußrosette belebter Dachgiebel aufgeführt war. Das frühere Vorhandensein solcher Dachgiebel statt der hier wohl zulässigen Abwalmungen des Dachs möchte deshalb anzunehmen sein, weil fast alle ähnlichen Dachanlagen an Kirchen damaliger Zeit mit solchen geradaufsteigenden massiven Dachgiebeln versehen waren, überdem aber auch durch Aufführung solcher Giebelmauern die äußere Kreuzform der Kirche noch deutlicher hervortrat und dem Gebäude, neben der Thunlichkeit, die zu Erhaltung des Dachbodens erforderlichen

 

 

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Fenster anbringen zu können, zugleich ein wesentlich vortheilhaftes Ansehen und eine solidere Dachconstruction gegeben wurde. Eine in der nördlichen Giebelseite befindliche, mit Spitzbogen geschlossene kleine Thür ist jedenfalls neueren Ursprungs.

 

Bei dem damaligen Sinn für Ausschmückung der inneren Kirchenwände mit Malereien ist übrigens wohl anzunehmen, daß die großen unteren Wandflächen in den Nebentheilen des Querschiffs früher mit Malereien verziert waren, da ohnedem diese großen, nicht durch Fenster belebten Wandflächen ein ziemlich monotones Ansehen dargeboten haben würden.

 

Von der östlichen Seite des Querschiffs hat sich nur der südliche Bogenpfeiler in der mittleren Vieruug mit einem daranstoßenden Stück Chormauer, sowie ein ohngefähr sechs Fuß hohes Stück des nördlichen Bogenpfeilers der Vierung erhalten, wodurch sich also die früheren Formen auch dieser Seite mit Bestimmtheit erkennen lassen. Hiernach befand sich der, bei Beschreibung der westlichen Querschiffmauer erwähnten Porta triumphalis gegenüber früher ein gleich großer, mit dem anliegenden Chorbau verbundener Gurtbogen, auf dessen beiden Seiten sich zwei breite, mit halben Zirkelbogen bedeckte Mauervertiefungen anschlossen, aus deren inneren Leibungen in ziemlicher Höhe über dem Fußboden je zwei hohe Consolen mit oberen Kämpfersimsen vortreten, die als Auflager für die inneren Gurtbogen zweier kleineren Nebennischen dienten. Wie aus einem solchen noch vorhandenen Kämpfersims hervorgeht, waren selbige mit der bei romanischen Bauten mittlerer Epoche häufig vorkommenden Würfelverzierung versehen, die aus einer oberen starken Platte und einer darunter befindlichen geradlinichten Schräge besteht, in welche mehrere Reihen kleiner vor- und zurückspringender Würfel eingearbeitet sind, die eine sehr belebte, günstig in die Augen fallende Verzierung bilden. Solche, auch an den Kirchen zu Kloster-Lausnitz, Paulinzelle, Schulpforte und am Dom zu Erfurt bemerkbare Würfelfriese gehören bekanntlich zu den eigenthümlichen Verzierungen des mittleren romanischen Baustils. Oberhalb der letztgedachten beiden Choröffnungen setzten sich nun die östlichen Mauern des Querschiffs in der Höhe der übrigen Mauern bis zum Dachgebälke fort, und waren erstere wohl

 

 

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mit gleichen Fenstern wie auf den drei anderen Seiten des Querschiffs versehen.

 

Unter den vier Mauerseiten des letztgedachten Kirchtheils gewährte sonach die östliche Mauerseite des Querschiffs die meiste Abwechselung der Formen, und mag solche früher mit ihren großen Gurtbogen und dem Blick nach dem Chor und der großen Halbnische, sowie mit ihren beiden Nebenhallen ein sehr imposantes Ansehen dargeboten haben.

 

Wie bereits oben gedacht, wurde derjenige mittlere Theil des Querschiffs, der durch die Verlängerung des Hauptschiffs nach dem Chore zu durchschnitten war (die Vierung), von vier Wandpfeilern nebst vier großen, halbzirkelförmig geschlossenen Gurtbogen begrenzt, welche letztere außer den mäßigen Wandvorsprüngen die ganze Breite des Querschiffs einnahmen und bei einer Lichtenhöhe von 49 Fuß fast bis zum Dachgebälk reichten. Nach der eben angedeuteten Disposition wiederholte sich daher auch bei diesem Ouerschiff die bei romanischen Kirchenbauten typische quadratische Grundform der mittleren Vierung nebst Umschließung derselben durch vier große Gurtbogen, wobei jedoch die Nebentheile der Vierung nicht die häufig vorkommende quadratische, sondern eine oblonge Form besitzen. Jeder der eben gedachten, aus mächtigen, rein gearbeiteten Werkstücken bestehenden Wandpfeiler ruhte auf einem reichgegliederten Basament und war beim Anfang der Bogen mit einem, aus oberer Platte und umgekehrter attischer Base bestehenden Kämpfergesims bekrönt, über dem sich dann in schön geschwungenem Halbkreis der freistehende, aus regelmäßigen Werkstücken construierte Gurtbogen nebst Übermauerung erhob, dessen nächste Bestimmung zwar in Tragung des Dachgebälks über der Vierung bestand, der zugleich aber auch in ansprechender Weise als Fortsetzung der anstoßenden Schifftheile diente. Leider wurden bei der späteren Einlegung des Querschiffs auch zwei dieser vier mächtigen Bogen zerstört und nur der östliche Bogen zwischen den beiden Thürmen, sowie der von dem südlichen Thurm nach dem südlichen Chorpfeiler zugehende Bogen, vielleicht zu besserer Stabilität des südlichen Thurms, belassen. Obgleich diese noch erhaltenen, höchst günstig in die Augen fallenden Gurtbogen in sorglicher Weise ausgeführt sind, so hatten doch die Einflüsse der Witterung auf diese freistehenden, unbedeckten Bogen nachtheilig eingewirkt, und stand zu befürchten, daß

 

 

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ohne baldige passende Vorkehrungen der baldige Einsturz dieser Bogen zu erwarten war. Glücklicherweise erfolgte noch rechtzeitig eine angemessene Instandsetzung dieser interessanten Bautheile und ist damit die längere Erhaltung dieser Zierden unseres Bauwerks gesichert worden.

 

Wenn auch manche Kirchen jener Zeit über den Mitteln der Kreuzarme und auf Grundlage der vier großen Pfeiler nebst Gurtbogen einen bis über das Dach hinausgehenden viereckigen oder auch achteckigen Überbau nachweisen, so liegt doch die Wahrscheinlichkeit eines solchen Baues deshalb hier nicht vor, weil derselbe ganz in der Nähe der beiden Thürme nicht ganz an seinem Platz gewesen wäre, übrigens auch die vier Gurtbogen in ihrer noch sichtbaren Stärke kaum die erforderliche Solidität zur Tragung eines solchen massiven Aufsatzes dargeboten haben würden.

 

Ebensowenig wie ein größerer Überbau über der mittleren Vierung scheint auch eine Uberwölbung derselben, wie solche auf dem Grundriß der Kirche in dem bekannten Werk „Denkmale der Baukunst des Mittelalters in Sachsen von Puttrich, 15. und 16. Lieferung angegeben ist, wahrscheinlich, da von einem solchen großen Kreuzgewölbe in den zum Theil noch vorhandenen Ecken der Gurtbogen nicht das geringste Merkmal vorhanden, eine solche Wölbung in Verbindung mit den von allen Seiten anstoßenden geraden Balkendecken aber auch ein wenig günstiges Ansehen dargeboten haben würde. — Sowie daher das Langschiff und Querschiff gleichmäßig mit wagrechten Balkendecken versehen waren, so setzten sich über selbigen auch die darüber befindlichen Dächer in gleichmäßiger Höhe fort.

 

Auch der Fußboden in dem Querschiff befand sich nach Lage der vorhandenen Pfeilerbasamente und Ausgangsthüren in gleichem Niveau mit dem Fußboden im Hauptschiff, doch ist der erstere jetzt nicht mehr sichtbar, indem eine 3 - 4 Fuß hohe Aufschüttung von Bauschutt und hoher Graswuchs nebst Obstbäumen dermalen die Stelle jener früheren geweihten Stätte einnimmt. Eine Entfernung dieser Schuttaufhäufung wäre zu Gewinnung einer vollständigen Ansicht des Querschiffs und des wahrscheinlich noch vorhandenen Fußbodens sehr zu wünschen.

 

Der Chor mit seinen Nebentheilen.

 

An das eben beschriebene Querschiff schloß sich endlich der mittlere Chor mit seinen Nebenbauten an und bildeten selbige den östlichen Abschluß des ganzen Kirchengebäudes. Gleichwie bei den meisten

 

 

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romanischen Basilikenkirchen jener Zeit bestand der Chor aus einem an die Vierung sich anschließenden großen Anbau von quadratischer Grundform mit daranliegender halbrunder Chornische (Apsis) und aus zwei, auf beiden Seiten des mittleren Chors liegenden, ebenfalls halbzirkelförmig geschlossenen, Anbauten (Apsiden), von welchen ansehnlichen Bauten sich jedoch nur die südliche Seite des mittleren Chorraumes in Zweidrittheil ihrer Höhe und die Grundmauern der übrigen Chorbauten in solcher Höhe erhalten haben, um aus letzteren noch einen sicheren Schluß auf deren frühere Ausdehnung und Grundform machen zu können.

 

Durch den großen östlichen Gurtbogen des Querschiffs gelangte man zunächst in den gegen das Schiff etwas erhöhten mittleren Chorraum von ziemlich gleicher Breite wie das Hauptschiff, dessen südliche und nördliche Umfassungsmauern gleiche Höhe wie die Kirchschiffe besaßen und dessen östliche Seite durch eine, dem eben gedachten Gurtbogen gleichende, Bogenöffnung eingenommen wurde. Welche obere Bedeckung der mittlere Chorraum gehabt habe, erscheint zwar dermalen zweifelhaft, doch ist nach Analogie der meisten romanischen Basilikenkirchen zu vermuthen, daß derselbe nicht, wie in dem etc. Puttrich'schen Werk angedeutet, mit einem massiven Kreuzgewölbe, sondern in Harmonie mit den gleich hohen Schiffsräumen mit einer geraden Balkendecke versehen gewesen sei. Zu Erhellung des mittleren Chors waren in jeder Seitenmauer zwei Fenster gleich denen im Querschiff angebracht, sowie denn wohl auch die Außenseiten der Mauern, conform den anstoßenden Querschiffmauern, mit einem romanischen Bogenfries und massiven Dachsims versehen gewesen sein mögen. Oberhalb des großen östlichen Gurtbogens an diesem Chorraum erhob sich eine gerade Dachgiebelmauer, gleich denen an den beiden Giebeln des Querschiffs, wodurch das oberste Kreuzende der Kirche deutlich bezeichnet wurde und die zugleich als sichere Anlehnungsmauer für die Bedachung der östlich anstoßenden Chornische diente. In dem mittleren, um einige Stufen gegen das Querschiff erhöhten Chorraum war früher der Hochaltar aufgestellt, wogegen die Seitenwände desselben durch feste Stühle für die beim Gottesdienste fungierenden Geistlichen eingenommen wurden, von denen jedoch sowie von dem Altar und den am Anfang des Chors gestandenen zwei Kanzeln

 

 

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(Ambonen) sich nichts mehr erhalten hat. An den großen östlichen Gurtbogen des Chors lehnte sich endlich als würdiger Schluß des ganzen Bauwerks die zu Aufstellung des Stuhls für den Klosterabt oder den Bischof bestimmte große Chornische an, deren äußere und innere Form einen halben Zirkel bildete und die, wie üblich, mit einem mächtigen Kuppelgewölbe von Stein bedeckt war. Die Mauern dieser Nische waren vermuthlich mit einigen oberen Fenstern versehen, doch ist nicht wahrscheinlich, daß die Bedachung dieser Nische, wie solches noch an den Überresten der ehemaligen Klosterkirche in dem zwei Stunden entfernten altenburg'schen Ort Kloster-Lausnitz 1) und sonst ersichtlich, schon mit dem Anfangspunkt der Kuppel begonnen habe, vielmehr läßt sich bei der bedeutenden Höhe dieses Punktes über dem äußeren Fußboden und bei der bedeutenden Umfänglichkeit der Kuppel annehmen, daß, wie bei vielen anderen romanischen Kirchen, sowohl zu größerer Festigkeit der großen Steinkuppel, als auch zu Gewinnung vortheilhafteren Ansehens, die Nischenmauer äußerlich noch mit einer Arkadenstellung übersetzt war, und daß erst oberhalb dieser Mauer die halbkonische Bedachung der Nische ihren Anfang genommen habe. Nicht minder läßt sich nach Analogie ähnlicher Kirchen vermuthen, daß, weil aus constructiven Gründen diese Halbkuppen aus porösen Kalksteinen gefertigt und dann mit Kalkputz versehen waren, diese große Kuppelfläche in angemessener Weise mit Malereien aus der biblischen Geschichte geschmückt gewesen sei. Die Untertheile der Chormauern mögen wohl, wie üblich, mit reichverzierten Teppichen behangen gewesen sein.

 

Den alten Klosterregistern nach wurde jedoch diese halbrunde Chornische im Jahr 1449 gänzlich eingelegt und durch einen fünfseitigen Chorschluß mit äußeren Strebepfeilern in gothischem Stil ersetzt, dessen Grundwerk nebst gegliederten Sockeln und Bruchstücken von gegliederten Wölbe-Rippensteinen sich bei einer kürzlich vorgenommenen Ausgrabung vorgefunden hat. Die Veranlassung zu dieser, die Gleichmäßigkeit des Baustils sehr beeinträchtigenden Chorveränderung dürfte wohl in

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1) Es möge hier bemerkt werdeu, daß in dem, kurz nach der Stiftung im Jahr 1140 aufgeführten Kloster Kloster-Lausnitz sich nur noch das Chor und Querschiff erhalten haben, mithin daselbst gerade diejenigen Bautheile noch vorhanden sind, die bei der Kirche des Klosters Burgelin fehlen.

 

 

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einer leicht möglichen Schadhaftigkeit der großen Halbkuppel oder auch in der Absicht, dem Chor mehr Raum und Licht zu verschaffen, zu suchen sein, und liegen von solchen Chorveränderungen sehr viele Beispiele vor.

 

Dicht an die Seitenmauern des hohen mittleren Chorraums lehnten sich die beiden kleineren Nebenchöre oder Apsiden an, deren Vorderräume von je 16 Fuß Länge und 17 Fuß Breite, nach Andeutung der in der noch stehenden Chormauer ersichtlichen Widerlagspunkte, mit Tonnengewölben bedeckt waren, und an welche sich auf der Ostseite halbrunde, mit Steinkuppeln bedeckte Nischen anschlossen. An der noch stehenden Mauer zwischen dem mittleren Chor und den südlichen Apsiden sind noch die Reste eines oberen Gurtsimses erkenntlich, unter dem sich die Bedachung der früheren Nebenchöre anlehnte. Glücklicherweise haben sich bei einer neuerlichen Aufgrabung an beiden Seiten des mittleren Chors noch ziemliche Reste reiner Mauern dieser Nebenchöre vorgefunden, aus denen die eben erwähnte Disposition derselben mit Bestimmtheit hervorgeht, und die auch hier eine sorgliche Construction aus regelmäßigen Werkstücken erkennen lassen. Gleichwie der mittlere Chorraum waren diese, ebenfalls durch einige Stufen erhöhten ansehnlichen Nebenchöre zu Aufstellung von Altären bestimmt und durch einige Fenster erhellt.

 

Von einer unterirdischen Grabcapelle (Crypta), wie solche unter den Chören der ältesten Kirchen romanischen Baustils häufig vorkommen, finden sich hier weder durch besondere Erhöhung des mittleren Chorraums, noch durch Fenster in dem Sockelwerk des Chors oder sonstiges Fundamentwerk Spuren vor, und läßt sich das etwaige Vorhandensein einer solchen Crypta hier um so weniger vermuthen, als überhaupt die Anlagen dergleichen unterirdischer Chorcapellen in der Mitte des 12. Jahrhunderts nur selten noch vorkommen.

 

Mit den eben beschriebenen drei Chorbauten fand nun das großartige Kirchgebäude auf der Morgenseite seinen Abschluß, und mag dasselbe früher in seiner Vollständigkeit mit seinen drei halbrunden Nischen und hohem mittleren Chorgiebel ein ebenso belebtes als würdiges Ansehen dargeboten haben.

 

Wie der ehemalige Platz des Querschiffs wird auch die Stelle der

 

 

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drei Chöre jetzt durch einen, dem großherzoglichen Justizamtmann eingeräumten Grasgarten eingenommen, der jetzt nur durch eine, gegen den nebenliegenden Gartenraum hervortretende Erhöhung, sowie durch die in selbigen hineinreichende Chormauer eine anderweite frühere Bestimmung errathen läßt.

 

Aus der Beschreibung dieses Kirchbaues dürfte nun hervorgehen, daß bei diesem Bau nicht allein eine großartige und zweckentsprechende Disposition beobachtet, sondern daß auch derselbe in zwar einfacher, doch künstlerischer Weise ausgeschmückt war, weshalb denn selbiger in seiner früheren Vollständigkeit nach allen Seiten hin ein würdiges charaktervolles Ansehen dargeboten haben mag, und daher deshalb und wegen seiner ungewöhnlich großen Dimensionen den bedeutendsten romanischen Kirchenbauten Thüringens beigezählt werden konnte 1).

 

Bevor wir uns zu der Beschreibung der übrigen, früher zum Kloster gehörigen Bauten wenden, mögen erst noch einige Bemerkungen über den bei diesem Kirchbau in Anwendung gekommenen Baustil und die Decorationsweise, sowie über dessen Constructionsart hier Platz finden.

 

Die Decoration und Bauweise der Kirche.

 

Wären auch keine sicheren urkundlichen Nachweisungen über die Erbauungszeit der fraglichen Klosterkirche vorhanden, so würden doch schon die Besonderheiten des dabei in Anwendung gekommenen romanischen Baustils ziemlich sichere Anhaltspunkte für die Zeit ihrer Erbauung abzugeben vermögen, da solche bezüglich der baulichen Formen und Verzierungsweise ganz die charakteristischen Kennzeichen derjenigen Entwickelungsperiode des romanischen Baustils an sich tragen, wie solcher in der Mitte des 12. Jahrhunderts, also in der auch urkundlich nachgewiesenen Bauzeit der Kirche in Deutschland vorherrschend war. Nachdem nemlich der romanische Rundbogenstil seit der Zeit, wo überhaupt in Deutschland

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1) Aus den beiden Tafeln I. und IV. des bekannten archäologischen Werks Systematische Darstellung der Entwickelung der Baukunst in den obersächsischen Ländern vom X. - XV. Jahrhundert von Puttrich, auf denen die Grundrisse der, in dessen größerem Werk näher beschriebenen älteren Klosterkirchen in Obersachsen nach gleichem Maßstab aufgezeichnet sind, ist zu entnehmen, daß die Kirche des vormaligen Klosters Burgelin in ihrer früheren Vollständigkeit unter allen den größten Flächenraum einnimmt.

 

 

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größere Bauwerke aufgeführt wurden, bei solchen Bauten in Anwendung gekommen war und sich mehr und mehr ausbildete, hatte derselbe in der Mitte des 12. Jahrhunderts den Höhepunkt seiner Entwickelung erreicht, und machen sich dessen Eigenthümlichkeiten denn auch an unserem Bauwerk bemerklich. Dieselben sprechen sich vornehmlich in einem einfachen und zweckmäßigen Grundplan, sowie in einer natürlichen Entwickelung dieser Grundformen in ihren höheren Theilen aus, mit welchen Vorzügen sich weiter eine Einfachheit der Formenbildungen und ein consequent durchgeführter Stil verbindet. Wird nun auch bei diesen und den übrigen romanischen Bauten mittlerer Epoche diejenige phantastisch-grotteske Verzierungsweise vermißt, welche sich in Belebung der Ornamente durch Verflechtung von Menschen- und Thiergestalten geltend macht und dadurch einen charakteristischen Ausdruck gewinnt, so wird dieser Mangel doch durch die mindere Schwerfälligkeit der früheren Bauformen und durch die oben angedeuteten wesentlichen Vorzüge vollständig ersetzt, und kann deshalb dem romanischen Baustil mittlerer Epoche mit Recht eine bevorzugte Stelle in dem Entwickelungsgang der Architektur zugewiesen werden.

 

Im allgemeinen wiederholen sich auch bei diesem Bau die dieser Stilepoche eigenthümlichen Formenbildungen, namentlich die günstige Abfassung der Mauerecken, der Bogenfries am Dachsims, das Würfelcapitäl und die Anwendung der Halbsäulen; doch treten bei diesem Bau einige Eigenthümlichkeiten hervor, die sich bei anderen romanischen Bauten minder bemerklich machen und daher eine besondere Erwähnung verdienen.

 

Es sind nemlich die Verzierungen der Seitenfelder an den hier vorkommenden Würfelcapitälen nicht, wie früher üblich, über den Körper des Kapitäls hinaus, sondern sämtlich in der Weise des neugriechischen Baustils nur schwach erhaben über der Grundfläche des Capitäls gearbeitet, wodurch zwar der Effeet der früheren plastischen Capitäle theilweis verloren geht, dagegen aber die Grundform derselben minder versteckt wird und die eigentliche Bestimmung des Capitäls als baulichen Vermittelungsgliedes zwischen der oberen Bogenlast und der unteren tragenden Säule zur deutlichen Evidenz gelangt, zugleich aber auch die ansprechende Fortsetzung der unteren Säulengliederungen mit denen der Arkadenbogen

 

 

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minder unterbrochen wird. Aber auch hinsichtlich der Anlage und technischen Ausführung der Arabeskenverzierungen selbst tritt hier mehr als bei anderen romanischen Bauten eine besondere Eigenthümlichkeit hervor. Denn nicht allein läßt sich in der Ausführung des Blätter- und Rankenwerks eine noch der altgriechischen Behandlungsweise sich nähernde Bearbeitung erkennen, sondern es sind auch die Capitälverzierungen durch originelle, den neugriechischen und arabischen Baustilen sich nähernde Verschlingungen der Rippen, Bänder, Palmetten und Perlenstäbe gebildet, und die einzelnen Blättertheile scharf in der Mitte vertieft bearbeitet. Sowohl diese Eigenthümlichkeiten, als ganz besonders die an den Capitälen und Arabesken häufig vorkommende Perlenverzierung, wie solche sehr häufig auf Münzen und ornamentalen Erzeugnissen byzantinischer Künstler bemerkbar sind, sowie endlich die hier sich vorfindenden Reminiscenzen griechischer Blätter- und Arabeskenformen machen es sehr wahrscheinlich, daß bei unserem Kirchenbau entweder neugriechische Künstler mitgewirkt haben, oder doch byzantinischer Einfluß sich geltend gemacht hat, welche Annahme übrigens durch die mit Sicherheit nachgewiesene damalige Einwirkung byzantinischer Künstler bei deutschen Kirchenbauten noch mehr an Wahrscheinlichkeit gewinnt. Im allgemeinen läßt sich bei Anwendung der Verzierungen eine passende Vertheilung erkennen und wird der einfachen Würde der Bauformen nirgends durch Überladung Eintrag gethan, sowie denn auch sämtliche Verzierungen mit ebenso großer Accuratesse als auffallender Gleichmäßigkeit bearbeitet sind. Wie bereits oben bemerkt worden, zeigt der größte Theil der Säulencapitäle die typische Würfelform der älteren und mittleren Stilepoche und wird nur an einzelnen Capitälen der Arkadenpfeiler die spätere Kelchform bemerklich. Sämtliche Säulencapitäle sind mit den verschiedenartigsten Mustern von Perlenbändern, Palmetten und Rankenverschlingungen verziert, unter denen sich die früher im Hauptportal gestandenen größeren Säulencapitäle durch reiche, dem arabischen Teppichstil sich nähernde Verschlingungen besonders auszeichnen.

 

Wenn schon bei der früheren Bedeutung und dem Reichthum des Klosters vorausgesetzt werden kann, daß die Klosterkirche eine große Anzahl kirchlicher Geräthe, Bilder, Chorstühle, Kelche u. s. w. besessen habe, so haben sich doch von solchen Gegenständen nur sehr wenige noch erhalten,

 

 

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und ist daher anzunehmen, daß erstere entweder im Bauernkriege zerstört und entwendet wurden, oder, wie dieses bei dem vormaligen Kloster zu Capellendorf urkundlich nachgewiesen ist, vor der Zerstörung des Klosters zeitig entfernt und in Schutz gebracht worden sind.

 

Unter den noch erhaltenen Gegenständen ist zunächst ein alter Weihkessel zu nennen, der aus einer drei Fuß im Durchmesser haltenden Schale von Sandstein besteht und auf einem runden Postamente ruht. Außer einem starken oberen Wulst mit Plättchen und einem unteren schmäleren Wulst finden sich an diesem Weihkessel weiter keine Verzierungen vor, weshalb solcher ein schwerfälliges Ansehen darbietet und nur rücksichtlich seines jedenfalls sehr hohen Alters einiges Interesse gewährt.

 

Reichere Formen zeigt ein vor dem jetzigen Altar stehender, noch jetzt benutzter alter Taufstein mit unterem Postament, Säulenschaft und oberer achteckiger Schale, auf dessen oben geradlinichten, nach unten rund auslaufenden vier Seitenfeldern zwei Engelsköpfe nebst Sonne und halbem Mond (wohl Sinnbilder der Schönheit und Reinheit) angebracht, die vier anderen Seiten aber aus Palmettenverzierungen in romanischem Stil ausgefüllt, jedoch mit keiner Inschrift oder Jahreszahl versehen sind. Stil und Ausführung dieses noch gut erhaltenen Taufsteins machen es wahrscheinlich, daß derselbe ebenfalls ein sehr hohes Alter besitzt, und vielleicht gleichzeitig mit dem Bau der Kirche angefertigt worden ist.

 

In einem Verschlag unter der Orgel wird außer einigen, der neueren Zeit angehörigen Grabmälern in Stein und Holz ein zum größten Theil noch erhaltenes, früher wahrscheinlich in einem Altarschrein gestandenes Heiligenbild in Holz, die sitzende h. Maria mit dem Leichnam des Heilands auf dem Schoß darstellend, aufbewahrt, das mit Malerei versehen und mit eingesetzten Perlen geschmückt war, von welchen letzteren sich noch eine Anzahl erhalten hat. Die Behandlung und Ausführungsweise dieses, nur einen mäßigen Kunstwerth besitzenden Bildes setzen dessen Anfertigung in die Mitte des 15. Jahrhunderts. Die interessanten Reste zweier ehemaliger Chorstühle in gothischem Stil sind in neuerer Zeit in die Antiquitätensammlung auf der Wartburg aufgenommen worden.

 

In Bezug auf die Construction und Ausführungsweise des fraglichen

 

 

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Bauwerks ist folgendes zu gedenken. Es ist bereits oben angedeutet worden, daß der Bau dieser Kirche in der Mitte des 12. Jahrhunderts, also in einer Zeit aufgeführt wurde, wo in Folge des damaligen religiösen Sinnes und der Macht der Geistlichkeit viele und große Bauten geschaffen wurden, und deshalb auch die Bautechnik bereits eine höhere Stufe als in dem vorausgegangenen Jahrhundert gewonnen hatte. Eine solche läßt sich nun auch bei diesem Bauwerk, namentlich an dem älteren ursprünglichen Theil desselben erkennen. Denn nicht allein sind bei selbigem bereits die solideren Arkadenpfeiler statt der früheren weniger haltbaren Säulenarkaden angebracht, sondern es ist auch überall den Mauern die nöthige Stärke gegeben und überall eine kunstgerechte Steinverbindung im Auge behalten worden.

 

Sehr kam dem Bau die besondere örtliche Lage desselben zu Statten, da die in mäßiger Tiefe unter dem Oberboden sich hinziehenden starken Sandsteinlager dem Bau einen sehr soliden Grund verschafften, weshalb denn auch an den einzelnen Theilen des Bauwerks, trotz sehr hohen Alters, nur wenig auffallende Senkungen sichtbar geworden sind. Von weiterem Vortheil für den fraglichen Bau war es ferner, daß in nicht zu weiter Entfernung von der Baustelle sich sehr ausgezeichnete Sandsteinbrüche vorfanden, und die daselbst gebrochenen, meist sehr festen Steine, von theils ins grünlich-grauliche, theils in das gelbröthliche fallender Farbe, in ziemlich großen Dimensionen brechen, so daß man nicht genöthigt war, zu dem Hauptbau die zwar ganz in der Nähe brechenden, jedoch minder festen Sandsteine verwenden zu müssen. Mit besonderer Sorgfalt sind die Pfeiler und großen Gurtbogen im Querschiff nebst den darüber befindlichen Mauern aufgeführt, indem bei ersteren meist nur lagerhafte Werkstücke von angemessener Stärke verwendet, auch bei letzteren beide Seitenflächen mit ganz rein bearbeiteten Quadern aufgeführt und im Innern mit gehöriger Mauerausfüllung hergestellt wurden. Bei einer solchen Constructionsweise war es denn auch möglich, den sonst üblichen Kalkputz auf der inneren Mauerseite gänzlich wegzulassen und solchen in sehr ansprechender Weise nur durch die reinen, glatt bearbeiteten Mauerflächen mit regelrechten Steinfugen an Mauern und Fenstergewölben, sowie durch die gleichmäßige, sehr gut in die Augen fallende Farbe der Steinquadern zu ersetzen. Mit dieser

 

 

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sorglichen Ausführung des Mauerwerks stand endlich auch die ebenso accurate als gleichmäßige Bearbeitung der aus Sandsteinquadern gefertigten Gesimse, Friese und Säulen in Verbindung, weshalb denn solche mit ihren kräftigen und scharfen Profilen sich auch überall vortheilhaft auf den eben bearbeiteten Wandflächen hervorheben.

 

Eine etwas minder sorgfältige Ausführung des Mauerwerks zeigt sich außer an den Chorpfeilern nebst Querbogen an den reinen Mauern der Thürme und Chortheile, da das Mauerwerk hier nur aus regelmäßigen, sonst gut bearbeiteten Mauersteinen besteht, die an dem Langschiff angewandte Quaderbekleidung aber hier nicht in Anwendung gekommen ist. Der sorglichen Herstellung der Kreuzgewölbe in den Vorhallen mit leichten porösen Tuffsteinen ist bereits oben gedacht worden.

 

Von den, an den Quadersteinen der mittelalterlichen Bauwerke häufig vorkommenden, zum Aufziehen der Werkstücke dienenden Zangenlöchern, sowie von den öfter angebrachten Steinmetzzeichen ist an den Steinen dieses Bauwerks deshalb nichts zu bemerken, weil diese Steinvertiefungen und Merkmale erst in späterer Zeit, als mit Einführung des Spitzbogenstils die Baubrüderschaften die kirchlichen Bauten in die Hände nahmen, in Anwendung kamen. Ebenso werden an diesem Bau die in späterer Zeit sehr häufig vorkommenden Inschriften und Jahreszahlen über den Beginn und die Fortsetzung des Baues gänzlich vermißt. Über die Modalität der Ausführung, namentlich auch über den Baumeister dieses Baues ist nichts bekannt, doch ist zu vermuthen, daß, weil in jener Zeit die Baubrüderschaften noch nicht existierten, der fragliche Bau, wie damals üblich, von kenntnisreichen Klosterbrüdern entworfen und unter Zuziehung tüchtiger Werkmeister geleitet wurde, wobei nach Analogie einiger, in jener Zeit in Thüringen ausgeführten Klosterbauten wahrscheinlich Mönche aus dem Kloster Hirschau in Schwaben mitgewirkt haben mögen.

 

Über die frühere Ausfüllung der Fensteröffungen ist nichts bekannt, und bleibt es zweifelhaft, ob solche mit bunten Glasgemälden, oder wie gleichfalls häufig vorkommt, nur aus kleinen runden oder rhombenförmigen, mit Blei verbundenen weißen Glasscheiben ausgesetzt waren, obschon sich auffallender Weise an den oberen großen Fensteröffnungen keine Spuren einer Fensterbefestigung vorfinden. Dermalen sind die

 

 

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oberen Fensteröffnungen im Schiff mit übel aussehenden hölzernen Läden zugesetzt.

 

Von hölzernen Thüren ist außer der oben beschriebenen Portalthür keine mehr vorhanden. Was die ehemalige Bedachung der Kirche und Thürme betrifft, so läßt sich nach Maßgabe der vielen, in den späteren Arkadenausmauerungen und Schuttanhäufungen sich vorfindenden Bruchstücke und nach Maßgabe älterer kirchlicher Bauwerke vermuthen, daß das Kirchgebäüde mit sogenannten Hohlziegeln bedeckt war und nur die Thürme, der sicheren Bedeckung wegen, eine Schieferdachung besaßen. Dermalen ist das Kirchdach mit gewöhnlichen Zungenziegeln bedeckt.

 

Nach diesen Bemerkungen über die Decorations- und Constructionsweise des Kirchbaues schreiten wir zur Beschreibung der übrigen, zum vormaligen Kloster gehörigen Bauwerke.

 

Übrige Klosterbauten.

 

Wie bekannt, befindet sich bei den meisten älteren Klosterbauten ein zu ebener Erde liegender ansehnlicher Corridor, der entweder mit einseitiger Dachung versehen oder auch zuweilen mit Gebäuden übersetzt war, und zur Leibesbewegung der im Kloster lebenden Conventualen, sowie zu kirchlichen Processionen diente. Um bei solchen Corridors (Kreuzgängen) diesen Zweck mit thunlichster Gewinnung von Licht und Luft zu verbinden, wurde dieser, meist aus drei oder vier Flügeln bestehende, den Gottesacker (Cimeterium) umschließende Gang auf der Mittagseite der Kirche angebracht, auch, um dem Licht und der Luft möglichst Zugang zu verschaffen, in der Regel nur einstöckig aufgeführt, auf der inneren Seite aber mit großen Arkadenöffnungen ohne Fenster versehen.

 

Ein solcher Kreuzgang (ambitus) war früher auch bei unserem Kloster vorhanden, der seine Stelle auf der Mittagseite der Kirche und zwar vom südlichen Thurm an bis zum Anfang der westlichen Vorhalle fand, von dem jedoch nur die Substructionen noch vorhanden sind. Sowohl aus diesem Grundwerk, als aus verschiedenen, an einer auf der Südseite der Kirche noch stehenden großen Mauer vorhandenen Blenden geht hervor, daß dieser Kreuzgang vier gleich lange Flügel von je 107 Fuß Länge und 11½ Fuß Breite besaß, die einen fast quadratischen Raum umschlossen, der wohl auch hier zur Begräbnisstätte der Conventualen gedient haben mag. Aus den wenigen Überresten dieses Kreuzganges

 

 

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ist weiter zu entnehmen, daß derselbe wie gewöhnlich nur aus vier einstöckigen, mit einseitigen Dachungen versehenen Gebäuden bestand, von denen jeder Flügel mit acht Kreuzgewölbeschlägen und mit ebensoviel großen Arkadenöffnungen nach der inneren Seite zu versehen war, welche letztere aber bereits den gothischen Spitzbogenstil und obere Maßwerksverzierungen zeigen. Mit ihren Rückseiten lehnten sich diese Gänge auf der Mittagseite an die südliche Abseite der Kirche, und auf der westlichen an das, in einer großen Mauer zum Theil noch erhaltene, Zellenhaus, wogegen solche auf den Süd- und Morgenseiten sich an die früher hier gestandenen Abteigebäude lehnten. Hiernach besaßen diese Umgänge eine solche Höhe, daß deren obere Bedachungsenden nur bis unter die kleinen Fenster in den anstoßenden höheren Gebäuden reichten, wie solches aus den in erstgedachter Mauer noch vorhandenen kleinen, mit Spitzbogen geschlossenen Fenstern nebst darunter befindlichem Gurtsims zu entnehmen ist, und wie solches bei derartigen Kreuzgangsanlagen überhaupt üblich war. Ferner ist aus den, an gedachter Mauer bemerkbaren Gewölbdiensten und Blenden ersichtlich, daß, wie schon angedeutet, die Kreuzgänge nicht in dem romanischen Stil der Kirche, sondern bereits im Spitzbogenstil aufgeführt waren, deren Herstellung daher in diejenige Zeit fallen mag, als den alten Klosterregistern nach von dem Abt Albertus im Jahr 1215 das Refectorium des Klosters erbaut wurde und gothische Formen bereits Eingang gefunden hatten. An der hohen, auf der Abendseite des Kreuzgangs stehenden Mauer zeigt sich außer den erwähnten kleinen Fenstern und Gewölbblenden auch noch eine gut erhaltene, mit Rundbogen überwölbte Thür, die den Eingang aus dem hier stehenden westlichen Klosterbau nach dem anstoßenden Kreuzgang bildete.

 

Von den inneren Schiedmauern und der westlichen Fronte dieses Gebäudes ist dermalen jede Spur verschwunden, weshalb von dessen früherer Einrichtung nichts näheres anzugeben ist und nur vermuthet werden kann, daß selbiges außer dem Refectorium, Küche, Wirthschaftsräumen und oberen Zellen auch den Haupteingang vom Klosterhof in das eigentliche Klostergebäude in sich geschlossen habe.

 

Da übrigens nach einer, von etc. Gleichenstein aufgeführten Notiz der Abt Hugo (der im Jahr 1253 der Einweihung des Klosters zu

 

 

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Eisenberg beiwohnte) im Ambitu oder Kreuzgang begraben worden ist, und letzterer zur Begräbnisstätte von Äbten und Mitgliedern vornehmer Familien gedient haben mag, so ist es nicht unwahrscheinlich, daß man bei Wegräumung der an Stelle des früheren Kreuzgangs jetzt zwei bis drei Fuß hoch aufgehäuften Schutte neben dem alten Fußboden und den Bruchstücken der Kreuzgangsarkaden auch manche interessante Grabsteine vorfinden werde.

 

Nach den auf fol. 11 der Gleichensteinschen Schrift enthaltenen Notizen wurden bereits im Jahr 1150 auf der Mittagseite der Kirche Gebäude zu „Wohnungen für die Sanctimoniales aufgeführt, wobei wohl im allgemeinen die bereits oben angedeutete Gebäudedisposttion mit drei größeren Gebäudeflügeln, anliegenden Kreuzgängen und innerem Cimeterium stattgefunden haben mag; doch bleibt es zweifelhaft, ob der, damals natürlich in romanischem Stil aufgeführte Kreuzgang bereits im Jahr 1215 wieder eingelegt, und wie der, nachweislich in gothischem Stil aufgeführte westliche Flügel in diesem Stil erneuert, oder nur dieser Theil allein in dieser Weise hergestellt worden ist, was sich erst bei Aufgrabung der Stätten des südlichen und östlichen Kreuzgangs näher herausstellen wird.

 

Von den früheren, auf der Morgenseite des Kreuzgangs gestandenen Bauten geben nur noch wenige Substructionen und Schuttaufhäufungen, sowie eine aus dem anstoßenden Querschiff der Kirche befindliche, mit den Leibungen nach außen gekehrte Thür Zeugnis; dagegen deuten eine starke, 8 -10 Fuß hohe reine Mauer mit äüßerem Fußsockel, sowie ein auf der Seite nach dem Cimeterium aufgefundenes, 20 Quadratfuß großes Grundwerk und ein noch vorhandener, ziemlich großer Keller neben dem jetzigen Brauhause auf das frühere Vorhandensein eines hier gestandenen ansehnlichen Gebäudes hin, das sich wahrscheinlich auch noch nach der Stelle des auf der Abendseite anstoßenden jetzigen Brauhauses, vielleicht auch auf das danebenstehende Amthaus ausgedehnt haben mag, obschon an diesem letzteren, erst im Jahr 1701 aufgeführten dreistöckigen Gebäude durchaus keine Reste älteren Bauwerks bemerkbar sind. Die dermaligen Zweifel über die Ausdehnung und Formen dieses Gebäudes, das wegen seiner günstigen Lage nach Mittag und wegen freundlicher Aussicht auf die angenehme Umgegend wohl als Wohnung für den

 

 

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Abt und die höheren Klostergeistlichen gedient zu haben scheint, werden ebenfalls erst nach weiterer Aufgrabung an der südlichen und östlichen Seite des vormaligen Kreuzgangs ihre Lösung finden, wenn gleich die innere Einrichtung dieser Gebäude wohl auch dann noch dunkel bleiben wird.

 

In der obengedachten südlichen Sockelmauer, die jetzt die Grenze nach dem Nachbargehöfte bildet, zeigt sich dermalen noch eine große mit Rundbogen überwölbte Thüre, sowie sich ein solcher Ausgang auch in dem westlich anstoßenden Brauhause noch erhalten hat. Auf der Mittagseite des ebenerwähnten, zu Expeditionen für das dasige Justizamt Bürgel und Wohnungen für zwei Justizbeamte eingerichteten Amthauses und weiter nach Abend hin liegen mehrere große, früher zum Kloster gehörige Fischteiche, zwischen denen, in kurzer Entfernung von dem Amthause, die Einfahrt in den südlichen Theil des Klostergehöftes durch Mauern und einen besonderen Thorbau mit zwei hohen Spitzbogen und massiver konischer Dachbedeckung geschlossen wurde, der noch im Jahr 1810 vorhanden war, in neuerer Zeit aber bis auf einige Mauertheile eingelegt worden ist. Von dieser, den früheren umfänglichen äußeren Klosterhof in südnördlicher Richtung durchschneidenden Fahrstraße zieht sich in westlicher Richtung eine Mauer hin, bis solche sich an eine andere in nördlicher Direction anschließt. An der Innenseite dieser südlichen Hofmauer stehen mehrere unbedeutende Remisengebäude, deren Stelle früher wohl auch von einigen zur Klosterwirthschaft gehörigen Bauten, als Werkstätten, Backhaus, Fremdenlocale u. s. w., eingenommen waren. — Der Raum zwischen gedachter südlicher Hofmauer und dem großen, auf der Außenseite gelegenen Teiche wird durch einen dem Justizamtmann überwiesenen Garten eingenommen.

 

Am Anfang der westlichen Hofmauer stehen außer einer, mit Spitzbogen bedeckten, in Sandsteinwerkstücken construierten Einfahrt noch zwei aus älterer Zeit herrührende Bauwerke. Diese Gebäude, die nach Anlage und innerer Einrichtung, wie jetzt, wohl auch zur Klosterzeit zu Wirthschaftsräumen gedient haben mögen, bilden die westliche Begrenzung des ehemaligen Kloster- und Wirthschaftshofes des jetzigen, zum großh. Kammergut Gniebsdorf gehörigen Vorwerks Thalbürgel, und ist jedes dieser 119 Fuß langen, 36 Fuß tiefen Gebäude mit zwei

 

 

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massiven Stockwerken und hohem Ziegeldach versehen. In dem Parterregeschosse des nach Mittag zu gelegenen Bauwerks hat sich ein ansehnliches, mit Tonnengewölbe bedecktes Gemach, und in dem nebenliegenden Raum zwei freistehende runde Säulen von Stein erhalten, die zur Unterstützung eines Zwischengebälks dienen, und oberhalb dessen sich drei achteckige massive Pfeiler zur Auflage der Träger des Dachgebälks befinden, wogegen die Umfassungsmauern durch spätere Fenster- und Thüranlagen ihr früheres alterthümliches Ansehen verloren haben. Ein solches hat sich jedoch noch an dem oberen höheren Bauwerk erhalten, indem sich an selbigem nicht allein mehrere der mit Abfassungen versehenen schmalen Fenster erhalten haben, sondern auch dessen massive Dachgiebelmauern noch mit kräftigen Abtreppungen von Werkstücken bekrönt sind, wodurch diesem alten ansehnlichen Bauwerk ein vortheilhaftes ernstes Ansehen verliehen wird.

 

Die nördliche Seite des ehemaligen Klosterhofs, von dem nördlichen Theil des letztgedachten Gebäudes an bis zur Klosterkirche, wird durch ein, in seinem Mauerwerk wohl erhaltenes Scheunengebäude, ferner durch eine neuere Thorfahrt und endlich durch die sogenannte Amtsfrohnveste eingenommen, welche letztere ebenfalls neueren Ursprungs ist. Wegen der nahen Kirche scheint früher hier kein Gebäude gestanden zu haben, und befand sich auf dieser Seite außer dem erwähnten Scheunenbau wohl nur noch die nördliche Ausfahrt, deren in den älteren Klosterregistern Erwähnung geschieht.

 

Bedauerlicherweise steht das unansehnliche zweistöckige Frohnveste-Gebäude der schönen Vorhalle der Kirche überaus nahe und wird dadurch dem gehörigen Überblick derselben wesentlicher Eintrag gethan.

 

Eine gleiche Benachtheiligung der Umgebungen der Kirche wird durch das auf der Abendseite der Kirche, im Klostergehöfte stehende, im Jahr 1581 gebaute Amthaus bewirkt, indem, wenngleich dieses zweistöckige massive Gebäude mit vorstehendem Treppenthurm an sich eben kein störendes Ansehen darbietet, solches doch durch seine nahe Stellung bei der Kirche den gehörigen Überblick des östlichen Theils derselben verhindert, und, wie das nicht ferne neue Amtsgebäude, durch seine neueren Bauformen in störendem Misverhältnis zu den älteren würdigen Formen der Kirche steht.

 

 

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Nächste Umgebungen des Klosters.

 

Hinsichtlich der nächsten Umgebungen resp. Umschließungen des Klostergehöftes ist endlich noch zu gedenken, daß dermalen von der nord-östlichen Ecke der Vorhalle bis an die nordwestliche Giebelseite des Querschiffs sich eine alte, jetzt sehr verfallene Befriedigungsmauer hinzieht, durch welche ein ziemlich breiter, jetzt als Obstgarten benutzter Raum zwischen der anliegenden Fahrstraße und dem Kirchschiffe gebildet wird, und daß von der nordöstlichen Ecke des gedachten Querschiffs an eine ebenfalls alte, noch ziemlich gut erhaltene, 10 - 12 Fuß hohe Umfriedigungsmauer nebst anstoßendem Staket sich bis an das ehemalige südliche Abteigebäude fortsetzt und dadurch einen ziemlich großen Grasegarten auf der Morgenseite des vormaligen Chors umschließt, der jetzt auf der Morgenseite durch die Fahrstraße, auf der Mittagseite aber durch Nachbargrundstücke begrenzt wird, und ehedem wohl als Klostergarten benutzt worden sein mag.

 

Unterhalb des östlichen Theils des ebengedachten vormaligen Klostergartens und der anliegenden Fahrstraße befinden sich verschiedene, regelmäßig in Sandstein ausgehauene unterirdische Gänge von mäßiger Breite und Höhe, deren Eingang zwar in das, in seinem Untertheil noch aus der Klosterzeit stammende Gasthofsgebäude ausmündet, die sich jedoch allem Vermuthen nach früher in westlicher Richtung bis zum ehemaligen östlichen Conventualengebäude fortsetzten und theilweis als Kellerräume für das Kloster benutzt worden sein mögen, da von solchen Kellern sich, außer dem Keller am Brauhause, nirgends eine Spur vorfindet, der Grabung ansehnlicher Kellerräume aber in den oben gedachten Klosterregistern besondere Erwähnung geschieht.

 

Auf der Nordseite der Kirche und jenseits des Fahrwegs befindet sich der große Gottesacker des Orts Thalbürgel, dessen umfängliche Umfriedigungsmauer nach den vielen in selbiger eingemauerten Bruchstücken von Capitälen, architektonischen Gesimsen, Werkstücken und Dachziegeln wohl zum Theil aus dem Steinmaterial der eingelegten Klostergebäude aufgeführt worden zu sein scheint.

 

Vor der Reformation befand sich im Ort Thalbürgel eine der h. Magdalena gewidmete, zum Kloster gehörige Capelle, die aber später eingelegt und der Platz einem dasigen Einwohner als Baustelle eines Wohnhauses überlassen wurde.

 

 

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In mäßiger Entfernung von dem Ort Thalbürgel und oberhalb der westlich von selbigem gelegenen großen Fischteiche lassen sich in einem niedrigen Graben und wenigem Mauerwerk noch die Spuren des, früher zum Kloster gehörigen Vorwerks Kalthausen erkennen, das nach einer Notiz in dem Gleichenstein'schen Werk fol. 107 im Jahr 1678 auf Anordnung des Herzogs Bernhard von Jena eingelegt und das Steinmaterial mit zum Bau einer neuen Kirche in dem eine Stunde von Thalbürgel entfernten Ort Taupadel verwendet wurde.

 

Von der auf dem Berg zwischen Stadt- und Thalbürgel gelegenen Capelle zum h. Georg, welche wohl gleichzeitig mit dem am Fuße dieses Berges gelegenen, im Jahr 1208 von der Gemahlin des Grafen Wolfgang von Kirchberg gestifteten Hospital aufgeführt wurde, sind dermalen nur sehr wenige Überreste vorhanden, wogegen das letztere selbst, jedoch in einem neueren Gebäude, jetzt noch besteht, an dem äußerlich noch ein älteres Heiligenbild mit zwei, den gekreuzigten Heiland und einen Abt darstellenden Holzstatuetten bemerkbar ist.

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Uber das vormalige Kloster Burgelin finden sich in nachverzeichneten Schriften einige weitere Notizen:

 

1) Kurze historische Beschreibung der vormaligen berühmten Abtey und Kloster Burgelin, von dem Edlen von Gleichenstein. Jena 1729.

2) Thuringia sacra, Francoforti 1731. p. 754 seq.

3) Puttrich, Denkmale der Baukunst des Mittelalters in Sachsen, I. Abtheilung, 15. und 16. Lieferung des II. Bandes, Leipzig 1847. S. 18 - 21.

4) Dritter Jahresbericht des Thüringisch-Sächsischen Vereins zur Erforschung des vaterländischen Alterthums, 1823, S. 42.

5) Adr. Beier, Geographus Jenensis, Jena 1665.

6) Hirsching, Kloster-Lexikon.

7) Schultes, Directorium diplomaticum, p. 203.

8) Falkenstein, Thüringische Chronika, S. 1321.

 

Eine, wenn auch nicht ganz richtige, geometrische Aufnahme der jetzigen Kirche nebst Umgebungen wird in dem Bureau des großherzogl. Oberbaudirectors in Weimar aufbewahrt.

 

 

 

 

Quelle:

H. Heß. Über das vormalige Kloster Burgelin bei Stadt-Bürgel, in: Zeitschrift des Vereins für thüringische Geschichte und Alterthumskunde 3, 1859, S. 237-288.

 

Auf die eingescannte Zeitschrift kann über das Journals-Portal (journals@UrMEL) der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena unter folgendem Link zugegriffen werden:

https://zs.thulb.uni-jena.de/rsc/viewer/jportal_derivate_00192627/ThG-008_1859_Bd3_0241.tif