Rijnsburg

EEN LINNEN CLEET
EEN HOVTEN PLANCKE
VAER IC MEDE
INT ANDER LANT

Literatur zu Petronella und Rijnsburg:

 

E. H. P Cordfunke / F. W. N. Hugenholtz. Gravin Petronilla van Holland. De Walburg Pers, Zutphen 1990 ISBN 906011.692.5

 

Dr. E. H. Ter. Kuile. De Nederlandsche Monumenten van Geschiedenis en Kunst. Deel VII. De Provincie Zuidholland, S-Gravenhage - algemeene Landsdrukkerij 1944

 

 

August von Wersebe über die niederländischen Colonien des 12. Jhdt. in Norddeutschland

Ueber die

Niederländischen Colonien,

 

welche, im nördlichen Teutschlande im zwölften Jahrhunderte gestiftet worden, weitere Nachforschungen mit gelegentlichem Bemerkungen zur gleichzeitigen Geschichte

 

von August von Wersebe, Königlich Großbrittannisch-Hannöverischem Landdrosten und Landrathe, Assessor des Bremen- und Verdenschen Hofgerichts, Erb- und Gerichtsherrn zu Meienburg.

 

Erster Band.

 

Hannover, auf Kosten des Verfassers und in Commission bey den Gebrüdern Hahn.

 

1816.

 

 

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Seiner Hochwohlgebohrnen

dem Herrn

 

Wilhelm Gottfried von Werlhof,

 

Vice-Präsidenten des Königlich-Großbrittannisch- Hannöverischen Ober-Appellations-Gerichts

 

in Zelle.

 

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Hochwohlgebohrener Herr, Hochverehrter Herr Vice-Präsident!

 

Seit mehr als fünfzehn Jahren von Ew. Hochwohlgebohrnen getrennt, habe ich mir oft eine Gelegenheit gewünscht, mein bey Ihnen hoffentlich noch nicht ganz erloschenes gewogentliches Andenken zu erneuern: eine solche bietet sich anjetzt mir dar, indem ich so frey bin, Ihnen das gegenwärtige Werk zu überreichen. Der Inhalt desselben ist so trocken, daß ausser Ew. Hochwohlgebohrnen wohl nur duo vol nemo es lesen werden; auch habe ich es eigentlich nur zu meinem Vergnügen und auf eigene Kosten drucken lassen, um manche in demselben gesammelte historische Notizen aufzubewahren. Ew. Hochwohlgebohrnen sind aber gewohnt, in Ihren Nebenstunden sich mit ernstlichen, nicht blos unterhaltenden Schriften zu beschäftigen, und auch an solchen Interesse zu finden, deren Gegenstand sonst wegen seiner Trockenheit für die meisten Leser abschreckend ist: Sie werden demnach auch dieses Werk lesen, wenn Sie auch nur durch die freundschaftliche Erinnerung an den Verfasser dazu veranlaßt werden sollten. Ich darf um so mehr darauf rechnen, da Ew. Hochwohlgebohrnen so gütig über einige geschichtliche Bemerkungen urtheilten, die ich bey einer uns gemeinschaftlich, mit dem verehrungswürdigen, jetzt verewigten Herrn Staats-Minister von der Wense aufgetragenen Arbeit Ihnen

 

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vorgelegt hatte. Es sind seitdem beynahe zwey Jahrzehende verflossen; hoffentlich sind aber Ew. Hochwohlgebohrnen Gesinnungen gegen mich auch in der Abwesenheit unverändert geblieben. Schon damalls hatte ich längst den Entschluß gefaßt, meine dortige Lage mit meinem hiesigen ländlichen Aufenthalte, ich welchem ich seitdem so glückliche Tage verlebt habe, zu vertauschen, und war demnach auf litterarische Beschäftigungen zu Ausfüllung der mehreren Muße, der ich hier entgegen sahe, bedacht gewesen. Ich wählte mir dazu besonders die vaterländische Geschichte, jedoch, meiner anfänglichen Absicht nach, blos als Dilettant, und ohne den entferntesten Gedanken daran, daß ich als Schriftsteller einst auftreten würde, wozu ich nie geneigt war. Ich stieß aber bey meiner blos zum Vergnügen angefangenen historischen Leserey auf unendliche Zweifel und Schwierigkeiten, welche mich zu weiteren Nachforschungen reizten, die ich bis zu den ersten Quellen verfolgte. Die dazu erforderlichen Bücher war ich so glücklich, in kurzer Zeit und mit wenigen Kosten so vollständig zusammen zu bringen, wie man sie in Privat-Bibliotheken nicht häufig findet. Die zur bloßen Unterhaltung unternommene Beschäftigung verwandelte sich hiedurch in ein ernstliches Studium. Ich sammelte jedoch nur Collectaneen, und entwarf kleinere

 

 

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Aufsätze über einzelne Gegenstände, blos um dasjenige für mich aufzubewahren, was ich an Berichtigungen oder neuen Bemerkungen herausgebracht zu haben glaubte. Zufällig hatte ich dann auch auf die in der Gegend um Bremen im zwölften Jahrhunderte gestifteten niederländischen Colonien meine Aufmerksamkeit gerichtet; und da ich bey Vergleichung der Eelkingschen Nachrichten mit den Quellen, den Localverhältnissen und den gleichzeitigen Begebenheiten vielen Stoff zu Erläuterungen fand, so fieng ich an, diese zu Papier zu bringen. Je mehr ich in dieser Arbeit fortschritt, desto mehr reizte mich dieselbe, sie auch auf die übrigen Provinzen, wo dergleichen Colonien angesiedelt worden, zu erstrecken; und da mich dieses in viele Untersuchungen hinein führte, die mir Veranlassung gaben, in gelegentlichen Bemerkungen sehr vieles von den Resultaten meiner Forschungen darzulegen, so konnte ich der Versuchung nicht widerstehen, ein eigenes Werk über diesen Gegenstand auszuarbeiten und bekannt zu machen. Die wenigen, die sich mit der Geschichte des Mittelalters als mit einem ernsten Studium beschäftigen, werden noch wohl einiges, das ihnen interessant ist, in demselben finden, und, wenn sie auch in vielem nicht mit mir einstimmig seyn sollten, doch vielleicht einzelne Bemerkungen als Gewinn für die Geschichtskunde betrachten.

 

 

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Ohne die lebhafte Neigung, die ich für dieses Studium gewonnen habe, würde dieses Werk nie zu Stande gekommen seyn, denn ich habe die vorhin erwartete Muße hier bey weitem nicht in der Maaße gefunden, und seit den letzten vier Jahren hat mir diese auf Veranlassung der abwechselnden Schicksale unsers Vaterlandes so gänzlich gefehlt, daß ich nur mit Mühe das größtentheils ausgearbeitete Werk habe zum Schlusse bringen können. Nunmehro ist es jedoch gänzlich vollendet, und der zweyte und letzte Band ist unter der Presse.

 

Nehmen Ew. Hochwohlgebohrnen solches gütig auf, und beehren ferner mit geneigtem Wohlwollen Ihren Sie aufrichtigst verehrenden

 

Meienburg, am 25. Septbr. ganz gehorsamsten Diener

1815. A. v. Wersebe.

 

 

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I. Einleitung

 

Die Colonien derjenigen Holländer und sonstigen Niederländer, welche sich in der letzten Hälfte des zwölften und im Anfange des dreizehnten Jahrhunderts im nördlichen Teutschlande niedergelassen haben, sind bereits ein Gegenstand mehrerer geschichtlichen Untersuchungen gewesen, und fast von keinem neuern Geschichtschreiber unseres nördlichen Niedersachsens ganz unerwähnt gelassen worden. Besonders aber hat der verstorbene Syndicus der Stadt Bremen, Reichsfreiherr von Eelking, in einer eigenen, schätzbaren und allgemein bekannten Abhandlung die von diesen Colonien vorhandenen Nachrichten vollständig darzulegen und zu erläutern sich bemühet 1) Man wird nicht leicht eine hieher

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1) Diese Abhandlung, welche die Inaugural-Dissertation des Verfassers ausmachte, von welcher jedoch ein großer Theil erst später im Druck erschien, führt den Titel: Diss. de Belgis Saeculo XII. in Germaniam advenis, variisque institutia atque iuribus ex eorum adventu ortis; quam - publico eruditorum examini submittit Joannes Eelking, Brema Saxo. Gottingae 1770. In Rundens deutschem Privat-Rechte (§. 485. not. d.) wird Carl Casimir Wund als der eigentliche Verfasser dieser Dissertation nahmhaft gemacht. Daß dieser, nachmahls als Kirchenrath in Heidelberg verstorbene Wund, welcher Herrn Eelkings Hofmeister in Göttingen war, vielen Antheil an der Ausarbeitung derselben gehabt habe, ist freilich wohl gewiß. Doch kann ich als academischer Zeitgenosse und Bekannter von beyden auch bezeugen, daß Herrn Eelking, einem bey allem seinem damahligen Reichthume fleissigen und soliden jungen Manne, der Gegenstand derselben nicht fremd war, und daß derselbe wahrscheinlich durch Sammlungen von hieher gehörigen Nachrichten, die er aus Bremen mitgebracht, wo damahls mehrere gründliche Sachkenner sich ohne Geräusch mit der vaterländischen ältern Geschichte beschäftigten, die wichtigsten Materialien zu dieser Abhandlung, welche Herrn Wund, als einem Pfälzer, ziemlich unbekannt seyn mußten, geliefert hat.

 

 

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gehörige Stelle in gleichzeitigen Annalen oder Urkunden auffinden, die er nicht wenigstens berührt hätte. Ueberhaupt hat man seiner ganzen Darstellung seitdem nichts Erhebliches hinzuzusetzen gewußt, sondern die spätern Schriftsteller sind durchgängig bey demjenigen; was er beygebracht und vorgetragen hat, stehen geblieben. Neuerlich hat Herr J. G. Hoche 2) die Ge-

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2) Damahliger Senior des theologischen Seminarii in Halle, nach- mahls Pastor zu Rödinghausen in der Grafschaft Ravensberg. Der Titel der Schrift ist: Historische Untersuchung über die niederländischen Colonien in Niederdeutschland, besonders der Hollander und Fläminger, wie auch derselben Rechte und Gebräuche, von Johann Gottfried Hoche. Halle bei Curts Witwe 1791 8. Ueber die Local-Bestimmungen, besonders der Bremischen und Holsteinischen Colonien, welche einen Haupt-Gegenstand meiner Untersuchungen ausmachen, ist dieser Verfasser noch kürzer als Eelking hinausgegangen. Schon ein Jahr früher hatte derselbe eine vollständige Geschichte der Grafschaft Hohenstein, der Grafschaften Lohra, und Klettenberg Heringen Kelbra etc. (Halle bei Franke und Bispink 1791. 8.) herausgegeben, in welcher man bey allem sichtbaren Bestreben des Verfassers nach einem gründlichen und zugleich fließenden Vortrage doch häufig eine reife Kritik und hinlängliche Bestimmtheit der Angaben vermisset. Weit besser ist ihm ein späteres mehr zur bloßen Unterhaltung bestimmtes Werk, nemlich seine Reise durch Osnabrück und Nieder-Münster in das Saterland, Ostfrießlaud und Gröningen , (Bremen bei Wilmans 1800 kl. 8.) gelungen.

 

 

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Geschichte dieser Colonien in einer eigenen wohlgeschriebenen Abhandlung mit vielem Fleiß bearbeitet, gleichwohl im Wesentlichen außer den von Eelking gesammelten Nachrichten wenig Erhebliches beygebracht. Obgleich man nach der Art, wie er die Geschichte erzählt, glauben sollte, daß er alles selbst aus den Quellen gesammelt hätte, so hat er doch würklich, wie die nähere Vergleichung mit dem Eelkingschen Werke ergiebt, nichts weiter geleistet, als daß er Eelkings Meinungen und Darstellungen, von denen er nirgend abweicht, mit einem guten Vortrage in der Muttersprache und einigen ziemlich ausserwesentlichen, geschichtlichen und juristisch-antiquarischen Bemerkungen ausgeschmückt hat. Demohngeachtet scheint mir dieser Gegenstand noch nicht gänzlich erschöpft, sondern noch manche Veranlassung zu Berichtigungen und weitern Nachforschungen übrig geblieben zu seyn, deren einige zu liefern, der Zweck dieser Abhandlung ist. Eine speciellere Darlegung des Inhalts der einzelnen gleichzeitigen Nachrichten, und eine nähere Zusammenstellung und Vergleichung derselben mit Rücksicht auf die Zeitfolge und die Lage jeder einzelnen Colonie, besonders in Ansehung derjenigen, die hier im Bremischen und im Holsteinischen angelegt worden, als in Ansehung deren die meisten und vollständigsten Nachrichten auf die Nachwelt gekommen sind;

 

 

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dürfte zu verschiedenen nicht uninteressanten Resultaten führen, und sowohl die Local-Verhältnisse dieser Colonien, als die Umstände, unter denen sie angelegt und wodurch die Stiftung derselben veranlaßt worden näher erläutern, und aus einem etwas andern als dem bisher durchgängig angenommenen Gesichtspunkte darstellen.

 

Durch einzelne abgerissene Bemerkungen kann dieses jedoch nicht geleistet werden, sondern es wird ein nochmahliger Vortrag der ganzen Geschichte dieser Niederlassungen dazu erforderlich seyn. Einige sich hiebey gelegentlich darbietende, theils in die allgemeine Geschichte jener Zeiten, und der damahligen Verfassung, theils in die besondere Provincial-Geschichte der Länder, wo Colonien angelegt worden, einschlagende Bemerkungen werden in den Noten ihren Platz finden 3a).

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3a) Der Verfasser sahe es nicht yorher, daß diese Abhandlung zu einem so weitläufigen Werke anwachsen würde. Als er die Bearbeitung derselben anfieng, hatte er nur die Absicht, in Ansehung der Colonien im Bremischen und Holsteinischen die Lokal-Umstände und geschichtlichen Verhältnisse so ausführlich zu erläutern, als es geschehen ist. In Ansehung der übrigen Provinzen, in denen Colonisten angesiedelt worden, glaubte er sich auf eine kurze Angabe der von Eelking gesammelten Nachrichten beschränken und dadurch die in der Einleitung berührten Resultate begründen zu können. Als er aber an die Arbeit gieng, eröffneten sich ihm sehr reichhaltige Quellen fernerer Erläuterungen, Berichtigungen und geschichtlicher Bemerkungen, die er mitzutheilen sich nicht enthalten konnte. Die wenigen Leser, die an dergleichen trockenen Untersuchungen Geschmack finden, werden durch die größere Ausdehnung des Werks und dadurch, daß ein großer Theil desselben mehr aus Noten als aus Text bestehet, nicht abgeschreckt werden, wenn sie anders die Bemerkungen richtig und einige derselben neu finden sollten. Ist dieses nicht der Fall, so würde auch die kürzere anfangs beabsichtigte Abhandlung ihren Beyfall nicht gefunden haben, und Andere, die sich aus der Geschichtsforschung kein eigentliches Studium machen, würden ohnehin die kürzere Abhandlung eben so wenig als dieses grössere Werk jemahls gelesen haben.

 

 

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Von dem Herrn von Eelking, Herrn Hoche und den meisten übrigen diesen Gegenstand berührenden Schriftstellern weiche ich zuförderst in Ansehung der übertriebenenVorstellungen ab, welche sie sich von dem großen Umfange dieser Colonien machen. So vieles auch die Kritik der neuern Geschichtschreiber in den Erzählungen ihrer Vorgänger schon berichtigt hat, so haben sie sich doch noch nicht allenthalben von dem Vergrößerungs-Geiste, der den letztern eigen war, als welche mehr darauf dachten, etwas Merkwürdiges zu erzählen, als der Wahrheit treu zu bleiben, ganz losreissen können. Auch den Herrn von Eelking trifft dieser Vorwurf, ob er gleich aus den Localbestimmungen, die er selbst bey einigen der einzelnen Niederlassnngen ziemlich richtig angiebt, auf die Herabstimmung seiner Begriffe im Allgemeinen hätte geleitet werden müssen. Hiernächst bin ich aber auch mit demselben und dessen Nachfolgern nicht ganz einstimmig in demjenigen, was sie von dem Endzwecke und der Veranlassung dieser Ansiedelungen angeben. Aus allem dem folgen dann ferner abweichende Resultate in Ansehung des großen Einflusses, den die erwähnten Schriftsteller der Anlage dieser Colonien auf die Staatsverfassung, Sitten und Cultur der Provinzen, wo selbige angelegt worden, zuschreiben, als welcher, meiner Meinung nach, bei weitem nicht so wichtig gewesen ist. Weit mehr treffe ich dagegen mit denselben in demjenigen zusammen, was die Rechte und Verbindlichkeiten der Colonisten selbst sowohl in Ansehung ihrer persönlichen Verfassung, als in Hinsicht der acquirirten Grundstücke betrifft. Die Urkunden reden hierüber zu deutlich, als daß deshalb viele Zweifel statt finden konnten. Die Gründe meiner Meinungen über

 

 

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jene Punkte werden sich aus meinem Vortrage der Geschichte schon solchergestalt ergeben, daß es hinlänglich seyn wird, die Resultate derselben und deren Verschiedenheiten von der gemeinen Meinung am Schlusse in einigen kurzen Bemerkungen darzulegen. Hier muß ich nur noch über diejenigen Verhältnisse, welche zu der Anlegung dieser Colonien die Veranlassung gegeben haben, Einiges als Einleitung voranschicken.

 

Am richtigsten scheint mir hierüber F. C. J. Fischer in seiner, (sonst wegen der vielen Mährchen und leeren Hypothesen mit Recht übel berüchtigten,) Geschichte des teutschen Handels 3b), und nach ihm der Herr Hofrath Jacobi in einem Aufsatze im Hannöverischen Magazin 4), sich dahin ausgedrückt zu haben: Man verschrieb deswegen gern die Niederländer zu Anbauung der sumpfigen und morastigen Gegenden Nieder-Teutschlands, weil sie am besten dieselben zu behandeln wußten, indem sie das Wasser durch viele Graben ableiteten, das Riethgras und anderes Unkraut abbrannten, und auf andere Weise das Moorland zu arthaftiger Flur machten. Die übrigen vorhin erwähnten Schriftsteller bleiben bei diesen Gründen nicht stehen. Sie nehmen an, daß in den eroberten Slavischen Provinzen das durch die Eroberungs-Kriege gänzlich verwüstete Land vermittelst dieser angelegten Colonien wieder habe mit Einwohnern besetzt werden sollen; in den ursprünglich Sächsischen Gegenden an der Weser, Elbe und Nordsee hingegen die Colonisten diejenigen gewesen wären, welche

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3b) 1r Theil. S. 842.

4) Mittheilungen aus der Geschichte in Beziehung auf den deutschen Ackerbau der letzten 10 Jahrhunderte; im neuen Hannöverischen Magazin, Jahrgang 1801. S. 693-694

 

 

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die daselbst befindlichen Marschländer hauptsächlich eingedeicht und angebauet hätten.

 

Beides scheint mir unrichtig. Die Eroberungen Slavischer Provinzen gaben zwar in so fern Veranlassung zu Herbeyrufung der Colonisten, als die Eroberer auf die sorgfältige Cultur der erworbenen Länder mehr als die vorigen Slavischen Regenten Bedacht nahmen; die unten vorkommenden Bemerkungen werden aber ziemlich glaubhaft darlegen, daß hauptsächlich nur solche Plätze, die vorhin von den Slaven nicht angebauet waren, mit diesen Colonisten besetzt worden. Die größern Marschländer an den Ufern der Nordsee und der sich in dieselbe ergiessenden Flüsse waren auch gewiß längst eingedeicht, oder doch mit Einwohnern besetzt, ehe die Holländer in das Bremische und Holsteinische berufen wurden, und die folgenden Untersuchungen werden zeigen, daß die Colonien derselben in diesen Ländern gar nicht in der eigentlichen damahls schon ganz angebaueten Marsch, sondern bloß in den Möören oder Brüchen angelegt sind. In Obersachsen, wo sich keine bedeutende Marschdistricte befinden, und in den ehemals Slavischen Provinzen, wo man sich auf deren Anbau nicht verstand, hat man sich freilich wohl der Niederlandischen Colonisten bedient, um einige kleine marschartige Gegenden einzudeichen und anzubauen; eben daher findet man aber auch unter den dortigen Ansiedlern Friesen und Fläminger, dagegen hier im Bremischen und im westlichen Holstein die Einwanderer bloß aus Holländern bestanden. Der Endzweck, wozu man diese in das Land berief, war ohne Zweifel bloß die Moor-Cultur.

 

Obgleich die Chauken an der Nieder-Weser sich schon zu des ältern Plinius Zeiten des Torfs zum Brennen bedienten 5),

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5) Histor. natural. Lib. 16. Cap. I. Captum manibus kistum ventis magis quam sole siccantes, terra cibos et rigentia septentrione viscera sua urunt.

 

 

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und die Einwohner angrenzender Geestdörfer von jeher einiges Vieh zur Weide in die benachbarten Mööre getrieben haben mögen, so findet man doch bis zu der Ankunft der erwähnten Hölländer keine Spur von einer weitern Cultivirung des Torfmoors, oder auch nur von irgend einiger Benutzung der von den bewohnten Geest- und Marsch-Orten zu weit entlegenen, wenn gleich noch so geräumigen Moor-Districte. Wir dürfen vielmehr mit Grunde voraussetzen, daß diese bis dahin ganz wüst und unbenutzt, gelegen haben. Es ist bekannt, daß dieses in Ansehung derjenigen Districte hier im Bremischen, welche höher nach der Geest herauf belegen und mit Heide bewachsen waren, noch bis zu unsern Zeiten der Fall gewesen ist, und man erst seit einem halben Jahrhunderte diese grössern wüsten Geest-Mööre zu bebauen und zu cultiviren angefangen hat. Noch jetzt möchte dieses kaum so weit fortgeschritten seyn, wenn nicht die Consumtion des Torfs durch den stärkern Anbau der Städte Hamburg und Bremen, den vergrösserten häuslichen Aufwand, den immer zunehmenden Holzmangel und einige Fabriken so sehr vermehrt, und dadurch die Veranlassung dazu gegeben wäre, dergleichen Mööre immer mehr abzugraben, und bey dieser Gelegenheit auch auf deren Cultur zu rafiniren. Anders verhält es sich freilich bei denjenigen grünen Möören oder sogenannten Brüchen, (Broken) welche theils zwischen der Marsch und Geest, theils an den Ufern kleinerer Flüsse belegen sind, und wie die folgenden geschichtlichen Untersuchungen darlegen werden, die eigentlichen Wohnsitze der Holländischen Colonisten ausgemacht haben. Der ergiebige Graswuchs reizte natürlicher Weise ungleich früher zumAnbau derselben. Dennoch ist es begreiflich, daß auch hier der zu weiche und sumpfige Boden, die niedrige Lage

 

 

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und die dadurch verursachte, den größten Theil des Jahres hindurch fortwährende Ueberstauung mit Moorwasser sehr abschreckende Schwierigkeiten veranlassen mußten, denen nicht anders als durch Eindeichungen, Wasserzüge und Schleusen abgeholfen werden konnte. Ohne Zweifel konnte man aber dergleichen hier nicht eher anlegen, als bis in den eigentlichen Marsch-Districten, nach denen die Abwässerung dieser Mööre hingeleitet werden mußte, bereits ähnliche Anstalten gemacht waren. Ueberhaupt ist es natürlich, daß die eigentliche Marsch ungleich früher bebauet und bewohnt worden, als jene sogenannten marschmoorigen Gegenden. Der schlammige Marschboden hat dennoch allenthalben festen Grund, an welchem es in den Möören und Brüchen oftmahls bis zu einer beträchtlichen Tiefe fehlt. Dieses erleichterte dort die Anlegung hoher Wohrten, (Aufwürfe,) auf denen die Einwohner auch schon vor der Eindeichung Wohnhäuser errichten konnten; und da die Marsch, da wo kein Abbruch am Ufer ist, durch den Schlamm der Fluthen allmählig erhöhet wird, (welches bey jenen, bloß durch Moorwasser überflossenen Brüchen nicht der Fall ist,) so finden dort keine andere Ueberströmungen als bey ungewöhnlich hohen Fluthen, die meistens nur im Winter eintreten, statt, mithin kann daselbst auch das Land, wie es noch jetzt auf den Aussendeichen und Inseln der Fall ist, ohne alle Bedeichung sehr vortheilhaft benutzt und selbst zum Anbau des Sommerkorns gebraucht werden.

 

Daß dieses auch wirklich in den ältesten uns durch die Geschichte bekannten Zeiten bereits geschehen sey, das beweiset das deutliche Zeugniß des ältern Plinius, welcher die Chauken als Bewohner solcher Wohrten beschreibt 6). Aus dieser

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6) Histor. natural. Lib. 16. Cap. 1. Sunt vero et in Septentrione visae nobis (gentes) Cuachorum, qui maiores minoresque appellantur. Vasto ibi meatu bis dierum noctiumque singularum intervallis, effusus in immensum agitur oceanus, aeternam operiens rerum naturae controversiam, dubiumque, terra sit, an parte im maris.Illic misera gens tumulos obtinet altos, aut tribunalia structa manibus ad experimenta altissimi aestus, casis ita impositis: navi9gantibus similes, cum integant aquae circumdata, naufragis vero cum recesserint fugientesque cum mari pisces circa tuguria venantur. Es sind hier mehrere Bemerkungen über die Lebensart dieser Wohrten-Bewohner hinzugefügt: daß dort keine Jagd statt finde; daß sie das Regenwasser in Cisternen sammelten; daß sie Torf brenneten, (S. oben Note 5.) welches alles nach jetzt zutrifft. Uebrigens aber schildert Plinius, wie Lappenberg im Grundriß der Bremischen Geschichte, in Pratjens Herzogthümern Bremen und Verden 1ste Sammlung S. 297 aus guten Gründen bemerkt, die Lage der Chauken elender als sie wirklich war, besonders in dem Stücke, daß sie, seiner Angabe nach, kein Vieh und keine Milch gehabt, sondern bloß vom Fischfange gelebt hätten. Die Römer; deren Flotte hier durch einen schweren Sturm bedrängt ward, sahen diese Gegenden vermuthlich nur bey einer hohen Fluth, wobey das Vieh in den Ställen verborgen war, und kannten übrigens die Verhältnisse der Einwohner, bey denen sie nicht landeten, wohl nur durch Hörensagen.

 

 

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Beschreibung folgt freilich zugleich, daß die Chauken damahls noch keine Deiche kannten. Höchst wahrscheinlich sind indessen die Weserdeiche schon lange vorher, ehe unsere Colonisten in das Land kamen, angelegt gewesen, wenigstens ist es gewiß irrig, wenn man den letzern, wie es meistentheils geschiehet, das Verdienst dieser Eindeichung der eigentlichen Marschländer zuschreibt. Die Römer ließen schon zu der ersten Kaiser Zeiten Deiche am Nieder-Rheine anlegen 7), und,

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7) Tacitus Annal. Lib., 13. Cap. 53. Paulinus Pompeius, L. Vetus, ea tempestate, zu den Zeiten des Nero, exercitui praeerant. Ne tamen segnem militem attinerent, ille inchoatum ante tres et sexaginta annos a Druso aggerem coercendo Rheno absolvit. In der Folge ließ der berühmte Batavische Aufrührer Civilis diesen Deich einmahl durchstechen und bewirkte dadurch eine Ueberschwemmung. Tacitus Annal. Lib. 5. Cap. 19.

 

 

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die berühmte Schottische Mauer des Septimius Severus hatte wahrscheinlich einen Deich am Tyne-Fluß zur ersten Grundlage. Jene Anlagen am Nieder-Rhein mußten ohnfehlbar die benachbarten Holländer und Friesen bald zur Nachahmung reizen; zu den letztern gehörten aber auch die Bewohner unsers rechten Weser-Ufers im Osterstadischen und im Lande Wursten. Ja wir finden in einer noch weit entlegenern Gegend zu Carls des Großen Zeiten, also beinahe 400 Jahre vor der Ankunft unserer Colonisten, schon einen Wall an der Eider, der zugleich die Grenze zwischen Schleswig und Holstein und eine zur Befestigung derselben dienende Landwehr ausmachte 8)

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8) Die Fränkischen Annalisten, welche beym Jahre 808 dieses Walles als einer von dem Dänischen Könige Gottfried veranstalteten Anlage gedenken, bezeichnen solchen deutlich als einen am nordlichen Ufer der Eider errichteten Damm, vermittelst dessen die Grenze von der Ostsee bis zur Nordsee dergestalt verwahrt worden, daß nur ein Thor zur Durchfahrt für Wagen habe dienen können. Annales Eginhardi s. Adelmi apud Reuberum Veter. Scriptor. Tomo uno, Edit. Johannis p. 59; Schilteri Scriptor. rer Germ. p. 61: Freheri Corp. Franc. Historiae p. 410.; desgl. Regino Prumiens. ad ann. 808 in Pistorii Script. rer Germ. Edit. B. G. Struv. Tom. I. p. 55. Von diesem sogenannten Heckenthore hat nach Dithmars von Merseburg Bemerkung der Eider-Flus, Egidora, seinen Nahmen erhalten. (Apud Leibnitz. Script. rer. Brunsv. T. I. pag. 342; wiewohl diese, bloß in der Leibnitzischen Ausgabe befindliche, zu dem übrigen nicht ganz passende Stelle, wohl ein Einschiebsel seyn mag; welche wenigstens der neuere Herausgeber Dithmars, Herr Wagener, dafür hält, und daher selbige weggelassen hat; S. dessen Chronicon Dithmari, Norimb. 1807. 4 pag. 50. et not 55.) Leibnitz Tom I. Scriptor rer. Brunsv. pag. 29 not h.) und nach ihm Eckhart de rebus Franciae Oriental. Tom. I. pag 2. behaupten sogar nicht ohne Anschein, nach Anleitung einer von dem erstern eingerückten Stelle des Geographus Ravennas, daß die Eider vorher der Dehn-Fluß geheissen habe, und der Nahme des Dänischen Reichs, wie auch der Stadt Tönningen oder Deningen, hievon abzuleiten sey.

 

 

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desgleichen in der Folge zu den Zeiten der Ottonen weiter nordwärts in der Gegend von Schleswig das in gleicher Absicht angelegte berühmte Danawirk. Dieses letzte war freilich kein Deich, sondern eine quer über das feste Land angelegte Landwehr 9), und ich, getraue mir selbst in Ansehung jener ältern Anlage an der Eider gleichfalls nicht zu behaupten, daß solche ein eigentlicher Deich an diesem Flusse gewesen

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9) Dieses Danawirk, (welches nicht an der Eider belegen, sondern ein von Schleswig bis zum Treen-Flusse angelegter Wall war, von welchem noch jetzt Ueberbleibsel vorhanden sind; S. Dankwerths Schleswig-Holsteinische Landes-Beschreibung S. 111-113. Gebhardi Geschichte von Dännemark, im 32sten Theile der allgemeinen Welthistorie S. 403. 404. 412.) war von jener frühem Anlage des Königs Gottfried wie Gebhardi a. a. O. S. 381 Note (U) richtig bemerkt, ganz verschieden, und es ist daher ohne Grund, wenn Dankwerth. a. a. O. S. 111 den Regino von Prüm , welcher dieser Anlage ihren Platz bey der Eider anweiset, eines aus Unkunde der Gegend entstandenen Irrthums beschuldigen will. Zu Gottfrieds Zeiten war hier, wo jetzt wiederum die Scheidung zwischen Schleswig und Holstein befindlich ist, allerdings die Grenze des Dänischen Reichs, welche erst in der Folge durch die Siege des teutschen Königs Heinrichs des Ersten über den Dänischen König Gorm bis nach der Gegend von Schleswig, und des nachmahls dort veranstalteten Danawirks zurückverlegt worden. Gundling de Henrico Aucupe §. 27. Mascov Henricus I. §. 21, pag. 19. 20. Gebhardi a. a. O. S. 397. §. 43. Note (E.)

 

 

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sey 10): allein ich werde doch wohl sicher voraussetzen dürfen, daß ein Volk, welches so starke Wälle zur Grenzbefestigung anlegte, auch die Ufer seiner Flüsse mit dergleichen werde zu verwahren gewußt haben, und eben hiedurch zu jener Art der Befestigung hingeleitet worden sey. Bey Bremen insbesondere scheint nach Adams von Bremen Zeugnisse zu den Zeiten des Erzbischofs Unwan, welcher in den Jahren 1013 bis 1029 regierte, ein Deich vorhanden gewesen zu seyn, welcher zum Schutz gegen feindliche Anfälle mit einer Befestigung versehen worden 11). Kenner setzt diese Veranstaltung in das Jahr 1020 12). Es ist aber ein offenbarer Mißverstand, wenn der

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10) Die angezogenen Stellen der Annalisten scheinen dieses zwar zu besagen; allein ich möchte sie doch lieber von einem solchenWalle verstehen, der auf dem festen Lande, vom nordlichen Ufer der Eider bei dem Flemhuder See die zu der sich in die Ostsee ergießenden Levensaue; als woselbst noch jetzt die Grenze befindlich und mit einer Landwehr versehen ist, angelegt worden. Ich gebe dieser Voraussetzung um so mehr den Vorzug, als sich noch gegenwärtig an der obern Eider bis weit unterhalb Rendburg (so viel ich weiß,) keine Deiche befinden, folglich die Annalisten wohl nicht haben sagen können, daß das ganze nordliche Ufer dieses Flusses längs der Grenze mit einem Deiche eingefaßt worden sey.

11) Histor. Eccles. Lib. 2. Cap. 33. apud Lindenbrog. Scriptor. rer. Septentr. Ed. Fabriccii pag. 25. Ipso tempore ferunt aggerem Bremensem firmatum contra insidias et impetus inimicorum, praecipue quoniam Dux Bernardus, Heinrico Imperatori ausus rebellare, teruit et turbavit omnes Ecclesias Saxoniae. Ich leugne jedoch nicht, daß es mir zweifelhaft ist, ob Adam. hier von dem Weserdeiche, oder nicht vielmehr von einem kleinen Walle um die Stadt, als der damahligen gewöhnlichen Befestigung, rede.

12) Fol. m. 57. pag. 2. In der Tied vestede men den Diek to Bremen, umme der Feinde anloep willen. Unmittelbar vorher erwähnt Renner einer im Jahre 1020 eingetretenen großen Wasserfluth und darauf gefolgten schweren Pestilenz, deren er mit denselben Ausdrücken schon früher als in Flandern vorgefallen, gedenkt; Fol. 56. p. 2. Gesetzt indessen, es hätte mit dieser Wasserfluth, von der ich weder bey Adam noch in andern glaubhaften Quellen eine Nachricht finde, seine Richtigkeit, und die Befestigung des Deichs, wovon hier die Rede ist, wäre durch diese Wasserfluth veranlasset, so müßte man doch immer annehmen, daß schon vor der Wasserfluth ein Deich dort existirt hätte, weil sowohl Adam als Renner nicht sagen, daß solcher neu angelegt, sondern daß er befestigt sey.

 

 

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Verfasser der aus dem RennerschenWerke epitomirten kleinen Reim-Chronik 13) diese Stelle dahin deutet, als ob damahls

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13) In dieser heißt es S. 13 des im Jahre 1717 zu Stade erschienenen Nachdrucks, zum Jahre 1020: De Elve unde Wesserfloth, Sint dissen Tidt geworden groth, Und hebben groten Schaden dan, darup men iß tho Nade gan, Dath men den Wesser Dieck gelecht. Dieser Auszug soll freilich Rennern selbst zum Verfasser haben. Zuerst ist selbiger zu Bremen im J. 1583, mit welchem Jahre sich die Rennersche Arbeit schließt, im Druck herausgekommen; sodann hat Renners Schwiegersohn, Johann Hannover solchen in das Hochteutsche übersetzt, hernachmahls aber ist das plattteutsche Original zu Stade im J. 1717 durch Veranstaltung des Rectors Roth; (S. Lappenbergs Grundriß der Bremischen Geschichte in Pratjens Herzogth. Bremen und Verden 1ste Sammlung S. 291) wieder nachgedruckt worden. Mir ist es doch immer wahrscheinlicher, daß Renner einem Andern verstattet habe, diesen gereimten Auszug aus seinem Manuscripte zu machen, und mit Beysetzung seines Nahmens, als des Verfassers der Haupt-Chronik, woraus dieses kleine Werk genommen war; drucken zu lassen. Wenigstens ist es gewiß, daß diese Stelle der letztern ganz etwas anders sagt, als die grössere Chronik; (vergl. die vorige Anmerkung) und daß also Renner den Inhalt der Chronik bey Abfassung dieser Stelle des Auszugs, (wenn er solchen gemacht hätte,) selbst mißdeutet und den richtigen Zusammenhang der Sache vergessen haben müßte. Auf jeden Fall kann aber Renners Zeugniß hier überall nichts gelten, in so fern er von Adam von Bremen, aus welchem ohne Zweifel die ganze Nachricht geschöpft ist, abweicht.

 

 

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zuerst ein Deich an der Weser angelegt wäre, welches gleichwohl einige neuere Schriftsteller ihm nachschreiben 14).

 

Mit dieser von mir angenommenen frühen Bedeichung der Weser scheinen freilich die Beschreibungen mehrerer Oldenburgischen Geschichtschreiber von der ehemahligen Vertheilung des Weserstroms in viele einzelne Arme, durch welche das unbedeichte Stedinger- und Butjadinger-Land in mehreren Richtungen durchschnitten gewesen seyn und daher größtentheils aus Inseln bestanden haben soll 15), nicht übereinzustimmen. Einige derselben behaupten sogar, die Stedinger hätten bey niedriger Ebbe zu Fuß vermittelst übergelegter Bretter oder Gasseln die Weser passiren, und so auf dem davon benannten Fresenwege nach Bramstedt, wo sie eingepfarret gewesen, zur Kirche gehen können 16). Die Unmöglichkeit hievon fällt aber wohl zu deutlich in die Augen, als daß sie näher demonstrirt werden dürfte. Der Herr Probst Bisbeck 17), der sich diesen Fußweg nicht nehmen lassen will, hat doch die Schwierigkeiten

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14) C. A. Heinecken tentamina iuris aggeralis reipubl. Bremensis (Gotting. 1774.) §. 3. pag. 5. 6. cum not. y); Heer Probst Visbeck, Niederweser und Osterstade §. 10. S. 28.

15) Herr Canzlei-Director von Halem, Oldenburgische Geschichte, Ir. Band S. 37, und in eben der Maaße, nur ausführlicher, Herr Probst Visbeck, Niederweser und Osterstade H. 3-5. S. 7-16.

16) Herr von Halem, Oldenburgische Geschichte Ir. Band S. 86, und die daselbst in der Note s) angeführten Blätter vermischten Inhalts, welche letztern ich aber nicht Gelegenheit habe selbst einzusehen.

17) Niederweser und Osterstade S. 23 S. 79 folgg.

 

 

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desselben wohl gefühlt, und gestehet selbst, daß die Friesen mit Hülfe der Gasseln nicht trockenes Fußes haben durchkommen können; er meint indessen, wenn sie Schuhe und Strümpfe ausgezogen hätten, so würden sie wohl den Durchgang vermittelst des Durchwadens oder Ueberspringens, da, wo die Bretter nicht zugereicht, bewerkstelligt haben. Mir scheint es jedoch sehr klar, daß die ganze Erzählung auf einem Mißverstande beruhe, der sich am gewissesten durch die Beschreibung des noch jetzt diesen Namen führenden Fresenweges aufklärt, welche uns der zuletzt erwähnte, der Gegend besonders kundige Schriftsteller 18) mitgetheilt hat. Dieser Weg ist nemlich ein aus der Osterstader Marsch durch das Moor nach der Geest heraufgehender Weg, dessen sich ohne Zweifel die zu Bramstedt eingepfarreten Osterstader als ihres Kirchweges bedienten, und der deshalb, weil diese Osterstader mit zu den Stedingischen Friesen gehörten, füglich der Fresenweg benannt werden konnte. In diesem Wege mochten einige Moor-Rillen befindlich seyn, die man mit Hülfe der Gasseln passirte, welches ein jeder, der dergleichen Moorwege kennt, sehr begreiflich finden wird. Späterhin ist dann irgend ein Geschichtforscher, der diesseits der Weser keine Friesen kannte, durch jene Benennung verführt worden, sich hier einen Durchgang der westlichen Stedinger durch die Weser zu gedenken. Herr Visbeck erwähnt zwar auch einer vor diesem Wege ausserhalb des Deichs in der Weser liegenden Fresen-Wegs-Schlenge; allein diese Schlenge, welche gewiß ein Werk neuerer Zeiten ist; (denn die Friesen können doch wohl schwerlich, eher sie Deiche angelegt, Schlengen erbauet haben;) ist sicher kein Theil des Fresenweges gewesen, sondern nur deshalb, weil sie in der Nähe desselben belegen ist, so benannt worden. Auch waren schwerlich jemahls

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18) a. a. O. S. 79

 

 

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Dorfschaften jenseits der Weser nach Bramstedt eingepfarret. Die bekannte Urkunde des Erzbischofs Friedrich, welche die sämmtlichen Bramstedtischen Pfarrdörfer aufzählt 19), benennt deren keine, und die 16 Grote, welche die Kirche zu Esenshamm, nach Herrn Visbecks Angabe 20), an die Bramstedtische Kirche bezahlt haben soll, beweisen nach desselben eigener Bemerkung nur eine Unterwersung des Pfarrers am erstern Orte unter die Bramstedtische Obedienz, mithin keine Einpfarrung der Eingesessenen. Daß der jetzige Ausfluß der Weser von jeher der Haupt-Arm derselben gewesen sey, erkennet der Herr Probst selbst 21), und erwähnt dabey des Umstandes, daß die Leiche des heiligen Willehad im Jahre 790 auf diesem Strome von Blexum nach Bremen geschifft worden. Diese Schiffbarkeit möchte sich mit dem Durchwaden desselben wohl nicht recht vereinbaren lassen; indessen würde ich meines Theils auf diesen letztern Vorgang, wenn der Fußweg durch die Weser sonst möglich und glaublich wäre, eben kein Gewicht legen, weil das Abschiffen jenes heiligen Leichnams nur aus den Zeugnissen späterer Chronikenschreiber beruhet 22).

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19) S. von dieser Urkunde unten die Note (31).

20) a. a. O. S. 84.

21) a. a. O §. 5. S. 14.

22) Nemlich Renners Fol. m. 10. pag. 1; welcher sagt: He starf elf und vul von Jahren to Blexen in dem Dorpe in Rustringen Ao. 790. Sin Lichnam wurd geföret de Wesser up und to Bremen begraven in St. Peters Kerken etc.; imgleichen der ältern Chronikenschreibers Herbert Schene, nach Staphorsts Zeugniß, Hamburgische Kirchegeschichte 1r Band, 1r Theil S. 680. In der alten Vita Willehadi hingegen, welche den heiligen Ansgar zum Verfasser halten soll, auf jeden Fall aber gewiß älter ist als jene Chroniken, heißt es nur Cap. 11. Pervenit ad locum qui dicitur Pleccatesheim, ibique - in Christi requievit nomine. Cuius ad exequias plebs undique devota accurens, Patrem et Doctorem beatissimum cum laudibus et hymnis ad sedem devehunt Bremensem; ibique eum - scpulturae tradiderunt (Phil. Caesaria Triapostolatus pag. 16-18. Langenbeck Scriptor. rer, Danicar. Tom. I. pag. 351), welches doch wohl, besonders in Hinsicht der singenden Begleitung des Volks, eher auf einen Land-Transport zu deuten ist. Adamus Bremensis Lib. I. Cap. 11. (in Lindenbrog Scriptor. rer. Septentr. edit. Fabricii pag. 5) sagt sogar: corpus eius Bremam deportatum in Basilica S. Petri - sepultum est.

 

 

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Uebrigens mag es immer seyn, daß in den ältesten Zeiten irgend ein Sand in der Weser durch einen Arm derselben, vom festen Lande, mit welchem solcher hernachmahls vermittelst einer Durchdämmung verbunden worden, getrennt gewesen sey; ja, daß einer oder ein Paar schmale Arme sich aus der Weser in die Jade ergossen, und den größten Theil des Butjadinger Landes vom festen Lande abgeschnitten haben, im spätern Mittelalter aber erst durchgedämmet seyn mögen: wiewohl ich das Gewicht der geschichtlichen Quellen, aus denen diese Angaben geschöpft worden, nicht hinlänglich zu beurtheilen vermag 23). Daraus folgt aber noch

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23) Der Herr Probst Visbeck allegirt an den oben bemerkten Stellen hauptsächlich ein Werk, welches den Titel des Oldenburgischen Deichbandes führen soll, mir aber nicht bekannt ist; ausserdem aber beziehet er sich auf des weil. Pastors Sibrand Meyers Rustringische Merkwürdigkeiten, welche auch bey des Herrn von Halem Angaben a. a. O. zum Grunde zu liegen scheinen. Auch diese letztern habe ich nicht nachschlagen können; indessen kenne ich den Verfasser, Sibrand Meyer, aus einigen in den Pratjenschen Sammlungen befindlichen Aufsätzen als einen zwar fleissigen Sammler und Forscher, dessen historische Kritik aber noch nicht hinlänglich gereift war, weshalb er auch von Lappenberg und Scheid einige scharfe Censuren hat erdulden müssen.

 

 

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nicht, daß es vor diesen Durchdämmungen noch gar keine Deiche in den gedachten Marschgegenden, selbst im Butjadinger Lande, gegeben hätte: ich könnte vielmehr das Gegentheil mit dem Zeugnisse Hammelmanns 24), welches auch Herr Visbeck ausdrücklich anführt und als glaubhaft annimmt 25), als nach welchem der Graf Otto von Oldenburg schon um die Mitte des zehnten Jahrhunderts herrliche Deiche und sogar Siele mit kupfernen Thüren dort angelegt haben soll, sehr bündig erweisen, wenn nicht der Herr von Halem 26) mit gar zu erheblichen Gründen dargethan hätte, daß ein solcher Graf Otto niemahls eristirt habe 27).

 

Doch, die Weser mag damahls seicht oder tief, bedeicht oder nicht bedeicht gewesen seyn, so ist doch allemahl so viel gewiß, daß die Marschgegenden an diesem Flusse und an der Elbe vor der Ankunft unserer Colonisten mit zahlreichen Einwohnern besetzt waren. Selbst in Ansehung des Butjadinger Landes ergiebt sich dieses aus der Lebens-Geschichte des heiligen Willehad, nach welcher derselbe in dieser Gegend das Missionsgeschäft betrieben hat, und zu Blexum gestorben ist 28). Der älteste bekannte teutsche Chronikenschreiber, der Abt Regino von Prüm, wie auch einige Fränkische Chroniken erwähnen ausdrücklich, daß Carl der Große im Jahre 797 bis in das Land Hadeln gedrungen sey 29), welches

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24) Oldenburgische Chronik S. 18.

25) Niederweser §. 7. S. 23

26) Oldenburgische Geschichte 1r Band S. 139-147.

27) Auch an das Dasehn des Siels mit kupfernen Thüren glaubt der Herr von Halern nicht; [Ebendaselbst S. 187 Note (**)] und ich eben so wenig.

28) S. oben Note 22.

27) Regino apud Pistorium Scriptor. rer. German. edit. Struv. Tom. I. pag. 48. Eo tempore expeditio facta est in Saxoniam, et usque ad oceanum, trans omnes paludes et invia loca pertransit exercitus: et rex de Adulo; (so heißt es im Original; Struv beym Pistorius setzt dafür Haduloa;) regressus; (hoc enim loco nomen ubi oceanus Saxoniam alluit,) tota Saxonum gente in deditionem per obsides accepta in Aquis palatium reversus est. Die Eginehardischen Annalen benennen das Land Hadeln nicht, sondern enthalten nur im Allgemeinen, das Carl bis an die äusserste Grenze des Sachsenlandes, wo solches zwischen der Elbe und Weser von der See bespült werde, vorgedrungen sey. Das Chronicon Moissiacense erwähnt vollends nur des Gaues Wigmodi. Die Annales Metenses Bertiniani, Loiseliani, Tiliani und der Monachus Egolismensis, die aber sämmtlich wohl nicht gleichzeitig sind, benennen dagegen wiederum ausdrücklich das Land Hadeln; (vid. B. G. Struv. ad Pistorium I. all. not. b.) worunter ihnen auch der Sächsische Annalist, Albert von Stade und andere neuere folgen. Ich will nun keinesweges behaupten, daß Carl der Grofe würklich bis zu dieser ihm sehr entlegenen äussersten Landspitze mit seinem Heere gekommen sey, sondern gebe es gern zu, daß bey jenen Nachrichten nur ein etwas weiter als vorhin gegen Westen in das Bremische gerichteter Zug, wodurch die Unterwerfung der ganzen umliegenden Gegend bewürkt worden, zum Grunde gelegen haben möge, den die Annalisten nur dadurch, das sie Carln bis an das Seeufer fortrücken lassen, noch etwas interessanter haben machen wollen: wiewohl es doch auch eben nichts Unglaubliches enthält , daß er würklich im Lande Hadeln gewesen wäre. So viel ist aber doch immer gewiß, daß, wenn diese Annalisten auf angestellte Erkundigung in Erfahrung brachten, daß der äusserste Strich Landes an der Nordsee den Nahmen Hadeln führe, dieses Land Hadeln zu der Zeit, da sie schrieben, als eine bewohnte Provinz bekannt seyn mußte; einige derselben, nahmentlich Regino, sind aber ohne Zweifel alte Schriftsteller.

 

 

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Doch wohl voraussetzt, daß dieser Marschdistrict zur Zeit der Abfassung dieser Chroniken als eine bewohnte Gegend bekannt war. Auch Adam von Bremen, der gewiß früher schrieb, als die Holländer ins Land berufen wurden , gedenkt mehrmahls des Landes

 

 

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Hadeln als einer bewohnten Provinz. Die Ascomannen oder Schiffmänner, welche im zehnten und eilften Jahrhunderte mehrere räuberische Einfälle in das Bremische unternahmen, waren wohl ohne Zweifel Einwohner der Marschgegenden jenseits der Elbe: denn die Geestbewohner gaben sich mit der Schifffahrt und Seeräuberey niemahls ab. Es waren noch nicht 50 Jahre nach der Ankunft der ersten Holländischen Einwanderer verflossen, als die Dithmarscher den Stadischen Grafen Rudolph den zweiten im Jahre 1144 erschlugen und bald darauf im Jahre 1148 gegen Heinrich den Löwen kämpften, welcher (wie unten gelegentlich bemerkt werden wird,) mit einem zahlreichen Heere, unter andern von Eiderstedtischen Marschleuten, gegen sie zu Felde zog. Dithmarschen war folglich vor der Einwanderung unserer Holländer gewiß schon einbevölkertes Land. Ein Gleiches läßt sich vom Lande Kehdingen unter andern aus dem Umstande schließen, daß Freyburg eine der Hauptfestungen des Erzbischofs Hartwig I. und nachher Heinrichs des Löwen war 30). Am bestimmtesten

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30) Das Land Kehdingen hat seinen Rahmen von dem Kajeding oder Deichgerichte, wodurch dasselbe unter sich verbunden ist; doch kann man hierauf auf das Alter der Bedeichung dieses Landes nicht schließen, weil jener Nahme in keinen sehr alten Urkunden oder Schriften vorkömmt. Die Deiche hießen nemlich zuerst Kojen oder Kajen, (d. i. Hojen, Erhöhungen.) Neu eingedeichte Strecken Landes führen hievon noch jetzt im Holsteinischen den Nahmen der Kooge; und in ältern Holsteinischen Deich-Ordnungen werden überhaupt die Deichbände Kogen genannt. S. die Articulos Spadelandicos im Anhange von Jod. Hackmanns Tractat de iure aggerum Num. II. pag. 9 -seqq. Desgleichen die Stapelholmische Deich-Ordnung vom Jahre 1625. ibid. pag. 36. 38.. In der Folge sind ohne Zweifel die Hauptdeiche wegen ihrer mehreren Dicke mit dem Rahmen der Dike, (dicken Koien,) belegt worden, woraus das hochteuische Wort; Deiche, entstanden ist; die minder dicken Binnendeiche haben dagegen die allgemeine Benennung der Kojen behalten, welcher dann der Grund ist, weshalb diese noch jetzt, (freilich nicht passend:) Kajedeiche benannt werden. — Daß Ding ein Gericht bedeutet, ist bekannt.

 

 

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wird uns aber der frühere Anbau des den ersten Holländischen Colonien so nahe benachbarten Osterstade und des Landes Wührden in der bekannten und schon oben erwähnten Urkunde des Erzbischofs Friedrich vom Jahre 1110 bezeugt 31), in welcher derselbe,

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31) Bey Lindenbrog Scriptor. rer. septentrion. edit. Fabricii pag. 149, in Staphorsts Hamburg. Kirchengeschichte 1r Theil S. 525. Lünigs Reichs-Archiv. Spicil. Eccles. 1r Theil. Fortsetz. Anhang S. 94. Mushard Monum. Nobil. Pag. 32. Schlichthorst Beyträge zur Bremen- und Verdenschen Geschichte 2ter Band S. 241-243. Den sehr anscheinenden Zweifel gegen die Aechtheit dieser Urkunde, welcher daraus entspringt, daß das Jahr 1110 in derselben als das erste Regierungs-Jahr des Erz-Bischofs Friedrich angegeben wird, der gleichwohl schon im Jahre 1104 zu seiner Würde gelangt war (Albert. Stadens. ad ann. 1104 in Schilter Script. rer. German. pag. 255; Histor. Archiepp. Bremens. in Lindenbr. Script. rer. Septentr. edit Fabricii pag. 88) haben sowohl Staphorst als Schlichthorst a. a. O. kurz damit abgefertigt, daß ein Fehler in der Abschrift dabey zum Grunde liegen müsse, da die Urkunde sonst unverdächtig sey. Die Indiction ist aber auch nicht ganz richtig; denn im Jahre 1110 war die dritte, und nicht, wie die Urkunde sagt, die zweyte Indiction. Das Regierungs-Jahr, welches nicht mit Ziffern, sondern mit Buchstaben angegeben ist, (primo anno ordinationis,) wird wohl nicht verschrieben seyn; man kann also die Aechtheit der Urkunde allenfalls nur dadurch retten, daß man einen doppelten Schreibfehler in den Ziffern annimmt, und etwa supponirt, es sey Annus MCX statt MCIV: und indictio II. statt XII. gesetzt worden; welches sich allenfalls wohl gedenken läßt, und ich um so lieber annehme, da ich dieses übrigens unverdächtige Document, dessen Inhalt viel Glaubwürdiges und für unsere Gegend Interessantes hat, ungern aufgeben möchte. Unter dieser Voraussetzung wäre solches aber um einige Jahre älter, als man durchgängig annimmt. In der That ist es wahrscheinlicher, dass der Erzbischof sogleich im ersten Jahre seiner Amtsführung das Erzbischöfliche Gut zu Bramstedt, (cortem Bromstede, vid. Adam. Bre- mens. Lib. 4. Cap. 38. in Lindenbrog. Scriptor. rer. Septentr. edit. Fabric. pag. 53) besucht, und, wie in der Urkunde gesagt wird, die dortige Kirche geweihet, bey dieser Gelegenheit aber derselben diese Versicherung über den Umfang des Kirchspiels gegeben hätte. Die einzelnen in derselben benannten Orte sind von Mushard a. a. O. nicht ganz richtig; besser von Herrn Probst Visbeck (Niederweser und Osterstade §. 18-20. S. 56-72), am zutreffendsten aber von Herrn Pastor Schlichthorst, der auch Herrn Visbecks Untersuchungen benutzt hat, a. a. O. S. 244-258 ausfündig gemacht. Gelegentlich bemerke ich noch den Umstand, daß in dieser Urkunde erwähnt wird, der Herzog Bernhard von Sachsen habe, indem er sich zum öftern über die beschwerlichen Wege beklagt, die Errichtung der Capelle zu Dedestorf erwürkt. Hiemit soll ohne Zweifel nichts weiter gesagt seyn, als daß der Herzog etwa gelegentlich bey einem Zuge nach der dortigen Gegend wiederholt geäussert habe, die Wege nach Bramstedt wären für die Wührdener zu beschwerlich. Denn er selbst, der gewiß kein anderer war, als der bekannte Herzog Bernhard der Zweyte aus dem sogenannten Billingischen Hause, und dessen hauptsächlichster Aufenthalt wohl in Lüneburg war, wohnte zuverlässig nicht im Lande Wührden, und war also weder in Debestorf, noch in Bramstedt eingepfarret. Vielleicht hat er nur einen oder ein Paar Züge durch diese entlegenen Gegenden, die er zu seinem herzoglichen Gebiete rechnete, gemacht. Der seel. Lappenberg, der sich durch eine zu buchstäbliche Auslegung der vorliegenden Urkunde hatte verleiten lassen, denselben für einen Bewohner unserer Gegend zu erklären, hat dennoch die Wichtigkeit der Einwürfe, welche diesem entgegen stehen, wohl empfunden, und sich daher in seinem Grundrisse der Bremischen Geschichte in Pratjens Herzogth. 2te Samml. S. 255, 256 Note (99) sehr zweifelhaft darüber geäussert. Der Herr Probst Visbeck erklärt gleichwohl den Herzog Bernhard geradezu für einen Wuhrtbewohner in der Weser-Marsch (Niederweser und Osterstade §. 15. S. 49. §. 19. S. 63.) Herr Pastor Schlichthorst a. a. O. hat nicht rathsam gefunden , diesen Punkt zu berühren.

 

 

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nachdem er nur vier Jahre früher die ersten Holländer ins Land berufen hatte, die sämmtlichen noch jetzt vorhandenen Dörfer jenes

 

 

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Marschdistricts, und ausserdem noch einige, seitdem von den Fluthen weggerissene, als damahls vorlängst existirende, nach Bramstedt eingepfarrete Dorfschaften nahmentlich aufführt.

 

In diesen bevölkerten Marschländern war solchemnach kein Platz für die Colonisten, denen, wie die unten vorzulegenden Urkunden ergeben werden, nur wüste Gegenden zum Anbau angewiesen wurden. In Ansehung der Moor- und Bruch-Districte hingegen finden wir, wie gesagt, keine Nachricht von irgend einer ähnlichen frühern Bewohnung und Cultur derselben. Der einzige Grund, dergleichen zu muthmaßen, könnte etwa davon hergenommen werden, daß in den ältern Geschichten schon bey den Heerzügen Carls des Großen, der Gau Wigmodi, welcher den Wümmefluß mit allen an dessen Ufern befindlichen Möören in sich begriff, als eine bewohnte Gegend ostmahls vorkömmt. Hieraus folgt jedoch nicht, daß in jenen Zeiten ein Mehreres als die Geestorte dieses Gaues schon bewohnt gewesen wäre. Die angrenzenden grünen Mööre waren diesen Geestorten, so weit sie von dort aus zur Weide und zur Heuwerbung benutzt werden konnten, sehr vortheilhaft, und mußten daher den Wohlstand derselben solchergestalt befördern, daß der ganze Gau als blühend und wichtig betrachtet werden konnte, wenn auch in den Morästen selbst noch keine Einwohner sich niederzulassen gewagt hatten. Es fehlt nicht allein gänzlich an allen bestimmtern Spuren solcher Niederlassungen in diesen Zeiten, sondern die in den Urkunden enthaltenen demnächst zu bemerkenden Lokal-Verhältnisse ergeben auch deutlich, daß eben hier diejenigen wüsten Gegenden waren, zu deren Anbau man die Holländer in das Land berief.

 

 

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Ja es ist ausserdem eine bekannte Sache, daß auch diejenigen Districte dieser Art, die nicht eigentlich von Holländern angebauet worden, durchgängig von noch jüngerm Ursprunge sind, als die Holländer-Colonien; in welcher Hinsicht ich hier nur die erst im 13ten Jahrhunderte angelegten Klöster Osterholz und Lilienthal, denen ohne Zweifel die umliegenden Moorgegenden ihren ersten Anbau verdanken, nahmhaft machen darf.

 

Es ist begreiflich, daß in Holland, welches ganz aus dergleichen fruchtbarem Moorlande besteht, die Artbarmachung desselben ungleich früher als in andern Ländern zur Vollkommenheit gebracht wurde, und daß bey dem dortigen industriösen Volke, dessen Thätigkeit durch Handel, Schifffahrt und den Reichthum der umliegenden Gegenden immer mehr in Gang gebracht ward, auch die Anzahl der Einwohner steten Zuwachs erhalten mußte. Da nun diese Gegenden während der vielen Unruhen, die Teutschland im 11ten und 12ten Jahrhunderte entvölkerten, durchgängig friedlicher Ruhe genossen: so mußte sich dort, nachdem alles Land angebauet worden, bald ein Ueberschuß von unbegüterten Menschen finden, die durch ihre Thätigkeit gereizt wurden, sich in fremden Gegenden Eigenthum zu erwerben, wozu ihnen unsere Mööre, welche sie zu bearbeiten verstanden, erwünschte Gelegenheit darboten. Diese Gründe sind völlig hinreichend, die Einwanderung der hiesigen Colonisten zu erklären, in so fern man sich die Anzahl derselben und den Umfang ihrer Colonien nicht grösser gedenkt, als es würklich der Fall war, und nicht, mit den Herren von Eelking und Hoche, eine dadurch bewürkte Entvölkerung der Gegenden, aus denen die Colonisten hergekommen, supponirt; in Hinsicht deren selbige dafür halten, daß schwere Calamitäten, welche die Niederlande betroffen, insbesondere große Wasserfluthen, die dortigen Einwohner zum

 

 

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Auswandern nach Teutschland bewogen haben müßten 32). Ob etwa bey der einen besonders starken Colonisten-Wanderung, welche der Markgraf Albrecht der Bär veranstaltet hat , dergleichen Veranlassungen eingetreten seyn mögen, wird demnächst untersucht werden; im Allgemeinen haben wir aber gar keine Ursache vorauszusetzen, daß dieses jedesmahl der Fall gewesen sein müsse.

 

Diesen Bemerkungen zufolge hat auch der Umstand, daß die niederländischen Schriftsteller dieser Begebenheiten nirgends erwähnen, ungleich weniger Schwierigkeit, da es für die dortigen Gegenden kein sehr merkwürdiger Vorgang war, wenn aus einer ganzen Provinz höchstens etwa 50 bis 100 Familien, die wahrscheinlich nicht ansässig waren, jedesmahl emigrirten. Sind doch in unsern Tagen hier im Bremischen zahlreiche Moordörfer und ganze Kirchspiele mit Anbauern besetzt worden, deren Entfernung man an den Orten, von denen sie hergekommen, gar nicht bemerkt hat. Die Einwanderung derselben, bey welcher sie sich auf einem Platze concentrirten, neue Dörfer und Kirchspiele erbaueten und wüste Gegenden urbar machten, mußten hier weit mehr auffallen und bemerkenswerther erscheinen; demohngeachtet ist aber unter unsern gleichzeitigen Geschichtschreibern Helmold in seiner Chronik der Slaven, (einem für die damahligen Zeiten sehr ausführlichen und ins Detail gehenden Werke) der einzige, der dieser Ansiedelungen, jedoch bloß in Ansehung der Slavischen Gegenden in Wagrien, Mecklenburg und der Mark Brandenburg gedenkt; welchem dann Albert von Stade Einiges davon, jedoch nur mit wenigen Worten, nachschreibt. Alle Nachrichten, die wir ausserdem von den niederländischen Colenien haben, beruhen

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32) Eelking de Belgis etc. Sect. I. Cap. 2 §. 10. Pag. 81. seqq. Hoche über die niederländischen Colonien S. 5-7.

 

 

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auf Urkunden, welche ich einzeln durchgehen, und die Glaubwürdigkeit jeder derselben, in so fern sie einigem Zweifel unterworfen seyn können, prüfen werde; in Ansehung deren ich jedoch vorläufig bemerke, daß meiner Meinung nach durch die genaue Uebereinstimmung ihres Inhalts mit alten sonst bekannten gleichzeitig geschichtlichen und Local-Verhältnissen die Aechtheit derselben, oder doch die Richtigkeit dieses ihres Inhalts, durchgängig ausser Zweifel gesetzt wird.

 

Nach diesen vorgängigen Bemerkungen wende ich mich zur Geschichte selbst; wobey die in der Nähe von Bremen angelegten Colonien als die ältesten und als diejenigen, von denen wir die bestimmtesten Nachrichten haben, billig zuerst in Betracht kommen.

 

II. Von den Colonien in der Gegend um Bremen.

 

Die älteste hieher gehörige glaubhafte Nachricht giebt uns die Urkunde des Bremischen Erzbischofs Friedrich vom Jahre 1106, welche Erpold Lindenbrog in seiner bekannten Sammlung älterer, das Hamburgische oder Bremische Erzstift betreffenden Diplome 1), und nachmahls Staphorst 2) aus einem Hamburgischen Copialbuche

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1) Privilegia Archi Eccl. Hamburgensis Num 35. in eiusd. Scriptor. rerum Septentrional edit. Fabricii pag. 148.

2) Hamburgische Kirchen-Geschichte 1r Theil 1r Band S. 523. Ausserdem haben auch Conring in seinem gründlichen Berichte von des Erzbischöflichen Hoch- und Gerechtigkeit der Stadt Bremen Cap. 26. (in Operibus, Edits. de Göbel, Tom. I. pag. 972;) desgleichen Lünig im Reichs-Archiv Part. Special. Contin. 2. 1ste Fortsetzung S. 435 diese Urkunde abdrucken lassen.

 

 

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anderweit herausgegeben hat. Die Quellen, aus denen diese Abdrücke genonnnen worden, find freilich nicht von der Art; daß sie die Aechtbeit einer jeden aus denselben geschöpften Urkunde ausser Zweifel setzen 3), und ich gestehe, daß ich insbesondere die vorliegende in ihrer ganzen gegenwärtigen Form nicht für authentisch halten kann, wenn es auch nur aus dem Grunde wäre, weil in den Unterschriften derselben zwey der nicht geistlichen Zeugen mit dem Beysatze: interfui et recagnovi bezeichnet sind, welcher letztere Ausdruck nur bey den contrasignirenden Canzlern gebräuchlich war 4). Demohngeachtet ist mir aber die Richtigkeit

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3) Lindenbrog hat seine Privilegia Archi Ecclesiae Hamburgensis aus einigen handschriftlichen Sammlungen genommen, die er theils bey dem Dom-Dechanten Otto von Düring in Bremen, theils bey dem Domherrn Johann Kleyen in Hamburg, theils bey andern Freunden vorgefunden hat. Die meisten derselben befinden sich zwar auch in einigen von Staphorst benutzten Hamburgischen Copialbüchern, und insbesondere in einem in der Bibliothek des dortigen Johanneum aufbewahrten Codex, welcher auch die vorliegende Urkunde enthält; allein die Glaubwürdigkeit der Documente gewinnt hiedurch nichts, da eben dieser Codex von Erpold Lindenbrogs eigener Hand geschrieben, mithin nichts weiter als das Concept ist, aus welchem derselbe jene Privilegia hat abdrucken lassen. S. Staphorst a. a. O. 1r Thl. 1r Bd. aus der vorletzten Seite der Vorrede, desgleichen S. 23. Die Vergleichung dieser beiden Lindenbrogischen, hin und wieder von einander abweichenden Texte beweiset vielmehr, daß Lindenbrog, wenn er auch die ächtesten Quellen vor sich gehabt hätte, nicht einmahl ein recht genauer Abschreiber war.

4) Auch die Indiction ist unrichtig, denn im Jahre 1106 war nicht, wie in der Urkunde stehet, die 6te, sondern die 14te Indiction. Indessen könnte man hiebey, wenn sonst kein Bedenken einträte, wohl einen Fehler in der Abschrift supponiren.

 

 

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des Inhalts derselben überaus wahrscheinlich, weil selbiger, wie die folgenden Bemerkungen bestätigen werden, zu den Zeit-Umständen, den Lokal-Verhältnissen der später angelegten Colonien und der uns mit mehrerer Gewißheit bekannten Verfassung der letztern in allen Stücken passet. Vermuthlich hat sich irgendwo eine alte Nachricht von dieser durch den Erzbischof Friedrich angelegten Moor-Colonie vorgefunden, die man in der Folge, (wie das in ähnlichen Fällen gewiß oft geschehen ist,) um der Sache noch mehrere Evidenz zu geben, in die Form einer Urkunde eingekleidet, dabey jedoch den Inhalt der Nachricht meistens wörtlich beybehalten hat.

 

Die Urkunde selbst enthält einen förmlichen Contract, vermittelst dessen der Erzbischof gewissen diesseits des Rheins wohnenden Holländern auf ihr Ansuchen verstattet, einen bisher unangebaueten, sumpfigen und den Einwohnern unnützen Strich Landes in seinem Erzstifte in Cultur zu nehmen 5). Die ausführlich

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5) Pactionem quandam, heißt es in der Urkunde, quam quidam eis Rhenum commanentes, qui dicitur Hollandi, nobiscum pepigerunt, omnibus notam volumus haberi. Praefati igitur viri Majestatem nostram convenerunt, obnixe rogantes, quatenus terram in Episcopatu nostro sitam, hactenus incultam paludosamque, nostris indigenis superfluam, eis ad excolendum concederemus. Bey dem Ausdrucke: Majestatem nostram, macht Staphorst a. a. D. S. 523. Note (I) die richtige Bemerkung: Eine ungewöhnliche und von keinem seiner Vorfahren gebrauchte Titulatur. Eelking de Belgis etc. Sect. 2. Cap. 2 §. 3 not. (1) pag. 117 behauptet zwar in Beziehung auf des Du Cange und Carpentier Glossarien voce Majestas, daß auch andere Erzbischöfe sich wohl den Titul: Majestät, zugeeignet hätten; ich finde indessen bey dem Du Change wenigstens kein Beyspiel dieser Art, sondern nur einige wenige Fälle angeführt, da·einige Legenden-Schreiber irgend eines Erzbischofs, Bischofs oder Abts mit dem Beyworte: Majestas, erwähnt haben sollen.

 

 

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bemerkten Bedingungen sind im Wesentlichen eben dieselben, die den in der Folge angesetzten Colonisten gleichfalls bewilligt worden, und die ich weiter unten näher bemerken werde. Ich erwähne hier nur, daß die Anbauer von jeder Hufe jährlich einen Pfennig und ausserdem von hundert Hufen zwey Mark, nebst einem Korn- und Schmalzehnten entrichten, übrigens aber einer bestimmten, ihnen vortheilhaften geistlichen Gerichtsverfassung genießen sollten. Als Mit-Contrahenten werden am Schlusse der in der Colonie anzustellende Geistliche, Heinrich, und die Haupt-Unternehmer des Anbaues, Helikin, Arnold, Hiko, Fardolt und Referic nahmhaft gemacht 6).

 

Der Erzbischof Friedrich war seit langer Zeit der erste, der ruhig genug regierte, um auf die Bewirthschaftung der Stiftsgüter eine nähere Aufmerksamkeit richten zu können. Er saß über 18 Jahre, von 1104 bis zum Februar 1123 auf dem Erzbischöflichen Stuhle. Sein unmittelbarer Vorgänger Humbert regierte nur vier Jahre, und dessen beide Vorweser, Liemar und Adelbert, waren immer in die Kriege der Fränkischen Kaiser mit den Sächsischen Großen verflochten; sie lebten daher in steter Unruhe und waren meistens abwesend. Dieses ganze Verhältniß hatte sich verändert, seitdem unter des damahligen Herzogs, nachmahligen Kaisers Lothars des Sachsen Regierung Nordteutschland

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6) Nomina virorum, qui nos ad hanc pactionem faciendam confirmandamque convenerant, haec sunt. Heinricus sacerdos, cui praefatas Ecclesias in vita sua concessimus; ceterique laici Helikinus, Arnoldus, Hiko, Fardolt, Referic, quibus jam saepedictam terram secundum seculi leges et praefatam conventionem concedimus, et ipsorum heredibus post ipsos.

 

 

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meistentheils der Ruhe genoß 7). Auch die geistlichen Angelegenheiten veranlaßten Friedrichen ungleich wenigere Zersteuungen als seinen Vorgängern, da schon seit Liemars Zeiten die Dänischen und Schwedischen Kirchen sich dem Bremischen Sprengel entzogen hatten. Friedrich lebte daher ruhig in Bremen, und ließ sich selbst durch die Plane, welche schon der Erzbischof Adelbert auf die Erwerbung der Grafschaft Stabe gerichtet hatte 8), zu keinen gefährlichen Unternehmungen verleiten, so sehr auch die fortwährende Abwesenheit der Grafen, die nun Markgrafen in der Brandenburgischen alten Mark geworden waren, und gewiß oft Geld nöthig hatten, ihn dazu hätte reizen können. Er ließ vielmehr den einstweiligen Verwalter der Grafschaft, der gleichfalls Friedrich hieß, aber nicht zur gräflichen Familie gehörte 9), im ruhigen Besitze derselben, hielt jedoch selbigen allem Anscheine nach in einer gewissen Abhängigkeit von dem Erzstifte, indem er unter andern, auf Veranlassung des Kaisers, damahligen Herzogs Lothar, mit der Behauptung hervortrat, daß dieser Friedrich ein Untersasse des Erzstifts sey 10). Wahrscheinlich war es der Erzbischof, der die Aussöhnung Lothars mit Friedrichen, welchen jener seitdem in seinen Schutz nahm, und zur Vertheidigung desselben gegen die Markgrafen Bremervörde als einen festen Paß

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7) Albert von Stade sagt ad ann. 1133. in Schilteri Scriptor. rer. Germ. pag. 265: Coeptit in diebus Lotharii Caesaris oriri nova lux, non tam in Saxoniae finibus, quam in universo regno; transquillitas temporum, abundantia rerum, pax inter regnum et sacerdotium.

8) Adamus Bremensis Lib. 4. Cap. 5. in Lindenbrog. Scriptor. rer. Septentr. edit. Fabricii pag. 45.

9) S. von dessen Geschichte Albert. Stadens. in Schilteri Scriptor. rer. Germ. pag. 261, 262.

10) Albertus Stadensis I. c. pag. 262

 

 

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anlegte, vermittelte 11); auch den Vergleich zwischen eben diesem Friedrich und dem Grafen Elimer von Oldenburg, wodurch der letztere wegen der Erbschafts-Ansprüche an einige Stücke der Grafschaft abgefunden ward 12), zu Stande brachte, und durch alles dieses Friedrichen die ungestörte Regierung der Grafschaft auf seine übrige Lebenszeit sicherte. Alle diese Bemerkungen stellen uns den Erzbischof Friedrich, von dessen Geschichte sonst ausser den eben bemerkten Vorgängen nichts bekannt ist, als einen solchen friedliebenden und auf den innern Wohlstand seines Landes aufmerksamen Regenten dar, von dem es sehr glaublich ist, daß er den Anbau der Mööre durch Colonien zuerst veranstaltet habe. Noch mehr bestätigt sich dieses aber dadurch, daß unter seinem nächsten Nachfolger Adalbero schon mehrere solcher Colonien sowohl hier als im Holsteinisehen angelegt worden.

 

Forschen wir ferner nach, in welcher Gegend diese erste Niederlassung veranstaltet seyn möge, so finden wir auch in dieser Hinsicht sehr

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11) Nach Alberts von Stade Erzählung erwarb sich Friedrich die Gunst Lothars durch Geschenke wieder. Indessen zeigt sich der Erzbischof als Vermittler, da er in der Zusammenkunft zu Radolvestorpe, wo die gütliche Vereinbarung durch den Markgrafen Rudolf vereitelt wurde, zugegen war; (Albert. Stadens. l. c.)) wie denn auch sein gutes Vernehmen mit dem Herzoge Lothar aus dem eben bemerkten Umstande erhellet. Daß er sich überhaupt mit den Sächsischen Herzogen sowohl als mit dem Gräflich-Stadischen Hause in freundschaftlichen Verhältnissen zu erhalten wußte, beweiset seine Zusammenkunft mit dem Herzoge Magnus und dem Markgrafen Udo dem Zweyten im Jahre 1106, in welcher der letztere plötzlich erkrankte und starb. (Albertus Stadensis l. c. pag. 259) Seine Theilnahme an diesen Angelegenheiten mußte natürlicher Weise von großem Gewichte seyn.

12) Albertus Stadensis l. c. pag. 260, 261.

 

 

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sehr zutreffende Local-Verhältnisse. Der Namen des unmittelbar vor Bremen am rechten Weser-Ufer belegenen, aus abgewässerten Sümpfen bestehenden Hollerlandes läßt nemlich die ursprüngliche Bebauung desselben durch Holländer mit vielem Grunde voraussetzen, und zugleich höchst wahrscheinlich vermuthen, daß hier in der Nähe der Stadt der erste Versuch mit einer solchen Niederlassung gemacht seyn werde, besonders in dem zunächst bey Bremen nahe an den Hastedischen Sanddünen auf festem, fruchtbarem, leicht zu entwässernden Boden belegenen Kirchspiele Horn. Auf diesen District beziehet sich gleichwohl keine der folgenden Urkunden, in denen durchgehend andere Orte, wo die Colonien angelegt worden, deutlich bezeichnet sind; und es ist daher allerdings sehr glaublich, daß eben hier der Gegenstand jener ersten von dem Erzbischofe Friedrich den aus Holland verschriebenen Unternehmern erteilten Concession zu suchen sey 13).

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13) Die in der Urkunde vorkommende Clausul: ad Synodalem iustitiam et institutionem Trajectensis Ecclesiae nobis se per emmin obtemperatures promiserunt; könnte den Zweifel veranlassen, ob hier vielleicht von einer zum Utrechtischen Bischöflichen Sprengel gehörigen, etwa an der Grenze zwischen Westphalen und den vereinigten Niederlanden belegenen Gegend die Rede seyn möchte, in Ansehung derer sich der Erzbischof entweder als geistlicher Oberhirte, oder in Hinsicht der einem seiner Verweser beygelegten Grafschaften in Friesland, die Ertheilung einer solchen Concession angemaßt hätte? Daß jedoch diese Deutung nicht statt finden könne, sondern von einer Anlage in des Erzbischofs eigenem Gebiete die Rede sey, ergiebt sich insbesondere daraus, daß die den Colonisten auferlegten Abgaben und Verpflichtungen ihm selbst und seinem Stifte geleistet werden sollten. Vermuthlich waren die Colonisten aus der Gegend von Utrecht, cis Rhenum, hergekommen, und es ward in der Hinsicht vermittelst jener Ausdrücke bestimmt, daß sie sich der im Bisthum Utrecht üblichen geistlichen und Synodal-Verfassung auch hier unterwerfen sollten.

 

 

 

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Schon Conring 14) hat dieser ersten Colonie hier ihren Platz anangewiesen, worunter ihm Mushard 15) nnd Eelking 16) beystimmen. Die Meinung des Freyherrn von Westphalen 17), als ob die Urkunde des Erzbischon Friedrich ausser dem Hollerlande auch noch auf mehrere zum Theil in Holstein belegene Gegenden Beziehung hätte, scheint mir offenbar ungegründet und von Eelking mit Recht verworfen zu sehn 18). Ich halte vielmehr dafür, daß nicht einmahl das ganze jetzige Hollerland, sondern nur jener zunächst bey Bremen belegene Theil desselben, damahls in Cultur genommen sey, weil ein anderes Document, dessen Erwähnung ich hier in dieser Hinsicht anticipire, beweiset, daß der weiter entlegene Theil über 70 Jahre später noch unangebauet war.

 

Ich meine die Urkunde des Erzbischofs Siegfried vom 18ten Januar 1181, deren Inhalt, welchen Renner im Allgemeinen

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14) Im gründlichen Berichte etc. a. a. O. Seite 972.

15) Monumenta nobilitas antiquae pag. 27.

16) de Belgis Saec. 12. in Germ. advenis Sect. I. Cap. I. §. 2. pag. 9.

17) In der Vorrede zum vierten Bande der Monumeator. ineditor. pag. 190.

18) Die Absicht des Erzbischofs konnte unmöglich dahin gehen, den damahligen Unternehmen zu verstatten, daß sie sich alle morastigen Gegenden in seinem ganzen Kirchsprengel nach Belieben zueignen, und solche unter obigen Bedingungen mit Anbauern besehen dürften; dazu würde ihm nicht einmahl die Befugniß so allgemein zugestanden worden seyn. Es sind ja auch in der Folge noch so viele ähnliche Concessionen an andere dergleichen Leute ertheilt worden, die unter jener Voraussetzung gar nicht hätten statt finden können.

 

 

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dahin angiebt, als ob der Erzbischof vermittelst desselben das ganze Hollerland an die Stadt Bremen verkauft hätte 19), neuerlich von dem Doctor Heinecken dahin erläutert ist, daß dieser Verkauf nur die Districte Oberneulaud, Rockwinkel, Osterholz und das Varholter Feld betroffen hat 20). Heinecken bemerkt

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19) In seiner Chronik zum Jahre 1181. Fol. m. 175. pag. 2, wo er nur folgendes davon bemerkt: Anno 1181 verkoffte Bischop Sigfridus dat Holderland der Stadt Bremen, mit Willen des Dohm-Capittels, alse Pravest Otten u. s. w.

 

20) Christ. Abrah. Heineken tentamina iuris aggeralis Reipubl. Bremensis (Diss. inaugur.) Gottingae 1774. Sect. I. Cap. 1 §. 3. pag. 7. Da auch dieser Verfasser die Urkunde leider nicht vollständig herausgegeben hat, so will ich die Stelle, in welcher er derselben gedenkt, hier wörtlich einrücken. Totam quam hodie sub nomine Hollerlandiae comprehendimus terram haud universe a primis istis colonis, (denjenigen nemlich, die der Erzbischof Friedrich verschrieben hatte,) aggeribus cinctam, sed primum forsam chomate, a nostratibus Achterdiek salutato, pinguissimos tantummodo tractus in tuto collocatos fuisse, mihi persuasum est ex Diplomate quodam Archiep. Sifridi de Ao 1180. primo XV. calend. Februarii. quod in tabulario Reipublicae latet: continet illum pactum, quo hic Archiepiscopus, tracus Quernieland Rockwinkel, Osterholt, et Varholt (hodie Varholterfeld,) Civitati Bremensi vendidit; (hiebey wird in der Note d) bemerkt: Conf. Renneri Chron. T. 2. pag. m. 325; zum sichern Beweise, daß von eben derselben Urkunde, deren Renner gedenkt, die Rede sey;) quae loca deserta vocare non dubitat Archiepiscopus. Incolis quidem non caruisse, ex Diplomate ipso constat, quippe quod iura incolarum simul refert; nec aggribus hos plane destitutos fuisse, apparet ex iis, quae de via regia, aquaeductibus atque iuratis ibi reperiuntur: Herstrate, regia, erit, ubi ipsi ean communiter decreverint, et iudex praeceperit, Wetteringe autem deducere, quo eis, qui schwaranen dicuntur, placuerit, et judici.“ Adsunt itaque vestigia cultus Batavorum, etsi pariter exinde evinci posse mihi videtur, post hoc demum tempus, quos hodie invenimus, Leestensem et ipatiosum Hollerlandiae, aggeres, structos fuisse.

 

 

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hiebey, daß der Erzbischof diese Districte ausdrücklich als uncultivirt angebe, daß solche gleichwohl nicht ganz unbewohnt gewesen seyn könnten, weil in eben dieser Urkunde die Rechte der Einwohner festgesetzt würden, und diesen zugleich verstattet werde, durch die Beschlüsse ihrer Gemeinden-Richter und Geschwornen die Plätze zu den dazulegenden Heerstraßen und Wasserzügen zu bestimmen. Die Aechtheit dieses Documents, welches nach Heineckens Zeugniß noch jetzt im Bremischen Stadt-Archive vorhanden ist, hat man überhaupt nicht Ursache zu bezweifeln, und sie bestätigt sich noch mehr durch die Vergleichung der von Renner ausführlich angegebenen Zeugen desselben mit denjenigen, die in andern gleichzeitigen Urkunden und geschichtlichen Nachrichten vorkommen 21). Mit

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21) Bey einigen der von Rennern benannten Zeugen treten freilich Bedenken ein, die aber höchstwahrscheinlich Rennern selbst zur Last fallen, welcher das Original theils mißverstanden, theils durch irrige Zusätze hat erläutern wollen. Ich will diese Zeugen, so wie er sie anführt, einzeln durchgehen, und mit meinen Bemerkungen begleiten. Zuförderst sagt Renner: mit Willen des Dom Capittels; alse Pravest Otten, und Herrn Jacobi, Herrn Hardewig Witten und ok des Dekens und ganzen Convents darsülvest. In den beyden Urkunden eben dieses Erzbischofs, die nicht datirt, aber ohne Zweifel von den Jahren 1180 und 1181 sind, (S. unten Note 102. 105.) welche sich in Vogts Monumentis ineditia 2r Band S. 413. 416. finden, kommen Otto maior praepositus, Jacobus Custos, Hardwicus Celberarius vor, welche völlig mit den von Rennern benannten Domherren übereinstimmen. Nur ist der bey dem letztern befindliche Beyname Witten, welcher dem Namen des Herrn Hardewig gehängt worden, nicht wohl zu erklären. Die eine eben erwähnte Urkunde bey Vogt a. a. O. S. 416, welche zwar nicht datirt, allem Anschein nach aber um dieselbe Zeit wie die gegenwärtige ausgestellt ist, und die Stiftung des Klosters Heiligenrode enthält, (Vergl. unter Note 105) veranlaßt mich dieserhalb zu einer Muthmaßung. In dieser kömmt nemlich ausser jenen Domherren auch noch ein Alebrandus Scholasticus vor. Gesetzt nun, es wäre in der gegenwärtigen, ohne vollständige Bemerkung der Titel nur gesagt worden: Otto maior praepositus, Jacobus, Mardwicus, Alebrandus: so könnte Renner vielleicht statt des etwa abbreviirt gewesenen Alebrandus, Albus gelesen, und daraus seinen Hardewig Witten gebildet haben, welcher in der Maße schwerlich in dem Originale stehen kann. Sodann fährt Renner fort: In Bywesende Greven Lodewichs to Hallermund. Ein solcher existirte aber damahls nicht, sondern nur die Gebrüder Ludolf und Willbrand, welche sich hin und wieder, zum Beweise, daß sie die einzigen ihres Nahmens waren, ohne Bemerkung der Taufnamen als: ambo fratres Hallermund unterzeichneten. Der Kürze wegen verweise ich deshalb nur auf das Register zu den Orig. Guelf. Tom V. pag. 252 und auf die alte Nachricht von der Fundation des Stift Lockum bey Meibom Scriptor. rer. Germ. T. I. pag. 527. und bey Leibnitz Scriptor. rer. Brunsv. T. 3. p. 691. Ohne Zweifel hat also Renner entweder statt Ludolf, Ludwig geschrieben; oder es stehet in der Urkunde nur ohne Beysatz Ludewicus Comes, und er hat diesem nach eigenem Ermessen die Benennung: von Hallemund, hinzugefügt. Ich glaube das letztere, theils weil die Hallermundischen Grafen sonst nirgend als Zeugen in Bremischen Urkunden erscheinen, theils weil gerade ein solcher unbenannter Ludewicus Comes in der ebengedachten Heiligenrodischen Stiftungs-Urkunde den Vogt a. a. O. S. 417. an der Spitze der weltlichen Zeugen stehet. Heren Godschalck von Deepholt; (in der Heiligenrodischen Stiftungs-Urkunde folgt gleichfalls auf den Ludowicus Comes unmittelbar Goldeschalkus Thiefholt.) Heren Frerich von Bockbar; (soll ohne Zweifel von Bockbere heißen. Eben dieser Friedericus de Brockbere oder von Brobergen stehet unter den Zeugen der Fundation des Buxtehudischen Alten Klosters vom Jahre 1197. bey Vogt monum. inedit. 1r Bd. S. 252. und Pratje, Herzogthümer Bremen und Verden 4te Sammlung S. 185. unmittelbar nach dem Grafen Adolf von Holstein;) Heren Geverdes von Stotel; (Gevehard von Stotel, der Stammvater des dortigen gräflichen Hauses, der aber selbst nirgend mit dem Grafen-Titel erscheint, kömmt im Jahre 1171. bey Vogt a. a. O. 1r Theil S. 11. und im Jahre 1202. in Pratjens Herzogthümern Bremen und Verden 4te Sammlung folglich vor und nach der jetzigen Urkunde, als Zeuge in Erzbischöflichen Diplomen vor.) und der Deenst Manne, Heren Gerunges, Hr. Marquarts, Hr. Detmarus, Hr. Alhardus, Hr. Engelbertus; (alle diese finden sich in den erwähnten beyden Urkunden des Erzbischofs Siegfried bey Vogt a. a. O.; nur wird der Herr Detmarus, Thietwardus heißen müssen. Der hier benannte Alhard war Voigt in Bremen und Stammhalter der Familie von der Hude; - S. Vogr a. a. O. 1r Theil S. 20. 23. und PratjensHerzogth. 4te Sammlung S. 16. 17. - Die Familien-Namen der übrigen zu erforschen, würde mich hier zu weit führen.) Hr. Albertus, Hr. Hinrichs. (In dem Diplom Kaiser Friedrichs des ersten vom 16ten November 1180., vermittelst dessen er dem Erzbischofe Siegfried die Grafschaft Stade zuerkennet, in Lindenbrog Scriptor. rer. Septentr. p. 169. und Orig. Guelf. T. 3. pag. 553 finden wir diese beiden unter denjenigen Bremischen Ministerialen, die als Zeugen mit zugezogen worden, unter der Bezeichnung: Albertus H. F. statt dessen nach Staphorsts Angabe, Hamburg. Kirchen-Geschichte 1r Theil 1r Band S. 589. in andern Exemplaren stehet: Albertus, Henricus Frater; - scil. Alberti.) Hr. Luderus von Gorkum; (diesen weiß ich nirgend aufzufinden, und der Zunahme, von Gorkum, siehet mir einem Rennerschen Einschiebsel oder Schreibfehler sehr ähnlich, da der Nahme Gorkum bey uns nicht einheimisch ist; vielleicht soll es Rekum heißen.) Hr. Godfriedus von Borch und veler andern. (Nicht Gottfried, sondern Gerfridus de Borch oder de Urbe kömmt, wiewohl zwanzig Jahre später, in Urkunden des Erzbischofs Hartwig II. vom Jahre 1201. bey Vogt a. a. O. S. 20. 22. vor. Dessen Vater könnte vielleicht Gottfried geheißen haben und bey der vorliegenden Urkunde im Jahre 1181 Zeuge gewesen seyn: doch ist Renner nach den vorigen Bemerkungen schon einer Unrichtigkeit verdächtig. Gelegentlich bemerke ich, daß die Familie deurbe, wie schon die eben angeführten Documente beweisen, mit der de Borch einerley, hingegen von der Familie de Brema, zu welcher man sie gewöhnlich rechnet; verschieden gewesen sey; wie denn urbs nach damahligem Sprachgebrauche öfter eine Burg als eine Stadt bedeutet. Der edengedachte Gerfridus de urbe ist ohne Zweifel derselbe, der sich in einer andern Urkunde vom Jahre 1202 bey Pratjen a. a. O. 4te Sammlung S. 16. Gerfriedus de Grambecke unterschreibt; wodurch es sich noch mehr bestätigt, daß diese Familie de Borch in der Gegend der noch jetzt so benannten ohnweit Grambkebelegenen Bremer Burg ihren Sitz gehabt habe, und von einer andern zu Horneburg wohnhaften Familie gleiches Nahmens wohl zu unterscheiden sey. Allem Anschein nach war bey dem Passe zur Burg damahls eine Befestigung angelegt, und dem zu Grambke wohnhaften Gutsherrn zur Vertheidigung und Aufsicht anvertrauet.) So manche Unrichtigkeiten nun auch, diesem allen zufolge, in den Rennerschen Benennungen der Zeugen durchblicken, so wird doch im Ganzen die Uebereinstimmung derselben mit andern gleichzeitigen Diplomen zu merklicher Bestätigung der Aechtheit des gegenwärtigen dienen. Diese kann auch dadurch nicht verdächtig werden, daß sich diese Urkunde unter den von Lindenbrog und Staphorst herausgegebenen nicht befindet; denn in diesen Lindenbrogischen Sammlungen, welche sich von Mitgliedern der Bremischenund Hamburgischen Dom-Capitel herschreiben, fehlen mehrere unstreitig ächte, im Bremischen Stadt-Archive, so wie dieses, verwahrt gewesene Documente, die hernach in der Assertione libertatis Bremensis und anderen Werken zum Vorschein gekommen sind. Nachdem ich nun so Vieles über die Zeugen der obigen Urkunde dahin geschrieben habe, kann ich mich nicht enthalten, diesem auch noch eine, freilich sehr unsichere, Muthmaßung darüber hinzuzufügen: wer wohl der obgedachte, in der Heiligenrodischen Stiftungs-Urkunde vorkommende, bloß mit dem Taufnamen benannte Ludewicus Comes seyn möge. Ausser dem Landgrafen Ludwig von Thüringen, welcher vom Jahre 1180 bis 1182 in Lüneburg und Segeberg gefangen saß, (S. Orig. Guelf. T. 3. Lib. 7. Cap. 1. §. 87. 95. 97;) auch gewiß mit dem Zusatze: Comes Provincialis, bezeichnet seyn würde; und ausser einigen weit entfernt wohnenden Grafen von Spanheim, Cleve, Are und von Lora, weiß ich in gleichzeitigen Urkunden und Nachrichten keinen andern Grafen Ludwig anzutreffen, als den Grafen Ludwig von Sieverstorf, welcher ein einzigesmahl bey der obgedachten Kaiserlichen Verleihung der Grafschaft Stade an den Erzbischof Siegfried zu Erfurt am 16. November 1180 vorkömmt. (lindenbrog Scriptor. rer. Septentr. pag 169; Orig. Guelf. T. 3. pag 553; Staphorst Hamburg. Kirchen-Geschichte, 1r Theil 1r Band. S. 589.) Sollte dieser Graf zu Sieversdorf, (Siegfriedsdorf,) in der Mittelmark, Amts Neustadt an der Dosse, - ein anderer Ort, dessen Namen hieher passete, ist mir nicht bekannt, - seinen Sitz gehabt haben, so könnte man denselben nicht ohne Anschein als einen Zweig der Gräflich-Osterburgischen Familie, mithin als einen nahen Verwandten unseres Erzbischofs betrachten, welchemnach es sich leicht erklären ließe, daß derselbe zur Zeit der Ausfertigung der vorliegenden Urkunde bey diesem zum Besuch gewesen wäre. Bey Abfassung der andern in Vogts Monum. Theil 2. S. 413. befindlichen Urkunde war auch der Graf Albert von Osterburg als Zeuge zugegen. Daß dieser ein Vetter des Erzbischofs, nemlich ein Schwesternsohn seines Vaters, des Markgrafen Alberts des Bären von Brandenburg gewesen sey, und mehrere Geschwister gehabt habe, (unter denen sich dann auch der Graf Ludwig von Sievestorf befunden haben könnt,) sagt Albert von Stade ausdrücklich. (in Schilteri Scriptor. rer. Germ. pag. 272. 273.) Der Vater dieses Grafen Albert von Osterburg hieß, wie es hier zugleich bezeugt wird, Werner von Veltheim. Wir finden ihn in mehreren Diplomen unter diesem Nahmen; doch nennt er sich auch schon in einer Urkunde vom Jahre 1170. bey Gerken Cod. Dipl. Brandenburg Tom 3 p. 76. Wernerum Comitem de Osterburg. Auch der Graf Albert selbst erscheint unter den Nahmen Comes Albertus de Veltheim als Zeuge in der obgedachten Urkunde wegen Verleihung der Grafschaft Stade vom 16ten November 1180. a. a. O. und dessen Sohn, der Graf Siegfried von Osterburg schreibt sich in einem Diplome in den Orig. Guelf. T. 4. pag. 146. Comes de Oldenhusen, wahrscheinlich von dem jetzigen Gräflich Schulenburgischen Gute Altenhausen im Magdeburgischen, (S. Scheib in den Zusätzen zu Mosers Br. L. Staatsrechte, S. 323.) welches von Beltheim, man mag nun, wie es mir am wahrscheinlichsten ist, Beltheim im Halberstädtischen, oder Veltheim an der Ohra im Braunschweigischen für das gräfliche Schloß annehmen, nur wenige Meilen entfernt seyn kann. Ohne Zweifel war also hier der Stammsitz dieser Grafen, und das Schloß Osterburg, jetzt eine Stadt in der Altmark, war dem Grafen Werner erst von dessen Schwager, dem Markgrafen, als eine Grenzfestung gegen die Slaven übertragen worden: welches dann auch mit Sievestorf in Ansehung des Grafen Ludwig wohl der Fall gewesen seyn könnte. Mehrere besonders den Grafen Siegfried von Osterburg betreffende Nachrichten von dieser angesehenen Familie sind in den Orig. Guelf. T. 4. Lib. 8. §. 35. pag. 44. 45. und in den daselbst allegirten Documenten gesammelt.

 

 

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gutem Grunde folgert Heinecken aus dem angegebenen Inhalte desselben, daß die ersten Ansiedler zu des Erzbischofs

 

 

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Friedrich Zeiten noch nicht das ganze Hollerland cultivirt gehabt, sondern den in dieser Urkunde bemerkten Theil desselben

 

 

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noch unangebauet gelassen haben. Die eben benannten Orte liegen sämmtlich im Kirchspiele Oberneuland und machen den

 

 

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östlichen von der Stadt Bremen bis über eine teutsche Meile entlegenen Theil des Hollerlandes aus. Bis dahin waren ohne

 

 

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Zweifel die ersten von Friedrich angestellten Unternehmen mit dem Anbau nicht gekommen, und daher konnte Siegfried diesen District mit Recht als wüst bezeichnen, wenn gIeich einige Colonisten unter dem Schutze der Stadk Brauen sich neuerlich daselbst niederzulassen und die Gegend zu bebauen angefangen haben mochten.

 

 

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Ich werde Unten noch ein anderes Beyspiel davon beybringen, daß der Erzbischof Siegfried seine Rechte über die um Bremen artbar gemachten wüsten Moorsiriche so viel möglich geltend zu machen suchte, jedoch, weil seine Vorgänger hierauf weniger geachtet hatten, damit nicht allenthalben durchdringen konnte, sondern dasjenige, was einmahl von Andern occupirt und cultivirt war, diesen überlassen mußte. So hielt er es dann ohne Zweifel auch für gerathen, sich seine Ansprüche an diesen Anbau im ostlichen Hollerlande, dessen Colonisten sich an die Stadt Bremen angeschlossen hatten, mit Gelde vergüten zu lassen, den Einwohnern gleichwohl, zu Behauptung seiner ursprünglichen Gerechtsame, ihre Verfassung durch ein Privilegium zu bestimmen.

 

Ob übrigens Heinecken in der angeführten Stelle den Umfang jener ersten vom Erzbischofe Friedrich gestifteten Colonie nicht zu enge begrenzt habe, indem er dafür hält, daß nur einige der fruchtbarsten, oberhalb des sogenannten Achterdieks belegenen Ländereyen damahls angebauet worden, vermag ich aus Mangel hinlänglicher Local-Kenntniß nicht bestimmt zu beurtheilen; indessen ist so viel gewiß, daß nach den Worten der Urkunde der Plan auf die Artbarmachung eines beträchtlichen Districts gerichtet gewesen seyn müsse. Denn es ist die Rede von Kirchen in der mehreren Zahl, die in der Colonie nach Gutfinden der Unternehmer angelegt werden sollten 22), und wenn gleich nur eine Kirche, (ohne Zweifel die zu Horn,) würklich zu Stande gekommen seyn mag; wie denn auch nur eines anzustellenden Seelsorgers erwähnt wird, so setzt doch ein ganzes Kirchspiel immer einen erheblichen Strich Landes voraus. Die Größe der

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22) Ecclesias in praefata terra, ubi ais congruum videretur, constitui concessimus.

 

 

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Colonie welche man anzulegen die Absicht hatte, bestätigt sich ferner durch Sie angegebene Maaße der Hufen, welche mann bey Hunderten zu cultiviren gedachte; - denn es ward bestimmt, daß von 100 Hufenjährlich zwey Mark erlegt werden sollten 23). Diese Hufen sollten nemlich 24), wie die Urkunde ausdrücklich sagt, jede 720 Ruthen lang und 30 Ruthen breit seyn, welches 21,600 Ruthen oder 180 Calenbergische Morgen, jeden zu 120 Ruthen ausmacht 25a). Die Größe der Hufen war freilich damahls

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23) De singulis centum mantis II. marcas singulis annis se persolvere asseruerunt.

24) Mansi vero mensione ne discordia in posterum in populo haberetur, quae mansio, (soll wohl mensio heißen,) in longitudine septingentas et viginti, in latitudine vero XXX. habet regales virgas; (königliche Ruthen hießen sie vermuthlich, weil sie größer als die gewöhnlichen waren, so wie der pied de Roi in Frankreich, von welchem Kästner sagt: Warum ist er so groß, der Königliche Fuß, Daß jeder ihm an Größe weichen muß? Wird man beym Gallier die größten Füße sehen? O nein, die schnellsten nur muß man ihm zugestehen. Freilich noch immer die schnellsten, aber nicht mehr zum Fliehen, wie zu Kästners Zeiten, sondern zum Vordringen und Occupiren fremder Länder ) cum rivalis terram interfluentibus, quos eis simili modo concedemus; (also waren die Gräben in dieser Maaße nicht einmal in Anschlag gebracht, da sie den Colonisten noch besonders überlassen wurden;) hic inscribi neoessarium duximus.

) Spätere Bemerkung: der Verfasserschrieb diese im Jahre 1809.

25a) Wenn Lappenberg, (Grundriß der Bremischen Geschichte, in Pratiens Herzogthümern Bremen und Verden 4te Sammlung S. 267.) diese Hufen jede zu 45 hiesigen Morgen anschlägt, so verstehet er darunter ohne Zweifel sogenannte Marsch-Morgen, deren jeder nach der Bremen und Verdenschen Steuer-Verordnung vom 24sten April 1805. §. 2. für vier Calenbergische Morgen gerechnet wird; nach welchem Verhältnisse 45 solcher Morgen gerade 180 Calenbergische Morgen ausmachen. Uebrigens trifft dieser Anschlag nur in so fern zu, als die regales virgae, von denen die Urkunde redet, nicht größer als unsere Ruthen gewesen seyn sollten.

 

 

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sowohl als jetzt sehr verschieden 25b), indessen war doch selbst in jenen Zeiten ein so großer Umfang derselben allerdings ungewöhnlich. In dem bekannten alten Güter-Verzeichnisse der Abtey Prüm kommen zwar auch einige Hufen jede von 160 Morgen vor; diese wurden aber eben wegen ihrer besondern Größe Fteymanns-Hufen oder Königs-Hufen benannt 26). Das ganze

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25b) Das lateinische Wort Mansus ist bekanntlich gleichbedeutend mit dem teutschen: Hufe. Beides bezeichnet die zu einem vollen Hofe oder Sitze eines Ackermannes, mansione, gehörige Quantität Landes, die natürlich nach dem Herkommen und den sonstigen Verhältnissen verschiedener Gegenden von verschiedener Größe sind. Ausser dem Du Cange in Glossario voce mansus, dem Westphalen monum. ined. Tom. 2. pag. 23. not. d) und einigen andern von Eelking de Belgie etc. Sect. 2. Cap. 3. §. 6. Not. 8) - 10) pag. 175-177. angeführten Schriftstellern verdienen darüber noch Meibom in Vindiciis Billing. Tom. 3. Scriptor. rer. Germ. pag. 38. und Scheid im Tractat vom Adel. §. 3. Note 1) S. 10 am Schl. - 12. nachgelesen zu werden. Alle diese Schriftsteller bestätigen die Verschiedenheit die Größe eines mansi oder einer Hufe, welche Eelking l. c. not. (9) auch noch dadurch erläutert, daß die in Vogts Monum. ineditis häufig vorkommenden Vertel Landes oder Vierttheil Hufen bald 6, bald 7, bald 8 Jücke enthielten.

26) Registrum Prumiense in Leibnitii Collectaneis Ethymologicis P. 2. pag. 415. Mansi ingenuales;(so hießen sie im Gegensatze der sonst in dem Register vorkommenden kleineren mansorum servilium und ledilium;) sunt, qui jaeent in Ardenna. - Quilibet istorum mansorum habet CLX. jurnales terrae, quas appellamus vulgariter Könihkgoshuive. Dieser Ausdruck, Königs-Hufen, kann sich ohne Zweifel nur auf die ganzen mansos oder Hufen, und nicht auf die jurnales oder Morgen beziehen. Wegen der denselben zugeeigneten Königlichen Qualität ist die vorhergehende Note 24. zu vergleichen.

 

 

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Kitchspiel Horn, mit sämmtlichen dazu gehörigen Dorfschaften, dürfte schwerlich 100 solcher Hufen von 180 Calenbergischen Morgen, welche überhaupt 18000 Calenbergische Morgen ausmachen würden; - vielleicht kaum die Hälfte, - enthalten. Indessen beweiset die Urkunde auch nicht, daß hunderte solcher Hufen würklich sogleich in Cultur genommen worden, sondern nur, daß man den Plan dazu gemacht hatte. Vermuthlich war dieser Plan aus die Artbarmachung des ganzen sumpfigen Districts zwischen dem linken Ufer der Wümme und den Sanddünen an der Weser, welcher die Kirchspiele Horn, Borgfeld und Ober-Neuland enthält, gerichtet: weil aber die ersten Unternehmer solchen nur zum Theil ausführen konnten, so machte der Erzbischof Siegfried den nachmahligen Bebauern des weiter entlegenen Theils ihre Besitzungen streitig, und ließ sich von der Stadt Bremen für den selbigen verliehenen Schutz ein Kaufgeld bezahlen.

 

Daß übrigens in der Nähe von Bremen die Cultur des Hollerlandes geschwinde Fortschritte gemacht habe, das läßt sich aus derjenigen Urkunde schließen, vermittelst deren der Erzbischof Hartwig I. schon im Jahre 1159 die Grenzen der dem Hollerlande benachbarten Bremischen Bürgerweide auf Andringen der Bürger, welche befürchteten, daß solche durch zu vielen Aufbruch beengt werden möchte 27), zu bestimmen nöthig fand;

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27) Der Bewegungsgrund wird in der Urkunde dahin angegeben: dileoti alii nostri cives Bremenses multis circa civitatem paladibus in culturam redactis, pascua pecorum suorum timentis posse coarctari, unanimier ad no convenerunt etc.

 

 

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wiewohl doch die hauptsächlichste Beeinträchtigung über welche die Bürger sich beschwerten, durch einen Kamp, der nicht von den Hollerländischen Colonisten, sondern von dem Inhaber des Erzbischöflichen Guts zum Berkhofe aufgebrochen war 28), und der nunmehro für Geld und gute Worte 29) wieder zur Weide abgetreten wurde, wie auch durch einige zu Wiesen für den Erzbischof und die Domherren aptirte Plätze 30), veranlasset zu seyn scheint, auch überhaupt die Aechtheit dieser Urkunde nicht ausser allem Zweifel ist 31).

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28) Terminos pascuorum suorum, (sagt der Erzbischof,) quae ab antiquo possederant, et campum in super ad nodtram Berchaus specialiter attinentem quem Meinhardus Stuton tunc temporis habitavit - confirmamus - Concedimus, damus et confirmamus omnibus habitantibus in civitate Bremen, vel iter facientibus per eam Clericis et laicis, pauperibus et divitibus, ad usum pascuorum, quicquid ex iustitia ipsi et antecessores eorum, in diebus antecessorum mostrorum et nostris habuerunt, videlicet etc. - cum praedicto campo Meynardi et omni so quod infra hos terminos nostri iuris erat.

29) impetraverunt a nobis, tum precio tum precibus, heißt es in der Urkunde. Da der Erzbischof einen im Besitze seines Pächters schon befindlichen Kamp zurück gab, so durfte er auch kein Bedenken tragen, sich dafür ein pretium vergüten zu lassen, und solches in der Urkunde öffentlich zu erklären.

30) Ita tamen - heißt es ferner - ut prata seu nostra seu fratrum nostrorum Canonicorum, seu cuiuscunque quae his terminis includunctur, a die quo ubique terrarum legitime pacari solent, usque dum a mancipiis nostris gramina collecta fuerint, ab omni pecore pacata sint, dum communiter utuntur pascuis, qui velit, herbam colligat, qui velit pascatur.

31) Diese Urkunde hat in der Folge im Jahre 1530 zu einem gefährlichen und langwierigen Aufruhr Veranlassung gegeben, in welchem gleich anfangs der Comthur des teutschen Hauses, von dem der Pöbel die Herausgabe dieses Documents forderte, erschlagen und das Haus geplündert wurde. Sodann ward der ganze Magistrat entlassen, welcher erst in der Folge mit gewaffneter Hand seine Wiedereinsetzung bewürkte. (S. Renners Chronik im zweyten Bande bey dem Jahre 1530. fol. m. 48 und folgende. Rollers Bremische Geschichte 2r Bd. am Schlusse und 3r Bd. im Anfange.) Ein Haufen aus dem Pöbel hatte nemlich verlangt, daß die Weide wieder auf die Grenzen ausgedehnt werden solle, welche in der Urkunde, wovon diese Leute eine Abschrift besaßen, bestimmt sind. Diesemnach ließe es sich allerdings wohil vermuthen, daß dieses Document, dessen Inhalt ganz dazu geeignet ist, erst um die Zeit des eben gedachten Vorgangs von einer oder der andern Partey geschmiedet wäre, um das Volk auszuhetzen; und ich möchte es keineswegs verbürgen, daß dieses nicht der Fall gewesen sey. Uebrigens gestehe ich es gleichwohl, daß die Urkunde an sich selbst keine entscheidende Verdachtsgründe gegen die Aechtheit derselben an die Hand giebt. Staphorst hat selbige in seiner Hamburg. Kirchen-Geschichte 1r Thl. 1r Bd. S. 555. folg. aus dem schon mehrmahls erwähnten Lindenbrogischen Codex abdrucken lassen. Er bemerkt, daß Lindenbrog selbige zum Jahre 1159 rechne, behauptet aber, daß dieses irrig sey, weil in dem Texte die Worte: anno millesimos centesimo quinquagesimo primo mit Buchstaben geschrieben ständen. Meiner Meinung nach hat indessen Lindenbrog ganz recht. Denn eines Theile passet die in dem Diplome gleichfalls mit Buchstaben angegebene siebente Indiction nicht zum Jahre 1151, sondern zum Jahre 1159; andern Theils heißt es in demselben: regnante Imperatore Friderico; dieser ist aber erst im Jahre 1152 als König und im Jahre 1155 als Kaisers zur Regierung·gekommen. Wäre also die Urkunde würklich vom Jahre 1151 datirt, so mußte sie nothwendig verfälscht seyn. Daß dieses gleichwohi nicht der Fall sey, sondern bey der, obgleich mit Buchstaben geschriebenen Jahreszahl ein Schreibfehler zum Grunde liegen müsse, ergiebt sich daraus, daß Renner bey Erzählung des gedachten Aufruhrs dieser Urkunde, als im Jahre 1159 ausgefertigt erwähnt (Fol. m. 48. p. 2. des zweyten Theils,) auch Dilich in Chron. Bremensi p. 72. dieselbe bey dem Jahre 1159 anführt. Eben dieses bestätigt Mushard in monumentis Nobilitatis, welcher bey der Anführung verschiedener Zeugen dieses Briefes, der besonders S. 176. sehr deutlich bezeichnet, selbigen allenthalben in das Jahr 1159 setzt. Lindenbrog hatte seine Abschriften nicht aus erster Hand; und wenn etwa in der Urschrift in Ziffern die Zahl MCLIX. gestanden hat, so kann vielleicht das X am Schlusse unsichtbar geworden seyn, und so der Abschreiber 1151 gelesen haben. Diese Bemerkung bestätigt es sehr evident, daß eine nicht passende Indiction oder Jahreszahl in dergleichen aus Copeyen genommenen Abdrücken nicht schlechterdings eine Unrichtigkeit der Urkunde beweise, in so fern diese sonst unverdächtig ist. Uebrigens war das Jahr 1159 eines der ruhigsten in der Regierungszeit des Erzbischofs Hartwig I.; so daß es sich in diesem Zeitpunkte am füglichsten gedenken läßt, daß derselbe diese häusliche Angelegenheit so genau untersucht und bestimmt hätte; obgleich sonst ein Diplom dieser Akt mehr mehr dem folgenden Jahrhunderte als dem damaligen angemessen zu seyn scheinen möchte. Denn der Kaiser Friedrich I. hatte Hartwigen ist vorhergehenden Jahre seine besondere Gunst wieder zugewandt, und durch mehrere unten zum Theil anzuführende Privilegien bewiesen; auch mit dem Herzoge Heinrich den Löwen hatte der Kaiser den Erzbischof völlig auszusöhnen versprochen, und beide befanden sich ohnehin eben damahls in Italien. (Conf. Orig. Guelf. T. 3. Lib. 7. Cap. I. §. 38 pag. 50.) Auch die Zeugen sind alle gleichzeitig. Die vier geistlichen, Otto cognatus noster et major Praepositus, Erpo praepositus S. Willehadi, Thetwardus Praepositus et Lutfridus Praepositus, nostri Canonici, kommen meistens in andern Urkunden vor: der Domprobst Otto in allen folgenden Urkunden Hartwigs I. und noch unter den Erzbischöfen Balduin und Siegfried; die Pröbste Erpo und Luitfried in den Jahren 1144. 1146. (bey Lindenbrog Scriptor. rer. Septentr. edit. Fabr. pag. 154. 156.) nur den Probst Chetward finde ich nicht, sondern nur einen Domdechant gleichen Names; doch möchte derselbe wohl mit dem praeposito Thietmaro, welcher im Jahre 1142 bey Staphorst a. a. O. 1r Thl. 1r Bd. S. 545 vorkömmt, eine Person seyn. Ungewöhnlich ist allerdings der Zusatz: cognatus noster, bey dem Domprobst, auch weiß ich wenigstens keine nahe Verwandschaft zwischen diesem Otto, einem Sohne des Grafen Elimer II. von Oldenburg, (Vid. Albertus Stadensis ad ann. 1105. et 1167 in Schilteri Script. rer. Germ. pag. 257. et 291.) und unserem Erzbischofe, dem letzten des gräflich Stadischen Hauses, ausfündig zu machen; doch kann es immer seyn, daß der Erzbischof demselben auch ohne nahe Blutsverwandschaft hiedurch ein Compliment hat machen wollen, wie solches späterhin sehr gewönlich war. Ferner scheint es auffallend, daß die drey übrigen Pröbste als Bremische Canonici aufgeführt werden, da sie gleichwohl Vorsteher anderer geistlicher Stiftungen waren. Es läßt sich dieses indessen durch die Voraussetzung erklären, daß diese Pröbste zugleich Canonicate in Bremen oder doch Sitz und Stimme im Dom-Capitel gehabt haben. In der Vereinbarung des Bremischen Capitels mit dem Hamburgischen vom Jahre 1223. werden ausdrücklich zwey solcher Pröbste als Bremische Canonici mit aufgeführt. (Staphorst Hamburg. Kirchen-Geschichte 1r Thl. 1r Bd. S. 652.), und ob ich gleich kein unserer Urkunde gleichzeitiges Document, in welchem die Pröbste des Bremischen Sprengels als Canonici benannt würden, auffinden kann, so stehen selbige doch allenthalben in den Unterschriften mitten zwischen den Domherren. Eine Osnabrückische Urkunde vom Jahre 1160 in Mösers Osnabr, Geschichte 2r Thl. Docum. 59. pag. 74. giebt uns sogar das Beyspiel eines gleichzeitigen Bremischen Domherrn Otto, der zugleich Osnabrückischer Domherr war, und vermuthlich derselbe ist, dre in Urkunden der Bremischen Erzbischöfe Balduin und Siegfried von den Jahren 1174 und 1181. (Staphorst a. a. O. S. 585. Vogt. Monum. iud. 2r Thl. S. 417.) zugleich mit dem eben erwänten Dom-Probste gleichen Namens als otto Episcopus in der Reihe der Bremischen Domherren aufgeführt stehet, folglich sogar neben einem Bisthume, zu dessen würklichem Besitz er etwa nicht gelangt seyn mochte, die Bremische Dom-Prabende beybehalten zu haben scheint. - Unter den weltlichen Zeugen ist der erste und der einzige von hohem Adel Adolphus de Nienkerken, advocatus civitatis Bremensis. Dieser kömmt in frühern und spätern Urkunden des Kaisers Friedrich I. und des Herzogs Heinrich des Löwen, nebst seinen beiden Brüdern Rembert und Dietrich von Ricklingen, häufig vor. Man vergleiche z. B. Orig. Guelf. Tom. 3. pag. 494. et 505. Wahrscheinlich war sein Wohnsitz zu Neuenkirchen im Amte Ehrenburg. Ohne Zweifel ist er derselbe Adolphus, der in zwey Urkunden des Bremischen Erzbischofs Adalbero, Vorgänger unsers Hartwig, nehmlich in der zunächst im Texte zu erwähnenden vom Jahre 1143 und in einer gleichfalls in der Folge bey den Holsteinischen Colonien zu bemerkenden vom Jahre 1146. (Lindenbrog Scriptor. rer. Septen. Edit. Fabr. p. 154 et 156. Staphorst a. a. O. S. 546. 549.) als Zeuge aufgeführt ist; in der letzten besonders ist er sehr deutlich bezeichnet, denn es heißt daselbst: Nobile Adolphus Comes,(de Holstein et Schauenburg) Adolfus et Thiedericus frater eius. Bey der hieraus anscheinenden Connexion dieses Adolf von Neuenkirchen mit dem Vorgänger des Erzbischofs läßt es sich um so eher erklären, daß demselben hier die Qualität eines advocati civitatis Bremensis beygelegt wird, wiewohl dieser Umstand sonst beym Abblicke befremdend scheint, da es außerdem kein Beyspiel davon giebt, daß dieser Adolf oder sonst irgend einer vom hohen Adel eine Advocatie in Bremen bekleidet hätte. Bey andern Hochstiftern war dieses weniger ungewöhnlch. Obgleich selbige durchgängig die völlige Unabhängigkeit ihrer Stiftsgüter von fremder Botmäßigkeit durch kaiserliche Privilegien erlangt hatten, so hielten es doch mehrere derselben eben in den damahligen Zeiten für gerathen, irgend einen benachbarten Edeln zum Voigte ihrer Residenzstädte oder sonstigen Besitzungen anzunehmen, um gegen die Unterdrückung mächtigerer Fürsten einigen Schutz zu finden. Ueber solche Güter, womit geistliche Stiftungen von Grafenoder Edeln aus dem Ihrigen dotirt waren, pflegten diese sich ohnehin die höchste Advocatie vorzubehalten, und sich davon advocatos derselben zu benennen; doch davon ist hier eigentlich die Rede nicht. Magdedurg hatte betanntlich seine Burggrafen. Osnabrück hatte bis zur Mitte des 12ten Jahrhunderts Advocaten vom hohen Adel; der letzte derselben war ein Comes Amulungus, welcher um die Zeit lebte, da unsere Urkunde ausgefertigt ward. S. die Diplomen Num. 43. 45. 46. 52. 53. 56. im Anhange zu dem zweyten Theile von Mösers Osnabr. Geschichte. Eben damahls finden wir auch den Grafen Volquin von Schwalenberg als Advocaten des Stifts Paderborn den Urkunden von den Jahren 1137. 1142. 1153. bey Scaten in Annal. Paderbornens. T. 1. pag. 521 529. 554. und nochmahl ebendaselbst. In Hildesheim war ein solcher unter dem Namen Vicedominus; zuerst Bernhardus, (Orig. Guelf. T 2. pag. 504. de Ao. 1130; T. 3. pag. 440. de Ao. 1151; pag. 447 de Ao. 1150; pag. 452. de Ao. 1154;) hernach dessen Sohn Conradus; (ibid. pag. 512, de Ao. 1170. PConfer. Annalista Saxo ad ann. 1126. in Eccard. Corp. Histor. T. 1. pag. 661.), welche zu Wassel in dem ehemahls Hildesheimischen, anjetzt Calenbergischen Amte Coldingen ihren Sitz hatten: Orig. Guelf. Tom. 3. pag. 559.) In Brandenburg waren Burggrafen von der Familie der Grafen von Thornburg; (S. Orig. Guelf. Tom. 3. pag. 542. Dipl. de Ao. 1194;) auch Regensburg hatte bekanntlich dergleichen, u. s. w. Bald nachher wußten freilich die meisten Stifter sich dieser edlen Voigte zu entledigen, und wählten dergleichen nur aus dem niedern Adel, und späterhin aus dem Bürgerstande, welches aber sehr zu Beförderung des umgekehrten Verhältnisses diente, da nemlich die Städte selbst sich nach und nach von den Voigteyen fast ganz unabhängig machten. Die Bremischen Erzbischöfe, welche theils durch das persönliche Ansehen mehrerer unter ihnen, theils durch ihre Entlegenheit und das frühe Aussterben der nächsten mächtigen Grafen einer vorzüglichen Unabhängigkeit genossen, haben überhaupt nur Voigte vom niedern Adel in der Stadt Bremen angestellet. Indessen hatte doch schon der Erzbischof Liemar den Fall erlebt, dem damahligen Herzoge Lothar von Sachsen die Bremische Voigtey abtreten zu müssen; (Albert. Stadens. ad ann. 1089. apud Schilter. l. c. p. 249;) und Hartwig selbst hatte vor wenigen Jahren ein ähnliches Schicksal gehabt, da ihn der Kaiser aller Regalien verlustig erklärte; (Otto Frising. de rebus gestis Frid. 1. Lib. 2. Cap. 12. in Urstis. Scriptor. rer. Germ. T. 1. pag. 452·) wovon Heinrich der Löwe Veranlassung nahm, ihn selbst in Bremen zu bedrängen. (Helmold Chron. Slavor. Lib. 1. Cap. 82. Num. 5.) Vielleicht könnte damahls Adolf von Neuenkirchen dem Erzbischofe zum Advocaten der Bremischen Stiftsgüter aufgedrungen seyn. Wenn das aber auch nicht der Fall wäre, so wird man sich doch bey diesen Verhältnissen um so eher hinlängliche Gründe gedenken können, weshalb derselbe mit dem Titel eines advocati civitatis Bremensis beehrt worden, als die vorliegende Urkunde eine mit der Stadt Bremen selbst obgewaltete Zwistigkeit, wobey er den Vermittler abgegeben haben mochte, betraf, zugleich auch der eigentliche Stadtvoigt als minor advocatus benannt ward; und man wird es gleichwohl eben nicht auffallend oder widersprechend finden, daß Adolf von Neuenkirchen sich in der Folge diesen Titel weiter nicht beylegt, auch seitdem in keinen noch vorhandenen Urkunden Bremischer Erzbischöfe als Zeuge weiter vorkömmt. - Die übrigen Zeugen unserer Urkunde sind: Berningus de Hagen, Marquardus de Berkesa, Engelbertus de Brema, Sibertus de Alverna, Bernhardus minor advocatus, et alii quamplures. Dieses Document ist das älteste unter den Bremischen, in welchem man die Zeugen vom niedern Adel, und sogar den Bewohner des Berkhofes, Meinard Stuten, mit Geschlechts- und Güter-Namen aufgeführt findet: indessen kann dieses die Aechtheit desselben im Ganzen nicht verdächtig machen, sondern allenfalls nur die Vermuthung begründen, daß einer der Abschreiber diese Namen nach seinen Muthmaßungen hinzugefügt hätte. Doch auch dieses läßt sich keinesweges mit Gewißheit behaupten. Aus andern Gegenden haben wir noch ältere gewiß ächte Beyspiele dieser Art, wovon ich hier nur das vom Jahre 1139. in Orig.Guelf. Tom. 4. pag. 545 nota (*) vorkommende, welches mir eben gelegentlich aufstößt, bemerklich mache: und wenn gleich in den Lindenbrogischen, Vogtschen und Pratjenschen Sammlungen ausserdem keine solche Familien-Namen bey dem niedern Adel früher als unter dem Erzbischofe Hartwig II. zu finden sind, so enthält doch das Ratzeburgische Diplomatarium bey Westphalen Monum. ined. Tom. 2. pag. 2038. et 2039. zwey Urkunden Heinrichs des Löwen und des Erzbischofs Hartwig I.vom Jahre 1162 mit dergleichen Namen, welche freilich auch nachgetragen seyn könnten. Ich will jene Zeugen noch einzeln durchgehen. Der erste, Berningus de Hagen, soll ohne Zweifel Gerungus heißen und ist nur unrichtig abgeschrieben. Ein Zeuge, Namens Gerungus oder vermuthlich zwey, nemlich Vater und Sohn, kommen fast in allen Erzbischöflichen Diplomen vom Jahre 1143 bis zum Jahre 1187 vor. In dem letztern Jahre finden wir insbesondere einen Gerungus de Hagen in der Fundations-Urkunde des Stifts St. Anscharii in Renners Chronik fol. m. 180. p. 2. und bey Menken Script. rer. Saxon. T. 1. pag. 590. Eben derselbe erscheint als Gerungus Marschalcus im Jahre 1186 (Aseert. libert. Bremens. pag. 264 und Pratjen Altes und Neues, 8r Bd. S. 125.) Auch die Harsefeldische Chronik in Voigts Monum. ined. 1r Thl. S.116. erwähnt eines Gerungus de Hagen dessen Vater, Gerungus, Advocatus Bremensis mit dem Erzbischofe Liemar aus Bayern gekommen wäre. Dagegen haben zwar jene beiden Ratzeburgischen Diplome vom Jahre 1162 einen Gerungus de Brema; indessen läßt sich dieses mit dem Namen de Hagen wohl vereinbaren, weil die Benennung de Brema dem damahligen Gebrauche nach nur auf die Advocatie einer der geistlichen Stiftungen in Bremen Bezug gehabt haben wird. Marquardus de Bederkesa findet sich mit diesem Guts-Namen in den eben erwähnten Ratzeburgischen Urkunden vom Jahre 1162 und ohne denselben in den beiden oben Note 21. bemerkten Diplomen des Erzbischofs Siegfried vom Jahre 1181. bey. Vogt a. a. O. 2r Thl. S. 417 und in Renners Chronik fol. m. 176. p. 1. Späterhin, zuerst im Jahre 1187 in der eben gedachten Fundations-Urkunde des Stifts St. Anscharii erscheint Ericus de Bederekesa wahrscheinlich sein Sohn, - Engelbertus de Brema kömmt mit diesem Familien-Namen sonst nicht vor; wohl aber ohne denselben im Jahre 1143 bey Lindenbrog. p. 154, und Staphorst S. 546; ferner in den drey Urkunden des Erzbischofs Siegfried von den Jahren 1180 und 1181. bey Vogt a. a. O. Thl. 2. S. 415. 417. und bey Renner a. a. O., desgleichen in der Urkunde des Kaisers Friedrich über die Grafschaft Stade vom Jahre 1180. bey Lindenbrog l. c. p. 169. und bey Staphorst a. a. O. S. 589. Im Jahre 1139. findet sich ein Engerbertus de Walle bey Vogt 2r Thl. S. 201; desgl. im Jahre 1202. bey Mushard Monum. nobil S. 531. Vielleicht war dieser mit demjenigen, der in den zuletzt gedachten Urkunden vom Jahre 1180 und 1181. erscheint, eine Person, und ein Sohn des hier vorkommenden. Wäre letzterer, unser Zeuge, etwa vor dem Jahre 1162 gestorben, und die Advocatie, von welcher er den Nahmen de Braema führte, auf Gerungum de Hagen übergegangen, so würde alles gut zusammen passen. Späterhin führte wiederum eine andere Familie, von Horn, den Namen de Brema, und behielt solchen erblich. Nicolaus et Thetwardus de Horne erscheinen unter diesem Namen im Jahre 1203. bey Vogt 1r Thl. S. 27. und unter dem Namen de Brema 1205. Ebendaselbst S. 28. und seitdem fortwährend. Ohne Zweifel hatten diese ihren Sitz zu Horn im Hollerlande, wodurch der Wohlstand dieser Colonie sich um so mehr bestätigt; wenigstens war hier in der Folge eine adeliche Familie von Horn begütert, wie die Urkunden von den Jahren 1342 und 1349. bey Vogt 1r Thl. S. 539. 541. beweisen. Wahrscheinlich waren sie Advocaten der vor dem Osterthore nahe am Hollerlande belegenen Abtey St. Paul, und nannten sich davon de Brema - Siberius de Alverna. Den Guts-Namen de Alverna finde ich sonst nirgend, und kenne keinen Ort dieses Namens. Ein Zeuge, Sibertus, (Siegebert,) findet sich aber in einer nicht datirten Urkunde des Erzbischofs Adalbero bey Staphorst S. 545; desgleichen in der bald zu erwähnenden Urkunde unsers Hartwig I.vom Jahre 1149. bey Lindenbrog pag. 158. und bey Staphorst a. a. O. S. 553; und vermuthlich derselbe unter dem Namen Sigero 1144. bey Lindenbrog p. 154. Staphorst S. 548. und 1164. bey Westphalen Tom. 2 Monumentor pag. 25. - Den Bernhardus minor advocatus endlich finde ich zwar ausserdem nicht; da indessen in den frühern Urkundem nemlich in der nicht datirten des Adalbero (bey Staphorst S. 545.) und in den vom Jahre 1143 und 1149. (bey Lindenbrog p. 154. et 158. und bey Staphorst S. 546 Note 3) und S. 553.) ein Luiderus; in den spätern hingegen, zuerst im Jahre 1186 (Assert. lib. Bremens. p 264. und Pratje Altes und Neues 8r Bd. S. 125. ) und hernach immerfort der schon oben erwähnte Alhardus als Bremische Advocaten vorkommen, so läßt er sich sehr füglich gedenken, daß zwischen diesen beiden im Jahre 1159. der hier genannte Bernhard Advocat gewesen sey. — Es ergiebt sich aus diesen Bemerkungen, daß die mancherley Zweifel, die aus dem Inhalte der vorliegenden Urkunde selbst gegen die Aechtheit derselben hervorzugehen scheinen, sich ziemlich befriedigend heben lassen, und es vielmehr kaum zu vermuthen ist, daß ein Verfälscher diese Urkunde, ohne evidentere Unrichtigleiten, in der Maaße hätte abfassen können; zumahl um die Zeit des Weide-Aufruhrs im Jahre 1530, da man sich schon weniger auf die Kunst Diplome zu verfertigen legte, und weniger gewohnt war, seine Prätensionen mit erdichteten Urkunden zu beschönigen, als ein Jahrhundert früher, vor der Reformation und vor Erfindung der Buchdruckerey.

 

 

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So viel vorerst vom Hollerlande. Ich gehe nun wieder zurück zu den Zeiten des Bremischen Erzbischofs Adalbero, des

 

 

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Nachfolgers Friedrichs, während dessen Regierung in den Jahren 1124 bis 1158 die Moor-Colonien sowohl um Bremen als in

 

 

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Holstein und Wagrien (von da die unten zu erwähnenden Nachrichten noch älter als die hiesigen sind,) große Fortschritte machten,

 

 

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nachdem durch seinen Vorgänger Friedrich einmahl die Bahn gebrochen war. In Ansehung der Bremischen Gegend

 

 

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richtete Adalbero nunmehro sein Augenmerk auf das linke Wesre-Ufer. Daß auch hier die eigentliche Marsch schon länst bedeicht

 

 

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und angebauet war, das beweisen uns die folgenden Urkunden, in denen die darin benannten Marschdörfer als Grenzpunkte der

 

 

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anzulegenden Colonien angegeben werden. Ja wir finden schon ein Jahrhundert früher unter den Gütern, welche der berühmten

 

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Gräfin Ida von Elstorf von dem Markgrafen Udo aus dem Stadischen Hause

 

 

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überlassen wurden, die Höfe zu Schlieme und

 

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Riede 32), deren ersterer in der Weser-Marsch im Amte Sieke belegen war. Dasjenige Diplom des Erzbischofs Adalbero, welches die älteste Nachricht von einer Moor-Colonie an der linken Seite der Weser enthält 33), ist das Instrument eines zwischen

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32) Albert. Stadens. in Schilteri Scriptor. rer. Germ. pag. 261; Harsefeldische Chronik in Vogts Monum. ined. 1r. Thl. S. 124. Diese Ida, über deren Familie und Geschichte es hier übrigens nicht der Ort ist, Untersuchungen anzustellen, setzte den Markgrafen Udo, mit welchem sie durch ihren Oheim, den Pabst Leo, ausgesöhnt war, obgleich derselbe ihren Sohn erschlagen hatte, zum Erben ein, erhielt aber dagegen von diesem den Genuß von 200 Hufen auf Lebenszeit, wozu ihr folgende Höfe angewiesen wurden: curia Tuschensen, (vielleicht Tostedt oder Tödtensen Amts Harburg;) curia Otfredessen; (Offensen, Amts Zeven;) curia Hulsinge, curia Wasten; (ohne Zweifel das Amtsdorf Westen, und Hülfen in diesem Amte;) curia Bumen; (soll wohl Bunnen heissen,) curia Rotholoingenhusen; Bünte und Rollinghausen im Kirchspiel Bassum Amts Sieke;) curia Slimae, curia Ride; (Schlieme und Riede in eben diesem Amte.) Auch Riede kann für ein halbes Marschdorf gerechnet werden. Noch erhielt Ida eine Summe Geldes, wofür sie Freyersen und Frankenborstel im Amte Zeven, (Frogersen et Franken burstolo,) dem Kloster Heeslingen (nachmahls Zeven,) abtrat.

33) Dasselbe findet sich bey Lindenbrog in dessen Scriptor. rer. Septentr. edits. Fabricii, inter privil. Archi Eccl. Hamburg. Num. 43. pag. 153 und bey Staphorst, (mit Vergleichung des mehrerwähnten Lindenbrogischen Copialbuchs,) Hamburg. Kirchen-Geschichte, 1r Thl. 1r Bd. S. 545. folg.; desgleichen bey Conring, gründlicher Bericht etc. Cap. 26. in Operibus edits. de Göbel Tom. 1. pag. 971; bey Lünig, Reichs-Archiv, Part. Spec. Contin. 2. Fortsetz. I. S. 436; und in Orig. Guelf. Tom. 2. Prob. num. 88 pag. 551.

 

 

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diesem Erzbischofe und der Herzogin Gertrud, Witwe Heinrichs des Stolzen und Tochter des Kaisers Lothar, nebst ihren jungen Sohne, dem Herzoge Heinrich dem Löwen, wie auch dem Markgrafen Albert dem Bären, welcher von dem Erzbischofe unser Getreuer, und ein durchlauchtiger Fürst genannt wird, geschlossenen Contracts. Der Erzbischof erklärt nemlich 34), daß diese Contrahenten einen südwärts belegenen Moordistrict, welcher an die Dörfer Santou, Strabelinghausen, Ochtmunde und Hasbergen grenze, zu gleichen Theilen unter sich vertheilt, von aller Botmäßigkeit aller Edeln Ministerialen und Landbegüterten frey gemacht, und an Anbauer zur Cultur überlassen hätten, indem sie es für besser und vortheilhafter gehalten, Anbauer darauf anzusetzen, und aus deren Arbeiten Nutzen zu ziehen, als solchen unangebauet und fast ganz unnütz liegen zu lassen. Zugleich werden die Bedingungen des Anbaues, die Rechte und die ganze Verfassung der Colonisten ausführlich bestimmt, wovon weiter unten das Nöthige bemerkt werden wird.

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34) Notum sit igitur omnium turbae fidelium tam nunc quam in perpetuum qualiter et nos, et Domina Ducissa Gertrudis, et filius suus H. puer, Dux Saxonum, una cum fideli nostro, Alberto Marchione, illustri Principe, paludem australem, scilicet in villis istis, Santou, Strabelinghehusen, Ochtmunde, Hasbergen, conterminam, aequa inter nos portione divisimus, et ab omni, tam nobilium quam ministerialium, seu ruricolarum appellatione liberam factam habitatoribus excolendam dedimus: melius et utilius aestimantes, colonos inibi locari, et ex eorum labore fructum nobis provenire, quam incultam et paene inutilem eam permanere.

 

 

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Diese Urkunde ist bey Lindenbrog, welchem Conring und Lünig folgen, auf den 2ten September 1143 datirt. Staphorst bemerkt indessen, daß in dem mehr gedachten Hamburgischen Codex die Jahrszahl 1142 stehe; und daß diese die richtigere seyn müsse, ist daraus zu schließen, daß die Herzogin Gertrud, welche sich um Pfingsten 1142 mit dem Markgrafen Heinrich von Oesterreich wieder vermählt hatte, schon am 18sten April 1143 im Wochenbette gestorben war 35), folglich im September dieses Jahrs nicht in Bremen seyn konnte. Auch die angegebene 5te Indiction passet zum Jahre 1142; dagegen trifft freilich das benannte 6te Regierungs-Jahr König Conrads III., wie auch das bemerkte 20ste Jahr der Erzbischöflichen Regierung des Adalbero 36) auf das Jahr 1143 zu; allein diese Zahlen können

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35) Das Jahr 1143 wird von den Chronisten einstimmig als das Jahrihres Absterbens angegeben, und der 18te April, (14. kal. Maji, folglich nicht der 14te April, wie Gruber sagt,) war nach dem Necrologium vom Kloster Neuburg, wo sie begraben liegt, der Tag ihres Todes. Gruber, welcher in den Noten zu den Orig. Guelf. Tom. 2. Lib. 6. §. 32. not. ccc) pag. 358. 359. die Beweise hierüber beybringt, hat bereits daraus gefolgert, daß die Jahrezahl 1143· in unserm Diplome fehlerhaft, und dafür das Jahr 1142, mit welchem auch die Indiction übereinstimme, zu setzen sey.

36) Adalberos Vorgänger, Friedrich, war im Jahre 1124 gestorben. Wenn aber dieser Todesfall frühe im Jahre eingetreten und Adalbero vor dem 2ten September 1124 wieder erwählt war, so befand er sich am 2ten September 1143 im 20sten Regierungs-Jahre. In seinen Urkunden vom 10ten Julius 1141 und vom Jahre 1142 (Lindenbrog pag. 152. 153. Staphorst S. 542. 543.) ist zugleich mit der richtigen 4ten und 5ten Indiction das 18te und 19te Regierungs-Jahr angegeben.

 

 

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leicht in der Abschrift verschrieben seyn 37). Daß die Herzogin, ohngeachtet ihrer schon vollzogenen anderweiten Verheyrathung, im September 1142 in Nieder-Sachsen gewesen sey, um ihren damahls dreyzehnjährigen 38) Sohn erster Ehe, welchem sie das Herzogthum Sachsen abtrat, dahin zu begleiten und als Herzog einzuführen, und daß sie bey dieser Gelegenheit in Bremen das vorliegende Geschäft besorgt habe, wobey ihr Sohn als puer und Dux Saxonum mit benannt ist; das ist gewiß keinesweges unwahrscheinlich, sondern vielmehr den Verhältnissen so anpassend, daß mir dadurch aller Zweifel gegen die Aechtheit dieser Urkunde benommen wird. Unter den Zeugen derselben 39) sind

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37) Man darf nur in dem kaiserlichen Regierungs-Jahre die I. am Ende ausstreichen und selbige in dem Regierungs-Jahre des Erzbischofs zwischen den beiden XX. einschieben, so ist alles richtig.

38) Heinrich der Löwe war nicht wie Staphorst in der Note zu unserer Urkunde, und andere, nach Anleitung des Chronici Weingartensis, als welches die Taufe desselben in das Jahr 1136 setzt, dafür halten, im Jahre 1135, sondern schon im Jahre 1129 gebohren, wie in Orig. Guelf. Tom. 3. Cap. 7. Sect. 1. §. I. pag. 8. 9. et 137. not. bbbbb.) pag. 155. 156. bewiesen ist. Seine ganze Geschichte bestätigt es auch, daß er nicht jünger gewesen seyn könne. Wenn Helmold Lib. 1. Cap. 56. sagt: daß Heinrich als puer adhuc infantulus das Herzogthum Sachsen erhalten habe, so beziehet sich dieses auf den Zeitpunkt, da dessen Vater gestorben war; damahls, im Jahre 1139, war er freilich erst 10 Jahre alt.

39) Ich will auch diese Zeugen einzeln durchgehen; bey denen der folgenden Urkunden, deren Zeugen durchgängig theils bekannt, theils unverdächtig, und großentheils schon vorgekommen sind, wird es dessen nicht bedürfen, sondern nur dann der Zeugen erwähnt werden, wenn etwas Interessantes für die Geschichte dabey zu bemerken ist. Haec sunt nomina testium, sagt die Urkunde: Adalbertus praepositus, Bonifacius praepositus. (Beide finden sich in mehreren Diplomen bey Lindenbrog und Staphorst, von den Jahren 1141 und 1142, ersterer 1141 als Probst zu St. Marien oder lieben Frauen und zu St. Peter oder am Dom; dann 1142 schlechthin als Domprobst; letzterer als Probst zu Repesholt;) Luidfridus praepositus: Dieser war im Jahre 1141 noch Capellan oder Canonicus, in den Jahren 1144 und folg. aber wird er praepositus, und zwar in einer nicht datirten Urkunde Adalberos bey Staphorst a. a. O. S. 545. praepositius Bremensis benannt. Domprost kann er jedoch wohl nicht gewesen seyn, weil er im Jahre 1146. bey Lindenbrog pag. 156. und Staphorst S. 549. neben dem damahligen Domprobste, nachherigen Erzbischofe Hartwig, als Zeuge vorkömmt: vermuthlich war er an des Domprobst Adelberts Stelle Probst zu St. Marien geworden, Capellani: Otbertus, Hartwicus, Peregrinus; (diese finden sich alle drey in einer das Kloster Neumünster betreffenden Urkunde desselben Jahrs bey Lindenbrog p. 153. und Staphorst S. 543; auch kömmt Otbert öfter vor. Ob·Hartwicus der nachmahlige Erzbischof und Graf von Stade gewesen sey, lasse ich dahin gestellt seyn; als Magdeburgischer Domherr kömmt er nur einmahl im Jahre 1145 vor, und im folgenden Jahre war er wiederum Domprobst in Bremen: da man in der Zwischenzeit, während dem er in Magdeburg erscheint, seinen Hartwig im Bremischen Dom-Capitel findet, so könnte er allerdings mit diesem Zeugen eine Person gewesen seyn.) Ferner: Gertrudis Ducissa et H. filius suus Dux. Nobiles: Egilmarus Comes: (Egilmar II. Graf von Oldenburg, lebte nach Alberts von Stade Zeugniß um diese Zeit, und war gleichfalls Zeuge einer nicht datirten aber in das Jahr 1136 oder 1137 zu setzenden Urkunde der Kaisers Lothar, bey Lindenbrog pag. 151. und Staphorst S. 538;) Gerbertus Comes; (auch dieser befindet sich unter den Zeugen der eben erwähnten kaiserlichen Urkunde, desgleichen eines andern gleichfalls nicht datirten Diploms des Mindenschen Bischofs Siegwart, der in den Jahren 1120 bis 1140 regierte: Crupen Orig. Hannover. pag. 39. 40. Orig. Guelf. T. 3. pag. 486. Am letztern Orte wird er unrichtig für einen Grafen von Stotel erklärt: Gerbert von Stotel, der erste seines Hauses, der den gräflichen Titel führte , lebte 100 Jahre später. Grupen a. a. O. S. 114. sucht vielmehr durch eine eingerückte Stelle einer andern Urkunde desselben Bischofs Siegwart zu beweisen, daß jener Graf Gerbert zu Ronnenberg im Amte Calenberg seinen Sitz gehabt habe, und der Bruder eines Grafen Erpo gewesen sey, der in einer ältern Urkunde des Bischofs Widelo von Minden als schon verstorben erwähnt werde. Vermuthlich ist dieser der Erpo Comes, den wir im Jahre 1108 als Zeugen bey Schaten Annal. Paderborn. T. 1. pag. 467. finden. Es ist zu beklagen, daß jene Urkunden nicht vollständig eingerückt und dadurch das Verhältniß näher aufgeklärt worden; indessen ist durch die obigen Bemerkungen so viel dargethan, daß ein, unserer Urkunde gleichzeitiger angesehener Graf Gerbert würklich existirt habe, er mag gewohnt haben wo er will.) Thiethmarus de Wimodia; (der Zusatz: de Wimodia, ist um so auffallender, als bey keinem der übrigen Zeugen, auch nicht bey den Grafen, ein Wohnort angegeben ist. Dergleichen Irregularitäten sind freilich eben nicht ungewöhnlich, indessen scheint die Benennung: de Wimodia, nicht sowohl einen einzelnen Wohnsitz, als eine ganze Landschaft anzudeuten; Es mag immer seyn, daß in der Wümme-Gegend bey Ottersberg in dem alten pagus Wigmodi, ein Edler dieses Namens residirt habe, der ausserdem leicht hat unbekannt bleiben können, weil aus dieser Gegend und deren Nachbarschaft gleichzeitige Documente fehlen. Wenn aber vielleicht durch einen Schreibfehler Wimodia statt Westphalia gesetzt wäre, so würde unser Zeuge für den Thietmarus de Büren zu halten seyn, der um diese Zeit in Paderbornischen Urkunden verschiedentlich vorkömmt. S. Schaten annal. Paderborn. T. 1. pag. 517. de Ao. 1137; pag. 528. de Ao. 1142; und nachmahls öfter. Doch ich gestehe gern meine Ungewißheit über die Person dieses Zeugen, wodurch indessen die Urkunde im Ganzen an ihrer Glaubwürdigkeit nichts verliert. In den beiden Abdrücken unserer Urkunde bey Conring und Lünig a. d. a. O. wird dieser Thietmarus durch eine gewiß fehlerhafte Interpunktion, zu einem Grafen gemacht; denn die Worte sind dort so geschrieben: Liberi: Egilmarus Comes, Gerbertus, Comes Thietmarus de Wimodia. Diesemnach rechnet ihn Mushard Monum. nobil. S. 19. §. 3. sogar zu dem Geschlechte der Grafen von Lesmona oder Lessum, welches aber lächerlich ist, da diese Familie schon 100 Jahre früher ausgestorben und ihre Grafschaft dem Bremischen Erzstifte verliehen war.) Adolfus; (gewiß nicht Adolf von Holstein, der ohne Zweifel als Comes benannt seyn würde, auch eben damahls von der Herzogin Gertrud seiner Grafschaft anderweit entsetzt war. - S. Helmold Chron. Slavor. Lib. 1. Cap. 54. - sondern Adolf von Neuenkirchen;) Henricus (vielleicht der von der Herzogin als Graf von Holstein bestätigte Heinrich von Badewide, nachmahliger Graf von Ratzeburg;) Thiedericus (von Ricklingen;) et Liuthardus; (von Meinersen, S. Orig. Guelf T. 3. pag. 452. 467. 469. de annis 1154 et 1157.) Everhardus, Gerlacus, (diese sind unbekannt;) Bernhardus (ohne Zweifel der schon erwähnte Hildesheimische Vicedominus, denn dieser war gleichfalls Zeuge in zwey Urkunden des Kaisers Lothar, der einen nicht datirten und einer andern vom Jahre 1137 bey Staphorst S. 539.) Liudolfus (Ludolf von Waltingerode, welcher gleichfalls in denselben beiden Diplomen Lothars als Zeuge vorkömmt. In einer beinahe gleichzeitigen Urkunde Heinrichs des Löwen vom Jahre 1146. in Orig. Guelf. Tom. 3. pag. 427. sind die mit der unsrigen sehr zusammentreffenden Zeugen vom hohen Adel: Liberi: Poppo, Liuthardus, Bernhardus, Luidolfus, et cetera quam plures.) Endlich Ministeriales, Luiderus advocatus; Th. et Th. Hathebertus, Gerungus, Willo, Egelbertus, Albero, Hildewardus, Arnoldus, Udo, Werno, Dudo, Christianus, Gerwardus. Von diesen sind der Advocat Luiderus, Gerungus und Engelbertus schon vorhin erwähnt worden; zwey Th.; nemlichThiethardus und Thiedericus kommen vor, jener in einer Urkunde vom Jahre 1144. bey Lindenbrog pag. 154. und bey Staphorst S. 548, dieser in einer vom Jahre 1146. bey Lindenbrog pag. 156. und bey Staphorst S. 549. In diesen beiden Urkunden finden sich auch Hathebertus, Willo, Albero, Arnldus, Udo, Werno, und nebst einigen derselben auch noch in einer nicht datirten Urkunde Adalberos bey Staphorst S. 545. Christianus und Dudo, so daß nur Hildewardus und Gerwardus als solche, die sonst nirgend aufzufinden sind, übrig bleiben. Mehrere der benannten kommen auch im Jahre 1149. bey Lindenbrog pag. 158. und Staphorst S. 553. vor. Die Menge der Zeugen ist begreiflich, da gewiß eine zahlreiche Versammlung bey dieser Zusammenkunft der Herzogin und ihres Sohns mit dem Erzbischofe zugegen war. Einige der Zeugen fehlen in dem Staphorstischen Codex, welche Lindenbrog ohne Zweifel aus einer nachmahls erhaltenen bessern Abschrift nachgetragen hat: denn daß diese richtiger sey, ist daraus zu schließen, weil auch das Wort: Ministeriales, in dieser an der gehörigen Stelle eingerückt ist, welches sich bey Staphorst nicht findet, aber als Gegensatz des zu Anfang stehenden Worte: Nobiles, im Originale nicht gefehlt haben kann.

 

 

 

 

 

 

 

 

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ist jedoch eben nichts Bedenkliches bey diesen zu bemerken, und die meisten der Zeugen finden sich würklich in andern Documenten

 

 

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der damahligen Zeit benannt. Der Markgraf Albert, welcher nicht zugegen war, ward übrigens wohl nicht als eigentlicher

 

 

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Mit-Contrahent, sondern nun Ehrenhalber mit erwähnt. Dem jungen Heinrich war erst kurz vorher bey der Wieder-Verheirathung seiner Mutter von dem Könige Conrad das Herzogthum Sachsen, welches Albert nicht hatte behaupten können, übertragen worden, und der Erzbischof hatte also wohl zu seiner Sicherheit verlangt, daß der Vertrag in Alberts Namen, auf den Fall da etwa dieser seine Ansprüche an das Herzogthum erneuern sollte, mit geschlossen werden möge.

 

Die Lage und der Umfang desjenigen morastigen Distrikts, welcher den Gegenstand der vorliegenden Urkunde ausmacht, bezeichnet sich sehr deutlich durch die angegebenen Grenzdörfer.

 

 

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Die beiden ersten derselben, Santou; jetzt Sandwerder; und Strabelinghehusen; ietzt Rablinghausen; liegen unterhalb der Bremischen Neustadt am Weserdeiche. Diese Marschdörfer existirten folglich schon, und die Weser war hier bis an den Ausfluß der Ochtum unterhalb Sandwerder eingedeicht. Eben das war der Fall jenseits der Ochtum, bey deren Mündung an der Westseite wir aus der Hunrich’sschen Charte vom Oldenburgischen, ein Dorf Namens Ochtum finden, welches ohne Zweifel das dritte in unserer Urkunde benannte Grenzdorf Ochtmunde ist. Der vierte Grenzort, Hasbergen, liegt weiter aufwärts gegen Süden, gleichfalls an der westlichen Seite der Ochtum, welche demnach von da bis nach Ochtmunde an diesem westlichen Ufer schon mit Deichen wird versehen gewesen seyn. Der zwischen dem ostlichen Ufer dieses Flusses, Hasbergen gegenüber bis zur Mündung herab, an einer und jenen Marschdörfern am Weserdeiche an der andern Seite belegene Raum ist also derjenige, von welchem hier die Rede ist. Wahrscheinlich war das Land hier niedriger, mooriger, und deshalb bis dahin noch nicht cultivirt. Dieser District macht einen Theil des zum Bremischen Stadtgebiete gehörigen Nieder-Vielandes *) aus, in welchem sich das Kirchdorf Seehausen befindet. Die Nähe bey Bremen und die bequeme Gelegenheit zur Abwässerung machen es begreiflich, daß hier mit der Cultur der Brüche am linken Weserufer der Anfang gemacht worden, und wir werden in der Folge

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*) Schon Conring, gründl. Bericht Cap. 26. in eiusd. Operibus edits. de Göbel Tom. 1. pag. 971. hat bemerkt, daß dieser von Adalbero gestifteten Colonie ihr Platz im Vielande anzuweisen sey, indem er sagt: Der eigentliche Bericht wie das Vieheland ist angefangen zu bawen, und auf was Conditiones dasselbe den Leuten eingethan, ist zu vernehmen ab des Herrn Erzbischof Adalberonis Constitution, welche also lautet. u. s. w.

 

 

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Folge sehen, wie von diesem Mittelpunkte aus, allmählig gegen Nordwest und Südwest weiter damit fortgeschritten ist. Daß auch hier die Absicht auf eine Anlage von beträchtlichem Umfange gerichtet war, ergiebt sich daraus, daß den Colonisten ausdrücklich verstattet ward, eine Kirche zu erbauen und zu dotiren 40): innerhalb der hier bezeichneten Grenzen befindet sich auch würklich die Kirche zu Seehausen. Uebrigens ist auch noch zu bemerken, daß in der vorliegenden Urkunde keiner Holländer gedacht wird, von denen gleichwohl bey allen denjenigen fernern Colonien, welche bis in die Mitte des 13ten Jahrhunderts gestiftet sind, entweder in den Namen der Orte, oder in einer ausdrücklichen Uebertragung der Plätze nach Holländer Rechte, oder in Holländischen Gebräuchen und Einrichtungen, einige Spuren vorkommen. Es ergiebt sich im Gegentheil aus einigen unten anzuführenden Bemerkungen, daß hier ausdrücklich darauf gerechnet war, daß die Anbauer wenigstens zum Theil aus Eingebohrnen bestehen würden. Dieses letztere ist sehr begreiflich, denn es konnte den Eingesessenen, besonders in der Marsch, wohl nicht schwer fallen, den Beyspielen der Holländer in der Cultur der Mööre nachzuahmen, und wenigstens in solchen Colonien einzelne Plätze anzubauen, deren Haupt-Unternehmer Holländer waren. Meiner Meinung nach kann man daher auch bey den folgenden Ansiedelungen nicht mit Gewißheit voraussetzen, daß die Anbauer ohne Ausnahme aus National-Holländern bestanden hätten; wohl aber, daß solche durchgängig von Holländischen Unternehmern veranstaltet, und den Anbauern, sie mochten Holländer oder Eingebohrne seyn, die Holländischen

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40) Concedimus etiam ut ad honorem Dei Ecclesiam construant, constructaeque praedium, quo sacerdos ibidem missas celebrande baptizando, mortuos sepeliende, ministraturus, se pascat; conferat, (conferant.))

 

 

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Rechte verliehen, das heißt, dieselben Bedingungen, die den Holländern vom Erzbischofe Friedrich zugestanden waren, bewilligt worden. Dieses letztere war denn auch, nach dem deutlichen Inhalte unserer Urkunde , bey dieser Colonie im Vielande der Fall, obgleich keines Holländischen Rechts namentlich Erwähnung geschahe.

 

Die übrigen Diplome des Erzbischofs Adalbero, welche die Cultur der Mööre zum Gegenstande haben, beziehen sich auf das Holsteinische, und werden demnächst vorkommen. Der Nachfolger desselben, Hartwig der erste, stiftete sogleich in seinem ersten Regierungs-Jahre 1149 eine Holländer-Colonie im Oldenburgischen. Die darüber zu Bremen ausgefertigte Urkunde 41)

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41) Sie ist abgedruckt bey Lindenbrog l. c. p. 157. Num. 48; bey Staphorst a. a. O. S. 552; und bey Lünig Spicil. Eccles. 1r Theil Fortsetz. Anhang Num. 61. S. 99. Diese Urkunde ist ausserdem interessant, wegen derjenigen ihrer Zeugen, welche zum hohen Adel gehörten. Diese waren folgende: Nobiles: Albertus marchio; (Albert der Bär, Markgraf von Brandenburg;) Bernhardus (dessen Sohn, nachmahliger Herzog von Sachsen;) Adolfus; (von Schauenburg, Graf von Holstein;) Hermannus Hodo; (ohne Zweifel eine Person, nemlich der in den Urkunden unsers Erzbischofs und andern gleichzeitigen öfter vorkommende Hermann Hode, Stammvater der Herren von Hodenberg, zu seiner Zeit ein angesehenes Mitglied des hohen Adels;) Thiedericus; (des Markgrafen jüngerer Sohn, Dieterich Graf von Werben;) Hogerus; (Hoyer von Mansfeld; Vid. Ludewig Reliq. Manuscr. Tom. 1. pag. 10; Tom. 2. pag. 384, 385; Tom. 8. pag. 200. 201; Tom. 11. pag. 550.) Man sieht hieraus, daß der Markgraf Albert, welcher mit dem Erzbischofe Hartwig, dem letzten des gräflich Stadischen und Martgräflichen Hauses, längst im Bündnisse stand, und diesem stets treu geblieben ist, mit seinem Gefolge der Einführung desselben in Bremen beywohnte.

 

 

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besagt: der Erzbischof habe ein gewisses Bruch, welches theils dem Probst und den Canonicis der Domkirche, theils ihm, dem Erzbischofe selbst, und einigen sehr wenigen Ministerialen zugehört habe, mit wohlüberlegter Zustimmung sowohl des ganzen Capitels als der dabey interessirten Ministerialen, zwey Männern, Namens Johann und Symon, und zwar dem erstern erblich und lehnbar, zum Verkauf und zum Anbau übertragen; wobey er denselben nach ihrem Wunsche diejenigen Rechte verliehen habe, welche die Holländer in der Gegend von Stade zu genießen hätten 42). Diesemnach werden dann auch die Bedingungen des Anbaues auf eine ganz ähnliche Art wie bey den vorhin erwähnten Colonien in der Urkunde festgesetzt.

 

Der Erzbischof bestimmt zugleich die Grenzen der anzulegenden Colonie, damit selbige von den Colonisten nicht überschritten werden möchten. Gegen Osten sollte sich dieselbe bis an den Fluß Hursebe, und gegen Westen bis an den Fluß Berne erstrecken; gegen Norden die Aldena daran herfließen, und gegen Süden das Hursibbere Moor selbige begrenzen 43). Wenn

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42) Ego Hartwicus deo donante Bremensis seu Hammenburgensis Archiepiscopus, paludem quandam partim praeposito et fratribus majoris Ecclesiae Bremensis, partim vero mihi et ministerialibus admodum paucis pertinentem, duobus viris, Johanni scilicet et Symon vendendam et excolendam fratrum omnium atque eorum qui participes erant ministerialium deliberato assensu tradidi, et justitiam quam affectabant, scilicet qualem Hollandensis populus circa Stadium hebere consuevit, concessi, - und weiter unten gegen das Ende: Districtam autem Johanni emtori quem supra recitavi, jure beneficiali concessi, ea videlicet ratione, ut suo eodem jure liceat relinquendum successori.

43) Quo vero termino eadem palus omni ex parte includatur, diligenti destinatione describi tam illos (illis) quam nobis necessarum duximus, ni vel illi plus suo quam sit justum, adjicere praesumant, vel de nobis, si forte quod pactum est, mutare vellemus, injuria sustineatur. Habet enim in plaga orientali fluvium Hursebe dictum, in occidentali alium Berna vocatum, in septentrionali vero Aldena fluit, in australi autem palus, quae Hursibberemor nuncupatur, praememoratum paludem claudit.

 

 

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man diese Merkmahle mit der Hunrich’sschen Charte vom Oldenburgischen zusammenhält, so ergiebt es sich sehr deutlich, daß die Niederlassung da angelegt werden sollte, wo anjetzt die Orte Ollen und Campe, welcher letztere der jetzige Wohnort des Beamten der Voigtey Berne ist, belegen sind. Der Ort Horsebe oder Horspe findet sich nemlich auf dieser Charte an der sogenannten alten Olle, Bardewisch gegenüber 44). Der Fluß Hursebe ist solchemnach die neue Olle, welche hinter Horsebe nach Norden hinfließt. Diese machten die Grenze gegen Osten, und gegen Westen der noch jetzt diesen Namen führende Bernefluß. Diese beiden Flüsse vereinigen sich nordwärts mit der alten Olle; und die letztere ist dann der Fluß Aldena, welcher zwischen den Mündungen der neuen Olle und der Berne unsere Colonie gegen Norden begrenzte. Gegen Süden befindet sich ein noch jetzt

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44) Aeltere Nachrichten gedenken auch dieses Orts Horsebe, und bezeichnen dessen Lage gerade da, wo wir ihn auf der Charte finden. Die Osterholzischen Schenkungs-Urkunden erwähnen nemlich eines Stücke Landes zu Horsebe, versus Ecclesiam Bardewisch; (Pratjen Herzogthümer Bremen und Verden 4te Samml. Num. 10. 11. 16, S. 26. 27. 40); imgleichen eines Zehntens zu Horsebe; (Ebdas. Num. 2. 8. 15. 16. S. 13. 22. 36. 40.) Im Jahre 1345 war ein Johannes de Horsebe daselbst begütert, (Vogt Monum. ined. 1r Bd. S. 609.) welcher zu der gerade gegenüber im Bremischen ansässigen Familie von Stelle gehörte, und in frühern Urkunden Johannes de Stelle genannt ward. (Vogt ebendas. S. 605. 607.)

 

 

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unangebaueter großer Moor, welcher ohne Zweifel der in der Urkunde benannte Hursibbere Moor ist. Sehr richtig bestimmt daher der Herr von Halem 45) die Lage dieser Colonie in der Brockseite des Stedingerlandes, wiewohl er den Umfang derselben etwas weiter als es jene Grenzen verstatten, zu erstrecken scheint. Offenbar irrig ist es hingegen, wenn der sonst so gründliche Lappenberg 46) das hier benannte Hursebe mit Wersebe im Osterstadischen verwechselt, welchemnach er den hier in Frage kommenden District quer durch die Weser erstrecken 47), und dabey die oben erwähnte unhaltbare Hypothese von einer damahligen Vertheileing der Weser in viele kleine Arme zu Hülfe nehmen will; wozu er sich durch die vorgefaßten Ideen von dem großen Umfange der Holländischen Niederlassungen hat verleiten lassen 48). Die Local-Verhältnisse jenes Districts sind gerade von der Art, wie bey allen übrigen Anlagen der Holländer. Die eigentliche

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45) Oldenburgische Geschichte, 1r Bd. S. 189.

46) Grundriß des Bremischen Geschichte 3te Abtheilung §. 56. Note v. v.) bey Pratjen Herzogthümer Bremen und Verden 2te Sammlung S. 287.

47) Wersebe liegt überdem gar nicht Berne im Stedingerlande gegenüber, sondern eine Meile nordlicher.

48) Schon die Umstände: daß der zum Anbau bestimmte District als ein Eigenthum des Erzbischofs, des Dom-Capitels, und sehr weniger Ministerialen angegeben; daß solcher nur an zwey Unternehmer überlassen; und daß der Zehnten aus diesem ganzen Districte dem Dom-Capitel als Ersatz für einiges der Probstey vorhin zugeflossene Feuerholz angewiesen ward, beweisen es wohl klar genug, daß von keinem , mehrere Quadrat-Meilen enthaltenen Striche Landes, an beiden Seiten der Weser die Rede seyn konnte.

 

 

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Marsch im Stedinger Lande war ohne Zweifel längst vorher angebauet, ja selbst der Strich zwischen der alten und neuen Olle, als in welchem Horsebe belegen ist, vermuthlich auch schon Berne und Huntrup zwischen der Berne und Hunte, wo der Boden marschartiger seyn mag: diese mehr moorige Gegend versuchten hingegen zuerst die Holländischen Unternehmer Johann und Symon in Cultur zu nehmen.

 

Der Erzbischof sagt ferner in der Urkunde: der Zehnten aus den hier artbar zu machenden Grundstücken solle dem Probst und dem Dom-Capitel deshalb zur Schadloshaltung zugeignet werden, weil bisher dem Dom-Probste aus der dortigen nun auszurodenden Holzung von den dort wohnenden zur Probstey gehörigen Leuten Feuerholz geliefert sey 49). Dieses steht-mit der erwähnten Beschaffenheit des Moorbodens in keinem Widerspruche. Die größeren Marschgegenden waren zwar wohl nebst den angrenzenden Möören ursprünglich ziemlich leer von Holze; daß aber weiter aufwärts die Abhänge der Geest großentheils bis in die Marschartigen Mööre, ja zum Theil bis in die Marsch mit weichem Holze oder doch mit Gesträuch bedeckt gewesen sind, davon finden sich mehrere deutliche Spuren. So hat z. B. das Marschdorf Rade im Amte Blumenthal, welches zunächst unter den Geest-Anhöhen von Neuenkirchen liegt, ohne Zweifel seinen

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49) caeterum, quia ligna ad comburendum praeposito a populo inibi manente et ad praeposituram pertinente ex institutione pristina sunt administrata, et eadem propter agriculturam a colonis eradicanda, ex paternae provisione benevolentiae statuimus, quatenus omnes eorundem novalium decimae in usus partim praepositi partim fratrum, sicut in privilegio inde conscripto continetur, ex nostra largitione perpetuo possidendae transeant, et defectum lignorum per utilitatem sui fructuose suppleant.

 

 

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Namen von der Ausrodung des Holzes 50). Es folgt übrigens aus jenen Aeusserungen in der Urkunde nicht, daß der ganze zur Anlage der Colonie bestimmte District aus einer dichten Waldung bestanden hätte. Ich gedenke mir vielmehr den Zusammenhang der Sache und die Veranlassung der gedachten Bestimmung folgendermaßen. Die angrenzende Geest bey Hude war ringsum und bis in das Moor, welches hier das Hursibbere Moor genannt wird, und an welchem sich südwärts noch jetzt das sogenannte Stedinger May 51) befindet, mit einer Hölzung überzogen, die sich nordwärts bis in die hier in Frage kommende Gegend erstreckte. Auf dieser benachbarten Geest, etwa in Hude 52), war

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50) Es ist bekannt, daß die oft vorkommenden Namen und Namen-Endigungen: Rode oder Rade, durchgängig eine Ausrodung andeuten. In den Marschgegenden finden sich selbige daher auch sonst nicht; desto häufiger aber in den Gebürgen.

51) Die Benennung: May, bedeutet ein Birkenholz; denn die Birken nennt man Maybäume, von der um Pfingsten im May gewöhnlichen Ausstellung der Birkenzweige. Daß auch die Gegend um die Stadt Oldenburg Birkenholz gehabt habe, beweiset unter andern das drohende Lied der Soldaten des Grafen Edzard von Ostfriesland: Greve van Oldenhorg in dem May, Christoffer van Jever in dem Kley, Hero Omken in de Bohnen, Greve Edzard will it ju wohl lohnen (Wiarda Ostfries. Geschichte 2r Bd. S. 242.) Auch mein Gut Meienburg, welches gegenüber eine ähnliche Lage hat, und wo die Birken gut fortkommen, hat gewiß den Namen von diesen Maybäumen. Hier sind gleichfalls die Abhänge der Geest an den marschmoorigen Wiesen mit Holz bewachsen gewesen und zum Theil noch bewachsen, und diese Wiesen würden bald auf eine ziemliche Strecke mit dem hier wuchernden Weichholze bedeckt seyn, wenn dieses nicht durch das Mähen und Beweiden derselben behindert würde.

52) Das Mönchs-Kloster zu Hude ward beinahe 100 Jahre später im Jahre 1236 erst gestiftet; von Halem Oldenburg. Geschichte 1r Band S. 220.

 

 

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eine Familie vom niedern Adel begütert, deren Glieder die in der Urkunde bezeichneten, bey der obigen Gegend interessirten wenigen Ministerialen ausmachten. Diese hatten einen Theil ihres Guts mit der Interessentenschaft in der Hölzung an die Domprostey veräussert, und der Domprobst hatte sich daher durch die dort acquirirten Meier bis dahin etwas Feuerholz liefern lassen *). Da nun einiger Abgang des Holzes durch die Ausrodungen, welche an der Nordseite von den Colonisien zu erwarten waren, befürchtet ward, so entsagten der Domprobst und das Capitel der Interessentenschaft an dem Holze, wodurch die Ministerialen wegen der ihnen entzogenen Theilnahme an der anzulegenden Colonie entschädigt wurden, und behielten dagegen die Zehntaufkünfte aus dieser Colonie für sich allein. Ich glaube, daß sich durch diese Voraussetzungen alles am passendsten aufklärte, indem es sich zugleich dadurch erläutert, warum den Ministerialen, welche gleichwohl ausdrücklich als Miteigenthümer der Gegend und Mit-Contrahenten angegeben werden, in der Urkunde kein Ersatz angewiesen, sondern alles dem Capitel zugeeignet wird. Wenigstens verstehet sich das wohl von selbst, daß die in der Urkunde als dort wohnend und zur Probstey gehörig angegebenen Leute nicht in dem noch unangebaueten Sumpfe, sondern in der Nachbarschaft gewohnt haben.

 

Gelegentlich, und da ich ausserdem nicht wieder auf das Oldenburgische zurückkommen werde, bemerke ich hier, daß der

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*) Der damalige Domprobst Otto, Hartwigs Nachfolger in dieser Würde, war erwähnterwaßen ein Zweig der gräflich Oldenburgischen Familie, (S. oben Note 31.) wodurch dergleichen Acquisitionen im Oldenburgischen befördert werden konnten

 

 

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Herr von Halem 53) auch das Kitchdorf Holle, welches ohnweit der eben erwähnten Colonie jenseits des Berneflusses westwärts herauf an der Hunte liegt, für eine Holländische Niederlassung hält. Der Namen Hollen ohne r kömmt zwar oft vor, und bedeutet gewöhnlich nichts Holländisches, in Verbindung mit der Lage dieses Orts finde ich aber dennoch die darauf begründete Vermuthung nicht ohne Anschein. Wahrscheinlich ist jedoch diese Colonie neuer als jene erstere. Ueberhaupt rückte man auch in dieser Gegend mit dem Anbau der Mööre erst späterhin von den größern Strömen und den Marschgegenden abwärts an den kleinern Flüssen herauf und gegen die Heide zu. Als im Jahre 1294 einige, meistens Bremische Edelleute 54) das Mönchs-Kloster Blankenburg bey Oldenburg stifteten, kauften sie zwar dazu ein schon bebauetes Gut an der Hunte von dem Grafen Johann 55), bedungen sich jedoch aus, daß die Breite desselben sich von dem Hunteflusse bis in das Moor gegenüber so weit erstrecken solle, als die Mönche den Grund bearbeiten

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53) Oldenburg. Geschichte 1r Band S. 189. 190. und Note +)

54) Sie hießen: Meinhard von Bederkesa, genannt Grimme, Erpo von Lunenberg, Dieterich von Wersebe, Erpo von Line, Ritter, und Johann von Stelle, Knape. S. von Halem Oldenburg. Geschichte 1r Bd, S. 221. fg. und die angehängte Stiftungs-Urkunde Num. 3. der Anlagen S. 462.

55) Das Gut hieß Srapen; (s. die Stiftungs-Urkunde a. a. O. und grenzte an der einen Seite an einen Ort qui Brokesvlete vulgariter appellatur; welcher gewiß neben dem dort befindlichen Brockdeiche belegen war, an der andern Seite aber an den aggerem iuxta Lindowe, einen noch jetzt aus der Hunrich'sschen Charte sichtbaren Binnendeich, zwischen welchem und jenem Brockdeiche Blankenburg liegt.

 

 

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wollten und könnten, es möge solcher aus Bruch- oder eigentlichem Moorgrunde bestehen 56). Hier verschrieb man aber damahls keine Holländer mehr, so wie dieses bey Osterholz, Lilienthal u. s. w. um diese Zeit auch nicht mehr geschahe.

 

Der Erzbischof Hartwig I. beschäftigte sich ausser der erwähnten Colonie im Oldenburgischen auch noch mit mehreren Anlagen dieser Art, welche sich an die von seinem Vorgänger im Vielande gestiftete Niederlassung anschlossen. Dieses beweiset die zu Frankfurt am 16ten May 1158 ausgefertigte Urkunde des Kaisers Friedrich I. 57), vermittelst deren dieser dem Erzbischofe verstattet, die Brüche ohnweit Bremen, das Weigerebruch, Brinkerebruch, Huchtingerebruch, welche vorhin uncultivirt gewesen wären, mit Anbauern zu besetzen; nemlich innerhalb folgender Grenzen: von Weihe und Dreye, zwischen der Ochtum und Weser bis an den Zusammenfluß derselben, und jenseits

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56) Latitudo vero se extendit a fluvio qui Hunte vocatur circirer paluem, sive Moer sive Brok nuncupetur: verumtamen ipsam latitudinem distincte describere non potuimus, quia nulla villa vel domus, per quas distingui posset, vicinae fuerunt, unde concedimus monialibus dicti claustri, quod tantum recipiant de dicta palude, quantum in praesenti voluerint, et procedente tempore, quantum sibi perpetuo viderint expedire.

57) Bey Lindenbrog Scriptor. rer. Septentr. edit Fabricii pag. 160. num. 51. bey Staphorst Hamburg. Kirchen-Geschichte 1r Thl. 1r Bd. S. 562; bey Conring, gründl. Bericht u. s. w. Cap. 8. in eiusd. Operibus edits. de Göbel T. 1. pag. 862; in Orig. Guelf. Tom. 1. Praes. pag. 20. §. 6. Not. f.); und in Lünigs Reichs-Archiv Part. spec. 2te Contin: 1ste Forts. S. 438.

 

 

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der Ochtum zwischen Brinkum und Hasbergen 58). In dem hier bezeichneten Districte war die von Adalbero schon angelegte an dem rechten Ufer der Ochturn bis zu deren Einflusse in die Weser sich erstreckende Colonie, welche hiedurch zugleich die Bestätigung des Kaisers erhielt, mitbegriffen; ausserdem aber erstreckte sich dieser District an beiden Ufern der Ochtum weiter südlich, an dem rechten Ufer bis nach Dreye und Weihe und am linken von Hasbergen nach Huchtingen und von da nach Brinkum herauf. Es ergiebt sich zugleich aus diesen Grenzbestimmungen, daß nicht nur die an der Geest belegenen Orte Brinkum und Huchtingen, sondern auch die Marschdörfer Dreye und Weihe schon existirten, mithin nur von einem Anbau der Brüches an der Ochtum, welche das Weihebruch, Brinkumerbruch und Huchtingerbruch genannt werden, hier die Rede ist. Daraus, daß hier an der Ostseite der Ochtum Hasbergen als der nordlichste Grenzpunkt benannnt wird, bestätigt es sich anderweit, daß die Marsch an dieser Seite des Flusses nordlich von Hasbergen herab schon angebauet war.

 

Der Kaiser erklärte ferner 59), daß er alle diejenigen

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58) Paludes iuxta Bremam sitas videlicet Wergerebroch, (bey Lindenbrog stehet Wegerebroch, es soll aber ohne Zweifel Weigerebroch bedeuten;) Brinkerebroch, Huchtingerbroch, quae prius absque cultura erant, inhabitari et coli concessimus infra hos terminos, a Weye videclicet et Dreye, (bey Lindenbrog steht offenbar unrichtig: Wexe et Drexe;) inter Ochtmundam et Wiser m usque ad locum ubi confluunt, et trans Ochtmundam inter Brinken et Hasberge.

59) Omnes itaque, qui paludes ex concessione dilectissimi nostri Hartwici Hammenburgensis sive Bremensis Archiepiscopi inhabitaverunt, in tuitionem nostram imperialem suscipimus, et omnia iura, quae idem Archiepiscopus eis constituerit, rata habebimus, et omni tempore illis decernimus conservanda. Quia vero idem Archiepiscopus Bovo venditorem ejusdem paludis, et habitatorum ipsius iudicem, nostro et cognati nostri Heinrici Ducis consensu constituit, volumus et imperiali edicto iubemus, ut quicunque a Bovone sive a Vicario ejus possessionem in praedicta palude mercatus fuerit, nemo mortalium ipsum aut heredes ipsius unquam injuriari, (injuriare) praesumat. (Bey Staphorst stehet unrichtig statt der letztern Worte: nunquam injuriam praesumat. Auch ist daselbst statt des Namen Bovo und Bovone beidemahl Bonno und Bonnone geschrieben; da aber dieser Unternehmer in der zunächst anzuführenden Urkunde gleichfalls Bovo genannt wird, so ist dieser Name ohne Zweifel der richtigere. Vermuthlich hat in der Urschrift Bowo gestanden.)

 

 

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die vermöge einer Cocession seines lieben getreuen Erzbischofs Hartwig sich in jenen Brüchen niedergelassen hätten, in seinen Kaiserlichen Schutz nehme, und alle denselben von dem Erzbischofe verliehenen Rechte genehmigen wolle und auf immer bestätige. Da nun der gedachte Erzbischof mit seiner des Kaisers und seines Verwandten, des Herzogs Heinrich Einwilligung, dem Bovo den Verkauf der gedachten Brüche und die Gerichtbarkeit über die Anbauer übertragen habe, so wolle er und verordne vermittelst dieses Kaiserlichen Befehls, daß niemand sich unterstehen solle, irgend einen solchen, der von dem gedachten Bovo oder dessen Substituten ein Grundstück in den erwähnten Brüchen gekauft haben würde, oder dessen Erben jemahls zu beeinträchtigen.

 

Die Urkunde ergiebt es ziemlich deutlich, daß der ganze Anbau in den bemerkten Brüchen blos für Rechnung des Erzbischofs veranstaltet war. Da jedoch die Herzogin Gertrud nebst ihrem Sohne vorhin als Theilnehmerin zur Hälfte der Colonie

 

 

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im Vielande anerkannt worden: so wurde auch hier, wiewohl blos pro forma, gesagt: daß der Colonie-Director Bovo mit Genehmigung des Herzogs Heinrichs des Löwen angestellt sey. Dieser war aber nicht gegenwärtig, wenigstens ist er weder in dieser Urkunde, noch in den beiden andern, dem Erzbischofe an eben dem Tage ertheilten Kaiserlichen Privilegien 60), als Zeuge mit benannt, dagegen er in der Folge in den beiden fernerns Diplomen, welche zu Gunsten des Erzbischon am 22sten April desselben Jahrs zu Kaiserswerth ausgefertigt sind 61), unter

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60) Das erste derselben enthält eine allgemeine Bestätigung der ältern Kaiserlichen Begnadigungen und die Bestimmung der Grenzen des Erzstiftsl. In Lindenbrog Scriptor. rer. Septentr. edit. Fabricii ist es, vermuthlich aus Versehen, zweymahl, Nro. 49. et 52. pag. 158. et 160. abgedruckt, desgl. bey Staphorst a. a. O. S. 559. Und Lünig Spicil. Ecclesiast. 1r Thl. Fortsetz. Anhang S. 101; das andere betrifft die Graft Lessum, und wird sogleich näher erwähnt werden.

61) in Verda S. Swiberti. Es bedarf anjetzt wohl keines Beweises mehr, daß hierunter Kaiserswerth und nicht Verden zu verstehen ist, obgleich die ältern Chronikenschreiber durch die Verwechselnng dieser Orte veranlasset sind, den heil. Swibert zum Stifter des Bisthums Verden zu machen, wo er nie gewesen ist. Die meisten der Zeugen wohnten auch in der umliegenden Gegend: nemlich der Erzbischof von Cölln und zwey dortige Pröbste, die Bischöfe von Utrecht und Münster, die Pröbste von Aachen und Xanten, der Pfalzgraf Conrad von Aschen, die Grafen Ludewig von Cleve, Heinrich von Coek, Adolf von Berg, Simon von Tekelnburg, Otto und Hermann von Ravensberg. In jenen Frankfurtischen Urkunden finden sich von diesen nur der Probst von Aachen und der dortige Pfalzgraf Conrad, dagegen waren hier die näher wohnenden Bischöfe von Würzburg und Bamberg, der Erzbischof von Mainz und der Herzog Friedrich von Schwaden, Neffe des Kaiser, zugegen. Die ersten dieser beiden Kaiserswerthischen Urkunden, (bey Lindenbrog l. c. num. 53. pag. 161; bey Staphorst a. a. O. S. 563; Lünig Reichs-Archiv, p. Special. Contin. 2. 1ste Forts. S. 439.) betrifft die Exemtion der Bremischen Stifter, desgleichen der Stadt Bremen und deren Einwohner von aller fremden Botmäßigkeit, nebst den Zoll-, Markt- und Münzgerechtsamen, und der freien Erzbischofswahl, nach Anleitung älterer Privilegien Kaisers Otto I.; vermittelst des andern aber, (bey Lindenbrog l. c. pag. 162. num. 54; bey Staphorst S. 565; und bey Lünig, Spicil Eccl. 1r Thl. Fortsetz. Anhang S. 102) wurden dem Erzbischofe die dem Erzstifte schon von den Kaisern Conrad II. und Heinrich IV. verliehenen Forst- und Jagd-Gerechtigkeiten bestätigt, nemlich 1) der Forst im Ertenebrock (bey Erteneborg oder Artelnburg in der Gegend von Hamburg) 2) die Jagd zwischen den Flüssen Warmenow, Weser, Aldena und Hunte; (die Warmenow ist ein kleines Flüßchen im Osnabrückischen, welches nicht weit von den Quellen der Hunte entspringt, aber ostwärts fließt, statt daß die Hunte ihren Lauf nordlich nimmt. Diese Warmenow ergießt sich in die Werre und diese in die Weser, welche von da bis gegen die Quellen der Aldena oder Olle den Forst begrenzte. Diese Olle separirte solchen von der Stedinger Marsch, wo kein Forstgrund ist, und von der Mündung derselben gieng dann wieder die Grenze längst der Hunte bis zu deren Ursprung herauf, wodurch ein beträchtlicher District umschlossen wird.) 3) Noch ein ehemahls Kaiserlicher Forst in pago Ameri in Comitatu Udonis; (also noch jenseits der Hunte gegen Nordwesten, denn hier war der pagus Ameri; S. von Halem Oldenburgische Geschichte 1r Band S. 82; Paulini de pagis pag. 8. 9; Chron. Gottwicense pag. 543.) Diesem sind noch allgemeine Bestätigungen älterer kaiserlichen Privilegien hinzugefügt.

 

 

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den Zeugen ausgeführt wird. Bey dieser letztern Gelegenheit mochte der Herzog das Vorgefallene erfahren und sich darüber, daß ihm kein reeller Antheil an den Bremischen Moor-Colonien angewiesen war beschwert haben. Wenigstens ist es gewiß, daß

 

 

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derselbe hiemit unzufrieden gewesen seyn, und sowohl der Erzbischof, dessen Freund der Herzog ohnehin nicht war 62), als selbst Bovo sich vor den Ahndungen desselben gefürchtet haben müsse; indem der Erzbischof etwa zwey Monate nachher von dem Kaiser, dessen besondere Gunst er sich, wie die gehäuften Gnadenbriefe beweisen, damahls erworben hatte 63), noch ein

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62) Die Verhältnisse wegen der Grafschaft Stade, welche Hartwig als letzter Erbe derselben der Bremischen Kirche vermachte, der Herzog aber schon zu den Zeiten des Erzbischofs Adalbero mit Gewalt an sich zu in reißen gestrebt hatte, und die Anhänglichkeit Hartwigs an den Markgrafen Albert standen aller Freundschaft zwischen jenem und Heinrich dem Löwen gänzlich im Wege. Doch kam es zwischen denselben erst in Hartwigs letzten Lebensjahren zum würklichen Kriege, wobey dieser und sein Stift Vieles leiden mußten.

63) Der Kaiser Friedrich rüstete sich damahls zu einem Zuge nach Italien. Hartwig der ohne Zweifel sich noch daran erinnerte, daß er im Jahre 1154 wegen unterbliebener Begleitung des Kaisers auf dem Römerzuge seiner Regalien verlustig erklärt worden war, wird es gewiß nicht versäumt haben, die Beyträge zu der damahligen anderweiten Expedition in reichlicher Maaße zu liefern, wofür er dann auch, wie das am kaiserlichen Hofe gebräuchlich war, vermittelst der hier erwähnten sehr gnädigen sechs Urkunden, gehörig mit Pergament belohnt wurde. Er selbst zog übrigens nicht mit nach Italien, wie er denn überhaupt die Kriegszüge nicht liebte, sondern in der Folge, als Heinrich der Löwe sein Land feindlich überzog, anfangs nach Hamburg, und hiernächst nach Magdeburg flüchtete. (Helmold Chron. Slavor. Lib. 2. Cap. 8. Num. 6.) Doch hatte er den Bremischen Domprobst Otto von Oldenburg, den Hamburgischen Domprost Hartwig und den Probst Udo von Ramelsloh nach Kaiserswerth zum Kaiser gesandt, welche in den daselbst ausgefertigten Urkunden als Zeugen aufgeführt stehen. Der in diesen Urkunden mit vorkommende H. notarius ist der nachmahlige Bremische Erzbischof Hartwig II., welcher aber nicht als Bremischer Domherr, sondern als Secretair Heinrichs des Löwen zugegen war, für welchen er in demselben Jahre das bald zu erwähnende Diploln für das Bisthum Ratzeburg, unter dem vollständigen Titel: Hartwicus Curiae Ducis Notarius. verfasset hat, wie er denn seitdem öfter in dieser Qualität vorkommt. Daß er hier vor seinem Principal, dem Herzoge, unter den Zeugen stehet, rührt blos davon her, daß alle Geistliche, unter denen er der letzte ist, voran gesetzt sind. Da er damahls wahrscheinlich schon majorenn gewesen ist, so muß er bey seinem Absterben im Jahre 1207 wenigstens 74 Jahre alt geworden sey.

 

 

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anderweites Diplom 64) zu erwürken nöthig fand, vermittelst dessen er sich gegen dergleichen Unternehmungen des Herzogs zu sichern suchte, welches auch allem Anschein nach völlig die gewünschte Würkung gehabt hat 65). Der Kaiser sagt nemlich

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64) Dasselbe ist abgedruckt bey Lindenbrog l. c. Num. 56. pag. 163; bey Staphorst a. a. O. S. 568; bey Lünia, Spicil. Eccles. 1r Thl. Fortsetz. Anhang S. 103. Num. 68. bey Goldast Constitut. imperial. T. 3. pag. 336; und in Orig. Guelf. T. 3. Praef. pag. 30. 21. §. 6.

65) Der Herzog konnte um so eher bewogen werden, über die ohne seine Zuziehung und doch gleichsam in seinem Namen geschehene Verleihung dieser Mööre hinauszugehen, als er zu gleicher Zeit ein völlig ähnliches Gegenstück gemacht hatte.· In einer dem neu gestifteten Bisthume Ratzeburg in demselben Jahre 1158 ertheilten Urkunde, welche sich bey Ludewig Reliq. Manuscriptor T. 6. pag. 233-239; Westphalen Monum. ined. T. 2. pag. 2030-2034; Orig. Guelf. Tom. 3. Praef. pag. 43-47; Pfeffinger Braunschweig Lüneburgsche Historie 2r Thl. S. 673-679; befindet, bestimmte er nemlich die Grenzen dieses Bisthums bis an den Einfluß der Bille in die Elbe, und bezog sich dabey auf die angebliche des Erzbischofs Hartwig und des Hamburgischen und Bremischen Capitels, von denen sämmtlich niemand zugegen war. Dieses zu Lüneburg ohne Bemerkung des Tages ausgefertigte Diplom muß frühe im Jahre abgegeben seyn, denn am 22sten April desselben Jahre war der Herzog erwähntermaßen schon in Kaiserswerth und der als Zeuge mit aufgeführte Bischof Herrmann von Verden, welcher übrigens am 21sten May noch in Verden war, (Schlöpken Bardewick. Chronik S. 185; Pfeffinger a. a. O. S. 944; Orig. Guelf. Tom. 3. pag. 477.) befand sich, wie die in einer der nächstfolgenden Noten vorkommende Freisingische Urkunde, wobey er ein Zeuge war, beweiset, am 14ten Jun. bei dem Kaiser in Augsburg, von da er diesem nach Italien folgte, und dort eine Hauptrolle spielte.

 

 

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in demselben nach vorgängigen sehr starken Versicherungen seiner Gewogenheit gegen den Erzbischof 66): Er schätze und liebe seine lieben Getreuen, den Herrn Erzbischof von Bremen und den Herzog von Bayern und Sachsen so einzig, daß wenn etwa einer derselben sich gegen den andern vergehen sollte, dieser solches nicht eigenmächtig ahnden, sondern die Sache sogleich seinem, des Kaisers, gerechtem Urtheilsspruche anheim stellen solle. Zugleich verspricht dieser 67), aus Freundschaft gegen den Erzbischof, den Bovo völlig wieder mit dem Herzoge auszusöhnen, denselben so lange er lebe, nebst allem was ihm zugehöre,

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66) Primum igitur dilectos nostros, Dominum Bremensem et Bavariae ao Saxoniae Ducem tanto dilectionis vincule unice dignum censemus, ut, si alteruter in alterum excesserit, per se ulcisci non praesumat, sed dictante sententia ad examen nostrae iustitiae, prout decet, recurrere festinet.

67) Pro eius etiam dilectione Bovonem in gratia Ducis pleniter restituemus, et quam diu vivit, ipsum ad (ac) omnia sibi pertinentia sub nostra imperiali tutela conservabimus.

 

 

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in seinen kaiserlichen Schutz zu nehmen 68). In den sämmtlichen Abdrücken dieser zu Augsburg ausgefertigten Urkunde ist die Jahreszahl 1159. ohne Bemerkung des Tages angegeben, zu

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68) Die Urkunde enthält ausserdem noch mehrere Gnadenbezeugungen, welche dem Erzbischofe Geld genug gekostet haben mögen. Der Kaiser versprach nemlich, den Streit zwischen demselben und dem Bischofe von Verden nach dem Rathe der Fürsten und anderer einsichtvollen Männer, den beiderseitigen Privilegien gemäß beyzulegen, sodann allen Fleiß anzuwenden, um demselben die ihm von dem Erzbischofe von Magdeburg vorenthaltenen Erbgüter wieder zu verschaffen; und den Walter von Arnstede dasjenige, war dieser von dem Erzbischofe zu Lehn trage, bereitwilligst einzuräumen. (So suchte Hartwig alle seine Streitsachen vor des Kaisers Abreise durch dessen Gunst niederzuschlagen.) Ferner wollte ihn der Kaiser, seinem Wunsche zufolge, von Heerzügen, Diensten und andern Mühwaltungen (nemlich für die Gebühr von dem jetzigen Römenzuge,) dispensiren, ihm jährlich 20 Fuder Wein aus Boppard und Mainz verabreichen, und, wenn er nach Rom komme, sich daselbst die Ehre des Erzbischöflichen Stuhls bestens angelegen seyn lassen. Eine Würkung dieser letzten Zusage war ohne Zweifel der Gnadenbrief des Pabsts Adrian IV. für das Bremische Erzstift (bey Staphorst a. a. O. S. 558.), welcher zwar daselbst auf den 22sten Februar 1158 datirt, aber in das folgende Jahr zu setzen ist, als auf welches die angegebene siebente Indiction und das bemerkte fünfte Regierungs-Jahr der Pabstes zutrifft, der 1154. und zwar gewiß erst nach dem 21sten Februar, da sein Vorgänger in diesem Jahre erst starb, auf den heiligen Stuhl erhoben war. (Vid. Augerii de Biterria Histor. Pontificum in Eccard Corp. histor. T. 2. pag. 1742; Walch Historie der Päbste, zweyte Ausg. S. 254. 255.) Auch der Kaiserlich gesinnte Gegenpabst Victor übersandte in den folgenden Jahren, während dem der Kaiser in Italien war, einige gnädige Bullen für den Erzbischof Hartwig. (Lindenbrog l. c. p. 161. Staphorst a. a. O. S. 569. 570.)).

 

 

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weichem Jahre sie dann auch durchgängig gerechnet wird. Dieses ist aber offenbar ein Schreibfehler , und die Zahl muß 1158 heißen. Noch in diesem Jahre, zu welchem auch die Indiction und die bemerkten Regierungs-Jahre des Kaisers passen 69), reisete der Kaiser nach Italien, wo er nicht allein das ganze 1159ste Jahr zubrachte, sondern auch bis in das Jahr 1162 verblieb. Am 14ten Junius 1158. befand sich hingegen derselbe noch zu Augsburg, wo er ein Diplom für das Hochstift Freysingen ausgab 70); und damahls ist ohne Zweifel auch das vorliegende verfasset.

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69) Die allenthalben bemerkte sechste Indiction war im Jahre 1158. Die Regierungsjahre des Kaisers sind bezeichneit bey Staphorst: Anno regni eius 7; imperii vero 3. Statt der letztem Zahl steht jedoch den Lindenbrog und in den übrigen Abdrücken: imperii vero 4. Der Kaiser Friedrich war am 8ten März 1152 als König und am 18ten Junius als als Kaiser zur Regierung gekommen. Seit dem 8ten März 1158. befand er sich also schon im siebenden Regierungs-Jahre als König: wegen des Kaiserlichen Regierungs-Jahrs kömmt es aber darauf an, ob die Urkunde vor oder nach dem 18ten Junius 1158 angefertigt ist. In ersterm Falle passet das von Staphorst gesetzte dritte, im letztern Falle das bey Lindenbrog stehende vierte Jahr auf das Jahr 1158. Daß dagegen die im März und April 1158 zu Frankfurt und Kaiserswerth abgegebenen Diplome den annum regni 6. imperii vero 3. benennen, (wodurch vermuthlich Lindenbrog verführt ist, das gegenwärtige für ein ganzes Jahr jünger zu halten, und daher auf das Jahr 1159 zu datiren,) das hat nach jenen Angaben dennoch seine Richtigkeit.

70) Bey Meichelbeck Histor. Frising. T. 1. pag. 337. aus der Urschrift; bey Lünig, Spicil Eccl. 3r Thl. s. 232; und Orig. Guelf. T. 3. pag. 475. Ein Zeuge war erwähntermaßen der Verdensche Bischof Herrmann. Es enthält die allentbalben richtigen Zeitbestimmungen: Datum Augustae 18. Kal. Jul. anno Dominicae incarnationis MCLVIII. Indict. 6. Regnante Imperatore Friderico anno regni ejus 7. imperii vero 3. Der Kaiser entschied vermittelst desselben einen Streit zwischen dem Halb-Bruder seiner Vaters, dem Bischofe Otto von Freysingen, dem berühmten Geschichtschreiber, und Heinrich dem Löwen. Der letztere hatte die zu Beringen gegen Freysingen über, (dessen Lage die Charte den Meichelbeck histor. Frising. Tom. I. pag. 1. sub num. 25. zeigt,) befindliche, vielleicht von dem Bischofe neu erbauete Brücke über die Iser zerstört, um den daselbst angelegten Zoll, besonders vom Salze, nach München zu ziehen. Der Ausspruch der Kaisers gieng dahin, daß diese Brücke nicht hergestellt werden, auch in Beringen keine Markt- und Zoll-Gerechtigkeit statt finden solle. Zur Entschädigung solle der Bischof von dem Markt-Zolle und der Münze zu München den drittes Theil genießen; dagegen aber auch der Herzog den dritten Theil der Münze zu Freysingen von dem Bischofe zu Lehn erhalten.. Diese Entscheidung war für den Bischof, ohngeachtet seiner Verwandtschaft mir dem Kaiser und der auf dessen Lebens-Beschreibung verwandten Mühe, nichts weniger als vortheilhaft: allein der Kaiser mußte damahls den mächtigen Herzog schonen, der Bischof hingegen war alt und schwach, mußte deshalb auf der mit dem Kaiser angetretenen Reise nach Italien wieder umkehren, und starb noch in demselben Jahre. Im folgenden brannte Freysingen ab. Meichelbeck I. all. p. 337. 338. 345 347. 348. In der Folge ward aber nach dem Sturze Heinrichs des Löwen im Jahre 1180 alles Obige wieder umgestoßen und die Brücke zu Beringen nebst dem Zolle vom Kaiser Friedrich hergestellt; Meichelbeck. l. c. pag. 365. Orig. Guelf. T. 3. pag. 545. Lünig. Spicil. Eccl. 2r Thl. S. 134.

 

 

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Ausserdem muß ich hier noch einer andern derjenigen Urkunden, welche der Kaiser obgedachter maßen am 16ten März 1158. zu Frankfurt zu Gunsten des Erzbischofs Hartwig erlassen hat,

 

 

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näher gedenken 71). Der Inhalt derselben ist folgender 72): Es sey dem Kaiser ein Privilegium seines Aeltervaters, des Kaisers Heinrich des Vierten, vorgelegt worden, welches er gleichsam als einen göttlichen Ausspruch verehre und bestätigen wolle. Er confirmire demnach alles dasjenige, was dem Hamburgischen

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71) Abdrücke derselben finden sichbey Lindenbrog l. c. pag. 159. Num. 50. bey Staphorst a. a. O. S. 561. in Conrings gründl. Berichtetc. Cap. 8. Tom. 1. Operum edit. de Göbel pag. 86a und in Lünigs Reichs-Archiv. P. Special. 2te Contin. 1ste Fortsetzung. S. 437.

72) Privilegium dilectissimi proavi nostri Henrici IIII. Imperatoris nostrae majestati oblatum debita reverentia suscepimus, et quasi divinae auctoritatis oraculum confirmare dignum duximus. Ejus itaque gloriosissima facta prosequentes et honestae petitioni dilectissimi nostri Hartwici, venerabilis Hammaburgensis sive Bremensis Ecclesiae Archiepiscopi vota admittentes eandem Ecclesiam in nostram imperialem tuitionem suscepimus, et omnia, quae Carolus et Hludewicus, sive Ottones, nec non divus proavus noster Heinricus IV. (et) cuncti praedecessores nostri retro Principes praefatae Ecclesiae contulerunt, nos quoque gratuita pietate damus et confirmamus, Specialiter et nominatim curtem, quae vocatur Liestimunde, in Comitatu quondam Marchionis Udonis; et in pago Wimodi, cum omnibus pertinentiis suis, hoc est utriusque sexus mancipiis, areis, aedifioiis, agris, pratis, pascuis, terris cultis et incultis, aquis, aquarum decursibus, molis, molendinis, piscationibus, venationibus, exitibus, et reditibus, quaesitis et inquirendis, monetis, theloneis, nostrique banni districtum, super omnes ipsam terram inhabitantes. Contradimus quoque et confirmamus jam dictae Hammaburgensi sive Bremensi Ecclesiae forestum cum banno regali per totum pagum Wimodi, cum insulis Breme scilicet et Lechter, nec non paludes Linebruch, Aspruch, Aldenbruch, Huchtingebruch, Bruscinubruch, Wigeribruch, limite discurrente usque ad Ettirna fluvium.

 

 

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der Bremischen Erzstifte, welches er in seinen besondern Schutz nehme, von den Kaisern Carl, Ludwig, den Ottonen, Heinrich dem Vierten, und überhaupt von allen seinen Vorwesern bisher verliehen sey; insbesondere und namentlich aber den Hof Liestimunde in der Grafschaft des vormahligen Markgrafen Udo und im Gau Wimodi belegen, mit allen Pettinenzien, Knechten und Mägden u. s. w., auch Münze, Zoll und dem Königsbanne (d. i. der höhern Gerichtbarkeit,) über sämmtliche dortige Einwohner. Desgleichen übertrage und bestätige er dem Hamburgischen oder Bremischen Erzstifte die Forstgerechtigkeit mit dem Königsbanne durch den ganzen Gau Wimodi, nebst der Bremischen Insel (oder dem Bremischen Werder) und der Insel (oder dem Werder) Lechter, wie auch die Brüche: Linebruch, Aspruch, Aldenbruch, Huchtingebruch, Bruscinubruch, Wigebruch, bis an den, die Grenze derselben ausmachenden Fluß Ettirne; ausserdem aber alle sonstige dem Erzstifte von den Kaisern seit Carl dem Großen verliehene Besitzungen, Freyheiten und Regalien.

 

Das dem Kaiser Friedrich damahls vorgelegte Privilegium Heinrichs des Vierten, datirt zu Altstedt vom 27sten Junius 1062, welches Lindenbrog und Staphorst gleichfalls im Abdrucke geliefert haben 73), enthält folgendes 74): der Erzbischof Adelbert

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73) Lindenbrog l. c. pag. 140. num. 25. Staphorst a. a. O. S. 419. Ausserdem ist dasselbe auch noch abgedruckt bey Mader in Appendice Documentator. ad Adamum Bremensem pag. 223. in Conrings gründl. Bericht u. s. w. Cap. 8. und 26. in Operibus edits Göbel Tom. 1. pag. 861. et 970. in Leukfelds Antiquitat. Alstedens. pag. 255. not. u. 3); in Mushards Monum. Nobil. S. 24. und in Lünigs Spicil. Eccles. 2te Contin. 1ste Fortsetz. S. 435.

74) Dr. Adalbertus, sanctae Hammaburgensis Ecclesiae Archiepiscopus patronus et fidelis noster clementiae nostrae serenitatem adiit supplicando, quatenus nostrae proprietatis quoddam praedium, curtem scilicet, quae vocatur Liestmuone, in Comitatu Marchionis Udonis, et in pago Wimodi nuncupato sitam cum omnibus pertinentiis suis, progenitoris nostri charae memoriae Heinrici Romanorum Imperatoris Augusti, nostraeque animae remedio, in jus suae transfunderemus Ecclesiae, et hoc idem, omniaque alia ejusdem Ecclesia bona, modis undecunque legalibus aggregata jure sibi perpeduo possidenda, omni contradictione postposita, per nostri praecepti paginam confirmaremus. Honestae igitur petitioni nostro consilio fidelium, videlicet dilecti Magistri nostri Annonis Archiepiscopi Coloniensis, Sigefridi Archiepiscopi Moguntini, Burchardi Halberstadensis Episcopi, Ottonis Marchionis, consentire decernentes, remunerantes quoque praedicti Archiepiscopi juge servitium, quod patri nostro et nobis incessabili devotione exhibuit, eandem praenominatam curtem cum universis appendiciis, hoc est utriusque sexus mancipiis, areis, aedificiis, agris, pratis, pascuis, terris cultis et incultis, aquis et aquarum decursibus, molis, molendinis, piscationibus, venationibus, exitibus et reditibus, quaesitis et inquirendis, monetis, theloneis, nostrique banni districtum super omnes ipsam terram inhabitantes, forestum etiam cum banno regali per totum pagum Wimodi. cum insulis, Bremensi scilicet et Lechter dicis, nec non cum paludibus, Linebroch, Asebroch, Aldenebroch, Weigeribroch, Huchtingebroch, Weigenbroch, limite discurrente usque in Eiterna fluvium, pro animae nostrae corporisque salute, sanctae Hammaburgensi Ecclesiae, quae est in honore Domini et Salvatoris nostri ejusque intemerate genetricis perpetuaeque virginis Mariae et beati Jacobi Apostoli consecrata, perpetuo jure possidendam omnium praesentium vel succedentium contradictione remota in proprium tradidimus atque donavimus.

 

 

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von Hamburg habe den Kaiser gebeten, ein ihm eigenthümlich zugehöriges Gut, nemlich den Hof, Liestimone genannt, in

 

 

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der Grafschaft des Markgrafen Udo und im Gau Wimodi belegen, mit allem Zubehör, für sein und seines wohlseligen Vaters, des Kaisers Heinrich Seelenheil, der Kirche desselben zu übertragen, und selbiges nebst allen übrigen rechtmäßig erworbenen Gütern dieser Kirche durch ein kaiserliches Edict zu bestätigen. Er habe diesem Gesuche auf Vorbitte seiner lieben Getreuen, nemlich seines werthen Lehrers Anno, Erzbischofs von Cölln, des Erzbischofs Siegfried von Mainz, des Bischofs Burchard von Halberstadt, und des Markgrafen Otto, wie auch zur Belohnung der von dem gedachten Erzbischofe seinem Vater und ihm selbst mit unablässiger Treue geleisteten Dienste statt gegeben; und habe demnach zu seinem Seelenheil der unserm Herrn und Heilande, wie auch dessen unbefleckter Mutter und steten Jungfrau Maria und dem heil. Apostel Jacob gewidmeten heiligen Kirche zu Hamburg den gedachten Hof mit allen Pertinenzien, Knechten und Mägden (u. s. w. wörtlich wie in jenem Diplome Friedrichs I.), sodann die Forstgereehtigkeit über den ganzen Gau Wimodi mit dem Königsbanne, nebst der Bremischen und Lechter Insel, wie auch mit den Brüchen Linebroch, Asebroch, Aldenebroch, Weigeribroch, Huchtingebroch, Brinscimibroch, Weigenbroch, bis an den die Grenze ausmachenden Fluß Eiterna; eigenthümlich übertragen und geschenkt. Am Schlusse ist in gleichen Ausdrücken wie in jener neuern Urkunde, eine Bestätigung aller ältern Privilegien und Vorrechte hinzugefügt.

 

Diese Documente interessiren uns hier wegen der darin benannten Brüche. Die drey zuletzt ausgeführten, Huchtingebrock, Brinscimibrock oder Bruscinubruch, und Weigenbrock oder Wigebruch, sind offenbar keine andern als die Brüche an der Ochtum bey Huchtingen, Brinkum und Weihe, von denen eben bemerkt ist, daß sie der Erzbischof Hartwig durch Bovo mit Colonisten hatte besetzen lassen. So wie diese drey Mööre in der Reihe von Norden nach Süden verzeichnet sind, so ist eine gleiche

 

 

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Reihefolge auch bey den übrigen beobachtet, und das Linebrock, welches zuerst benannt, und natürlicher Weise bey Line im Oldenburgischen zu suchen ist, macht solchemnach den nordlichsten Standpunkt aus. Das zunächst folgende Asebroch oder Aspruch möchte wohl Elsebrock zu lesen seyn, und ein Bruch an der Else in der Gegend von Elsfleth bedeuten. Dem zufolge wäre denn das Aldenebrock oder Aldenbruch nicht für die zu weit nordwärts belegene jetzige Voigtey Oldenbrock, sondern für ein Bruch bey der Olle oder Aldena, da wo Hartwig die Colonie im Jahre 1149 angelegt hatte, zu halten; und das blos in der Urkunde Heinrichs des Vierten vorkommende, aus der andern aber vermuthlich von den Abschreibern, wegen der anscheinenden Identität mit dem am Schlusse ausgeführten Wigenbrock, weggelassene Wigeribrock, wäre ein Moor bey Weyhausen im Oldenburgischen, an welches sich dann jene drey den Zug schließenden Mööre sehr natürlich anreihen würden. Der gegen Süden die Grenze machende Fluß Ettirne oder Eiterna müßte, jenen Bestimmungen zufolge, ein in der Gegend von Weyhe in die Weser oder Ochtum sich ergießender Bach seyn, den ich in Ermangelung einer speciellen Charte und eigener Lokal-Kenntniß nicht eigentlich anzugeben weiß. Die vorher in den beiden Urkunden erwähnten Inseln oder Werder werden durch diese Benennung sehr deutlich von den ebengedachten Brüchen unterschieden 75); lassen sich aber

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75) Das Wort insula bedeutet in Urkunden nicht immer eine Insel im eigentlichen Verstande, sondern noch öfterer ein Vorland am Ufer eines Flusses, welches mit Gräben durchschnitten, oder doch bey hohen Fluthen mit Wasser umflossen, und dadurch einer Insel ähnlich ist. Im Teutschen wird dieses ein Werder genannt, welches Wort sonst auch eine Insel bedeutet. S. Bremisch-Nieder-Sächs. Wörterbuch u. d. W. Werder. 5r Theil S. 236. Die Stadt Bodenwerder ist eine würkliche Insel in der Weser; Marienwerder und Gieselwerder hingegen, welche auch insulae genannt werden, sind es nicht; auch nicht der Danziger Werder.

 

 

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anjetzt nicht so bestimmt als diese letztern ausfündig machen. In Ansehung der Lechter Insel ist indessen so viel gewiß, daß selbige am linken Weser-Ufer belegen gewesen seyn müsse. In einem zwischen dem Erzbischofe Albert, der Stadt Bremen und den Grafen Conrad von Oldenburg und Christian von Delmenhorst im Jahre 1366. errichteten Vertrage wird dem letztern der Besitz eines Guts im Lechterlande bis zur Wiedereinlösung zugesichert 76). Aus diesem Vorbehalte der Wiedereinlösung ist zu schließen, daß dasselbe ein Erzbischöfliches Gut gewesen sey; der Besitz des Grafen veranlaßt uns aber, demselben nach der Seite von Delmenhorst hin, und zwar in der Nähe von Bremen, weil die Güter des Erzstifts sich an dieser Seite nicht weit von der Stadt erstrecken, seinen Platz anzuweisen. Das Manuscript des Erzbischofs Johann Rode 77) erwähnt unter den ehemahligen Erzbischöflichen Tafelgütern einer Voigtey zu Lechteren

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76) Assertio libertatis Bremensis S. 707. unten. Die Urkunde befindet sich auch in Lünigs Reichs-Archiv. P. Special. Contin. 2. 1ste Fortsetz. S. 445. fg.

77) Bey Leibnitz Scriptor. rer. Brunsv. T. 2. pag. 256. item advocatia Lechteren, pertinens ad mensam Archiepiscopi, item unus mansus in Sehehusen. In meinem handschriftlichen Exemplare Sect. 3. Cap. 2. §. 2. pag. 80. in f. ist nach dem Worte Lechteren, der Zusatz: terrae Stedingiae, von dem vorletzten Besitzer dieses Exemplars, dem General-Superintendenten Pratje, so wie mehrere dergleichen Zusätze, eigenhändig nachgetragen, woraus ich um so mehr schließe, daß solcher sich nicht in allen Abschriften finde, und vielleicht von einem neuern Abschreiber eingeschaltet seyn möge.

 

 

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(wobey in einigen Exemplaren hinzugefügt ist: im Stedingerlande,) und unmittelbar darauf einer Hufe zu Sehusen, welches, wie oben bemerkt ist, in dem Holländischen Anbau des Nieder-Vielandes liegt. Ich folgere aus diesen Angaben, daß die Insel Lechter in der Gegend der Bremischen Neustadt zu suchen sey, und whrscheinlich den damahls bereits angebaueten Theil des Ober- und Nieder-Vielandes gegen Bremen über, welcher nicht aus Brüchen, sondern aus Marschland bestand, und daher eine Insel oder ein Werder genannt ward, ausgemacht habe 78). Dieses vorausgesetzt, möchte ich wohl dafür

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78) Hiemit scheint auch Conring einverstanden in seyn, wenn es im gründl. Berichte u. s. w. Cap. 26. in Operibus edits. de Göbel T. I. pag. 971. sagt: So hat der Rath jenseits der Weser nur das Vieheland, welches zu den Zeiten Kaisers Henrici 4. paludes gewesen, auch unter dem Namen: iusulae Bremensis paludis, Huchtingebroch etc. verstanden wird. Lappenberg Grundriß etc. in Pratjens Herzogth. 2te Samml. S. 288. Note vv) am Schusse benennet unter den in den Diplomen Friedrichs I. erwähnten Orten auch Lechter gleichsam als einen bekannten Ort, indem er sagt: es wird hierin die Bebauung des Landes zwischen der Ochte und Weser, um Bremen, Lechter, Line, Hasbergen, Huchtigen, Brinken, Weyhe und Dreye, wie auch der von dem Erzbischofe darüber gesetzte Richter Bovo bestätiget; und der Herr von Halem redet in seiner Oldenburg. Geschichte 1r Band S. 135. in einem ähnlichen Tone von der Stedingischen damahligen Insel Lechter. Ich kann indessen auf der Hunrichsschen sonst sehr speciellen Charte vom Oldenburgischen keinen Ort dieses Namens auffinden, und selbst Mushard, der in Bremen lebte, scheint keinen solchen gekannt zu haben, da er in Monumentis nobilit. S. 26. §. 3. Num. II. wo er die Pertinenzien der Grafschaft Lessum aufzählt, und deren nachmahlige Schicksale berührt, in Hinsicht des Lechterlandes blos auf die erwähnte Urkunde vom Jahre 1366. verweiset, und dadurch zu erkennen giebt, daß er ausserdem von dieser insula Lechter weiter nichts wisse.

 

 

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halten, daß unter der Bremischen Insel oder dem Bremischen Werder, das am rechten Weserufer belegene noch jetzt so benannte Werderland 79), als welches zwischen Bremen und Lessum

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79) Die äusserste nordliche Spitze des Obervielandes, welche sich bey deim Einflusse der sogenannten Kleinen Weser in den Westerstrom zwischen diesen beyden Gewässern bis in die Bremische Neustadt erstreckt, führt gleichfalls den Namen des Werders; (S. die Murrfeldsche Charte von der Stadt Bremen; Bremisches Wörterbuch, 5r Theil S. 236. 237. u. d. W. Werder;) allein dieser Platz ist zu unbedeutend, als daß er in der Urkunde gemeint sehn könnte; und überhaupt scheint mir die Benennung des Bremischen Werders besser auf den bey der Altstadt Bremen belegenen District zu passen, denn die Neustadt existirte damahls noch nicht. Setzt man voraus, daß die Bremische Insel das Werderland und die Lechter-Insel das Vieland bedeute, so enthalten die Urkunden eine Angabe der für das Erzstift besonders wichtigen Pertinenzien in der Nähe von Bremen in einer natürlichen Reihefolge; in welcher dagegen eine Lücke entstehet, wenn man das Werderland auswirft. Die Benennung einzelner zu der Lessumschen Grafschaft gehörigen Höfe, deren Besitz dem Erzstifte nicht bestritten ward, hielt man dagegen ohne Zweifel für eben so überflüssig, als die ausdrückliche Erwähnung der Gerechtsame über die mehr entlegenen Gegenden bis an den Ausfluß der Weser, welche nach Adams von Bremen Zeugnisse Lib. 4. Cap. 4. zum Gebiete der Grafen von Lessum mit gerechnet wurden, an denen aber den Erzbischöfen weniger gelegen war. Hartwig I. insbesondere hätte befürchten müssen, dieserhalb mit Heinrich dem Löwen in Collision zu kommen, welches er so sehr zu vermeiden suchte, daß er sich nicht einmahl die vom Kaiser Heinrich 4. dein Erzbischofe Adelbert ertheilte Verleihung der Grafschaft Stade von Friedrich I. bestätigen ließ, ob er gleich sonst eine Confirmation aller vorigen Kaiserlichen Privilegien von demselben auswürkte. Doch kann das letztere vielleicht auch deshalb unterblieben seyn, weil Hartwig als Erbe der Grafschaft Stade jene Verleihung nicht für gültig erkannt, sondern seine Ansprüche an diese Grafschaft blos auf sein eigenes Erbrecht begründet haben mag.

 

 

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liegt, zu verstehen sey, so daß dem Erzstifte unter dem Namen dieser beiden Inseln die Marschdistricte zunächst um Bremen an beiden Seiten der Weser verliehen seyn würden.

 

Daraus daß der gedachten Brüche schon in dem Privilegium Heinrichs des Vierten erwähnt wird, scheint der Erzbischof Johann Rode, welcher diese Urkunde in seinem Copialbuche gefunden haben mochte, geschlossen zu haben, daß mit dem Anbau dieser Brüche schon damahls von dem Erzbischofe Adelbert der Anfang gemacht sey; wenigstens äussert derselbe dieses in seinem Mannscripte 80). Ich habe indessen dieser Angabe oben

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80) Sect. 3. Cap. 2. §. 3. p. m. 81, wo er sagt: Paludes juxta Weseram, quae quondam non fuerunt sub cultur. coeperunt coli et habitari tempore Alberti Archiepiscopi Bremensis. sc. Weigerbrock, Brinkener Brock, Huchtiger Brock (a) Weihe et Dreye inter Ochtmundam et Weseram usque ad locum ubi confluunt, et trans Ochtmundam inter Brinken et Hasbergen, spectabant omnes ad Ecclesiam Bremensem et ad ejus aulam Archiepiscopalem quae nunc sunt distracta. In den Leibnitzischen Excerpten finde ich diese Stell nicht. Die Brüche werden hier gleichwohl nicht vollständig, und nicht in derjenigen Reihefolge aufgeführt, in welcher sie in dem Privilegium Heinrichs 4. für den Erzbischof Adelbert und dessen Bestätigung von Friedrich I. stehen; sondern es werden nur diejenigen, deren Anbau durch Bovo Friedrich I. dem Erzbischofe Hartwig vermittelst der andern obgedachten Urkunde verstattete, und in der Ordnung, in welcher sie in dieser vorkommen, erwähnt. Der Erzbischof Johann Rode gedenkt noch anderweit dieser Brüche. Sect. 3. Cap. 1. §. 12 p. m. wo er sagt: omnia prata rubeta et paludes a Weyhe usque ad Huchtingen ab ultraque parte fluminis Ochtmunde, et a flumine Ochtmunde usque ad terminum ubi confluunt Wesere und Ochtmunde, spectabant ad aulam praedictam.

 

 

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im Eingange nicht gedacht, sondern berühre·sie hier nur gelegentlich, weil ich selbige für ungegründet halte; denn der Erzbischof Adelbert war zu unruhig und zu sehr in Staats-Ge-schäfte und große Entwürfe verwickelt, als daß er sich um die Cultur der Brüche hätte bekünnnern sollen, welche auch von dessen Nachfolgern bey dem nachmahligen Anbau derselben ausdrücklich als wüst und bis dahin unangebauet angegeben werden.

 

Diese Bemerkung hat bey mir anfangs einigen Zweifel gegen die Aechtheit des angeführten Diploms Heinrichs IV. oder doch derjenigen Stelle desselben, in welcher jene Brüche benannt sind, veranlasset, weil ich mit keinen Grund gedenken konnte, weshalb man dieser unbewohnten Sümpfe als so wichtiger Pertinenzien, in dem Kaiserlichen Privilegium besonders erwähnt haben sollte. Zudem gehörten diese jenseits der Weser belegenen Districte wahrscheinlich nicht einmahl zu dem ursprünglichen Gebiete der Grafschaft Lessum, wenigstens gewiß nicht zu dem in der Urkunde benannten Gau Wimodi 81). Zu den Zeiten Hartwig I.

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81) Der Gau Wimodi gieng nicht über die Weser hinaus; denn am linken Ufer dieses Flusses finden wir unterhalb Bremen den Gau Riustri, (Rustringen, ohne Zweifel von dem daselbst häufig wachsenden Rusch- oder Binsenkraute so genannt,) zu welchem das Stedingerland gehörte; oberhalb aber im Nieder-Hoyaischen und Delmenhorstischen den Gan Leri, oder, wie er in dem Privilegium Carls des Großen bey Adam von Bremen Lib. I. Cap. 10. in Lindenbrog Scriptor. rer. Septentr. edit. Fabric. pag. 4. 5. genannt wird, Lergoe. Aus diesem Privilegium insbesondere sehen wir, daß der letztgedachte Gau sich bis an die Weser erstreckte, mithin die südlichern der Brüche, von denen hier die Rede ist, in sich schloß. Vergl. von Halem Oldenburgische Geschichte 1r Bd. S. 82. 83; Paulini de pagis pag. 112, 186. Chronicon Gottwicense. p. 657. 747.

 

 

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traten hierunter andere Verhältnisse ein; denn für diesen hatten die gedachten Brüche nicht nur deshalb, weil er sie großentheils schon mit Colonisten besetzt hatte, sondern auch in der Hinsicht, weil sie ihm zu Grenzpunkten dienten, und das Stedingerland nebst einigen südlichern Marschgegenden umschlossen und von den Gebieten der Oldenburgischen Grafen und anderer benachbarten Edeln absonderten 82), eine vorzügliche

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82) Die Einwohner der nordlichern Marschgegenden im Stadt- und Butjadinger-Lande, welche mit zu dem großen Friesischen Bunde gehörten, lebten in völliger Unabhängigkeit unter ihren Häuptlingen. Die südlichern im Stedingerlande von Line bis nach Bremen herunter, deren Besitzungen mehr von der benachbarten Geest umschlossen, und weniger unzugänglich waren, konnten sich dagegen der Oberherrschaft der Oldenburgischen Grasen nur dadurch entziehen, daß sie sich um den Schutz der Bremischen Erzbischöfe bewarben; von denen sie wenigere Beschränkung ihrer Freyheit zu befürchten hatten, weil selbige jenseits der Weser wohnten, und die geistliche Regierung überhaupt milder war. Daß dieses indessen die Eifersucht der Grafen von Oldenburg erregt habe, davon finden wir deutliche Spuren. Im Jahre 1155, als der Erzbischof Hartwig wegen des unterbliebenen Römerzuges in des Kaisers Ungnade gefallen war, ließ Heinrich der Löwe, der sich damahls nach Bremen begeben hatte, die daselbst zu Markte kommenden Stedinger oder Rustringischen Friesen in Verhaft nehmen und ausplündern. (Helmold Chron. Slavor. Aib. I, Cap. 82. num. 5.) wobey zu bemerken ist, daß der Graf Christian von Oldenburg bis dahin ein Anhänger Anhänger Heinrichs des Löwen war, mit welches er sich erst im Jahre 1166. überwarf und dadurch sein Land und Leben einbüßte. Hiebey waren abermahls Friesen oder Stedinger als Feinde desselben mit im Spiele. S. v. Halem Oldenburgische Geschichte 1r Bd. S. 158-164. Der Erzbischof nahm daher im Jahre 1158. die Gelegenheit wahr, durch die kaiserliche Bestätigung der erwähnten Brüche den Grafen von Oldenburg den Weg nach dem Stedingerlande abzuschneiden; und die letztern scheinen sich hiebey vorerst beruhigt zu haben, vielleicht auch in der Hinsicht, weil sie wegen ihres Bruders, des Domprobstes, das Erzstift einigermaßen schonen mußten. Uebrigens glaube ich nicht, daß die Stedinger jemahls Untersassen der jenseits der Weser wohnhaften Lessumschen Grafen gewesen sind; denn die Grenzen der Gräflichen Gebiete pflegten in jenen alten Zeiten durch den Umfang der Gauen und durch große Flüsse und ähnliche natürliche Grenzmerkmahle beschränkt zu seyn: man suchte nur durch jene Angabe die Ansprüche der Grafen von Oldenburg, denen die Local-Verhältnisse das Wort redeten, desto mehr abzulehnen.

 

 

 

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Wichtigkeit. Es war demselben daher allerdings daran gelegen, sich den Besitz dieser Brüche besonders versichern zu lassen, und er erlangte dadurch, daß ihm solche als alte Pertinenzien der von Kaiser Heinrich IV. dem Erzstifte schon verliehenen Grafschaft Lessum bestätigt wurden, einen weit anscheinendern Rechtstitel dieses Besitzes, als durch eine blos willkührliche Concession des damahls regierenden Kaisers. Bey näherer Erwägung der Sache bin ich jedoch von diesem Zweifel wenigstens in so fern zurückgegangen, daß ich die Urkunde Heinrichs IV. im Ganzen allerdings für ächt halte. So viel ist allemahl gewiß, daß dieser Kaiser dem Erzbischofe Adelbert die Grafschaft Lessum würklich durch ein Privilegium verliehen hat 83); und obgleich hiedurch

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83) Adamus Bremensis Lib. 4. Cap. 4. apud Lindenbrog l. c. pag. 45.

 

 

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durch die Aechtheit der vorliegenden Urkunde noch gar nicht bewiesen wird, so dient doch eine nähere Prüfung der dagegen eintretenden, wenn gleich beym ersten Anblicke anscheinenden Einwürfe mehr dazu, diese Aechtheit zu bestätigen, als solche zu widerlegen 84). Demohngeachtet bleibt es zwar immer noch möglich,

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84) Das in der Urkunde bemerkte Jahr 1062. trifft zwar mit den angegenenen Regierungs-Jahren des Kaisers, damahligen Königs; anno ordinationis 8. regni 6. zusammen, da derselbe im J. 1054. d. 17. Jul. (vid. Lambert. Schafnaburg. ad h. a.; Mascov de rebus gestis Henr. 3. pag. 349. not. [*] als Mitregent seines Vaters feierlich eingeführt, und am 5ten October 1056 seinem Vater als König succedirt war: aber nicht die bezeichnete erste Indiction, denn im Jahre 1062. war die 15te Indiction. Ich möchte diesemnach wohl annehmen, daß die erstern drey Zahlen verschrieben worden, und die Urkunde im Jahre 1063 gegeben sey. Im Junius 1062. war der König, welcher eben in diesem Jahre von Kaiserswerth nach Cölln entführt ward, noch wohl nicht in Sachsen, wo er die nähere Verbindung mit dem Erzbischofe Adelbert, der an seiner Entführung keinen persönlichen Antheil nahm, erst stiftete. Wohl aber brachte er das Neujahrsfest sowohl als das Pfingstfest 1063. in Goslar zu; (Lambert Schafnab. ad hunc annum in Pistorii Scriptor. rer. Germ. edit Struvii Tom. I. pag. 327;) und konnte daher füglich am 27sten Juniuw dieses Jahrs in Altstedt seyn. Diejenigen Personen, auf deren Vorbitte der König dem Erzbischofe diese Begnadigung ertheilt haben soll, nemlich der Erzbischof Anno von Cölln, (welcher an des Königs Entführung den größten Abtheil hatte, und damahls an der Spitze der Regierung stand, daher auch füglich als dilectus magister noster bezeichnet werden konnte,) der Erzbischof Siegfried von Mainz, der Bischof Burchard 2. von Halberstadt, (sonst auch wohl Bucco genannt,) und der Markgraf Otto von Meißen, sind alle gleichzeitig, und es ist sehr glaublich, daß sie dort versammelt waren. Der König rüstete sich damahls zu dem Zuge nach Ungarn, wohin der Erzbischof ihn führte: (Lambert. Schafnab. ad ann. 1163. l. c. p. 330. Adam. Bremensis. Lib. 4. Cap. 3. pag. 44.) er kam noch in demselben Jahre, nachdem er seine Schwester mit dem Könige von Ungarn verheirathet hatte, zurück, und da sind allem Anscheine nach am 23sten und 25sten October 1065. zu Regensburg die drey Urkunden über die oben schon erwähnte Forst- und Jagd-Gerechtigkeit, über die Grafschaft im Emsgau und über die Grafschaft Stade für Adelbert ausgefertigt, deren beide letztere jedoch, (wiewohl dem Anschein nach unrichtig,) bey Lindenbrog l. c. pag. 141. et 142. und bey Staphorst a. a. O. S. 422. 423. die Jahreszahl 1062. führen. Die erstere, bey Staphorst S. 425 .426. hat dagegen die Jahrszahl 1063. mit der zweyten Indiction, welche seit dem 15ten September eingetreten war. Der annus ordinationis regis 9, regni vero 7, welche in dieser Urkunde angegeben sind, hätten freilich, weil die Krönungstage schon verflossen waren, noch ein Jahr später hinausgesetzt werden müssen, doch das hat man wohl so genau nicht genommen. Daß wenigstens diese drey Urkunden zugleich verfasset sind, ist nicht nur aus der Uebereinstimninng des Orts und des Monats, sondern auch daraus zu schließen, daß in denselben einerley Personen als intercessores benannt werden, nemlich ausser den in unserer Urkunde vorkommenden auch noch die Bischöfe Günther von Bamberg und Adelbert von Würzburg, der Bayrische Herzog Otto von Nordheim, der Herzog Berthold von Kärnthen, der Sächsische Pfalzgraf Friedrich, Bruder unsers Erzbischofs, und der Graf Eckbert von Braunschweig, von denen er sich füglich supponiren läßt, daß sie den König theils begleitet, theils zu Regensburg empfangen hatten. Der König hatte zu der Ungarischen Expedition Geld nöthig, und bey der Zurückkunft war natürlich seine Casse erschöpft; der Erzbischof Adelbert schonte kein Geld, und versprach oft mehr als er hatte, (vid. Adamus Bremens. Lib. 3. Cap. 38. l. c. p. 42.) auch gaben ihm die vielen Donationen des Königs Gelegenheit, ansehnliche Summen zu negociiren: die bemerkten Zeitpunkte passen also recht gut zu der Ertheilung jener Urkunden. In Ansehung der vorliegenden könnte noch der Einwurf gemacht werden, daß Adam von Bremen Lib. 4 Cap. 2-4. l. c. pag. 44. 45. die Acquisition von Lessum später hinaussetzt, indem er derselben als einer solchen Begebenheit erwähnt, die sich erst nach dem Ungarischen Zuge und nach den darauf erfolgten Streitigkeiten zwischen dem Erzbischofe und dem Grafen Hermann, Bruder des Herzogs Ordulf von Sachsen, zugetragen habe. Dieses beweiset jedoch nicht, daß die Urkunde nicht schon früher ausgewürkt seyn könne, sondern nur, daß Adelbert erst später zum würklichen Besitz gelangte. Daß der Erzbischof die erwähnten wichtigen Verleihungen schon in jenen Zeiten erlangt habe, ist auch daraus zu schließen, daß in den folgenden Jahren 1064. und 1065. Schenkungen einzelner Edelhofe und entlegener Reichs-Abteyen (Vid Lindenbrog l. c. pag. 142. seq. 179.seq.) zu Hülfe genommen werden mußten, um nur dem Erzbischofe Gelegenheit zu einigen Gelderpressungen für den verschwenderischen Kaiser zu verschaffen. (Wenn Lambert Schafnaburg. dieser letztern Schenkungen schon bey dem Jahre 1063. erwähnt, so thut er das nur gelegentlich und des Zusammenhangs wegen; und er sagt nicht, daß solche schon in diesem Jahre geschehen wären.) Im Jahre 1067. mußte Adelbert, nachdem seine Finanzkünste erschöpft waren, den Hof verlassen, wo er erst nach einigen Jahren, in denen er wieder etwas gesammelt haben mochte, von neuem auftrat. — Noch erwächst ein Zweifel gegen unsere Urkunde daraus, daß in derselben der Hof zu Lessum als in Comitatu Marchionis Udonis belegen bezeichnet wird. Die vorigen Besitzer von Lessum waren Grafen, deren Gebiet, wie Adam von Bremen Lib. 4. Cap. 4. pag. 45. selbst bemerkt, sich bis an die See erstreckte und das Land Hadeln in sich begriff. Ohne Zweifel waren sie also von den Stadischen Grafen unabhängig, und die Scheidung der beiderseitigen Districte machten wohl der Ostefluß bis oberhalb Bremervörde und von da die Mööre bis an die Wümme aus. Es ist jedoch dagegen in Betracht zu ziehen, daß die Grafen von Lessum damahls schon mit der frommen Gräfin Emma ausgestorben waren, (Adamus Bremens. Lib. 2. Cap. 60. pag. 32;) daß daher Lessum von Adam von Bremen sowohl als in unserm Diplome nicht mehr Comitatus, sondern blos Cortis genannt wird, und daß die Familie der Sächsischen Herzoge aus dem sogenannten Billangischen Hause nunmehro an diesen District, als an sie verfallen, Ansprüche gemacht zu haben scheint, welches ohne Zweifel der Grund jenes Streits mit dem Grafen Hermann war. Diesen Ansprüchen konnte Abelbert nichts würksameres entgegensetzen als daß er den benachbarten Markgrafen Udo, welcher sich damahls gut mit ihm stand, und um das Bremische Gebiet wenig bekümmerte, vielmehr dem Erzbischofe selbst seine Grafschaft Stade verkaufte, (Adamus Bremens. Lib. 4. Cap. 5. l. c. pag. 45.) wiewohl Adelbert aus Geldmangel selbige nicht behaupten konnte, (Vid. Adamus ibid. Cap. 10. pag. 46,) als Comitem des Hofes zu Lessum bezeichnen ließ; so wie dieser Udo obgedachtermaßen auch zu dem noch weiter entlegenen foresto in pago Ameri den Namen hergeben mußte. — Diese Bemerkungen scheinen mir zu beweisen, daß die vorliegende Urkunde allen damahligen Verhältnissen zu angemessen sey, als daß ein späterer Verfälscher solche so anpassend hätte erfinden können.

 

 

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daß Hartwig I. in die dem Kaiser Friedrich I. zur Bestätigung vorgelegte Abschrift dieser Urkunde die Namen jener Brüche eingeschoben hätte,

 

 

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oder daß solche von einem neuern Abschreiber aus dem Diplome Friedrich I. zur vermeintlichen Ergänzung

 

 

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hineingetragen wären 85), und ich will es nicht mit Gewißheit behaupten, daß keins von beiden hier der Fall gewesen sey. Ich

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85) Es fehlt keineswegs an ähnlichen Beyspielen. So ist m. E. in die unächte Abschrift derjenigen Urkunde, welche der König Philipp dem Erzbischofe Hartwig 2. über die Grafschaft Stade ertheilt hat, eine namentliche Verleihung des alten Landes, Landes Wursten, Hadeln, Keydingen, und auch Dithmarschen eingeschaltet, wovon kein Buchstabe in der Urschrift steht. S. Staphorst Hamburgische Kirchengeschichte 1r. Thl. 1r. Bd. S. 600. und 602. Orig. Guelf. T. 5 pag. 198. §. 10 et not. I.)

 

 

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gedenke es mir indessen auch von der andern Seite nicht als unwahrscheinlich daß ähnliche Gründe, als welche ich eben bemerkt habe, in Hinsicht der Grenzbestimmungs des Gebiets jenseits der Weser, schon den Erzbischof Adelbert bewogen haben mögen, diese Brüche als Grenzpunkte namentlich in dem Privilegium bemerken zu lassen, welches vielleicht eben deshalb, weil diese Plätze nicht zu dem ursprünglichen Bezirk der Grafschaft Lessum gehörten, für rathsam erachtet werden konnte 86). Uebrigens wird in den Urkunden nur gesagt, daß derHof Lessum im Gau Wimodi belegen sey, welches also nicht schlechterdings ausschließt, dass einige der benannten Pertinenzien desselben in andern Gauen gelegen haben können. Die Erwägung des großen Umfanges der Grafschaft Lessum hat mehrere Schriftsteller veranlasset, einigen in den gedachten Urkunden benannten Orten einen weiter entfernten Platz anzuweisen. So versetzt z. B. Staphorst das Aldenebruch nach Altenbruch im Lande Hadeln 87), und Lappenberg 88) wirft sogar die Frage auf, ob der Grenzfluß

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86) Der Graf Huno von Oldenburg, Stifter des Klosters oder doch der Kirche zu Rastede, welcher zu Adelberts Zeiten lebte, (Vergl. unten Note 104.) mag auf die Oberherrschaft über die Stedinger eben solche Ansprüche gemacht haben, als der Graf Christian zu den Zeiten Hartwig 2. Auch damahls waren, wie eben bemerkt worden, die lessumschen Grafen schon ausgestorben, und es ist gar nicht unwahrscheinlich, daß die Stedinger damahls schon gesucht haben, sich an das Erzstift Bremen anzuschließen.

87) Hamburgische Kirchen-Geschichte 1r Thl. 1r Bd. S. 418.

88) Grundriß der Bremischen Geschichte in Pratjens Herzogth. Bremen und Verden 2te Sammlung S. 248 in der Note h h). Richtiger bestimmt er selbst die Lage dieser Brüche bey Gelegenheit der Urkunde Friedrichs I. ebendaselbst S. 288. am Schlusse der Note v v.)

 

 

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Eiterna nicht vielleicht die Eider seyn möchte; äussert jedoch zugleich, daß er dieses kaum glaube. Die letztere Vermuthung widerlegt sich von selbst, da die Grafschaft Lessum sich gewiß nicht über die Elbe hinaus erstreckte. Ersteres ließe sich eher gedenken, da Adam von Bremen ausdrücklich das Land Hadeln als einen zu jener Grafschaft gehörigen District bemerklich macht, wo solchemnach der Erzbischof wohl ein herrenloses Bruch sich hätte zueignen und zu dessen Cultur den Plan machen können; allein zu geschweigen, daß Hartwig I. sich wohl schwerlich noch der Oberherrschaft über das Land Hadeln, welches hernach mit dem Erzstifte wieder vereinigt worden, angemaßet hat, so scheint es mir auch nach den obigen Bemerkungen sehr evident, daß die benannten Brüche an linken Weserufer in einer Reihe von Line bis nach Weihe herauf belegen gewesen sind 89).

 

Von den nordlichen dieser Brüche und deren nachmahligem Anbau sind keine weitere bestimmte Nachrichten vorhanden: vermuthlich fällt die Cultur derselben, welche der Erzbischof Hartwig I.

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89) Conring im gründl. Bericht u. s. w. Cap. 27. in Operibus edit, de Göbel, Tom. 1. pag. 975. stimmt hiemit überein, indem er die Benennung dieser Brüche in den erwähnten Privilegien als einen Beweis darüber anführt, daß dem Erzstifte Bremen das ganze Stedingerland und was jenseits der Hunte bis an das Stadtland grenze, verliehen worden; wobey er bemerkt, daß diese uralte Erzbischöfliche Gerechtigkeit über das ganze Stedingerland bis an das Stadtland von der Stadt Bremen in dem Rechtsstreite gegen die Grafen von Oldenburg wegen des Elsflether Zolles behauptet und durch Beweis-Artikel zu begründen gesucht sey.

 

 

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und dessen nächste Nachfofger nicht zu Stande bringen konnten, in spätere Zeiten, da man keine fremde Colonisten mehr dazu verschrieb 90). In Ansehung der südlichen hingegen habe ich zum Schlusse dieses Adschnitts noch Verschiedenes hinzuzufügen. Neben demjenigen Districte, welcher hier an beiden Seiten der Ochtum dem Bovo zur Besetzung mit Anbauern angewiesen war, befand sich gegen Südwesten noch ein höher nach der Geest herauf gelegenes Bruch, welches damahls uncultiviert blieb. Da nun bey den folgenden unruhigen Zeiten die Bremischen Erzbischöfe an die Bebauung desselben nicht denken konnten, so machte ein benachbarter Begüterter Friedrich von Machtenstede, sich dieses zu Nutze. Er erwürkte nemlich von dem Herzoge Heinrich dem Löwen ein am 8ten August 1171 zu Verden ausgefertigtes Privilegium 91), vermittelst dessen dieser

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90) Doch sollte man aus der Aeusserung des Erzbischofs Johann Rode in seinem Manuscripte Sect. 9. Cap. 10. §. 14. p. m. 284, wo er sagt: Decima in Linenbroke ultra Huntam spectat ad Archiepiscopum Bremensem, ut patet in litera cujus copia est in registro de pergameno; wohl schließen, daß der Anbau dieses Bruchs bey Line durch einen der nachmahligen Erzbischöfe von Bremen veranstaltet sey.

91) Vogt hat uns diese, ihm vermuthlich aus der Heiligenrodischen Amts-Registratur communicirte Urkunde in seinen Monumentis ineditis im 1sten Bd. 1s Stck. Num. 1. S. 9. mitgetheilt. Durch dieselbe würde die Meinung einiger Schriftsteller, als ob Heinrich der Löwe schon im Jahre 1171. seine Reise nach dem gelobten Lande angetreten hätte, (S. Orig. Guelf. T. 3. Lib. 7. Sect I. §. 61. pag. 74.) völlig widerlegt werden, wenn nicht die mit Buchstaben bezeichnete dritte Indiction, welche zum Jahre 1170. passet, mit mehrerem Rechte vermuthen ließe, daß jene Jahreszahl verschrieben und die Urkunde ein Jahr älter sey. Der Verfasser derselben war der schon erwähnte nachmahlige Erzbischof Hartwig der Zweyte, welcher sich in derselben zweymal Hartwicus Utledensem. Bremensem Canonicum et Notarium Ducis benennet. Eben so bezeichnet er sich in der zu Minden im Jahre 1168. bey der zweyten Vermählung des Herzogs ausgefertigten Urkunde in Orig. Guelf. T. 3. p. 505; und da auch in der bekannten gereimten Geschichte des Heil. Vicelin (Lindenbrog Scriptor. rer. Septentr. edit Fabricii pag. 123. und Leibnitz Script. rer. Brunsv. Tom. I. pag. 779;) von ihm gesagt wird: Utlede progenito datur infata pontificatis; so zweifelte ich gar nicht daran, daß er aus Uthlebe im Amte Hugen gebütig und ein Abkömmling der daselbst begüterten Familie gewesen sey. Vogt (a. a. O. S. 4.) und Lappenberg (Grundriß der Bremischen Geschichte in Pratjens Herzogth. Bremen und Verden zweyte Sammlung S. 299. Note (xxx.) haben dieses gleichfalls schon bemerkt, aber vermuthlich deshalb nicht gerade heraus sagen wollen, weil die damahls noch blühende familie von der Lieth nach Mushard's Angabe in Monum. Nobil. S. 352. fgg. diesen Erzbischof zu ihrem Geschlechte technete. Die nach lebenden weiblichen Descendenten jener nun erloschenen Familie, unter denen sich mehrere meiner sehr schätzbaren Gönner und Verwandten befinden, werden es mir verzeihen, wenn ich es unternehme, ihnen diesen hochwürdigen Ahnherrn streitig zu machen. Wolter in seiner Bremischen Chronik in Meibom. Script. rer. Germ. Tom. 2. pag. 54. ad ann. 1183. und die Harsefeldische Chronik bey Vogt Monum. ined. 1r Bd. S. 128. nennen ihn freilich ersterer dictum de Lyd; und letztere de Lieth, allein, zu geschweigen, daß diese neueren sehr unzuverlässigen Chroniken gegen den deutlichen Inhalt jener ältern Documente nichts beweisen können, so rührt diese Benennung wahrscheinlich nur davon her, daß der Ort Uthlede auch den Namen Lieth führte. Der Bruder oder Repote des Erzbischofs, Henricus de Uthlede, welcher in mehreren gleichzeitigen Urkunden vorkömmt, wird in einem Diplome Hartwigs vom Jahre 1199. in G. L. Böhmeri Observ. iur. Canon pag. 260. gleichfalls Henricus de Lyd genannt. Der Namen Lieth bedeutet eine hervorragende oder herausliegende Anhöhe; so hieß z. B. das jetzige Agatenburg ehemahls die Lieth, wovon das zu dem dörtigen Amte noch jetzt gehörige Lieth-Gericht im alten Lande seine Benennung hat. Weil nun Uthlede ein besonders stark herausliegendes Vorgebürge bildet, so hat dasselbe neben dem simpeln Namen Lieth, auch wohl die jene Lage noch stärkere Benennung: Uthlebe, erhalten. Die vorhin erwähnte Familie von der Lieth hingegen, von welcher sich erst um die Mitte des 14ten Jahrhunderts glaubhafte Nachrichten finden, hatte ihr Stammhaus zu Elmloh im Amte Bederkesa, wo sich vielleicht ein Platz, die Lieth genannt, befunden haben mag.

 

 

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klärte 92), daß Friedrich von Machtenstede sowohl von dem Bremischen Herrn Erzbischofe Balduin, als von ihm die Erlaubnis erwürkt habe, ein Bruch zwischen Brinkum, Machtenstede und Huchtingen, welches bisher ganz wüst gelegen, unter seiner und des gedachten Herrn Erzbischofs Autorität und Gewährleistung, an beliebige Käufer zu überlassen, damit diese solches für sich und ihre Erben nach Holländischem Rechte besitzen möchten; nemlich von dem Dorfe Machtenstede (jetzt Mackenstedt im Amte Sieke,) längs dem Flusse Stura herab, (dem fest sogenannten Varlgraben 93), welcher von Mackenstedt ohnweit des Dorfes

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92) Fridericus de Machtenstede tam a Domino Balduino Bremensi Archiepiscopo, quam a nobis sua devotione obesuit, ut paludem inter Brinken et Machtenstede et Huchtingen, quae hactenus omnino deserta fuit, eiusdem Domini Bremensis et nostra auctoritate simul et sponsione, vederet quibusdam emtoribus sibi et suis haeredibus iure Hollandrico possidendam; scilicet a villa, quae Machtenstede dicitur, per descensum fluvii Sturae usque in Ochtmundum.

93) Auf der Hunrichsschen Charte vom Oldenburgischen ist der Lauf dieses Varlgrabens, welcher die Lage der gegenwärtigen Colonie von Mackenstedt an, westqärts bey Brinkum und Huchtigen vorbey, bis an die Ochtum, bezeichnet, am deutlichsten zu sehen; doch findet man solchen auch auf allen irgend richtigen Charten der umliegenden Gegenden.

 

 

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Stuhr nordwärts hinfließt,) bis in die Ochtmund. Heinrich der Löwe behandelte hier den Erzbischof Balduin eben so, wie er vorhin von dessen Vorgänger seiner Seits behandelt worden war; er erwähnte nemlich einer Zustimmung desselben in der Urkunde, ohne ihn zugezogen zu haben 94), oder ihm etwas von den Aufkünften der Colonie abzugeben. Dieses war eine natürliche Folge des Verhältnisses, in welchem der damahls übermächtige Herzog mit Balduin stand, welcher blos deshalb, weil der Herzog von ihm keinen Widerstand befürchtete, zu der Erzbischöflichen

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94) Der Erzbischof seldst befindet sich nicht allein nicht unter den Zeugen der Urkunde, sondern es waren auch von denen, die zum Bremischen Dom-Capitel gerechnet werden können, nur der Probst Gottfried von Bücken, der Probst Heinrich zu St. Wilhad in Bremen, (derselbe, den der Herzog Heinrich nachmahlis im Jahre 1179. als seinen Gesandten nach Rom schickte, um gegen das übrige Dom-Capitel zu negociiren, vid. Arnold. Lubec. Lib. a. Cap. 23. num. 4.) und der ebengedachte Notarius, nachmahlige Erzbischof Hartwig gegenwärtig; dagegen waren der Bischof Conrad von Lübeck, zwey andere Capellane den Herzogos (Gevehardus et David, Curiae Ducis Capellani Presbyteri,) und der Probst Helmerich vom Stift des heil. Cyriacus in Braunschweig zugegen; desgleichen unter den weltlichen Zeugen mehrere gewöhnliche Begleiter des Herzogs, nemlich der Graf Gunzelin von Schwerin, bei schon mehrmahls erwähnte Adolf von Nienkirchen, Bernhard von Wölpe mit seinem Sohne Eilbert, und die Officialen des Herzogs, der Truchseß Jordan, der Schenk Heinrich, und der Cämmerer Werner; ausserdem aber von Edeln aus der umliegenden Gegend nur Gevehard von Stotel und Hermann Hode, und von Ministerialen Berthold von Otterstede und Woltbert Mule, (der zu Delmenhorst wohnte,) folglich keiner, der mit dem Erzbischofe in näherer Verbindung gestanden hätte.

 

 

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Würde gelangt war 95) Der Herzog unternahm es jedoch auch nicht, sich selbst etwas von den Nutzungen der Colonie

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95) Bey der nach Hartwigs l. Tode im Jahre 1168. angestellten Wahl waren einige Donherren, vermuthlich die Anhänger des Verstorbenen, welcher obgedachtermaßen ein Freund des Markgrafen Albert des Bären war, für den Sohn dieses Markgrafen, Siegfried, andere hingegen für den Domdechanten Otbert. Gunzelin von Schwerin, als Bevollmächtigter Heinrichs des Löwen, mischte sich in den Zwiespalt, und wüthete dermaßen, daß er den ganzen Wahl-Convent sprengte, und Siegfried mit dem Domprobst Otto nach Oldenburg, der Heimath des letztern, entweichen mußte; die übrigen flohen nach Harburg. So erzählen diesen Vorgang Albertus Stadens. a. a. 1168. in Schilter. Scriptor. rer. Germ. pag. 291. und die Historia Archiep. Bremensium bey Lindenbrog Script. rer. Septentr. edits Fabricii pag. 93. Wenn aber Cranz in Metropoli Lib. 6. Cap. 49. und andere, die ihm folgen, diesem hinzusetzen, daß Heinrich der Löwe Siegfrieds Partey genommen habe, so bezweifele ich dieses sehr. Vermuthlich haben sich diese Schriftsteller durch eine Aeusserung Arnolds von Lübeck über eine spätere Begebenheit, welche ich in einer der nächsten Anmerkungen prüfen werde, verführen lassen. Hätte Heinrich der Löwe zu der Wahl Siegfrieds, dessen eigenes Haus so mächtig war, seine Zustimmung geben wollen, so hätte die Wahl schwerlich so zweifelhaft werden können, wenigstens hätten dann Siegfried und dessen Anhänger keine Ursache gehabt, vor des Herzogs Abgesandten aus Bremen zu fliehen. Heinrich hatte hingegen erhebliche Gründe, sich der Wahl Siegfrieds zu widersetzen. Das Ballenstedtische Haus war ja immer die Gegenpartey des Welfischen, und der Markgraf Albert mit seinen Söhnen wird von Helmold. Lib. 2. Cap. 7. num. 3. ausdrücklich unter denjenigen Fürsten genannt, die sich im Jahre 1165 gegen Heinrich verbunden hatten, und ihn würklich bekriegten. Eben damahls wurden diese Unruhen durch den Kaiser in Jahre 1168, auf dem Reichstage zu Bamberg mit vieler Mühe beygelegt, (Helmold. Lib. 2. Cap. 11. num. 2. 3.) und obgleich Heinrich damahls die Oberhand behielt, so würde er doch wohl nicht so ruhig seit dem Tode Hartwigs I. im Besitz der Grafschaft Stade verblieben seyn, wie Helmold. ibid. num. 4. bezeugt, wenn Siegfried Erzbischof geworden wäre. Meiner Meinung nach, mit welcher auch Lenz Brandenburg. Stifts-Historie §. 17 S. 23 einverstanden ist, sagt also Renner in seiner Chronik fol. m. 173. p. 1. ganz richtig: Greve Guncelin van Schwerin wolde des ohrdes Sigfridum nicht hebben thom Bischoppe, darum entwek Sigfridus mit Ottone dem Prawste na Oldenbarg; und Lappenberg Grundriß etc. bey Pratje 2te Samml. S. 294. Note (ooo) beschuldigt denselben ohne Grund hierunter eines Irrthums. Daß indessen Heinrich es auch nicht mit der Gegenpartey gehalten habe, schließe ich insbesondere daraus, daß die Anhänger derselben nach Harburg entflohen. Die Festung Harburg war nebst Stade, Bremervörde und Freyburg schon im Jahre 1154. von Hartwig I. zur Vertheidigung gegen Heinrich den Löwen in haltbaren Stand gesetzt, (Helmold. Lib. I. Cap. 79. num. 5;) und im Jahre 1166 anderweit befestigt; (idem Lib. 2. Cap. 8. num. 5;) Freyburg ward nun zwar damahls von dem Herzoge erobert und geschleift; (idem Lib. 2. Cap. 9. num. 8.) allein Harburg gen seiner morastigen Umgebungen bis nach der Zurückkunft des Erzbischofs, (ibidem;) und da solches erst im Jahre 1170, vermuthlich mit Genehmigung des Erzbischofs Balduin demolirt wurde; (Albertus Stadens. a. a. 1170 l. c. pag. 281;) so befand sich dasselbe im Jahre 1168 zur Zeit dieser zwistigen Wahl noch nicht im Besitz des Herzogs. Auf dem eben erwähnten Reichstage zu Bamberg vermittelte der Kaiser Friedrich I. auch diesen Zwiespalt dadurch, daß er einen Dritten, unsern Balduin, bisheriger Domprobst zu Halberstadt, zum Erzbischofe ernannte: Albertus Stadens. et Histor. Archiep. Brem. I. all.) Siegfried, welcher erst nach dessen Tode zum Erzbistthume gelangte, ward einstweilen durch das in seines Vaters Markgrafschaft belegene Bisthum Brandenburg befriedigt. Heinrich der Löwe ließ sich diese Auskunft gefallen, da er von diesem Balduin keinen wirksamen Widerstand zu befürchten hatte, wie auch der Erfolg bewies; denn Albert von Stade und die Historia Archiep. Brem I. all. sagen von ihm: Baldewinus licet senex honc Ecclesiae Duci concessit et suis - in schismate consecratus vel potius execratus. Ob er indessen, wie man bey diesen Umständen durchgängig dafür hält, eine Creatur des Herzogs gewesen sey, ist mir dennoch, besonders in der Hinsicht zweifelhaft, weil er aus dem dem Herzoge nie günstigen Halberstädtischen Dom-Capitel genommen war. Vielleicht hatte der Herzog durch Gunzelin von Schwerin noch einen andern zur Wahl vorgeschlagen, und der Kaiser beruhigte alle Parteyen, indem er einen neutralen aber unbedeutenden Mann das Erzstift zuwandte. Wolter in seiner Bremischen Chronik bey Meibom Script. rer. Germ. Tom. 2. pag. 53. sagt zwar, der Herzog, dessen Landsmann Balduin gewesen sey, hätte denselben gern, wenn er nicht eben zum Erzbisthume befördert wäre, zum Capellan haben wollen, worunter ihm ach Lenz (Geschichte von Halberstadt. §. 56. S. 119) folgt; und Lappenberg (a. a. O. bey Pratjen 2te Samml. S. 295. §. 58.) behauptet sogar, Balduin sey erst Probst zu Halberstadt und hernach würklich Capellan des Herzogs gewesen. Aber auch das bezweifele ich. Wir finden zwar in zwey Urkunden vom Jahre 1170. einen Capellan des Herzogs Namens Balduin; (Orig. Guelf. T. 3. Prob. num. 62. 63. pag. 511. 512;) allein damahls war unser Balduin ja schon Erzbischof; jener Capellan hingegen begleitete Heinrichen, wie eine andere Urkunde (Ebendaselbst Num. 65. pag. 516;) beweiset, noch im Jahre 1172. auf der Reise nach dem gelobten Lande, auf welcher er vermuthlich, da er hernach nicht wieder vorkömmt, gestorben ist.

 

 

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zuzueignen. In dem fernern Verfolg der Urkunde, vermittelst dessen er die Verfassung und Obliegenheiten der Colonisten

 

 

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auf eben den Fuß, wie bey den vorhin erwähnten Niederlassungen bestimmte, legte er denselben einen Korn- und Schmalzehnten und die jährliche Abgabe eines Pfennigs von jeder Hufe auf; diese letztere Geld-Abgabe widmete er halb derjenigen Kirche, die in der Colonie künftig erbauet werden sollte, und halb

 

 

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der Kirche zu Machtenstede 96); wer den Zehnten erhalten solle, wurde zwar nicht ausdrücklich bestimmt, eben daraus folgt aber, daß der Stifter der Colonie, Friedrich von Machtenstede, solchen selbst genossen habe, welches auch in derjenigen Urkunde, deren ich zunächst erwähnen werde, deutlich gesagt wird.

 

Balduin’s mächtigerer Nachfolger, der Erzbischof Siegfried aus dem Brandenburgischen Hause, fand es indessen nicht gerathen, sich bey jener Concession Heinrichs des Löwen so gänzlich zu beruhigen 97), und von aller Oberherrschaft und allem

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96) hi nummi dividentur, et dimidia pars dahiter Ecclesiae, quae erit in ipsis novalibus, et dimidia pars Ecclesiae in Machtenstede.

97) Siegfrieds Regierung fiel eben in die Zeit, da Heinrich der Löwe von seiner Grösse heruntersank, und wer weiß, ob er sonst zum Erzbisthume gelangt, und nicht vielmehr seine diesmahlige Wahl ebenso wie die erste vereitelt seyn würde. Wenigstens ward anfangs, als Balduin im Jahre 1178. gestorben war, der Magister Berthold erwählt, (Arnold. Lubec. Lib. 2. Cap. 22; Albert. Stadens. ad ann. 1178. l. c. p. 293.; Histor. Archiep. Bremens. apud Lindenbrog. l. c. pag. 94.) Der Domprobst Otto unternahm es allein, gegen diese Wahl an den Pabst zu appelliren, welches ohne Zweifel zu Gunsten Siegsrieds geschahe, als dessen Freund wir denselben schon haben kennen lernen. (Solo Ottone Praeposito appellante, sagen Albert vo Stabe und die Historia Archiep. Bremens. l. all. Daß dieser Ausdruck von einer würklichen Appellation zu verstehen sey, beweiset die nachmahlige Rede des Pabstes, bey eben diesen Schriftstellern, in welcher er sagt: Audivimus etiam super haec appellationem factam, quam coactus est resignare appellator.) Bertholds Wahl ward nemlich als uncanonisch aus dem Grunde angefochten, weil er noch nicht alle nöthigen Weihen erhalten hatte. Diesen ward nun zwar dadurch abgeholfen, daß man beschloß, demselben zuförderst die erforderlichen Grade der Weihe nach und nach ertheilen zu lassen, wodurch denn jene Appellation ihre Erledigung erhielt. Es wurden aber dennoch mehrere Beschwerden an den Pabst gebracht, besonders, wie Arnold von Lübeck l. c. bezeugt, von Heinrich dem Löwen, der mit Berthold anfangs wohl zufrieden war, hernachmahls aber denselben, (vermuthlich weil er ihn nicht nachgiebig genug befunden hatte,) abgeneigt wurde. Aus der großen öcumenischen Kirchen-Versammlung im Lateran im Jahre 1179, wo sich Berthold mit mehreren Mitgliedern des Bremischen Dom-Capitels eingefunden hatte, cassirte darauf der Pabst die Wahl Bertholds als mangelhaft und ungültig, und hiernächst ward endlich Siegfried (vielleicht noch in Rom, wo er auch zugegen war, von den dort befindlichen Domherren,) zum Erzbischofe gewählt, und vom Kaiser auf dem Reichstage zu Gelnhausen auf Mitfasten 1180. bestätigt. (Arnold. Lubec. Lib. 2. Cap. 23; Albert. Stadens. ad ann. 1180. l. c. pag. 293. 294.; Histor. Archiep. Brem. l. c.) Arnold von Lübeck sagt hiebey l. c. num. 5. cui postea successit Sifridus, filius Marchionis Adalberti, cui Dux in omnibus devotissime, tam propter eum quam propter fratrem suum Bernhardum Comitem de Anhalt, assistebat. Erant enim tunc amicissimi. Sed postea alienati ab invicem facti sunt inimicissimi. Alle neueren schreiben ihm dieses nach, und beschuldigen den Erzbischof Siegfried wegen seiner nachmahligen Feindschaft gegen Heinrich den Löwen des Undanks. Allein so anmaaßlich es auch scheinen maf, einem beynahe gleichzeitigen Geschichtschreiber zu widersprechen, so kann ich mich doch schlechterdings nicht davon zu überzeugen, daß der Herzog Heinrich Siegfrieds Wahl befördert haben sollte, welche ich vielmehr als eine der ersten Würkungen der anwachsenden Gegen Partey betrachte. Ich beziehe mich hiebey auf dasjenige, was ich schon in Hinsicht der ersten auf Siegfried gefallenen Wahl vorhin bemerkt habe; auch hat schon Leibnitz in Introduct. Tomi 2. Scriptor. rer. Brunsv. ad Num. 45. pag. 49 richtig angemerkt, daß Arnold von Lübeck weniger zuverlässig und bestimmt in seinen Erzählungen sey, als sein Vorgänger Helmold. Aus Freundschaft gegen Siegfrieds Bruder Bernhard kann wenigstens der Herzog dessen Wahl nicht begünstigt haben, denn mit diesem und dessen Bundesgenossen, dem Bischofe Ulrich von Halberstadt, war er schon seit dem Jahre 1175, wenigstens gewiß im Jahre 1178, also noch vor dieser Wahl, in öffentlichem Kriege begriffen; (Chronogr. Saxo ad ann 1175. in Leibnit. access. histor. T. I. pag. 310; Chron. Montis Sereni ad ann. 1178. edit. Maderi pag. 43; Orig. Guelf. T. 3. Lib. 7. Cap. 1 §. 70. 73. Selbst Arnold Lib. 2. Cap. 20 gedenkt des Krieges vom Jahre 1178, wiewohl ohne Erwähnung Bernhards;) und auf jeden Fall mußte er es damahls schon wissen, daß Bernhard nach seinem Herzogthume Sachsen strebte: denn er war schon damahls von dem Kaiser, mit dem er gänzlich zerfallen war, zu Reichstagen vorgeladen und nicht erschienen; (siehe Arnolds eigene Erzählung Lib. 2. Cap. 24;) noch in demselben Jahre 1179. brach der allgemeine Krieg gegen ihn aus, und das Herzogthum Sachsen wurde Bernharden um Weihnachten desselben Jahre auf dem Reichstage zu Würzburg würklich verliehen (Godofr. Colon. a. a. 1179. et 1180. in Freheri Script. rer. Germ. edit Struv. T. I. pag. 344. Albert. Stadens. ad ann. 1180. l. c. pag. 293; Orig. Guelf. l. c. §. 74. 81.;) Auf demselben Reichstage zu Gelnhausen, 1180, wo Siegfried die kaiserliche Bestätigung als Erzbischof erhielt, wurde Heinrichen noch besonders das Herzogthum Westphalen abgesprochen, (Orig. Guelf. l. c. §. 82;) und Siegfried machte sogleich den Anfang damit, daß er sich noch im Jahre 1180 vom Kaiser die Grafschaft Stade, welche Heinrich bis dahin in Besitz gehabt hatte, verleihen ließ.

 

 

 

 

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Mitgenusse des darin erwähnten Bruchdistricis ausschliessen zu lassen. Er ließ zwar dem Friedrich von Machtenstede überhaupt

 

 

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dasjenige, was demselben durch die gedachte Concession verliehen war, allein er bestätigte ihm solches vermittelst einer anderweiten

 

 

 

Urkunde 98), in welcher des Herzogs gar keine Erwähnung geschahe, so als ob die Erlaubniß zum Verkauf des Bruchs zu Holländer Rechte nur bey ihm nachgesucht und von ihm ertheilt wäre 99). Zugleich fügte er jedoch auch eine Einschränkung hinzu. Er setzte nemlich fest 100): weil die Grenzen der benachbarten

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98) Sie befindet sich gleichfalls in Vogts Monumentis ineditis, im zweyten Bande 5tem Stück s. 413-415.

99) Omnibus itaque Christianis natis et nascituris insinuamus, qualiter Fridericus de Machtenstede, ministerialis noster, sua devotione obtinuit ut paludem inter Brinken et Machtenstede et Huchtingen positam, nostra auctoritate et permissione venderet quibusdam emtoribus, sibi et suis heredibus jure Hollandrico possidendam.

100) Veruntamen, quoniam termini praedictarum villarum longe porriguntur in hanc paludem, condictum est, ut ante venditionem istam termini cuiusdam (cuiusvis) villas disquirantur, et tam curiae nostrae Brinkem, quam caeteris mansis, cuiuscunque fuerint, quicquid sui juris est secundum quantitatem terminorum aequa distinguantur distributione, et sit in voluntate dominorum, ad quos hi mansi pertinent, sive velint hanc partem paludis, quae suis mansis convenire potest, iure Hollandrico vendere, sive suis usibus reservare. Decima paludis, quae praedictae curiae nostrae et caeteris mansis Ecclesiae assignata fuit, nostra erit, libere reliquum concessimus praedicto Friderico.

 

 

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Dörfer Machtenstede, Brinkum und Huchtingen sich weit in dieses Bruch hinein erstreckten, so sollten vor dem Verkaufe die Grenzen derjenigen Theile ausfündig gemacht werden, welche sowohl dem Erzbischöflichen Hofe zu Brinkum, als den übrigen Hufen, sie möchten zugehören wem sie wollten, verhältnismäßig gebührten; und in Ansehung dieser Antheile solle es alsdann von der Willkühr der Eigenthümer abhängen, ob sie selbige gleichfalls zum Anbau nach Holländer Rechte verkaufen oder selbst benutzen wollten. Den Zehnten von den Antheilen des Hofes zu Brinkum und der übrigen Stifts-Hufen behielt sich der Erzbischof bevor; ausserdem aber überließ er solchen lediglich Friedrichen von Machtenstede; verliehe übrigens wiederum die Hälfte der Zinspfennige der in dem Bruche zu erbauenden Kirche, und die andere Hälfte der Kirche zu Machtenstede; und bestimmte hiernächst die Rechte und Verfassung der Colonisten wörtlich eben so, als es von Heinrich dem Löwen geschehen war.

 

Diese Urkunde hat kein Datum, und da in derselben von der Holländer-Colonie in solchen Ausdrücken geredet wird, als ob die Erlaubniß zu deren Anlegung erst jetzt ertheilt, und der Verkauf der Bruchtheile an die Ansiedler noch nicht vor sich gegangen wäre, so hat der Herausgeber derselben, der Pastor Vogt, dafür gehalten, daß sie mit der vorhin angeführten Concession Heinrichs des Löwen gleichzeitig, folglich im Jahre 1171

 

 

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ertheilt sey 101) wobey er allem Anschein nach voausgesetzt hat, daß Friedrich von Machtenstede die Bestätigung dieser Concession bey Siegfried deshalb nachgesucht habe, weil dieser schon mit Balduin zum Erzbischofe auf der Wahl gewesen war. Meines Erachtens ist es aber klar, daß diese Urkunde in das Jahr 1180, als das erste Jahr der würklichen Erzbischöflichen Regierung Siegfrieds, hinaus zu setzen ist, da Siegfried sich gewiß vorher in keine Angelegenheit des Erzstifts gemischt hat 102),

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101) Er hat selbige nemlich a. a. O. S. 413. überschrieben: Annus deest, referendum ad an. 1171. Vid. Part. I. p. 3. (wo die Urkunde Heinrichs des Löwen von diesem Jahre befindlich ist.)

102) Daß Balduin im Jahre 1171 ruhiger Besitzer des Erzstifts war, erhellt am deutlichsten aus jenem Diplome Heinrichs des Löwen, wie wir denn auch noch zwey Urkunden haben, die von demselben Erzbischofe, wiewohl freilich erst im Jahre 1174, ohne Widerspruch mit Zuziehung der Capitel in Bremen und Hamburg (doch war der ihm abgeneigte Domprobst Otto nicht unter den Zeugen,) ausgefertigt sind; (Lindenbrog l. c. pag. 166. Num. 60. Staphorst a. a. O. 1r Thl. 1r. Bd. S. 584. 585.) Es ist freilich wahr, daß Siegfried zum Besitze des Bisthums Brandenburg nicht eher als im Jahre 1173, und nicht, wie Albert von Stade und die Historia Archiep. Bremens. annehmen, sogleich bey der fehlgeschlagenen Erzbischofswahl im Jahre 1168 gelangt ist. Die von Lenz, Brandenburg. Stifts-Historie §. 16. 17. S. 19-21. hierüber beygebrachten Beweise aus urkunden und Chroniken lassen deshalb keinen Zweifel übrig; sie bestätigen aber auch, daß Siegfried damahls keine Ansprüche auf das Bremische Erzstift machte, sondern bis zu seiner Erhebung auf den Brandenburgischen Bischofsstuhl nur für einen simplen Canonicus zu St. Marien in Magdeburg galt. Es ist ferner nicht zu leugnen, daß Siegfrieds Prätentionen hernachmahls wieder hervorgesucht wurden; den in dem berühmten Vergleiche zwischen dem Kaiser Friedrich und dem Pabste Alexander dem dritten, der zu Venedig im Jul. 1177 geschlossen ward, (Lünig setzt solchen irrig in das Jahr 1176;) wurde ausdrücklich bedungen: de electione Brandenburgensis Episcopipi, qui in Bremensem Archiepiscopatum lectus fuerat, cognoscetur; et si rite factum fuerit, ad eam Ecclesiam traducetur. Et quaecunque ab Aldewino, (a Baldewino,) qui nunc praeest Bremensi Ecclesiae, alienata sunt prout rite factum visum fuerit, eidem Ecclesiae restituentur: Lünigs Reichs-Archiv, Spicil Eccles 1r Thl. S. 163;) allein diese Verabredung, (welche übrigens noch mehr bestätigt, daß Heinrich der Löwe die nachmahlige Wahl Siegfrieds nicht begünstigt haben könne, und aus welcher es sich erklären läßt, weshalb, nach dem Zeugnisse Alberts von Stade und der Historia Archiepiscopor. Balduins Absetzung zur Zeit seines Absterbens bevorstand,) war sichtbar nur eine Folge der damahligen Revolution, da der Kaiser sich mit seinem bisherigen Gegner, dem Pabste Alexander, vereinbaren mußte, und nunmehro seinen ganzen Widerwillen gegen Heinrich den Löwen wandte; mithin läßt sich hievon auf das Jahr 1171 nicht zurückschließen. Ja es wurde selbst damahls Balduin ausdrücklich als einstweiliger Besitzer des Erzstifts, (qui nunc praeest Bremensi Ecclesiae,) anerkannt, und es ist gewiß, daß Siegfried bis zu seiner würklichen Einführung im Jahre 1180 es nicht unternommen hat, sich so wie in der vorliegenden Urkunde, Dei Gratia Bremensis Ecclesiae Archiepiscopus, zu schreiben. In der Unterschrift der Verhandlungen eben der Kirchen-Versammlung im Lateran im Jahre 1179, wo Siegfrieds Gegner, der erwähnte Berthold, verworfen ward, er selbst aber zugegen war, ist er gleichwohl nur unter den Bischöfen de provincia Medeburgensi als Bischof zu Brandenburg aufgeführt; aus der provincia Bremensi hingegen nur der Bischof Berno von Schwerin, (Bernos Virinensis, i. o. Berno Zvirinonsis, Episcopus,) als gegenwärtig bemerkt worden. (Labbei et Cossarti Concilia cum Baluzii et Harduini additamentis, edits. Nic. Coleti, Venet. 1728, sqq. Tom. 13. Pag. 416.) Noch auf dem obgedachten Reichstage zu Gelnhausen unterschrieb Siegfried am 13ten April 1180. die Urkunde wegen des Westphälischen Herzogthums nur als Bremensis (oder, wie eis beym Gelenius fehlerhaft gedruckt ist, Bromen.) Electus, weil er eben dort erst die kaiserliche Bestätigung erhielt, mithin noch nicht als Erzbischof eingeführt war, (Aegid. Gelenius de magnitudine urbis Colon. Syntagm. 7. §. 23. pag. 74. 75; Orig. Guelf. Tom 3. pag. 101. Rethmeyer Br. L. Chronik S. 1798; Harenberg Histor. Gandersheim p. 346; Schaten Annal. Paderborn. T. I. ad ann. 1180. pag. 595. edits. recent.) und eben so in einer in den Hannöv. gelehrten Anzeigen vom Jahre 1753 S. 1398. abgedruckten Urkunde, welche nach Scheids Bemerkung Ebendas. Note b) in demselben Jahre ausgestellt worden. Von seiner Einführung an führt er hingegen allenthalben den Titel eines würklichen Erzbischofs: in der ihm noch in demselben Jahre am 16ten Novbr. 1180 zu Erfurt ertheilten Kaiserl. Verleihung der Grafschaft Stade, wo er vom Kaiser dilectus princeps Archiepiscopus Bremensis genannt wird, Lindenbrog l. c. pag. 168. Num 62; Staphorst a. a. O. S. 598; Orig. Guelf. T. 3. pag. 552; Lünig Spicil. Eccl. 1r Thl. Fortsetz. Anh. S. 106; Westphalen Monum. ined. T. 3. pag. 1828; Pratje Herzogthümer, 6te Sammlund. S. 86;) sodann auf Pfingsten 1181 in Vogts Monum. ined. 2r Bd. S. 198; desgl. auf dem Reichstage zu Erfurt am 1sten Decbr. 1181 in Orig. Guelf. Tom. 3. pag-. 549; u. s. w. Die vorliegende Urkunde ist also sicher nicht vor dem Jahre 1180; höchstwahrscheinlich aber eben bey der Einführung Siegfrieds zu Bremen in diesem Jahre gegeben, da seine beiden Brüder, der Markgraf Otto von Brandenburg und der Graf Dieterich von Werben nebst seinem Vetter dem Grafen Albert von Osterburg, als Zeugen gegenwärtig waren, welche ohne Zweifel dieser feierlichen Einführung mit beywohnten; im Jahre 1171 hingegen schwerlich mit Siegfried in Bremen gewesen seyn können. Vergl. auch die folgende Note (105.)

 

 

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und im Jahre 1171 sicher nicht als residirender Erzbischof in Bremen gewesen ist, wo gleichwohl die Urkunde ausgefertigt

 

 

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seyn muß, da sich mehrere Mitglieder des Dom-Capitels und Bremische Ministerialen unter den Zeugen derselben befinden.

 

 

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die obgedachten Ausdrücke sind nicht bestimmt genug, um jene Folgerung nothwendig zu begründen 103); vielmehr ist es eine Anzeige des Gegentheils, daß die in Heinrich des Löwen Concession vorkommende Aeusserung: das Bruch habe bis dahin uncultivirt gelegen, hier ausgelassen ist.

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103) Wenn der Erzbischof sagt, Friedrich von Machtenstede habe durch seine Devotion die Erlaubnis erwürkt, das bemerkte Bruch mit seiner Genehmigung an einige Käufer in übertragen, so schließt dieses nicht schlechterdings aus, daß derselbe nicht schon ungleich früher von des Erzbischofs Vorgänger oder einem Dritten eine gleiche Begünstigung erwürkt und die Bruchtheile wirklich schon verkauft haben könne. Und wenn ferner gesagt wird: die Grenzen des Bruchs sollten vor dem Verkaufe bestimmt werden, so folgt daraus auch nicht nothwendig, daß die dahin noch gar keine Bruchtheile verkauft worden, sondern nur, daß der Erzbischof den Verkauf, in so fern die Käufer ihre Prätensionen über jene Grenzen hinaus hätten erstrecken wollen, vor deren Bestimmung nicht als gültig erkenne. Allenfalls könnte man nun supponiren, daß der an den streitigen Grenzen belegene District des Bruchs damahls noch mit keinen Anbauern besetzt gewesen, und nur hievon die Rede sey: oder, daß wohl gar das ganze Unternehmen im Jahre 1171 in Stecken gerathen und erst im Jahre 1180 zur würklichen Ausführung geschritten worden. Wer die unbestimmte Schreibart solcher Diplome des Mittelalters kennt, wird diese Deutung des vorliegenden nicht gezwungen oder unwahrscheinlich finden.

 

 

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Friedrich von Machtenstede wird in dieser Urkunde ein Ministerial des Erzstifts genannt, und sein Name steht am Schlusse in dem Verzeichnisse der Zeugen nicht unter den Edeln, sondern unter den Ministerialen. Auf gleiche Art wird er in einigen Urkunden Hartwigs II. aufgeführt, und es ergiebt sich sowohl hieraus, als aus der ganzen Art, wie die ihm ertheilten Vergünstigungen abgefasset sind, daß er nicht zum hohen Adel gehörte, zu welchem der Erzbischof Johann Roden und Mushard seine Familie rechnen wollen 104). Bald nach dieser letzten

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104) Ersterer in seinem bekannten Manuscripte Sect. 7. Cap. 2. p. m. 217. et apud Leibnit. Scriptor. rer. Brunsv. T. 2. Introduct. pag. 24; letzterer in Monum. Nobil. S. 56. 57. Uebrigens gehörte jedoch Friedrich von Machtenstede allerdings als Stifter eines Klosters und einer Holländer-Colonie zu den wohlhabendsten und angesehensten Mitgliedern des niedern Adels, und er zeichnete sich in einer Urkunde vom Jahre 1189 in Vogts Monumentis 1r Bd. S. 11-15 durch den Zusatz: advocatus de Machtenstede, wegen der ihm vorbehaltenen Advocatie über die Heiligenrodischen Klostergüter, aus. Wären ihm also die Erzbischöfe nicht zu nahe und zu mächtig gewesen, und hätte er sich immer, so wie im Jahre 1170, unmittelbar an die Sächsischen Herzoge anschließen können, so möchte er wohl, gleich manchen ähnlichen ursprünglich zum niedern Adel gehörigen Gutsbesitzern, bald in die Reihe der Nobilium gekommen seyn. Daß der Erzbischof Hartwig II. ihn nun mit Mühe in einiger Abhängigkeit erhalten konnte, werde ich bald gelegentlich bemerklich machen. Glaubwürdige Nachrichten von seiner Familie ausser ihm selbst und seinen Kindern fehlen uns gänzlich. Denn dasjenige, was Hammelmann in der Oldenburg. Chronik S. 44. und nach ihm Mushard Monum. nobil. S. 56 von einem seiner Vorfahren erzählen, dessen Schloß Machtenstede der Graf Huno von Oldenburg und dessen Sohn Friedrich erobert haben sollen, verdient gar keinen Glauben. Ich getraue mich zwar nicht, mit dem Herrn von Halem (Oldenburg. Geschichte, 1r Bd. S. 145. 146.) das Daseyn des Grafen Huno für seine Person gänzlich zu leugnen, allein ich glaube von allem demjenigen, was die Chroniken von ihm erzählen, nichts weiter, als daß er der Stifter des Klosters Rastede gewesen ist, hingegen weder an seinen Löwenkampf (vergl. v. Halem a. a. O.) noch an die obige Geschichte. Die letztere ist ohne Zweifel von Hammelmanns eigener Erfindung. Die Schiphowersche Chronik von Oldenburg, aus welcher Hammelmann nach seiner Aeusserung in der Abhandlung de familiis emortuls sub rubro Machtenstaede (in ejusd. Operibus Genealogico-historicis pag. 735.) geschöpft zu haben scheint, sagt hievon nichts, sondern erwähnt vielmehr, so wie die Wolterische und Rastedtische Chronik, daß Huno aus Jadelebe vertrieben und nach Rastede geflüchtet sey, wo er bis zu dem Löwenkampfe ruhig gelebt habe. Vid. Schiphoweri Chronicon Arohi-Comitum Oldenburg. in Meibom. Scriptor. rer. Germ. T. 2. pag. 131. 132. Dagegen sagt nun zwar Schiphower l. c. p. 131, daß schon der heil. Willehad eine von Heinrich von Machtenstede gestiftete Capelle zu Machtenstede geweihet habe; allein auch das kann man diesem höchst unzuverlässigen Geschichtschreiber, dessen Chronik an Fabeln und lächerlichen Anachronismen den Hammelmann und Wolter noch weit übertrifft, ohnmöglich glauben.

 

 

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Verleihung des Erzbischofs Siegfried stiftete Friedrich von Machtenstede ein Mönchskloster zu Machtenstede 105), welches nicht

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105) Die Urkunde, vermittelst deren der Erzbischof Siegfried die Stiftung dieses Klosters genehmigt hat, findet sich gleichfalls bey Vogt Monum. ined. 2r Bd. S. 416. 417. Auch diese ist nicht datirt, und Vogt hat selbige mit der Ueberschrift versehen: Annus deest. Facta autem haec fundatio A. 1171. Allein auch diese Bemerkung, welche wahrscheinlich den P. Vogt noch mehr in der Meinung bestärkt hat, daß die vorhin erwähnte mit der gegenwärtigen gewiß gleichzeitige oder noch ältere Urkunde wegen der Brüche in das Jahr 1171 zurückzusetzen sey, ist irrig. Mushard in Monum. nobil. S. 56. behauptet zwar in Beziehung auf Renners Chronik, daß das Kloster im Jahre 1171 gestiftet sey; allein hiebey ist Renner offenbar mißverstanden worden. Denn dieser sagt nur: (Fol. m. 173. p. 1.) im Jahre 1171: (bey Mushard steht durch einen Schreib- oder Druckfehler 1151) habe Friedrich von Machtenstede zu Machtenstede gewohnt; welches freilich nach Maaßgabe der obigen Urkunde Heinrichs des Löwen, die man Rennern aus der Heiligenrodischen Registratur mitgetheilt haben mochte, seine gute Richtigkeit hat; und fügt diesem als die Erzählung einer spätern Begebenheit hinzu, daß Friedrich von Machtenstede zu Erzbischof Siegfridi Zeiten, (dessen Erzbischofswahl er selbst in das Jahr 1179 setzt,) das Kloster gestiftet habe. Diesemnach fällt, selbst nach Renners Erzählung, die Stiftung des Klosters erst in das SJahr 1180 oder 1181, und das die vorliegende Bestätigungs-Urkunde dieser Fundation nicht älter seyn könne, ergiebt sich unwidersprechlich aus denselben Bemerkungen, die in Ansehung der vorhin erwähnten Urkunde wegen der Brüche eben vorgekommen sind, und die selbst Renners Behauptung, wenn dieser das Gegentheil gesagt hätte, überwiegen würden. Wegen der Zeugen dieser beiden Urkunden sind übrigens noch die oben in der Note (21) dargelegten Bemerkungen zu vergleichen.

 

 

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lange nachher nach Heiligenrode verlegt worden, und an welches, nachdem die Familie des Stifters bald erloschen 106), der

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106) Mushard a. a. O. behauptet, Friedrich von Machtenstede habe nur zwey Töchter nachgelassen. Indessen hat Vogt Monum. ined. 1r Bd. S. 5. aus einer von ihm ebendas. S. 16. herausgegebenen Urkunde bemerkt, daß derselbe einen Sohn Namens Conrad gehabt habe, der ihn, nach Maaßgabe einer Urkunde, überlebt hat. Mushard hat auch hier wiederum Renners, aus dem er schöpfte, mißverstanden: denn Renner a. a. O. fol. m. 173. pag. I. sagt nicht, daß Friedrich blos Töchter nachgelassen, sondern nur, daß derselbe seinen zwey Töchtern zu gefallen, das Kloster Heiligenrode gestiftet habe. Zur Zeit der Ausfertigung der eben erwähnten Urkunde bey Vogt a. a. O. S. 16. war Friedrich von Machtenstede, wie in derselben ausdrücklich gesagt wird, schon verstorben, und wenn auch dessen Sohn Conrad damahls noch gelebt hätte, wie man gleichwohl nicht bestimmt aus der Urkunde ersiehet, so ist er doch ohne Zweifel,bald nachher mit Tode abgegangen, da seitdem keine weitere Spur von ihm vorkommt. Selbst nach dem Inhalte dieser Urkunde hatte Hermann Hode zum Seelenheil seiner verstorbenen Frau, (vielleicht einer Machtenstedischen Miterbin,) eine Hufe zu Machtenstede dem Kloster Heiligenrode geschenkt. Diese Urkunde ist wiederum nicht datirt, sie muß aber, wie Vogt richtig bemerkt, vor dem Jahre 1200, oder doch vor 1201 gegeben seyn, da in derselben der Dom-Dechant Rudolf und Domküster Hartwig als Zeugen aufgeführt sind; denn im Jahre 1201 (siehe ebendas. die folgende Urkunde S. 30) war dieser Hartwig schon Dechant, und jener Rudolf kömmt nicht weiter vor.

 

 

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Hof zu Machtenstede 107), und ohne Zweidel auch das Zehntrecht

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107) Im Jahre 1231 überließ der Graf Heinrich zu Hoya den Hof zu Machtenstede, (den er vermuthlich als Landes- und Lehnsherr einzuziehen sich anmaßte,) dem Kloster Heiligenrode für 110 Mark mit dem Vorbehalte, solchen binnen zwey Jahren wieder einzulösen; (S. Vogt a. a. O. S. 61;) und da diese Einlösung nicht geschehen seyn mochte, bestätigte der Herzog Johann von Braunschweig, nachmahliger Stifter des Alt-Lüneburgischen Hauses, im Jahre 1233, (da er wahrscheinlich mit seinem Vater, Herzog Otto I. auf dem Zuge gegen den Erzbischof Gerhard II. zur Assistenz der Stedinger begriffen war,) dem Kloster Heiligenrode, selbst auf Vorbitte des Grafen von Hoya, diesen Hof. S. Vogt Monum. ined. 2r. Bd. S. 421.

 

 

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an der erwähnten Holländer-Colonie 108) , gekommen ist.

 

In Hinsicht der Zeitfolge erinnere ich hier beyläufig an die oben näher bemerkte das Hollerland betreffende Verfügung des Erzbischofs Siegfried, wodurch die dortige Colonie wahrscheinlich erweitert worden. Vielleicht war die halbe Hufe in den Neubrüchen bey Bremen, welche dieser Erzbischof und sein Domprobst Otto dem im Jahre 1163 gestifteten Kloster Loccum geschenkt haben *), ein Theil dieses neuen Anbaues im Hollerlande.

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108) In der Urkunde vom Jahre 1290, vermittelst deren der Erzbischof Giselbert dem Kloster Heiligenrode dessen Besitzungen bestätigt, wird sogar der Concession des Herzogs Heinrich des Löwen wegen des Verlaufs dieser Brüche zu Holländer-Rechte in der Maaße erwähnt, als wenn solche diesem Kloster, welcher doch zu der Zeit noch nicht existirte, selbst ertheilt wäre. Item, heißt es daselbst, (bey Vogt Monum. ined. 2r Bd. S. 394;) Henricus Dux Saxoniae paludem a villa Machtenstede usque ad villas Brinken et Huchtingen, et idem Dux fluvium qui dicitur Stura (hier wird der Fluß selbst statt des angrenzenden Bruchs, welches Heinrich der Löwe benannt hatte, eingeschoben,) a villa Machtenstede usque ad fluvium qui dicitur Ochtmunde, saepe dicto claustra monialium perpetuo ac libere tradidit possidendum.

*) S. die Urkunde des Bischofs Anno von Minden, in welcher die hauptsächlichsten Loccumschen Traditionen bemerkt werden, in Grupen Orig. Hannoverens. Cap. 7. §. 13. pag. 307, wo es heißt: Sigfridus Archiepiscopus et Otto major Prepositus Bremensis, in novalibus iuxta Bremam, dimidium mansum. Eine Schwester des Stifters dieses Klosters, der Grafen von Hallermund, Beatrix, war mit einem Grafen von Oldenburg, folglich einem nahen sVerwandten, meiner Meinung nach einem Neffen, des Domprobstes Otto, der also wohl eigentlich diese Schenkung veranlasset hatte, verheirathet. S. die Vetus narratio bey Grupen ebendas. pag. 305; Leibnit. Scriptor. rer. Brunsv. T. 3. pag. 691.

 

 

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Von dem Nachfolger desselben, Hartwig dem Zweyten, hat Vogt eine Urkunde vom Jahre 1201 109) mitgetheilt, vermittelst deren derselbe 110) zwey Männern, Namens Heinrich und Hermann, ein Bruch zu dem Ende überläßt, damit sie solches an Anbauer zum erblichen Besitz nach Holländer Rechte verkaufen möchten. Die Grenzen desselben werden dahin angegeben, daß sich selbiges in der Breite von der Brinkermark bis an die Ledeshufer (jetzt Leester) Mark, imgleichen (nemlich in der Länge) von der sogenannten Brinker lit Wendige (kleinen Wende) bis an den Ort War, vermuthlich in der Gegend des sogenannten Warthurms 111), neben dem Gronlande (jetzt Grollande,) erstrecken solle.

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109) Monum. ined. 1r Bd. 1s Stück Num. 5. S. 20-23.

110) Paladem a loco qui dicitur Brinkermark, usque ad locum qui dicitur Ledishuseremark in latum, item a loco qui dicitur Brinkrelidwendige, usque ad locum qui dicitur War, sub Gronlande interjacentem, ad vendendum cultoribus Heinrico et Hermanno sub certa hujus dispositionis forma tradidimus: Emptoribus paludis praedictae concedimus terram hanc jure Hollandrico libere emere, et suis haeredibus, perpetuo possidendam, libere vendere aut relinquere.

111) Das Wort Ware bedeutet in der Gegend um Bremen eine Vorrichtung in kleinen Flüssen behuf des Fischfangs, insbesondere des Aalfangs, deren es vorzüglich in der Wümme viele giebt; (S. Bremisches Wörterbuch u. d. Worte, Thl. 5. S. 182.) aber auch eine in solchen Flüssen angebrachte Uferbefestigung durch Sockwerk; (Ebendas. S. 183; 2.) Die von den Städten im Mittelalter in gewisser Entfernung zu ihrer Sicherheit angelegten Thürme wurden auch wohl im Allgemeinen Warthürme genannt; die Benennung dieses Thurms bey Bremen hat aber wohl eine speciellere Bedeutung, wodurch derselbe von dem benachbarten Kattenthurme unterschieden werden sollte. Die Verfasser des Bremischen Wörterbuchs u. d. W. Waartorn a. a. O. S. 192. nehmen dieses gleichfalls an, und beziehen den Namen dieses Thurms auf die eben bemerkte zweyte Bedeutung des Worts Ware. Nach Anleitung unsrer Urkunde möchte ich doch wohl vermuthen, daß in der Nähe ein Plas gewesen sey, der von einigen daselbst angelegten Waren behuf des Fischfangs schon damahls so benannt worden.

 

 

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Diese Grenzbezeichnung setzt es ausser Zweifel, daß hier gerade von demjenigen kleinen Bruchdistricte die Rede sey, den der Erzbischof Siegfried erwähntermaßen dem Erzbischöflichen Hofe zu Brinkum vorbehalten hatte, womit es dann auch übereinstimmt, wenn hier auf ähnliche Art, wie es vorhin von Siegfried geschehen war, verordnet wird 112), daß zu Vermeidung aller Beeinträchtigungen der Districte benachbarter Dörfer die Grenzen genau untersucht und jeder angrenzenden Hufe so viel als es sich nach Verhältniß dieser Grenzen gebühre,

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112) Ne tamen in terminisalicujus villae, huic paludi adjacentis fiat injuria, statuimus, ut diligenter termini disquirantur, et quantitas terminorum et ouilibet manso adjacentia, quantum cuisque iuris fuerit, de terra paludis assigcentur, iure Hollandrico possidenda, ut sit in voluntate Domini illius, cujus mansus est, terram assignatam aut vendere aut suis usibus reservare.

 

 

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zum Besitz nach Holländer Rechte beygelegt, den Eigenthümern derselben aber freygelassen werden solle, die ihnen angewiesenen Stücke entweder zu verkaufen oder sich zum eigenen Gebrauche vorzubehalten. Den Zehnten sowohl als den jährlichen Zinspfennig aus jener binnen der beschriebenen Grenzen anzulegenden Colonie, wie auch die obrigkeitliche Gewalt über dieselbe, behielt der Erzbischof sich überhaupt ausschließlich und allein bevor 113), welches diesen Anbau anderweit als ein Zubehör seines Brinkumschen Hofes darstellet; nur in Ansehung der zehnten Hufe überließ er den Zehnten nebst der obrigkeitlichen Regierung den gedachten Unternehmern Heinrich und Hermann , wiewohl mit dem Vorbehalt, beides für sich zu redimiren, und eine Hufe widmete er, nach dem Beyspiele seines Vorgängers, halb der in den Brüchen selbst anzulegenden Kirche, (die also noch immer ihr würkliches Daseyn nicht erhalten hatte, und wahrscheinlich nie zu Stande gekommen ist,) und halb der heiligen Maria zu Heiligenrode, wohin damahls das Kloster von Machtenstede schon verlegt war 114). Die Verhältnisse und Obliegenheiten

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113) Decima vero praedictae paludis tota et integra, cum universo regimine nobis et nostris Successoribus libera esse debet, excepta decima decimi mansi cum suo regimine, quod ad jus venditorum, praedicti scilicet Henrici et Hermanni pertinere debet. Nobis tamen, tam decimam, quam regimen decimi mansi, competenti recompensatione ad nostros usus redimere permittetur. Dimidius mansus dabitur Ecclesiae in hac palude aedificandae, item dimidus mansus sanctae Mariae in Heiligenrotha. - In festo Scti. Martini dabunt pro censu unum summum de quolibet manso, et hi nummi cedent in usus nostros et sucessorum nostrorum pro recognitione terrae.

114) Dieses war schon vor dem Jahre 1189 geschehen, als in welchem der Erzbischof Hartwig dem Kloster zu Heiligenrode vermittelst der Urkunde bey Vogt, Monum. ined. 1r Bd. 1s Stück Num. 2. S. 11-15., dessen Besitzungen bestätigte.

 

 

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der künftigen Anbauer werden auch in dieser Urkunde, so wie in der vorigen, bestimmt.

 

Der Erzbischof Hartwig hatte zu der Zeit, da er dieses Diplom ausgab, schon über 15 Jahre regiert; und seit jener Verordnung des Erzbischofs Siegfried, daß dem Hofe zu Brinkum sein Antheil an dem Bruche bevorbleiben sollte, waren bereits über 20 Jahre verflossen. Die Gründe, weshalb er nicht früher zu dessen Benutzung Anstalt machte, lagen wohl nicht allein in seiner unruhigen und durch manche Widerwärtigkeiten gestörten Regierung 115), sondern auch in der Eifersucht Friedrichs

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115) Im Jahre 1189, in welchem Hartwig die in der vorigen Note erwähnte Urkunde ertheilte, hatte er sich sehr zur Unzeit seinem ehemaligen Prinripal, Heinrich dem Löwen, welcher damahls aus England zurückkehrte, und nach dem im gelobten Lande erfolgten Tode des Kaisers Friedrich des Ersten seine Länder und Würden wieder zu erobern gedachte, in die Arme geworfen, ohngeachtet er sich vorhin gegen denselben ganz anders benommen hatte. Die Folge dieses Schritts war, daß der Kaiser Heinrich der 6te ihn seines Erzstifts verlustig erklärte, und dadurch veranlaßte, daß sowohl sein Dom-Capitel als die Ministerialen oder die Ritterschaft des Stifts, sich gegen ihn auflehnten. Hartwig entwich auf ein Jahr nach England und gelangte erst im Jahre 1195 durch Vermittelung seines Gönners, der Pabstes Cölestin, wieder zum ruhigen Besitze des Erzstifts, indem er sich mit dem Kaiser durch eine demselben gezahlte Summe Geldes aussöhnte. Im folgenden Jahre 1196. wallfahrtete er nach dem gelobten Lande, von da er im Jahre 1197 zurückkehrte. S. Lappenbergs Grundriß etc. in Pratjens Herzogthümern, 2te Samml. S. 303-310. Diesemnach konnte er sich freilich in den Jahren 1189-1197 um die einheimische Regierung und Cultur der Mööre nicht viel bekümmern, wohl aber hätte dieses vorher von ihm sowohl als seinem Vorgänger geschehen können, wenn keine andere Bedenklichteiten eingetreten wären. Mehrere verfügungen, unter andern die Fundation des Stifts St. Anscharii im Jahre 1187 und jene Bestätigung der Heiligenrodischen Klostergüter im Jahre 1189 beweisen, daß Hartwig damahls wirklich in der häuslichen Regierung nicht unthätig war.

 

 

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von Machtenstede, welchen der Erzbischof schonen mußte 116). Daß dieser und wahrscheinlich auch dessen den Conrad schon vor

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116) Da diesem Friedrich von Machtenstede, welcher sich in jener Heiligenrodischen Bestätigungs-Urkunde zwar als einen Ministerial des Bremischen Erzstifts angiebt, am Schlusse aber doch wieder als advocatum de Machtenstede auszeichnet, der ganze umliegende Bruchdistrirt von Heinrich dem Löwen in ziemlich allgemeinen Ausdrücken verliehen war, so ist es wohl zu glauben, daß ihm die nachmahlige Beschränkung und Begränzung dieses seines Besitzthums nicht angenehm seyn konnte. Wie vieles Gewicht er aber damahls hatte, läßt sich unter andern daraus beurtheilen, daß er einer derjenigen vier Ministerialen war, welche während der oberwähnten Unruhen die wichtigsten Stiftsgüter in Besitz genommen hatten, und gegen welche daher Hartwig kurz vor seiner Wiedereinsetzung im Jahre 1195. ein Commissorium des Pabstes Cölestin auf die Bischöfe zu Münster und Osnabrück und den Abt zu Rastede ausbrachte, nach Maasgabe dessen diese Commissarien sie zur Zurückgabe gedachter Güter unter Androhung des Bannes anhalten sollten. In der Päbstlichen Bulle, welche Lünig im Spicil. Eccl. 1r Thl. Forts. Anh. S. 108. und nach demselben Staphorst Hamburg. Kirchen-Geschichte 1r Thl. 1r Bd. S. 538 haben abdrucken lassen, werden diese vier Ministerialen zwar nur mit ihren Taufnamen: Aldarus, Henricus, Otto, Fredericus, benannt, sie sind aber leicht zu kennen. Der letzte ist ohne Zweifel unser Friedrich von Machtenstede; der erste der schon mehrmahls erwähnte Alhard von der Hude, Voigt zu Bremen; der zweyte Heinrich von Uthlede, des Erzbischofs eigener Bruder oder Nepode; und der dritte kömmt unter dem Namen Otto de Levimunt in einem Diplome dieses Erzbischofs vom Jahre 1199 in G. L. Böhmeri Observ. iur. Canon. pag. 160; desgleichen in einem gewiß ohngefähr gleichzeitigen im Diplomatario Neomonasteriensi bey Westphalen Monum. ined. Tom. 2. pag. 18, welches daselbst irrig Hartwig dem ersten zugeschrieben und am Rande mit der Jahreszahl 1144 bezeichnet ist, vor, in der Folge erscheint er als Otto pincerna in den Jahren 1203 und 1205 bey Vogt Monum. ined. 1r Bd. S. 26. 28; 2r Bd. S. 204. Uebrigens waren diese Ministerialen wohl nicht eigentlich Feinde des Erzbischofs; sie wollten ihm nur, wie ich vermuthe, nicht eher die Stiftsgüter wieder einräumen, bis er vom Kaiser wieder anerkannt und bestätigt war: denn hernach finden sie sich öfterer als seine Gefährten in seinen Urkunden, auch ist jene Päbstliche Bulle, ohngeachtet des darin angedrohten Bannes, in sehr glimpflichen Ausdrücken gegen sie abgefaßt. Man siehet aber doch hieraus, daß sie die angesehensten des damahligen Stiftsadels waren, und an dessen Spitze standen.

 

 

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vor 1201 gestorben, mithin dadurch dieses Hinderniß nunmehr gehoben war, ergiebt sich aus einer frühern Urkunde 117). Allem Anschein nach ist indessen die Nutzung dieser Colonie von dem Erzbischofe dem von ihm fundirten Collegiatstifte St. Anscharii in Bremen überlassen worden; denn die Rastadtische Chronik 118)

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117) Bey Vogt 1r Bd. 1s Stück S. 15-17. Vergl. oben Note (106)

118) Bey Meibom Scriptor. rer. Germ. T. 2. pag. 98

 

 

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erwähnt unter den diesem Stifte beygelegten Gütern auch eines, Zehntens zu Brinkum mit dem Schmalzehnten, worunter, wo nicht der Zehnten oder die Pacht des ganzen dortigen Erzbischöflichen Hofes, doch der Zehnten aus dieser Holländischen Niederlassung zu verstehen ist. In der Stiftungs-Urkunde vom 1sten May 1187, welche uns Renner in seiner Chronik aufbehalten hat 119), kömmt zwar dieser Zehnten nicht mit vor, auch befindet sich selbiger nicht mit unter denjenigen Gütern des gedachten Stifts, welche, wie Renner hinzusetzt 120), in der Bestätigungsbulle des Pabstes Clemens III. vom Jahre 1188 ausserdem noch bemerkt sind. Da indessen die Angaben des Rastedtischen Chronikschreibers übrigens mit dem Inhalte jener Urkunde genau übereinsimmen, so können wir es ihm wohl zutrauen, daß auch die drey Stücke, die er den in diesen Urkunden enthaltenen am Schlusse seines Verzeichnisses der Stiftsgüter noch hinzufügt 121); nenriich dieser Zehnten zu Brinkum, ein Zehnten zu

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119) Fol. m. 178-180. des ersten Bandes. aus dieser Chronik hat Menken in Sciptor. rerum Saxon. T. 1. Pag. 588-590. selbige abdrucken lassen. Diese Rennersche Abschrift ist offenbar sehr fehlerhaft: den richtigern aus einem alten Copialbuche genommenen Abdruck derselben in Cassels Nachrichten von dem Collegiatstifte St. Anscharii kenne ich leider nicht, da ich diese kleine Casselsche Schrift nicht habe auftreiben können.

120) Fol. 181. Desgl. bey Menken l. c. pag. 190. not. b.) Auch diese Bulle soll in der eben bemerkten kleinen Abhandlung von Cassel aus demselben Copialbuche vollständig vollständig abgedruckt seyn; S. Hempe inventar. diplomat. Saxon. infer 1r Thl. S. 121.

121) Bey Meibom l. all. Decimam in Brincham cum minuta; decimam in Grevesbrock Stedingiae, (im Kirchspiel Bruch bey Aschwarden im Osterstadischen; unten wird dieses Grevenbrock noch erwähnt werden;) decimam in Osterholt Hollandriae. Gelegentlich füge ich hier noch die Bemerkung hinzu, (welche vielleicht von Cassel in jener Schrift näher erläutert seyn mag,) daß, wenn gleich die hier erwähnte förmliche Stiftungs-Urkunde erst im Jahre 1187 ausgefertigt worden, doch schon zwey Jahre früher im Jahre 1185 des Erzbischofs Hartwig erstem Regierungs-Jahre, bey der Bestätigung des Klosters Osterholz, ein Hartwici, B. Anscharii praepositus und Remigius, B. Anscharii Decanus mit zugegen waren; S. Pratjens Herzogthümer Br. u. B. 4te Samml. S. 12. Die erste Grundlage dieses Stifts war nach dem Zeugniß jener Fundations-Urkunde eine ältere, zur Unterhaltung von 12 Armen gewidmete, Armenstiftung. Der Probst dieses Stifts, Hermann, welcher in meheren Urkunden des Erzbischofs Hartwig von den Jahren 1199-1206 vorkömmt; (Böhmer Obs. iur. Canon. pag. 259; Vogt Monum. ined. 1r Thl. S. 17. 26. 27; Staphorst Hamburg. Kirchen-Gesch. 1r Thl. 1r. Bd. S. 605. in der ersten Urkunde, Zeile 5;) war einmahl Administrator oder vermuthlich Pfandinhaber des Erzbischöflichen Hofes zu Bramstedt. Dieses beweiset der aus einer Lindenbrogschen Handschrift genommene Auszug eines Documents, welchen Staphorst a. a. O. S. 605. hat abdrucken lassen; der aber nicht, wie Staphjorst annimmt, zum Jahre 1206, sondern nach Anleitung der darin vorkommenden Zeugen in Vergleichung mit den eben bemerkten Urkunden und der Stiftungs-Urkunde vom Jahre 1187, wie auch dem Diplome vom Jahre 1188 bey Vogt a. a. O. S. 11-25, mit ziemlicher Gewißheit zum Jahre 1198 zu rechnen ist. Ich halte demnach diesen Probst des Anscharius-Stifts und nicht den heil. Anscharius selbst für den Urheber des Scharries-Dammes zwischen Uthlebe und Hagen. Dem gedachten Probst war dieser Damm, über welchen der Weg von Bramstedt nach Uthlebe und der Osterstadischen Marsch gehet, sehr nützlich: jener Heilige selbst hingegen dachte wohl mehr darauf, Heiden zu bekehren, als Dämme anzulegen; auch weiß man eben nicht, daß er in die hiesigen Gegenden gekommen wäre.

— Nach Hartwig II. Tode scheint das Collegiat-Stift des heil. Anscharius, da seitdem wenige Nachrichten von demselben vorkommen, etwas in Verfall gerathen zu seyn; doch finden wir noch einige Pröbste desselben als Zeugen in Urkunden Gerhards II., nemlich Lambert 1225; 1227; (Vogt Monum. 2r Bd S. 206. 208; G. L. Böhmeri Electa iur. civil. Tom. 3. pag. 117;) einen andern Hermann 1238; 1241; (Böhmer l. c. pag. 121, 124; Pratjen Herzogth. 4. Sammlung S. 25. Vogt a. a. O. S. 40, 42;) und Bernhard 1247; (Pratje ebendas. S. 28.)

 

 

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später, nachdem obige Urkunden schon abgegeben waren. Zur Zeit der Ausfertigung derselben existirte ja auch diese Brinkumsche Colonie noch nicht, und es ist mir sehr glaublich, daß es mit dem hier gleichfalls bemerkten Zehnten zu Osterholz eine ähnliche Bewandniß habe. Unter den neu angelegten Colonien im Hollerlande, welche schon Siegfried der Stadt Bremen käuflich überlassen hatte, wird zwar oberwähntermaßen auch Osterholz genannt: da indessen die Städte gar nicht gewohnt waren, etwas von ihren Stadtgütern zu milden Stiftungen herzugeben, so vermuthe ich, daß hier nicht von diesem der Stadt Bremen verkauften ersten Anbau, sondern von einer noch spätern Neben-Anlage in einem zu Siegfrieds Zeiten noch unbebauet gebliebenen Bruche bey Osterholzdie Rede sey, welches der Erzbischof Hartwig, oder auch wohl erst einer seiner Nachfolger, als in jenem Verkaufe Siegfrieds nicht mit begriffen betrachtet, und daher dem Stifte St. Anscharii zu übertragen sich berechtigt gehalten haben mag. Wenigstens passet diese Voraussetzung recht gut dazu, daß, obenerwähntermaßen, der Erzbischof Siegfried diesen District des Hollerlandes als loca deserta bezeichnete, und daß die Erzbischöfe, wie wir an den vorgekommenen Beyspielen gesehen haben, ihre Aufmerksamkeit sehr darauf richteten, die ertheilten Concessionen zu den Moor-Anlagen in ihre Grenzen zurückzuweisen,

 

 

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und sich dasjenige, was über diese Grenzen hinausgieng vorzubehalten.

 

Eben diesem Stifte des heil. Anschar hat Hartwig II. bey dessen Errichtung auch noch in dem alten Hollerlande, welches nach meiner oben geäusserten Meinung von Siegfried an die Stadt Bremen nicht mit verkauft war, nemlich im Kirchspiele Horn, drey Holländische Viertheil Hufen verliehen 122).

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122) In der Rastedisches Chronik, (apud Meibom l. all. p. 98.) werden diese drey Viertheil Hufen nur im Allgemeinen dahin angegeben: tres quadrantes Hallandienses, has dedit Hartwicus. In der Stiftungs-Urkunde (bey Renner a. a. O. fol. 179. pag. 2. und bey Menken l. c. pag. 589.) hingegen heißt es bestimmter: Insuper — contradicimus, (contradidimus,) eis Ecclesiam Horne, cum episcopali banno, cum decima etc. — Damus etiam eis tres quadrantes Hollandrenses unum in Gera, alterum in Vora, tertium in Leda, cum advocatia decimis et decimationibus, in eadem parochia sitos. Die hier benannten Orte Vora und Leda sind offenbar die Dörfer Vare und Lehe Kirchspiels Horn im Hollerlande. S. Smidt Hanseatisches Magazin 4r Bd. S. 178; Roller Bremische Geschichte, 1r Theil S. 30.) Gera. welches ich nicht aufzufinden weiß, muß doch auch in diesem Kirchspiele, folglich im Hollerlande, belegen gewesen seyn, wie ausserdem auch noch eine bey Vogt Monum. ined. 1r Band S. 539. befindliche Urkunde beweiset. Vielleicht hat irgend ein Theil einer dortigen Feldmars die nicht ungewöhnliche Benennung: auf den Gehrden, geführt. Doch erwähnt das Rohdensche Manuscript Sec. 3. Cap. 2. p. m. 79. 80. ausdrücklich eines Dorfs Geren in dortiger Gegend: et decima supra 14 quadrantes in Geren - item campus infra villam Geren. Bey Leibnitz Scriptor. rer. Brunsv. T. 2. pag. 256, wo überhaupt diese Stelle fehlerhaft abgedruckt ist, stehet unrichtig Geten statt Geren.

 

 

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III. Von der Verfassung dieser Colonien.

 

 

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Quelle: Das Buch ist in der Bayerischen StaatsBibliothek vorhanden und wurde vom Münchener Digitalisierungszentrum eingescannt:

Es kann unter folgendem Link eingesehen werden:

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Zugriffdetails für die Bibliothek:

Ueber die niederländischen Colonien, welche im nördlichen Teutschlande im zwölften Jahrhunderte gestiftet worden, weitere Nachforschungen mit gelegentlichen Bemerkungen zur gleichzeitigen Geschichte . . . - Erster Band S. 1-133

Autor / Hrsg.: Wersebe, August von ; Wersebe, August von

Verlagsort: Hannover | Erscheinungsjahr: (1815) | Verlag: Hahn

Signatur: Germ.sp. 521 m-1

Reihe: Ueber die niederländischen Colonien, welche im nördlichen Teutschlande im zwölften Jahrhunderte gestiftet worden, weitere Nachforschungen mit gelegentlichen Bemerkungen zur gleichzeitigen Geschichte

Permalink: http://mdz-nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bvb:12-bsb10022079-9

 

 

Hinweis: Dieses Werk August von Wersebes besteht aus insgesamt 2 Bänden mit folgendem Inhalt:

 

Bd. 1:

I. Einleitung

II. Von den Colonien in der Gegend um Bremen 27

III. Von der Verfassung dieser Colonien 134

IV. Von den Gegenden in andern Gegenden des Herzogthums Bremen 174

V. Von den Colonien im westlichen Holstein 216

VI. Von den Colonien in Wagrien 289

VII. Von den Colonien im Lauenburgischen und Mecklenburgischen 407

 

Bd. 2:

VIII. Von den Colonien in der Mark Brandenburg 441

IX. Von den Colonien im ehemaligen Erzstifte Magdeburg und im Anhaltischen 638

X. Von den Colonien in Thüringen, Chur-Sachsen und der Lausitz 854

XI. Anhang und Schluß 1026