A. Goldschmidt: Die Skulpturen von Freiberg und Wechselburg

DENKMÄLER

DER DEUTSCHEN KUNST

 

Herausgegeben

 

vom

 

Deutschen Verein für Kunstwissenschaft

 

 

 

II. SEKTION PLASTIK

 

 

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DIE

SKULPTUREN VON FREIBERG

UND WECHSELBURG

 

von

 

ADOLPH GOLDSCHMIDT

 

mit einem Beitrag

 

von

 

DR. PHIL. DR.-ING. L. GIESE

 

 

 

117 Lichtdrucktafeln und 11 Textabbildungen

 

 

 

BERLIN / BRUNO CASSIRER

 

1924

 

 

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DRUCK DER SPAMERSCHEN BUCHDBUCKEREI IN LEIPZIG

 

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INHALTSVERZEICHNIS

 

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . 7

Die „Goldene Pforte“ . . . . . . . . . . . . 9

Das Programm . . . . . . . . . . . . . . 11

Der Arbeitsgang . . . . . . . . . . . . . 12

Der Meister . . . . . . . . . . . . . . . 15

Wechselburg . . . . . . . . . . . . . . . 19

Der Freiberger Lettner . . . . . . . . . . . 21

Das Grabmal Dedo . . . . . . . . . . . . 23

Die Ornamentik . . . . . . . . . . . . . . 24

Die Baugeschichte der Kirche von Wechselburg . . 25

Rekonstruktion des Wechselburger Lettners . . . . . 30

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . 40

Verzeichnis der Tafeln . . . . . . . . . . . . 41

 

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VORWORT

 

In Freiberg konnte die Baugeschichte der alten Kirche, der die Goldene Pforte, der Hauptgegenstand der Tafeln angehört, außer acht gelassen werden, da in dem Neubau nur sehr wenige Reste derselben noch sichtbar geblieben sind. Auch geben die Überbleibsel des alten Lettners nicht genügend Anhalt, um feste Schlüsse über sein Aussehen zu ziehen, sondern lassen nur Hypothesen zu, die sich auf Analogien mit dem Wechselburger Lettner gründen. Seine Teile im Dresdner Altertumsmuseum sind selbstverständlich in die Publikation eingeschlossen worden, ebenso die verwandten Grabsteine aus Pegau, ‚Braunschweig und Quedlinburg. Auch einige andere Denkmäler, die in enger Beziehung zur behandelten Gruppe stehen, wurden herangezogen, im übrigen aber die Fäden nicht weiter gesponnen, sondern die Grenzen dieses einen festen Komplexes gewahrt. Die Vorbereitungen für die Veröffentlichung lagen am Anfang in den Händen von Herrn Dr. Hermann Giesau in Halle, der in vortrefflicher Weise die photographischen Aufnahmen, die von der Staatlichen Bildstelle in Berlin mit großer Sorgfalt ausgeführt worden sind, geleitet hat, die wissenschaftliche Bearbeitung aber infolge anderer Aufgaben abbrechen mußte. Was mir von seinen kritischen Ansichten über diese Werke bekannt geworden ist, deckte sich zum großen Teil mit meinen eigenen Anschauungen, die dadurch eine wertvolle Bestätigung erfuhren.

 

Wenn die Veröffentlichung zu Fragen Anlaß gibt, die sie nicht beantwortet, so liegt darin, wie schon gesagt, ein Teil ihres Zweckes.

 

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DIE „GOLDENE PFORTE“

 

Die Marienkirche in Freiberg in Sachsen wurde am Ende des 15. Jahrhunderts mit Benutzung einiger weniger Mauerteile aus dem 12. Jahrhundert völlig umgebaut zu einer Hallenkirche. Unversehrt bewahrt wurde vom älteren Bau nur das figurenreiche romanische Portal des südlichen Querschiffes, die „Goldene Pforte“ (Tafel 1). Sie vertieft sich in neun Abstufungen in gleichmäßigem Wechsel von Säulen und Pfeilern, und zwar so, daß den Abschluß nach außen und nach innen eine Säule bildet. Die dazwischenliegenden Pfeiler sind durch eine flache Nische abgefast, in die von kleinen Säulchen getragene Figuren eingestellt sind. Gesims, Basen und Sockel machen die Stufenfolge mit, und nur die äußerste Säule besitzt außer den gemeinsamen Basen noch eine eigene darüberstehende. Die Archivolten über den Säulen sind nur profiliert oder ornamental behandelt, diejenigen über den Pfeilern tragen Figurenschmuck. Auf den eigentlichen Türpfosten ruht das mit Reliefs ausgestattete Türfeld.

 

Die ruhige und geschlossene Wirkung, die das Portal trotz seines überreichen Schmuckes ausübt, verdankt es der strengen Einhaltung seiner geometrischen Konstruktionslinien, denen sich alle Skulpturen vollkommen unterordnen. Die Blöcke sowohl der Seitenwände als auch der Archivolten waren offenbar zunächst in glatten Flächen und Kanten rechtwinklig zurechtgehauen, so daß man mit ihnen das Portal schmucklos in einfachen Einstufungen hätte errichten können, denn alle Plastik hält sich streng an die Blockgrenzen, nutzt sie aber auch in möglichster Raumentfaltung aus. Trotzdem ist aus noch näher darzulegenden Gründen nicht anzunehmen, daß die ganze Bildhauerarbeit erst nach der Versetzung vorgenommen wurde, sondern die einzelnen Blöcke sind schon in der Hütte fertig bearbeitet und dann erst zusammengesetzt worden.

 

In dem Verhältnis der Skulpturen zur Form und Stellung des Blockes liegt zugleich das plastische Problem, das dem Künstler gestellt wurde. Einem romanisch geschulten Bildhauer, der bei seiner Erfindung von der Zeichnung ausging, lagen zwei freie Flächen der einzufügenden Blöcke zum Ansetzen mit einem Entwurf vor, die Frontfläche für den Blick des Außenstehenden, die seitliche Innenfläche für den das Portal Durchschreitenden, und es galt auf beide Rücksicht zu nehmen. Das Ideal, dem der Schöpfer des Portals sich zu nähern suchte, war die Vollendung der Figuren für eine Schrägansicht, so also, daß eine diagonale Schnittfläche des Blockes gewissermaßen die Projektionsebene seiner Gestaltung bildete, wobei das größte Vordringen der plastischen Form in der Vorderkante des übereckstehenden Blockes lag. So kam er der Anschauungsrichtung desjenigen, der im Begriff war, das Portal zu durchschreiten, am meisten entgegen.

 

Er besaß noch nicht den Grad rundplastischen Formempfindens, um sich von der Vorstellung der Blockflächen, die zu reliefmäßiger Darstellung herausforderten, ganz frei zu machen. Dies Sichtbarbleiben einer begrenzenden Blockform und einer regulierenden Kante ist ein bedeutsamer Faktor in dem stilistischen Eindruck der Portalplastik.

 

Die Tafeln 24—29 geben Gelegenheit, die Archivoltenfiguren annähernd genau in den drei Richtungen zu betrachten, von außen, von innen und in der Diagonale.

 

Am anschaulichsten ist das Vorgehen bei den vierzehn Aposteln und Evangelisten, die in den beiden mittleren Archivolten sitzen. Den Unterkörper stellt der Bildhauer immer so ein, daß auf der einen Blockfläche die volle Vorderansicht der beiden Beine, auf der andern die

 

 

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scharfe Seitenansicht des einen Beines gegeben wird, ohne Sichtbarkeit des andern. Er verteilt also Vorder- und Seitenansicht reliefmäßig auf die beiden Blockflächen, und zwar in fast allen Fällen so, daß der Unterschenkel des einen Beines senkrecht gestellt wird und so die Blockkante markiert (Tafel 24—27). Dann dreht er den Oberkörper um eine Viertelwendung in die diagonale Stellung, so daß diese zur Hauptansicht wird, bei welcher Kopf und Knie in der Mittelachse übereinanderstehen (Tafel 28, 29) und die seitlichen Ansichten sich unterordnen.

 

Die reichsten Bewegungen zeigen die Auferstehenden (Tafel 38—42). Sie sind das Glanzstück des Meisters. Hier bot der rechtwinklige Sarkophag, der die Blockflächen übernimmt, einen Ausgangspunkt. Die Erwachten sind bereits mit einem Beine ihrem Särge entstiegen, und je nachdem sich dasselbe an der Innen- oder Außenfläche des Blockes befindet, tritt dort die Sarkophagwand so weit aus der Vorderebene zurück, wie es der Raum für das Bein verlangt. In der weiteren Entfaltung des Körpers spürt man auch hier noch nach der einen oder andern Blockfläche hin den Ausgangspunkt von einer Front-, Seiten- oder auch Rückenzeichnung, aus der heraus sich dann das übrige entwickelt. Die Engel der innersten Archivolte sind einfach nach innen gewandt, noch in engster Beziehung zur Darstellung des Türfeldes. Am freiesten sind die Laibungsstatuen behandelt (Tafel 6—11), obgleich auch hier die Blockgrenzen eingehalten wurden, wie sie durch die am weitesten vorspringenden Gebälkplatten angegeben werden. Der Block, aus dem diese Figuren gearbeitet sind, ist mit seinen rechtwinkligen Rückflächen genau in die Einstufung des Pfeilers hineingefügt. Seine untere Grenze liegt über der Deckplatte des kleinen Säulenkapitells, die obere fällt zusammen mit der oberen Kante des glatten Streifens über dem Blattornament hinter den Köpfen. Die Komposition ist hier einheitlicher auf die Diagonalansicht hin durchgeführt, da bei dem Entwurf des Künstlers die Vorstellung einer schrägen Wand als Hintergrund sich offenbar stärker geltend machte.

 

Das Bekrönungsfeld der Tür (Tafel 2—5) war ursprünglich halbkreisförmig geplant und der Block in seiner Gesamtform bereits behauen. Dann wurde ihm eine Spitzbogenform gegeben, indem an den Seiten ein Stück abgenommen (die Ansätze der größeren Breite sind an den Fußpunkten noch vorhanden) und oben ein ganz schmales spitzbogiges Stück aufgesetzt wurde. Die Fuge ist dicht über dem Beginn des Blattornamentes sichtbar. Die plastische Bearbeitung begann also erst nach der Umformung, da sie dem neuen Umriß parallel geht. Sie sieht das künstlerische Ziel in der vollkommenen und gleichmäßigen Füllung der Fläche. Die Figuren passen sich der Umrißkurve an, nur die Flügel der Engel greifen in den Ornamentrahmen über. Aus Rücksicht auf diese Anpassung ist der älteste der Könige, der gewöhnlich als nächster zur Maria sich am tiefsten auf die Knie niederzulassen pflegt, eben wegen dieses Kniens an das Ende des Feldes und damit am entferntesten von der Madonna gerückt, der jüngste ihr am nächsten. Wie der führende Engel den Zwischenraum zwischen Thron und Josef sorgfältig ausfüllt, so bedecken die kleinen Halbengel in der Luft, die dem Christkind zu den zwei bereits vorhandenen Äpfeln oder Kugeln (Zeichen der Herrschaft) noch zwei weitere bringen, die freie Fläche zu seiten des Madonnenkopfes, und man empfindet schon als störend die Lücke unter dem rechten Engel. Es ist anzunehmen, daß dort ursprünglich in derselben Weise ein Tuchzipfel flatterte wie bei dem linken Engel, um so mehr, als seine Hände ebenfalls bedeckt sind und durch das Fehlen des Zipfels in einem geschlossenen Sack zu stecken scheinen. Der Grund, daß dieser Zipfel fehlt, ist darin zu suchen, daß er ebenso wie der Apfel dort unfertig stehengeblieben war und es einem Späteren bequemer schien, ihn wegzuschlagen als auszuführen. Jene Gegend des Reliefs zeigte auch darin eine Unregelmäßigkeit, daß die hinteren Flügel des großen und des kleinen Engels in der Rohform stehengeblieben sind. Daß dies nicht etwa eine künstlerische Absicht gewesen ist, zeigt die Ausführung der Federn bei dem linken Engel. Der Kopf des Kindes ist modern, nachdem der hierdurch ersetzte ältere Kopf (auf früheren Abbildungen sichtbar) auch schon eine Ergänzung gewesen war.

 

 

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Es liegt eine Vergleichung mit dem entsprechenden Portalrelief der Kathedrale von Laon (Tafel 116) nahe, da die Komposition im ganzen, besonders die Gestalt des sitzenden Josefs, der, eingepaßt in die Ecke des Tympanums, sich zur Mittelgruppe umblickt, eine Beziehung zwischen beiden Werken annehmen läßt. Gerade diese Verwandtschaft läßt die starken Gegensätze um so deutlicher feststellen. Das statuarische Element ist in Laon viel stärker. Die Madonna ist durch einen Baldachin auf Säulen isoliert und räumlich herausgehoben, in Freiberg entfaltet sie sich breiter in zeichnerisch lebhafteren Umrissen. Noch mehr ist dies bei dem Engel der Fall, der in Vorderansicht neben die Madonna gereiht ist, während er in Laon der Madonna zugewandt dasteht und so die räumliche Beziehung viel stärker zum Ausdruck bringt, ebenso wie die drei Könige, die in Freiberg mehr nebengereiht und in stärkerer Flächenfüllung gegeben sind. Und dieser Verschiedenheit entspricht auch die Betonung des Zeichnerischen in der Häufung kleinen Gefältels und unruhiger Zickzackbewegung gegenüber den ruhiger fließenden Linien und geschlosseneren Formen in Laon.

 

Der heutige Eindruck des Portals muß durch die Vorstellung der einstigen Bemalung ergänzt werden. Seinen Namen „Goldene Pforte“ verdankt es einer reichen Vergoldung und Buntfarbigkeit, von denen jetzt fast die letzten Spuren verschwunden sind 1).

 

 

 

DAS PROGRAMM

 

Das Figurenprogramm des Portales ist, wie schon das Türfeld beweist, nicht ohne Kenntnis der französischen Fassaden entstanden und sucht in Kürze den Inhalt der großen dreiportaligen Anlagen zusammenzufassen, das Madonnenportal, das Marienkrönungsportal und das Jüngste Gericht.

 

Den Mittelpunkt bildet das Bogenfeld mit der thronenden Madonna und den anbetenden Königen. Die nächste Archivolte enthält im Scheitel die Krönung der Maria und darunter die vier Erzengel als Trabanten. Auf dies Marienthema weisen die Standfiguren an den Seiten des Portals: die beiden Königspaare David und Ecclesia, Salomo und die Königin von Saba als Typen von Christus und Maria, des Sponsus und der Sponsa, die Propheten Daniel und Aaron als Zeugen der jungfräulichen Geburt [die Hilfe des Engels trotz der versiegelten Löwengrube (Daniel, Kap. VI) und das Erblühen der trockenen Gerte (Virga Aaron) sind die Vorzeichen] und die beiden Johannes, deren Worte „in principio erat verbum“ etc. u. „ecce agnus dei“ auf Geburt und Passion Christi hinweisen.

 

Die Vollendung des Zyklus bilden die drei äußeren Archivolten. Hier haben sich die Bestandteile des Jüngsten Gerichtes ausgebreitet, die sich in Frankreich um das Türfeld des thronenden Weltenrichters mit der Jungfrau und Johannes dem Täufer als Fürbittern gruppieren. In Freiberg hat diese Mitteldarstellung der thronenden Maria den Platz räumen müssen, und dem Komplexe fehlt daher der Weltenrichter. Die Beisitzer des Jüngsten Gerichtes aber, die Apostel, sind auf die zweite und dritte Archivolte verteilt. Daß es sich um Apostel handelt, besagen die Schlüssel des Petrus, aber da ihre Zahl vierzehn ist, muß man wohl annehmen. daß die untersten vier Figuren als die Evangelisten gelten sollten, denen sich dann noch die übrigen zehn Apostel anreihten, wofür auch der Umstand spricht, daß Petrus erst in der zweiten Reihe erscheint. Die äußerste Archivolte bringt die aus ihren Särgen Auferstehenden. Wie die unterste Archivolte mit den Erzengeln durch die Krönung der Maria, so sind auch

 

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1) Vgl. die Bemerkungen im Tafelverzeichnis I.

 

 

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die andern drei Reihen durch Mittelstücke unterbrochen (Tafel 30, 31), und zwar durch Abraham, der eine Seele in Kindergestalt auf dem Schoße trägt und eine zweite vom heranschwebenden Engel empfängt, ferner durch die Taube des hl. Geistes, die von zwei Engeln verehrt wird und hier wohl als Ausgangspunkt für die Mission der sich anschließenden Apostel anzusehen ist, und schließlich in der obersten Mitte durch einen Engel, der zwei der Auferstandenen, die anbetend knien, an den Armen erfaßt und seinen Blick nach vorne richtet, als wollte er mit ihnen in höhere Regionen entschweben.

 

Die figürlichen Bestandteile, die sich außerdem an dem Portal befinden, sind ornamentales Füllwerk, zuweilen vielleicht mit einem geringen symbolischen Einschlag, der aber für die Darstellung nicht maßgebend war. So kann man auch vielleicht die teils menschlichen, teils tierischen Gebilde, auf welche die Laibungsstatuen ihre Füße setzen (Tafel 12—19), als das besiegte böse Element interpretieren, aber selbst wenn eine solche Deutung im Sinne des Bildhauers gelegen haben sollte, so fehlt doch jede schärfere Präzision. Gänzlich unangebracht aber scheint eine symbolische Deutung der Konsolbildungen oben an den Pfeilerauskehlungen und der Akroterienfiguren auf den Gebälkecken über den Säulen (Tafel 20—23). Die Löwen, die diese Reihe an den äußeren und inneren Enden begrenzen, sind als ein beliebter Bestandteil von anderen Portalen herübergenommen, bei denen sie hier und da allerdings Träger einer Symbolik sind.

 

 

 

DER ARBEITSGANG

 

Zur Vorgeschichte des Freiberger Portals muß die Wandlung in der Form des Türfeldes einen Beitrag liefern. Von der Änderung der Rundbogenform zur leicht spitzbogigen ist bereits gesprochen. Aber die Änderung hat nicht eine Abwandlung des Portalumrisses im ganzen zur Folge gehabt, sondern der Bildhauer hat diesen völlig rundbogig gelassen und den Widerspruch dadurch aufzuheben versucht, daß er den Scheiteln der Archivolten nachträglich ebenfalls eine ganz leichte Brechung gegeben hat, die nach oben hin immer mehr verschwindet (Tafel 30). In dem gedrehten Wulst der untersten Archivolte hat er ein Mittelstück eingesetzt, das durch seine Form einen Spitzbogen vortäuscht, und zwar bemerkt man deutlich, daß es nicht ursprünglich geplant ist, da seine Profilierung sich nicht im richtigen Kurvenfluß an die Nebenblöcke anschließt. Steigt man dann weiter hinauf, so wird die Brechung der Archivoltenlinie immer geringer und ist oben gar nicht mehr vorhanden. Es beweist dies, daß der Schöpfer des Portals keineswegs den Wunsch hatte, ihm im ganzen ein spitzbogiges Aussehen zu geben, sondern der Grund der Umformung des Türfeldes ein anderer gewesen ist. Der ursprüngliche rundbogige Tympanonblock scheint das Bogenfeld innerhalb der ersten Archivolte nicht genügend ausgefüllt zu haben, denn selbst am Fußpunkt, wo die ursprüngliche Breite bestehen blieb, ist der Abstand ein sehr großer (Tafel 2). Es ist daher anzunehmen, daß am Beginn das Portal etwas kleiner geplant war, man aber nach der Vergrößerung den schon behauenen Block nicht verwerfen wollte, sondern ihm eine Spitze zufügte, um wenigstens nach oben eine engere Fühlung zur Archivolte zu gewinnen. Hierbei folgte man zugleich der modernen Stilrichtung. Daß die Reste eines älteren romanischen Säulenportals, die man bei der Restanration 1891 hinter den Sockeln vorfand, mit einer Änderung des Planes zusammenhängen, ist wohl möglich 1). Nach Anfang eines in

 

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1) Ein Grund- und Aufriß der aufgefundenen Reste von Baumeister Haller befindet sich im Museum in Freiberg. Vgl. Mitteilung des Freiberger Alterthumsvereins, Heft 31, 1895, S. 127.

 

 

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etwas kleineren Dimensionen geplanten Portalbaues mag erst durch den Bildhauer auf Grund eines reicheren Figurenschmuckes eine Verbreiterung beschlossen worden sein. Der Türblock für das ältere und kleinere Portal lag aber schon fertig zugehauen da, und bei dem Wert des großen Stückes und der geleisteten Arbeit hat man ihn später wieder verwandt. Dieser Umstand führt zur Untersuchung, wie der praktische Hergang der Ausführung des Portales sich vollzogen hat. Dafür sind zunächst zwei Fragen zu beantworten. Die erste lautet: Stammen alle Teile von derselben Hand?, die zweite: Ist die Bildhauerarbeit in der Hütte ausgeführt oder erst nach der Versetzung an Ort und Stelle?

 

Zur ersten Frage möchte ich folgendes bemerken: Man wird angesichts dieses Werkes nicht von mehreren gleichgeordneten Meistern reden können, sondern einem einzigen muß der Plan des ganzen Portals mit allen Einzelheiten zufallen. Bei aller Abwechslung ist die Einheitlichkeit so groß, daß Einer den Entwurf gefertigt haben muß, und zwar über die Disposition hinaus bis zu den einzelnen Figuren. Eine Spaltung kann erst eingetreten sein bei der Ausführung der einzelnen Bestandteile nach dem gemeinsamen Modell. Da erhebt sich schon wieder eine Frage, die von prinzipieller Wichtigkeit ist auch für andere Schöpfungen, aber noch ganz ungelöst blieb; Welcher Art war das Modell? Aus Holz, aus Wachs oder Ton oder nur eine Zeichnung? Bei all diesen Materialgattungen fällt der Blockzwang fort, so daß die endgültige Form doch erst auf Grund des Steines schärfer ausgestaltet werden konnte. Damit würde den einzelnen Beteiligten wieder eine größere Selbständigkeit zufallen, und man muß eine sehr enge gemeinsame Schulung voraussetzen, die zu so einstimmigen Resultaten führte. Denn bei der Ausführung scheinen in der Tat an der Pforte verschiedene Hände tätig gewesen zu sein. So zeigen in den Archivolten eine Anzahl Apostel der rechten Seite eine andere Behandlung als die der linken. Die drei der inneren Archivolte rechts (Tafel 33) haben weniger tief ausgearbeitete und weniger eng geteilte Falten sowie geringer durchgeführte und ausdruckslosere Köpfe als diejenigen der linken Archivolten (Tafel 32). Auch diejenigen der äußeren rechten Archivolte (Tafel 36, 37) sind weniger reich an Einzelheiten, doch steht hier der Bildhauer, besonders in den oberen Figuren, dem der linken Seite (Tafel 34, 36) ganz erheblich näher, während links unten Johannes sich dem Stil rechts nähert. Es ist ferner ein Schwanken zu bemerken zwischen der Vorliebe für die altertümlichen zeichnerischen Zickzacksäume mit dichterem Liniengefüge und einem Verzicht auf dieselben zugunsten stärkerer plastischer Motive. Die Auferstehenden sind wohl dem Hauptbildhauer links zuzuweisen und ebenso die großen Gewändestatuen, unter denen sich allerdings zwei wieder auszuscheiden scheinen: der König David (Tafel 18), der verhältnismäßig schwächlich wirkt und in der Ausführung und dem Kopftypus dem rechten Archivoltenmeister nahekommt, und Johannes der Täufer (Tafel 12), der nicht nur durch den starken Ausdruck des Kopfes von den anderen Figuren abweicht, sondern auch dadurch, daß er sich nicht an die Blockgrenzen hält, sondern mit seinem rechten Ellenbogen darüber hinausdringt. Dennoch möchte ich ihn dem Meister der übrigen zuschreiben. Es bleibt Spielraum für engere Gruppierungen, je nachdem man die Spannweite der Einzelpersönlichkeit annehmen will, doch scheint es mir nicht gut angängig, über die Zahl von drei Händen in der Bearbeitung hinauszugehen. Für die Ausführung der ornamentierten Architekturteile kann man gewiß weitere Steinmetzen heranziehen.

 

Arbeiten verschiedene Hände zusammen, so muß man um so mehr eine gemeinsame Vorlage voraussetzen, wenn die einzelnen Blöcke schon in der Werkstatt fertiggearbeitet wurden. Hiermit stoßen wir auf die zweite Frage: Ist die Bildhauerarbeit erst nach der Versetzung der Blöcke ausgeführt, oder sind die Skulpturen schon in der Hütte vollständig durchgebildet und dann erst in den Aufbau des Portales eingefügt worden? Für die Bearbeitung nach der Versetzung spräche die scharfe Einhaltung der Blockkante der Archivolten, die eine durch Schenkel und Köpfe durchgehende Linie bildet, ferner die über die Fugen hinweggreifende subtile Gewandbehandlung. die sonst erfordern würde, daß entweder die zusammengehörigen

 

 

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Blöcke schon in der Werkstatt im Anschluß aneinander gearbeitet worden wären oder daß nach der Versetzung noch eine ausgleichende Überarbeitung neben den Fugen stattgefunden hätte, die möglichst alle Merkmale der Unterbrechung tilgte. Für die Bearbeitung nach der Versetzung spräche ferner der Umstand, daß einige Stücke unausgeführt blieben, wie die Kapitelle über mehreren der Auferstehenden in der äußersten Archivolte, die als bloße Kegel erscheinen (links die zwei obersten, rechts die vier untersten), ebenso die entsprechenden Blöcke zur Seite der Krönung Mariä in der innersten Archivolte und über dem dritten Apostel der zweitinneren Archivolte beiderseits (Tafel 24, 25 und die Einzel- aufnahmen). Es ist nicht naheliegend, anzunehmen, daß man die Blöcke unfertig versetzt habe.

 

Dagegen sprechen für die Bearbeitung vor der Versetzung zunächst die Schwierigkeiten der bildhauerischen Tätigkeit unter den Scheiteln der Archivolten, dann aber auch gerade die Scheitelblöcke selbst in der obersten Archivolte, auf der ein Engel mit jeder Hand einen Auferstehenden erfaßt (Tafel 31 d). Hier sind nämlich die Flügelfedern des Engels bis zur Grenzfuge ausgearbeitet, jenseits derselben bei den seitlichen Blöcken jedoch nicht mehr angedeutet. Ein derartiges Abbrechen mitten in den Federn ist bei einer Bearbeitung an Ort und Stelle schwer erklärlich.

 

Und auf welche Arbeitsweise soll man es zurückführen, daß in der dritten Archivolte von innen der Bildhauer mit seinem Platz nicht ausgekommen ist? Er muß bei dem obersten Apostel (Tafel 30, 35, 37) den Kapitellblock überhaupt aufgeben und außerdem bei den fliegenden Engeln der Scheitelgruppe (Tafel 30, 31 c) das unterste Stück der Beine fortlassen, die sicher nach der Art der Faltenbildung und in Analogie zum Engel darunter im Entwurf in vollständiger Gestalt geplant waren, denn bei Platzmangel gibt der Meister seinen Engeln sonst eine perspektivisch verkürzte Körperstellung. War ein solcher Dispositionsfehler eher möglich, wenn der Bildhauer die Archivolte nach der Versetzung von unten herauf bearbeitete, oder wenn er die Blöcke vorher einzeln vollendete? Man kann Gründe dafür in beiden Fällen aufstellen.

 

Die Diskussion über die Auswertung all dieser Erscheinungen für die Arbeitsweise führt nicht einwandfrei zu einem festen Resultat. Doch scheinen mir die Gründe für die Annahme, daß die Blöcke erst nach der Bearbeitung versetzt wurden, so überwiegend, daß ich mir den Gang der Fertigstellung folgendermaßen denke:

 

Ein eingestuftes Rundbogenportal mit Säuleneinstellungen war in einzelnen Teilen begonnen und der Block für das Türfeld behauen. Da kam der Plan auf, statt dessen ein reich geschmücktes Figurenportal von größeren Dimensionen zu errichten. Der Bildhauer, vermutlich mit geistlicher Unterstützung in der Programmaufstellung des Figürlichen, entwarf die Form und führte die Visierung, eine ins Einzelne gehende Zeichnung, aus, die für ihn und die mit ihm arbeitenden Steinmetzen die Vorlage bildete. Wenn man in Betracht zieht, wie straff die Steinmetzen in der Hütte geschult wurden, wie eng die Berührung untereinander war, und wie gleichmäßig die Formengestaltung, in der sie erzogen wurden, so kann man sich wohl vorstellen, daß ausgewählte Kräfte neben dem Hauptmeister in selbständiger Ausführung diesem sehr nahe kamen, selbst wenn ihnen nur eine Zeichnung vorlag, die eine einseitige Ansicht der verschieden komponierten Apostel und Auferstehenden zur Geltung brachte. Vermutlich lag den Bearbeitern die Aufgabe ob, nach einer solchen Gesamtansicht der Figur die letztere derart in zwei Ansichten zu zerlegen, daß die Bearbeitung von beiden Blockflächen ausgehen konnte. Daß dabei der Block seine Hauptkonturen behalten mußte, lag eben auch schon in der Schulung der Hütte, und da alle Blöcke zum Aufbau des Portals gleichmäßig und akkurat behauen vorbereitet waren, so mußte sich bei der Zusammensetzung die gemeinsame Kante ergeben. Daß es sich außerdem bei dem Verhältnis zwischen Zeichnung und Ausführung nicht um ein Ähnliches handelt wie heutzutage, wo der Steinmetz mechanisch nach seinem plastischen Modell punktiert, sondern um eine Gestaltung, die frei im Einzelnen

 

 

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sich nur in den Hauptmotiven an die Visierung hält, das läßt sich aus Einzelfällen folgender Jahrhunderte schließen, in denen uns Visierung und Ausführung erhalten sind, und wo es sich nie um genaue Einzelwiedergabe handelt. Der Bestand an Drapierungen, an Faltenmotiven, an Kopfbildungen war gelernt und wurde selbständig kombiniert und variiert. Diese Fähigkeiten mußte der Mitarbeiter besitzen.

 

War die Figur wie in den Archivolten aus zwei Blöcken zusammengesetzt, so bearbeitete man in der Hütte diese beiden Blocke eben auch schon im Zusammenhang miteinander, während die rein ornamentalen Stücke so berechnet waren, daß die Archivolten aus ganz gleichartigen Teilen zusammengesetzt wurden, so daß diese von einem minderen Steinmetzen genau nach dem Modell gefertigt werden konnten.

 

Nach fertiger Bearbeitung der Einzelstücke wurde dann das Portal mit den Archivolten aufgerichtet. Die Standfiguren an den Seiten brauchten dabei nicht fertig zu sein, denn sie konnten nachträglich eingefügt werden. Auch das Türfeld scheint erst angebracht zu sein, nachdem das Portal im übrigen schon fertig errichtet war, was technisch keinerlei Schwierigkeiten bot, da die Bogen in sich Halt hatten. Die Gründe dafür sind folgende. Wir sahen schon, daß das Türfeld zu kleine Dimensionen hatte und vermutlich von dem älteren Plan stammte. Hätte man den Aufbau mit dem Türfeld begonnen, so hätte man doch wohl eine bessere Lösung gefunden, die nächste Archivolte damit in Verbindung zu bringen. Gewichtiger aber ist die gotisierende Umgestaltung des Umrisses durch Umarbeitung, die auf ein fortgeschrittenes Stilgefühl deutet, während das Portal im übrigen noch rein rundbogig ist. Daß diese gotische Neigung noch nicht vorlag, als man die Archivolten errichtete, geht daraus hervor, daß der Bildhauer erst durch nachträgliche Korrekturen an den Scheiteln der nächstliegenden Archivolten eine leise Angleichung an das spitzbogige Tympanum versuchte, indem er an der unteren und oberen Kante schmale Stücke wegmeißelte, um nachträglich einen kleinen, fast unscheinbaren Knick in den Scheitel zu bekommen. In die unterste Archivolte wurde ein ganz neues Mittelstück eingesetzt, wie schon früher erwähnt worden ist, die oberste dagegen behielt vollständige Kreisform, so daß der Eindruck des Ganzen durchaus ein rundbogiger blieb.

 

Aufzuklären wäre bei der Versetzung nach der Bearbeitung nur noch der Umstand, daß eine Anzahl von Blöcken in ihrer Ausführung von nebensächlichen Teilen nicht vollständig vollendet sind (Kapitellblöcke über einigen Auferstehenden und Aposteln der Archivolten, Engelsflügel auf dem Türfeld und ganz oben). Dies kann seinen Grund darin finden, daß man schließlich aus irgendeinem Grunde die Errichtung des Portals sehr beschleunigen mußte und daher auf einiges Nebensächliche verzichtete oder es nach dem Aufbau nachzuholen beabsichtigte, was dann unterblieb. Auch kam man nicht mehr überall dazu, kleine Unstimmigkeiten, die sich zu beiden Seiten der Fuge an den Kapitellen der Archivolten bei ihrer Zusammensetzung ergaben, durch nachträgliche Überarbeitung auszugleichen.

 

 

 

DER MEISTER

 

Der Meister des Portals hat aus vielen Quellen geschöpft, und doch ist er kein Eklektiker, denn alle Eindrücke, die er von fremden Kunstwerken aufgenommen hat, sind dermaßen innerlich verbunden worden, daß eine neue einheitliche und eigene Schöpfung daraus erwachsen ist.

 

Schon wenn man das Portal seiner architektonischen Zusammensetzung nach betrachtet. kann man nicht sagen, daß ein Baumeister ihm eine fertige Form geliefert habe, die er nun

 

 

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seinerseits mit Plastik durchsetzte, sondern er selbst muß auch die Architektur, wenigstens in ihren Verhältnissen, erdacht haben im Einklang mit seinem Figurenplan, wenn auch das allgemeine Schema von einem andern übernommen sein mag. Denn denken wir uns die Laibungsstatuen fort, so würden unförmlich große kahle Pfeilerflächen entstehen, die zu den Säulen kein natürliches Verhältnis besäßen. Auch ist die Breitenentfaltung mit Rücksicht auf den reichen Schmuck ungewöhnlich groß. Der Meister steht ganz auf romanischer Basis und die Elemente, die ihm aus frühgotischen Quellen zufließen, werden romanisch gefärbt. Die rundbogige Anlage empfängt erst bei der Ausarbeitung des Türfeldes einen Stich ins Spitzbogige. Er kannte ohne Zweifel die zu seiner Zeit figurenreichsten deutschen Portale an der Schottenkirche in Regensburg und an der Ost- und Nordseite des noch im Bau begriffenen Bamberger Domes. Er übernahm ihre Anlage und stattete sie mit größter Fülle aus. Jene Portale besaßen schon die in die Einsprünge eingestellten ornamentierten Säulenschäfte, auch die konkav abgefasten Pfeilerecken, deren obere schiffskehlenförmige Endungen mit einem Schmuck versehen waren, der sich konsolenartig unter die Kämpfer legte, endlich auch schon figürliche Akroterien, die, auf die Kämpferecken gesetzt, zugleich den Fußpunkt der Archivolten bildeten. Im Bamberger Fürstenportal waren an den Wandungen auch bereits Figuren mit den Säulen in Verbindung gebracht, doch wiesen alle diese Werke in den Archivolten noch keinen Figurenschmuck auf, für den ihm erst die französischen Kathedralen das Vorbild lieferten. Immerhin bleibt es zweifelhaft, ob nicht beide Portale, das Freiberger und das nördliche Bamberger, Parallelerzeugnisse von Bildhauern sind, die unabhängig voneinander ihre Erfahrungen in Laon den deutschen Vorlagen anpaßten. Zwischen dem Bamberger Fürstenportal und dem Freiberger besteht ein Unterschied im Verhältnis von Architektur und Plastik. In Bamberg ist die Betonung architektonischer Linien viel stärker, die durchgehenden Schaftringe und die ununterbrochene Kapitellreihe bilden festere Horizontalen, und die Archivolten markieren sich klarer als Fortsetzung der Säulen. Auch ein Teil der Kapitelle steht den französischen Knollenkapitellen näher als die der Freiberger Pforte. '

 

Der Freiberger Meister kannte von den neuen französischen Kathedralen vor allem Laon und wohl auch Chartres (Tafel 115), deren Portale zu den jüngsten Offenbarungen französischer Kunst gehörten, und er verband das dort Geschaute mit seinen eigenen romanischen Erfindungen. Was er Neues sah, waren vor allem die Säulenstatuen an den Gewänden und die figürlichen Archivolten. Er nahm sie aber nicht auf mit den Augen des Gotikers und empfand nicht die organische Verbindung der Figuren mit den Säulen, an denen sie hafteten und die sie begleiteten, sondern folgte ihnen nur als Mauerschmuck, und so behielt nur der Säulenteil unterhalb der Figuren seine Geltung, der durch den Schaftring im Zusammenhang mit den Konsolen der Statuen leicht in ein selbständiges Säulchen umgedacht werden konnte, auf dem die Figur aufstand. Aber das Blätterkapitell, das über den Köpfen zum Vorschein kam, ließ der Freiberger nicht fahren, sondern gab seinen Köpfen einen ähnlichen kapitellartigen Hintergrund, durch den er den Anschluß an die Eckfüllungen der Kehlen fand.

 

Dabei verloren die Figuren die Anpassung an die Säulenform, die sie in Chartres und Laon besaßen (die Statuen in Laon sind erneuert), und entwickelten sich mehr reliefartig, die Breite der Nische erheblich überragend. Der an den Säulenstatuen gewonnene Eindruck überträgt sich aber auch auf die Archivoltenfiguren, denn diese bekommen nun ebensolche Kapitelle hinter ihre Köpfe gesetzt wie die Gewändefiguren, obgleich sich bei ihren französischen Ahnen keineswegs Entsprechendes findet, sondern dort höchstens die Fußplatte der oberen Figuren zugleich einen Baldachin für die unteren bildet, wie in Chartres. Während in den französischen Archivolten die Figuren in ruhigen und gleichmäßigen Bewegungen sich den Bogenlinien fügen, sucht der Bildhauer der Freiberger Pforte einen möglichst gegenläufigen Reichtum der Linien.

 

Das Thematische konnte der Freiberger Meister in der Hauptsache denselben Vorbildern entnehmen. In Laon fand er an den drei Eingängen der Westfassade eben die drei Themata vor:

 

 

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Anbetung der Könige, Krönung der Maria und das Jüngste Gericht, die er miteinander verband, ferner zeigen die Mittelstücke der Archivolten des Gerichtsportales in Laon (Tafel 117) eine auffallende Übereinstimmung im Gegenständlichen. Da ist Abraham, der von den Engeln die Seelen in Empfang nimmt, ferner ein Engel in halber Figur von vorn gesehen, der den Geretteten Kronen aufsetzt, während in Freiberg die entsprechende Engelsfigur die Auferstehenden bei der Hand faßt. Die Christusfigur mit dem Buch, die in Laon in der Mitte der obersten Archivolte erscheint, krönt in Freiberg die Maria. Die Apostel sitzen in Laon nur so weit in den Archivolten, als sie im Mittelfeld keinen Platz mehr finden, die übrige Füllung bilden Könige und Märtyrer. Die Auferstehenden in Freiberg haben ihre Vorbilder mehr am Südportal in Chartres als am Türsturz von Laon. Am wenigsten deutlich hängt die Auswahl der Laibungsstatuen mit den genannten französischen Portalen zusammen, zwar kommen an den Gewänden des nördlichen, der Maria gewidmeten Portals in Chartres König Salomo, die Königin von Saba und auch Johannes der Täufer mit dem Symbol des Lammes vor, aber die Zusammenstellung der Reihe ist in Freiberg wohl eine eigene Erfindung. Es mögen hierbei Rücksichten auf Symmetrie der Seiten oder auch einheimische Anregungen mitgewirkt haben. In der Liebfrauenkirche in Halberstadt, zu deren künstlerischen Ausstattung das Freiberger Werk in engster Beziehung steht, zeigte die Malerei der Westwand rechts David und die Ecclesia, links Salomo und die Königin von Saba, allerdings in Halbfiguren, dann folgten an den Langseiten die Reihen der Propheten.

 

Je mehr man die Orte aufspüren kann, an denen der Meister seine Anregungen empfangen hat, um so mehr wird man bewundern, in welch selbständiger und einheitlicher Weise er sie verarbeitet hat, seine eigene Gestaltungsweise der fremden klar und entschieden überordnend. Seiner Formenbildung nach war er sächsischer Herkunft. Seine künstlerische Erziehung liegt offenbar im Umkreis des Harzgebietes. Viele Anknüpfungen bietet Halberstadt. Die holzgeschnitzte thronende Madonna der Liebfrauenkirche (Tafel 92—94) ist wie ein Vorläufer der Maria vom Freiberger Türfeld, es wäre nicht unmöglich, daß sie ein früheres Werk desselben Meisters darstellt. Das alte Lettnerkreuz ebendort (Tafel 98) steht dem Wechselburger unter allen ähnlichen am nächsten und dasjenige des Doms (Tafel 96) ist sein Vorbild gewesen. Das Figurenprogramm der Halberstädter Wandmalereien (Abb. 1—3) und auch ihr Stil berühren sich nahe mit denen der Goldenen Pforte. Engverwandte Plastik findet sich auch an den Chorschranken im nahen Hamersleben (Tafel 95), und die reiche Blattornamentik des Freiberger Portals läßt sich in ihrer Technik und ihrem Aufbau völlig aus der in Sachsen geschöpften Kenntnis entwickeln. Die scharf gezackten Blätter mit den aufgelegten Rippen sind im Harzgebiet (Halberstadt, Gernrode, Goslar) und besonders in Magdeburg zu Hause. Im dortigen Dom finden sich die Vorbilder für die Kapitelle und die unruhig sich biegenden und wendenden Blätter, deren Knollenform und Friesbildung vielleicht durch französische Eindrücke noch verstärkt wurden 1).

 

Der Meister war also von seiner sächsischen Heimat aus durch Franken, vielleicht südlich bis Regensburg, und ferner nach Frankreich zu den Bauten von Laon und Chartres gewandert, aber es wäre falsch, unter seinen Figuren unselbstständige Kopien zu suchen 2). Wie seine Köpfe einen gemeinsamen Typus zeigen, der sich nirgends sonst genau wiederholt, so zieht sich auch durch die Stellungen und Gewänder hindurch eine gleichmäßig fortlaufende freie Variation selbständig ausgeprägter Formen. Er besitzt ein ausgesprochenes Schönheitsgefühl, das sich in der Disposition der Gewandmotive und in dem Wohlklang der ornamentalen Verteilung ausspricht. Überall schafft er Vermittelungen, von den Pfeilernischen zum Gebälk,

 

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1) Es sind die Kapitelle, die Hamann (Der Magdeburger Dom, Berlin 1910) unter dem „Meister der breitlappigen Kapitelle“ und dem „Meister des Magdalenentympanons“ zusammenfaßt.

 

2) Die Ansicht, daß seine Kenntnisse nur auf den Zeichnungen eines Skizzenbuches, etwa des Magdeburger Portalmeisters, beruhen, wie ich dies in meinem Aufsatz (Jahrbuch der Preuß. Kunstsammlungen 1902, S. 20 ff.) vermutete, möchte ich nicht aufrecht erhalten. Der Eindruck muß doch wohl lebendiger gewesen sein.

 

 

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 Abb. 1  Abb. 2  Abb. 3

 

 

Pausen nach den zerstörten Wandgemälden der Liebfrauenkirche in Halberstadt

 

 

von diesem zu den Archivolten, und überall herrscht gleiche Dichtigkeit und gleichartige Beweglichkeit, im Blattwerk der Kapitelle und Friese, im Gefältel der Gewandung und in den phantastischen figürlichen Gestaltungen. Daneben bleibt aber den meisten der Laibungsfiguren ein ruhiger Unterton bewahrt durch den vertikalen Fall der Rockfalten und durch die eingehaltenen Blockgrenzen, die den Übergang zu den architektonischen Linien vermitteln, ohne daß von einer Anpassung im französischen Sinn die Rede sein kann.

 

Auf vorwiegend zeichnerischer Grundlage [vgl. die Halberstädter Propheten 1)] beruht die Einführung des Spielbeines, besonders bei der Ecclesia und dem Täufer, und ebenso die Schreitbewegung bei Daniel, während von einer kontrapostischen Durchführung der Figuren im plastischen Sinn noch nicht recht gesprochen werden kann. Das Zeichnerische ist auch sonst der maßgebende Faktor. Trotz dieses linearen Ursprunges jedoch fast aller seiner Gewandmotive besitzt der Meister eine geklärte Vorstellung von der Struktur des menschlichen Körpers. Das empfindet man an Lage und Bewegung der Gliedmaßen, die auch dem Kontrapost einzelner Figuren einen Schein von Natürlichkeit verleihen, das erkennt man vor allem, wenn man die Figuren der Auferstehenden betrachtet. Ohne ein Studium am lebenden Modell sind diese anatomischen Formen und diese überzeugenden Bewegungen nicht denkbar, sie gehen weit über das hinaus, was die entsprechenden Figuren am Portal von Chartres und Laon zu bieten vermögen.

 

Die Gesamtwirkung des Portals entspricht durch die gleichmäßige ornamentale Durchführung derjenigen eines reichen kunstgewerblichen Schmuckstückes, die bedeutenderen Eindrücke empfängt man erst bei der Betrachtung der Einzelheiten.

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1) Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen. Heft XXIII, Fig. 116 ff.

 

 

 

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WECHSELBURG

 

Nach der Vollendung der Freiberger Pforte beginnt die Tätigkeit in Wechselburg, der Kirche des ehemaligen Klosters Zschillen, deren Bau wohl schon seit einigen Jahrzehnten beendigt war. Die hölzerne Kruzifixgruppe unter dem Triumphbogen (Tafel 73—77) scheint die erste Arbeit daselbst vom Freiberger Portalmeister zu sein, da sie im Stil den Figuren der Goldenen Pforte am nächsten steht. Nur ein Umstand ist auffallend, daß nämlich die Proportionen der Köpfe hier andere geworden sind, während sie bei den übrigen Lettnerfiguren denen der Freiberger Pforte im ganzen gleich bleiben. Mit dem verschiedenen Material ist dies nicht zu begründen, vielleicht mit der hohen Aufstellung, bei der mit einer starken Verkürzung durch die Untersicht gerechnet werden konnte. Ob man aber eine solche Überlegung in dieser Zeit voraussetzen kann, ist sehr zweifelhaft. Jedenfalls scheinen trotzdem der Johanneskopf vom Wechselburger Kreuze (Tafel 77) und der vom Freiberger Portal (Tafel 46) derselben Hand zu entstammen, so sehr sind die einzelnen Gesichtsformen und die Lage der Haare übereinstimmend. Das schmerzliche Zusammenziehen der Brauen ist hinzugekommen. Leider verdirbt die rohe moderne Bemalung vieles an diesem wie an den übrigen Köpfen. Die Komposition der Kreuzigungsgruppe hat ihren Vorläufer im großen Lettnerkreuz des Halberstädter Domes (Tafel 96). Die Übereinstimmungen sind so weitgehend, daß man nicht umhin kann anzunehmen, daß der Freiberger Meister es zum Ausgangspunkt genommen hat. Zu dem eigentlichen Kreuz, an welches Christus angeheftet ist, bildet ein größeres Kreuz die Unterlage und endigt in Dreipaßformen mit schwebenden Engeln, die das eigentliche Kreuz halten, während unten der am Boden liegende Adam sich halb aufrichtet, um den Kreuzesstamm mit der Rechten zu stützen. Der Kelch in Wechselburg ist eine moderne Zutat, und die erhobene Hand legte sich ursprünglich auch dort sicher an das untere Kreuzende. Im oberen Felde berührt statt des Engels Gottvater mit der Taube des heiligen Geistes im Arm das Ende des Kreuzes, wie es auch bei dem abhängigen Triumphkreuz in Bücken (Prov. Hannover) der Fall ist. Die byzantinischen Züge sind in der Stellung Christi und auch des Johannes stärker ausgeprägt als in Halberstadt, doch ist bei der Maria das einheimische Motiv des Händeringens übernommen. Der stilistische Fortschritt zeigt sich in der neuen Beinstellung Christi, wie sie im zweiten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts unter französischer Anregung in Sachsen aufkommt, und in der Anordnung des Schurzes, wie sie ähnlich der Christus in der Liebfrauenkirche in Halberstadt (Tafel 98) zeigt, der auch im Kopftypus dem Wechselburger näher steht als der des Domes. Die Kreuzigungsgruppe erhob sich ursprünglich wie in Halberstadt und, wie es allgemein üblich war, unter dem Triumphbogen auf einem Querbalken. Derselbe ist verschwunden, so daß nicht mehr festzustellen ist, ob er wie dort noch weiteren Figurenschmuck trug. In welcher Entfernung er über dem Lettner schwebte, zeigt die Rekonstruktion (Abb. 9).

 

Dieser Lettner selbst ist aus demselben Geiste geboren wie die Freiberger Goldene Pforte. Das ungemein Schmuckhafte, der reiche Wechsel von Figuren und Ornament entsprechen den dortigen. Auch im figürlichen Inhalt ist ein direkter Anschluß an das Portal vorhanden. Drei der Laibungsfiguren (Tafel 12, 14, 18), Daniel, David und Salomo, wiederholen sich in den Blendarkaden des Lettners (Tafel 54—58), und als neue kommt eine vierte Prophetengestalt, vermutlich Isaias, hinzu. Der Inhalt ihrer Sprüche, die auf den Schriftbändern verzeichnet waren und jetzt durch moderne, den ursprünglichen nicht entsprechende ersetzt sind, bezog sich jedenfalls auf den Opfertod Christi, der durch das Triumphkreuz repräsentiert war, und auf den auch der übrige Figurenschmuck hinzielte und so die Verbindung mit der Messe am Kreuzaltar darunter knüpfte. Die Statuen von Abraham und Melchisedek (Tafel 59) an den

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Pfeilern. ebenso wie Kain und Abel mit Garbe und Linnn in den Zwickeln (Tafel 60) vorn an der Kanzel, waren Typen des Meßopfers. Die Brüder bieten ihre Gaben der Majestas Domini, dem zwischen den Evangelistensymbolen thronenden Christus, dem sich von den Seiten her Maria und Johannes der Täufer anbetend nahen, und der den Mittelpunkt der ganzen Anlage bildet (Tafel 65—69). Weiter aber folgen an den Kanzelseiten rechts die Opferung Isaaks (Tafel 70), links die Errichtung der ehernen Schlange (Tafel 71), beides alttestamentarische Typen für den Kreuzestod. Vermutlich waren auch die nicht mehr vorhandenen Bogenfelder der Kryptatüren mit Reliefs bedeckt wie in Freiberg (Tafel 85), und von der seitlichen, dem Querschiff zugewandten Lettnerbrüstung ist noch ein Fragment mit einem Engel erhalten, das den Zwickel zwischen den Blendbögen bildete (Abb. 8).

 

Das nächstliegende Mittel zur Bestimmung des Verhältnisses der beiden Werke, der Freiberger Pforte und des Wechselburger Lettners zueinander, ist die Vergleichung der an beiden gemeinsam vorkommenden Personen. Am meisten stimmen die Darstellungen des Königs David (Tafel 18 und 56) überein mit fast identischer Verteilung der einzelnen Motive. Bei genauerer Betrachtung ergibt sich jedoch in den Einzelheiten so viel Abweichendes gleicher Qualität, daß es sich nicht um die Hand eines bloßen Nachahmers in Wechselburg handeln kann, sondern nur um eine variierende Wiederholung des Meisters selbst. Noch stärker ist die Verschiedenheit zwischen den beiden Danielfiguren (Tafel 12 und 55), besonders darin, daß dem Wechselburger die seitliche Richtung und das Schreiten der Beine fehlt. Der Isaias (Tafel 58) endlich bringt eine ganz neue Figur. Die meisten Reliefs offenbaren gegenüber den Freiberger Statuen eine gewisse Schlaffheit, die Bewegungen sind weniger frei, die Formen von geringerer Schärfe und Klarheit, so daß die Ausführung wohl zum großen Teil in den Händen von Schülern gelegen haben muß, die mehr oder weniger sich selbst überlassen wurden, am meisten vielleicht beim König Salomo (Tafel 57), der genau das Motiv der linken Hand vom David übernimmt, während die rechte Hand wie bei dem Freiberger Salomo (Tafel 14) ein Schriftband zu halten scheint. In Wirklichkeit aber handelt es sich hier um ein Stück des Mantels und es liegt da offensichtlich der Fall vor, daß das Motiv, weil es durch eine Zeichnung übertragen wurde, mißverstanden ist. Auch zeigt die Gewandung leere Partien und einförmige Bewegung. Der erfindende Meister und Zeichner der ganzen Anlage aber ist sicherlich derselbe wie der der Freiberger Pforte. Die größere Breite der Wechselburger Figuren hängt mit der mehr reliefmäßigen Anbringung in den Arkaden zusammen, wobei aber doch das Statuenmäßige durch die Sockel und die Freiarbeitung von Kopf und Beinen stark betont wird. Ganz unreliefmäßig erscheinen die Gestalten dieses Bildhauers besonders an der Kanzel. Sie sind wie angeklebte Freifiguren, zu denen er eine aus der Grundfläche heraustretende Bodenfläche nötig hat. Er hilft sich dabei zuweilen durch die den Füßen unterstellten symbolischen Gestalten und gibt seinen Reliefs eine kastenartige Form. Der schräge Abfall der Sockel nach vorne bei den Brüstungsfiguren und besonders auch bei den Gestalten Abrahams und Melchisedeks läßt die Rücksicht auf eine hohe Anbringung annehmen.

 

Die Bemalung wird jedenfalls eine buntfarbige gewesen sein wie an der Freiberger Pforte, jetzt sind alle Gewänder der Figuren modern weiß angestrichen und mit einigen Goldornamenten versehen, während Gesicht und Hände, Augen und Haare eine natürliche Farbe bekommen haben. Auch den Architekturteilen hat man bei der Gelegenheit durch etwas Farbe und Vergoldung Akzente gegeben, die aber wohl ebensowenig der ursprünglichen Bemalung entsprechen.

 

 

 

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DER FREIBERGER LETTNER

 

Während Wechselburg sich von der Kirche zu Freiberg den Bildhauer für seinen Lettner holte, wollte man auch in Freiberg selbst einen Lettner errichten, und zwar in ganz ähnlicher Weise wie in Wechselburg. '

 

Ob derjenige dort schon fertig oder noch im Entstehen begriffen, jedenfalls war er in Plan und Teilen dem Verfertiger des Freiberger Lettners, einem Altersgenossen des Hauptmeisters, bekannt, denn er ahmte ihn sowohl in der Steinplastik als auch in der hölzernen Kruzifixgruppe nach.

 

Während aber der Wechselburger Lettner in seinen Hauptbestandteilen noch erhalten ist, und sein ursprünglicher Aufbau sich nach vorhandenen Spuren wiederherstellen läßt, sind vom Freiberger nur einzelne Fragmente übrig und dazu noch in sehr zerstörtem Zustande. Im Anschluß an die Rekonstruktion des Wechselburger Aufbaues kann man jedoch den einzelnen Stücken ihren Platz anweisen:

 

Die Platte mit den zwei nach links gewandten Heiligen (Tafel 84a) wird die Vorderseite der Kanzel geschmückt haben. Der erste ist der Johannes Baptista der Deesis, an den sich links eine Platte mit dem thronenden Christus angeschlossen haben muß. Im Gegensatz zu Wechselburg folgt hier dem Johannes noch eine zweite heilige Persönlichkeit, wie sie entsprechend dann auch bei der Maria gegenüber anzunehmen ist. Der Unbekannte ist als Laie mit weltlichem Mantel bekleidet, bartlos, hält ein Szepter in der Rechten, während das Attribut der Linken verwittert ist. Die Aufrichtung der ehernen Schlange (Tafel 84b) wird wie in Wechselburg an der rechten Kanzelseite angebracht gewesen sein, die beiden Einzelfiguren mit oben gerundeter Grundplatte (Tafel 83) in den Bogenblenden der Brüstungen des Lettners, wie die Wechselburger. Wie diese halten sie auch beide Spruchbänder. Im übrigen aber sind sie so sehr zerstört, daß eine genauere Bestimmung nicht möglich ist. Die männliche Figur hielt mit der Rechten das breite Spruchband, dessen unteres Ende noch gegen die linke Hand gestützt war, die zugleich den Mantel raffte. Die Abhängigkeit vom Meister der Pforte erkennt man deutlich, wenn man die Mantelfalten mit denen der Ecclesia und Johannes des Täufers dort vergleicht. Ebenso ist der ganz anders geartete enge und langlinige Faltenwurf der Frauengestalt mit dem der Königin von Saba zusammenzustellen, nur sind auch hier wie beim Johannes die Falten viel schematischer in ihrer Bewegung. Besonders auffallend tritt hier die Vermengung von Freifigur und Relief zutage, indem die Figur eine eigene vortretende Sockelplatte erhält, aber doch am Hintergrund aufgeklebt bleibt, wie dies beim Wechselburger Lettner zwar auch der Fall ist, aber nicht in so unausgeglichener Weise. Man erkennt an dieser Frau in Laientracht außer dem Halten des Schriftbandes und dem Einhängen der linken Hand in das Mantelband noch, daß sie vor der Brust einen reichen Schmuck trägt, der um den Hals gehängt ist. Es wäre nicht unmöglich, daß in diesen beiden Figuren etwa Salomo und die Königin von Saba dargestellt waren, doch ist Bestimmtes darüber nicht zu sagen. Endlich sind noch zwei Halbkreisfelder, ebenfalls in sehr verwittertem Zustande, vorhanden mit der Halbfigur eines Erzengels in Frontansicht, mit einer Kugel in jeder Hand, und eines Reichsadlers mit Szepter in der einen Kralle und wahrscheinlich dem Reichsapfel in der andern sehr zerstörten (Tafel 85). Sie bildeten offenbar die Tympana über den beiden Eingängen, die zur Krypta hinabführten.

 

Mit dem Lettner zugleich wurde der hölzerne Kruzifixus mit Maria und Johannes angefertigt und auf einem Querbalken darüber angebracht wie in Wechselburg und in Halberstadt. Die Figuren befinden sich jetzt im Dresdener Altertumsmuseum Tafel 86—88). Daß die Hand, die sie fertigte, dieselbe ist, die auch die Steinskulptur des Lettners meißelte, wird deutlich,

 

 

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wenn man die untere Gewandpartie der männlichen Brüstungsfigur (Tafel 83) mit den entsprechenden Teilen der Johannesstatue (Tafel 87) vergleicht. Ein ähnliches Resultat ergibt die Nebeneinanderstellung der beiden Frauen. Bei der Ausführung der Kreuzigungsgruppe stand dem Künstler schon das entsprechende Wechselburger Werk seines Lehrers vor Augen. Beide zeigen so viele Übereinstimmungen miteinander, daß man nicht annehmen kann, daß sie voneinander unabhängig sind, und es ergibt sich daraus die Frage, welches von beiden das ältere und somit das vorbildliche für das andere gewesen ist. Wir haben uns für die Priorität des Wechselburger entschieden. '

 

Der strengere und herbere Eindruck der Freiberger Gruppe scheint allerdings zunächst für das größere Alter zu sprechen. Hier ist alles gegenüber den Wechselburger Figuren auf die Senkrechte gerichtet. Die Christusgestalt ist in der Hüfte viel weniger ausgebogen, der Kopf aufgerichtet und fast in ganzer Vorderansicht, der Schurz ist einfacher und mit straffen, nach unten gerichteten Faltenzügen versehen. An den Seitenfiguren glauben wir noch den Holzstamm zu erkennen, aus dem sie geschnitzt sind, so fest sind sie in senkrechte Konturen gefaßt, denen sich auch die Tiere anpassen, auf welchen sie stehen, während in Wechselburg der Umriß viel stärker bewegt ist, und die Sockelfiguren nach den Seiten in unruhigen Linien ausgreifen.

 

Es handelt sich aber gerade deshalb nicht, wie vielfach angenommen worden ist, um eine primitivere Form, die der Wechselburger Schöpfung vorausgegangen ist, sondern umgekehrt um eine anders stilisierte und in der Durchführung straffere Gestaltung mit Benutzung der reicheren Wechselburger Erfindung des Portalmeisters. Der Künstler übernimmt die Hand- und Mantelmotive völlig von den Wechselburger Figuren, indem er die in ihrer Kompliziertheit nicht ganz verständliche Drapierung des Johannes vereinfacht. In den Sockelmotiven lehnt er sich dagegen mehr an die Freiberger Pforte an. Die Christusfigur ist eckiger in der Bewegung, die Anordnung des Schurzes vereinfacht, der Kopf in die Vorderansicht gedreht, aber die Grundlage aller Motive ist übernommen. Der Unterschied in der Geschmeidigkeit der Formen und in der Durchbildung der Einzelheiten ist sehr groß, doch ist dem gefälligen Reichtum gegenüber auch die größere Herbigkeit und Schärfe von einem unbestreitbaren Reiz.

 

Es ist kein Zweifel, daß die Figuren dieses Meisters der Plastik der Chartreser Querschiffportale bedeutend näher stehen als die des Meisters der Goldenen Pforte. Die Schlankheit, der lange gerade Fluß der Gewandung, das weiche Umlegen am Boden, die gerade Kopfhaltung, die Art, wie bei Maria der Mantel auf dem Scheitel liegt, scheinen von dort abgeleitet. Auch dieser Meister ist also in Chartres gewesen wie der Portalmeister, aber er ist unselbständiger als dieser, er ist von jenen Vorbildern fester in Bann getan und verliert stärker seine heimische Schulung, er ist weniger geschickt und weniger geschmackvoll als der Portalmeister, aber er ist dennoch im Stil fortgeschrittener, gotischer, monumentaler als dieser. Er mag auch der Jüngere gewesen sein, bei dem das Alte noch nicht so fest wurzelte. Beide haben sie sich das Neue aus Frankreich geholt, der Portalmeister, der erfindungsreichere, modelt es um in seine eigene schöne Form, er bleibt romanischer, der andere sucht seine gotischen Vorbilder strenger nachzubilden und entlehnt bei der Ausführung Motive seines Landsmannes. Und während der Portalmeister durch seine linearen Bewegungen eine Ausgleichung in allem schafft, findet der Jüngere nicht die gleiche Zwischenstufe zwischen Relief und statuarischer Freifigur. Er ist in seinem Werk der Spätere, wenn auch der Zeitunterschied ganz gering sein mag. Daß auch er wie der Meister der Pforte aus Halberstadt herzuleiten ist, belegt besonders die Vergleichung seines Johannes der Kreuzigungsgruppe (Tafel 87, 88 b) mit dem Johannes und dem Cherub des Halberstädter Domes (Tafel 97), bei der vor allem die gleiche Behandlung der Köpfe, Haare und Gewandmotive in die Augen fällt.

 

 

 

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DAS GRABMAL DEDOS

 

Das Grabmal des Grafen Dedo von Wettin und seiner Gemahlin Mechthild in Wechselburg (Tafel 80—82) zeigt eine barocke Verwilderung der Formen, wie sie bei den Lettnerfiguren, besonders den Kanzelreliefs schon beginnt. Auch hier möchte ich eine Zeichnung des Freiberger Portalmeisters voraussetzen, die von dem Wechselburger Bildhauer ausgeführt wurde. Man kann diese neue Auffassung der liegenden Grabfiguren, bei der von dem Standbild ausgegangen, aber doch die Ausbreitung der Gewandung auf der Liegefläche und die Senkung zwischen den Beinen berücksichtigt wird, sehr wohl dem Künstler zuschreiben, der die schreitenden Gestalten des Daniel und des Johannes an der Pforte geschaffen hatte. Auch wiederholen sich hier die Doppelmotive, bei denen die Hand mehrere Dinge zugleich faßt (Mantel und Buch, Modell und Schriftband, Lanze, Gewand und Schild). Der milde Ausdruck der Köpfe der Portalstatuen lebt auch in den stärker porträtmäßigen Stiftern (Tafel 82) weiter. Die Ausführung dagegen steht den Wechselburger Kanzelfiguren näher und steigert noch die Weichlichkeit. Auch die Fußkonsole der Mechthild (Tafel 81 b) ist ganz im Sinne der Freiberger Portalakroterien komponiert in ihrer Umklammerung von Figuren, durch stämmige Rankenzweige. Hier sind es zwei nackte Jünglinge mit Diadem im Haar, die mit der einen Hand sich aufstützen, mit der andern das Fußbrett tragen, ein Motiv, das vorher am Portal bei den Auferstehenden variiert wurde. Von einer Bemalung oder einer Inschrift, für die das gemeinsam gehaltene Schriftband bestimmt war, ist nichts sichtbar.

 

Auch das Grabmal des Wiprecht von Groitzsch (Tafel 89) aus der Klosterkirche in Pegau in Sachsen stammt aus der gleichen Quelle. Auch hier ist der Freiberger Portalmeister wohl der Erfinder, und zwar steht hier die Ausführung den Freiberger Gewändestatuen und Archivolten erheblich näher als beim Wechselburger Grabmal, so daß wir das Pegauer Monument wohl berechtigt sind früher anzusetzen. Diese Zeitfolge wird auch dadurch nahegelegt, daß es die horizontale Lage des Verstorbenen im Faltenwurf noch sehr diskret zum Ausdruck bringt, während in Wechselburg die hierauf bezüglichen Motive viel energischer in Kraft treten. Der Bildhauer, der das Pegauer Grabmal ausgeführt hat, kam wohl direkt von der Arbeit am Freiberger Portal, ohne in Wechselburg tätig gewesen zu sein. Er mag es auch in Freiberg selbst fertiggestellt haben. Eine Eigentümlichkeit ist, daß das Ohr bei Wiprecht vollständig sichtbar gemacht wird, während es sonst immer unter dem Lockenhaar verschwindet oder nur mit dem Ohrläppchen auftaucht. Sehr viel schwieriger gestaltet sich das Verhältnis des Grabmals Heinrichs des Löwen und seiner Gemahlin Mechthild (Tafel 90) im Braunschweiger Dom zu dieser Gruppe. Es hat mit ihr viel Gemeinsames: die doppelte Funktion der Hände im Halten des Gewandes zugleich mit andern Gegenständen, die Rücksicht des Faltenwurfes auf das Liegen der Figuren, die gleiche Art der Kopftypen, die Verwendung von Blattkonsolen. Demgegenüber aber ist nicht nur die Qualität eine höhere, sondern es finden sich auch ganz andere reiche und individuelle Gewandmotive. Die Unruhe in ihrer Bewegung geht zwar derjenigen beim Wechselburger Grab parallel, erstreckt sich aber über abweichende Einzelformen. So haben wir es hier offenbar mit einem andern Meister als dem Freiberger zu tun, aber gewiß auch einem sächsischen, der aus gleichen Wurzeln hervorgewachsen war, mit ihm irgendwie in Berührung stand und die allgemeine Stilwandlung zu gesteigerter ornamentaler Beweglichkeit in Sachsen mitmachte. Das Quedlinburger Äbtissinnengrab (Tafel 91), welches viele Einzelzüge von der Braunschweiger Mechthild übernimmt, ist offenbar in Abhängigkeit von ihr und daher später entstanden.

 

 

 

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DIE ORNAMENTIK

 

Der starke ornamentale Einschlag des Portales wie des Lettners und damit der besondere Charakter des Meisters ist schon betont worden. Betrachtet man die Schmuckteile für sich, die Friese und Kapitelle, so fällt die Neigung für krause Bewegung des Blattwerkes auf. Die Kapitelle im Portal (Tafel 20—23, 50, 51) zeigen schon durchaus die Kelchform, zuweilen noch mit geringer Hinneigung zum Kelchblock. Die Stengel wachsen vom Halsring empor, zunächst unbelaubt, dann in reiche Blattfülle auslaufend, in der ein Umlegen und Überschneiden der Blätter, vor allem aber ein Aufrollen zu Knollen die Motive bildet. So ist die Annäherung an das französische Kapitell des 13. Jahrhunderts eine sehr große, besonders bei den kleineren und einfacheren der Säulchen unter den Gewändestatuen, zugleich aber die einheimische Abwandlung durch das Nachleben Königslutterer Formen deutlich erkennbar. Aus gleichen Bildungen ist der Kämpferschmuck zusammengesetzt.

 

Denselben Charakter besitzen die Kapitelle des Wechselburger Lettners (Tafel 62—64), nur ist die Arbeit an ihnen plumper und weniger reich.

 

In Wechselburg traten die Steinmetzen des Lettners und der mit ihm zusammenhängenden Kanzel an die Stelle der Handwerksgenossen, die die älteren Schmuckteile der Kirche vollendet hatten (Tafel 101—112). Und diese setzen sich aus ganz andern Elementen zusammen. Die Kelchform ist hier auch schon vorhanden, aber nicht so stark ausgesprochen. Ein Teil der Kapitelle (Tafel 107—-109, 111 a) liebt in altertümlicher Weise Bandverflechtungen mit angesetzten Blättern, Abwandlungen von Gestaltungen, wie sie schon am Anfang des 12. Jahrhunderts in der Quedlinburger Krypta vorkommen, ein anderer Teil bevorzugt das reine Blätterkapitell mit starkem Einschlag der Königslutterer Gattung. Beide Arten sind an der nördlichen Vorhalle (Tafel 101) und an den Blendarkaden der inneren Apsiswand (Tafel 112) vertreten, während am Außenschmuck des Chores die Formen sich zum Teil schon stärker dem reinen Knollenkapitell nähern. Auch der figürliche Architekturschmuck, sowohl menschliche wie tierische Gestalten (Tafel 102—105), ist altertümlicher als der des Lettners und hat mit der Schule des Freiberger Meisters nichts zu tun, deren Tätigkeit er vorausgeht. Die Türfelder (Tafel 106) und die Konsolen der Vorhalle und des nördlichen Querschiffes sehen zwar in ihren rohen Formen sehr altertümlich aus, ebenso die östlichen Giebelköpfe (Tafel 105 a, b), ihre Zusammengehörigkeit mit den fortgeschrittneren Kapitellen gestattet jedoch nicht, ihre Entstehung weit in das 12. Jahrhundert zurückzusetzen.

 

Die Datierungsfragen sind wegen völligen Mangels fester historischer Daten nicht einfach zu lösen. Setzt man die Freiberger Pforte mit Rücksicht auf ihre Beziehungen zu den Bamberger Portalen rund um 1230 an, so folgen ihr im Laufe des Jahrzehntes, vielleicht schon teilweise in gleichzeitiger Ausführung, der Wechselburger Lettner und im Anschluß an diesen der Freiberger, zuletzt wohl das Grab des Dedo, für das wir dann etwa die Zeit um 1240 in Anspruch nehmen müßten, und dem die Pegauer Figur voranging. Das Grabmal Heinrichs des Löwen wird schwerlich sehr viel später entstanden sein. Die früher von mir angenommene Datierung um 1227 war zu früh angesetzt, aber auch die mehrfach wegen des vergrößerten Querschiffensters des Domes, das auf dem Modell in der Hand des Herzogs sichtbar ist, angenommene Datierung nach 1260 scheint mir nicht sicher, da die Entstehung des Fensters um diese späte Zeit nicht feststeht. Man sollte denken, daß seine Anlage mit der Ausmalung der sonst sehr dunklen Kirche zusammenhängt, die schwerlich so weit herabgerückt werden kann. Auch sind die Konsolen des Grabmals auf das engste verwandt mit der Konsole am Westportal in Riddagshausen, das zu den ältesten Teilen der Kirche gehört.

 

 

 

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BAUGESCHICHTE DER KIRCHE IN WECHSELBURG

 

VON DR. PHIL. DR.—ING. L. GIESE

 

Die Schloßkirche zu Wechselburg (Tafel 100) ist eine romanische, kreuzförmige, dreischiffige Pfeilerbasilika, jetzt mit gotischen Gewölben versehen, mit einer Hauptapsis und je einer Nebenapsis an den Querschiffarmen, einem unvollendeten Westbau, als geschlossenen Mauerkubus, der über die Flucht der Seitenschiffe vorspringt, und einer Vorhalle vor dem Doppelportal des Nordschiffes. Die alte Sakristei schließt sich an die Nordmauer des Chorhauses, die Nordapsis zum Teil verdeckend, an. Die Kirche ist in Bruchsteinen mit Gliederungen aus Rochlitzer Sandstein ausgeführt, der Westbau vollständig in Quadern dieses Steines.

 

Bietet so die Kirche dem ersten Blick (abgesehen von der Einwölbung) ein einheitliches Bild dar, so lassen sich doch für die Bauarbeiten drei Gruppen scheiden. Begonnen wurde mit den Ostteilen: am südlichen Querschiffarm hört nämlich der Sockel aus Plinthe und Schmiege mit dem Eckquader auf, der die Profilgehrung nach dem Seitenschiff zu umfaßt, und am nördlichen Querschiffarm ist die Ecklisene des Seitenschiffes ohne jeden Verband gegen die Querschiffmauer gesetzt. Das Querschiff ist also vor dem Langhaus begonnen, worauf auch die Wandgliederung hinweist, die in verschiedenen Stadien vor Augen tritt: das endgültige Resultat zeigen die Westwände. Die gequaderte Mauerkante ist mit einem durchgehenden Ecksäulchen mit attischer Eckblattbasis und romanisch ornamentiertem Kapitell besetzt. Die ganze untere Zone der Wand ist ohne weitere Gliederung. Die etwas zurückgesetzte obere Zone dagegen hat eine bündig mit der unteren Wandfläche gelegene Quaderumrahmung aus zwei Ecklisenen und einem sie verbindenden, unter dem Hauptgesimse sich hinziehenden Rundbogenfriese; in der Mitte durchbricht die Wandfläche ein Rundbogenfenster, auf dem Mauerrücksprung aufsitzend. Die Ostwände der Querschiffarme zeigen die Vorstadien dieser Wandgliederung: sie waren ursprünglich in durchgehender Mauerflucht geplant und lassen genau die Linie erkennen, bis zu der sie gediehen waren, als der Plan der zurückgesetzten, gegliederten Oberzone einsetzte, besonders charakteristisch die nördliche Ostwand, wo dieser Rücksprung sich durch die Fügung der Bruchsteine treppenförmig abgestuft darbietet. Dieses Wandsystem war nach alledem für das Querschiff nicht vorgesehen, als der Bau begann, der Gedanke daran tauchte erst auf, als man mit Errichtung der Ostmauern bis zu der durch die Mauerrücksprünge bezeichneten Höhe gekommen war; an den Westmauern dagegen wurde es von Anfang an ausgeführt, übernommen aber wurde es vom Langhaus.

 

Auch innerhalb des Ostbaukomplexes ist das Querschiff der zuerst in Angriff genommene Teil. Entgegen dem Schwanken am Querschiff zeigt nämlich das Chorhaus das fertige Wandsystem. Als letzter Teil wurde die Hauptapsis erbaut 1). Während am Querschiff und Chorhaus die Profilierungen der Ecklisenen -— zwei kleine Kehlchen — einfach stumpf auf dem Mauerabsatz der unteren Wandzone enden, zeigen sie hier eine organische Endigung.

 

Die Querschifffronten sind ganz einfach gehalten, nur ihre Rundbogenportale sind reicher ausgestattet, besonders das Nordportal (Tafel 111 b), dessen Gewände einen Rücksprung mit Säule aufweist, die attische Eckblattbasis und romanisches Blattkapitell in Korbblockform hat, auch ist das Tympanon mit Lilienbäumchen im Flachrelief verziert. Den größten Schmuck aber zeigt die Chorpartie. Der Chorhausgiebel hat ein plastisch verziertes großes Vierpaßfenster (Tafel 104a), dessen Quaderung eine Profilierung aus Welle und Platte

 

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1) Die Apsis wurde bei der Restauration 1870 im oberen Teil abgetragen und wieder aufgebaut, doch ist dabei nach den Darstellungen bei Puttrich Wesentliches nicht geändert worden.

 

 

 

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in Verdoppelung aufweist; Welle und Platte ziehen sich auch als Gesims an den Giebelschrägen empor 1).

 

Die Hauptapsis ist der prächtigste Teil des Ostkomplexes. Ihre Wand ist der Höhe nach in zwei Zonen gegliedert, die beide mit Gesims und Bogenfries (Tafel 102 und 103) abschließen und durch senkrechte Glieder — unten Lisenen, oben Wandsäulen — in je fünf Felder geteilt werden. Im ersten, dritten und fünften Felde sitzt in der unteren Zone je ein vermauertes Kryptafenster, in der oberen je ein Rundbogenfenster, in einfachem Gewänderücksprung von Säulchen mit Eckblattbasis und Kelchkapitell flankiert. Die Säulchen des Mittelfensters (Tafel 102) stehen auf gelagerten Löwen, die einen Menschen zwischen den Tatzen halten. — Von den Nebenapsiden ist die südliche vom Schloßanbau verdeckt, die nördliche samt der Sakristei teilweise neu gebaut, doch im Kerne alt.

 

Stilistisch bilden die Ostteile ein Ganzes. An Sockeln, Gesimsen, Fenster- und Portalumrahmungen treten die gleichen Profile auf, als besonders charakteristisches Glied die Welle mit flauer, weichlicher Schiffsschnabelendigung. Die Profilierung der Rundbogenfriese und Lisenen setzt sich durchgehend aus zwei Kehlchen zusammen.

 

Auch im Innenaufbau offenbart sich die konstruktive und formale Einheit des Ostkomplexes; alle Teile sind mit Ausnahme des westlichen Vierungsbogens, der auch im Formcharakter seiner Profilierung zum Langbaukomplex gehört, in Verband aufgeführt 2). Der Sockel der Vierungspfeiler und der Gewändekanten der Apsiden ist der gleiche wie am Außenbau; die Mauerkanten haben wie die Kanten des Außenbaues Ecksäulchen mit Eckblattbasen und romanischen Kapitellchen. Das in den Ostteilen durchgehend verwandte Kämpferprofil hat unter oberer Platte zwei Kehlchen und einen dünnen unteren Rundwulst, eine Profilierung, die nahe verwandt ist den Doppelkehlen des Außenbaues. Diesen Kämpfer zeigen auch die zwei Wandpfeiler, die die Gurtbogen zwischen Querschiffarmen und Seitenschiffen tragen, von hier aus läuft das Kämpferprofil an den Innenwänden der Seitenschiffe bis zum Westbau entlang: hier berührt sich die Baugruppe der Ostteile mit der des Langhauses; als mit dem Innenaufbau der Ostteile die Kämpferhöhe jener Wandpfeiler erreicht und ihre Kämpfergesimse verlegt wurden, waren auch die Umfassungsmauern der Seitenschiffe zu dieser Höhe gediehen, so daß die Profile jener Kämpfergesimse durchgezogen werden konnten. Und nicht nur die Seitenschiffe, auch das Mittelschiff war im Bau.

 

Doch zunächst muß noch die Betrachtung des Innenbaues der Ostteile fortgesetzt werden. An die Vierung schließt das Chorhaus um eine Stufe erhöht an, sein Fußboden ist im östlichen Teile abermals um eine Stufe erhöht. Den Abschluß gegen die ihrerseits auch um eine Stufe höherliegende Apsis bildet jetzt die Lettnerwand. Einst lag unter dem Hochchor eine Krypta, heute liegt unter dem gesenkten Chorhaus die Fürstengruft. — Auch im Innern ist die Hauptapsis der am reichsten ausgestattete Bauteil: ihre Wand umzieht auf einem Mauerabsatz in halber Höhe eine Blendarkadenreihe von sechs Rundbögen auf an die Wand gestellten Vollsäulchen mit mannigfach gebildeten Korbblock- und Kelchblockkapitellen (Tafel 112) und romanisch-attischen Basen 3). Die beiden Endbogen setzen auf den mit Flachornament verzierten Schmiegenkämpfern zweier Wandpilaster auf, die zugleich die abgetreppten Gewändevorlagen der Apsisöffnung tragen (Tafel 112 c und g), so daß damit auch die Apsis und das Chorhaus in Verband gesetzt sind. — Stilistisch geht die Bauornamentik dieser Blendarkaden und der Ecksäulchen der gesamten Ostteile, desgleichen zweier das Nordquerschiffportal im Innern flankierenden Säulchen zusammen mit derjenigen des Äußeren.

 

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1) Der romanische Giebel wurde 1870 wegen Baufälligkeit abgebrochen und in den alten Formen wieder aufgebaut. Aber auch dieser Zustand gibt schon eine spätere Erhöhung des ursprünglichen Giebels, zusammen mit den Querschiffgiebeln, von denen besonders der Nordgiebel die alte weniger steile Schräge deutlich erkennen läßt. Am Chorhausgiebel weisen auf einen späteren Eingriff die senkrechten Ansatzstücke des Giebelgesimses am Giebelfuße. Auch besteht die Mauer über dem Vierpaßfenster aus modernen Ziegeln auf dem alten Bruchsteinmauerwerk.

 

2) Die konstruktive Verbindung von Querschiff und Chorhaus ergibt sich aus dem Befunde an den Mauern im Dachboden der Kirche.

 

3) Die Blendarkaden sind bei der Restauration der Apsis 1870 nicht berührt worden. Die Abbildung bei Puttrich gibt den heutigen Bestand.

 

 

 

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Bald nachdem der Bau der Ostteile angefangen worden war, wurde zur Errichtung des Langhauses geschritten, das, mit Ausnahme des südlichen Seitenschiffes, die am Ostbau betrachtete Wandgliederung zeigt, doch im Gegensatz zu dort in straffer, architektonisch klarer Ausbildung. Am nördlichen Seitenschiff wird sie durch das Doppelportal mit vorgebauter, zweijochiger, mit Kreuzgewölben gedeckter und nach den drei freien Seiten im Rundbögen geöffneter Vorhalle (Tafel 101) unterbrochen 1). Das Portal hat zwei Rundbogenöffnungen mit skulpierten Tympanen (Tafel 106), auf dem westlichen das Lamm mit der Siegesfahne zwischen Ziermotiven, auf dem östlichen Löwe und Drachen im Kämpfe, jenes von einem gedrehten, dieses von einem glatten Doppelwulst umzogen. Beide Tympana ruhen auf Konsolen, das westliche auf einem kauernden Mann und Stierprototom (Tafel 105c und d), das östliche auf Voluten. Die Gewände sind rechteckig kantig, teilweise mit Flachornament geschmückt (Tafel 110). Als äußere Portalumrahmung steht beiderseits der Öffnungen in einem gekehlten Gewändeeinsprung eine Säule als Träger für den das Tympanon konzentrisch umgebenden Vorsprung, dessen Vorderkante durch zwei Wulste mit Zwischenkehle profiliert ist. Portal, Vorhalle und Seitenschiffe stehen im engsten konstruktiven und formalen Zusammenhange, wie die Steinverbände und die gleichen Profilgebungen bezeugen. — Im Innern haben die Langhausarkaden einfach rechtwinkeligen Querschnitt, über ihnen gehen die Bruchsteinmauern glatt empor. Während diese in die Höhe gemauert wurden, wurden auch die Oberteile der Querschiffwestmauer vollendet, wie der Baubefund an den Mauern im Dachboden erkennen läßt. Die Querschiffwestmauer wurde, nachdem der westliche Vierungsbogen, der, wie das Wellenprofil mit der scharfen Spornendigung zeigt, der Langbaugruppe angehört, über den schon stehenden Vierungspfeilern der Ostbaugruppe gespannt war, in ihrem oberen Teil durchgemauert und der Anschluß der beiden Mittelschifflängsmauern im Verband eingefügt.

 

Die verschiedene Profilfolge der Hauptgesimse des Ost- und Langbaues im Äußeren suchte man beim Zusammenstoß in der Nordecke dadurch anzupassen, daß am Ende der Kehle des Querschiffgesimses eine Rundwulstbosse angearbeitet stehengelassen wurde, gegen die der Rundwulst des Langschiffgesimses ansetzt. In der Südecke laufen die beiden Gesimse einfach gegeneinander tot.

 

Die charakteristischen Profile des Langbaues sind für die Kantengliederung, für Lisenen und Rundbogenfriese eine Welle mit scharf abgesetzten, spornartigen Endigungen und Haupt- und Kämpfergesimse eine Folge von Platte, Rundwulst und Kehle. Außen- und Innenbau zeigen die Einheitlichkeit des Langbaues und zugleich den Gegensatz zum Ostbau.

 

Eine besondere Stellung nimmt das südliche Seitenschiff ein. Seine Umfassungsmauer hat weder Sockel noch Wandgliederung; das Abschlußgesims zeigt nur eine hohe, flache Kehle mit zwei unteren Rücksprüngen und darunter einen glatten Plattenstreifen. Ein Rundbogenfries hat hier nie gesessen. Das Bruchsteinmauerwerk der Wand hat nirgends irgendwelche Spuren von Bauvorgängen, ebensowenig die vortretenden Mauern des angrenzenden Querschiffes und Westbaues mit ihren völlig intakten Sockeln und Kantensäulchen. Der heutige Baubestand gibt also keinerlei Anzeichen dafür, daß hier der Nordflügel des alten Kreuzganges des Klosters sich anschloß. Aufschluß können wohl nur Grabungen geben.

 

Der unvollendete Westbau hat in zwei Zonen übereinander eine gleiche Wandgliederung wie das Langhaus. Das dritte Geschoß ist im ganzen Umfange in den Anfängen steckengeblieben, nur drei Quaderschichten sind verlegt, deren oberste erkennen läßt, daß hier nie weitergebaut, daß der fragmentarische Zustand also nicht etwa durch ein Brandunglück verursacht worden ist. Das Geschoß ist an den Schmalseiten nach dem halben Sechseck gestaltet und zeigt den Anfang einer Lisenengliederung, deren Kanten mit Ecksäulchen besetzt sind. — Die Westfront ist der Breite nach durch Lisenen in beiden Geschossen dreigeteilt: die zwei

 

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1) Die Nordseite der Vorhalle ist heute durch einen Torbau des 15. Jahrhunderts verbaut, die Westseite durch ein modernes Glasgemälde geschlossen.

 

 

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Außenfelder mit einem Rundbogenfries und Gesims, das mittlere zurücktretende Feld nur mit einem Gesims abgeschlossen, das im Obergeschoß etwas nach oben winkelt, weil hier ein großes, reich profiliertes Rundfenster in quadratischer Mauerblende die Front schmückt. Die ganze Außenarchitektur des Westbaues zeigt deutlich, daß eine Zweiturmfront geplant war. In den beiden unteren Geschossen sind die Türme, im Gesamtkubus eingeschlossen, nur durch die Lisenen markiert, im dritten Geschoß durch die polygone Gestaltung stärker betont, eine Vorbereitung für das nächste Geschoß, in dem sie sicher in Achteckgestalt, vom Mauerkubus gelöst, frei emporragen sollten über das niedrigere Mittelstück der Front. Dies Verhältnis zwischen Türmen und Mittelstück gibt auch das Modell der Kirche in der Hand Dedos auf dessen Grabmal im Innern der Kirche (Tafel 80), doch sind hier die beiden Türme bis oben hin quadratisch, eine Abweichung von der Wirklichkeit.

 

Auch der innere Aufbau zeigt die Dreiteilung des Westbaues. Zwischen den Türmen öffnet sich eine Empore durch zwei auf reichgeschmückter Mittelsäule (Tafel 111a) ruhende Rundbogen nach dem Mittelschiff.

 

Mit dem Langbau steht der Westbau sowohl konstruktiv als auch formal in engster Verbindung, wie die Verkröpfungen der Sockel- und Gesimsprofile und die gleiche Behandlung der Mauerflächen bezeugen, doch ist der jetzige Aufbau erst nach Änderung des ursprünglichen Bauplanes erfolgt, der eine der heutigen abweichende Gestaltung des Mittelstückes der Westfront, das ohne jeden Verband mit den Seitenteilen steht, vorgesehen hatte. Darauf deuten auch die dem Mittelteil zugewendeten Kanten der Lisenen, die mit Ecksäulchen den Außenkanten des Baues gleichgebildet sind; dazu kommt, daß der Mittelteil des die Lisenen verbindenden Rundbogenfrieses entbehrt. Alles scheint darauf hinzuweisen, daß ursprünglich die Westfront in ihrem Mittelstück weiter zurückliegend geplant war. Diese Planänderung ist der Baugruppe der Ostteile zuzuschreiben, da an den in Betracht kommenden Teilen dieselben Formen wie dort auftreten.

 

An der ganzen Kirche lassen sich zwei Arten von Bauornamentik unterscheiden, die nebeneinander auf den gesamten Bau verteilt sind: eine flach aufgelegte und eine plastisch herausgearbeitete, beide durch pflanzliche und figürliche Motive vertreten. Die Kapitellform (Tafel 107—109) der ersteren ist die Korbblockform, die der letzteren die Kelchblockform. Die bauornamentalen Stücke gehören nach Ausführungsart und Formbehandlung ein und demselben Stilkreis und ein und derselben Herstellungszeit an.

 

Wie der Westbau in seinen oberen Teilen unvollendet geblieben ist, so scheint auch bei der Vierung der ursprüngliche Plan nicht ausgeführt zu sein; das Modell der Kirche auf Dedos Grabmal zeigt hier einen achteckigen Vierungsturm, der Baubefund dagegen ein Mauerviereck über den Vierungsbogen, ohne daß eine Spur auf die Absicht eines Achteckturmes wiese. Da auch keine Vorkehrungen zur Einwölbung der Vierung im alten Baubestand sichtbar sind, so ist die Vierung ehemals flach gedeckt gewesen. Ebenso die Querschiffarme. Heute haben diese Bauteile gotische Rippengewölbe; auch das Chorhaus zeigt ein gleiches Gewölbe, das aber bei der Restauration um 1870 nach dem vorhanden gewesenen, baufällig gewordenen neu eingespannt worden ist. Vor jenem aber war der Raum, nach Puttrichs Abbildungen, mit einem rundbogigen Gratgewölbe eingedeckt. Aber auch das dürfte bei dem vollständigen Mangel an baulichen Vorrichtungen für eine Einwölbung nicht der ursprüngliche Zustand gewesen sein, vielmehr war auch das Chorhaus flach gedeckt.

 

In das Mittelschiff sind jetzt Netzgewölbe, in die Seitenschiffe Kreuzrippengewölbe des 15. Jahrhunderts eingezogen, die sich nach den fünf Paaren Arkaden richten, was, da sechs Fenster die Mittel- und Seitenschiffwände durchbrechen, zu Vermauerung von Fenstern und Verzerrungen von Gewölbekappen geführt hat. Nur im südlichen Seitenschiff stimmen die Fenster, die größer als die des nördlichen Seitenschiffes sind, und die Gewölbekappen

 

 

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überein, offenbar stammen die Fenster erst aus der Zeit der Einwölbung 1). Auch die Langschiffe hatten einst flache Decken; das zeigen die einfach rechteckigen Schiffspfeiler und die Befunde im Dachboden: Zwischen den Gewölben des südlichen Seitenschiffes sind in der Mittelschiffmauer noch die Balkenlöcher sichtbar und auch für Mittel- und Querschiff sind ähnliche Spuren der einstigen Holzdecke vorhanden. Die Dachneigung der Hochschiffe war, wie an den Giebelmauern im Dachboden festzustellen ist, flacher als heute.

 

So ist die Wechselburger Klosterkirche eine flach gedeckte kreuzförmige Pfeilerbasilika gewesen, deren Grundrisse aber nicht, wie es sich in romanischer Zeit im sächsischen Kunstkreise entwickelte, das Quadrat zugrunde gelegt ist, dergestalt, daß das Vierungsquadrat das Einheitsmaß für die Anlage bildet. Zwar hat das Querhaus drei Quadrate, das Chorhaus aber ist ein Rechteck und die Langhauspfeiler legen keine Quadratteilung fest.

 

Was die Hauptabmessungen betrifft, so ist die lichte Länge der Langschiffe 23,5 m, die lichte Breite des Mittelschiffes 7 m, der Seitenschiffe 3,8 m; die lichte Länge des Querschiffes 23,25 m, die lichte Breite ca. 7 m; die lichte Höhe der Hochschiffe 13,5 m, der Seiten- schiffe 6,2 m; die Arkadenweite beträgt 3,6 m, die Pfeilerbreite 1,2 m, die Firsthöhe der Hochschiffe ca. 19 m. — Der Westbau als geschlossener Mauerkubus auf rechteckigem Grundrisse, ohne Eingangstür, mit Erdgeschoßhalle und Empore zwischen den Türmen, ist eine typische Erscheinung in der sächsischen romanischen Baukunst. Der Westbau ist 22,8 m breit und 8,26 m tief.

 

Aus den über den Gründungsbau erhaltenen Urkunden 2) ergibt sich die Grundsteinweihe der Kirche für das Jahr 1168, die Gründung des Klosters für 1174 und seine Weihe für 1184. Die Bauzeit der Kirche aber ist urkundlich nicht festgelegt und zog sich den ornamentalen Formen nach, vermutlich bis in den Anfang des 13. Jahrhunderts hin, verzögert vielleicht

durch den Bau des Klosters.

 

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1) Die Vermutung liegt nahe, daß das südliche Seitenschiff ehemals überhaupt keine Fenster gehabt hatte; ob wegen des anschließenden Kreuzganges, diese Frage müßte, wie erwähnt, durch Grabung zu klären versucht werden.

2) Diese Urkunden sind folgende:

1. Eine Urkunde des Bischofs Gerung von Meißen, 12. November 1168.

Dedo . . . cenobium regularium canonicorum secundum regulam sancti Augustini . . . consilio nostro instituerit et provisioni dilecti fratris Ekkehardi venerabilis in Sereno monte prepositi in spirituali religione viri per omnia probatissimi commisit. Nos quoque ipsius vocatione ecclesiam inibi in ipsis iniciis fabricatam omnipotenti deo in honorem sancte et victorissime crucis et beati Dei genetricis et semper virginis Marie sanctique Johannis apostoli et evangeliste consecravimus . . . Am Schlusse der Urkunde: . . . testes consecrationis prime basilice et institutionis regularis professionis . . .

2. Eine Urkunde Dedos, 1174.

. . . oratorium omnipotenti deo in honore sancte Dei genetricis et semper virginis Marie consilio et auxilio domini Ekkehardi in sereno Monte beati Petri apostolorum principis venerabilis prepositi construximus et a reverendo sancte Misinensis ecclesie pontifice domino Gerungo consecrari fecimus.

3. Chron. Mont. Sereni (Menken, tom. II) anno 1174:

Dedo monasterium Cillense fundavit.

4. Annal. vet. cell. § XXII. p. 387. 1184.

Monasterium solempne Canonicorum regularium fundavit in Schilla . . . Dedicatum fuit hoc monasterium.

 

Nach Gerungs klarer Urkunde ist bei der Erwähnung einer Weihe nicht an die erfolgte Fertigstellung eines Hauptteiles des Baues, der zur vorläufigen Benutzung, wie oft im Mittelalter, geweiht worden wäre, zu denken; im Gegenteil: der Bau steckt in den Anfängen. So handelt es sich nur um die Grundsteinweihe. Auch die Bemerkung, daß Dedo „die consecrationis“ das Kloster mit großen Besitzzuweisungen bedacht habe, läßt darauf schließen, daß der Tag der Grundsteinweihe gemeint ist.

 

 

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REKONSTRUKTION DER CHORANLAGE IN WECHSELBURG

 

VON DR. PHIL. DR.-ING. L. GIESE

Das wichtigste Problem in der Baugeschichte der Wechselburger Schloßkirche ist die Frage, wie vor dem heutigen, durch verschiedene Änderungen geschaffenen Zustand des Innern der Chorpartie die Choranlage gewesen ist. Diese Frage umfaßt zugleich diejenige nach der Ausgestaltung der Krypta, nach dem architektonischen Aufbau und Standort des Lettners, nach der Verteilung der zugehörigen Skulpturen.

 

Der Chor ist heute nur wenig über dem Kirchenfußboden erhöht (Tafel 52), zwei Stufen der Vorchor über das Querschiff, eine Stufe die Apsis über jenem, und hat unter sich die von der Vierung aus zugängliche Fürstengruft liegen. In ganzer Breite zwischen Chorhaus und Apsis steht heute die Lettnerwand mit der Kreuzigungsgruppe als Umbau des modernen Hauptaltars. Diese Wand ist in drei Zonen aufgebaut: die untere hat drei Rundbogenöffnungen zwischen Säulen, vor der mit reich ornamentiertem Bogen versehenen mittleren vermauerten steht der Altar, die beiden seitlichen offenen führen in die Apsis. In den Zwickeln des Mittelbogens sind die Halbfigurenreliefs Kains und Abels, in den äußeren der Seitenbogen diejenigen zweier Engel angebracht. Die zweite Zone hat jederseits über den Seitenöffnungen zwei Blendnischen mit Relieffiguren, links Daniel und David, rechts Salomo und ein Prophet, über dem Mittelbogen verkröpft sich das Gurtgesims aufwärts um ein schmales Mauerrechteck mit dem Gemälde des guten Hirten; die dritte Zone besteht in einem großen ornamentierten Dreiblattbogen auf mittleren Stützen. Die große Mittelöffnung ist durch ein Holzrelief ausgefüllt, auf dem Aufbau erhebt sich die Kreuzigungsgruppe. — Vor den Querschiffvorlagen der östlichen Vierungspfeiler, unmittelbar über dem Sockel, stehen Abraham und Melchisedek als fast lebensgroße Figuren. Dazu kommt noch die Kanzel (Tafel 65), die jetzt höchst ungünstig unter der östlichen Schiffsarkade der Nordseite aufgestellt ist. Zwei vordere Säulen und eine geschlossene Hinterwand tragen auf stark profilierter Platte die rechteckige Kanzel mit Reliefs: vorn thront Christus zwischen den Evangelistensymbolen, Maria und Johannes stehen zu Seiten. Auf der Westseite ist die Aufrichtung der ehernen Schlange, auf der Ostseite das Opfer Abrahams dargestellt. In der Mitte der Rückwand mündet die Kanzeltreppe.

 

Lettnerwand, Kanzel und Skulpturen sind aus Rochlitzer Sandstein gefertigt.

 

Dieser heutige Gesamtbefund ist nicht der ursprüngliche. Abbildungen des alten Zustandes sind nicht vorhanden. Puttrich 1) und Sachsengrün 2) bringen Darstellungen des Chores und der schon an jetziger Stelle sich befindenden Lettnerwand (Tafel 53), die aber einen etwas abweichenden Aufbau zeigt. Abraham und Melchisedek erscheinen hier an den Chorhausvorlagen der Vierungspfeiler. Puttrich gibt außerdem noch eine ältere Anordnung und Stellung der Kanzel, sie steht gegen heute weiter westlich, ihr Unterbau ist außer den beiden Säulen 3) ein ganz anderer und der Kanzelkasten vorn im halben Sechseck gebrochen. Zugleich lassen die Darstellungen des Chores zwei Türen in der Nordseite des Chorhauses erkennen und geben neben der oberen ein Sakramentshäuschen in spätgotischem Stile.

 

Den durch diese Zeichnungen festgehaltenen Zustand hat die Restauration um 1870 abermals verändert (Tafel 52). Diese Veränderungen sind folgende: In der unteren Lettnerzone ist die hohe Emporkröpfung des Gurtgesimses nebst dem Bilde des guten Hirten eingefügt, desgleichen die Konsolpfeilerchen für die Rundbogen der anschließenden Blendnischen. An der Kanzel ist bei der Versetzung an den heutigen Standort der Unterbau verändert und der

 

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1) Denkmäler der Baukunst des Mittelalters in Sachsen, I, 1, 1834.

2) Band 1861.

3) Von dem bei Puttrich gezeichneten geschmückten Säulenschaft wird noch ein Stück in der alten Sakristei aufbewahrt.

 

 

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Abb. 4 Längsschnitt des jetzigen Chores

 

 

Abb. 5 Rekonstruktion des Lettners und Chores Längsschnitt

 

 

 

 

 

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Kanzelkasten rechteckig gestaltet worden. Im übrigen sind an der Kanzel nur die Reliefplatten und die Basen und Kapitelle der Säulen alt, alles übrige ist Zutat des 19. Jahrhunderts, teilweise wohl schon aus der Zeit vor der Restauration um 1870, denn auch an der Lettnerwand sind Teile aus dem 19. Jahrhundert, die schon die erwähnten Abbildungen geben: der ganze obere Aufsatz für die Kreuzigungsgruppe, der in Formgebung und Motiven seines Ornamentschmuckes einen von der übrigen Bauornamentik des Lettners sehr verschiedenen Charakter zeigt, der nicht mittelalterlich, sondern modern ist. Auch ist der Aufsatz unorganisch und plump dem in seiner Detaillierung feinen zweigeschossigen Unterbau aufgesetzt, was noch mehr in die Erscheinung tritt gegenüber dem rekonstruierten alten Lettnerzustande.

 

Der Baubefund (Abb. 4) gibt genug Anhaltspunkte für eine Rekonstruktion der gesamten Choranlage (Abb. 5): eine ca. 2,40 m über dem Fußboden gelegene vermauerte Öffnung in der Nordwand des Chorhauses ist die Tür, die einst aus dem anliegenden Oberraum der Sakristei in den Hochchor führte. Die Schwelle der Türöffnung gibt somit das Niveau des Hochchorfußbodens. Durch die dadurch festgesetzte Lage des Fußbodens wird die Bildung der Chorhausvorlagen der östlichen Vierungspfeiler erklärt, deren Ecksäulchen 2,80—2,9o m über dem Kirchenfußboden ansetzen: diese Ecksäulchen mußten über dem Chorfußboden so aufhören, daß noch Platz für die Plinthen ihrer Basis blieb. In der Tat läßt die durch die Türschwelle gegebene Niveaulinie einen der Plinthenhöhe entsprechenden Streifen unter den Säulchenbasen frei. Die Lage des Hochchorfußbodens ist somit eindeutig bestimmt. Dadurch wird der Mauerabsatz an der Innenwand der Hauptapsis‚ der die Blendarkadenreihe trägt, zu einem 40—50 cm über Hochchorfußboden liegenden Sockel für diese nunmehr das untere Drittel der Apsiswand schmückenden Blendarkaden.

 

Die Hochlage des Chors war durch die Anlage einer Krypta bedingt; diese stand durch eine jetzt vermauerte Tür im unteren Teil der nördlichen Chorhauswand mit dem Unterraume der Sakristei in Verbindung. Heute ragt die Tür ca. 20 cm über den Vorchorfußboden hervor. Ihre Schwelle in der Sakristei bestimmt den Kryptafußboden, der 4,30 m unter dem Hochchorfußboden zu liegen kommt. Im Gegensatz zur heutigen Fürstengruft erstreckte sich die Krypta nach Osten bis unter die Hauptapsis und wurde unter dieser durch drei, unter der Südmauer des Chorhauses durch zwei Fenster erleuchtet, die heute vermauert im Äußern sichtbar sind. Ihre Ausdehnung nach Westen wird sich aus der Rekonstruktion des Lettners ergeben. Dieser muß aus seiner jetzigen unmöglichen Stellung nach Westen gerückt werden, um Krypta und Hochchor gegen die Kirche abzuschließen.

 

Für die Rekonstruktion (Abb. 6 u. 7) ist von den beiden mittleren Säulen der Unterzone auszugehen. Ihre heutige Entfernung voneinander wird durch den ornamentierten Mittelbogen, der seine alte Halbkreisgestalt mit 180 cm Basis und 90 cm Höhe bewahrt hat, als die ursprüngliche festgelegt, außerdem erweisen die Kapitelle, die nur an den drei freien Seiten, nicht an der der Lettnerwand zugekehrten, ausgearbeitet sind, daß die Säulen für die Stellung vor den Stirnmauern zwischen den drei Öffnungen gearbeitet sind. So fragt es sich noch, ob an diesen Stirnmauern Veränderungen des alten Zustandes vorgenommen worden sind. Von ihrem aus Plinthe und Schmiege zusammengesetztem Sockel tritt ein 18 cm breiter Streifen längs den Leibungsflächen der Durchgangsöffnung vor. Ferner wird die aus Welle und Rundstab bestehende Profilierung der Vorderkanten dieser Seitenmauern durch die davorstehenden Säulen zum Teil verdeckt. Es ergibt sich aus diesen Befunden, daß die Stirnmauern einst hinter den Säulen seitlich gegen die Durchgangsöffnungen weiter vortraten, und zwar so weit, daß sie jenen freien Sockelstreifen bedeckten. Ihre Kanten nach der Mittelöffnung sind unprofiliert und haben nur oben in Höhe der Säulenkapitelle ein Blattmotiv zur Betonung des Kämpfers, das jeweils mit dem Kapitell der Säule so zusammenkomponiert ist, daß sich hier unzweifelhaft der alte Zustand erhalten zeigt. — Somit ist die Breite der Stirnmauern und die Stellung der Säulen vor ihnen eindeutig festgelegt. Erstere war gegen heute etwas größer und verengerte die Seitenarkaden.

 

 

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Abb. 6 Lettner-Rekonstruktion Vorderansicht

 

 

Abb. 7 Lettner-Rekonstruktion Grundrisse

 

 

 

 

 

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Andererseits stehen aber diese Säulen und mit ihnen die Stirnmauern nicht mehr an alter Stelle innerhalb des Gesamtaufbaues des Lettners. Aus dem Hervortreten der Mauer um 30 cm an der Rückseite der Lettnerwand in Höhe des Gurtgesimses, das heute gänzlich unmotiviert erscheint, und aus der Übereinstimmung dieses Maßes mit dem der Leibungstiefe des Mittel- bogens der Vorderseite geht hervor, daß dieser Bogen samt seiner Rechteckumrahmung erst bei Verlegung des Lettners in diesen eingefügt wurde und dadurch die Verschiebung des unteren Teiles der Lettnerwand gegen den oberen um 3o cm nach hinten verursachte. Diese muß für die Wiederherstellung des alten Zustandes rückgängig gemacht werden, wodurch der ornamentierte Mittelbogen und die Stirnwandsäulen aus dem konstruktiven Zusammenhang der Lettnerwand ausscheiden; stehen diese Mittelstützen heute mit den Ecksäulen in der Vorderflucht des Lettners, so rücken sie jetzt vor die Lettnerfront. Hier werden sie zu konstruktiven Gliedern des Kanzelvorbaues, wovon unten die Rede sein wird, die Stirnmauern aber übernehmen jetzt, an Stelle der Mittelsäulen, zusammen mit den Ecksäulen die Bogen der Seitenöffnungen 1). Diese Öffnungen aber waren früher enger als jetzt, wie sich aus der Entfernung der noch ursprünglichen Sockeln dieser Durchgangsmauern ergibt. Die Ecksäulen selbst aber standen einst seitlich weiter nach außen gerückt; bei der jetzigen Stellung kommt nämlich die Profilierung der Mauerkanten hinter ihnen nicht recht zur Geltung, auch ragen ihre Kämpfer vor die Leibungsfläche der Durchgangsöffnungen vor, während der alte Bestand sie in bündige Lage mit dieser verweist. So entsteht eine gleiche Anordnung von Sockel, Säule und Mauer, wie sie sich bei den mittleren Säulen der Lettnerzone ergab; gleich diesen sind auch die Ecksäulen nicht von den Mauerteilen hinter ihnen zu lösen, denn ihre Schaftdekoration ist in der Mauerecke nicht ausgeführt, sie sind also für ihren Standort gearbeitet. Die an die Säulen anschließenden seitlichen Mauerpfeiler mit den Birnstäben zwischen zwei Kehlen an den Enden der Lettnerwand sind alt, wie aus dem Steinschnitt und der Birnstäbe und Kehlen umfassenden Verkröpfung des Gurtgesimses zu schließen ist; auch verweisen gerade die an die Birnstäbe nach hinten sich anschließenden Kehlen auf eine ehemals senkrecht an die Lettnerfront angefügte Fortsetzung der Architektur 2).

 

Aus allen bisherigen Festsetzungen ersteht für die Lettnerunterzone eine Gesamtbreite, die genau übereinstimmt mit dem Maß der Entfernung zwischen den Querschiffvorlagen der östlichen Vierungspfeiler.

 

Für den Aufbau der Oberzone der Lettnerwand ergibt sich aus der Analyse des Verlaufes und Erhaltungszustandes des aus Rundwulst mit feinem Steg und unterer Kehle gebildeten Gurtgesimses zwischen Ober- und Unterzone folgendes: 1. Die seitlichen Stücke des Gesimses haben stets niedriger gelegen als das Mittelstück. 2. Jedes dieser beiden Seitenstücke hat gegen eine senkrecht zu seiner Grundebene (der Lettnerwand) vorspringende vertikale Ebene angestoßen, so zwar, daß die Kehle des Gesimses sich gegen sie totlief, der Rundwulst an ihr emporwinkelte. Dadurch wurde die vertikale Ebene für diese emporsteigende Fortsetzung des Wulstes zur Grundebene. Der Wulst mußte sich also in der Knicklinie seines Winkelstückes zugleich mit dem Aufwärtssteigen um 90 ° in sich drehen. Daher kommt der merkwürdige, durch den heutigen Verlauf des Gesimses nicht motivierte Verlauf des Steges am Wulst, an den horizontalen Stücken vorn in der Mittellinie der Wulstwölbung, an den senkrechten Stücken seitlich. 3. Die beiden genannten, senkrecht vorspringenden Ebenen sind um das Breitenmaß der heutigen Rechteckumrahmung des ornamentierten Mittelbogens voneinander entfernt und treten dadurch zu den Mittelsäulen der unteren Lettnerzone in engste architektonische Beziehung, da diese gerade unter der Stelle, stehen, wo Gesims und

 

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1) Ganz unmotiviert hat die Restauration um 1870 die seitlichen Bogen zurückgesetzt, so daß seitliche Lisenen entstanden sind.

2) Die Sockel unter den attischen Basen der Birnstäbe sind teilweise in roher Weise abgeschlagen, was bei der Versetzung der Lettnerwand an den jetzigen Platz, der nicht ganz ausreichte, geschehen ist und auch darauf hinweist, daß die Birnstäbe alt sind, auch wenn sie Puttrich nicht gezeichnet hat.

 

 

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vorspringende Vertikalebene zusannnentreffen. — Diese Ergebnisse schließen den Beweis in sich, daß in der Mitte der Unterzone ein Vorbau vorsprang, der nur der Unterbau für die Kanzel sein kann, da die festbegründete Einfügung der Kanzel 1) in die Oberzone der Lettnerwand einen solchen erfordert. Seine Säulen sind in den mittleren Lettnersäulen und den Kapitellen und Basen der Kanzelsäulen (Tafel 65) erhalten. Die letzteren trugen den ornamentierten Mittelbogen 2) als Vorderbogen des Kanzelunterbaues, dementsprechend die seitlichen Bogen rekonstruiert worden sind, deren Weite durch die Abmessungen der Kanzel bestimmt wird. Durch die Festlegung des Unterbaues und durch den gleich zu erwähnenden Anschluß der Kanzel an die Oberzone ist der Verlauf des Gesimses bestimmt, durch den die Lettnerwand so geteilt wird, daß die Seitenstücke des Gesimses in die Linie des Chorfußbodens zu liegen kommen, die zwei Zonen des Lettners also in feste Beziehung zu der Gesamtchoranlage gebracht werden: die obere Zone ist Abschlußwand des Hochchors, die untere Abschlußwand der Krypta. Zwischen die beiden heut noch in altem Aufbau erhaltenen Seitenteile der Oberzone, die nur entsprechend der Verbreiterung der Lettnerwand etwas weiter auseinanderrücken, ordnet sich die Kanzel ein, deren Seitenplatten auf Grund von lisenenartigen Vorsprüngen an den Enden ihrer Vorderseiten die Einfügung in eine Architektur fordern; diese wird dadurch gegeben, daß auf diese Lisenen die Bogen der anschließenden Blendnischen der Lettneroberzone, die jetzt auf den Konsolpfeilerchen ruhen, aufsetzen. Weder diese Pfeilerchen noch die sie begleitenden Wulststücke der Kleeblattprofilierung der Nischen gehören zum mittelalterlichen Bestand, sie sind vielmehr Zutat des 19. Jahrhunderts. An ihrer Stelle unterstützten einst jene Lisenen der Kanzelplatten, an die offenbar zur Erzielung der nötigen Auflagerfläche einst Ergänzungsquader angefügt waren, die Bogen der Blendnischen. — So ergibt sich eine durchaus organische Verbindung der Kanzel mit der Oberzone des Lettners.

 

Die Kanzel selbst erhält durch diese Einordnung eine polygonale Gestalt, indem sie sich der in ihrem Ausmaße durch den architektonischen Aufbau der Lettnerwand bedingten Lücke in der Mitte der Oberzone einpassen muß, dabei setzen die beiden seitlichen Vorderplatten mit Maria und Johannes, die früher breiter waren, im stumpfen Winkel an die mittlere mit dem thronenden Christus an, senkrecht zur Lettnerwand schließen sich die Seitenplatten mit den biblischen Szenen an 3).

 

An welcher Stelle der Kirche nun schloß diese so rekonstruierte Lettnerfront den Hochchor gegen den Laienraum ab und wie war die Treppenanlage gestaltet? — Oben mußte schon aus dem Baubefund auf seitliche Chorabschlußwände im Anschluß an die Lettnerwand geschlossen werden 4). Diese rückt also in die Vierung vor. Für die Gestaltung dieser Wände (Abb. 8) bietet sich ein wichtiger Anhalt: An der Lettnerfront machen den Teil der Oberzone zwischen Hauptgesims und Kämpferlinie der Doppelblendnischen auf beiden Seiten drei Quader aus, die in senkrechten, durch die Nischenscheitel gelegten Fugen aneinanderstoßen. Der Mittelquader umfaßt also die beiden inneren Viertelbogen der Doppelnische samt ihrer Kleeblattprofilierung. Nun fand sich unter Baustücken ein diesen Mittelquadern der Front aufs engste verwandter Quader gleicher Gestalt, nur ohne Kleeblattprofilierung, auch etwas verschieden in Abmessungen und Profilgebung, und mit einem flachen, heute zum Teil abgemeißelten Relief der Halbfigur eines Engels im Bogenzwickel. Ein Tierkopf mit kleinen Blattmotiven am Fußpunkt der Kantenprofilierung der Bogen geht stilistisch zusammen mit der Lettnerornamentik. Der Quader gehört somit sicher zum Lettner, sicher aber nicht an dessen Front,

 

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1) Davon ist weiter unten zu sprechen.

2) Vgl. oben S. 32.

3) Der Fugenschnitt der einzelnen Platten ist so, daß der mittleren Vorderplatte mit Christus zwischen den Evangelistensymbolen der Streifenrahmen zugehört. Für die seitlichen Vorderplatten mit Maria und Johannes sind die gleichen Rahmen zu ergänzen. Diese Platten waren früher breiter, wie aus den abgeschnittenen Fingern der erhobenen Hand des Johannes und aus der Stuckausführung einzelner Rahmenschmiegen zu ersehen ist, während sonst Rochlitzer Stein verwandt ist. Die Ecksäulchen der Kanzel sind mit den großen Seitenplatten aus einem Stück gearbeitet.

4) Vgl. oben S. 34.

 

 

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Abb. 8 Lettner-Rekonstruktion: Seitenansicht

 

wo er nirgends untergebracht werden kann. Er kann nur an einer der Schmalseiten des Hochchorabschlusses in gleicher Funktion wie die verwandten Quader der Front gesessen haben. Die Oberzone dieser seitlichen Chorabschlußwände hatte also eine der Vorderseite entsprechende Ausgestaltung mit Doppelnischen. Eine weitere Bestimmung für den Standort des Lettners gibt die Festlegung seiner Treppenanordnung. Die Mittelarkade der Lettnerfront war auf Grund ihrer unprofilierten Mauerkanten, die nur oben, wie erwähnt, ein Blattmotiv haben 1), und auf Grund der Gewölbeanlage der zweischiffigen Krypta als Flachnische geschlossen und diente als Hinterwand für den Laienaltar unter der Kanzel. Gleichfalls aus der Kryptawölbung ergibt sich, daß die Seitenarkaden Tympana hatten 2). Diese Seitenarkaden können nach der ganzen Bauanlage des Lettners nur die Kryptazugänge gebildet haben, hier setzten die Kryptatreppen an, während die Lage der Chortreppen durch die Gestaltung der Querschiffvorlagen der Vierungspfeiler mit ihren hoch ansetzenden Ecksäulchen bestimmt ist: die Treppen führten an den Lettnerschmalseiten gegen die Vierungspfeiler empor, vor denen sie in Höhe des Chores mit einem Podest endeten, der seitlich durch die Schranke in den Chor leitete. Nur so findet die heute gänzlich unmotivierte hohe Ansetzung der Ecksäulchen ihre Erklärung, hätten die Chortreppen hier nicht emporgeführt, so hätte nichts gehindert, die Säulchen bis zum Fußboden hinabzuziehen 3). Somit ergibt sich ein Gesamtaufbau des Lettners, wie ihn Abb. 9 zeigt und wie er sich noch in zahlreichen anderen Kirchen der Zeit in Deutsch- land nach vorhandenen Spuren nachweisen läßt, worüber an anderer Stelle gehandelt werden soll.

 

Was die Ausdehnung der Krypta betrifft, so ist ihre Länge nach Westen durch die Treppenanlage begrenzt, ihre Breite durch die lichte Weite des Chorhauses gegeben. Die erhaltenen alten Kryptafenster erfordern bei dem gewonnenen Grundrisse eine zweischiffige Anlage. Es

 

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1) Vgl. oben S. 32. Alle übrigen senkrechten Mauerkanten der Unterzone der Lettnerfront sind profiliert.

2) Dieselben sind nicht mehr erhalten und zeigten vielleicht einen den Türfeldern des Freiberger Lettners (Tafel 85) entsprechenden Reliefschmuck.

3) Die Rekonstruktion ergibt für die Lettnerwand eine um 40 cm niedrigere Höhe als die heutige. Auch bei Puttrich ist die Wand niedriger; das Gurtgesims liegt dicht über dem Scheitel des Mittelbogens. Trotzdem reicht das Kruzifix mit dem oberen Ende des Kreuzes ebenso wie heute bis dicht an die Gewölbekappe. Das erklärt sich dadurch, daß bei Puttrich das Gewölbe ein rundbogiges Gratgewölbe ist, mit zum Apsisbogen konzentrischer Westkappe, während bei dem heutigen spitzbogigen Rippengewölbe der Scheitel der Westkappe 40 cm über dem Apsisbogen liegt. Somit ist dies Gewölbe gegen das ihm vorangegangene, zur Zeit Puttrichs noch vorhandene rundbogige um dasselbe Maß höher als der jetzige Lettneraufbau gegen den durch die Rekonstruktion gewonnenen ursprünglichen. Daraus ist zu schließen, daß der Zeichner bei Puttrich einen Zustand vor Augen gehabt hatte, der dem ursprünglichen Aufbau näherstand als der heutige.

 

 

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Abb. 9 Rekonstruktion des Wechselburger Lettners

 

 

 

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lassen sich zwei Reihen von vier Kreuzgewölben anordnen, für die Apsis kommt dazu eine Rundtonne, in der die Fenster mit Stichkappen einschnitten. Als Stützen wurden Säulen und Wandsäulen angenommen.

 

Bei der Verteilung der Plastik ist für die Aufstellung der Kreuzigungsgruppe maßgebend, daß sie durch Ausscheidung des aus dem 19. Jahrhundert stammenden Dreiblattbogens ihren jetzigen Unterbau verloren hat. Um so wahrscheinlicher ist, daß auch in Wechselburg einst die für das Mittelalter übliche Anordnung solcher Gruppen unter dem Triumphbogen auf einem Holzbalken vorhanden war, zumal ja auch die Wechselburger Gruppe aus Holz ist. Es gibt auch Merkmale am Rücken der Figuren von Maria und Johannes, die auf eine von der heutigen verschiedene Befestigung schließen lassen. In der Rekonstruktion ist angenommen, daß das 5 m hohe Kreuz den Scheitel des Vierungsbogens berührt, so daß der Balken mit seiner Oberkante 5 m unter dem Scheitelpunkt gelegen ist. Befestigungsspuren an den Vierungspfeilern sind durch Verputzung oder Abmeißelung verwischt worden.

 

Die Nischenreliefs der Lettnerwand haben ohne Zweifel ihren alten Standort bewahrt. Ob auch die Nischen der Lettnerschmalseiten mit Reliefs besetzt waren, bleibt dahingestellt. Vielleicht waren diese Seiten ohne plastische Ausstattung.

 

Die Figuren Abrahams und Melchisedeks haben verschiedentlich ihren Platz geändert. Puttrich und Sachsengrün stellen sie auf den Fußboden des Chorhauses vor die Vorlagen der Vierungspfeiler. Die Restauration um 1870 wies ihnen ihren heutigen Platz an diesen Pfeilern nach dem Querschiff zu an, dicht über dem Pfeilersockel. Die Rekonstruktion erweist beide Stellungen als unhaltbar. Auch bezeugen die Abschrägungen, auf denen die Tiere unter den Füßen der Figuren stehen, daß diese hochstehend auf eine Besichtigung von unten berechnet sind 1), worauf wohl auch die leicht vorgeneigten Köpfe und Nacken der Figuren weisen. Eine solche Stellung erhalten die Figuren, wenn sie an den Querschiffvorlagen der Vierungspfeiler auf den Podesten der Chortreppen angebracht werden.

 

Die Reliefs Kains und Abels gibt Puttrich an der linken Wand des Kanzelunterbaues. Diese unorganische Anordnung, in der sie da erscheinen, läßt vermuten, daß sie bei Loslösung der Kanzel von dem Lettner von ihrem Platze haben weichen müssen und an der angegebenen Stelle ein Unterkommen gefunden haben. Es ist also sehr wahrscheinlich, daß sie auch früher am Lettnerbau an der Stelle gesessen haben, wo die Restauration um 1870 sie eingefügt hat, in den Zwickeln des ornamentierten Vorderbogens des Kanzelunterbaues.

 

Die beiden Engelreliefs zeigen in den Abbildungen Puttrichs eine von ihrer jetzigen abweichende Gestaltung. Während sie heute durch Anfügung der leeren Ecken unter den Zeptern samt Teilen der Hände in ein hochstehendes Rechteck eingesetzt sind, haben sie bei Puttrich auf der Seite des Zepters eine Rundbogenbegrenzung, von der auch heute noch ein Stück am oberen Ende des Zepters zu erkennen ist. So läßt sich eine ehemalige Bogenlinie rekonstruieren als Begrenzung, deren Krümmung derjenigen der Bogen der seitlichen Arkaden der Lettnerfront entspricht. Die Restauration um 1870 hat bei ihrer Einfügung, so wenig befriedigend sie auch bei der Veränderung sowohl der Reliefs als auch des Mauergrundes erscheint, doch wohl im allgemeinen den ehemaligen Platz der Engel getroffen.

 

Die Stilformen des Lettners und der Kanzel sind verschieden von denen der Kirche; sie weisen auf eine etwas spätere Zeit, gehören den 30—40er Jahren des 13. Jahrhunderts an.

 

Schließlich bleibt noch die Frage, wann diese Choranlage beseitigt, der Lettner abgebrochen und seine Vorderwand in veränderter Gestalt vor die Apsis versetzt worden ist, wo sie heut noch — durch weitere Veränderungen entstellt — vor Augen steht. Zur Beantwortung geben die Abbildungen Puttrichs und Sachsengrüns einen wichtigen Anhaltspunkt. Beide bringen neben der alten Tür vom Hochaltar in die Sakristei das erwähnte Sakramentshäuschen 2), das

 

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1) In ähnlicher Weise auch die vier Relieffiguren der Lettnerfront auf ihren gewölbten Sockeln.

2) Einige Reste sind noch vorhanden unter den Baufragmenten in der alten Sakristei.

 

 

 

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dem Stilcharakter nach, ebenso wie die veränderte Umrahmung dieser alten romanischen Tür, der späten Gotik angehört. Wie die Einwölbung des Langhauses ist auch die Anbringung des Sakramentshäuschens und die Türausstattung sehr wohl der regen Tätigkeit des Abtes Peter Heller (ca. 1450—92) zuzuschreiben. Damals war also der alte Zustand des Hochchors und Lettners noch vorhanden. Daß nun aber auch derselbe Peter Heller diesen Zustand beseitigt haben und die Lettnerwand vor die Apsis gesetzt haben soll, erscheint sehr unwahrscheinlich, und wenn zur Bekräftigung dieser Ansicht angeführt worden ist, daß die Gleichlegung von Chor und Schiff für den Gottesdienst der Deutschordensritter — die seit 1278 im Besitz von Kloster und Kirche waren — angemessen erscheinen mochte, so erhebt sich die Frage, warum dann diese Änderung erst 180 Jahre nach der Besitzergreifung des Ordens vorgenommen sein sollte. Am wahrscheinlichsten und naheliegendsten ist, daß die Beseitigung des hohen Chors und die damit im Zusammenhang stehende Veränderung des Lettners erfolgte, als die Reformation in Wechselburg einzog und die Deutschritter vertrieb, und das geschah 1539.

 

 

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LITERATURVERZEICHNIS

 

FREIBERG

 

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TAFELVERZEICHNIS

 

Freiberg, Marienkirche (Dom).

 

Tafel 1 .Gesamtansicht der Goldenen Pforte. Gesamtbreite 8,30 m, Tiefe der Gewände 3,12 m, lichte Höhe der Tür 4,24 m, lichte Breite 2,32 m. Material Grillenburger Sandstein. Die Ergänzungen sind bei den einzelnen Teilen angeführt. Das Portal war bis 1861 durch den Kreuzgang, an den es sich anschloß, geschützt. Doch fehlte schon damals manches Stück, wie es eine getuschte Zeichnung im Freiberger Altertumsmuseum (Nr. 143) zeigt, die vor dem Abbruch des Kreuzganges angefertigt wurde. Nachdem das Portal 1861 freigelegt worden war, wurde es von Baurat Heuchler restauriert (Mitt. des Freiberger Altertumvereins I, S. 43 ff.). Seine Ergänzungen wurden in Zementausgeführt, der durch Nachdunklung schwarz geworden ist. 1872 fanden Gipsabformungen statt (Mitt. d. F. A. V. X, 1873, S. 940). 1890 wurde auf Staatskosten das ganze Portal abgeformt durch Gebr. Weschke in Dresden (Abguß im Albertinum in Dresden). 1891 wurde wegen der aufsteigenden Feuchtigkeit beschlossen, den Sockel zu erneuern, wobei man die Spuren eines älteren romanischen Portals (Grundriß von Baumeister Haller, Mitt. d. F. A. V. 1891) fand. Die Auswechslung geschah in Elbsandstein. 1892 wurde durch die Bildhauer Oscar Bassau und Hasenohr eine weitere Restauration, besonders auch der figürlichen und ornamentalen Teile vorgenommen in Grillenburger Stein und in Gersheimscher Kittmasse, wobei einige der Heuchlerschen Ausbesserungen, die unrichtig oder störend schwarz waren, wieder entfernt wurden. Auf die von Heuchler 1861 ausgeführten zwei Engel der innersten Archivolte und das erste Akroterion von links setzte Rassau dessen Namen, um sich vor der Autorschaft zu verwahren. Im Jahre 1902 wurde um das Portal eine Vorhalle zum Schutz errichtet. 1861 sah Heuchler an den Gewändern der Maria rote und blaue Farbe mit goldenen Sternen. Wahrscheinlich war der Mantel blau mit roter Innenseite wie bei der Maria des Freiberger Kruzifixus (Dresden). Ursprünglich muß reichliche Vergoldung dem Portal seinen Namen „Goldene Pforte“ gegeben haben, die Reste sind seit 1861 fast völlig verschwunden. An den Sarkophagen der Auferstehenden sind noch schwache Spuren des im dreizehnten Jahrhundert so beliebten arabisierenden Ornamentes sichtbar. Heuchler gibt in seinem Buch S. 5 solche auch am Türsturz an und an den Sarkophagen außerdem rosettenförmige. Er sagt ferner: „Diese Verzierung sowohl als auch die Vergoldung des Portals und die meisten Farbenreste werden nur sichtbar, wenn man sie anfeuchtet. Dann aber erstaunt man über die große Frische der Farben und den dabei entwickelten Farbensinn, sowie über die außerordentliche, bis in die tiefsten Stellen gehende Vergoldung selbst da, wo sie nicht einmal vom gewöhnlichen Standpunkte des Beschauers aus gesehen werden kann. Ferner entdeckt man noch Spuren von reich vergoldeter Malerei auf den Gewändern der Maria und der drei Könige in dem Tympanon. Anfänglich, als die Vergoldung und die Farben der Malerei noch frisch waren, muß die Pracht des Portals eine sehr große gewesen sein, leider ist sie wohl bald dadurch beeinträchtigt worden, daß alles Nackte eine schwarze Farbe annahm, weil man hierzu Bleioxyd verwendet hatte.“ (Abb. 11).

 

Tafel 2 . Türfeld. Modern der Kopf des Kindes an Stelle einer älteren Ergänzung, die auf der Abbildung bei Mansfeld (a. a. O.) sichtbar ist. Unvollendet der rechte Flügel des großen Engels, die Flügel des kleinen darüber schwebenden (auf dem linken fehlen noch die Spulen der Federn) und die Kugel, die er in Händen hält. Der dem anderen Engel entsprechende, unter den Armen flatternde Zipfel war auch vermutlich noch im Rohen stehengeblieben und ist dann in späterer Zeit abgemeißelt, anstatt ausgeführt zu werden. Der Block des Türfeldes war für etwas kleinere Dimensionen des Portales berechnet. Als diese dann aus irgendeinem Grunde erweitert wurden, hat man doch das einmal behauene Stück nicht verwerfen wollen, so ist zwischen ihm und der nächsten Archivolte ein leerer Zwischenraum geblieben. Auch hatte der Block ursprünglich halbkreisförmige Gestalt, wurde dann aber unter den neuen französischen Eindrücken leicht spitzbogig umgestaltet durch Abarbeiten der Breite (ganz unten ist die ursprüngliche Breite stehengeblieben) und Erhöhung des Scheitels durch ein schmales zugespitztes Stück. Dieser Neigung folgen dann die nächsten Archivolten durch eine leise Andeutung bei Bearbeitung der ursprünglich für den Rundbogen berechneten Stücke, die sich nach oben zu allmählich verliert. Es scheint, daß auch der gewundene Stab, der zunächst um das Türfeld herumgelegt ist, ursprünglich ein anderes Scheitelstück besessen hat, das dann durch das jetzige, eine Spitze markierende, und keineswegs, wie man zunächst glaubt, modern ergänzte Stück ersetzt wurde.

 

Tafel 3. Mitte des Türfeldes (vgl. Tafel 2). Die thronende Madonna.

 

Tafel 4. Linke Seite des Türfeldes (vgl. Tafel 2). Die drei Könige.

 

Tafel 5. Rechte Seite des Türfeldes (vgl. Tafel. 2). Josef und der Engel als Führer der drei Könige.

 

Tafel 6. Linkes Portalgewände. Genau nach den alten Resten ergänzt die kanellierte Säule (ohne das Kapitell) und die obere Ecke links mit dem Säulenkapitell, der Taubenkonsole und den darüber befindlichen Gebälkstücken, einschließlich dem über der nächsten Säule, 1892 durch Hasenohr. Von links nach rechts: Daniel, Königin von Saba, Salomo, Johannes der Täufer. Vorderansicht der Figuren.

 

Tafel 7. Rechtes Portalgewände. Ergänzt 1892 die rechte obere Ecke mit der Taubenkonsole und dem äußersten Kapitell und den darüberliegenden Gebälkstücken, einschließlich dem über der nächsten Säule. Von links nach rechts: Johannes der Evangelist, David, Ecclesia, Aaron Vorderansicht der Figuren.

 

Tafel 8. Linkes Portalgewände. Ansicht von außen.

 

Tafel 9. Rechtes Portalgewände. Ansicht von außen.

 

Tafel 10. Linkes Portalgewände. Ansicht von innen.

 

Tafel 11. Rechtes Portalgewände. Ansicht von innen.

 

Tafel 12. Daniel. Linkes Portalgewände. Kurzer geschürzter Rock, der beim Schreiten noch mehr emporgerafft wird, darunter fest anschließende Beinlinge mit aufgelegten Ornamenten, ein Mantel, der um die Schultern geschlungen und vor dem Halse zusammengeknotet ist, wobei ein Teil über die linke Schulter tief herab zurückgeworfen und zugleich über die rechte wieder nach vorn geschlagen und vor der Brust nach dem linken Arm hinübergelegt wird. Eine Inkonsequenz ist es, wenn die andere Hälfte des Mantels, die am Halse ihrem Ansatz nach gerade herunterhängt, unten gar nicht wieder zum Vorschein kommt, wie es notwendig der Fall sein müßte. In der Linken hält er ein Spruchband, den Kopf bedeckt eine bestickte halbkugelförmige Kappe. Der Oberkörper wird fast ganz von vorn gesehen, durch das Übersetzen des Beines ist ein Schreiten betont, dementsprechend ist auch der Kopf gerichtet. Maße des Blockes, aus dem die Figur gehauen: Höhe 126 cm, Breite und Tiefe 31—32 cm. Ergänzungen: Nase, zwei Finger der linken, der Zeigefinger der rechten Hand, Teil des Spruchbandes.

 

Tafel 13. Königin von Saba. Linkes Portalgewände. Körper ganz in Vorderansicht, Kopf ein wenig von der Tür abgewandt. Um das Haar trägt sie ein Diadem und darüber noch eine Krone. Ein langer, in der Hüfte gegürteter Rock ist von einem Mantel bedeckt, der durch eine Agraffe vor der Brust zusammengehalten wird. Mit dem Mantelsaum zugleich wird die Schriftrolle gehalten. Maße wie 12.

 

Tafel 14. König Salomo. Linkes Portalgewände. Ein wenig nach der Tür zu gewandt. Gegürteter, auf der Schulter ornamentierter Rock mit weiten Ärmeln, unter denen enge längere hervorblicken. Der Mantel ist an der rechten Schulter zusammengehalten. Die Linke hält das Szepter, die Rechte das Schriftband, das sich fest um den linken Oberarm legt. Geschmückte Schuhe und eine Krone vollenden die Ausstattung. Maße des Blockes: Höhe 126 cm, Grundfläche 36x37 cm. Ergänzungen: Nase, Finger der linken Hand, die beiden Tierköpfe der Konsole.

 

Tafel 15. Johannes der Täufer. Linkes Portalgewände. In gegürtetem Rock mit einem pelzbesetzten Mantel, der an der rechten Halsseite zusammengeknotet ist. Den Diskus mit dem Kreuzeslamm hält er mit beiden Händen und wendet sich mit aufwärts gerichtetem Blick der Tür zu. Maße des Blockes: 126—127 cm Höhe, Grundfläche 36x37 cm. Ergänzungen : Rechte Nasenfläche, Stück über dem rechten Auge, Stück vom Kopf des Lammes.

 

Tafel 16. Aaron. Rechtes Portalgewände. Langer Rock, darüber kurzer gegürteter Rock und Mantel, der über die linke Schulter nach vorn herabhängt, vom linken Arm aufgenommen, weiter über die Brust und die rechte Schulter nach hinten geschlagen wird, und dabei mit einem Zipfel über dem linken Unterarm hängen bleibt. In der Linken die blühende Gerte, in der Rechten eine Kanne. Auf dem Kopfe eine turbanartige Mütze. Leicht der Tür zugewandt. Maße des Blockes: Höhe 126 cm, Grundfläche 33x36 cm. Ergänzungen: Gefäß oberhalb der Kugel, Stück der Gerte zwischen Ohr und Schulter, rechter Seitenkopf der Konsole.

 

Tafel 17. Ecclesia. Rechtes Portalgewände. Diadem und Krone über dem Kopftuch, das sich auch um den Hals legt und auf ihrer linken Schulter über dem Mantel herabhängt. Die unteren Säume deuten auf zwei Röcke, deren oberer gegürtet und reich gestickt ist. Darüber ein Mantel mit Agraffe vor der Brust, den die Rechte zugleich mit dem Szepter erfaßt. während die Linke das Schriftband hält. Körper und Kopf sind leicht der Tür zugewandt. Maße des Blockes: Höhe 126 cm, Grundfläche 33x36 cm.

 

Tafel 18. König David. Rechtes Portalgewände. Ganz von vorn gesehen, mit beiden Händen das Psalterium haltend, dazu mit der Linken Szepter und Schriftband. Über dem gegürteten Rock ein Mantel vor der rechten Schulter geknüpft. Krone. Maße des Blockes: Höhe 126 cm, Grundfläche 36x32 cm. Ergänzungen: Nasenspitze, Teile der Leier links.

 

Tafel 19. Johannes der Evangelist. Rechtes Portalgewände. Nach der Tür zuschreitend, aber gerade herausblickend. Rock und darüber Mantel in komplizierter Lage, von der rechten Seite her um den Leib herum über die linke Schulter nach hinten geworfen, dann um den rechten Arm wieder nach vorn und noch einmal über die linke Schulter geschlagen. Die Schriftrolle zwischen beide Hände eingeklammert. Maße des Blockes: Höhe 126—127 cm, Grundfläche 36x32 cm. Ergänzungen: Teile der linken Hand.

 

Tafel 20. Gesims der linken Portalgewände, äußere Hälfte. Ergänzung: Akroterion mit dem gekrönten Kopf (ohne Berechtigung als Markgraf Heinrich der Erlauchte gedeutet) 1861 durch Heuchler, die ersten drei Vorsprünge des Blättergesimses, das Kapitell links, die Konsole mit den Tauben (nach den alten beschädigten Stücken im Museum) und die kanellierte Säule 1892 durch Hasenohr.

 

Tafel 21. Gesims der linken Portalgewände, innere Hälfte. Ergänzung: Kopf des Drachens des Akroterions rechts.

 

Tafel 22. Gesims der rechten Portalgewände, innere Hälfte. Ergänzung: Das Akroterion mit dem Jünglingskopf.

 

Tafel 23. Gesims der rechten Portalgewände, äußere Hälfte. Ergänzungen: die drei Gesimsecken mit Blattwerk rechts, das Akroterion mit dem gekrönten Haupt (als Stadt Freiberg fälschlich gedeutet), das Kapitell rechts und die Konsole mit den Tauben (nach den alten Stücken).

 

Tafel 24. Linke Hälfte der Archivolten, von der Außenseite her gesehen.

 

Tafel 25. Rechte Hälfte der Archivolten, von der Außenseite her gesehen.

 

Tafel 26. Linke Hälfte der Archivolten, von der Innenseite aus gesehen. Ergänzung von 1861: der untere Engel der innersten Archivolte.

 

Tafel 27. Rechte Hälfte der Archivolten, von der Innenseite aus gesehen. 1861 ergänzt der obere Engel der innersten Archivolte.

 

Tafel 28. Linke Hälfte der Archivolten, in senkrechter Richtung auf die Gewändeschräge gesehen.

 

Tafel 29. Rechte Hälfte der Archivolten, in senkrechter Richtung auf die Gewändeschräge gesehen.

 

Tafel 30. Mitte der Archivolten.

 

Tafel 31. Mittelstücke der Archivolten.

a) Krönung der Maria durch Christus, dem ein Engel das Buch des Lebens reicht. Die beiden Steinkegel am Ende der Darstellung, die vermutlich kapitellartig ausgearbeitet werden sollten, sind in der summarischen Form stehengeblieben. b) Ein Engel reicht eine Seele in Kindergestalt (Kopf aus Holz ergänzt) an Abraham, auf dessen Schoß bereits eine Figur, vermutlich die Seele des armen Lazarus, ihren Platz einnimmt. c) Die Taube des heiligen Geistes zwischen zwei anbetenden Engeln. Die Engel sind nur bis zum Knie dargestellt, weil der Bildhauer mit dem Platz nicht auskam. Vgl. Tafel 35 und 37. d) Ein Engel empfängt zwei Auferstehende, die noch zum größten Teil in ihr Leichentuch eingehüllt sind. Die Flügel des Engels sind nur soweit ausgeführt, wie der mittelste Block reicht. Die Stücke auf den seitlichen Blöcken sind unbearbeitet geblieben.

 

Tafel 32. Zweite Archivolte von innen links, die beiden untersten Apostel, von denen der untere Johannes den Evangelisten darstellt.

 

Tafel 33. Zweite Archivolte von rechts, die beiden untersten Apostel. '

 

Tafel 34. Dritte Archivolte links, die beiden unteren Apostel.

 

Tafel 35. Dritte Archivolte links, die beiden oberen Apostel. Der Bildhauer ist mit dem Baum nicht ausgekommen, hat das Kapitell über dem Kopf der oberen Figur fortlassen und den Heiligenschein verkürzen müssen.

 

Tafel 36. Dritte Archivolte rechts, die beiden unteren Apostel. Teile der Schlüssel und des Kreuzes Petri ergänzt.

 

Tafel 37. Dritte Archivolte rechts, die beiden oberen Apostel. Der Bildhauer hat wegen Raummangels das Kapitell über der obersten Figur weglassen müssen.

 

Tafel 38.

a) Der oberste Apostel der zweiten Archivolte links. Das Kapitell über seinem Kopf ist unbearbeitet geblieben.

b) Der oberste Apostel der zweiten Archivolte rechts. Das Kapitell über seinem Kopf ist unbearbeitet geblieben.

c) Fünfter Auferstehender der vierten Archivolte links. Das Kapitell ist unausgeführt geblieben.

d) Fünfter Auferstehender der vierten Archivolte rechts.

 

Tafel 39. Die beiden untersten Auferstehenden der vierten Archivolte links.

 

Tafel 40. Dritter und vierter Auferstehender der vierten Archivolte links. Das obere Kapitell ist unausgeführt geblieben.

 

Tafel 41. Die beiden untersten Auferstehenden der vierten Archivolte rechts. Beide Kapitelle über den Figuren sind unausgeführt geblieben.

 

Tafel 42. Dritter und vierter Auferstehender der vierten Archivolte rechts. Die Kapitelle über beiden Figuren sind unausgeführt geblieben.

 

Tafel 43.

a) Kopf des zweiten Apostels der zweiten Archivolte links.

b) Kopf des zweiten Apostels der dritten Archivolte links.

 

Tafel 44.

a) Kopf des untersten Apostels der zweiten Archivolte rechts.

b) Kopf des dritten Apostels der dritten Archivolte rechts.

 

Tafel 45.

a) Kopf des Daniel vom Gewände links (Tafel 12).

b) Kopf des Aaron vom Gewände rechts (Tafel 19).

 

Tafel 46.

a) Kopf Johannes des Täufers vom Gewände links (Tafel 15).

b) Kopf Johannes des Evangelisten vom Gewände rechts Tafel 16).

 

Tafel 47.

a) Rechte Konsole unter dem Türsturz.

b) Linke Konsole unter dem Türsturz.

 

Tafel 48.

a) Nischenbekrönung über König Salomo am Gewände links.

b) Nischenbekrönung über der Ecclesia am Gewände rechts.

 

Tafel 49.

a) Drittes Akroterion von links. Nase ergänzt.

b) Viertes Akroterion von links.

c) Erstes Akroterion rechts von der Tür.

 

Tafel 50.

a) Konsole und Kapitell unter Johannes dem Täufer am linken Gewände.

b) Konsole und Kapitell unter Johannes dem Evangelisten am rechten Gewände.

 

Tafel 51.

a) Konsole und Kapitell unter König David am rechten Gewände.

b) Konsole und Kapitell unter Aaron am rechten Gewände.

 

 

 

Wechselburg, Klosterkirche.

 

Tafel 52. Jetzige Chorausstattung.

 

Tafel 53. Ansicht des Chores von 1834 nach Puttrich, Denkmäler der Baukunst des Mittelalters in Sachsen I, 1.

 

Tafel 54.

a) Daniel und David, Relieffiguren des Lettners.

b) Salomo und Isaias, Relieffiguren des Lettners.

 

Tafel 55. Daniel. Rochlitzer Sandstein. Gesamthöhe 135 cm, größte Breite 45 cm, größte Relieftiefe 24 cm. Moderne Bemalung: Gewand und Kappe weiß mit goldenen Verzierungen. Spruchband weiß mit schwarzer Schrift. Haar braun. Nackte Teile fleischfarbig.

 

Tafel 56. David. Rochlitzer Sandstein. Gesamthöhe 140 cm, größte Breite 54 cm, größte Relieftiefe 23 cm. Moderne Bemalung wie 55.

 

Tafel 57. Salomo. Rochlitzer Sandstein. Gesamthöhe 140 cm, größte Breite 51 cm, größte Relieftiefe 23 cm. Moderne Bemalung wie 55.

 

Tafel 58. Prophet, vermutlich Isaias. Rochlitzer Sandstein. Gesamthöhe 142 cm, größte Breite 39 cm, größte Relieftiefe 23 cm. Moderne Bemalung wie 55.

 

Tafel 59.

a) Abraham, am nordöstlichen Vierungspfeiler mit

eingelassener Rückenplatte. Rochlitzer Sandstein. Gesamthöhe 205 cm über dem Pfeilersockel, größte Breite 60 cm, größte Relieftiefe 29 cm, Kopf bis zu den Schultern rundplastisch. Moderne Bemalung wie 55. Löwe ockerfarbig mit brauner Mähne. Augen blau. Die ganze vordere Seite des Kopfes war einst so stark beschädigt, daß das Gesicht nachträglich wieder hineingearbeitet und die Nase neu angesetzt wurde. Der Kopf hat dadurch die heutige flache, eingedrückte Form erhalten.

b) Melchisedek, am südöstlichen Vierungspfeiler mit eingelassener Rückenplatte. Rochlitzer Sandstein. Gesamtöhe 204 cm über dem Pfeilersockel, größte Breite 58 cm, größte Relieftiefe 29 cm, Kopf bis zu den Schultern rundplastisch. Moderne Bemalung: Gewand, Mütze, Stab weiß mit goldenen Verzierungen. Bart schwarzbraun. Augen braun. Nackte Teile fleischfarbig. Kelch golden. Drachen grün mit roten Flügeln und braunem Kopf. Spitze des Stabes und des linken Fußes fehlt. Puttrich gibt im Text und in der Zeichnung die linke Hand samt dem Kelch als fehlend an.

doch ist jetzt keine Ansatzspur wahrzunehmen. Nase ergänzt.

 

Tafel 60.

a) Abel, Reliefigur im linken Zwickel des unteren Mittelbogens des Lettners. Rochlitzer Sandstein. Höhe der Figur 47 cm, größte Breite cm. größte Relieftiefe 13 cm. Moderne Bemalung: Gewand weiß. Haar schwarz. Lamm weiß. Nackte Teile fleischfarbig.

b) Kain, Relieffigur im rechten Zwickel des unteren Mittelbogens des Lettners. Rochlitzer Sandstein. Höhe der Figur 53 cm, größte Breite 42 cm, größte Relieftiefe 13,5 cm. Moderne Bemalung: Gewand weiß. Haar schwarz. Nackte Teile fleischfarbig. Ährenbündel gelb. Keule schwarz.

 

Tafel 61.

a) Engel links. Relieffigur des Lettners. Rochlitzer Sandstein. Höhe der Figur 42 cm, Breite in Schulterhöhe 21 cm, größte Breite oben 32 cm, größte Relieftiefe 8 cm. Moderne Bemalung: Gewand weiß. Nackte Teile fleischfarbig. Haar schwarz. Nimbus golden. Stab weiß mit Gold. Ergänzt: die Ecke rechts unten einschließlich des linken Armes mit dem letzten eingebogenen Finger und der Spitzen der zwei letzten Finger der rechten Hand.

b) Engel rechts. Relieffigur des Lettners. Rochlitzer Sandstein. Höhe der Figur 44 cm, größte Breite (in Schulterhöhe) 21 cm, größte Relieftiefe 10 cm. Moderne Bemalung wie a. Ergänzt: die Ecke links unten mit dem rechten Unterarm und einem Teil des Handrückens.

 

Tafel 62.

a) Lettner, untere Zone, erstes Kapitell von links. Rochlitzer Sandstein. Höhe des Kapitells 28,5 cm, mit Kämpfergesims 40 cm.

b) Lettner, untere Zone, erstes Kapitell von rechts. Rochlitzer Sandstein. Höhe des Kapitells 29 cm, mit Kämpfergesims 42,5 cm.

 

Tafel 63.

a) Lettner, untere Zone, zweites Kapitell von links. Rochlitzer Sandstein. Höhe des Kapitells 28,5 cm, mit Kämpfergesims 39,5 cm.

b) Lettner, untere Zone, zweites Kapitell von rechts. Rochlitzer Sandstein. Höhe des Kapitells 28,5 cm, mit Kämpfergesims 39,5 cm.

 

Tafel 64.

a) Kanzel, linkes Kapitell. Rochlitzer Sandstein. Höhe des Kapitells 28,5 cm, mit Kämpfergesims 42 cm. Säulenschaft neu.

b) Kanzel, rechtes Kapitell. Rochlitzer Sandstein. Höhe des Kapitells 28,5 cm, mit Kämpfergesims 42 cm. Säulenschaft neu.

 

Tafel 65. Kanzel. Jetzt unter der östlichen Langschiffarkade der Nordseite aufgestellt. Bei Puttrich steht sie weiter westlich im Mittelschiff, mit der Rückseite an den östlichen Arkadenpfeiler der Nordseite angelehnt. Die Gesamthöhe beträgt 3,06 m, wovon auf den Überbau einschließlich der Gesimse 1,21 m kommt. Die Breite des Kanzelkastens ist 2,86 m, die Tiefe 1,30 m. Alt sind nur die fünf Reliefplatten, und die Kapitelle und Basen der zwei Säulen, alles übrige ist Zutat des 19. Jahrhunderts.

 

Tafel 66. Kanzel, Vorderseite mit Relief der Deesis. Rochlitzer Sandstein. Die Vorderseite ist aus drei Platten zusammengesetzt, die jetzt in einer Ebene liegen, früher aber ein halbes unregelmäßiges Sechseck gebildet haben. Höhe der Platten 87 cm, gesamte Breite der drei Platten 186 cm, Breite der Mittelplatte 102 cm, Breite der linken Platte 40 cm, Breite der rechten Platte 44 cm. Christus thront umgeben von den 4 Evangelistenzeichen zwischen Maria und Johannes dem Täufer. Der Schnabel des Adlers ergänzt. Moderne Bemalung: Der Engel hat rotes Gewand, grünen Mantel, fleischfarbige Nacktteile, grünlichgelbe Flügel, braune Harre und Augen. Der Adler ist grünlichgelb mit ockerfarbenen Krallen und Schnabel. Der Löwe ist ockerfarbig. Der Stier ist gelbbraun mit dunkelbraunen Hufen. Die vier Tiere haben einen goldenen Nimbus mit rotem Randstreifen, stehen auf goldenem Grunde und halten Schriftbänder.

 

Tafel 67. Kanzel. Christus der Deesis. Höhe der Figur 71 cm, größte Relieftiefe 21 cm. Die Nase ist ergänzt. Moderne Bemalung: Grund golden. Gewand weiß mit goldenen Borten. Nackte Teile fleischfarbig. Haar, Augen braun. Nimbus gold und rot mit goldenem Kreuz. Buch rot mit goldenem Schnitt. Thron grüngelb und rot, mit blauem Kissen.

 

Tafel 68. Kanzel. Maria der Deesis. Höhe der Figur 80,5 cm, größte Relieftiefe 18,5 cm. Moderne Bemalung: Gewand weiß mit goldenen Borten. Nackte Teile fleischfarbig. Augen blau. Haare braun. Halsschmuck golden. Die Schlange grünlichgelb.

 

Tafel 69. Kanzel. Johannes der Täufer der Deesis. Höhe der Figur 80,5 cm, größte Relieftiefe 20 cm. Moderne Bemalung: Gewand weiß mit goldenen Borten. Nackte Teile fleischfarbig. Augen dunkelbraun. Haare graubraun. Die liegende Gestalt unter Johannes hat ein grünlichgelbes Gewand und braune Augen.

 

Tafel 70. Kanzel. Opferung Isaaks. Östliches Relief. Rochlitzer Sandstein. Höhe der Platte 87 cm, Länge der Platte 130 cm. Höhe Abrahams 72 cm. Links ist ein Ecksäulchen, rechts ein lisenenartiges Stück angearbeitet. Moderne Bemalung: Goldener Grund, weiße Gewandung. Nackte Teile fleischfarbig. Widder weiß mit dunklen Hörnern. Baum ocker mit grünen Blättern. Ergänzt ist der Kopf des Engels.

 

Tafel 71. Kanzel. Errichtung der ehernen Schlange durch Moses. Westliches Relief. Rochlitzer Sandstein. Plattenhöhe 87 cm, Länge 130 cm. Höhe des Moses 70 cm, des ersten Juden 70 cm, des zweiten Juden 67 cm. Links ist ein lisenenartiges Stück, rechts ein kleines Ecksäulchen angearbeitet. Moderne Bemalung: Goldener Grund, weiße Gewänder. Gesichter und nackte Teile fleischfarbig. Haare braun, Mosis Stab und die Stange mit der ehernen Schlange braun. Nimbus des Mosis golden mit roter Randlinie. Ergänzt sind: Nase Mosis, Kopf der ehernen Schlange, Nase des bärtigen Juden.

 

Tafel 72.

a) Kopf des Isaias (Tafel 58).

b) Kopf des Melchisedek (Tafel 59 b).

 

Tafel 73. Kruzifixgruppe. Eichenholz. Gesamthöhe 5 m. Das große Kreuz mit den Dreipässen ist erneuert; die Konsole unter dem vorderen Kreuz, an dem Christus hängt, zugefügt, ebenso sind die Inschrifttafel über dem Haupte Christi und die Heiligenscheine eine moderne Zutat. Bei der letzten größeren Restauration der Kirche in der ersten Hälfte der 70er Jahre des 19. Jahrhunderts wurde die Gruppe von Prof. M. Stolz aus Innsbruck ausgebessert und sehr grob bemalt. Nach Prill war die ursprüngliche Bemalung soweit erhalten, daß sie in gleicher Farbe wiederhergestellt werden konnte. Das vordere Kreuz ist dunkelbraun, das große hintere Kreuz rotbraun.

 

Tafel 74. Christus am Kreuz (Tafel 73). Höhe der Figur 207 cm. Der Schurz unterhöhlt bis etwa ein Drittel der Oberschenkel. Moderne Bemalung: Nackte Teile fleischfarbig. Schurz golden. Dornenkrone golden. Haare braun. Nimbus neu.

 

Tafel 75. Maria (Tafel 73). Gesamte Höhe der Figur 220 cm. Die innere Aushöhlung wird im Rücken durch ein eingesetztes Stück geschlossen. Das Kleid etwas unterhöhlt. Hinten in Schulterhöhe eine eiserne Öse, die auf eine von der heutigen verschiedene ehemalige Befestigungsart schließen läßt. Moderne Bemalung: Kleid golden. Mantel blau mit rotem Futter. Haare braun. Nackte Teile fleischfarbig. Nimbus aus Blech neu. Maria tritt auf einen König, das Symbol des Unglaubens. Untergewand golden. Mantel braunrot mit grünem Futter. Krone golden. Haar braun.

 

Tafel 76. Johannes (Tafel 73). Gesamte Höhe der Figur 220 cm, im Rücken eingesetztes Stück, das Gewand stark unterhöhlt. Im Rücken in Schulterhöhe eine eiserne Öse wie bei Maria. Moderne Bemalung: Untergewand golden. Mantel rot mit blauem Futter. Haare braun. Nackte Teile fleischfarbig. Nimbus aus Blech neu. Johannes tritt auf einen König, das Symbol des Unglaubens. Untergewand golden. Mantel grün mit rotem Futter. Krone golden. Haar braun.

 

Tafel 77.

a) Kopf der Maria (Tafel 75). Haare und Ohren ohne detaillierte Ausführung.

b) Kopf des Johannes (Tafel 76). Das Haar des Hinterkopfes ist ohne detaillierte Ausführung.

 

 

Dresden, Altertumsmuseum.

 

Tafel 78.

a) Kopf Christi vom Freiberger Lettnerkreuz (Tafel 86).

 

Wechselburg, Schloßkirche.

 

Tafel 78.

b) Kopf Christi vom Lettnerkreuz (Tafel 86)

 

Tafel 79.

a) Enden des Lettnerkreuzes (Tafel 73). Gottvater. Moderne Bemalung: Untergewand golden, Mantel rot. Nackte Teile fleischfarbig. Haar und Bart braun. Taube weiß. Grund hinter der Figur dunkelgrün mit Sternen. Nimbus aus Blech neu.

b) Engel am Ende des linken Kreuzarmes. Moderne Bemalung: Untergewand weiß. Mantel und Flügel golden. Nackte Teile fleischfarbig. Haar braun.

c) Engel am Ende des rechten Kreuzarmes. Moderne Bemalung wie b.

d) Adam am Fußende des Kreuzes, größte Höhe der Figur 85 cm, Breite der Basis 118 cm. Haupt- und Bartbaar nur an der vorderen Gesichtsseite detaillierter ausgeführt. Moderne Bemalung: Nackte Teile hell fleischfarbig. Tuch weiß mit goldroter Kreismusterung. Haare grau. Der Kelch ist moderne Zutat; ursprünglich reichte der Kreuzstamm bis zur erhobenen rechten Hand Adams, die ihn zu halten schien. i

 

Tafel 80. Grabmal Dedos und seiner Gemahlin Mechtildis in Oberaufsicht, Hochrelief. Zwei Platten aus Rochlitzer Stein, Länge der Platten 223 cm, Gesamtbreite (der beiden Platten zusammen) 149 cm. 1846 unter Graf Alban an heutige Stelle auf einen Unterbau versetzt, nachdem es vorher im Fußboden des Mittelschiffs vor der Kanzel gelegen hatte (vgl. Puttrich, Tafel 9). Ohne jede Spur einer alten Bemalung, die aber wohl zum mindesten beabsichtigt gewesen war. Das Modell in der Hand Dedos mit kleinen Beschädigungen. Die Nase Mechtildis angesetzt, die Nase Dedos an der Wurzel ausgebessert, an der linken Hand Mechtildis ein Finger stark beschädigt.

 

Tafel 81.

a) Südliche Seitenansicht von 80. Unterbau aus Rochlitzer Stein 1846 für die Grabplatten neu geschaffen.

b) Ornament am Fußende Mechtildis (Tafel 80).

c) Ornament am Fußende des Dedo (Tafel 80).

 

Tafel 82. Köpfe Dedos und Mechtildis (Tafel 80) nach Gipsabgüssen.

 

 

Freiberg, Altertumsmuseum.

 

Tafel 83. Lettnerreste aus der Marienkirche, früher an der Fassade der Tumerei eingemauert.

1) Brüstungslatte mit männlicher Figur in Relief. Sandsteinplatte 133 cm hoch. 62 cm breit, 6,5 cm, dick. Figur bis zur Schulter 93 cm hoch, mit (zu ergänzendem) Kopf 120 cm, größte Breite 39 cm, größte Relieftiefe 16 cm. Kopf, Füße, Hände und Spruchband abgeschlagen.

2) Brüstungsplatte mit weiblicher Figur in Relief. Sandsteinplatte 131 cm hoch, 62 cm breit, 6 cm dick. Die unteren Plattenecken abgeschlagen. Figur bis zur Schulter 1 m hoch, mit (zu ergänzendem) Kopf 120 cm, größte Breite 41 cm, Relieftiefe am Fußende 21,5 cm. Kopf abgeschlagen, Hände und Spruchband zum Teil beschädigt.

 

Tafel 84.

a) Lettnerreste aus der Marienkirche, früher an der Fassade der Tumerei eingemauert. Reliefplatte mit Johannes Bapt. und einem Heiligen. Sandsteinplatte 84,5 cm hoch, 97,5 cm breit, 14,5 cm dick. Figuren 82 cm hoch, größte Relieftiefe 12,5 cm. An dem rechten Ende der Platte ein Säulchen angearbeitet. Platte und Figuren stark beschädigt.

b) Reliefplatte mit Errichtung der ehernen Schlange. Sandsteinplatte 87,5 cm hoch, 125 cm breit, 14 cm dick. Figuren: Moses 84,5 cm hoch, Juden 77 cm hoch, größte Relieftiefe 13,2 cm. Platte und Figuren stark beschädigt.

 

Tafel 85.

a) Lettnerreste aus der Marienkirche, früher an einer Mauer im Domfriedhof befestigt. Halbkreisförmiges Türfeld mit Engelrelief in Halbfigur. Sandsteinplatte an der Basis 113 cm breit, 55 cm hoch, 16,5 cm dick. Figur 39 cm hoch. Stark verwittert und beschädigt.

b) Halbkreisförmiges Türfeld mit Adlerrelief in Halbfigur. Sandsteinplatte 112 cm breit, 56 cm hoch, 16,5 cm dick. Figur 39 cm hoch. Stark verwittert und beschädigt.

 

 

Dresden, Altertumsmuseum.

 

Tafel 86. Kruzifix aus der Freiberger Marienkirche. Eichenholz. Höhe 2,08 m, Spannweite der Arme 1,84 m. Bemalung alt: Körper fleischfarben (hellrosa), Haare dunkelbraun, in den Augen schwarze Iris und dunkler Strich unter dem Oberlid (Tafel 78 a). Schurz vergoldet, im unteren Teil hohl ausgearbeitet. Abgebrochen zwei Zehen des hinteren Fußes. Das Kreuz neu. Eiserne Nägel.

 

Tafel 87.

a) Maria neben dem Kreuze, aus der Freiberger Marienkirche. Eichenholz. Höhe 2,12 m. Bemalung alt: Tunica vergoldet, am Ärmelsaum ein rotes Rautenmuster, Mantel blau mit karminrotem Futter. Haar hellbraun, Körper fleischfarben. Schlange unter den Füßen grün. Fingerspitzen der linken Hand abgebrochen. Die Nase, die leicht den Eindruck erweckt, angesetzt zu sein, ist alt. Die Figur ist hohl und hinten durch ein dem Gewand angepaßtes viereckiges Brett geschlossen. Auf der Mitte des Schädels ein tiefes Loch mit eingesetztem Pflock, von dem ein schmaler Lederriemen hinten herabläuft, vermutlich später zur Befestigung eines Heiligenscheines angebracht.

b) Johannes neben dem Kreuz, aus der Freiberger Marienkirche. Eichenholz. Höhe 2,20 m. Bemalung alt: Tunica und Hemd vergoldet mit rotem Ärmelsaum, Mantel karminrot mit grünem Futter. Körper fleischfarben, Haare dunkelbraun. Farbe des Tieres unter den Füßen nicht mehr erkennbar. Abgebrochen die Nasenspitze, linker Daumen und einige Zehenspitzen. Figur hohl, war ursprünglich hinten jedenfalls ebenso durch ein Brett geschlossen, wie die Figur der Maria. Auch Johannes hat auf dem Scheitel ein Loch, das wie bei Maria wohl zum Anbringen eines Heiligenscheines diente. In einer tiefen Rockfalte ein Pergamentstreifen eingelegt als Träger der Farbe. Das Gold ist stets mit Mennig untermalt.

 

Tafel 88.

a) Kopf der Maria (Tafel 87).

b) Kopf des Johannes (Tafel 87).

 

 

Pegau in Sachsen, Laurentiuskirche.

 

Tafel 89.

a) Grabmal des Wiprecht von Groitzsch. Weißer Sandstein. Länge 2,30 m, Breite 0,85 m. 1556 aus der jetzt abgetragenen Klosterkirche in das Erdgeschoß des südlichen Turmes gebracht, 1805 in die mittlere Turmhalle gestellt und übertüncht, 1869 restauriert und wieder in den Turm gebracht und auf einen Sandsteinuntersatz gelegt. Die zerstörten Teile der Nase, Finger, Unterschenkel, Mantel, Fahnenstab und Schild wurden aus Zement ergänzt und alles nach den Farbspuren neu bemalt und vergoldet, die herausgebrochenen Glasflüsse und Halbedelsteine ersetzt. (Steche, Bau- und Kunstdenkmäler des Kgr. Sachsen. Heft XV, S. 91). Abb. nach dem Gipsabguß im Dresdener Altertumsmuseum (Dehio und Bezold, Die Denkmäler der deutschen Bildhauerkunst, 13. Jahrh. Tafel 7).

b) Linke Seitenansicht desselben Grabmals.

 

Braunschweig, Dom.

 

Tafel 90. Grabmal Heinrichs des Löwen und seiner Gemahlin Mathilde. Kalkstein. Länge 2,36 m, Breite 1,49 m. Platte Heinrichs 78/79 cm, Mathildes 70/71 cm breit. Gesamthöhe ca. 2 m, Höhe des Reliefs ca. 27 cm. Ergänzt bei Mathilde die Nase und Mund, rechtes Auge, Stirnschmuck und ein Stück der Stirn, bei Heinrich die Fußspitzen und Teile des Kirchenmodells (Südturm, südliches Querschiff bis an den Finger, Giebel des Chores, doch ist das Kleeblattfenster alt). An den Ecken der Platte sind diagonal rechteckige Stücke eingefügt, vielleicht waren dort früher Stützen eines Baldachins angebracht. Der obere profilierte Abschluß des Sockelaufbaues bildet mit den Figuren ein gemeinsames Stück. Die gleichmäßige graue Farbe läßt eine dünn aufgetragene Farbschicht vermuten.

 

Quedlinburg, Stiftskirche.

 

Tafel 91. Grabstein einer Äbtissin. Stuck. Höhe 2,17 cm, Breite 91,5 cm, Reliefhöhe 22 cm. Die unteren Teile des Gesichtes weggebrochen. Früher im Mittelschiff im Boden liegend, jetzt an der Südwand der Krypta aufgestellt. Inschriftverse des Randes: Qui transis cerne quid eram quid sim vaga sperne, Mundi namque levis sic transsit gloria quevis.

 

Halberstadt, Liebfrauenkirche.

 

Tafel 92. Thronende Madonna. Eichenholz. Höhe 70 cm, größte Breite 42 cm, Tiefe 41 cm. Die rechte Hand der Maria, die eingesetzt war, ist nicht mehr vorhanden, die Finger der Rechten Christi und die oberen Ecken des Thrones und der Krone sind abgebrochen. Die alte Bemalung auf Kreidegrund blättert mehr und mehr ab, ist aber in ihrem Bestand noch ursprünglich. Maria: Rock vergoldet. Mantel weiß mit Musterung und goldenem Saum, Innenseite rot. Schuhe rot. Haare schwarzbraun. Krone vergoldet. Das Kind: Kleidung vergoldet. Mantel innen rot. Der Thronsessel grün, rot und golden. Auch die Rückseite bemalt. Thron hinten offen, im Rücken ein parabelförmiger Einsatz.

 

Tafel 93.

a) Linke Seitenansicht von 92.

b) Rechte Seitenansicht von 92.

 

Tafel 94. Kopf der Madonna (Tafel 92).

 

Hamersleben, Klosterkirche.

 

Tafel 95. Relief der Chorschranken. Bemalter Stuck. Petrus und zwei andere Apostel. Bei dem mittleren der Kopf abgeschlagen.

 

 

Halberstadt, Dom.

 

Tafel 96. Triumphkreuz. Höhe ca. 5,20 m, Breite ca. 3,80 m. Vgl. A. Wolters, Beiträge zur Geschichte die Skulptur im Halberstädter Dom. Photographie Dr. F. Stödtner.

 

Tafel 97. Johannes und ein Cherub vom Triumphkreuz. Höhe ca. 2,20 m. Photographie Dr. F. Stödtner.

 

 

Halberstadt, Liebfrauenkirche.

 

Tafel 98. Kruzifix. Holz. Gesamthöhe ca. 5 m, Breite ca. 3 m. Im oberen kleeblattförmigen Ende ist das Relief eines Engels, der das Kreuz anfaßt, erhalten, in den übrigen Enden sind die Figuren verloren gegangen, die plastischen Engel der Seitenarme hat man später durch Malerei, die auch fast ganz wieder zerstört ist, ersetzt, in dem unteren Ende befand sich vielleicht die Halbfigur Adams wie an dem Kruzifix des Halberstädter Domes. Zehen des rechten Fußes abgestoßen, sonst gut erhalten. Reste von Vergoldung an den Säumen bei Christus und dem Engel und auf den Rahmenteilen des Kreuzes, dem eigentlichen Kreuz und dem Nimbus. Der Schurz Christi jetzt weiß (ob ursprünglich?), der Grund des Kreuzes blau. Jetzt an der Nordwand des Querschiffes hoch aufgehängt, ursprünglich wohl unter dem Triumphbogen.

 

 

Hannover, Provinzialmuseum.

 

Tafel 99.

a) und b) Kruzifix aus Alfeld (Nikolaikirche). Eichenholz. Höhe der Christusfigur 1,87 m, Spannweite 1,72 m, Gesamthöhe 3,11 m, Breite 2,65 m. Die alte Bemalung gut erhalten, da die neue Übermalung fast ganz wieder abgefallen ist. Kreuz grün auf roter Unterlage mit vergoldetem Rand. Die Gewandteile alle vergoldet, der Schurz mit plastisch in Kreide modelliertem Saum, auf der Innenseite grün. Mantel Abrahams auf dem Sockelrelief mit der Opferung lsaaks auf der Innenseite rot. Auch die beiden kleinen Figuren (wohl Engel), welche das Tuch unter den Füßen Christi halten, sind vergoldet, ebenso wie die Engel, welche die Querarme des Kreuzes halten. Unter Farbe und Vergoldung dicker Kreidegrund, an einigen Stellen auch Leinewand. Der obere Teil des Kreuzes ist abgebrochen, sowie die oberen kleinen Rundscheiben an den Querarmecken. Abbildung mit Genehmigung des Herzogs von Braunschweig-Lüneburg.

 

 

Wechselburg, Klosterkirche.

 

Tafel 100. Gesamtansicht von Nordosten.

 

Tafel 101. Nördliche Vorhalle.

 

Tafel 102. Hauptapsis außen. Unterer Bogenfries des Mittelfeldes mit Ansatz des mittleren Apsisfensters. Rochlitzer Sandstein.

 

Tafel 103. Hauptapsis außen. Unterer Bogenfries. Rochlitzer Sandstein.

a) Erstes Wandfeld links.

b) Zweites Wandfeld links.

c) Zweites Wandfeld rechts.

 

Tafel 104.

a) Vierpaßfenster des Chorhausgiebels. Rochlitzer Sandstein.

b) Bekrönungskopf der südlichen Nebenapsis. Rochlitzer Sandstein.

c) Lisenenkonsole am nördlichen Querschiffgiebel. Rochlitzer Sandstein.

 

Tafel 105.

a) Bekrönungskopf der Hauptapsis.

b) Bekrönungskopf des Chorhausgiebels. Rochlitzer Sandstein. Die Abbildungen nach den Gipsabgüssen.

c) Vorhalle. Westliche Tympanonkonsole des westlichen Portals. Rochlitzer Sandstein.

d) Vorhalle. Östliche Tympanonkonsole des westlichen Portals. Rochlitzer Sandstein.

 

Tafel 106. Vorhalle

a) Westliches Türfeld. Rochlitzer Stein. Breite an der Basis 2 m.

b) Östliches Türfeld. Rochlitzer Sandstein. Breite der Basis 2m

 

 

 

Abb. 10

 

Tafel 107. Vorhalle. (Vgl. Plan Abb. 10.)

a) Kapitell Nr. 10, Rochlitzer Sandstein.

b) Kapitell Nr. 11.

c) Kapitell Nr. 12.

d) Kapitell Nr. 5.

 

Tafel 108. Vorhalle. (Vgl. Abb. 10.)

a) Kapitell Nr. 1 und 2, Rochlitzer Sandstein.

b) Kapitell Nr. 6 und 7.

c) Kapitell Nr. 8 und 9.

d) Kapitell Nr. 13 und 14.

 

Tafel 109. Vorhalle. (Vgl. Abb. 10.) Kapitell Nr. 3, 4 und 5, Rochlitzer Sandstein.

 

Tafel 110. Vorhalle.

a) Östliche Türleibung des östlichen Portals. Rochlitzer Sandstein.

b) Östliche Türleibung des westlichen Portals.

c) Westliche Türleibung des westlichen Portals.

 

Tafel 111.

a) Kapitell der Säule unter der Westempore. Rochlitzer Sandstein.

b) Portal der nördlichen Querschiffront. Türöffnung jetzt vermauert. Lichte Breite 1,46 in, lichte Höhe 2,55 m. Rochlitzer Sandstein.

 

Tafel 113. a—g. Kapitelle der Blendarkaden in der Chorapsis.

 

Tafel 113 a. Taufbecken. Sandstein (nicht Rochlitzer). 1858 aus der Kirche von Jerisau nach Wechselburg versetzt, steht jetzt auf einem modernen Sockel. Höhe 75 cm.

 

 

Dresden, Altertumsmuseum.

 

Tafel 113 b. Drei Löwen aus Wechselburg. Rochlitzer Sandstein. 1. Löwe: Basislänge 53 cm, Breite 26 cm, Kopfhöhe 45,5 cm, Rückenhöhe 30,7 cm, Länge des horizontal abgearbeiteten Rückens 33 cm. Rechter hinterer Oberschenkel abgemeißelt, Unterschenkel der Vorderbeine abgebrochen. 2. Löwe: Basislänge 66 cm, Breite 24,5 cm, Kopfhöhe 43 cm, Rückenhöhe 30 cm, Länge des horizontal abgearbeiteten Rückens 36 cm. Rechter hinterer Oberschenkel abgemeißelt. 3. Löwe: Basislänge 65,5 cm, Breite 30 cm, Kopfhöhe 40,5 cm, Riickenhöhe 28,5 cm, Länge des horizontal abgearbeiteten Rückens 31 cm. Rechter hinterer Oberschenkel abgemeißelt. Die horizontalen Rückenteile dienten vermutlich als Auflager eines Taufbeckens, aber schwerlich des jetzt dort befindlichen (113 a), da das Material ein anderes ist.

 

 

Wechselburg, Klosterkirche.

 

Tafel 114 a. Lettner. Blattkonsole, an dem oberen Aufbau aus dem 19. Jahrhundert, scheint modern zu sein. Rochlitzer Sandstein.

 

 

Freiberg, Altertumsmuseum.

 

Tafel 114 b. Fragment eines romanischen Gesimses, wohl aus dem alten Dom.

 

 

Freiberg, Marienkirche.

 

Tafel 114 c. Romanische Pfeilerecken an der Vierung.

 

Tafel 114 d. Romanische Pfeilerecken an der Vierung.

 

 

Chartres, Kathedrale.

 

Tafel 115. Mittelportal des südlichen Querschiffes.

 

 

Laon, Kathedrale.

 

Tafel 116. Türfeld des nördlichen Westportals. Nach dem Gipsabguß vor der modernen Ergänzung.

 

Tafel 117. Südliches Westportal. Die Köpfe sind zum größten Teil moderne Ergänzung. Die Säulenstatuen fehlen ganz.

 

Abb. 11 (Schema der goldenen Pforte)

 

 

 

Quelle:

Adolph Goldschmidt: „Die Skulpturen von Freiberg und Wechselburg“. Berlin / Bruno Cassierer 1924 S. 1-46

 

Hinweis: Es wurden nur die Textabbildungen und die Beschreibungen der Tafeln übernommen. Die 117 Lichtdrucktafeln sind wegen des begrenzten Speicherplatzes dem Originalwerk zu entnehmen.

 

 

 

 

 

 

Adolph Goldschmidt 1902: Die Freiberger Goldene Pforte

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38 STUDIEN ZUR GESCHICHTE DER SÄCHSISCHEN SKULPTUR

 

 

III DIE FREIBERGER GOLDENE PFORTE

 

Die Freiberger Goldene Pforte ist bisher mehr ihrem theologischen Inhalt nach, als stilistisch analysiert worden. Zwar hat sich die Schönheit der Figuren jedem, der ihr eine Betrachtung gewidmet hat, aufgedrängt, aber die Urteile über ihre Einstellung in die deutsche Kunstentwickelung blieben ziemlich allgemein, und, nachdem man erstaunt über diese, wie es schien, plötzlich hohe Leistung in einer kunstarmen Gegend zuerst den Ursprung des Werkes bei italienischen Künstlern suchte, oder seine Entstehung in eine viel spätere Zeit setzen wollte, war man bald über die deutsche Abkunft und über das XIII. Jahrhundert einig, mit einem Seitenblick jedoch nach Frankreich, dem man wenigstens in der Anordnung der Figuren manches zu verdanken glaubte.

 

Man kann nun aber in der Feststellung der Faktoren, die in erster Linie zur Entstehung dieses Kunstwerkes mitwirkten, durch Vergleichung weiter vorgehen und zwar, indem man Anordnung, Inhalt und Stil des Figurenschmuckes unabhängig voneinander prüft.

 

Das Portal (Taf. III) entspricht in seiner Gesamtform dem ausgebildeten romanischen Stil in Deutschland.

 

Es ist rundbogig. Eine geringe Neigung zur Spitzbogenform bemerkt man nur im Thürfeld und in der untersten Archivolte. Die neunfache Einstufung der Leibungen ist abwechselnd aus Pfeilern und Säulen gebildet, und ihr entsprechen ebensoviele Archivolten. Dem Herkömmlichen folgt auch die Bereicherung des Thürfeldes durch ein Relief, neu aber waren in dieser Gegend die fast völlig frei ausgearbeiteten Figuren an den Leibungen und die Anordnung von kleinen Statuen in den Archivolten. Dafür lieferte Frankreich damals zahlreiche Beispiele. Was die Statuen an den Leibungen betrifft, so hatte Freiberg allerdings auch schon einige wenige Vorgänger auf nicht allzu entferntem deutschem Boden. Schon an dem Nordportal des Bamberger Domes, welches wohl im ersten oder zweiten Jahrzehnt des XIII. Jahrhunderts begonnen wurde, hatte man in einer losen Anlehnung an den französischen Gebrauch die Säulen der Thürwandungen teilweise durch Figuren ersetzt, indem man sie jedoch nicht, wie in Frankreich, vor die Säulen klebte, sondern sie ein um das andere Mal statt der oberen Säulenschäfte einschob. Ferner zeigte das unvollendete Nordportal des Magdeburger Domes, welches ebenfalls dem Freiberger zeitlich voranging, Freifiguren, hier aber streng nach französischen Vorbildern (Fig. 31).

 

In Freiberg verhielt sich der Künstler in seiner Anordnung dem französischen Gebrauch gegenüber noch freier als in Bamberg. Er ließ die Säulen unbehelligt stehen und faste die dazwischenliegenden Pfeiler durch nischenförmige Kehlen ab, in die er die Figuren selbständig auf kleine Säulen stellte. Trotz dieser Abweichung

 

 

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39 VON ADOLPH GOLDSCHMIDT

 

blieben die konsolartigen tierischen und menschlichen Gebilde unter den Füßen und die kapitellartigen Blattformen an den Köpfen der Statuen wie Rudimente französischer Ableitung bestehen.

 

Wir haben also hier in der Anbringung der Statuen noch weniger als in Bamberg eine direkte Nachahmung französischer Vorbilder, aber doch eine mittelbare Einwirkung. Was Freiberg aber in der Anordnung wiederum stärkere Beziehungen zu französischen Portalen giebt als Bamberg, das ist der figürliche Archivoltenschmuck, für den das erwähnte Magdeburger Portal den einzigen deutschen Vorläufer bildet. Wollen wir auch in diesen Archivolten auf die Annahme einer direkten französischen Nachahmung verzichten, so können wir vielleicht eben in der Magdeburger Domwerkstatt die Vermittlerin erblicken.

 

Da in der Figurenanordnung Hauptgedanken liegen, die ihren französischen Ursprung nicht verleugnen können, selbst wenn sie in einer Art Übersetzung auftreten, so liegt es nahe, auch den Inhalt der Ausschmückung mit den gleichzeitigen französischen Portalprogrammen zu vergleichen.

 

In Freiberg haben wir es mit einer Marienkirche zu thun. In Frankreich sind die großen maßgebenden Marienkirchen im ersten Viertel des XIII. Jahrhunderts die Kathedralen zu Paris, Chartres und Laon. Ihre figürliche Ausstattung, soweit sie dieser Zeit angehört, geht zurück auf eine einfachere Form des Marienportales aus dem XII. Jahrhundert, wie sie z. B. Notre Dame in Senlis zur Schau stellt. Dort zeigt das Tympanon den Tod der Maria, ihre Erhebung zum Himmel und als Hauptdarstellung ihre Krönung, die Archivolten den Stammbaum Christi und die Leibungen typologische und prophetische Hinweise auf Christus durch die Statuen von Abraham, Moses, Samuel, David, Jeremias, Isaias, Johannes dem Täufer und Simeon.

 

Es war dieses Marienportal gleichsam in Parallele zum Christusportal entstanden, welches sich allmählich von der Darstellung Christi in der Glorie mit den Evangelistensymbolen im Tympanon und der Königsreihe der Vorfahren an den Leibungen zur Darstellung des Jüngsten Gerichtes steigerte, mit den Aposteln und allerlei Zuthaten aus dem Gebiete der Gegensätze des Guten und Bösen.

 

Bei der wachsenden Figurenfülle der Kathedralen wurden die Programme immer üppiger. Als man in Chartres daran ging, am Anfang des XIII. Jahrhunderts auch die Querschiffe mit figürlichen Portalen auszustatten, da war die Westfassade schon mit der älteren Form des Christusportales versorgt, und man legte nun vor das nördliche Querschiff den Schmuck eines Marienportals, vor das südliche den des neueren Christusportals mit dem Jüngsten Gericht, wie das den Himmelsrichtungen der Männer- und Frauenseite des Kirchenbaues entsprach. Das Marienportal wuchs aber hier zu einer dreiportaligen Anlage. Indem die Mittelthür das Programm, wie in Senlis, beibehielt, erweiterte man die Menge der typologischen Beziehungen aus dem Alten Testament über das rechte Nebenportal, während man auf dem Thürfeld des linken Nebenportals Maria als die auf Erden thronende in der Anbetung der drei Könige bildete und die daran anschließenden evangelischen Szenen hinzufügte, Verkündigung, Heimsuchung, Geburt u. s. w.

 

An der Pariser Fassade fand während des Baues ein Programmwechsel statt. Man hatte ursprünglich eine der alten Chartrer Westfassade ähnliche Verteilung geplant, war dann aber zu einer Kombination der neueren Christus- und Marienportale übergegangen, setzte in die Mitte das Jüngste Gericht und auf das nördlich davon gelegene Portal die Krönung der Maria, während das südliche, welches noch aus dem alten Programm die thronende Madonna mit den Jugendszenen zeigte, jetzt gleichsam

 

 

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40 STUDIEN ZUR GESCHICHTE DER SÄCHSISCHEN SKULPTUR

 

das Dreikönigsportal vertreten musste. In Laon wurde dies Programm von Anfang an durchgeführt, nur gab man dem Marienportal den Vorrang, indem man die Krönung in die Mitte setzte und das dazugehörige Dreikönigsportal nördlich davon legte, während das Jüngste Gericht sich mit dem südlichen Seitenportal begnügen musste. Auch für die Fassade in Reims, der letzten dieser Reihe, scheint ursprünglich noch

 

Fig. 33 Lettnerkreuz in der Kirche zu Wechselburg

 

ein gleiches Programm geplant worden zu sein, doch fand hier wieder während der Ausführung ein weiterer Wechsel statt, der, nun zu einer neuen Ausgestaltung des Fassadenschmuckes führte.

 

Es ergiebt sich daraus, dass im ersten Drittel des XIII. Jahrhunderts im nördlichen Frankreich das normale Programm der großen Marienkirchen in der Nebeneinandersetzung des Jüngsten Gerichts, der Krönung der Maria und der Anbetung der drei Könige als Thürfelddarstellungen bestand, zu denen sich dann die zugehörigen Archivolten- und Leibungsfiguren gesellten.

 

 

 

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Prüfen wir daraufhin die Freiberger Goldene Pforte, so ergiebt sich, dass ihr Figurenschmuck ein Auszug aus diesem französischen Marienkirchenprogramm ist. Der ganze obere Teil, das Tympanon mit den Archivolten, ist eine Zusammenschiebung der drei Hauptthemata, die Verpflanzung eines großen Programms auf ein kleines Skulpturenfeld. Die Szenen kommen zum Teil dabei zu kurz. Die meiste Geltung erlangt die Anbetung der drei Könige im Thürfeld mit der thronenden Madonna in

 

Fig. 34 Kruzifix in der Liebfrauenkirche zu Halberstadt

 

der Mitte, die Krönung der Maria dagegen ist mühsam in die innerste Archivolte gezwängt. Die Figuren Christi und der Maria ragen ganz verkürzt nur mit Kopf und Schultern aus dem Grunde heraus; die Engel, welche bei dem französischen Tympanum die Handlung begleiten, folgen zu beiden Seiten abwärts in der Archivolte. Die übrigen drei Archivolten werden mit Bestandteilen des Jüngsten Gerichts gefüllt und zwar die äußerste durch die Figuren der aus ihrem Grabe Auferstehenden, welche oben von einem Engel empfangen werden, die zweite und dritte durch die Reihe der Apostel mit den vier Evangelisten am Fußende, im ganzen also durch 14 sitzende Gestalten. In ihre Mitte schiebt sich dann noch die Gestalt Abrahams, der von einem Engel die

 

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42 STUDIEN ZUR GESCHICHTE DER SÄCHSISCHEN SKULPTUR

 

Seelen in Empfang nimmt, und darüber die Taube des heiligen Geistes zwischen zwei anbetenden Engeln ein. Es fehlt also das eigentliche Zentrum des Jüngsten Gerichts, der richtende Christus; der geeignete Platz dafür, das Thürfeld, war schon durch die Anbetung der drei Könige besetzt, und der Künstler hat sich möglicherweise dadurch helfen wollen, dass er dem die Maria krönenden Christus in der Archivolte durch einen Engel ein Buch zutragen lässt und ihn so vielleicht mit für das Jüngste Gericht in Anspruch genommen hat.

 

Man hat also, da hier nur ein einzelnes Thürfeld zur Verfügung stand, Krönung und Jüngstes Gericht aus dem dreiportaligen französischen Programm in die Archivolten geschoben; es handelt sich nicht um einen für dieses Portal erfundenen, sondern um einen übernommenen und demselben angepassten Bilderkreis.

 

Bei den Leibungsfiguren ist man ähnlich, aber freier vorgegangen. Man nahm typologische Figuren des Alten Testamentes, wie das auch bei den französischen Marienportalen der Fall war. Unter den Leibungsstatuen des Charterer Nordportals befinden sich ebenfalls König David, Johannes der Täufer, König Salomo und die Königin von Saba neben zahlreichen anderen Prophetengestalten. Die Auswahl ist in Freiberg nun offenbar von zwei Faktoren beeinflusst, erstens, worauf schon Springer hinwies, 1) von dem Wunsch nach Symmetrie, der bewirkt hat, dass man zwei Königspaare einander gegenüber gestellt hat, dass dem Täufer Johannes der Evangelist Johannes als Gegenfigur entspricht, 2) und dass man schließlich noch zwei Prophetenfiguren des Alten Testaments als letzte Gegenstücke gewählt hat. Zweitens lag in der sächsischen Schultradition schon eine Vorliebe für bestimmte Gestalten, die jetzt einfach übernommen wurden; der Daniel, Salomo und die Königin von Saba, David und die Ecclesia (!) kommen, wie das Steche bereits angeführt hat, 3)‚ ebenso in den Deckengemälden der Halberstädter Liebfrauenkirche vor, deren Zusammenhang mit den Freiberger Skulpturen weiter unten erörtert werden wird.

 

So ist es also nicht nötig, bei der Erklärung des Programms in diesem speziellen Fall ganz auf litterarische Werke, auf religiöse Dichtungen zurückzugehen, sondern wir treffen eine Mischung von Anpassung an das gerade vollentwickelte französische Programm mit einzelnen in der Heimat gebräuchlichen biblischen Personen, die ihre neue Stellung am Portal aber auch erst französischen Anregungen verdanken. Will man den Gesängen zum Weihefest der Kirche, wie dies Springer thut, 4) einen Einfluss auf das Programm einräumen, so kommt diese Einwirkung doch erst in zweiter Linie in Betracht, und die Deutungen als Elisabeth und Isaias oder Virgil, die Paul Weber aus einer Beziehung zum geistlichen Schauspiel herleitet, sind nicht stichhaltig, 5)

 

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1) Bericht der Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften. Phil.-hist. Klasse Bd. 31.

 

2) Dass Johannes der Evangelist gemeint ist, bestätigt auch die Ähnlichkeit mit der Johannesfigur neben dem Kruzifix in Wechselburg. Wenn von Quast und andere die Figur als Propheten Nahum erklären, so scheint dies auf einem Irrtum zu beruhen. von Quast führt als Begründung die genaue Übereinstimmung mit dem Nahum der Halberstädter Deckenmalereien an, doch ist im Gegenteil Naum dort mit langem Vollbart dargestellt.

 

3) Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen, Heft III S. 26.

 

4) Bericht der Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften. Phil.-hist. Klasse Bd. 31. 1879.

 

5) Geistliches Schauspiel und kirchliche Kunst S. 54. —— Warum sollte Elisabeth, die er in der Königin rechts erblickt, mit einer Krone dargestellt werden, und welche Kennzeichen sprechen dafür, dass die jugendliche Figur rechts zunächst der Thür als Isaias, der sonst in dieser Zeit gewöhnlich bärtig dargestellt wird, oder als Virgil gelten kann?

 

 

 

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Es giebt sich also in der architektonischen Verteilung der Figuren wie in der Auswahl der Darstellungen ein freies Schalten mit französischen Anregungen kund. Wie verhält es sich nun mit dem Stil der Figuren? 1)

 

In dem Magdeburger Portal konnte man eine direkte Nachahmung von Chartres und Paris feststellen, 2) an den jüngeren Figuren des Bamberger Domes eine ebensolche von Statuen in Reims; 3) eine derartige stilistische Übereinstimmung mit französischen Skulpturen des frühen oder auch des vorgeschrittenen XIII. Jahrhunderts ist in Freiberg nicht zu finden. Die Freiberger Werke gehen vielmehr zurück auf die mehr nördliche sächsische Plastik der Magdeburg—Halberstädter Gegend, die seit dem Ende des XII. Jahrhunderts in schneller Entwickelung begriffen war. 4) Von dort ist diese Kunst direkt in das sächsische Bergland importiert, daraus erklärt sich ein so plötzliches Auftreten.

 

Und zwar bildet die Grundlage der Freiberger Figuren jener eckig bewegte Stil, der in dem zweiten Jahrzehnt des XIII. Jahrhunderts in dem nördlichen Sachsen zur Reife kam und dem sich noch beständig, wie seit dem Aufkommen der größeren Bewegtheit überhaupt, eine Reihe von Byzantinismen zugesellten.

 

Die Freiberger Figuren sind einerseits die unmittelbaren Nachfolger der Chorschrankenapostel der Halberstädter Liebfrauenkirche, andererseits die plastischen Parallelerzeugnisse zu den jetzt nicht mehr vorhandenen Deckenmalereien derselben Kirche. 5)

 

 

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1) Da über die modernen Ergänzungen des Portals vielfach unklare Vorstellungen herrschen und schon die Behauptung aufgestellt wurde, das meiste sei neu, so ist es wohl angebracht, einmal deutlich die modernen Teile anzugeben. Eine getuschte Zeichnung im Freiberger Altertumsverein (Nr. 143) zeigt den Zustand der Pforte nach der Freilegung und vor der ersten Restauration im Jahre 1861, der eine zweite 1892 folgte. (Vergl. einzelne Namensinschriften am Portal selbst, ferner die Mitteilungen des Freiberger Altertumsvereins, Heft I S. 43, X S. 94, XXIV S. 59, XXVII S. 61, XXIX S. 65.) An dem Portal, wie es sich heute darbietet, sind neu:

 

im Thürfeld der Kopf des Christkindes (1892 an Stelle eines anderen von 1861),

 

in der innersten Archivolte der untere Engel links und der obere rechts (1861), von den Akroterien über dem Kämpfergesims dasjenige ganz links (1861), Kopf und Blattteile des dritten (1892), Kopf und Hals des vierten (des phantastischen Tieres neben dem Löwen), dasjenige ganz rechts (1892), das dritte von rechts (1892) und Teile des vorletzten von rechts,

 

an den Wandungen die äußersten zwei Kapitelle und drei Kämpferabsätze rechts und links, der zweite große Säulenstamm von links, der ganze Sockel mit sämtlichen großen Basen (alles dies 1892 in genauer Nachahmung der verwitterten alten Teile).

 

Im übrigen sind an den Figuren des ganzen Portals vielfach kleine Stellen ausgebessert, einzelne Finger, Nasenspitzen, Teile der Leier beim David, die oberen Stücke von Krug und Gerte des Aaron, die Spitzen der Kronen, der vorgesetzte Fuß und Teile der linken Hand des Evangelisten Johannes und viele Kleinigkeiten, die anzuführen zu umständlich sein würde, die sich aber am Original leicht kenntlich machen durch die veränderte teils gelbe, teils schwärzliche Farbe der zur Ausbesserung benutzten Masse. Eine Täuschung in der Beurteilung des Stiles aber können all diese Ausbesserungen nicht hervorrufen. Charakteristisch ist, dass die modernen Ergänzungen sich auch dadurch kenntlich machen, dass sie aus der scharfen Grenze der Blockflächen heraustreten, während sich die alten Figuren streng innerhalb der architektonischen Quaderlinien der Archivolten und Leibungen halten, aus denen die Figuren erst wie herausgeschnitten sind.

 

2) Vergl. Cap. II.

 

3) Arthur Weese, Die Bamberger Domskulpturen. Genaueres über das Verhältnis bei Vöge im Repertorium für Kunstwissenschaft 1901 S. 195 und 255.

 

4) Vergl. Cap. I.

 

5) Erhalten in Pausen im Kupferstichkabinet zu Berlin. Einige Abbildungen bei von Quast und Otte, II S. 177.

 

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44 STUDIEN ZUR GESCHICHTE DER SÄCHSISCHEN SKULPTUR

 

Die Apostel in den Freiberger Archivolten sind in den Motiven von Stellung und Gewandung jenen der Halberstädter Chorschranken nahe verwandt, nur ist alles vom Relief in die Rundfigur übertragen, die Formen sind richtiger und besser verstanden, die Gewandung ist mehr in das Scharfbrüchige umgestaltet und giebt dadurch das Anzeichen des weiteren Fortschrittes, und darüber hinaus ist auch der Künstler ein geschickterer.

 

Fig. 35 Philippus von den Chorschranken der Liebfrauenkirche zu Halberstadt

 

Man vergleiche den dritten Apostel der äußeren Archivolte links (Fig. 36) mit dem Philippus in Halberstadt (Fig. 35). Die Bewegungsmotive sind dieselben, die Rechte ruht im Mantelbausch und kehrt die Handfläche wie abwehrend nach vorne, die Linke stemmt das Buch, in Freiberg die Schriftrolle auf den Oberschenkel, der Mantel ist gleich drapiert. Bei der Halberstädter Figur ist nur der Reliefform zu Liebe das linke Knie und das Buch sehr seitwärts gedreht, während es bei der Freiberger Gestalt richtiger nach vorne heraustritt.

 

Fig. 36 Apostel aus der Archivolte der Freiberger Pforte

 

Oder man bringt die entsprechende Figur der Archivolte rechts (Fig. 38) zusammen mit dem Andreas in Halberstadt (Fig. 37).

 

Fig. 37 Andreas von den Chorschranken der Liebfrauenkirche zu Halberstadt

 

Die Stellung mit dem übergeschlagenen Bein ist dieselbe, die rechte und linke Hand fassen gemeinsam das Buch oben und unten, und dieses schiebt sich mit dem hinteren Rand unter den Mantel, der Schulter und Arm bedeckt, von der herausragenden Hand zugleich mit dem Buch gefasst wird und dann teils in geraden Falten außen, teils sich drehend zwischen den Knieen herabfällt. Auch hier machen sich bei dem Relief misslungene Verkürzungen wie am linken Fuß geltend. Die Stellungs- und Drapierungsmotive waren dem Künstler also bereits in der einheimischen Werkstatt gegeben, die Wandlung liegt nur darin, dass er sie aus der Reliefanwendung zur Runfigur umgestaltete und mit der Entwickelung zur größeren Eckigkeit der Formen fortschritt.

 

Fig. 38 Apostel aus der Archivolte der Freiberger Pforte

 

Dieser fortgeschrittene Stil ist aber auch in Halberstadt, abgesehen von der Malerei, in der Skulptur vertreten. Eine Holzmadonna in der Liebfrauenkirche (Fig. 40) ist auf

 

 

 

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das engste mit der Madonna des Freiberger Tympanons verwandt (Fig. 39). Die Übereinstimmung der dreieckigen Saumfalten, des Wechsels von fließenden und scharfen Linien, der Anordnung des Mantels über Kopf und Brust, des weichen, etwas süßlichen Kopftypus, der Stellung und Drapierung des Kindes, 1) besonders auch des Komplexes der Hände von Madonna und Kind und des Mantelzipfels ist schlagend.

 

Ebenso findet sich auch für das Freiberger 2) und das damit zusammenhängende Wechselburger Triumphkreuz (Fig. 33) nicht nur der Vorläufer mit seinen weicheren Formen im Dom zu Halberstadt, 3) sondern ein ihnen gleichzeitiges in der Liebfrauenkirche dort (Fig. 34), welches ihnen so ähnlich ist, dass man versucht wird, es demselben Künstler zuzuschreiben, der das Wechselburger gefertigt hat. Die Leibungsfiguren der Goldenen Pforte aber vergleicht man am besten mit den Halberstädter Deckengemälden, die ja auch die gleichen Persönlichkeiten zeigen.

 

So enthält Halberstadt in seinem Dom und seiner Liebfrauenkirche ein ganzes Inventar von Vorläufern und Genossen der Kunstwerke in Freiberg. Was hier plötzlich und losgelöst erscheint, tritt dort in seiner Entwickelung auf, und die direkte Herleitung ist nicht zu leugnen.

 

Dabei setzt sich in den Freiberger und Wechselburger Figuren die Neigung zu Byzantinismen fort, die wir weiter nördlich fanden, aber dieselben werden jetzt richtiger und besser verarbeitet. Die Dachfalte an der Schulter ist bei dem jugendlichen Johannes an der Wandung der Pforte natürlicher ausgestaltet, in klarerer Übereinstimmung mit der byzantinischen, ohne gewaltsame Übertreibung. Die Ansicht des Kindes bei der Madonna des Thürfeldes, besonders die Stellung der Beine geht auf ein byzantinisches Vorbild zurück, und so weist auch die Anwesenheit des Engels bei der Anbetung der Könige ikonographisch auf Byzanz, ebenso wie das Mittelfeld der Wechselburger Kanzel mit dem thronenden Christus und den anbetenden Maria und Johannes dem Täufer, 4) einer byzantinischen Deesisdarstellung, wie sie in den Elfenbeinplatten so sehr verbreitet war, entnommen ist. Andererseits ist dieser Christus auch wieder ganz eng verwandt mit demjenigen auf den Halberstädter Chorschranken und dem des Quedlinburger Reliquienkästchens (Fig. 18).

 

Wie bei dem späteren Halberstädter Kruzifix (Fig. 34) zeigt sich nun aber auch bei den Freiberger Skulpturen vielfach die größere Straffheit der Linien, die durch den französischen Import in der Magdeburger Domwerkstatt zuerst zur Geltung kam, und zwar erscheint sie hier in unregelmäßig starker Weise bei den einzelnen Figuren.

 

Durch das Magdeburger Atelier, in dem der Prozess sich abgespielt hat, der in einem früheren Aufsatz geschildert wurde, ist offenbar auch der Freiberger Künstler hindurchgegangen. Seine Figuren ebenso wie auch die Wechselburger zeigen gegenüber anderen sächsischen Werken des eckig bewegten Stils wie in Quedlinburg und Hecklingen häufig eine gradlinigere, architektonisch geregeltere Faltengebung, die sich den Magdeburger Statuen des französierenden Portals nähert. Man vergleiche etwa den Engel des Freiberger Tympanons (Fig. 39) mit einem der Magdeburger Archivoltenengel (Fig. 41). Der letztere ist bedeutend unbeholfener, aber seine festen Linien spiegeln sich doch in dem Freiberger ab. Und was hier nur leise zu spüren ist, tritt in ganzer

 

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1) Der Kopf Christi in Freiberg auf dieser älteren photographischen Aufnahme ist eine moderne Ergänzung, die 1892 einer anderen gewichen ist.

 

2) Jetzt im Dresdener Altertumsmuseum, ist abgebildet bei Steche, Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen, Heft III S.18.

 

3) Abbildung bei Hasak, Deutsche Plastik des XIII. Jahrhunderts S. 16.

 

4) Abbildung in den Bau- und Kunstdenkmälern des Königreichs Sachsen, Heft XIV S. 124.

 

 

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Deutlichkeit an den Figuren des Freiberger Lettnerkreuzes hervor, besonders an dem Johannes neben dem Kreuze (Fig. 42) (man vergleiche ihn z. B. mit dem Petrus im Magdeburger Dom (Fig. 23)), ferner an dem König Salomo und der Königin von Saba am Freiberger Portal. Das Französische in diesen Einflüssen ist hier allerdings ganz anders verarbeitet als in Magdeburg selbst und vollständig in die eigene Vorstellung des Künstlers hineingewachsen, ebenso wie das mit den Byzantinismen gegenüber der älteren Gruppe der Fall war.

 

Gerade durch solche nur lose Berührung mit französischen Elementen durch Vermittelung erklären sich die französisch erscheinenden Dinge des Freiberger Künstlers am besten. Er lernte in Magdeburg den Stil der neuen Figuren kennen, die Belebung der Archivolten, den Aufbau der Leibungsstatuen.

 

Fig. 39 Detail vom Thürfeld der Freiberger Pforte

 

Er lernte auch im Atelier dort das französische Skizzenbuch des Magdeburger Bildhauers kennen. Dies Skizzenbuch ist uns allerdings nicht erhalten, aber wir können es uns zum Teil rekonstruieren. Wir müssen es uns denken etwa wie das Buch seines Zeitgenossen, des Architekten Villard de Honnecourt aus dem zweiten Viertel des XIII. Jahrhunderts, welches die Pariser Nationalbibliothek aufbewahrt 1) und welches nach der Eintragung des Zeichners selbst den Steinmetzen in der Werkstatt als Musterbuch dienen sollte.

 

In dem Magdeburger Skizzenbuch befanden sich —— das können wir uns nach den dort erhaltenen Portalresten sagen —— Zeichnungen der Apostelfiguren aus Paris oder Chartres, der Lasterdarstellungen vom Pariser Hauptportal, vom Nordportal in Chartres die weibliche Gestalt mit der hohen Haube, und mit ziemlicher Sicherheit können wir behaupten, dass der Zeichner sich auch an die noch jetzt so beliebten Statuen der Maria und Elisabeth von der Heimsuchung am gleichen Portal herangemacht hat. Man schaue sich nur die Reihe der klugen und thörichten Jungfrauen in Magdeburg an (Taf. II). Auf das ornamentale Faltengeschnörkel, welches unten ihre Gewänder abschließt, ist schon hingewiesen, 2) doch machen zwei der Thörichten hiervon eine Ausnahme, die zweite und vierte in der unteren Reihe der Tafel. Bei ihnen ist der Faltenfall ein natürlicher, die erste Figur war eben in Nachahmung der schon erwähnten Charterer Frauengestalt gemacht, bei der zweiten aber ist der Faltenwurf eine Kopie nach der Charterer Maria von der Heimsuchung (Fig. 43). Die Anordnung der Hauptlinien

 

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1) J. B. Lassus und Alfred Darcel, Album de Villard de Honnecourt. Paris 1858.

 

2) Vergl. S. 21.

 

 

 

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ist ganz dieselbe. In der Mitte unten trennt ein breiteres Faltenthal zwei Komplexe, derjenige links besteht aus drei herabfallenden Falten, die sich unten nach links umbiegend überschneiden. Dabei spalten sich die beiden äußeren, was auch der Magdeburger Bildhauer wiederzugeben sucht. Der Komplex rechts dagegen breitet sich nach beiden Seiten aus, er zerfällt in zwei Faltenrücken links, die sich ebenso wie die vorher betrachteten nach links umbiegend überschneiden und ein halbmondförmiges Faltenthal zwischen sich bilden, und in eine Falte rechts, die sich unten spaltet und über den Fuß in komplizierterer Weise aufbauscht. Diese schwierige Stelle hatte der Zeichner nicht klar wiedergegeben, denn in der Wiederholung an der Magdeburger Figur ist sie unverstanden und unmöglich. Da auch die Mantellage und die Stellung der Arme mit der Charterer Figur genau übereinstimmen, kann man wohl annehmen, dass im Skizzenbuch sich die ganze Figur befand. Vielleicht stand auch die Elisabeth daneben, denn es scheint, als hätte das untere Auslaufen ihres Gewandes bei der Ausgestaltung des betreffenden Teiles der anderen thörichten Jungfrau mitgewirkt, die in der Hauptsache nach der schon erwähnten Charterer Frauengestalt mit der Haube kopiert ist.

 

Sollte nun das Thürfeld des Magdeburger Portals, wie es den figürlichen Überresten nach am nächsten lag, eine Darstellung des Jüngsten Gerichts erhalten, so ist anzunehmen, dass der Urheber des Skizzenbuches auch darauf bezügliche Studien in Paris oder Chartres gemacht hat. Und diese Vermutung findet eine Bestätigung in der Freiberger Goldenen Pforte. Denn diese, die weder in ihrer ganzen Anlage noch in der Figurenzusammenstellung in unmittelbarem Zusammenhang mit Chartres steht, lehnt sich in den Gestalten der Auferstehenden eng an die entsprechenden des Chartrer Südportals an, welches von dem Magdeburger Künstler studiert wurde.

 

An jenemPortal erstrecken sich die zum Jüngsten Gericht des Thürfeldes gehörigen Figuren bis in die Archivolten, und zwar

 

Fig. 40. Madonna aus Holz in der Liebfrauenkirche zu Halberstadt

 

Fig. 41 Engel im Dom zu Magdeburg

 

 

 

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48 STUDIEN ZUR GESCHICHTE DER SÄCHSISCHEN SKULPTUR

 

bilden hier die Auferstehenden die zweitunterste Figurenreihe. Es sind lauter gleichmäßig mit dem Oberkörper aus dem Sarkophag aufgerichtete Gestalten, die in schematisch gerader Stellung die Hände betend aneinanderlegen. Nur in den Vordergrund dieser Gruppen ist in vier Archivolten rechts stets eine abweichende reicher komponierte Gestalt gesetzt, in einem dieser Fälle ist ihr noch eine zweite ähnliche angeschlossen. Diese vier Figuren, die sich auch nur in ungefähr übereinstimmender Weise an keinem anderen französischen Portal finden, soweit ich es verfolgen konnte, füllen nun bei dem Freiberger Künstler in auffallend verwandten Motiven übereinander die rechte Archivolte seines Portals (Fig. 44 und 45). Die untere Figur stimmt zu derjenigen, die in Chartres ihren Kopf eingebüßt hat: das linke Bein ist aus dem Sarkophag gestiegen, das rechte ist noch drinnen, mit der linken Hand hält der Jüngling das Ende des Tuches, das noch sein rechtes Bein umhüllt, vor den Leib, die Rechte ist emporgehoben, in Freiberg fasst sie in ausdrucksvollerer Weise als in Chartres an die Stirn. Der zweite Jüngling — es sind alles männliche Gestalten — ist noch stärker von seinem Tuch bekleidet, es deckt den Kopf und schneidet in gerader Linie durch den ganzen Körper; auch hier ist das linke Bein bereits aus dem Sarkophag herausgesetzt, der linke Arm ist ganz gesenkt, in Chartres legt er sich an den Sarkophagrand, in Freiberg fällt er etwas mehr nach innen, macht sich aber nicht mit dem Abstreifen des Tuches zu thun, wie das nach der Photographie scheinen könnte. Die Rechte ist bei beiden geöffnet halb emporgehoben. Bei den beiden folgenden Figuren ist die Übereinstimmung nicht ganz so groß. Die dritte erhebt beide Hände. In Chartres hält sie mit ihnen das Tuch empor, in Freiberg nicht; dagegen ist hier der übrige Körper noch stärker bekleidet und das rechte statt des linken Beines aus dem Sarkophag gesetzt, so dass in der Stellung die zweite Freiberger Figur der Chartrer näher kommt. Der letzte Auferstehende hat mit Chartres gemeinsam, dass auch das erste Bein noch nicht den Sarkophag verlassen hat, sondern nur hochgehoben ist; während es sich aber in Chartres auf den Rand legt, ragt es in Freiberg nur so weit empor, dass der Fuß gleich den Rand erreicht hat. Die Linke stützt sich dabei in beiden Fällen auf den Rand. Die Rechte ist erhoben, in Chartres nach dem Kopfe hin, in Freiberg, um den Sargdeckel zurückzustoßen. Es sind also wohl Abweichungen vorhanden, aber diese sind gegenüber den Ähnlichkeiten, besonders wenn man die Menge anderer Auferstehungsfiguren der Zeit mustert, verhältnismäfsig sehr gering und um so erklärlicher, wenn man eben die dazwischenliegende Zeichnung eines Dritten annimmt.

 

Fig. 42 Johannes vom Freiburger Lettnerkreuz

 

Der Freiberger Künstler bringt nun zu unterst an der Archivolte rechts und links noch je eine aus dem Grabe steigende Frau an, die in Chartres nicht vorhanden ist, er verändert ferner die Reihenfolge der vier Figuren, die ihm in dem Skizzenbuch ja auch nicht gegeben sein brauchte, und vor allem arbeitet er die einzelnen Gestalten künstlerisch viel besser aus.

 

Die entsprechenden Figuren links wiederholen in abgeschwächter Weise diejenigen rechts oder auch Stellungen aus der Apostelreihe; so hat die zu unterst gestellte Frau das Gewandmotiv mit der herausgekehrten Hand, welches aus ihrem

 

 

 

 

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eigenen Charakter als Auferstehungsfigur nicht hervorgeht, von einem der Apostel übernommen.

 

Auch der Umstand, dass die Darstellung des Jüngsten Gerichtes in dem Gestaltenkreis des Portals sonst fast gar nicht hervortritt, während auf die Auferstehenden ein solcher Nachdruck gelegt und ihnen eine solche Ausbreitung gegeben ist, legt es nahe, dass ihre Figuren eine erste Anregung für den Künstler waren. Dass er aber in keiner direkten Beziehung zu den Chartrer Figuren stand, wird noch dadurch bestärkt, dass am Chartrer Portal beim Beten schon vollständig der im XIII. Jahrhundert auftretende Gestus des Aneinanderlegens der Hände durchgeführt ist, während der Freiberger Künstler diesen noch nicht kennt und noch bei allen Figuren der älteren Weise des getrennten Emporhebens der Hände folgt.

 

So ergiebt die Analyse der Goldenen Pforte folgende Charakterisierung: Sie ist das Werk eines künstlerisch hochbegabten Bildhauers um 1225, der mitten in der lebendigen Entwickelung der einheimischen Kunst mittelsächsischen Gebietes steht, in unmittelbarem Zusammenhang mit den Halberstädter Schöpfungen, der, wie diese Kunst um ihn herum, byzantinische Motive und Typen aufnimmt und neu belebt, der aber auch von den französischen Elementen der Magdeburger Domwerkstatt berührt wird und so diese erst in zweiter Hand erhält durch die dort ausgeführten Nachahmungen und durch die Zeichnungen des Skizzenbuches jenes Bildhauers, der nach Paris und Chartres gereist war.

 

Während der geringere Magdeburger Bildhauer strenger, aber ungeschickter nachgeahmt hat, nahm der zweifellos bedeutendere Freiberger Künstler die Anregungen tiefer in sich auf und verarbeitete sie freier.

 

Fig. 43 Maria und Elisabeth vom Nordportal der Kathedrale von Chartres

 

Ein beredtes Zeugnis sind gerade die Figuren der Auferstehenden. Man kann nicht umhin, anzunehmen, dass er sorgfältige Studien nach dem nackten Körper gemacht hat, so viel naturgetreuer und lebendiger sind diese Menschen ausgeführt als die entsprechenden französischen. Jedes Motiv ist durchdacht und zu noch prägnanterer Vollendung geführt als in Chartres.

 

So kommt das Werk zu stande, das uns einerseits französische Elemente aufweist, andererseits so ganz unfranzösisch erscheint. Es ist denn auch in erster Linie als ein durchaus deutsches Werk anzusehen, denn gerade wie die byzantinischen Bestandteile, wurden hier auch die französischen so sehr von der einheimischen Kunst durchsetzt,

 

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50 STUDIEN ZUR GESCHICHTE DER SÄCHSISCHEN SKULPTUR

 

dass der bewegte sächsische Stil, wie er entsprechend nirgends in Frankreich zu Hause ist, vollständig die Herrschaft behält.

 

Der Bildhauerwerkstatt, welcher die Goldene Pforte zu verdanken ist, gehören in weiterem Sinne auch die übrigen Freiberger und Wechselburger Skulpturen an. Geringe Unterschiede im Stil hängen davon ab, ob die französische architektonische Vereinfachung mehr oder weniger ihre Spuren hinterlassen hat, beim Wechselburger Grabmal gar nicht, bei der Kanzel etwas mehr, bei den Lettnerfiguren am meisten.

 

Die Freiberg-Wechselburger Skulpturen sind nach den Magdeburger Versuchen die ersten Früchte einer monumentalen Plastik in Sachsen, doch haben sie meist noch, ja mehr als jene selbst, einen gewissen kunstgewerblichen, ornamental-malerischen Charakter.

 

Zur vollständigen Reife, zur wirklich freien monumentalen Wirkung war noch ein Schritt nötig, der in Sachsen 20 bis 30 Jahre später geschehen ist in den Statuen des Naumburger Domes. Wie beim ersten Schritt, hat auch beim zweiten Frankreich mitgewirkt, hier aber nicht mehr die Skulptur in Paris und Chartres von Anfang des Jahrhunderts, sondern die Reife aus dem zweiten Drittel, wie sie die Kathedralen von Reims, Amiens und auch Paris aufweisen. Das Charakteristische ist hier, abgesehen von den Kopftypen, die größere Festigkeit im Stand, das Zusammenfassen der Gewandmassen zu größeren einfachen Motiven und eine stärkere Loslösung der Gewandung zur Selbständigkeit gegenüber der Körperform.

 

Auch dem Stil der Naumburger Skulpturen gehen Vorstufen in Magdeburg und in Bamberg voraus. In Magdeburg sind es die klugen und thörichten Jungfrauen am nördlichen Querschiff des Domes, welche an die Stelle des unvollendeten nach Pariser Modell ausgeführten Portals traten. Die inzwischen fortgeschrittene französische Skulptur hatte den Eindruck der älteren eben schon besiegt.

 

 

Fig. 44 Auferstehende vom Südportal in Chartres

 

 

Fig. 45 Auferstehende von der Freiberger Pforte

 

 

 

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Sie sind vermutlich um 1240 entstanden. In Bamberg steht ihnen die jüngere Domwerkstatt parallel. Während aber in den Bamberger Figuren der Einfluss nachgewiesen und für das Auge klar daliegt, ist er schon in Magdeburg nicht ganz so aufdringlich, viel versteckter aber noch in den ihnen folgenden Naumburgern. Auch hier ist er vielleicht, wie einst bei dem Freiberger Meister, erst aus zweiter Hand, auch hier ist eine starke Modifikation durch das der sächsischen Kunst innewohnende malerische Element, durch einen Anklang in den Köpfen, besonders den weiblichen Idealköpfen, an die Typen der Freiberger Pforte wahrzunehmen, und gerade dies ist es dann wieder, was die Naumburger Figuren als deutsche Werke in einen Gegensatz zur französischen Skulptur setzt.

 

Der Weg auf der Höhe dauert nicht lange, die Neigung zu übergroßer Bewegtheit, zu starker Charakteristik gewinnt die Oberhand über die ruhige monumentale Größe, und schon die Figuren des Lettners im Naumburger Dom neigen diesem Abstieg zu.

 

Die sächsische Skulptur in der Übergangszeit vom romanischen zum gotischen Stil zeigt die ruhige Entwickelung einer Kunst, die auf mittelsächsischem Boden erwachsen, nach Obersachsen verpflanzt, unter französischen Einflüssen bereichert, schließlich die herrlichste Blüte des deutschen Mittelalters entfaltet.

 

 

 

 

 

Quelle: Adolph Goldschmidt: Studien zur Geschichte der sächsischen Skulptur in der Übergangszeit vom romanischen zum gotischen Stil. S. 38-51. Berlin 1902 G. Grote'sche Verlagsbuchhandlung