Cartellieri 1898: Die Machtstellung Heinrichs II. von England.

Die Machtstellung Heinrichs II. von England.

 

Alexander Cartellieri.

 

Die seit dem Falle des imperium Romanum in der Geschichte wiederkehrenden Versuche, allgemeine Reiche zu gründen, pflegen die Aufmerksamkeit der Zeitgenossen wie der Nachlebenden in besonderem Masse zu fesseln. Die Erneuerung des abendländischen Kaisertums durch Karl den Grossen, die Monarchie Karls V., worin die Sonne nicht unterging, das Grosskönigtum Ludwigs XIV., das Empire Napoleons sind dem Historiker zugleich End- und Ausgangspunkte langer Entwickelungsreihen, an denen er länger verweilen muss, um tiefere Einblicke in das Werden und Wachsen der Völker zu gewinnen. Auch dann, wenn sie nicht verwirklicht wurden, sind solche weltumspannenden Pläne eingehender Betrachtung würdig, weil darin die erfolgreiche Arbeit von Jahrhunderten gleichsam gesammelt und verdichtet zu Tage tritt. Sie bedeuten immer eine gewaltige Anspannung der Kräfte, die starke Gegenwirkungen hervorruft und noch viel später in der Geschichte deutlich wahrnehmbare Spuren zurücklässt. So gros ist die Macht der politischen Idee, dass Unternehmungen, die einmal, wenn auch vergeblich, gewagt worden sind, kühnen Geistern immer wieder als lockendes Ziel vorschweben.

 

Während des Mittelalters ist man gewöhnt, in den deutschen Kaisern die berufenen Träger der Idee des Weltreiches zu sehen. Man beachtet vielleicht nicht genug, dass kurz vor der Zeit, wo der geschickten Diplomatie der Hohenstaufen durch die Verheiratung Heinrichs VI. mit Konstanze die lang ersehnte Vereinigung Deutschlands und Siziliens gelang, und damit der Papst in Rom der ihn von Norden und Süden bedrohenden Macht des Kaisers unterworfen schien, im Westen Europas ein grossartiges Staatensystem ausgebildet wurde, dessen rascher Zerfall allein verhinderte, dass es mit dem Kaisertum um den Vorrang streiten musste: das angiovinische Reich, wie es Heinrich von Anjou, König von England, gegründet hatte.

 

NEUE HEIDELB. JAHRBUECHER VIII.

 

 

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Wer auf der Karte Frankreichs den Lauf der Loire von der Mündung stromaufwärts verfolgt, dem fällt sofort die von der Natur vielfach begünstigte geographische Lage von Angers in die Augen. In geringer Entfernung von der alten Hauptstadt der Grafschaft Anjou, des Departement Maine et Loire, vereinigen sich fünf schiffbare Flüsse und wichtige Handelsstrassen. Die Umgebung ist reich an Wein und Obst. Von diesen gesegneten Fluren breitete sich die Macht der Grafen von Anjou aus. Der Ursprung des Geschlechtes verliert sich im Dunkel der Sage: nur spärliche und unsichere Kunde führt in die letzten Zeiten des Karolingischen Reiches. Der Mannesstamm starb 1060 aus, aber Hermengard, des vorletzten Grafen Tochter, die einen Grafen Gottfried oder Alberich von Gâtinais heiratete, vererbte die auszeichnenden politischen Eigenschaften der Väter auf die Söhne. Ihr Enkel war Fulko V., Graf von Anjou und durch seine Frau auch Graf von Maine, der als König von Jerusalem 1143 starb. Um der überlieferten Feindschaft eines Hauses gegen die Herzöge der Normandie ein Ende zu machen, verheiratete er seinen 15 jährigen Sohn Gottfried mit der zehn Jahre älteren Mathilde, der Tochter Heinrichs I., Herzogs von Normandie und Königs von England, einer Enkelin Wilhelms des Eroberers, die in erster Ehe mit Kaiser Heinrich V., dem letzten Salier, vermählt gewesen war.

 

Gottfried, den Sage und Dichtung feierten, erhielt von den Zeitgenossen den Beinamen des Schönen, in der Geschichte den Beinamen Plantagenet (Ginsterpflanze), weil er durch die Ginstersträuche seiner Heimat zu schweifen liebte. Er verband ein gewinnendes Äussere mit vortrefflicher Bildung, namentlich einem treuen Gedächtnis für geschichtliche Ereignisse. Die ruhige Sicherheit, die ihm eigen war, fehlte seiner Gemahlin gänzlich. Mathildens Charakter bot grelle Gegensätze: echt weibliche Milde und Sanftmut neben wilder Rachsucht und politischer Leidenschaft.

 

Heinrich II. war der älteste Sohn, der dem ungleichen Elternpaare, das keineswegs in glücklicher Ehe lebte, im März 1133 geboren wurde. Als er, zum Manne herangereift, die Aufmerksamkeit von Freund und Feind im stärksten Masse fesselte, ist er mehrfach geschildert worden. Kurz-Mantel nannten ihn Engländer und Normannen, weil er sich nach Sitte seiner angiovinischen Heimat zu kleiden pflegte. Er war ein Mann von stämmigem Wuchse. Der Stiernacken, die breiten Schultern, nervigen Arme und rauhen Hände kündigten die aussergewöhnliche Leistungsfähigkeit des Körpers an. Seine Beine waren durch unablässiges

 

 

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Reiten gekrümmt. Das rötlich schimmernde Haar trug er kurz geschoren, weswegen Spötter wohl sagten, er habe Farbe und Art eines Fuchses. Der hervorstechendste Zug seines Wesens war ein ungezügelter, rücksichtsloser Thätigkeitsdrang im Guten wie im Schlimmen. Nachdem er sich den Tag über an den Staatsgeschäften abgearbeitet, eilte er, sich im Kreiss seiner Kleriker durch angeregte Unterhaltung über geistige Dinge zu erholen. Furchtbar konnte er im Zorn aufwallen, aber er ist mit Unrecht von seinen Feinden als Wüterich verschrieen worden. Die eiserne Zeit verlangte eine eiserne Faust, um Ordnung zu stiften. Hass und Liebe bewahrte er gleich beharrlich, und scheute kein Hindernis, um eine, wenn auch verbotene sinnliche Neigung zu befriedigen. Worte achtete er wenig, auch Versprechungen und Schwüre waren ihm nicht heilig. Edles Mass liess er am meisten vermissen. Von Natur kein Freund des Krieges, suchte er sich, so lange es anging, mit Geld zu helfen und griff nur ungern zu den Waffen, obwohl es ihm keineswegs an persönlichem Mute fehlte. Aber der Krieg war ihm nur ein und nicht das sicherste Mittel der Politik.

 

Seiner Bildung nach konnte er nichts anderes sein als Franzose. Englisch verstand er wohl, wie denn seine ausgedehnten Sprachkenntnisse gerühmt werden, aber er redete nur Französisch und Latein. Litterarischen Bestrebungen brachte er rege Teilnahme entgegen. Vor allem blühte die Geschichtsschreibung unter ihm auf. Den Chronisten, die ausführlich und genau, wenn auch schmucklos, Jahr für Jahr seine Thaten aufgezeichnet und damit auch für die Geschichte der Nachbarländer ein ungemein wertvolles, von der Forschung vielleicht noch nicht genügend gewürdigtes Hilfsmittel geschaffen haben, hatte Europa damals kaum etwas Ebenbürtiges an die Seite zu stellen.

 

Um die Eigenart der Machtstellung Heinrichs klar zu erkennen, wird man sie auf ihrem Höhepunkte betrachten, etwa in den Jahren 1175 bis 1183, das heisst nach der glücklichen Bewältigung der ersten Empörung Jung Heinrichs, vor dessen zweiter Empörung, an die sich nur wenige Jahre später der Entscheidungskampf mit Philipp II. August von Frankreich anschloss.

 

So verschieden nach Bodenbeschaffenheit und Nationalität die einzelnen, dem Anjou gehorchenden Länder waren, so verschieden auch die Rechtsverhältnisse, auf die sich seine Herrschaft gründete.

 

England gab ihm den stolzen Königstitel, hob ihm aus der grossen Zahl der Herzöge und Grafen heraus und wies ihm gleich unter dem Kaiser, neben dem Könige von Frankreich, seinem Lehensherrn für den

 

 

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festländischen Besitz, einen Platz an. Nach dem verhängnisvollen Zeitalter der Anarchie, da König Stephan von Blois und Heinrichs Mutter, die Kaiserin Mathilde, in wildem Bürgerkriege um die Krone stritten, atmete das Land unter dem harten, aber gerechten Regimente Heinrichs erleichtert auf. Als willkommenste Gabe empfing er von seinen normannischen Vorgängern eine so stark, wie sonst nirgends unter der Herrschaft des Lehenswesens, ausgeprägte monarchische Gewalt, der sich nicht einmal die Kirche entziehen konnte. Auf diesem festen Grunde baute er unablässig weiter, und wahrlich, übersieht man heute nach 700 Jahren, was er geleistet hat, so kann man ihm nur aufrichtige Bewunderung zollen. Jeder Aufenthalt Heinrichs in England -- denn die meiste Zeit brachte er dieseits des Kanals zu -- bedeutete einen weiteren Fortschritt auf der Bahn der Reformen. Da gab es kein Gebiet, das sich seinem durchdringenden Scharfblick entzog. Hier errang er seine dauerndsten Erfolge. Als Organisator, als sachkundiger Gesetzgeber fand er im ganzen Mittelalter kaum seinesgleichen. Wie er, hatte auch Kaiser Friedrich I. der Rotbart ein sehr lebhaftes Gefühl für die Bedeutung des geschriebenen Rechtes und machte am Anfang seiner Regierung verheissungsvolle Anstrengungen, mit der Rechtsunsicherheit aufzuräumen. Aber die fortwährenden Kämpfe in Italien, die Scheu der deutschen Fürsten vor jeder allgemeinen Massregel, die ihre eifersüchtig gewahrte Selbständigkeit hätte beeinträchtigen können, erstickten in Deutschland jede Neuerung auf dem Gebiete der Verfassung im Keime. Heinrich hatte mehr Erfolg. Er vermochte sich auf alte nationale Gewohnheiten zu berufen und zu seinem Glück standen seine Barone hinter den deutschen Stammesherzögen, seine Bischöfe hinter den deutschen an Macht weit zurück.

 

Die englische Gerichtspflege hatte früher sehr im Argen gelegen. Gründliche Reformen thaten Not. Wegen ihrer besonderen Bedeutung sei die sogenannte Assise von Northampton (1176) hervorgehoben. In diesen Assisen darf man eine Vorstufe der späteren Parlamentsbeschlüsse sehen. Bei der erwähnten ist die klare und entschieden juristische Aufstellung von Grundsätzen bemerkenswert, die teilweise noch in voller Kraft bestehen. In Verbindung mit den fahrenden Richtern, die an Karls des Grossen Königsboten erinnern, erscheint das Institut der Geschworenen in einer Form, die von der heutigen gar sehr verschieden ist, diese aber vorbereitet und ermöglicht hat. Eine spätere Assise über die Bewaffnung (1181) kam durch die bald folgenden unruhigen Zeiten nicht recht zur Geltung. Ihr Zweck ging dahin, das ganze angiovinische Reich,

 

 

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nicht bloss England, durch allgemeine Wehrpflicht gleichmässig in Verteidigungszustand zu setzen, wobei auch schon auf eine Flotte Bedacht genommen wurde.

 

Charakteristische Eigenschaften des englischen Staatswesens unter Heinrich sind die straffe, technisch hervorragende Durchführung des Lehenswesens und des normannischen Verwaltungsrechtes, die Schöpfung eines geschäftserfahrenen Amtsadels. Der Erfolg blieb nicht aus. Handel und Gewerbe nahmen einen raschen Aufschwung. Normannen und Sachsen verschmolzen sich immer mehr zu einer einzigen Nationalität, der englischen, die dann sogleich den Versuch machte, ihre Grenzen zu erweitern. Damals darf man zuerst mit einem gewissen Recht von Grossbritannien sprechen. Des Königs Befehlen mussten die unruhigen Häuptlinge von Nord- und Südwallis gehorchen. Der König von Schottland fand es geraten, sich um die Freundschaft des übermächtigen Nachbars zu bewerben und sie durch verwandtschaftliche Bande zu festigen. Selbst Irland, dessen Bewohner sich rühmten, dass weder Römer, noch Sachsen, noch Normannen zu ihnen vorgedrungen seien, vermochte die sorgsam gehütete Unabhängigkeit auf die Dauer nicht zu behaupten. Im Bunde mit dem Papst fasste Heinrich schon ein Jahr nach seinem Regierungsantritt die Eroberung der grünen Insel ins Auge. Drei Mal wiederholte er sein Unternehmen. Selbst verstand es, die Iren zu behandeln, und daher war es ein Unglück, an dessen Folgen England noch heute krankt, dass er das halb vollendete Werk im Stich lassen musste, um anderweitige Gefahren abzuwehren.

 

Jenseits des Meeres war Heinrich nicht nur der Sache, sondern auch dem Namen nach als König Haupt und Herr des Staates, vor dem sich jedermann, ob Hoch oder Niedrig, beugte. Auf dem Festlande musste er selbst sich vor seinem Lehensherrn, dem Könige von Frankreich, beugen. Freilich nur sehr ungern entschloss er sich, Schritte zu thun, die dieses Verhältnis offenkundig machten. So weigerte er sich lange, Philipp August nach dessen Thronbesteigung Mannschaft für alle seine festländischen Besitzungen zu leisten und that es erst nach drei Jahren.

 

Der geschickten Familienpolitik der Anjous, die er fortzusetzen wusste, verdankte Heinrich seine weiten Besitzungen in Frankreich. Von seiner Mutter erhielt er noch bei deren Lebzeiten die Normandie und die Anwartschaft auf England. Bald darauf machte ihn der Tod seines Vaters zum Herrn von Anjou, Maine und Touraine. Den Grafen der Bretagne zwang er zur Unterwerfung und brachte einen Ehebund zwischen dessen einziger Tochter und Erbin Konstanze und seinem Sohne Gottfried

 

 

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zustande. Eine noch gewaltigere Machtfülle vereinigte er 1152 in seiner Hand, als er Eleonore von Poitou, die geschiedene Gemahlin König Ludwigs VII. von Frankreich, heiratete. Eleonorens freie, heiter sinnliche Lebensauffassung, wie sie in den Kreisen der Troubadours gang und gäbe war, passte schlecht zu Ludwigs spiessbürgerlichen Ansichten. Sie habe einen Mönch geheiratet, aber keinen Mann, klagte Sie einmal. Heinrich wusste die üppig schöne und kluge Erbtochter durch sein männliches Auftreten zu gewinnen: 19 jährig führte er die acht Jahre ältere Braut heim und gewann dadurch den grössten Teil des alten Aquitaniens, Poitou, Saintonge, Périgord, Limousin, Angoumois, Gascogne mit Ansprüchen auf Berry, Auvergne und Toulouse. Überaus merkwürdig gestalteten sich die Beziehungen zwischen dem Plantagenet, der wohl der grösste Vasall seiner Zeit war, und dem Kapetinger auf dem Throne. Über die Hälfte des heutigen Frankreich gehörte dem Vasallen unter der nur dem Namen nach bestehenden Hoheit des Souzeräns, der ganze Nordwesten, Westen und Südwesten, alles Land zwischen Kanal und Pyrenäen, zwischen dem atlantischen Ozean und dem Puy de Dôme, Wie armselig nahm sich dagegen, wenn man einen Blick auf die Karte wirft, der Eigenbesitz der Kapetinger aus, als 1180 Ludwig VII. die Augen schloss! Die übrigen französischen grossen Vasallen, der Graf von Toulouse, der Herzog von Burgund, der Graf von Blois-Champagne, der Graf von Flandern, konnten durchaus nicht als natürliche oder sichere Bundesgenossen der Krone gegen Anjou gelten. Einzelne davon standen in engen Beziehungen zu den Plantagenets, die immer über einen vollen Beutel verfügten. Wenn sie diesen entgegenwirkten, so geschah das grossenteils deswegen, weil ihre Unabhängigkeit unter dem schwachen französischen Herrscher viel besser gewahrt wurde, als sie es unter Heinrich, der absolutistisch in England regierte, gewesen wäre.

 

Man möchte annehmen, dass Heinrich daran dachte, sich von der für ihn immerhin lästigen Oberhoheit des Königs von Frankreich zu befreien. Aber wenn es ihm gelang -- und unter Ludwig VII. wäre es ihm nach menschlichem Ermessen gelungen -- was dann? Wem sollte er den Treueid leisten? Seine Lehen mussten doch einen Suzerän haben. Er wurzelte zu fest in den Anschauungen seiner Zeit, um etwas anderes überhaupt für möglich zu halten. Heinrichs Vasallen wären überdies nicht für ihre Lösung aus dem französischen Lehensverbande zu haben gewesen, nicht aus besonderer Vorliebe für die Kapetinger, sondern aus Furcht vor einer so tief einschneidenden Neuerung, deren Folgen sich nicht im Voraus berechnen liessen. Einen bequemeren Herrn konnte Heinrich

 

 

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nicht linden, als jenen König von Paris und Orléans, dessen bescheidener Hof durch den Glanz des seinigen tief in den Schatten gestellt wurde. Er hätte die Lehen dem Kaiser auftragen können als dem höchsten Inhaber weltlicher Gewalt auf Erden, der in der Theorie als die Spitze des weiten Lehensgebäudes angesehen wurde. Gern wäre der Kaiser darauf eingegangen, hätte aber zweifellos zugleich, wie später Heinrich VI. von Richard Löwenherz, auch für England den Lehenseid verlangt. Heinrich zielte eher darauf ab, durch möglichst enge verwandtschaftliche Bande Einfluss auf Frankreich zu erlangen. Er legte Wert darauf, dass Jung Heinrich, sein ältester Sohn, Margarete von Frankreich ehelichte, und damit Aussicht auf ihr Erbe gewann. Als dann 1165 unter allgemeiner freudiger Teilnahme der Bevölkerung dem Könige Ludwig VII., dahin nur Töchter hatte, ein Sohn Philipp August geboren wurde, schwand freilich die Hoffnung auf eine Verschmelzung der Häuser Kapet und Anjou. Aber hernach wurde noch Richard mit Margaretens Schwester Adelaïde verlobt. Zweifellos meinte Heinrich, die naturgemässe Entwickelung der Dinge werde seinen Nachkommen die ihnen noch fehlenden Gebiete Frankreichs ausliefern. Er strebte daher auch nicht nach der völligen Beseitigung der Kapetinger, bemühte sich nicht, wie die Stammesherzöge in Deutschland es zu thun liebten, um die Einsetzung eines Gegenkönigs. Die monarchische Idee war doch in Frankreich viel fester gegründet als in Deutschland. Der Kampf zwischen Ludwig und Heinrich wurde eigentlich nie nach hohen Gesichtspunkten geführt. Es war eine lange Reihe grösserer und kleinerer Fehden, von denen nur die eine, in der Ludwig als eifriger Bundesgenosse Jung Heinrichs gegen dessen Yater vorging, der normannischen Macht zeitweilig gefährlich wurde. Bei seinen bescheidenen Mitteln fiel es Ludwig nicht ein, unbedacht Krieg anzufangen. Wo sich aber gegen Heinrich irgend ein Feind erhob, erst dessen früherer Kanzler Thomas Becket, dann dessen eigene Söhne, da war er Sofort dabei. Heinrichs Veind hatte ohne weiteres Anrecht auf Seine Freundschaft.

 

Als Philipp II. August von Frankreich, einer der grössten Fürsten, die je gelebt haben, an Stelle des kranken und altersschwachen Vaters die Regierung übernahm (1179), gelang es ein halbes Jahr lang dem ehrgeizigen Grafen Philipp von Flandern, den jungen Kapetinger im antienglischen Sinne zu bestimmen. Aber gleich die erste Zusammenkunft der beiden Könige, die doch der Überlieferung ihrer Häuser nach geschworene Feinde sein mussten, führte ein völliges Einvernehmen herbei, das mehrere Jahre andauerte. In dem gefährlichen Kampfe, den Philipp

 

 

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August sehr bald gegen Flandern und die Fürstenopposition zu bestehen hatte, unterstützten ihn die Söhne Heinrichs mit einem starken Ritteraufgebote, und Heinrich selbst war immer geschäftig, als wahrer Friedensengel, wie ihn ein Zeitgonosse bei anderer Gelegenheit genannt hat, zu gunsten seines Schützlings zu vermitteln. Philipp August verdankte ihm seine ersten Erfolge gegen Flandern, und die organisatorischen Leistungen dieses Königs von Frankreich, die ihm in der Geschichte zum höchsten Ruhme gereichen, sind zum grossen Teil durch englische Vorbilder angeregt. Glaubte Heinrich, der in seinem langen erfahrungsreichen Leben doch so oft getäuscht worden war und nicht weniger oft andere getäuscht hatte, aufrichtig an einen ewigen Frieden mit den Nachkommen Hugo Kapets? Das ist kaum anzunehmen. Heinrich II. liess sich zweifellos sehr stark durch die Rücksicht auf die deutschen Verhältnisse bestimmen und suchte lange Zeit, um für die welfische Partei etwas thun zu können, in Philipp August einen Bundesgenossen gegen das staufische Kaisertum zu gewinnen. Er mochte aber auch noch persönliche Gründe haben, sich mit Philipp August freundschaftlich zu stellen. Seine Söhne waren weit entfernt, seine politische Begabung zu erben, zeigten überhaupt wenig Verständnis für sein wohldurchdachtes Regierungssystem. Um so mehr fühlte er sich geschmeichelt, als sein frühreifer, hochbegabter Lehensherr seinen, des Vasallen, bewährten Ratschlag erbat. Wie dem auch gewesen sein mag, Heinrich selbst begünstigte anfangs, ohne es zu wissen und zu wollen, in Philipp August den Mann, der ihn verderben sollte, erwarb sich das grösste Verdienst um die Befestigung der französischen Monarchie, der sein Reich zum Opfer fiel.

 

Dem Beispiel der Väter treu, betrachtete Heinrich die Verheiratung seiner Töchter als ein sehr wesentliches Mittel zur Unterstützung seiner Politik.




Einfügung: Statuen Herzog Heinrich des Löwen und Mathilde von England am Altstadtrathaus in Braunschweig


Die älteste Tochter Mathilde ward die Gemahlin Heinrichs des Löwen, Herzogs von Sachsen und Bayern, Eleonore Königin von Kastilien, Johanna Königin von Sizilien. Auf diese Weise gewann der englische Einfluss auch in fernen Ländern Anknüpfungspunkte. So unterwarf sich Eleonorens Gemahl, Alfons VIII., in einem Streite, den er mit Navarra hatte, dem Schiedspruch des Plantagenet und vermehrte dadurch dessen Ansehen. Die Verbindung mit Sizilien brachte geschickt in Erinnerung, dass dieser Inselstaat ebenso wie England eine Gründung der Normannen war. König Wilhelm II. suchte, da seine Ehe mit Johanna kinderlos blieb, seinen Schwiegervater zu bewegen, das Reich zu übernehmen, aber Heinrich wollte es nicht, vermutlich weil er Verwickelungen mit dem Kaiser und dem Papste vermeiden wollte.

 

 

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Einem Ahnherrn Heinrichs, Fulko dem Guten von Anjou, wurde geweissagt, seine Nachkommen würden einst bis zu den Enden der bekannten Welt ihre Herrschaft ausdehnen. Die Prophezeihung schien erfüllt, als Heinrich in England, sein Vetter Balduin IV. in Jerusalem gebot. Da dieser unglückliche Fürst an der unheilbaren Krankheit des Aussatzes litt, boten Vertreter der morgenländischen Christen 1185 Heinrich die Krone und die Schlüssel zum Grabe des Herrn an, aber er schlug beides unter Hinweis auf die drohende Haltung Frankreichs aus. Man rechnete trotzdem bestimmt auf den schon oft versprochenen Kreuzzug. Keiner schien so geeignet wie er, im heiligen Lande Ordnung zu schaffen.

 

Heinrichs Beziehungen zum Papsttum wurden durch den erbitterten Streit bestimmt, den er mit Thomas Becket, dem Erzbischofe von Canterbury, seinem früheren Kanzler und Vertrauten, in dem sich Charakterzüge des höfischen Weltmannes und des opfermutigen Märtyrers merkwürdig mischten, lange Jahre hindurch führte. Des Königs Ausgangspunkt war ganz richtig. Seit langem empört über die Straflosigkeit, die schwere und gemeine Verbrecher genossen, bloss weil sie Geistliche waren, verlangte er mit gutem Fug, das ohne Ansehen der Peron gerichtet werde, und mag er selbst nicht immer so gehandelt haben -- die kräftige Betonung des Grundsatzes, der heute einen Pfeiler der zivilisierten Staaten bildet, wird man ihm immer zur Ehre anrechnen. Er wollte sodann unter anderem die Appellationen nach Rom abgethan wissen: die Curia regis sollte im letzten Rechtszuge entscheiden. Nationale Staatsgewalt und internationale Hierarchie traten einander feindlich gegenüber. In der Hauptsache hatte Heinrich, der das von seinen Vorgängern begonnene Work fortsetzen wollte, Recht. In Nebensachen, so z. B. finanziellen Anforderungen, die in frühere Zeiten, wo Thomas noch des Königs Geschäfte führte, hinaufreichten, und in der Form liess er sich weit über das Mass des Notwendigen hinaus von seinem aufbrausenden, zur Gewaltthat neigenden Temperamente hinreissen. Die Sachlichen Gegensätze wurden immer mehr in den Hintergrund gedrängt. Es brach ein scharfer, vielfach mit kleinlichen Mitteln geführter, persönlicher Kampf zwischen zwei gleich ehrgeizigen und starrsinnigen Männern aus, deren ehemalige Freundschaft in glühenden Hass umschlug. Ein unbedachter Zornesausbruch Heinrichs, die vorschnelle Liebedienerei einiger Höflinge, führten zur Ermordung des Erzbischofs, die überall das allergrösste Grauen hervorrief. Kein schlimmerer Dienst hätte Heinrich erwiesen werden können. Den bösen Eindruck konnte er nie wieder verwischen, und der Tote, der ungewöhnlich rasch heilig gesprochen wurde, ward ihm gefährlicher, als

 

 

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es der Lebendige je gewesen. Um seine Anssöhnung mit der Kirche zu ermöglichen, musste er schwören, die Gewohnheiten gegen die Freiheit der Geistlichen abzuschaffen, falls solche zu seiner Zeit eingeführt worden seien. Dadurch wurde -- und das muss nachdrücklich betont werden -- der Kern des englischen Kirchenstreites gar nicht berührt. Heinrich konnte immer noch auf das ältere Recht, zurückgreifen. Seine thatsächliche Macht über die Kirche blieb ungeschmälert. Namentlich hing die Ernennung der Bischöfe und Äbte ganz von ihm ab. Mehrere seiner eifrigsten Anhänger, die als solche gebannt worden waren, erhielten Bistümer und wurden vom Papste betätigt. Auf Beckets Erzstuhl stieg ein königlich gesinnter Mann. Es kam so weit, dass Alexanders III. Nachfolger, Lucius III., recht froh war, als er einmal von Heinrich Geldunterstützung gegen die aufsässigen Bürger von Rom erhielt. Eine gewisse Freiheit wahrte sich Heinrich auch in den Jahren, wo er mit der Kirche in angenehmen Beziehungen lebte. In seinen Landen verfuhr er milde mit den ketzerischen Sekten, gegen die um 1180 sehr scharf vorgegangen wurde, und mit den Juden.

 

Der Gegenwart wird es schwer, zu verstehen, warum Heinrich während seines heftigen Kampfes mit dem Papsttum nicht mit dem Kaiser einen festen Bund einging, um gemeinsame Massregeln zu ergreifen. Es gab auch thatsächlich Augenblicke, wo er sich ungemein beflissen zeigte, die Gunst Friedrichs I. zu gewinnen. Aber meist that er es nur, um durch das Schreckbild eines englisch-deutschen Bündnisses Ludwig VII. von Frankreich einzuschüchtern. Im Jahre 1165 war es der Kaiser, der durch seinen vertrauten Ratgeber, den Erzbischof Reinald von Köln, um die Hand zweier Töchter Heinrichs für seinen eigenen unmündigen Sohn und Herzog Heinrich den Löwen von Sachsen werben liess. Die Familienverbindung sollte nach des Kaisers Absicht politische Freundschaft zur Folge haben. Auf einem Würzburger Reichstage (Mai 1165) liess Heinrich II. durch seine Gesandten einen feierlichen Eid schwören, er wolle mit seinem ganzen Reiche den kaiserlichen Papst anerkennen und Alexander III., dem er bisher gerade in den Stunden grösster Gefahr die rettende Hand geboten, aufgeben. Aber mochte er selbst auch ernstlich dazu gewillt sein, so bemerkte er doch bald, dass bei dem Widerstreben seiner alexandrinisch gesinnten Geistlichkeit er sich bei weiterem Vorgehen in dieser Richtung nur neue Verlegenheiten im Innern schaffen würde, Er scheute sich daher nicht, die gethanen Schritte einfach abzuleugnen und bald wieder mit Alexander III. Fühlung zu suchen, um durch diesen seinen Feind Becket zur Ruhe zu bringen. Ja, einzelne seiner Handlungen

 

 

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werden nur dann recht verständlich, wenn man ihm zutraut, dass er sich später gegen den Kaiser wenden wollte, selbst nach dem Besitz Italiens und der Kaiserkrone strebte, wobei er sich eines Vorfahren seiner Gemahlin, des Herzogs Wilhelm V. von Aquitanien, erinnern mochte, Er verhandelte mit den lombardischen Städten und gedachte seinen jüngsten Sohn Johann ohne Land mit Alix von Maurienne zu verheiraten, deren Vater Humbert die Alpenpässe zwischen Italien und Nordwesteuropa vom Grossen St. Bernhard bis zum Col die Tenda beherrschte und seinen ganzen Besitz der Tochter und dem künftigen Schwiegersohne verschrieb. Wäre Alix nicht schon als Kind gestorben, so würde Heinrich vom atlantischen Ozean bis zum Po geboten haben. Durch seinen Bund mit dem Hause Barcelona-Aragon, dem damals die Grafschaft Provence gehörte, verstärkte er seine Stellung, die früh oder spät einen Zusammenstoss mit dem Kaisertum in der Lombardei unvermeidlich gemacht hätte. Wenn auch nichts daraus wurde, so war doch der blosse Versuch ungemein bedeutsam.

 

Heinrichs Eintreten für Alexander III. ward späterhin glänzend gerechtfertigt, als Friedrich selbst sich zu Venedig (1177) vor jenem demütigte. Der Papst, den der Kaiser verworfen, den die Könige des Westens anerkannt hatten, war schliesslich doch der allein rechtmässige Stellvertreter Christi, und das Ansehen des Kaisertums schien durch diese augenfällige Niederlage stark erschüttert.

 

Bald hernach bereitete sich die Auseinandersetzung zwischen dem Kaiser und Heinrich dem Löwen in Deutschland vor. Dem Sachsen- herzog wurden verräterische Umtriebe mit den Feinden des Reiches zur Last gelegt. Ein vortrefflicher Chronist, der zu dem diplomatischen Briefwechsel des Königs von England Zutritt hatte, erwähnt besonders, dass der Welfe sich mit dem Kaiser von Ostrom zum Schaden des weströmischen Reiches eingelassen habe. Wenn man in Heinrich II. einen Mann sieht, der überall Verbindungen hatte, um ein umfassendes angiovinisches Reich zu gründen, so kann man ohne weiteres annehmen, dass er bei den politischen Bestrebungen seines Schwiegersohnes die Hand mit im Spiele hatte. Beim Sturze Heinrichs des Löwen ist davon die Rede, dass ihm die Schätze Siziliens nichts genützt hätten. Der König von Sizilien war aber wie der Löwe ein Schwiegersohn Heinrichs. Dieser dachte daran, durch die Welfen den Kaiser in Schach zu halten, und vielleicht tauchte in ihm schon der Gedanke auf, das hohenstaufische Kaisertum durch ein welfisches zu ersetzen. Ein welfisches Kaisertum, das seine vornehmeste Aufgabe in der Germanisierung und Kolonisierung

 

 

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des Ostens gegehen hätte, würde die Wege der angiovinisch-normannischen Mittelmeerpolitik kaum gekreuzt haben. Als dann das Strafgericht über den stolzen Herzog hereinbrach, und er der Reichsacht verfiel, da wollte Heinrich ihm in der ersten zornigen Aufwallung mit den Waffen Hilfe bringen. Aber bei ruhiger Überlegung sagte er sich bald, dass der vermutliche Kriegsschauplatz zu weit entfernt sei. Er hoffte wohl eine Zeit lang, Frankreich und Flandern in den Kampf mit Deutschland hineinziehen zu können, während er sich die Leitung des Unternehmens vorbehielte. Aber infolge des weisen Rates des Pfalzgrafen Heinrich von Troyes, eines Mannes, der immer für eine französisch-deutsche Annäherung tätig war, hütete sich Philipp Angust wohl, für den Anjou die Castanien aus dem Feuer zu holen. Der Welfe erlag: er musste am Hofe seines Schwiegervaters Zuflucht suchen. Dieser bemühte sich unablässig, eine Milderung seiner Strafe zu erwirken. Friedrich, der durch Philipp Augusts Kriege mit dem Grafen Philipp von Flandern, einem deutschen Reichsfürsten, verstimmt war und namentlich durch seinen Sohn, Heinrich VI., gegen Frankreich eingenommen wurde, stellte sich mit den Welfen und Anjous wieder freundlicher. Wie es scheint, auf seinen Wunsch, wurde eine neue Familienverbindung geplant, die für Frankreich schimpflich war: Richard Löwenherz, Heinrichs II. Erbe, sollte, obwohl er seit langen Jahren mit einer Schwester Philipp Augusts verlobt war, eine kaiserliche Prinzessin heiraten. Es hatte einmal den Anschein, als bereite sich ein deutsch-englisches Bündnis vor, dessen Spitze sich natürlich gegen Frankreich gerichtet hätte. Aber gar bald zerrannen solche Gedanken wieder. Des Kaisers Tochter starb nach wenigen Monaten, und als er selbst anlässlich des Trierer Wahlstreites mit dem Papste Urban III. in Zwist geriet, stellte sich Heinrich II., den Einflüsterungen des Kölner Erzbischofs folgend, auf die Seite des päpstlich gesinnten Bewerbers Folmar. Philipp August machte sich die Gunst der Lage zu nutze und schloss sich eng an den Kaiser an. Es wurde ein freundliches, noch im 13. Jahrhundert lange nachwirkendes Einvernehmen der beiden Nachbarreiche begründet, dessen nächste Folge war, dass Philipp August, ohne von irgend jemand behelligt zu werden, Heinrich II besiegen und ihn wie ein gehetztes Wild in den Tod treiben konnte.

 

Philipp II. August von Frankreich, ein Jüngling, dessen ganzes Dichten und Trachten dahin ging, das Reich Karls des Grossen in seiner alten Herrlichkeit zu erneuern, verwandte seine ungewöhnliche staatsmännische Begabung darauf, der überragenden Stellung Heinrichs ein Ende zu machen, ohne viel darnach zu fragen, dass dieser ihm die

 

 

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Waffen, mit denen er ihn bekämpfte, selbst geschärft hatte. Der Schüler warf den Meister leicht zu Boden. Am 6. Juli 1189 starb Heinrich II., nur 56 Jahre alt, zu Chinon in der Touraine, von seinen Söhnen verraten und verfolgt, von den Höflingen verlassen.

 

Damit war das Ende des grossen angiovinischen Reiches, wie er es im Geiste geschaut hatte, herangekommen. Sucht man nach den tieferen Gründen, warum es so rasch zusammenbrach, ohne ernstlichen Widerstand dem kecken Angriff Philipp Augusts erlag, so darf man sich nicht mit der bequemen Erklärung begnügen, die einzelnen Staatengebilde seien von einander zu verschieden gewesen, um eine gemeinsame Regierung zu ertragen. Dieser Umstand wirkte mit, gab aber nicht den Ausschlag. Denn nur 15 Jahre nach Heinrichs Tode kamen die Normandie, Anjou, Maine, Auvergne und Teile von Guyenne an Frankreich, das ihnen bis dahin auch sehr fern stand, ohne dass daraus besondere Schwierigkeiten entstanden wären. Das Verhängnis entsprang aus den inneren Zwistigkeiten der Plantagenets, die wieder mit der Ermordung Thomas Beckets zusammenhingen. Heinrichs Söhnen fehlte jedes Verständnis für die dem Gesamtwohl dienende Unterordnung. Nach übler Ritterart dachte jeder nur an sich, liess sich von seinen unbändigen, wilden Trieben beherrschen. Gehorchen wollte keiner. Nie drohte Heinrich grössere Gefahr, als wenn sich seine Söhne erhoben. Und doch liebte er Sie über alles. Es wäre besser gewesen, wenn er sich auch ihnen gegenüber hart gezeigt hätte. In frevelhaftem Übermut zerstörten sie das Werk des Vaters: unmittelbar, indem sie fortwährend gegen ihn und unter sich kämpften, die Machtmittel des Reiches unnütz verbrauchten; mittelbar indem sie dadurch den Zeitgenossen als fluchbeladenes Geschlecht erschienen, dem Gottes Strafgericht drohe. „Vom Teufel kommen wir und zum Teufel gehen wir,“ sagte Richard Löwenherz selbst einmal. Die Unverträglichkeit der Brüder, dieser „Löwenbrut,“ wurde als Rache des Himmels für Beckets Tod angesehen. Nicht wegen der Verbrechen, die sie wirklich begingen, sondern wegen der Verbrechen, die man ihnen zutraute, verscherzten die Anjous die Gunst weiter Kreise, namentlich der streng kirchlich Gesinnten, die voller Begeisterung auf den König von Frankreich als den gottbegnadeten Fürsten schauten, ohne daran zu denken, dass er der furchtbarste Feind ihres Reiches war. Nationale Neigungen und Abneigungen traten vor den dynastischen zurück.

 

Das Geheimnis seiner Pläne nahm Heinrich II. mit sich ins Grab. Niemand vermöchte mit Sicherheit zu sagen, wie er sein weites Reich regiert oder durch Eroberungen erweitert hätte, wären

 

 

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ihm längeres Leben und Glück beschieden gewesen. Unmöglich war es jedenfalls, England einerseits, die festländischen Besitzungen andererzeits auf eine und dieselbe Art zu regieren. Das beabsichtigte er auch nicht, wie man annehmen darf. Er zog die Kreise seiner Politik um zwei Mittelpunkte, London und Angers. Aus England gedachte er einen nationalen, unabhängigen Staat mit der Oberhoheit über Wallis, Schottland und Irland zu machen, ihn nicht als blosses Anhängsel des angiovinischen Reiches zu betrachten. Ebenso wenig sollte aber auch dieses Zubehör der englischen Krone werden. Freilich, überaus schwierig wäre es gewesen, ein solches Nebeneinander unruhiger Volkskräfte, das man etwa mit dem heutigen Österreich vergleichen möchte, dauernd aufrecht zu erhalten. Aber Heinrich mag der Zukunft vertraut haben, wie seine Väter an den Stern des Hauses Anjou glaubten.

 

Die unvergängliche Bedeutung, die das heutige England der Regierung Heinrichs von Anjou zuschreibt, ist bekannt genug. Man sieht in ihm einen der Männer, die zur Befestigung der nationalen Monarchie mit das meiste beigetragen haben und weist ihm neben Wilhelm dem Broberer und Edward I. einen Platz an. Von einem angiovinischen Reiche lässt die Karte des modernen Europa keine Spur mehr erkennen. Aber man dürfte nicht sagen, er sei einem haltlosen Luftgebilde nachgejagt. Was er erstrebte, war nicht unerreichbar, wie sich deutlich über 200 Jahre später zeigte, als 1420 im Vertrage von Troyes Heinrich V. von England als Regent und Erbe von Frankreich anerkannt wurde. Im 15. Jahrhundert handelte es sich darum, ob Frankreich von Paris oder von London aus regiert werden sollte, und schon war, wie das Auftreten der Jungfrau von Orléans zeigt, der nationale Gedanke im französischen Volke lebendig. Im 12. Jahrhundert war die Frage vornehmlich dynastisch. Der Anjou war kein schlechterer Franzose als der Kapetinger. So lange aber Heinrich Aussicht hatte, ganz Fankreich seinen Zwecken dienstbar zu machen, so lange schien bei seinen fast unerschöpflichen finanziellen Hilfsmitteln, seinen Familienbeziehungen, seinen hervorragenden Beamten und Diplomaten die Gründung eines allgemeinen Reiches von Westeuropa aus nicht undenkbar. Er hätte damit weiter zurückreichende, aber noch rege Überlieferungen wieder erweckt, namentlich normannische. Die Ziele, die er sich steckte, erwiesen sich als zu hoch für ihn, aber indem er ihnen nacheilte, hob er die staatlichen Machtmittel auf eine bis dahin unbekannte Höhe. Sein Zeitgenosse, Friedrich I., der Rotbart, schloss die Epoche des Kaisertums ab, Heinrich II. leitete die Epoche der nationalen Monarchien ein. Seine Verwaltung

 

 

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283 Die Machtstellung Heinrichs II. von England

 

und Gesetzgebung, sein Heer-, Finanz- und Kirchenwesen zeigen schon deutlich moderne Züge. Erst von ihm ab kann man von europäischer Politik und Diplomatie reden. Er passt nicht mehr in die Schablone des mittelalterlichen Menschen und Königs. Eher ist er einem Friedrich II. von Deutschland, einem Philipp dem Schönen von Frankreich, den Tyrannen der Renaissance an die Seite zu stellen.

 

Gerade in diesen Tagen, wo die Fäden der englischen Politik über den Erdball laufen, wo die fast erloschene Feindschaft zwischen England und Frankreich wieder aufzulodern beginnt, hat man besonderen Anlass, die Pläne eines Fürsten in Erinnerung zu bringen, unter dem England, wenn auch als Teil des angiovinischen Reiches, zum ersten Male achtunggebietend in die Geschicke der Welt eingriff.

 

 

 

Quelle:

Neue Heidelberger Jahrbücher Bd. VIII. 1898 S. 269-283

 

Hinweis:

Die Neuen Heidelberger Jahrbücher liegen in den Heidelberger historischen Beständen digital vor und sind unter der URN: urn:nbn:de:bsz:16-diglit-290309 und dem Link: https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/nhdjb zugänglich.

Alexander Cartellieri war ein deutscher Historiker, der die Geschichte des hohen Mittelalters erforschte. Von 1904 bis 1934 lehrte er als ordentlicher Professor für mittlere und neuere Geschichte an der Universität Jena.

 

 

 

 

 

C. E. Hodgson 1906: Jung Heinrich, König von England. Sohn König Heinrich II.

JUNG HEINRICH,

KÖNIG VON ENGLAND,

SOHN KÖNIG HEINRICHS II.

1155-1183.

 

INAUGURAL-DISSERTATION ZUR ERLANGUNG DER DOKTORWÜRDE

DER HOHEN PHILOSOPHISCHEN FAKULTÄT DER UNIVERSITÄT JENA

 

ÜBERREICHT VON C. E. HODGSON, M. A. AUS DEWSBURY.

 

DRUCK VON ANTON KÄMPFE IN JENA. 1906.

 

 

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Genehmigt von der philosophischen Fakultät der Universität Jena auf Antrag des Herrn Professor Dr. A. Cariellieri.

 

Jena, den 29. Oktober 1906.

 

Geheime Hofrat Professor Dr. Liebmann, d. Zt. Dekan.

 

 

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Bücherverzeichnis.

 

George Burton Adams. The history of England from the Norman Conquest to the death of John (1066--1216). London 1905. The political history of England vol. 2.

 

Thomas Agnellus. De morte et sepultura Henrici regis junioris == Ausgabe Radulfs von Coggeshall von J. Stevenson, 265-273.

 

Alberich von Trois-fontaines. SS. 23, 631--950 ed. P. Scheffer-Boichorst.

 

Annalen von Saint-Aubin. Herausg. von Halphen. Vgl. diesen.

 

Annalen von Winchester. Annales monastici, 2. Bd.

 

Annalen von Worcester. Annales monastici, 4. Bd.

 

Annales Beccenses. Notices et documents publiés pour la Société de l'histoire de France à l'occasion du cinquantième anniversaire de sa fondation, 93--99, p. p. L. Delisle. Paris 1884.

 

Annales Monastici, ed. by H. R. Luard. London 1864--1869. 5 Bde. (Rer. Brit. Script.).

 

Annales Normannici. Recueil 18, 345--348 als Continuatio Roberti de Monte.

 

Anonymus Laudunensis. Recueil 13, 677--683; 18, 702–720.

 

L'Abbé Arbellot. Étude historique et bibliographique sur Geoffroy de Vigeois. Limoges 1888.

 

Auctor Anonymus. Vita S. Thomae, Cantuariensis Archiepiscopi et Martyris == Robertson, Materials 4. Bd., 1–79.

 

H. C. Barlow. The Young King (Henry, son of Henry II., King of England) and Bertrand de Born. (With reference to Dante, Inferno XXVIII, 135). London 1862.

 

BÉCh. == Bibliotheque de lcole des Chartes. Paris.

 

É. Berger. Notice sur divers manuscrits de la Bibliotheque Vaticane. -- Richard le Poitevin. Paris 1879. (Bibl. des Éc. franç. d'Athènes et de Rome 6).

 

P. Boissonnade. Les comtes d'Angoulême, les ligues féodales contre Richard Coeur de Lion et les poésies de Bertran de Born, 1176-1194: Annales du Midi 7 (1895), 275-299.

 

R. de Boysson. Études sur Bertrand de Born. Sa vie, ses oeuvres et son siècle. Paris, Toulouse 1902.

 

A. Cartellieri. Die Machtstellung Heinrichs II. von England. Neue Heidelberger Jahrbücher 8 (1898), 269-283.

 

A. Cartellieri. Philipp II. August, König von Frankreich. 2 Bde. 1. 1165-- 1189, Leipzig und Paris 1899--1900. II. Der Kreuzzug (1187-- 1191), Leipzig und Paris 1906.

 

Chaudruc de Crazannes. Essais archéologiques et historiques sur le Quercy. Cahors 1838.

 

 

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VI

 

A. Chéruel. Histoire de Rouen pendant lpoque communale (1150 1382). I. Bd. Rouen 1843.

 

Chronica de Mailros, ed. by J. Stevenson. Edinburgh 1835. (Publ. of the Bannatyne Club).

 

Chronica de Melsa, ed. by E. A. Bond. London 1866---1868. 3 Bde. (Rer. Brit. Script.).

 

Chronicles of the reigns of Stephen, Henry II., and Richard I., ed. by R. Howlett. London 1884-1890. 4 Bde. (Rer. Brit. Script.).

 

Chronicon Rotomagense. Recueil 11, 386; 12, 784-786; 18, 357–362.

 

Chronicon S. Martini Turonensis. Recueil 12, 461--478; 18, 290, 320.

 

Les Chroniques de Normandie, p. p. Francisque Michel. Rouen 1839.

 

Chroniques de Saint-Martial de Limoges, publitées d'après les manuscrits originaux, par H. Duplès-Agier. Paris 1874.

 

L. Clédat. Du rôle historique de Bertrand de Born (1175--1200). Paris 1878.

 

L'Abbé Cochet. Découverte du tombeau de la statue de Henri-Court-Mantel dans le choeur de la cathedrale de Rouen. Bulletin de la commission des antiquites de la Seine-Inférieure (1868), I, 93--102.

 

H. W. C. Davis. England under the Normans and Angevins (1066--1272). London 1905. A history of England in 6 volumes ed. by C. W. C. Oman vol. 2.

 

H. F. Delaborde. (Euvres de Rigord et de Guillaume le Breton p. pour la Sociéte de l'histoire de France. Paris. 1. Bd. (Rigord und Wilhelm Britos Prosachronik) 1883. 2. Bd. (Philippis) 1885.

 

Cl. Devic et J. Vaissète. Histoire générale de Languedoc, nouv. éd. p. p. E. Dulaurier. Toulouse. 6. Bd. 1879.

 

J. A. Deville. Tombeaux de la cathédrale de Ronen. Rouen 1881.

 

Friedrich Diez. Leben und Werke der Troubadours. Ein Beitrag zur nähern Kenntnis des Mittelalters. 2. verm. Anfl. von K. Bartsch. Leipzig 1882.

 

Friedrich Diez. Die Poesie der Troubadours nach gedruckten und handschriftlichen Werken derselben dargestellt. 2. verm, Aufl. von K. Bartsch. Leipzig 1883.

 

EHR. = English Historical Review. London.

 

Eulogium (historiarum sive temporis): Chronicon ab orbe condito usque ad annum domini 1366, a monacho quodam Malmesburiensi exaratum, ed. F. S. Haydon. London, 3. vol. 1863. (Rer. Brit. Srcipt.).

 

R. W. Eyton. Court, household and itinerary of King Henry II. London 1878.

 

Gerold von Barri. The works of Giraldus Cambrensis, vols. 1--4 ed. by J. S. Brewer, vols. 5--7 ed. by J. F. Dimock, vol. 8 ed. by G. F. Warner. London 1861--1891. (Rer. Brit. Script.).

 

Gervasius von Canterbury. Historical works of Gervase of Canderbury ed. by W. Stubbs. London 1879--1880. 2 Bde. (Rer. Brit. Script.).

 

Gervasius von Tilbury. Otia imperialia. Auszüge in der Ausgabe Radulfs von Coggeshall von J. Stevenson, 419-449.

 

Geschichte Wilhelm Marschalls. L'histoire de Guillaume le Maréchal, comte de Striguil et de Pembroke, régent d'Angleterre de 1216 à 1219. Poème français p. pour la Société de l'histoire de France p. Paul Meyer. Paris I. 1891; II. 1894; III. 1901.

 

Gesta Abbatum Monasterii S. Albani a Thoma Walsingham, regnante Ricardo Secundo, ejusdem Ecclesiae Precentore, compilata, ed. by H. T. Riley. London 1867 69. 3 Bde. (Rer. Brit. Script.).

 

Gesta. Gesta regis Henrici Secundi Benedicti abbatis (Chronicle of the reigns of Henry II. and Richard I., 1169--1192, known under the name of Benedict of Peterborough), ed. by W. Stubbs. London 1867. 2 Bde. (Rer. Brit. Script.).

 

Gislebert, La chronique de Gislebert de Mons. Nouv. éd. p. p. Léon Vanderkindere. Avec une carte du comté de Hainaut à la fin du XIIe siècle. Bruxelles 1904. Commission royale d'histoire. Recueil de textes pour servir à l'etude de l'histoire de Belgique.

 

 

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VII

 

Gottfried von Bruil, Prior Vogiensis ( Vigeois). Chronicon: Recueil 12, 421-451; 18, 211--223.

 

Mrs. J. R. Green. Henry the Second. London 1888. (Twelve English Statesmen).

 

Eduard Grim. Vita S. Thomae, Cantuariensis Archiepiscopi et Martyris = Robertson, Materials 2. Bd., 353-465.

 

H. Grotefend. Zeitrechnung des deutschen Mittelalters und der Neuzeit. Hannover 1891--1898. 2 Bde.

 

Guiot von Provins. Dichtungen . . ., herausg. von F. F. Wolfart und San-Marte. Halle 1869 (Parcival-Studien I).

 

L. Halphen. Recueil d'Annales angevines et vendômoises. Paris 1903. Collection de textes pour servir à l'etude et à l'enseignement de l'histoire.

 

Friedrich Hardegen. Imperialpolitik König Heinrichs II. von England. Mit einer Karte. Heidelberg 1905. Heidelberger Abhandlungen zur mittleren und neueren Geschichte, herausg. von K. Hampe, E. Marcks und D. Schäfer.

 

W. H. Hart and P. A. Lyons. Cartularium Monasterii de Rameseia (Ramsey). London 1884-1894. 3 Bde. (Rer. Brit. Script.).

 

Herbert von Bosham. Vita S. Thomae, Archiepiscopi et Martyris = Robertson, Materials 3. Bd., 155-534.

 

Histoire des rois d'Angleterre, de Guillaume le Conquérant a Richard Ier. Notices et extraits 32 (1888), 2, 63-72, p. p. P. Meyer. Paris.

 

Historia Ludovici VII. Vie de Lonis le Gros par Suger, suivie de l'histoire du roi Louis VII., p. p. Aug. Molinier. Paris 1887. (Coll. de textes pour servir à ltude et à l'enseignement de l'histoire).

 

Historia regum Francorum. Recueil 17, 424-428.

 

R. Howlett. Chronicles of the reigns of Stephen, Henry II., and Richard I. London 1884--1890. 4 Bde. (Rer. Brit. Script.).

 

J. Hunter. The Great Rolls of the Pipe for the second, third and fourth years of the reign of King Henry the Second A. D. 1155--1158. London 1844.

 

Johann de Oxenedes. Chronica ed. by Sir. H. Ellis. London 1859. (Rer, Brit. Script.).

 

Johann von Salisbury. Johannis Saresberiensis Opera omnia. Migne, Patrologia latina 199. Parisiis 1855.

 

Jordan Fantosme. Chronique de la guerre entre les Anglois et les Ecossais en 1173 et 1174 = Howlett, Chronicles 3. Bd., 202--377.

 

K. L. Kannegießer. Gedichte der Troubadours im Versmaß der Urschrift übersetzt. Tübingen 1852.

 

C. L. Kingsford. Some political poems of the 12th century. EHR. 5 (1890), 311--326.

 

A. Le Moyne de La Borderie. Histoire de Bretagne, 3. Bd. (955--1364). Rennes, Paris 1899.

 

J. Löw. = Regesta pontificum Romanorum cd. Ph. Jaffé. Editionem secundam . . curaverunt S. Loewenfeld, F. Kaltenbrunner, P. Ewald. Lipsiae 1888.

 

A. Luchaire. Louis VII. Philippe-Auguste. Louis VIII. (1137-1226). Paris 1901. Ernest Lavisse, Histoire de France t. 3e, 1e p.

 

E. Martène et U. Durand. Veterum scriptorum . . . amplissima collectio. Parisiis 1724-1733. 9 Bde.

 

Matthäus Paris. Chronica majora, ed. by H. R. Luard. London 1872-1884. 7 Bde. (Rer. Brit. Script.).

 

Matthäus Paris. Historia Anglorum (vulgo Historia minor), ed. by F. Madden. London 1866--1869. 3 Bde. (Rer. Brit. Script.).

 

Ménestrel de Reims. Récits d'un . . . au 13e siècle, p. pour la Soc. de l'hist. de France p. N. de Wailly. Paris 1876.

 

 

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VIII

 

Philipp Mousket. Chronique rimée de Philippe Monuskès p. p. de Reiffenberg. Bruxelles 1836--1838. 2 Bde. (Coll. des chron. belges inédites).

 

Kate Norgate, England under the Angevin Kings. London 1887. 2 Bde.

 

Normanniae nova chronica, ed. A. Chéruel. Cadomi 1850.

 

R. Pauli. Geschichte von England. Hamburg. 3. Bd. 1853. (Geschichte der europäischen Staaten herausg. von Heeren und Ukert).

 

Peter von Blois, Petri Blesensis Opera omnia. Migne, Patrologia latina 207. Parisiis 1855.

 

E. Petit. Histoire des ducs de Bourgogne de la maison Capétienne. Paris 1885 ff.

 

Philippis = Delaborde.

 

Pipe Rolls (Society) --- The Publications ot the Pipe Rolls Society. The Great Roll of the Pipe for the fifth to the twenty-third year of Henry II., A. D. 1158 1177. London 1884--1903. 26 Bde.

 

Radulf von Coggeshall. Chronicon Anglicanum ed. J. Stevenson. London 1875. (Rer. Brit. Script.).

 

Radulf de Diceto. Opera historica ed. by W. Stubbs, London 1876. 2 Bde. (Rer. Brit. Script.).

Die Welt Россия нашла «философский камень» атомной энергетики | Атомная энергия 2.0

Radulf Niger. The Chronicles of Ralph Niger ed. by Robert Anstruther. London. Caxton Society 1851.

 

James H. Ramsay. The Angevin Empire or the three reigns of Henry II., Richard I., and John (1154-1216). London 1903.

 

Recueil des historiens des Gaules et de la France (Rerum Gallicarum et Francicarum scriptores).

 

The Red Book of the Exchequer, ed. by H. Hall. London 1897. (Rer. Brit. Script.).

 

H. Reuter. Geschichte Alexanders III. und der Kirche seiner Zeit. Leipzig 1860-1864. 3 Bde.

 

Alfred Richard. Histoire des comtes de Poitou 778--1204. Paris 1903. I. 778--1126; II. 1126--1204.

 

Peter Riga. Un poème inédit de Pierre Riga herausg. von B. Hauréau in der BÉCh. 44 (1883), 5-11.

 

Rigord -- Delaborde.

 

Robert von Torigni. Chronique p. p. L. Delisle. Rouen 1872--1873. 2 Bde. (Publ. de la Soc. de l'hist. de Normandie).

 

J. C. Robertson,. Materials for the history of Thomas Becket. London 1875---1885. 7 Bde. (Rer. Brit. Script.).

 

Roger von Howden. Chronica magistri Rogeri de Hovedene ed. by W. Stubbs. London 1868--1871. 4 Bde. (Rer. Brit. Script.).

 

J. H. Round. Calendar of documents preserved in France, illustrative of the history of Great Britain and Ireland. London. Vol. I (918--1206) 1899. Rolls Series.

 

J. H. Round. Feudal England: historical studies of the XIth and XIIth centuries. London 1895.

 

J. H. Round. Some English crusaders of Richard I. Engl. Hist. Rev. 18 (1903), 475-481.

 

Thomas Rymer. Foedera, Conventiones, Litterae etc. ed. by A. Clark, F. Holbrooke und J. Caley. London 1816--1869. 4 Bde.

 

Sigeberti Continuatio Aquicinctina (Anchin). SS. 6, 405-438 ed. L. C. Bethmann.

 

SS. Monumenta Germaniae Scriptores.

 

Thomas Stapleton. Magni rotuli scaccarii Normanniae sub regibus Angliae. London 1840-1844. 2 Bde. (Soc. of Antiq. of London).

 

A. Stimming. Bertran von Born. Halle a. S. 1892. (Romanische Bibliothek, herausg. von W. Foerster 8). [Textausgabe].

 

 

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IX

 

A. Stimming. Bertran de Born. Sein Leben und seine Werke. Halle 1879.

 

W. Stubbs. The constitutional history of Engiand in its origin and development. Vol, I, fifth ed., Oxford 1891.

 

W. Stubbs. The early Plantagenets. London 1886. (Epochs of modern history).

 

A. Thomas. Poésies complètes de Bertran de Born. Toulouse 1888.

 

Thomas von Elmham. Historia monasterii S. Augustini Cantuariensis, ed. by C. Hardwick. London 1858. (Rer. Brit. Script.).

 

Paget Toynbee. „Il re giovane“. Academy 33 (1888), 274.

 

Walther von Coventry. Memoriale fratris Walteri de Coventria. The historical collections of Walter of Coventry ed. by W. Stubbs. London 1872-1873. 2 Bde. (Rer. Brit. Script.).

 

Walther Map. De nugis curialium, ed. by T. Wright. London 1850 (Camden Society).

 

Wilhelm von Canterbury. Vita, Passio, et Miracula S. Thomae, Cantuariensis Archiepiscopi = Robertson, Materials 1. Bd.

 

Wilhelm Fitz Stephan. Vita S. Thomae, Cantuariensis Archiepiscopi et Martyris - Robertson, Materials 3. Bd., 1--147.

 

Wilhelm von Newburgh. Historia rerum Anglicarum == Howlett, Chronicles 1. Bd. (Buch 1-4) und 2. Bd. (Buch 5 und Fortsetzung).

 

B. Zeller et A. Luchaire. Philippe-Auguste et Louis VIII, Extraits . . . p. p. . . Paris 1884. (L'histoire de France racontée par les contemporains).

 

 

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Inhaltsverzeichnis.

 

Jung Heinrichs Geburt (28. Februar 1155) und frühe Vermählung (2. November 1160) . . . 1

 

Jung Heinrich in London geboren . . . 1

Reichsversammlung zu Wallingford, 10. April 1155 . . . 1

Jung Heinrichs Verlobung, 31. August 1158 . . . 2

Seine Vermählung . . . 5

 

Jung Heinrichs Stellung von 1160--1170 . . . 5

 

Krönungspläne, 1162 . . . 5

Jung Heinrich unter der Leitung Beckets, 1162-1163 . . . 6

Erste eigene Hofhaltung des jungen Prinzen, 1165--1166 . . . 7

Vertrag von Montmirail, 6. Januar 1169 . . . 7

Jung Heinrich in Paris, 2. Februar 1169 . . . 8

 

Jung Heinrichs Krönung (14. Juni 1170) . . . 8

 

Vorbereitungen . . . 9

Versuche, des Königs Pläne zu hindern . . . 9

Die Krönungsfeierlichkeiten . . . 10

 

Jung Heinrichs Hof in England (Juni--Dezember 1170) und die Ermordung Beckets (29. Dezember 1170) . . . 11

 

Stand und Titel des neuen Königs . . . 11

Vorbereitungen zu Beckets Rückkehr nach England aus seiner sechsjährigen Selbstverbannung . . . 13

Beckets Landung zu Sandwich, 1. Dezember 1170 . . . 14

Sein Wunsch, den jungen König zu sehen . . . 14

Jung Heinrich befiehlt Becket, nach Canterbury zurückzukehren . . . 15

Beckets Ermordung . . . 16

 

Jung Heinrichs zweite Krönung (27. August 1172) und der Anfang der Streitigkeiten zwischen den beiden Königen . . . 16

 

Erste Versuche, den jungen König gegen seinen Vater aufzureizen . . . 17

Konzil zu Avranches, 21. Mai 1172 . . . 17

Die Krönung zu Winchester . . . 18

Mißlingen der Wahl eines neuen Erzbischofs als Nachfolger für Becket . . . 18

Besuch am französischen Hofe, Ende 1172 . . . 19

Jung Heinrichs Unzufriedenheit . . . 19

 

 

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XII

 

Die erste Erhebung Jung Heinrichs gegen seinen Vater . . . 21

 

- Der Krieg im Jahre 1173 . . . 21

Flucht Jung Heinrichs zu König Ludwig von Frankreich, 8. März 1173 21

Das Umsichgreifen der Verschwörung . . . 22

Reichsversammlung zu Paris . . . 23

Allgemeiner Aufstand in des älteren Königs Gebieten . . . 24

Des älteren Königs Vorbereitungen zur Verteidigung . . . 25

Feindseligkeiten in der Normandie . . . 26

Der Aufstand in der Bretagne . . . 29

Besprechungen zu und nahe bei Gisors, 25. und 26. September 1173 30

Streitigkeiten in England . . . 31

 

- Der Krieg im Jahre 1174 . . . 36

Waffenstillstand zwischen König Heinrich und König Ludwig, 13. Januar bis 31. März 1174 . . . 36

Des älteren Königs Feldzug nach Aquitanien . . . 36

König Heinrichs Rückkehr nach England, 8. Juli 1174 . . . 37

König Wilhelm von Schottland und die englischen Aufständischen im Felde . . . 38

Des älteren Königs Buße zu Canterbury, 12. Juii 1174 . . . 43

Ende des Aufstandes in England, 31. Juli 1174 . . . 44

Belagerung von Rouen, 22. Juli bis 13. August 1174 . . . 45

Versöhnung zwischen König Heinrich und seinen Söhnen zu Montlouis, 30. September 1174 . . . 47

 

Friedliche Jahre (1175--1178) . . . 49

Huldigung Jung Heinrichs vor seinem Vater zu Bures, 1. April 1175 . . . 50

Jung Heinrichs Rückkehr mit dem älteren Könige nach England, 9. Mai 1175 . . . 50

Abermalige Unzufriedenheit des jungen Königs . . . 52

Jung Heinrich steht Richard gegen die Edelleute von Aquitanien bei, nach dem 24. Juni 1176 . . . 52

Weitere Intriguen auf seiten des jungen Königs . . . 53

Jung Heinrich in den Schranken des Turnierplatzes . . . 53

Der Junge König mit Heeresmacht in Berri, nach dem 25. September 1177 . . . 56

 

Beziehungen zu Frankreich (1179--1182) . . . 57

Jung Heinrich bei der Krönung Philipp Augusts, 1. November 1179 . . . 57

Jung Heinrich auf der Seite der Königinmutter Adela gegen Philipp August, April--Juni 1180 . . . 58

Jung Heinrichs Ruf als Ritter . . . 58

Jung Heinrich unterstützt Philipp Anugust in dem Kriege (1181-1182) gegen Philipp von Flandern . . . 59

 

Der zweite Aufstand Jung Heinrichs (1183) . . . 61

Die Barone von Aquitanien in Aufruhr, 1182 . . . 62

Teilweise Wiederherstellung des Friedens, Juli 1182 . . . 62

Jung Heinrich flieht nochmals nach Frankreich . . . 62

Rückkehr zu seinem Vater . . . 62

Der junge König schließt sich dem neuen Bündnissec gegen Richard an, Ende 1182 . . . 64

Versöhnungsversuche . . . 64

 

 

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XIII

 

Jung Heinrich und Gottfried von Bretagne gehen nach Limoges und stehen den Auſständischen bei, nach 2. Februar 1183 . . . 66

Allgemeine Verwirrung in Aquitanien . . . 66

Der Junge König erhält Hilfe von Philipp August von Frankreich . . . 67

Der ältere König beginnt die Belagerung der Burg von Limoges, 1. März 1183 . . . 68

Friedensverhandlungen . . . 69

Jung Heinrich verläßt Limoges und geht nach Angoulême, vor Ostern (17. April) 1183 . . . 71

 

Jung Heinrichs Tod und Begräbnis (11. Juni 1183; 22. Juli 1183) . . 73

Jung Heinrichs Krankheit in Martel . . . 73

Sein Tod im Hause Stephans des Schmiedes . . . 74

Die Kraft der Aufständischen wird gebrochen . . . 74

Überführung von Jung Heinrichs Leichnam nach Rouen . . . 73

Der Schmerz des älteren Königs beim Empfange der Nachricht von seines Sohnes Tod . . . 75

Erste Beisetzung in Le Mans . . . 77

Endgültiges Begräbnis in der Kathedrale zu Rouen . . . 77

 

Rückblik . . . 78

 

Anhang . . . 82

Die von Jung Heinrich ausgestellten Urkunden . . . 82

 

 

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Jung Heinrichs Geburt (28. Februar 1155) und frühe Vermählung (2. November 1160).

 

Am 28. Februar 1155 wurde dem König Heinrich II. von England und seiner Gemahlin Eleonore zu London ein Sohn geboren 1), welcher kurz darauf in der Taufe durch Richard, den Bischof von London, den Namen Heinrich erhielt 2).

 

Da der König die Nachfolge seines Hauses auf dem englischen Throne zu sichern wünschte, berief er für den 10. April desselben Jahres eine große Versammlung der Edlen und Bischöfe des Reiches nach Wallingford 3), damit sie seinem Sohne Wilhelm und gleichzeitig für den Fall von dessen Tode seinem jüngeren Sohne Heinrich huldigten 4).

 

Diese Vorsichtsmaßregel erwies sich als vollständig gerechtfertigt, denn der ältere Prinz überlebte diese Huldigung nur kurze Zeit. Sein Tod im Dezember 1156 machte seinen Bruder Heinrich zum Thronerben 5). Seinen Wohnsitz hatte Jung Heinrich von seiner Geburt an bis Michaelis 1157 zumeist in London 6), in dem darauffolgenden

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1) Es ist zweifelhaft, ob Heinrich der zweite oder dritte Sohn war. In zwei MSS. Roberts von Torigni wird er als dritter bezeichnet, in einem anderen als der zweite (1, 291 Anm. 4). Radulf de Diceto 2, 17 spricht von zwei Söhnen, welche bereits als Kinder starben. Einer von diesen ist sicher der älteste Sohn Wilhelm. Von dem anderen ist nichts weiter bekannt. Er kann frühestens 1154 geboren sein, da sein ältester Brüder Wilhelm am 1. August 1153 geboren wurde. Er muß aber, wenn man dies annimmt, bald nach seiner Geburt gestorben sein, da sein Vater im Jahre 1155 für den Fall des Todes des erstgeborenen Sohnes dem Jung Heinrich und nicht diesem zweiten Sohne huldigen ließ. Es kann also Jung Heinrich sehr wohl der dritte Sohn gewesen sein und nicht der zweite, wie man gewöhnlich annimmt.

2) Radulf de Diceto 1, 301. Vgl. Pref. 1, XXXIII. Andererseits sagt Gervasius von Canterbury 1, 161, daß Jung Heinrich durch Erzbischof Theobald von Canterbury getauft worden sei. Jedoch ist die Angabe Radulfs de Diceto vorzuziehen, weil er selbst damals einer der Archidiakone des Bischofs von London war.

3) Grafschaft Berks.

4) Robert von Toriani 1, 293. Gervasius von Canterbury 1, 162.

5) Matthäus Paris, Hist. Anglorum 1, 307. Robert von Torigni 1, 300.

6) Hunter, The Great Rolls of the Pipe 4, 71. The Red Book of the Exchequer 665Anhang

 

 

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fiskalischen Jahre im Wiltshire und Hampshire 1). in den nächsten zwölf Monaten in London, Kent, Dorset und sodann wieder in Hampshire. wo er wegen einer leichten Krankheit in ärztliche Behandlung kam 2).

 

Mittlerweile hatte sein Vater, König Heinrich, auch die Zeit für gekommen erachtet, seinen Sohn zu verloben. Es kann nicht auffallen, daß König Heinrich trotz des noch so überaus jugendlichen Alters seines Sohnes daran dachte, wenn man beachtet, daß man in damaliger Zeit allgemein in fürstlichen Kreisen diese Sitte pflegte, wobei lediglich politische Rücksichten eme Rolle spielten.

 

Auch König Heinrich zeigte sich hierin als kluger Diplomat. Im Jahre 1151 hatte er nämlich die Investitur für die Normandie von Ludwig von Frankreich erhalten, welcher jedoch das normannische Vexim für sich zurückbehalten hatte 3).

 

König Heinrichs großer Wunsch war nun, auch diesen Landesteil, welcher den Schlüssel der Normandie bildete, für sich zu gewinnen. Dazu sollte ihm die Verlobung seines Sohnes Heinrich mit Margarete, der noch ganz jugendlichen Tochter 4) König Ludwigs, verhelfen.

 

Deshalb schickte er bereits im Anfang des Jahres 1158, nachdem er sich mit dem Kanzler Thomas Becket und Edlen des Reiches beraten hatte, Becket mit den entsprechenden Vorschlägen nach Frankreich. Der Glanz der englischen Gesandtschaft erregte aller Bewunderung, und die Unterredung zwischen dem französischen Herrscher und Becket erwies sich als äußerst erfolgreich 5). Am 31. August traf der englische König selbst mit König Ludwig zwischen Gisors und Neufmarché zusammen, und die offizielle Verlobung der Kinder erfolgte. Es wurde vereinbart, daß Ludwig das normannische Vexin mit seinen Burgen, welche früher den englischen Königen gehört hatten, seiner Tochter zur Mitgift geben sollte, und daß, wenn der Bräutigam vor der Vermählung stürbe,

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1) Hunter, The Great Rolls of the Pipe 115. 171.

2) Pipe Rolls (Society) 1, 2. 58. 43. 45.

3) Hist. Lud. VII. § 14. Robert von Torigni 1, 267. Radulf von Coggeshall 12. 100.

4) Das Datum von Margaretes Geburt kann nicht mit Bestimmtheit festgestellt werden. Der Fortsetzer Roberts von Torigni 2, 167 nennt sie am Ende August 1158 „dimidium annum aliquantulum excedens“; Radulf de Diceto 1, 301 im November 1160 „triennis“, aber Jung Heinrich zu derselben Zeit fälschlich „septennis“, Gervasius von Canterbury 1, 167--8 nennt Margarete in 1160 „nondum biennis“, Jung Heinrich „nondum septennis“.

5) Wilhelm Fitz Stephan, Vita S. Thomae 29--30.

6) Dép. Seine-Infér., Arr. Noeufchâtel, Kt. Gournay.

 

 

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Margarete die Frau eines seiner jüngeren Brüder werden sollte. König Heinrich seinerzeits erklärte sich bereit, seinem Sohne bei seiner Verheiratung in England die Stadt Lincoln, 1000 Pfund, den Ertrag von 300 Ritterlehen. und in der Normandie die Stadt Avranches, 2 Burgen, 1000 Pfund und den Ertrag von 200 Ritterlehen zu geben. 1).

 

Der nächste Monat sah König Heinrich in Paris, wo er mit großem Pompe durch Ludwig empfangen wurde. Beim Abschied von seinem königlichen Gastgeber nahm er die kleine Prinzessin Margarete mit sich. Sie wurde sogleich Robert von Neubourg anvertraut, um eine in den Grundzügen normannische und englische Erziehung zu erhalten 2). In Wirklichkeit aber diente sie als Geisel.

 

Weitere die Verbindung betreffende Verhandlungen fanden zwischen den zwei Königen im Juni 1159 zu Heudicourt 3) statt: aber sie führten zu keinem Erfolge, da die Beziehungen zwischen den beiden Herrschern wegen gewisser auf Toulouse bezüglicher Streitigkeiten gespannt waren 4).

 

Indessen stellte ein Vertrag 5), welcher im Mai des folgenden Jahres (1160) geschlossen wurde 6), den Frieden wieder her. König Heinrich wurde ermächtigt. von dem normanmschen Vexin und den dazu gehörigen Burgen Besitz zu ergreifen. Dieser Besitz sollte drei Jahre nach Vertragsschluß, von dem nächsten Feste Mariae Verkündigung an gerechnet. als Mitgift seinem Sohne anheimfallen. Und wenn innerhalb dieser Zeit die Vermählung unter Billigung der Kirche stattgefunden hätte, „dann“ sollte das besagte Vexin nebst Burgen an Heinrich zugunsten seines Sohnes ausgeliefert werden. Jedoch sollten, für den Fall, daß die Prinzessin vorzeitig stürbe, drei große Lehen des normannischen Vexin Heinrich

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1) Der Fortsetzer Roberts von Torigni 2, 167--168.

2) Robert von Torigni 1, 311. 312. Der Fortsetzer Roberts von Torigni 2, 168. Gervasius von Canterbury 1, 166. Radulf de Diceto 1, 303.

3) Dép. Euro, Arr. les Andelys, Kt. Étrépagny.

4) Der Fortsetzer Roberts von Torigni 2, 172. König Heinrich beanspruchte die vom Grafen Raimund V. ausgeübte Oberherrschaft über Toulouse als ein seiner Gemahlin zustehendes Recht, während König Ludwig diesen Anspruch nicht gelten ließ und zur Unterstützung des Grafen rüstete. Über den Feldzug vgl. des Näheren Luchaire, Louis VII. Philippe-Auguste. Louis VIII. 35-36.

5) Vgl. Recueil 16, 21. Die Überlieferung des Vertragstextes ist jedoch so schlecht, daß Zweifel daran, ob uns der Vertrag selbst oder bloß ein Entwurf überliefert worden ist, auftauchen müssen. A. Cartellieri, Philipp II. August 1, 205 Anm. 6.

6) Robert von Torigni 1, 327.

 

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gesichert sein. Bis dahin sollten sowohl Gisors, Neaufles 1), Châteauneuf-sur-Epte 2) als auch andere Burgen 3) unter Obhut dreier Tempelherren, des Robert von Pirou, des Tostes von Saint-Omer und des Richard von Hastings, bleiben. Über das Schicksal der Mitgift für den Fall. daß Jung Heinrich ohne Erben sterben sollte. wurde in den Vertrag nichts aufgenommen. Auch ist aus dem Vertrage nicht zu erkennen. daß eine diesbezügliche mündliche Abrede getroffen wurde, ein Fehler, welcher ebenso zu einer Quelle von Streitigkeiten zwischen den Herrschern Englands und Frankreichs wurde 5), wie die nach dem Wortlaut des Vertrages zweifelhafte Frage, ob, wie König Ludwig meinte, der als Mitgift der französischen Prinzessin bestimmte Landesteil nach dem durch den Vertrag näher vereinbarten Ablauf von drei Jahren, oder ob er gemäß der englischen Ansicht gleich nach erfolgter Vermählung Jung Heinrich zufallen sollte 6).

 

Im September desselben Jahres (1160) begab sich die Königin Eleonore in Begleitung ihres Sohnes Heinrich, welcher sich in diesem Jahre hauptsächlich in London aufgehalten hatte, nach der Normandie 7). Im folgenden Monate huldigte der Prinz bei der Ratifikation dies obengedachten Vertrages dem König Ludwig für das Herzogtum der Normandie 8).

 

Die kurz darauf erfolgende Ankunft der Kardinäle Heinrich von Pisa, Wilhelm von Pavia und Oddo aus Brescia gab König Heinrich Gelegenheit, eine Bitte für die Verwirklichung seiner Heiratspläne auszusprechen. welcher die drei Legaten nachkamen. Demgemäß wurde Hugo, der Erzbischof von Rouen, in einem von

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1) Néaufles-Saint-Martin, Kt. Gisors.

2) Heute Château-sur-Epte, Kt. Écos.

3) Herbert von Bosham, Vita S. Thomae 175.

4) Roger von Howden 1, 218.

5) Rigord § 50 zu 1187. Gesta 1, 343 zu 1186. Gervasius von Canterbury 1, 346 zu 1187. Round, Calendar of documents preserved in France 1, Nr. 1084.

6) De Wilcassino remansit regi Anglie feodum archiepiscopi Rotomag. et feodum comitis Ligien (ligicum Ils) de feodo Bristollii et feodum comitis Eborae. Et totum remanens Wilcassini regi Francie, hoc modo quod ipse illud remanens dedit et concessit [in] maritagium cum filia sua filio regi[s] Anglie habendum et eum inde seisiendum ab assumpeione beate Marie proxima post pacem factam in tres annos. Et si intra hunc terminum filia regis Francie ſilio regis Anglie desponsata fuerit assensu et consensu sanete ecclesie, tune erit rex Anglie seysitus de toto Wilcassino et de castellis Wilcassini ad opus filii sui. Et [si] filia regis Francie infra hunc terminum obierit, castella et Wilcassinum redibunt ad manum regis Francie, exceptis tribus feodis que semper remanebunt regi Anglie soluta et quieta (A. Cartellieri, Phlipp II. Angust 1,205 Anm. 6).

7) Robert von Torigni 1,328, Pipe Rolls (Society) 2, 13.

8) Robert von Torigni 1, 329.

 

 

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den genannten kirchlichen Würdenträgern unterzeichneten Briefe benachrichtigt, daß die Kirche zu der beabsichtigten Eheschließung ihren Segen gäbe 1).

 

Auf dieses Schreiben hin wurde die Trauung am 2. November 1160 zu Neubourg 2) vollzogen, unter Einwilligung und in Gegenwart der drei Tempelherren, welche durch Bestechung von König Heinrich gewonnen worden waren. Sie überlieferten sogleich die Burgen, welche ihrer Fürsorge anvertraut waren. So kam das normannische Vexin wieder in englische Ilände 3).

 

Jung Heinrichs Stellung von 1160--1170.

 

Im Anfang des Jahres 1162 begann König Heinrich Pläne zu machen, wie er seinem Sohne Heinrich den Königstitel verschaffen könnte, damit die Nachfolge auch fernerhin gesichert sei und er die Ililfe seines Sohnes bei der Regierung seiner Gebiete habe.

 

Zunächst ließ er die Edlen und Ritter der Normandie seinem Solme huldigen. Sodann begab sich der junge Prinz unter Führung von Becket zu Schiff nach England, um dort die gleichen Ehrenbezeigungen als Vorspiel zu seiner Krönung entgegen zu nehmen 4). Nach seiner Landung in Southampton reiste er mit seinem Gefolge nach London 5).

 

Hier kamen die Bischöfe, die Äbte, die Geistlichkeit und die Edlen des Reiches auf Befehl des Königs zusammen und gelobten wie Becket dem jetzt siebenjährigen Prinzen völligen Gehorsam vorbehaltlich desjenigen, den sie seinem Vater seit seiner Regierung schuldeten, eine Einschränkung, welche Jung Heinrich nicht anerkennen wollte 6).

 

Gleichzeitig fand die Wahl Beckets zum Erzbischof von Canterbury statt 7), da diese Würde infolge des im Jahre 1161 erfolgten Todes ihres bisherigen Inhabers Theobald neu zu vergeben war. Wegen der bevorstehenden Krönung Jung Heinrichs

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1) Brief der oben im Text genannten Kardinäle an den Erzbischof von Rouen. „Sacrosaneta Romana ecclesia“. (Recueil 15, 700).

2) Dép. Eure, Arr. Lonviers.

3) Radulf de Diceto 1, 301, Roger von Howden 1, 218. Robert von Torigni 1, 329. Peter Riga Zeile 32.

4) Robert von Torigni 1, 343. E. Grim, Vita S. Thomae 366.

5) Pipe Rolls (Society) 5, 37. 39.

6) Radulf de Diceto 1, 306. Matthäus Paris, Hist. Anglorum 1, 316. Chron. de Melsa 1, 185.

7) Radulf de Diceto 1, 307.

 

 

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mußte die Stelle besetzt sein, da die Königskrönnung nur dem Erzbischof von Canterbury zustand und demnach regelmäßig nur durch ihn erfolgen konnte. Auch begann man für die Anschaffung einer Krone zu sorgen 1); da aber der König, dessen Ankunft man für den 27. Mai erwartete 2), ausblieb, wurde die Krönungsfeierlichkeit vorschoben, und Jung Heinrich blieb in Beckets Gefolge.

 

Nachdem er dann in Vertretung seines Vaters den Vorsitz in der Versammlung geführt hatte, welche in Westminster für die Bestätigung der Wahl Beckets zum Erzbischof zusammengetreten war 3), wohnte er am 3. Juni der Weihe Beckets zu Canterbury bei und gewährte diesem zusammen mit Richard de Luci 4) und anderen formell Entlastung von allen weltlichen Pflichten 5).

 

Während der Zeit ihres Zusammenlebens entwickelte sich zwischen Becket und Jung Heinrich ein Gefühl wirklicher Zuneigung, welches bei dem Prinzen sogar so weit ging, daß er dem Erzbischof bei Tische aufwartete 6). Überhaupt erwies sich der Verkehr mit Becket für Heinrich als sehr gewinnbringend, denn außer den Vorteilen, welche aus der Gesellschaft mit anderen jungen Edelleuten unter Beckets Leitung entsprangen, erlangte Jung Heinrich jenes Gefühl seiner Würde und jene Liebenswürdigkeit der Manieren, welche man von dem Einflusse des Erzbischofs erwartet hatte 7).

 

Erst am 25. Januar des folgenden Jahres (1163) kehrte der König nach England zurück 8). Becket und Jung Heinrich hatten seine Landung in Southampton erwartet. Jedoch blieb auch nach wie vor der Prinz unter der Fürsorge des Erzbischofs 9). Allerdings besteht die Wahrscheinlichkeit, daß der Prinz Anfang März 1163 in London war 10), von wo aus er zweifellos seinen Vater nach Dover begleitete. Dort wollten sie mit Theodorich, dem Grafen von Flandern, und Philipp, dessen Sohn, zusammentretfen. Unter den Genannten wurde ein Vertrag abgeschlossen. dessen Inhalt hier nur insoweit von Interesse ist, als neben König Heinrich

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1) Pipe Rolls (Society) 5, 43.

2) Pipe Rolls (Society) 5, 67.

3) Radnulf de Diceto 1, 307. Wilhelm von Canterbury, Vita S. Thomae 9 nennt Jung Heimrich „novus rex“ im Zusammenhang mit dieser Wahl.

4) Der berühmte Großrichter, Vgl. oben S. 31. 33. 37.

5) Auct. Anon., Vita S. Thomae 17. MS. Lansdown. (Robertson, Materials 4, 151).

6) Herbert von Bosham, Vita S. Thomae 228.

7) Herbert von Bosham, Vita S. Thomae 228. Matthäus Paris, Hist, Anglorum 1, 316,

8) Radulf de Diceto 1, 308.

9) Herhert von Bosham, Vita S. Thomae 253.

10) Pipe Rolls (Society) 6, 72.

 

 

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sein Sohn Heinrich als einer der Vertragschließenden angeführt wird 1).

 

Als sich Becket unter Einwilligung des Königs zu dem vom Papste für den Mai 1163 angesetzten Konzil nach Tours begab, wurde der Prinz seinem Vater, dem Könige, übergeben 2) und empfing am 1. Juli desselben Jahres zu Woodstock 3) die Huldigung des Königs Malcolm von Schottland, des Prinzen Rees von Süd-Wales. des Prinzen Owen von Nord-Wales und von fünf Häuptlingen aus Wales 4). Im Jannar 1164 nahm Jung Heinrich an dem Reichstage von Clarendon 5) teil, auf welchem der bekannte Kirchenstreit zwischen König Heinrich und Becket stärker emporloderte 6).

 

Von seiner obenerwähnten Rückkehr zu seinem Vater an bis Ende 1164 muß Jung Heinrich ständiges Mitglied des königlichen Haushaltes gewesen sein mit Ausnahme eines kurzen Besuches, welchen er im Wycombe abstattete 7). Aber schon im Anfang des nächsten Jahres, als der König nach dem Festlande übersetzte), führte Jung Heinrich einen eigenen Hofhalt hintereinander in Wallingford, Hampshire und Wiltshire 9). Von Ende September an residierte er im den nächsten 15 Monaten hauptsächlich in Dorset, Wiltshire, und sodann nochmals in Hampshire. Auch besuchte er Berkshire und Devon 10). Weihnachten (1166) verbrachte er mit seinem Vater im Poitiers 11)). Er begab sich dorthin von Southampton aus im der königlichen Jacht unter dem Schutz von sechs Schiffen 12). Von da ab bis Anfang 1169 ist uns über das Schicksal des Prinzen nichts bekannt.

 

Um seine Macht zu verstärken, gedachte König Hemrich seine Länder unter seine Söhne zu verteilen, welche sie unter seiner Oberherrschaft regieren sollten. In dem zu diesem Zwecke am 6. Januar 1169 zu Montmirail zwischen König Heinrich und König Ludwig von Frankreich abgeschlossenen Vertrage wurde

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1) Rymer 1, 8.

2) Herbert von Bosham, Vita S. Thomae 253.

3) Grafschaft Oxford.

4) Radulf de Diceto 1, 311.

5) Grafschaft Wilts.

6) Gervasius von Canterbury 1, 176. Radulf de Diceto 1, 312. Summa causae inter Regem et Thomam (Robertson, Materials 4, 208).

7) Pipe Rolls (Society) 7, 30. Wycombe liegt in Buckinghamshire.

8) Robert von Torigni 1, 355.

9) Pipe Rolls (Society) 8, 32. 44. 56.

10) Pipe Rolls (Society) 9, 71. 73. 96. 101; 11, 149. 126. 192. 5. 169. 171.

11) Robert von Torigni 1, 362.

12) Pipe Rolls (Society) 11, 193.

 

 

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vorläufig die Teilnig des festländischen Besitzes Heinrichs in folgender Weise festgesetzt 1):

 

Er, König Heinrich und Jung Heinrich sollten wie bisher die Normandie als Vasallen König Ludwigs behalten, und König Heinrich huldigte in der Tat nochmals als solcher dem König Ludwig 2). Unter der gleichen Bedingung sollte Jung Heinrich die Bretagne, Maine und Anjou, sowie das erbliche Amt des Seneschalls von Frankreich noch zuerteilt bekommen. Prinz Richard sollte gleichfalls als Vasall Ludwigs Aquitanien erhalten, während dem Prinzen Gottfried die Bretagne als Lehen aus der Hand Jung Heinrichs zugedacht wurde.

 

Am 7. Januar huldigte Jung Heinrich dem König Ludwig für die Bretagne, Maine und Anjou, während Richard das gleiche für das ihm zuerteilte Herzogtum tat 3). Sodann brachte auch Prinz Gottfried in Gemäßheit des Vertrages seinem Bruder Heinrich seine Huldigung für die Bretagne dar 4).

 

Nachdem König Heinrich seine Söhne formell unter den Schutz Ludwigs gestellt hatte 5), schickte er Jung Heinrich nach Paris, wo dieser zu Lichtmeß als Seneschall bei der Tafel Ludwigs diente. Wahrscheinlich verpflichtete er sich auch zu dieser Zeit dem Thronerben, Philipp August, als Lehnsmann 6).

 

Wir verlieren jetzt Jung Heinrich aus den Augen bis zum Abend des 23. August, wo wir ihn mit seinem Vater im Hospiz von Domfront antreffen, in welchem die päpstlichen Gesandten Gratian 7) und Vivian 8) eine Versöhnung des Königs mit Becket anzubahnen versuchten 9).

 

Jung Heinrichs Krönung (14. Juni 1170).

 

Die Pläne für die Krönung Jung Heinrichs vom Jahre 1162 hatte der König bisher nicht durchführen können, aber sie deshalb

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1) Robert von Torigni 2, 10. 11. 12. Brief Johanns von Salisbury an Bartholomäus, den Bischof von Exeter. „Aternat fortuna“. (Robertson, Materials 6, Nr. 461, S. 506--507. Migne Nr. 285, S. 321).

2) Im Jahre 1160 hatte Jung Heinrich schon für die Normandie gehuldigt, und eine Wiederholung scheint nicht für nötig befunden worden zu sein. Vgl. oben S. 4.

3) Robert von Torigni 2, 10. Brief Johanns von Salisbury an Bartholomäus, den Bischof von Exeter. „Alternat fortuna“. Vgl. Anm. 1.

4) Robert von Torigni 2, 12.

5) Gervasius von Canterbury 1, 207.

6) Robert von Torigni 2, 11. 12.

7) Subdiakon der römischen Kirche.

8) Archidiakon in Orvieto.

9) Brief von einem Freund an Becket. „In die Assumptionis“, (Robertson, Materials 7, Nr. 560, S. 71).

 

 

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doch nicht aufgegeben. und von Zeit zu Zeit zeigt es sich, daß er durch den Streit mit Becket sie nicht vereitelt sehen mochte. Becket nämlich hatte sich wegen seines Streites mit dem Könige in freiwillige Verbannung nach dem Festlande begeben und dort seinen Aufenthalt genommen, so daß eine Krönung Jung Ieimrichs durch ihn als den ausschließlich zuständigen Erzbischof nicht möglich war. Im Jahre 1164 ging in Frankreich die Rede, daß der Papst in eigener Person nach England kommen und Jung Heinrich krönen würde 1), und drei Jahre später kam als Erfolg der Bemühnngen König Heinrichs ein Brief vom Papste, in welchem die Krönung durch den Erzbischof von York gestattet wurde 2).

 

Darauf trat zweifellos in Verbindung mit dem zu Montmirail 1169 geschlossenen Vertrag die Krönungsfrage wieder in den Vordergrund. Anfang April 1170 wurde in London eine Versammlung abgehalten, wobei der König den Erzbischof von York und die Bischöfe von England für den 11. Juni nach Westminster zwecks Krönung dles Prinzen berief 3).

 

Becket aber schrieb an Bischof Roger von Worcester und suchte ihn zu bestimmen, die Krönung nicht vorzunehmen; gleichzeitig begehrte er, daß auch die Bischöfe Heinrich von Winchester und Bartholmäus von Exeter in gleichem Sinne angewiesen würden 4). Als überdies Becket auch Briefe vom Papste erhalten hatte, welche sich für ein Verbot der Krönung aussprachen, weil das Erzbistum Canterbury allein die Krönung vornehmen könne, und welche an den Erzbischof von York, sowie an die englischen Bischöfe gerichtet waren 5), schickte Becket diese Briefe an die Genannten 6). Er selbst schrieb auch an Roger von York 7) und die englischen Bischöfe und verbot ihnen, die Krönung vorzunehmen 8).

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1) Brief Johanns von Salisbury an Becket. „Ex quo partes“. (Robertson, Materials 5, Nr. 55, S. 100. Migne Nr. 134, S. 111).

2) J.-Löw. 2 Nr. 11353. Robertson, Materials 6, Nr. 310, S. 206. „Quanto per carissimum“.

3) Gesta 1, 4--5.

4) Brief Herberts von Bosham (in persona Thomae) an Roger, den Bischof von Worcester. „Quid nobis de vestra“. (Robertson, Materials 7, Nr. 670, S. 301).

5) J.-Löw. 2 Nr. 11734. Robertson, Materials 7, Nr. 633, S. 217 zum 26. Febrnar 1170. „Quoniam ad audientiam“. J.-Löw. 2 Nr. 11735. Robertson, Materials 7, Nr. 647, S. 256. „Quantae auctoritatis“.

6) Brief von Becket an Heinrich, den Bischof von Winchester. „Ut aliquid Smile“. (Robertson, Materials 7, Nr. 650, S. 262).

7) Brief von Becket an Roger von York. „Discretio vestra plenins“. (Robertson, Materials 7, Nr. 651, S. 263).

8) Brief von Becket an die Bischöfe von England. „Ad nos iterato“. (Robertson, Materials 7, Nr. 648, S. 257).

 

 

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Am 5. Juni 1170 begab sich Jung Heimrich im Begleitung der Bischöfe Heinrich von Bayeux und Froger von Sées von Caen nach England 1). Dort hielt der König am 11. Juni zu London die im April anberaumte Zusammenkunft 2). Trotz eines gewissen Widerstrebens einiger Bischöfe 3) wurde doch die Krönungsfeierlichkeit auf den folgenden Sonntag, den 14. Juni 4), in Westminster festgesetzt.

 

An dem bestimmten Tage erschien Jung Ieimrich prächtig gekleidet in der Abtei 5), wo er zuerst von seinem Vater zum Ritter geschlagen wurde 6). Sodann schritt er zum Altar nnd gelobte bei den heiligen Reliquien, die Freiheit der Kirche gemäß den kanonischen Schriften zu wahren 7). In Anwesenheit der Bischöfe Richard von Chester 8). Bartholomäus von Exeter 8). Gottfried von Saint Asaph 9). Nikolaus von Llandaff 10), Heinrich von Bayeux 8). Ägidius von Évreux 11) und Froger von Sées 8) und unter Beihilfe der Bischöfe Gilbert von London 12) Hugo von Durham 12). Jocelin von Salisbury 12) und Walther von Rochester 12) wurde er danach durch Roger, den Erzbischof von York, obwohl dieser tags znvor die die Krönung verbietenden Briefe des Papstes erhalten hatte 13), gesalbt und gekrönt.

 

Bei dem sich an die Feierlichkeiten anschließenden Bankett präsidierte der neue König mit dem Erzbischof von York zu seiner Rechten, während der Vater die Pflichten des Seneschalls auf sich nahm. Er trug als erstes Gericht den Kopf eines mächtigen Ebers auf, welchen er gerade vor seinen Sohn hinsetzte.

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1) Brief von einem Freund an Becket. „Rex prima Dominica“, (Robertson, Materials 7, Nr. 673, S. 309--312).

2) Gesta 1, 5.

3) Auct. Anon. Vita S. Thomac 66.

4) Gervasius von Canterbury 1, 219. Gesta 1, 5.

5) Vgl. Pipe Rolls (Society) 15, 15. 16. 20. 61. 62. 79. 93. 105. 115. 135. 141. 154. 157.

6) Gervasius von Canterbury 1, 219. Chron. de Mailros 85. Brief von „suus fidelis“ an Becket. „Transacta Dominica“. (Robertson, Materials 7, Nr. 676, S. 316). Der Verfasser der Geschichte Wilhelm Marschalls (2096-2101) allein sagt, daß Jung Heinrich erst 1173 zum Ritter geschlagen wurde und zwar durch Wilhelm Marschall.

7) Brief von Arnulf, dem Bischofe von Lisieux, an den Papst. „Quanta sollicitudinis“. (Robertson, Materials 7, Nr. 731, S. 425).

8) Robert von Torigni 2, 11.

9) Annalen von Worcester 382.

10) Matthäus Paris, Chron. majora 2, 277.

11) Brief von Ägidius von Évreux an den Papst. „Circa meae“, (Robertson, Materials 7, Nr. 730, S. 122).

12) Gesta 1, 5.

13) Wilhelm Fitz Stephan, Vita S. Thomae 103.

 

 

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Als der Erzbischof den jungen König wegen der Ehre beglückwünschte, welche ihm dadurch erwiesen wurde, erhielt er die stolze Antwort, daß es keine Erniedrigung für den Sohn eines Grafen 1) wäre, dem Sohne eines Königs und einer Königin zu dienen 2).

 

An dem Tage, welcher auf die Krönung folgte, empfing der junge König die Huldigung des Königs Wilhelm von Schottland und dessen Bruders David, sowie die der Grafen, Barone uni Freisassen des Reiches 3).

 

Daß die Krönung durch Roger von York anstatt von ihm, dem zuständigen Erzbischofe von Canterbury, vorgenommen worden war, faßte Becket als eine schwere Beleidigung auf. Ebenso fühlte sich König Ludwig schwer gekränkt, weil man seine Tochter Margarete nicht gleichzeitig mit ihrem Gemahl gekrönt hatte. Infolgedessen sah sich König Heinrich veranlaßt, noch Ende Juni nach dem Festlande zu reisen, um Versöhnung mit den Beleidigten zu suchen. Jung Heinrich ließ er als neuen König, dem Namen nach, mit großen Machtmitteln ausgestattet zurück 4).

 

Die Krönung Jung Heinrichs schon zu Lebzeiten seines Vaters, des regierenden Herrschers, war der größte Fehler, den König Heinrich machen konnte, da er sich einerseits dadurch die Feindschaft König Ludwigs, des Papstes und Beckets zuzog und andererseits den Kummer erleben mußte, daß sein Sohn sich der Macht und des Ranges, welche er von ihm erhalten hatte, unwürdig erwies.

 

Jung Heinrichs Hof im England (Juni-Dezember 1170) und die Ermordung Beckets (29. Dezember 1170).

 

Trotzdem Jung Heinrich zum Könige gekrönt worden war, war er doch nur dem Namen nach König. Da er noch nicht alt genug war, um selbständig handeln zu können, wurden ihm Männer zur Seite gestellt, welche die Aufsicht über seine Person führen und ihm bei der Erfüllung seiner Pflichten raten sollten 5). Die

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1) Der ältere König Heinrich war der Sohn des Grafen Gottfried von Anjou.

2) Roger von Howden 2, 4. Matthäus Paris, Chron. majora 4, 546. Matthäns Paris, Hist. Anglorum 1, 353.

3) Gesta 1, 6. Gervasius von Canterbury 1, 220.

4) Gesta 1, 6. Wilhelm Fitz Stephan, Vita S. Thomae 83.

5) Gervasius von Canterbury 1, 220.

 

 

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dafür gewählten Personen waren Wilhelm von Saint-Johann 1), Wilhelm Fitz Aldeline 2), Hugo de Gondeville 3) und Radulf Fitz Stephan 1), mit denen der Name des Wilhelm Marschall 5) verbunden ist, als des näheren Genossen des Jungen Königs 6).

 

Was den Titel Jung Heinrichs anbetrifft. so ergaben sich insofern Schwierigkeiten, als er den Namen seines Vaters trug und sich deshalb eine passende Unterscheidung notwendig machte. Offiziell hieß er natürlich Heinrich der dritte 7), und wenn er seinem Vater nachgefolgt wäre, dann würde er diesen Namen unter den Königen von England geführt haben. Während seines Lebens wurde er jedoch zumeist „der junge“ oder „der jüngere König“ 8), auch „der König, der Sohn des Königs“ 9) genannt. In einer späteren Quelle findet sich der Ausdruck „rex transmarinus“ 10), Bertrand von Born nennt ihn ähnlich, nämlich „Marinier“ 11), Überdies erhielt auch er im Laufe der Zeit den Beinamen „Kurzmantel“ 12), welcher gewöhnlich für seinen Vater gebraucht wurde.

 

Die drei auf die Krönung folgenden Monate scheint der junge König im verschiedenen Teilen Englands zugebracht zu haben.

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1) Herr von St. Jean-le-Thomas (Dép. Manche). Er ist als Zeuge in vielen Urkunden Heinrichs II. unterschrieben. Vgl. Eyton 34. 96. 158 usw.

2) Marschall, Haushofmeister und Seneschall des älteren Königs. Vgl. Eyton 85. 191. 186.

3) Vgl. oben S. 15. 16.

4) Kämmerer König Heinrichs. Vgl. Eyton 78. 135. 204 usw.

5) Vgl. oben S. 54 ff.

6) Wilhelm von Canterbury, Vita S. Thomae 108. Gesch. Wilhelm Marschalls 1934-2016.

7) Vgl. Wilhelm von Newburgh 1, 169. 233. Walther von Coventry 1, 17. 185.

8) Gesta 1, 43. 44. 45. 49. „juvenis rex“, Bertrand von Born, „Cortz e guerras“ Zeile 58 (Stimming, Textausgabe Nr. 4, S. 63), „Puois Ventadorns“ Zeile 38 (Stimming, Textausgabe Nr. 5, S. 66, Leben Nr. 33, S. 192), „D'un sirventes nom chal“ Zeile 4 (Stimming, Textausgabhoe Nr. 6, S. 66, Leben Nr. 13, S. 151), „Si tuit li dol“ Zeile 5 (Stimming, Textansgabe Nr. 9, S. 73, Leben Nr. 41, S. 212). „lo joves reis“. Gancelm Faidit und Guiraut de Calauson (Stimming, Bertran de Born 40). „lo joves reis“. Gesch. Wilhelm Marschalls 1952. 1992, 1997, 2200. 2316. „li giembles reis“. Robert von Torrigni 2, 19. 50. 55. 71. „junior rex“. Wilhelm von Newburgh 1, 172. 233. „junior rex“, Gervasius von Canterbury 1, 247. 249. 301, „junior rex“.

9) Pipe Rolls (Society) Bd. 15 ff nnd Radulf de Diceto 1, 352. 353. 379, „rex filius regis“.

10) Thomas von Ehnham (15. Jahrh.) 38.

11) Vgl. Bertrand von Borns „Rassa, tan cereis e monta poia“ Zeile 56 (Stimming, Textausgabe Nr. 28, S. 112, Leben Nr. 37. S. 205. Boysson S. 97). Auch Stimming, Textausgabe S. 52, Leben S. 105.

12) Ménestrel de Reims 12. Vgl. Luchaire, Louis VII. Philippe-Auguste. Louis VIII. 47.

 

 

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wie seine Besuche in Waltham, Oxford, Wiltshire, Worcestershire, Staffordshire und Dorset beweisen 1).

 

Währenddessen betrieb ein Vater eifrig eine Versöhnung mit Ludwig und mit Becket. Im Juli kamen nahe bei Fréteval 2) zwei Zusammenkünfte zwischen Heinrich und Ludwig einerseits und Heinrich und Becket anderseits zustande. Man einigte sich anscheinend freundschaftlich über alle die die verschiedenen Parteien interessierenden Fragen, und König Heinrich versprach Becket, daß dieser der Prinzessin Margarete die Krone aufsetzen und seinen Sohn nochmals krönen solle 3). Nach einer Erkrankung nahe bei Domfront und einer Wallfahrt nach Rocamadour 4) traf König Heinrich zu Amboise wieder mit Becket zusammen. Hier wurde ausgemacht, daß der Erzbischof am 1. November Sens verlassen sollte, um nach England zu reisen, und obgleich der König ihm den Friedenskuß verweigerte, so gab er doch seinem Sohne Heinrich die Erlaubnis, diese symbolische Handlung an seiner Stelle auszuführen 5). Ferner wurde ein Brief an den jungen König abgesandt, durch welchen die Versöhnung des älteren Königs mit dem Erzbischof bekannt gemacht und die Auslieferung der infolge des Streites konfiszierten Güter in Beckets Hände befohlen wurde 6).

 

Am Montag, den 5. Oktober, erschienen vor Jung Heinrich zu Westminster mit diesem Briefe des Königs Boten des Erzbischofs zwecks der Wiedererlangung der ihm versprochenen Besitztümer. Während sich die Boten zurückzogen, besprach der Rat mit Walther de Insula die Erfüllung der königlichen Befehle. Nach der Rückkehr der Boten verkündete Gottfried Ridel, Archidiakon von Canterbury, daß der junge König sich entschlossen habe, die Versammlung bis zum 15. des Monats zu vertagen, damit festgestellt werden könne, was alles zu jedem erzbischöflichen Länderteile gehöre 7). Daß die vertagte Versammlung jemals

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1) Pipe Rolls (Society) 15, 111. 15. 61. 55. 128. 112.

2) Dép. Loir-et-Cher, Arr. Vendôme, Kt. Morée am Loir.

3) Brief von einem Freund an Radulf de la Serre. „Segnius irritant“. (Robertson, Materials 7, Nr. 685, S. 340--342).

4) Gesta 1, 7. Roger von Howden 2, 6. Rocamadour liegt im Dép. Lot, Arr. Gourdon, Kt. Grammat.

5) Gesta 1, 7-9. Brief Johanns von Salisbury. „Preces vestras““. (Robertson, Materials 7, Nr. 719, S. 395. Migne Nr. 299. S. 347).

6) Giervasius von Canterbury 1, 221. Brief König Heinrichs an seinen Sohn Heinrich. „Sciatis quod“. (Robertson, Materials 7, Nr. 690, 8. 316).

7) Brief von Beckets Boten an den Erzbischof. „Mandatum vestrum“. (Robertson, Materials 7, Nr. 717, S. 389-390). Brief von Becket an den König. „Nobis inspector“ (Robertson, Materials 7, Nr. 718, S. 393 --391).

 

 

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wieder einberufen worden sei, dafür ist ein urkundlicher Nachweis nicht vorhanden.

 

Beckets Rückkehr nach England verzögerte sich Jedoch. Endlich aber entschloß er sich und reiste in Begleitung von Johann von Oxford nach der Hafenstadt Wissant 1). Von da aus benachrichtigte Becket durch päpstliche Briefe den Erzbischof von York, daß er von seinem Amte suspendiert worden sei 2), und die Bischöfe von London und Salisbury, daß Sie dem Kirchenbanne verfallen seien, weil sie an den Krönungsfeierlichkeiten des Jungen Königs teilgenommen hätten 3). Diese Eröffnungen trafen die genannten (Geistlichen in Dover 4).

 

Am 1. Dezember 1170 betrat Becket in Sandwich den englischen Boden und begab sich am darauffolgenden Tage nach Canterbury. Vergeblich suchten Roger von York und die Bischöfe von London und Salisbury Absolution bei Becket nach. Sie begaben sich deshalb nach der Normandie, um vor dem älteren König über ihn zu klagen 5).

 

Währenddessen ging Gottfried Ridel an den Hof Jung Heinrichs nach Winchester 6), um ihn über die Sachlage zu unterrichten. Er gab dem jungen Könige zu verstehen, daß Becket versuchen würde, seine, Jung Heinrichs, Stellung zu untergraben, und daß er hoffe, ihn womöglich der Krone zu berauben 7).

 

Auch Becket schickte, und zwar ungefähr am 10. Dezember. Richard, den Prior von Dover, zu dem jungen König mit dem Auftrage, Jung Heinrich im Namen des Erzbischofs zu begrüßen, ihn von der Versöhnung zwischen Becket und dem älteren Heinrich zu benachrichtigen, seine Entschuldigungen wegen der Behandlung der Bischöfe zu überbringen und zu erklären, daß er Jung Heinrich nicht habe bekämpfen wollen. Überdies sollte der Prior den Besuch Beckets in Winchester bei dem jungen Könige ankündigen und die Erlaubnis Jung Heinrichs dazu einholen 8).

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1) Brief Johanns von Salisbury an Peter, den Abt von St. Remi. „Mora mea“. (Robertson, Materials 7, Nr. 721, S. 410--412. Migne Nr. 300, S. 348).

2) J.-Löw. 2 Nr. 11832. Robertson, Materials 7, Nr. 699, S. 357 zum 10. Sept. 1170. „Inter multiplices enras“. J.-Löw. 2 Nr. 11835. Robertson, Materials 7, Nr. 701, S. 364 zum 16. Sept. 1170. „Licet commendabilos“.

3) J.-Löw. 2 Nr. 11832. Robertson, Materials 7, Nr. 699, S. 357 zum 10. September 1170. „Inter multiplices euras“. J.-Löw. 2 Nr. 11835. Robertson, Materials 7, Nr. 700, S. 360 zum 16. September 1170. „Oportuerat vos“.

4) Vgl. Brief in Anm. 1. Auet. Anon., Vita S. Thomae 68.

5) Vgl. Brief in Anm. 1.

6) Vgl. Round, Feudal England 503-504.

7) Brief Beckets an den Papst. „Quam justis“. (Robertson, Materials 7, Nr. 723, S. 406).

8) Wilhelm Fitz Stephan, Vita S. Thomae 121-- 122. Herbert von Bosham, Vita S. Thomae 182, Wilhelm von Canterbury, Vita S. Thomae 105. 112.

 

 

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Prior Richard richtete seine Botschaft am Hofe des jungen Königs zu Winchester aus. Bevor Jung Heinrich aber eine Antwort erteilte, holte er sich Rat von Gottfried Ridel, Archidiakon in Canterbury, und Richard von Ilchester, Archidiakon in Poitiers, welche sich zu jener Zeit gerade in dem nicht weit entfernten Southampton befanden. Ridels Antwort drückte Erstannen darüber aus, daß der junge König daran denken könnte, einen Mann zu empfangen. welcher ihn zu enterben beabsichtige. Graf Rainald von Cornwall war dafür, daß Jung Heinrich die Erlaubnis gäbe. Bei dem Jungen König jedoch überwog der Rat Ridels. und Prior Richard wurde entlassen mit dem Bescheid, daß eine Antwort dem Erzbischofe durch Boten des Königs zukommen würde. So mußte Richard im Verwirrung und Ungewißheit zurückkehren 1).

 

Inzwischen reiste Becket von Canterbury ab, indem er drei schöne Pferde als Geschenk für den jungen König mitnahm 2). Aber schon am Morgen des zweiten Reisetages, nach einer zu Southwark 3) verbrachten Nacht, erreichten ihn die Boten Jung Heinrichs, Thomas von Tunbridge, Hugo de Gondeville und Jocelyn von Louvain 4), mit dem Befehl für ihn, nach Canterbury zurückzureisen und sich bei Vermeidung der Todesstrafe nicht von dort zu entfernen 5). Selbst seiner Umgebung wurde verboten, in der Öffentlichkeit zu erscheinen und England zu verlassen 6). Daraufhin schickte Becket Simon, den Abt von St. Albans, Richard, den Prior von Dover, und einen Londoner Kleriker ab, welche versuchen sollten, ihm die Gunst des jungen Königs zurückzugewinnen. Sie wurden jedoch nur mit Beleidigungen empfangen und kehrten zu dem Erzbischofe zurück, welcher wahrscheinlich in Harrow 7) ihre Ankunft erwartete. Nach dieser Abweisung zog sich Becket nach Canterbury zurück 8).

 

Als Roger von York und die Bischöfe von London und Salisbury in der Normandie bei dem älteren Könige ankamen und

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1) Wilhelm von Canterbury, Vita S. Thomae 109--112. Herbert von Bosham, Vita S. Thomae 482.

2) Wilhelm Fitz Stephan, Vita S. Thomae 122.

3) Ein Vorort Londons.

4) Bruder Adelizas, der zweiten Gemahlin Heinrichs I. von England.

5) Wilhelm von Canterbury, Vita S. Thomae 113. Gervasius von Canterbury 1, 223. Radulf de Diceto 1, 342.

6) Herbert von Bosham, Vita S. Thomae 483. Brief Johanns von Salisbury an Peter, den Abt von St. Remi. „Mora mea“. (Robertson, Materials 7, Nr. 724, S. 410-412. Migne Nr. 300, S. 348).

7) Grafschaft Middlesex.

8) Gesta Abbatum S. Albani 1, 186. Matthäus Paris, Hist. Anglorum 1. 359. Wilhelm von Canterbury, Vita S. Thomae 114.

 

 

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ihre Klagen vorbrachten, da war dessen Zorn so groß. daß er seine Höflinge schalt, weil sie ihn nicht von einem Priester befreiten. welcher ihn so arg in seinen Plänen störe. Infolgedessen verschworen sich vier Ritter, nämlich Reginald Fitz Urse, Hugo de Morville, Wilhelm von Tracy und Richard Brito, den Erzbischof zu ermorden und machten sich auf die Reise nach Canterbury, um ihre Absicht auszuführen 1).

 

Um dieselbe Zeit schickte der ältere König Richard du Hommet nach England mit dem Befehle, sich Beckets zu bemächtigen. Richard du Hommet wiederum ließ an Wilhelm Fitz Johann und Hugo de Gondeville in Winchester Befehl ergehen, eine Schar Ritter ohne Wissen Jung Heinrichs mitzubringen, um die Festnahme Beckets zu bewerkstelligen. Aber die vier frühergenannten Ritter kamen ihnen zuvor. Am 29. Dezember trafen sie in Canterbury ein. Ehe der Tag zu Ende gegangen war, hatten die Mörder ihren Schwur in die Tat umgesetzt und Becket getötet 2).

 

Als der junge König die Nachricht von dem gewaltsamen Ende des Erzbischofs vernahm, da hob er seine Hände gen Himmel und dankte Gott, daß der Mord ohne sein Vorwissen verübt worden und keiner seiner Leute dabei beteiligt gewesen sei 3).

 

Jung Heinrichs zweite Krönung (27. August 1172) und der Anfang der Streitigkeiten zwischen den beiden Königen.

 

In den nächsten sechs Monaten nach dem Tode Beckets kann man den Aufenthalt des jungen Königs nicht verfolgen, abgesehen von zwei Besuchen, welche er wahrscheinlich in Northamptonshire und Gloucester abstattete 4). Um Michaelis 1170 war seine Gemahlin Margarete von dem Festlande nach England gekommen und hatte ihren Wohnsitz allem Anscheine nach seitdem in Wiltshire und Hampshire genommen 5). Anfang April 1171 aber verließ Sie von Southampton aus England, um sich

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1) Wilhelm Fitz Stephan, Vita S. Thomae 129. 132--135. E. Grim, Vita S. Thomae 431-433. Auct. Anon., Vita S. Thomae 71-73.

2) Wilhelm Fitz Stephan, Vita S. Thomae 132-142, E. Grim, Vita S. Thomae 430 438. Wilhelm von Canterbury, Vita S. Thomae 131--135.

3) Wilhelm Fitz Stephan, Vita S. Thomae 149.

4) Pipe Rolls (Society) 16, 45. 88.

5) Pipe Rolls (Society) 15, 126; 16, 19. 31. 40

 

 

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nach der Normandie zu begeben 1). Ende Juli desselben Jahres wurde Jung Heinrich an seines Vaters Hof berufen. Aller Wahrscheinlichkeit nach trafen die beiden Könige in Bures 2) zusammen. gerade vor des älteren Königs Einschiffung nach England 3).

 

Jung Heinrichs Besuch auf dem Festlande war mit großer Prachtentfaltung verbunden. Besonders großartig gestaltete sich die Weihnachtsfeier zu Bures 4). Nach Schluß der Festlichkeiten blieb Jung Heinrich noch in der Normandie und reiste wahrscheinlich erst nach dem 10. März 1172 nach England zurück 5).

 

Um diese Zeit, war der ältere König mit der Unterwerfung Irlands beschäftigt. Während dieses Feldzuges hören wir zuerst von den Versuchen gewisser Edelleute, den jungen König gegen seinen Vater aufzureizen. Hugo von St. Maure 6) und Radulf von Faye, der Onkel der Königin Eleonore, fingen an, vielleicht auf deren Veranlassung, ihm zuzuflüstern. daß eine Krone ohne die königliche Macht wertlos sei 7). Möglicherweise bewog dies, wenn auch vielleicht nur teilweise, den älteren König, seinen Sohn bei dessen Rückkehr aus Irland mit sich nach der Normandie zu nehmen 8). Dort wollte er die Kardinäle Albert und Theodin treffen, um von ihnen Absolution für die Ermordung Beckets zu erhalten. Am 21. Mai versicherte vor dem Konzil zu Avranches König Heinrich unter Eid, daß er die Ermordung Beckets weder angeordnet noch gewollt habe und gelobte, die Gewohnheiten, welche etwa zum Nachteil der Kirche unter seiner Regierung eingeführt seien, abzuschaffen; auch machte er andere große Versprechungen, woraufhin ihm die Absolution erteilt wurde. Der Junge König bekräftigte durch Handschlag das Versprechen seines Vaters und versprach, selbst die Bedingungen zu erfüllen, wenn sein Vater auf irgend eine Weise verhindert würde, seinen Verpflichtungen nachzukommen 9). Auf den Rat der Kardinäle hin schloß König Heinrich auch Frieden mit König Ludwig von Frankreich in bezug auf die Krönung seiner Tochter Margarete. Es wurde ausgemacht, daß der junge König und seine Gemahlin

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1) Pipe Rolls (Society) 16, 40. 42. Robert von Torigni 2, 29.

2) Dép. Calvados, Arr. Caen, Kt. Troarn.

3) Gesta 1, 24.

4) Robert von Torigni 2, 31.

5) Round, Calendar of documents preserved in France 1, Nr. 1217.

6) St.-Maure-de-Touraine, Dép. Indre-et Loire, Arr. Chinon.

7) Radulf de Diceto 1, 350.

8) Gesta 1, 30.

9) Brief von den Kardinälen Albert und Theodin an König Heinrich. „Ne in dubium“. (Robertson, Materials 7, Nr. 772, S. 516-518). Vgl. auch Robertson, Materials 7, 513-516.

 

 

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nach England fahren sollten in der Begleitung des Erzbischofs Rotrod von Rouen 1), des Bischofs Ägidius von Évreux 1), des Bischofs Roger von Worcester 1) und des Dompropstes (Gottfried von Chartres 2). Der französische König wünschte besonders, daß die erstgenannten zwei Kirchenfürsten an der Feierlichkeit teilnehmen sollten 3) und bedang sich zu gleicher Zeit aus, daß der Erzbischof Roger von York, der Bischof Gilbert von London und der Bischof Jocelin von Salisbury von der Teilnahme ansgeschlossen würden 4).

 

Nachdem er wahrscheinlich von Barfleur aus abgereist war 5), landete Jung Heinrich mit seinen Begleitern ungefähr am 24. August im Southampton und reiste von da nach Winchester weiter 6). Hier krönte am folgenden Sonntag, den 27. August, in der Kirche von S. Swithun der Erzbischof von Rouen unter dem Beistande der Bischöfe von Évreux und Worcester und in Gegenwart einiger Prälaten und Äbte von England 7) nochmals den jungen König. An demselben Tage wurde Margarete, seine Gemahlin, zur Königin gesalbt und gekrönt 8). Nach Vollendung der Feierlichkeit, welche zweifellos der vorhergehenden Krönung an Pomp weit nachstand 9), kehrten die Prälaten, die mit ihm gekommen waren, nach der Normandie zurück, während Jung Heinrich mit seiner Gemahlin auf Befehl seines Vaters in England blieb 10).

 

Jung Heinrich stand auch weiter noch unter der Leitung seiner Berater. Unter ihrer Führung berief er für den 1. September 11) den Prior und die Mönche des Konvents der Christuskirche zu Canterbury nach Windsor, um einen Nachfolger für Becket zu wählen. Und dort, in Anwesenheit vieler Bischöfe, Äbte und anderer Geistlicher, verlangte der Prior Odo eine kanonische Wahl, indem er erklärte, daß er und seine Ordensbrüder niemand anerkennen würden, der auf eine andere Weise gewählt wäre. Der junge König verschob endlich die Angelegenheit, damit Odo seine Vorschläge nochmals überlegen solle: denn

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1) Gesta 1, 31.

2) Radulf de Diceto 1, 352.

3) Robert von Torigni 2, 33.

4) Radulf de Diceto 1, 353.

5) Vgl. Willelm von Canterbury, Vita S. Thomae 250.

6) Gesta 1, 31,

7) MS. Lansdown. (Robertson, Materials 1, 174).

8) Gesta 1, 31.

9) Vgl. Pipe Rolls (Society) 18, 4. 87. 145 mit den für das Jahr 1170.

10) Gesta 1, 31. Gervasius von Canterbury 1, 237. Dagegen nimmt Roger von Howden 2, 34 fälschlicherweise an, daß Jung Heimrich und Margarete mit den Bischöfen sich gleichfalls nach der Normandie begeben hätten.

11) Radulf de Diceto 1, 353.

 

 

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obgleich er nicht wagen wollte, sich den Rechten Canterburys zu widersetzen, so war er doch entschlossen, seine königliche Macht nicht im Gegensatze zu den Wünschen seines Vaters zu gebrauchen 1).

 

Nach der Vertagung reiste Jung Ileinrich auch nach Canterbury und warf sich dort vor Beckets Grab nieder, indem er Verzeihung erflehte für seine Auflehnung gegen den Erzbischof. Er beklagte. daß er sich mit seinem Vater in Feindseligkeiten gegen seinen früheren Erzieher verbunden hatte und bat sowohl für sich selbst als für den älteren König um Vergebung. Die Mönche von Canterbury empfingen ihn mit Ehrenbezeigungen, und seine Gaben und Versprechungen gegen Gott und den Märtyrer Becket entsprachen seiner gewohnten Freigebigkeit 2).

 

Am 6. Oktober wurden die Verhandlungen für die Wahl zu Windsor wieder aufgenommen. Doch abermals bestand der Prior auf freier Wahl, wogegen Jung Heinrich eine weitere Vertagung bis zum 30. November verlangte und Odo mit seinen Mönchen für diesen Tag vor seinen Vater berief 3).

 

Nur widerwillig erfüllte Jung Heinrich die Bitte seines Vaters, in der Normandie mit ihm zusammenzutreffen. Diese Zusammenkunft fand Anfang November 1172 statt, war aber nur kurz, da Jung Heinrich bald mit seiner Gemahlin sich auf seines Vaters Befehl an den französischen Hof begab. König Ludwig nämlich hatte früher den Wunsch ausgedrückt, Jung Hemrich mit der neugekrönten Königin zu sehen. Jenen begrüßte er zu Gisors, diese zu Chaumont 4).

 

Zweifellos hatte Ludwig eine Zeitlang gehofft, durch seinen Schwiegersohn zum Schaden seines englischen Rivalen handeln zu können, und indem er die Versuche Hugos von St. Maure und Radulfs von Faye 5) aus dem letzten Jahre fortsetzte, glückte es ihm jetzt, Jung Heinrich mit seiner untergeordneten Stellung völlig unzufrieden zu machen. Er riet ihm, unmittelbar nach der Rückkehr zu seinem Vater von diesem die sofortige Überlassung des Besitzes von England oder der Normandie, wo er mit seiner Gemahlin wohnen könnte, zu fordern. Falls dieses durch König

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1) Gervasius von Canterbury 1, 239. MS. Lansdown. (Robertson, Materials 4, 178).

2) MS. Lansdown. (Robertson, Materials 4, 176-179).

3) Gervasius von Canterbury 1, 239--240. MS. Lansdown. (Robertson, Materials 4, 180).

4) Gesta 1, 34. Robert von Torigni 2, 34. Chaumont-en-Vexin, Dép. Oise, Arr. Beauvais ist hier gemeint.

5) Vgl. oben S. 17.

 

 

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Heinrich verweigert würde. Sollte Jung Heinrich nach Frankreich zurückkehren und seine Gemahlin mitbringen 1). Inzwischen kam vom englischen Hof die Botschaft, daß Jung Heinrich und Margarete zurückkehren sollten. König Heinrich fürchtete nämlich, ein längerer Besuch möchte unheilvoll verlaufen. Jung Heinrich gehorchte, und das junge Paar verlebte ein ruhiges Weihnachtsfest zu Bonneville 2).

 

Kurz darauf berief der ältere König seinen Sohn nach Anjou, und hier trat Jung Heinrich mit seinen Forderungen gemäß dem Rate Ludwigs hervor, nachdem auch gewisse englische und normannische Edelleute ihn in seinem Vorhaben bestärkt hatten 3). Der ältere König weigerte sich sofort, die Forderungen Jung Heinrichs auch nur anzuhören, da er gar keine Neigung hatte, irgend etwas von seiner ererbten Würde aufzugeben. Vorsichtshalber nahm er den Sohn mit sich nach der Auvergne, wo dieser am 12. Februar 1173 zu Montferrat 4) bei dem Abschlusse des Vertrages zwischen seinem Vater und dem Grafen Humbert III. von Savoyen über die Vermählung der Tochter des Grafen Humbert, Alix, mit Johann, dem jüngsten Sohne Heinrichs, zugegen war. Nähere Einzelheiten des Vertrages wurden im Limoges besprochen. Als Heiratsgut für seinen Sohn wollte der König die Burgen Chinon 5), Mirebeau 6) und Loudun 7) abgeben 8). Jung Heinrich jedoch verweigerte dazu seine Zustimmung. Nachdem Graf Raimund V. von Toulouse am 25. Februar gleichfalls zu Limoges den beiden Heinrichen und dem Prinzen Richard gehuldigt hatte, enthüllte er dem älteren Könige, daß Königin Eleonore, Jung Heimrich und dessen Brüder Richard und Gottfried gegen ihn eine Verschwörung angezettelt hätten, um ihn zu stürzen. Daraufhin nahm König Heinrich die Befestigung des Gebietes um Limoges im Angriff, während er sich stellte, als ob er sich mit einigen Anhängern der Jagd widmete 9).

 

Das Verhältnis zwischen den zwei englischen Königen zu einander wurde immer gespannter. Die Verdrießlichkeit auf seiten

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1) Gesta 1, 34.

2) Robert von Torigni 2, 34. Bonneville-sur-Tonque, Dép. Calvados, Arr. und Kt. Pont-l' Evêque.

3) Gesta 1, 41.

4) Radulf de Dicveto 1, 353.

5) Dép. Indre-et-Loire.

6) Dép. Yienne, Arr. Poitiers.

7) Dép. Vienne,

8) Gesta 1, 41.

9) Gottfried von Bruil, Rec. 12, 413.

 

 

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des Sohnes steigerte sich zu heftigen Worten 1), die kindlichen Rücksichten setzte er beiseite 2), den Wünschen des Vaters wurde offen entgegengehandelt. Der ältere König weigerte sich, seinem Sohne eine seinen Forderungen und seinen tollen Streichen entsprechende jährliche Apanage zu gewähren 3). Wahrscheimlich um einerseits nutzlosen Ausgaben entgegenzutreten, andererseits aber in der Absicht, ihm die Gelegenheit, auf böse Ratschläge zu hören, zu vermindern, fühlte König Heinrich sich auch bewogen, Hascoul von St. Hilaire und andere von dem Hofe seines Sohnes zu entfernen 1). Erzürnt erklärte Jung Heinrich, daß er in größerer Zurückgezogenheit lebe, als in den Tagen vor seiner Krönung. Auch trug nicht zur Annäherung der beiden Heinriche bei, daß Jung Heinrich dem Andenken Beckets Ehrfurcht bezeugt hatte. Dies waren die hanptsächlichsten Ursachen des Mißverständnisses zwischen Vater und Sohn, und um fernere Unterstützung für seine Sache zu erlangen, gab sich der junge König bald als Beschützer sowohl des bürgerlichen als des kirchlichen Rechtes aus 5).

 

Die erste Erhebung Jung Heinrichs gegen seinen Vater.

 

Der Krieg im Jahre 1173.

 

Von Limoges aus begab sich der ältere König mit seinem Sohne nach der Normandie. Nachdem sie ohne Zwischenfall Chinon erreicht hatten, entfernte sich Jung Heinrich ohne Urlaub von dort. Vielleicht hatte er von dem unter dem Volke umlaufenden Gerüchte gehört, daß sein Vater beabsichtige, ihn in festem und sicherem Gewahrsam zu halten 6). Am Morgen des 6. März kam Jung Heinrich in Alençon an. Der ältere König folgte ihm, gleich nachdem er die Nachricht von der Flucht seines Sohnes erhalten hatte, nach Alençon und blieb hier die Nacht vom 7. zum 8. März, während Jung Heinrich schon zu dieser Zeit in Argentan war. Am darauffolgenden Tage reiste der junge König am frühesten Morgen über Mortagne nach Chartres, wo sich damals

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1) Gesta 1, 41.

2) Johann de Oxenedes 407.

3) Wilhelm von Newburgh 1, 170.

4) Robert von Torigni 2. 35.

5) Brief Jung Heinrichs an den Papst. „Novimus,l'ater venerande“. (Recueil 16, 644--646).

6) Chron. de Mailros 85.

 

 

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der französische Hof befand 1). Währenddessen kam sein Vater am Abend desselben Tages (8. März) zu Gisors an. Unterwegs sorgte er für Befestigung seiner Burgen. Er verstärkte anch die Grenzfestungen und die in der Normandie und schickte Briefe mit gleichen Befehlen an seine Kastellane im England, Aquitanien, Anjou und der Bretagne 2).

 

Nichtsdestoweniger wünschte König Heinrich sehnlichst den Frieden. Deshalb schickte er den Erzbischof Rotrod von Rouen und den Bischof Arnulf von Liseux zu König Ludwig, um den Versuch zu machen, eine Verständigung herbeizuführen. Diesen Abgesandten verweigerte man die Anerkennung als Bevollmächtigte des Königs von England, indem Ludwig Jung Heinrich als den wahren Träger des Königstitels betrachtete und, anstatt sich zu der Rolle des Vermittlers willig zu zeigen, wie man hoffte, erklärte, daß er sich schon vor der Ankunft des jungen Königs an seinem Hofe für den Krieg entschlossen hätte. Er fügte hinzu, daß das Fernhalten der Königin Margarete von ihrem Gemahle, die Zurückbehaltung ihres Heiratsgutes, die Aufreizung seiner Untertanen zur Rebellion, die Belehnung des Grafen Raimund V. von Toulouse, es ihm unmöglich mache, mit Heinrich ohne die Einwilligung von dessen Söhnen und der Königin Eleonore Frieden zu schließen 3).

 

Indessen nahm die Verschwörung immer größeren Umfang an. Die Prinzen Richard und Gottfried trafen mit ihrem Bruder Jung Heinrich am französischen Hofe zusammen, sei es, daß sie von ihm persönlich dahin geholt 4), sei es. daß sie durch die Königin Eleonore geschickt worden waren 5).

 

Eleonore war durch die Treulosigkeit ihres Gemahls bewogen worden, sich von ihm abzuwenden 6), und nun reizte sie auch seine Untertanen auf, die Waffen gegen ihn zu ergreifen. Zweifellos war sie eine der hauptsächlichsten Triebfedern zum Aufstande.

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1) Gesta 1, 41-42. Radulf de Diceto 1, 355. Robert von Torigni 2, 35. Die Gesta geben als Datum von Jung Heinrichs Flucht aus Argentan den 8. März an, Radulf de Diceto den 23. März. Stubbs versucht in seiner Vorrede zu Radulf de Diceto 2, 40 die beiden Daten miteinander in Einklang zu bringen, indem er das letztere als dasjenige auffaßt, an welchem der junge König den französischen Hof erreichte.

2) Radulf de Diceto 1, 355. (Ciesta 1, 42, Über die Ausbesserung der Burgen im England vgl. Pipe Rolls (Society) Bd. 19 und 21 passim.

3) Wilhelm von Newburgh 1, 170. Brief des Erzbischofs von Rouen und des Bischofs von Lisieux an König Heinrich, „Tanto tempestivius“. (Rec. 16, 629).

4) Wilhelm von Newburgh 1, 171.

5) Gesta 1, 42.

6) Vgl. Davis 247.

 

 

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Jetzt machte sie den Versuch, ihren Söhnen nach Frankreich zu folgen. Trotz ihrer Verkleidung wurde sie jedoch erkannt, festgenommen und in engen Gewahrsam gebracht 1).

 

Aber einige aus Jung Heinrichs Umgebung wollten an dem Abfalle von seinem Vater nicht teilnehmen, sondern verließen ihn und begaben sich an den Hof des älteren Heinrich. Dieser jedoch sandte sie zu seinem Sohne zurück mit der Anweisung, ihrem Herrn treu zu dienen und verschiedene Ausrüstungsgegenstände mitzunehmen. derer sein Sohn bedürfte. Jung Ileinrich dagegen verlangte von allen, welche bei ihm waren, daß sie sich gegen seinen Vater verpflichten sollten. Deswegen zogen sich der Kaplan Walther, der Kämmerer Ailward und der Hofbeamte Wilhelm endgültig von ihm zurück 2).

 

König Ludwig benutzte den Zwist zwischen Vater und Sohn und berief eine Reichsversammlung nach Paris 3). An der Spitze von denen, die dem Ruf Folge leisteten, standen der Pfalzgraf Heinrich von Troyes. die Grafen Philipp von Flandern, Matthäus von Boulogne, Theobald von Blois. Stephan von Sancerre uni Robert von Dreux. Die Grafen von Flandern und Blois zerstreuten alle über den notwendigen Verlauf des Handelns auftauchenden Zweifel 4). Ludwig gelobte Hilfe für Jung Heinrich und dessen Brüder und veranlaßte seine Edelleute, das gleiche zu tun 5).

 

Jung Heinrich und die Prinzen Richard und Gottfried versprachen ihrerseits, dem Bündnisse treu zu bleiben und nur unter Einwilligung Ludwigs und seiner Edlen mit ihrem Vater Frieden zu schließen. Der junge König machte in freigebigster Weise Zusicherungen, um sich Beistand zu verschaffen. Diese wurden schriftlich aufgesetzt und mit einem neuen Siegel gesiegelt, welches Ludwig für ihn bestellt hatte, da sein eigener Kanzler, Richard Barre, in Treue zu Heinrich II. das Original-Siegel diesem zurückgebracht hatte 6). Dem König Wilhelm von Schottland wurde das Land bis zum Tyne angeboten zugleich mit der Stadt Carlisle und der Grafschaft Westmoreland und seinem Bruder David die Grafschaft von Cambridge und die Bestätigung der Grafschaft von Huntingdon. Dem Grafen Philipp von Flandern wurde die

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1) Gervasius von Canterbury 1, 242. Vgl. Brief Peters von Blois an die Königin Eleonore. „In publicam notitiam“. (Recueil 16, 630. Migne Nr. 154, S. 448).

2) Gesta 1, 43-44. Roger von Howden 2, 46.

3) Gesta 1, 43.

4) Jordan Fantosme 38--59.

5) Roger von Howden 2, 46.

6) Gesta 1, 43-44. Roger von Howden 2, 46.

 

 

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Grafschaft Kent mit den Burgen Dover und Rochester versprochen und ein jährliches Einkommen von 1000 Pfund: dem Grafen Theobald von Blois sicherte man die Rückerstattung von Châteaurenault 1) und die Burg Amboise zu, mit 500 Pfund: dem Grafen Matthäus von Boulogne, die „Soke“ von Kirton-in-Lindsey 2) und die normannische Grafschaft von Mortain: Schließlich dem Grafen Hugo Bigot von Norfolk das erbliche Amt des Konstablers von Burg Norwich und die Hoheit (honos) von Eye 3). Die Grafen von Flandern, Blois und Boulogne huldigten Jung Heinrich ohne weitere Zögerung um dieser Versprechungen willen 4).

 

Der Aufruhr verbreitete sich bald über König Heinrichs ganzes Reich. Alle, die dem älteren Könige feindlich gesinnt waren, hatten Gelegenheit, aus der großen Erschütterung, welche das Ansehen des Königs durch Beckets Tod erlitten hatte, Vorteil zu ziehen 5). In Aquitanien sammelten sich die Rebellen um den Grafen Wilhelm IV. von Angoulême, Gottfried von Lusignan 6) und seinen Bruder Guido 7). Anjou und Maine waren dem Könige treuer gesinnt. In der Bretagne scharten sich die Aufständischen um Radulf von Fougères. Die Normandie jedoch war der Hauptherd des Aufstandes, und die Grafen Heinrich von Eu und Johann von Alençon, sowie Robert von Montfort 8) und Wilhelm von Tancarville 9) waren jetzt bereit, die Waffen zu ergreifen. Halb England hielt es ebenfalls mit den Rebellen, und die Grafen Robert von Leicester, Hugo von Chester, Hugo Bigot von Norfolk und Robert de Ferrers, Graf von Derby, sowie Hamo de Massey 10), Richard de Morville 11) und das Geschlecht derer von Mowbray. alle sagten sich von dem Könige los 12). Die Geistlichkeit blieb jedoch auf beiden Ufern des Kanals auf seiten des Königs, mit Ausnahme des Erzbischofs Wilhelm von Bordeaus 13) und der

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1) Dép. Indre-et-Loire, Arr. Tours.

2) Grafschaft Lincoln.

3) Grafschaft Suffolk.

4) Gesta 1, 44-45. Jordan Fantosme 246-272. Roger von Howden 2, 16- 47.

5) Vgl. Stubbs in einer Yorrede zu den Gesta 2, 26.

6) Vgl. oben S. 64. 69. 75.

7) Guido von Lusignan wurde im Jahre 1186 König von Jerusalem (Radulf de Diceto 2, 17).

8) Montfort-sur-Risle, Dép. Eure, Arr. Pont-Andemer.

9) Tancarville, Dép. Seine-Infér., Arr. Le Havre, Kt. St.-Romain-de-Colbose. Vgl. oben S. 31.

10) Vgl. oben S. 38.

11) Vgl. oben S. 41.

12) Gesta 1, 45-48. Radulf de Diceto 1, 371.

13) Gesta 1, 47.

 

 

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Bischöfe Ingo von Durham 1) und Arnulf von Lisieux 2). Bischof Gilbert von London zeigte seine Treue darin, daß er den Namen Jung Heinrichis während der Rebellion aus den kirchlichen Gebeten strich 3).

 

König Heinrich ließ sich scheinbar durch die herannahenden Schwierigkeiten nicht stören, und während seine Anhänger ihn Tag für Tag verließen, fuhr er fort, einen großen Teil seiner Zeit dem Vergnügen der Jagd zu widmen 4) In Wirklichkeit war er eifrig beschäftigt, seine Stellung überall zu verstärken. Im April verließ er Alençon und machte die Stadt Rouen oder das in der Nähe belegene Schloß zu Quevilly für einige Zeit zu seinem Hauptquartiere 5). An alle anderen Herrscher wurden Briefe abgesandt, welche deren Sympathien erbaten 6), während der Papst Alexander um den Schutz des geistlichen Schwertes angegangen wurde 7).

 

In Übereinstimmung mit dem Rate der Kardinäle Albert und Theodin wurden Befehle nach England hinübergeschickt, die erledigten Bistümer Ely, Winchester. Hereford, Bath, Lincoln und Chichester zu besetzen 8). Währenddessen dauerten die Schwierigkeiten betreffs der Wahl eines Erzbischofs für Canterbury noch fort. Endlich wurde am 3. Juni Richard, der Prior von Dover, gewählt. Als bereits alle Vorbereitungen für seine eigene Weihe und die der sechs gewählten BiSchöfe getroffen waren, überbrachte Prior Odo des Konvents der Christuskirche zu Canterbury am 8. Juni 9) einen Brief des jungen Königs, welcher die Feierlichkeit verbot, weil die Wahlen ohne seine Einwilligung stattgefunden hätten und anzeigte. daß er bei dem Papste Verwahrung dagegen eingelegt habe 10). Infolgedessen wurde die Feierlichkeit verschoben 11).

 

Eingeleitet wurde die an den Papst gerichtete Protestschrift Jung Heinrichs durch eine Anzahl von Zugeständnissen 12). Er

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1) Vgl. oben S. 38.

2) Gesta 1, 278.

3) Wilhelm Fitz Stephan, Vita S. Thomae 84.

4) Radulf de Diceto 1, 373. Pipe Rolls (Society) 19, 55; 21, 137.

5) Radulf de Diceto 1, 373-374. Normann. nova chron. 12.

6) Roger von Howden 2, 47.

7) Brief Peters von Blois an den Papst. „In magnorum discriminum“. (Recueil 16, 649. Migne Nr. 136, S. 404).

8) Radulf de Diceto 1, 367-368. Gervasius von Canterbury 1, 243.

9) Radulf de Diceto 1, 372.

10) Gervasius von Canterbury 1, 245. Die Bischöfe Gilbert von London, Bartholomäus von Exeter und Roger von Worcester hatten auch Briefe mit ähnlichen Verboten bekommen.

11) Vgl. Reuter, Alexander III. 3, 169.

12) Brief Jung Heinrichs an den Papst. „Novimus, Pater venerande“. (Recueil 16, 644-648).

 

 

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versprach, die „Gewohnheiten“ 1) aufzuheben, die Freiheit der kirchlichen Wahl und den geistlichen Gerichtsstand der Kleriker zu achten, das Einkommen aus erledigten Bistümern der Kirche zuzuweisen und Exkommunikationen, Interdikte und Appellationen geschehen zu lassen. Aber weder Versprechungen, noch Drohungen, noch Intriguen 2) halfen, und im folgenden Jahre weihte Papst Alexander eigenhändig Richard zum Erzbischofe von Canterbury zu Anagni 3).

 

Außer daß er sich die Unterstützung der Kirche sicherte, förderte der ältere König auch seine kriegerischen Vorbereitungen. Allerdings nur widerstrebend zog er seine Truppen aus Irland zurück 4) und warb eine Schar von 20 000 Brabanzonen an 5). Obgleich er von den vornehmsten normannischen Edelleuten verlassen worden war, konnte er doch auf die Dienste von Richard du Hommet 6), Richard Fitz Graf 6), Hugo de Beauchamp 7), Heinrich von Neubourg 6), Wilhelm von Courcy 8). Richard von Vernon 6) und Jordan Taisson 6) rechnen. Um seine Stellung noch weiter zu verstärken, berief er an seinen Hof solche Getreue, wie Graf Wilhelm von Essex 9), Graf Wilhelm von Arundel 9), Graf Richard von Striguil 10), Graf Johann von Vendôme 9), Hugo de Lacy 7), Robert de Stuteville 9) und den älteren Saher de Quincy 11). Auch in England, wo die Mehrzahl der Bevölkerung auf seiner Seite Stand, fand er Unterstützung bei den Grafen Hamelin von Warren, Rainald von Cornwall, Wilhelm von Gloucester, Simon von Northampton. Wilhelm von Salisbury und vielen anderen 9).

 

Die Feindseligkeiten brachen auf dem Festlande offen aus, als nach Ostern 140 Mann flandrischer Truppen nahe bei Pacy über die Seine in die Normandie eindrangen. Sie wurden jedoch schleunigst zurückgeworfen und kamen alle bei dem Versuche,

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1) Vgl. oben S. 17.

2) Brief Anonymi ad Anonymum. „Quod eum principibus“. (Recueil 16, 618).

3) Radulf de Diceto 1, 388-389. Gesta 1, 69-70. Gervasius von Canterbury 1, 247.

4) Gerold von Barri 5, 298.

5) Roger von Howden 2, 17.

6) Gesta 1, 51-52. Richard Fitz Graf war ein Vetter des Königs. Über Heinrich von Neubourg vgl. Round, Some English Cruzaders of Richard 1. 478. Er gehörte zu dem treuen Hause von Beauchamp.

7) Gesta 1, 49. Vgl. oben S. 28.

8) Eyton 177. 178.

9) Gesta 1, 51. Über Robert de Stuteville, den Sherif von Yorkshire, vgl. oben S. 41.

10) Radulf de Diceto 1, 375. Gesta 1, 51.

11) Eyton 174.

 

 

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auf ihrem Rückzuge die Seine zu überschreiten. Um 1). Abgesehen von derartigen Scharmützeln wurde vor der Johanniszeit nichts erreicht, außer daß Hugo von Gournay, sein Sohn und 80 Ritter durch den jungen König gefangen genommen wurden. Gournays Burg wurde verbrannt und die Besatzung als Geisel zurückgehalten 2).

 

Ende Juni rückte der junge König von Nordosten mit einer großen Truppenmacht in die Normandie ein, unterstützt durch Pliilippy von Flandern und dessen Bruder Matthäus von Boulogne. Er griff Dorf und Burg von Aumale 3) an. Diese wurden nach so geringer Gegenwehr erobert. daß Graf Wilhelm I. von Aumale in den Verdacht des Einverständnisses mit dem Feinde kam. Er selbst und Graf Simon von Évreux, sowie viele andere fielen in die Hände des Grafen Philipp und wurden als Geiseln gehalten. Der Graf von Aumale gewann möglicherweise seine Freiheit dadurch, daß er auch seine anderen Festungen auslieferte 4). Nach diesem Erfolge belagerten der junge König, seine Brüder und die Grafen Philipp und Matthäus zunächst Driencourt 5). Doon Bardolf und Thomas, sein Bruder, waren mit der Verteidigung betraut, und da sie sich unfähig fühlten, auszuhalten, erbaten und erhielten sie des älteren Königs Erlaubnis, sich zu ergeben. So wurde innerhalb der Zeit von 15 Tagen die Burg Driencourt den Händen des Feindes ausgeliefert. Während der Belagerung wurde jedoch Graf Matthäus am 25. Juli tödlich am Knie verwundet und imfolgedessen die Expedition aufgegeben 6). Graf Philipp führte seine Truppen nach Flandern zurück auf dem Wege über Eu, dessen Graf 7) früher sich selbst und seine Burgen zur Verfügung des jungen Königs gestellt hatte 8).

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1) Radulf de Diceto 1, 367.

2) Radulf de Diceto 1, 369.

3) Dép. Seine-Infér., Arr. Neufchâtel, Kt. Aumale.

4) Gesta 1, 47. Radulf de Diceto 1, 373. Wilhelm von Newburgh 1, 173.

5) Heute Neufchâtel-en-Bray. Dép. Seine-Inférieure, Arr. u. Kt. Neufchâtel.

6) Robert von Torigni 2, 40. Gesta 1, 49. Gislebert § 51. 73. Wilhelm von Newburgh 1, 173-174. Gesch. Wilhelm Marschalls 804--1160, Radulf de Diceto 1, 373. Radulf de Diceto führt das Datum an, an welchem Matthäus von Boulogne verwundet wurde, berichtet aber, daß dies während eines Scharmützels vor Arques nach der Einnahme von Driencourt geschehen sei. Wir glauben, daß das Datum richtig ist, daß sich Radulf aber über den Ort im Irrtum befindet.

7) Vgl. oben S. 24.

8) Robert von Torigni 2, 38.

 

 

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Währenddessen hatte König Ludwig ein großes Her gesammelt, welches 7000 Ritter und Truppen aus Burgund umfaßte 1). Ungefähr am 6. Juli belagerte er Verneuil 2), welches Hugo de Lacy und Hugo de Beauchamp anvertraut worden war 3). Einen ganzen Monat lang setzte er seine Angriffe täglich fort. Doch erreichte er nichts. Die Stadt bestand nämlich außer der Zitadelle aus drei freiliegenden Türmen. Vor den Mauern des hauptsächlichsten, welcher „der große Turm“ oder „der Turm der Königin“ hieß 4), hatte Ludwig seine Truppen aufgestellt. In diesem Turme befand sich eine Menge von Nichtkämpfern. und als sie Not und Mangel litten, baten Sie endlich um einen Waffenstillstand von drei Tagen. Sie versprachen, sich zu ergeben, wenn sie nicht innerhalb der gewährten Zeit Hilfe von dem älteren König erhielten. Unter diesen Bedingungen gab Ludwig sein Ehrenwort, daß sie keinen Schaden leiden sollten und ließ sich Geiseln stellen. Der gleichfalls anwesende Jung Heinrich 5), Erzbischof Wilhelm von Sens, Pfalzgraf Heinrich von Troyes und die Grafen Robert von Dreux und Theobald von Blois beschworen zugleich mit Ludwig den Vertrag.

 

Indessen zog König Heinrich mit einer Truppenmacht von mehr als 10000 Brabanzonen zum Entsatz von Verneuil heran, und am 6. August, dem Anfangstag des Waffenstillstandes, schlug er sein Lager in Conches auf 6). Hier blieb er noch einen Tag, um auf Verstärkungen zu warten. Am 8. rückte er bis Breteuil vor 7). Unterstützt von den Führern seines Heeres zog er seine Soldaten in Schlachtstellung nahe bei Verneuil zusammen. Graf Wilhelm von Arundel ermahnte das Heer zur Treue, worauf die Soldaten alle sich bereit erklärten, für den König in den Kampf zu gehen.

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1) Radulf de Diceto 1, 372. Annalen von Saint-Aubin 37.

2) Dép. Eure, Arr. Évreux, Kt. Verneuil.

3) Bezüglich der Belagerung von Verneuil (S. 28 29) folgen wir hauptsächlich den Gesta 1, 49 55.

4) Radulf de Diceto 1, 374.

5) Roger von Howden 2, 19,

6) Er wurde von Erzbischof Rotrod von Rouen bogleitet, von vielen Bischöfen und auch von Wilhelm von Essex und Richard von Striguil (Radnulf de Diceto 1, 375). Später hatte er auch Wilhelm von Arundel, Johann von Vendôme, Richard du Hommet, Richard Fitz Graf, Richard von Vernon, Jordan Taisson und Heinrich von Neubourg bei sich (Gesta 1, 51--52). Conches liegt im Dép. Eure, Arr. Évreux.

7) Breteuil war eine Burg des Grafen Robort von Leicester, aber bei der Flucht ihres Besitzers vor König Heinrich fiel sie in die Hände des Königs und wurde niedergebrannt (Roger von Howden 2, 50). Breteuil, Dép. Eure, Arr. Évreux.

 

 

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König Ileimrich forderte Ludwig auf, die Belagerung von Verneuil aufzuheben. Dieser hörte die Aufforderung zuerst mit Verachtung an 1). Dann aber schickte er den Erzbischof Wilhelm von Sens und die Grafen Robert von Dreux 2) und Theobald von Blois in das englische Lager; er ließ einen Waffenstillstand von 24 Stunden und eine Besprechung für den nächsten Tag vorschlagen. Heinrich nahm an und zog sich in sein Lager zu Conches für die Nacht zurück. Am 9. August, dem Schlußtag des Waffenstillstandes zwischen Ludwig und den Verteidigern des „großen Turmes“, war König Heinrich in Breteuil, dem für die Besprechung bestimmten Ort, und wartete da bis drei Uhr nachmittags, als Rauch und Flammen in der Richtung von Verneuil ihn Verrat fürchten ließen. Bald erhielt er die Bestätigung seines Verdachtes. Ludwig hatte verräterischerweise den Turm eingenommen, ihn in Flammen gesetzt und seine Verteidiger und die Geiseln als Gefangene fortgeführt. Daraufhin verfolgte Heinrich Ludwig scharf und brachte den Franzosen große Verluste bei 3). Nachdem er das französische Lager geplündert hatte 4), kehrte er mit seinen Leuten für die Nacht nach Verneuil zurück. Am nächsten Tag zog er nach Rouen ab und nahm unterwegs die Burg Damville 5), welche dem Gilbert von Tillières gehörte.

 

Von Rouen aus schickte König Heinrich seine Brabanzonen nach der Bretagne 6), um dort die Aufständischen niederzuwerfen. Die Hauptführer der Rebellen waren Radulf von Fougères und Graf Hugo von Chester. Am 20. August standen sich die Brabanzonen und die Rebellen bei Dol gegenüber 7), und nach einem kurzen Kampf wurden die Aufständischen vernichtet. 1500 Bretagner blieben tot auf dem Felde 8), und 17 Ritter wurden gefangen genommen 9). Radulf von Fongères und Graf Hugo von Chester, an der Flucht gehindert, mußten sich in die Burg von Dol retten, worauf die königlichen Truppen sogleich die Festung belagerten und dem Könige Meldung über ihre Stellung machten 9). Als am nächsten Abend die Meldung von der Belagerung der Burg nach Rouen kam, machte sich Heinrich sofort wieder auf

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1) Wilhelm von Newburgh 1, 174.

2) Roger von Howden 2, 50 nennt den Pfalzgrafen Heinrich von Troyes anstatt des Grafen von Dreux.

3) Wilhelm von Newburgh 1, 175.

4) Radulf de Diceto 1, 375.

5) Dép. Eure, Arr. Évreux.

6) Gesta 1, 56. Vgl. La Borderie 3, 277-278.

7) Gesta 1, 56-57.

8) Roger von Howden 2, 51.

9) Robert von Torigni 2, 43.

 

 

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den Weg 1) und erreichte über Tinchebray Dol am 23. Angust 2). Drei Tage später ergab sich die Burg. Jetzt hatte der König die Rebellenführer in seiner Hand. Sowie ungefähr 100 Edelleute 3). Doch er übte die größte Milde, und selbst Radulf von Vougères erhielt seine Freiheit und seinen Besitz zurück, nachdem er seine zwei Söhne, Juhel und Wilhelm, als Geiseln gestellt hatte.

 

Da die Fortsetzung der Feindseligkeiten auch die Stellung des Papstes und die der Kirche gefährdete, wünschte Papst Alexander III. sehr, eine Versöhnung zwischen König Heinrich, seinen Söhnen und König Ludwig herbeizuführen. Eine Einigung Heinrichs und Ludwigs lag durchaus in seinem Interesse, da er einerseits selbst beider Unterstützung in seinen Kämpfen gegen den deutschen Kaiser Friedrich I. bedurfte, andererseits ihm auch im Anbetracht der Gefahren, welche den morgenländischen Christen durch die Ungläubigen drohten, eine Versöhnung zwischen den beiden Königen herbeizuführen vonnöten schien 5). Deshalb sandte er den Erzbischof Peter von Tarantaise als Vermittler zwischen den feindlichen Parteien ab. Der Abt Alexander von Citeaux schloß sich ihm für diese Sendung an 6). Es kam auch schließlich eine Besprechung über den Friedensschluß zustande, welche am 25. September zu Gisors stattfand 7).

 

Hier bot Heinrich in Gegenwart der Geistlichkeit und der Edlen aus beiden Reichen dem jungen Könige an: die Hälfte der Einkünfte aus England mit vier Burgen, wenn er dort wohnen wolle, oder die Hälfte der Einkünfte aus der Normandie mit sämtlichen Einkünften aus Anjou, Maine und Touraine und drei Burgen in der Normandie, eine in Anjou, eine in Maine und eine im Touraine, wenn er eine Hofhaltung auf dem Festlande vorzöge. Prinz Richard sollte die Hälfte der Einkünfte aus Aquitanien nehmen mit vier Burgen, und Prinz Gottfried die Bretagne, den erblichen

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1) Gesta 1, 57. Radulf de Diceto, 1. 378. Robert von Torigni 2, 43, Normam. nova chron. 12. Der König reiste wahrscheinlich in derselben Nacht nach Dol ab.

2) Radulf de Diceto 1, 378. Gesta 1, 57.

3) Gesta 1, 57--58. Willlieclm von Newburgh 1, 176. Annalen von Saint-Aubin 37.

4) Robert von Torigni 2, 44. Jordan Fantosme 228–232.

5) Vgl. Brief des Papstes an Heinrich, den Erzbischof von Reims, zum 28. August 1173. „Cum de discordia“. (J.-Löw. 2 Nr. 12236. Rec. 15, 937). Auch Brief vom Papst an den Erzbischof von Reims. „Non sine gravi“. (J.-Löw. 2 Nr. 12247. Rec. 15, 938).

6) Robert von Torigni 2, 49. Vgl. Reuter, Alexander III. 3, 176 178.

7) Gesta 1, 59. Roger von Howden 2, 53.

 

 

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Besitz seiner derzeitigen Braut Konstanze, erhalten. Sobald seine Vermählung mit ihr vollzogen wäre. Sich selbst gab Heinrich vollständig in die Hände der päpstlichen Vertreter, indem er nur die königliche Macht zu regieren und die Rechtssprechung für sich beanspruchte 1). Eine solche schnelle Versöhnung zwischen Hemrich und seinen Söhnen sah aber König Ludwig ungern, insbesondere deshalb, weil die Stellung der Söhne nicht völlig unabhängig von ihrem Yater war. Weitere Verhandlungen mußten aber für diesen Tag abgebrochen werden, da der mitanwesende Graf Robert von Leicester seinen Groll gegen den König Heinrich offen kundgab und nur durch die ihm zunächst Stehenden davon abgehalten wurde. ihn zu schlagen 2). Am nächsten Tage wurden die Verhandlungen zwischen Gisors und Trie wieder aufgenommen, erwiesen sich aber gleichfalls als erfolglos. Am Schlusse der Besprechung fand sogar ein Handgemenge zwischen den Rittern beider Parteien statt 3).

 

Mittlerweile hatte auch der Aufstand im England um sich gegriffen und große Opfer an Gut und Blut gefordert.

 

Frühzeitig im Juni hatten Graf Robert von Leicester und Wilhelm von Tancarville, der Kämmerer der Normandie, Erlaubnis von den Großrichtern in England erhalten, sich mit König Heinrich in der Normandie zu vereinigen, waren aber unmittelbar nach der Landung zu dem Feinde übergegangen 4). Infolge dieses Verrates wurde dem Grafen Rainald von Cornwall und Richard de Lug befohlen, die Stadt Leicester zu belagern 5). Am 3. Juli begann der Angriff. Als ein Teil der Mauern unterminiert worden war 6) und da gerade überdies eme große Feuersbrunst in der Stadt wütete, baten die Einwohner um Frieden. Am 28. Juli erfolgte die Übergabe der Stadt. Die Bürger mußten eine Strafsumme von 300 Pfund zahlen. Im übrigen wurde ihnen volle Freiheit gewährt, sich in des Königs Gebieten anzusiedeln, wo sie nur wollten. Die Stadt selbst sank in Schutt und Asche, und ihre Befestigungen wurden geschleift 7). Die Burg jedoch blieb unversehrt und die Besatzung schloß einen Waffenstillstand bis Michaelis 8).

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1) Gesta 1, 59. Roger von Howden 2, 53.

2) Roger von Howden 2, 54.

3) Gesta 1, 60.

4) Radulf de Diceto 1, 371. Vgl. Norgate 2, 143 und Anm. 1.

5) Radulf de Diceto 1, 376.

6) Matthäus Paris, Hist. Anglorum 1, 378.

7) Radulf de Diceto 1, 376. Vgl. Pipe Rolls (Society) 26, 29.

8) Gesta 1, 58. Radulf de Diceto 1, 376. Bezüglich der Belagerung von Leicester vgl. Pipe Rolls (Society) 19, 33. 58. 107. 156. 163. 178.

 

 

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Während des Beginnes der Feindseligkeiten war König Heinrich nach England gekommen, und obgleich sein Aufenthalt nur kurze Zeit gedauert hatte, trug er ohne Zweifel viel dazu bei, die Treue der Untertanen des Königs zu stärken 1).

 

Auch im Norden Englands tobte der Kampf. König Wilhelm von Schottland hatte in der Hoffnung, die ihm von Jung Heinrich auf der Versammlung zu Paris 2) zugedachten Vorteile zu erlangen, sich seiner Partei angeschlossen. Jedoch hatte er zuvor dem älteren Heinrich seine Dienste angeboten, für die er allerdings die Grafschaft Northumberland als Entschädigung gefordert hatte 3). Auf eine ablehnende Antwort hin hatte er sich sodann, wie gesagt, Jung Heimrich zugewendet und ihm durch seine Gesandten Wilhelm de St. Michel und Robert de Husevile seine Bereitwilligkeit, ihm beizustehen, erklärt und um Unterstützung durch eine Abteilung flandrischer Truppen gebeten. Jung Heinrich, König Ludwig und Graf Philipp von Flandern hatten die Gesandten herzlich empfangen, und die Bitten König Willielhms waren gern gewährt worden. Eine Urkunde über die Vereinbarung war aufgesetzt, gesiegelt und den Gesandten zur Ablieferung in Schottland übergeben worden. Nach Empfang dieser Urkunde sammelte Wilhelm seine Streitkräfte zu Caldenlea 4). Hier kamen große Scharen aus Moray, Ross und Galloway zusammen. Der Graf Colban von Fife 5) und der Graf Gilibrede von Angus erschienen ebenfalls, der letztere mit 3000 Schotten unter seinem Befehle.

 

Nach diesen Vorbereitungen zog König Willhelm über die Grenze nach England und wendete sich zuerst gegen die Burg von Wark 6). Er bewilligte aber törichterweise dem Konstabler derselben, Roger d'Estuteville, einen Waffenstillstand von 40 Tagen, wodurch es diesem möglich gemacht wurde, die Burg unbedenklich in der Obhut ihrer Besatzung zurückzulassen und persönlich Hilfe herbeizuholen. Er kehrte wider Erwarten an der Spitze einer großen Truppenzahl zurück, worauf Wilhelin von der Burg abzog und nach Alnwick 6) rückte. Hier traf er auf einen so hartnäckigen

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1) Pipe Rolls (Society) 19, 33. Es ist möglich, daß Richard de Luci nach der Normandie hinüberfahren wollte, um mit dem Könige zu sprechen. Val. Pipe Rolls (Society) 19, 55. Aber Heinrich hielt es anscheinend für ratsamer, selbst nach England zu kommen.

2) Vgl. oben S. 23.

3) Bezüglich des Feldzuges Wilhelms von Schottland im Jahre 1173 (S. 32--33) folgen wir Jordan Fantosme 246--832.

4) Wahrscheinlich Caldenlea in der Grafschaft Selkirk (J. Fantosme 469 und Howletts Anm. 1).

5) J. Fantosme 473 und Howletts Anm. 1.

6) Grafschaft Northumberland.

 

 

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Widerstand des Konstablers dieser Burg, Wilhelm de Vesci, daß er gezwungen war, sich sogleich zurückzuziehen. Sodann versuchte König Wilhelm einen Angriff auf Newcastle, erkannte aber die Unmöglichkeit, ohne Hilfe von Belagerungsmaschinen die Burg zur Übergabe zu zwingen. So führte er denn auf den Rat seiner Yerbündeten seine Truppen nach Carlisle. Er hätte auf dem Wege gern die Burg von Prudhoe 1) zerstört, sein Gefolge aber verweigerte mit Ausnahme der Flamländer die Einwilligung zu diesem Vorschlage. Mit starker Heeresmacht kam er vor den Toren von Carlisle an, welches der Obhut des Robert de Vaux anvertraut war. Auch hier gelang es ihm nicht, einen Erfolg davonzutragen, und deshalb zog er sich, als er von einem wandernden Canonicus erfahren hatte, daß Richard de Luci und Humfried de Bohun nordwärts vorrückten, wenn auch widerstrebend, bei Nacht nach Roxburgh zurück. Die englischen Führer verfolgten ihn über die Grenze nach Schottland und verwüsteten das Land weit und breit 2). Die Stadt Berwick wurde niedergebrannt, aber die Kunde von der Landung des rebellischen Grafen Robert von Leicester mit vielen Truppen in Suffolk ließ es Richard de Luci und Humfried de Bohun wünschenswert erscheimen, sich über Friedensbedingungen mit dem König Wilhelm zu einigen, ehe die Nachricht von der Landung des Grafen das schottische Lager erreichen konnte 3). Da Wilhelm des Kampfes müde war 4), kam ein Waffenstillstand zustande, und König Wilhelm machte sich verbindlich, ihn bis zum 13. Januar 1174 zu halten 5).

 

Indessen eilte Humfriel de Bohun nach Süden, um dem Grafen Robert von Leicester entgegenzutreten. Gleich nach den fruchtlosen Versuchen zu Gisors, eine Verständigung herbeizuführen 6), sandten Jung Heinrich und Ludwig den Grafen von Leicester mit einem Heere nach England, um dort einzufallen 7). Dieser landete mit einer großen Anzahl flandrischer Truppen 8)

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1) Grafschaft Northumberland.

2) Wilhelm von Newburgh 1, 177. Radulf de Diceto 1, 376.

3) Gesta 1, 61. Roger von Howden 2, 54.

4) Radulf de Diceto 1, 376.

5) Gesta 1, 61. Radnulf de Diceto 1, 376. Wilhelm von Newburgh 1, 177.

6) Vgl. oben S. 30--31.

7) Gesta 1, 60.

8) Außer der Hauptmacht der Flamländer, welche hauptsächlich aus Webern bestand, hatte Graf Robert Truppen aus Frankreich, Picardie und der Normandie (Jordan Fantosme 948. 998. 10801--1003. Gervasius von Canterbury 1, 246. Radnulf de Diceto 1, 378).

 

 

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ungefähr am 18. Oktober in Walton (Suffolk) 1). Ohne Zögern schritt er zum Angriff auf die König Heinrich treue Burg der Stadt 2), aber obgleich er die Hilfe des Grafen Hugo Bigot von Norfolk hatte, wurde er doch nach vier Tagen gezwungen, sich zurückzuziehen 3). Nach einem kurzen Besuche in Hugo Bigots Burg zu Framlingham 4) belagerte er Haughley 5), eine Burg, welche durch Radulf de Broc für den König Heinrich besetzt worden war. Innerhalb vier Tagen war sie in seinen Händen 6). Gern würde er sich nach seinen Besitzungen in Mittelengland gewendet haben. aber als er hörte, daß eine große Truppenmenge König Heinrichs sich zu Bury St. Edmunds versammelt habe, kehrte er sofort nach Framlingham zurück 7). Endlich jedoch fiel seine oder seiner Umgehung Gegenwart seinem Wirte, dem Grafen Hugo Bigot, lästig. Dieser schlug ihm vor, daß er doch nach seiner eigenen Heimat ziehen solle. Zuerst zögerte er, aber im Vertrauen auf die große Zahl seiner Leute und auf die versprochene Hilfe des Grafen Robert de Ferrers wagte er den Zug nach der Stadt Leicester 8). Er versuchte den Feinden auszuweichen, indem er ein wenig nördlich von Bury St. Edmunds vorbeiging, jedoch wurde er in dem Dorfe Fornham St. Geneveve durch die königlichen Truppen unter dem Befehl Humfrieds de Bohun und der Grafen Wilhelm von Arundel, Rainald von Cornwall und Wilhelm von Gloucester überrascht 9). Der Verlust an Menschenleben war sehr groß, da nach einem im Anfang für ihn günstigen Kampfe Graf Robert besiegt und sein Heer aufgerieben wurde. Unter den Keulen des Landvolkes, das sich auf das Schlachtfeld gedrängt

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1) Gesta 1, 60. Radnulf de Diceto 1, 377 gibt das Datum als den 29. September. Aber es ist kaum wahrscheinlich, daß der Graf von Leicester am 25. September zu Gisors gewesen sein kann (vgl. oben S. 31) und am 29. September zu Walton. Die Daten der Gesta für des Grafen Robert Feldzug in England scheinen daher mehr Wahrscheinlichkeit für die Echtheit zu bieten.

2) Walton war eine jener Burgen, welche ausgebessert und mit Lebensmitteln versehen worden waren. Vgl. Pipe Rolls (Society) 19, 131.

3) Radulf de Diceto 1, 377.

4) Grafschaft Suffolk.

5) Grafschaft Suffolk,

6) Nach den Gesta 1, 60) war Haughley gleich nach dem 1. November angegriffen worden. Radulf de Diceto 1, 377 gibt als Datum der Übergabe der Burg den 13. Oktober.

7) Gesta 1, 61. Radulf de Diceto 1, 377.

8) Radulf de Diceto 1, 377. Wilhelm von Newburgh 1, 178. Jordan Fantosme 953--1001.

9) Gesta 1, 61, Radulf de Diceto 1, 377. Jordan Fantosme 1038--1057. Fornham St. Geneveve liegt vier englische Meilen nördlich von Bury St. Edmunds.

 

 

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hatte, fielen viele, welche dem Schwert der Ritter entgingen 1). Eine Anzahl ertrank bei dem Versuche, sich in Sicherheit zu bringen, in den in der Nähe befindlichen Flüssen 2). Von den Überlebenden glückte es einigen, zu entwischen. Viele aber wurden gefangen genommen. Unter den letzteren waren die hervorragendsten Graf Robert selbst, seine Gemahlin und Hugo von Châteauneuf-en-Thymerais 3). Die vornehmsten Gefangenen wurden danach auf König Heinrichs Befehl nach der Normandie geschickt, der Graf und die Gräfin von Leicester nach Falaise 4).

 

Um jedoch die Ordnung völlig wiederherzustellen und den Sieg vollständig zu machen, war es noch notwendig, den Grafen Hugo Bigot zur Unterwerfung zu bringen. Dieser hatte nämlich noch eine große Anzahl von flandrischen Truppen in seinem Solde. Zu Colchester, Bury St. Edmunds und Ipswich wurden königliche Truppen für diesen Zweck zusammengezogen, aber Bigot trug Bedenken, einen Kampf zu wagen und erkaufte sich vorläufig einen Waffenstillstand bis zum Mai 1174. Seinen Söldnern wurde freies Geleit nach Dover bewilligt, von wo aus sie auf des Königs Kosten nach ihrer Heimat eingeschifft wurden 5).

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1) Jordan Fantosme 1086--1091. Über die Zahl von Kämpfern sind die Autoritäten verschiedener Meinung. Nach Wilhelm von Newburgh 1, 179 hatte Graf Robert 80 auserwählte Reiter und 4- oder 5000 Mann Fußvolk. Nach Radulf de Diceto 1, 377 hatte er 3000 Flamländer und viele Ritter. Die Gesta 1, 61 sagen, daß Humfried de Bohuns Heer 300 Söldner umfaßte. Was die Toten anbetraf, der Verfasser der Gesta 1, 62 sagt mehr als 10000 Flamländer; Gervasius von Canterbury 1, 246, 3000 Flamländer.

2) Radulf de Diceto 1, 378. Die Gräfin Petronilla von Leicester, welche ihren Gemahl auf diesem Zug begleitet hatte, versuchte sich zu ertränken, wurde aber noch rechtzeitig gerettet. Jedoch verlor sie ihre Ringe oder warf sie vielleicht absichtlich weg, damit sie nicht in die Hände der Feinde fallen sollten. (Jordan Fantosme 1070--1077. Matthäus Paris, Chron. majora 2, 290).

3) Gesta 1, 62. Radulf de Diceto 1, 378. Jordan Fantosme 1082--1083. Châteauneuf-en-Thymerais liegt im Dép. Eure-et-Loir, Arr. Dreux.

4) Gesta 1, 62. Roger von Howden 2, 55. Pipe Rolls (Society) 21, 125. 136. Als Datum der Schlacht bei Fornham gibt das Cotton MS. von Radulf de Diceto 1, 378 den 16. November, das Lambeth MS. von Radulf de Diceto dagegen den 17. Oktober an. Der Verfasser der Gesta 1, 60 gibt für den Angriff auf Haughley als Zeit die dem 1. November unmittelbar folgende an und stellt fest, daß die Schlacht bei Fornham am 16. Oktober (17. Kal. Nov.) stattfand. Bei Bestimmung des Datums der Schlacht bei Fornham ist aber zweifellos ein Fehler in den Gesta untergelaufen, da der Angriff anf Haughley früher erfolgt ist als die genannte Schlacht. Man geht deshalb richtig, wenn man an Stelle des in den Gesta genannten 17. Kal. des Nov. 17. Kal. des Dez. liest. Tut man dieses, so fällt das Datum auf den 15. Nov. (17. Kal. Dez.). Dieses Datum wiche von dem durch Radulf de Diceto (Cotton MS.) angegebenen Datum nur um einen Tag ab. Daher scheint es, daß das Datum der Schlacht bei Fornham der 15. oder 16. November ist.

5) Radulf de Diceto 1, 378.

 

 

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Unterdessen war zu dieser Zeit auf dem Festlande eine Art von Raubkrieg im Gange unter Führung von gewissen Baronen, welche, da sie ihres Besitzes beraubt waren, Zuflucht in den Wäldern gesucht hatten. Aus ihren Schlupfwinkeln heraus raubten und plünderten sie, wo Sie nur konnten 1). Jedoch tat dies dem König Heinrich wenig Abbruch, und das Glück blieb ihm auch weiter treu. Nachdem er Anfang November die Loire überschritten hatte, ergaben sich ihm die aufständischen Burgen Champigny 2), La Haye 3) und Preuilly 4), so daß er sich Ende des Monats nach dem Norden zurückwenden konnte 5).

 

Der Krieg im Jahre 1174.

 

Anfang Januar 1174 griff Jung Heinrich in Gemeinschaft mit den Grafen Theobald von Blois, Rotrou von Perche, Johann von Alençon und ungefähr 500 Rittern die Stadt Sées in der Normandie an. Die Bürger aber verteidigten sich so tapfer, daß der Angriff völlig mißlang 6). Hierauf folgte zwischen König Heinrich und König Ludwig ein Waffenstillstand, welcher bis Ende März andauerte 7).

 

Während dieser Zeit war Prinz Richard nach Aquitanien gegangen, um die Rebellen zu ermutigen; deren Führer aber waren über ihre Pläne nicht einig. Auch fand er viele andere noch dem Könige treu, und die Stadt La Rochelle verweigerte ihm die Aufnahme 8).

 

Am 30. April führte König Heinrich seine Truppen, unter denen sich Mannschaften des Alfred de Vavaci und des Gottfried d'Esturmi befanden, gegen Aquitanien. Auf dem Marsche bezeugten ihm die Einwohner von Maine und Anjou ihre Treue. Pfingsten (12. Mai) war er in Poitiers. Von hier aus ging er zum Entsatze von Saintes vor, welches noch von den Rebellen für Richard gehalten wurde. Die Burg am Eingang der Stadt fiel ihm bald in die Hände, ebenso die im Innern der Stadt. Auch die Kathedrale war befestigt worden, aber sie wurde schnell eingenommen. und ungefähr 60 Ritter und 400 Bogenschützen ergaben

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1) Robert von Torigni 2, 16.

2) Dép. Indre-et-Loire, Arr. Chinon, Kt. Richelieu.

3) La Haye-Descartes, Dép. Indre-et-Loire, Arr. Loches.

4) Dép. Indro-et-Loire, Arr. Loches.

5) Gesta 1, 63.

6) Radulf de Diceto 1, 379.

7) Gesta 1, 64. Gervasius von Canterbury 1, 216.

8) Richard von Poitou, Rec. 12, 421. Vgl. Alfred Richard, Histoire des comtes de Poitou 2, 174 und Anm. 2.

 

 

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sich der Gnade des Königs 1). Heinrich kehrte hierauf nach dem Norden zurück, ohne Richard, welcher sich in den Schutz der Burg Taillebourg begeben hatte 2), anzugreifen, da er dies für unrätlich hielt. Vor seinem Abmarsche gab er aber Aquitanien in den Schutz von sechs zuverlässigen Edelleuten 3). Auf dem Rückmarsche nahm er ungefähr am 11. Juni Ancenis 4) in Besitz und zog dann in die Normandie 5).

 

Da seine sofortige Rückkehr nach England in Anbetracht, der dort herrschenden Wirren wünschenswert schien, berief er für den 24. Juni einen Rat nach Bonneville. Hierher kam Richard, der erwählte Bischof von Winchester, mit Botschaften Richards de Luci, welche den König dringend ersuchten, zur Unterstützung seiner treuen Untertanen nach England zu eilen. Heinrich schickte an Richard de Luci die Antwort, daß er innerhalb von 15 Tagen dort sein werde 6). Er suchte die Überfahrt so schnell wie möglich zu bewerkstelligen, zumal er auch von dem Einfall in England, welchen Jung Heinrich plante, gehört hatte.

 

Kurz vorher hatten bei einer Beratung in Paris die Grafen Philipp von Flandern, Theobald von Blois und Radulf von Clermont, welche mit gewissen englischen Edelleuten in Verbindung standen, geschworen, ungefähr am 24. Juni nach England zu ziehen und das Land für Jung Heinrich zu unterwerfen 7). Ihre Streitkräfte hatten sich zur gegebenen Zeit in Gravelines versammelt, aber widrige Winde hatten die Einschiffung verzögert 8). So gelang es dem älteren Könige, ihnen zuvorzukommen. Er eilte zur Küste, nachdem er Befehle zur besseren Befestigung der Grenzburgen für den Fall eines Einfalles des Königs Ludwig in die Normandie gegeben hatte 9). Yon Barfleur aus fuhr er am 8. Juli mit seiner Gefolgschaft nach England ab. Zu dieser gehörten die zwei Königinnen, Eleonore und Margarete, Adelaide 10) und Konstanze 11) die Verlobten der Prinzen Richard und Gottfried

 

1) Gesta 1, 71. Radulf de Diceto 1, 379--380.

2) Annalen von Saint-Aubin 38. Taillebonrg liegt im Dép. Charente-Inférieure, Arr. St. Jean-d'Angély, Kt. St.-Savinien.

3) Radnlf de Diceto 1, 380.

4) Dép. Loire-Infér., Arr. Ancenis.

5) Gesta 1, 71. Radulf de Diceto 1, 379-380.

6) Radulf de Diceto 1, 379-380. Jordan Fantosme 1538--1653. Gesta 1, 72.

7) Gesta 1, 71. Radulf de Diceto 1, 381. Robert von Torigni 2, 50.

8) Gesta 1, 71. Roger von Howden 2, 61.

9) Robert von Torigni 2, 50.

10) Tochter Ludwigs VII. von Frankreich. Sie wurde im Jahre 1169 mit Richard verlobt (Gervasius von Canterbury 1, 208).

11) Vgl. oben S. 31.

 

 

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Prinz Johann, Prinzessin Johanna, Graf Hugo von Chester und Graf Robert von Leicester mit seiner Gemahlin. Die Aussicht auf eine günstige Überfahrt schien zuerst zweifelhaft, und Heinrich gab sich vollständig in Gottes Hand. Jedoch noch vor Anbruch der Nacht landete er sicher im Southampton 1).

 

Die Lage in England war in der Tat kritisch, aber der schlimmste Sturm war schon vorüber.

 

Im Januar war Bischof Hugo von Durham, der in der Öffentlichkeit als Anhänger des älteren Heinrich galt, im geheimen aber sein Feind war, als welcher er sich auch bald offen zeigte, mit König Wilhelm von Schottland zusammengetroffen und hatte erreicht, daß der zwischen König Wilhelm und Richard de Luci geschlossene Waffenstillstand bis zum Ende des März verlängert wurde, ohne jedoch ermächtigt zu sein, einen derartigen Vertrag abzuschließen. Er erlangte dieses durch das Versprechen von 300 Mark, welche aus den Ländern der Barone von Northumberland bezahlt werden sollten 2). Der wirkliche Zweck des verlängerten Waffenstillstandes war lediglich, Zeit zu gewinnen und einen allgemeinen Aufstand zu erregen. Die Verbindungen zwischen Norden und Süden wurden bald durch eine ansehnliche Reihe von Befestigungen der Rebellen unterbrochen. Chester wurde durch die Leute des Grafen Hugo gehalten: Dunham 3) durch Hamo de Massey; Stockport 3) durch Gottfried von Contances; Tutbury 4) und Duffield 5) durch den Grafen Robert de Ferrers; Leicester, Groby 5) und Mount Sorrell 6) durch die Leute des Grafen Robert von Leicester; Kinardferry 7), Kirby Malzeard 8) und Thirsk 8) durch Roger de Mowbray, und Northallerton 8) und Durham durch den Bischof Hugo.

 

Wilhelm von Schottlands Burgen waren von diesen durch eine Kette von königlichen Burgen getrennt, welche er kurz nach dem Ende des Wattenstillstandes zu brechen versuchte. Er schickte seinen Bruder David nach Leicester. um sich dort mit den Rebellen zu vereinigen. Er selbst zog gegen die Burg von Wark hin 9). Seine Anstrengungen, die Besatzung zur Ergebung

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1) Gesta 1, 72. Radnulf de Diceto 1, 382.

2) Gesta 1, 61.

3) Grafschaft Chester.

4) Grafschaft Stafford.

5) Grafschaft Derby.

6) Grafschaft Leicester.

7) Grafschaft Lincoln.

8) Grafschaft York.

9) Bezüglich des Feldzuges Wilhelms von Schottland (S. 38--39) vgl. Jordan Fantosme 1108--1512.

 

 

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zu bringen. mißlangen, andererszeits aber gelang es seinen Leuten, Bamborough 1) zu überrumpeln, von wo sie zu dem Angriff auf Belford 1) übergingen. Eine ausgedehnte Plünderung des ganzen Bezirkes folgte. Schließlich kehrte die verwüstende Armee mit ihrer Beute nach Berwick zurück. Ein zweiter Angriff auf Wark wurde geplant, aber wieder erwies sich der Konstabler dieser Burg, Roger de Stuteville, mit seinen 20 Rittern als den Gegnern weit überlegen. König Wilhelm verlor viele seiner Mannschaften und versuchte vergeblich, Feuer an die Festung zu legen. Endlich zog er sich nach Schottland zurück.

 

Jetzt traf Roger de Mowbray mit dem König Wilhelm zusammen nnd beschwor ihn, den Feldzug fortzusetzen. Infolgedessen zog König Wilhelm wieder über die Grenze nach England und warf seine Streitkräfte gegen die Stadt Carlisle. Trotz Versprechungen und Drohungen blieb der Kommandant, Robert de Vaux, fest und weigerte sich, die Stadt aufzugeben. Wilhelm ließ nunmehr nur einen Teil seines Heeres vor den Mauern dieser Stadt stehen, mit dem Rest eroberte er in kurzer Zeit 2) die Burgen von Liddel 3), Warkworth 1), Harbottle 1), Appleby 4) und Brough 4).

 

Während dieser Zeit waren die englischen Rebellen nicht untätig geblieben, auch wurden sie noch weiter durch Jung Heimrich ermutigt, welcher seine Stellung durch Versprechungen und Drohungen zu verstärken suchte 5).

 

Ende Mai führte Graf Robert von Leicesters Konstabler, Anketill Mallore, seine Ritter gegen Northampton. Die Bürger dieser Stadt wurden in einem Kampfe außerhalb der Wälle geschlagen, und 200 von ihnen fielen dem Feinde in die Hände 6).

 

Ungefähr um dieselbe Zeit vereinigte sich Graf Robert de Ferrers mit den Rittern von Leicester zu einem Angriff gegen Nottingham. Die Stadt wurde nach kurzem Widerstande genommen und die Verteidiger niedergemacht oder als Gefangene fortgeführt 7).

 

Am 15. Mai landeten 318 auserwählte flandrische Ritter, welche Graf Philipp von Flandern den Aufständischen zur Hilfe geschickt hatte, in Ostengland, und zwar in der Mündung des Orwell, und stellten sich unter Hugo Bigots Befehl. Ein Angriff

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1) Grafschaft Northumberland.

2) Gesta 1, 65. Wilhelm von Newburgh 1. 182.

3) Grafschaft Roxburgh.

4) Grafschaft Westmoreland.

5) Wilhelm von Newburgh 1, 180.

6) Gesta 1, 68. Yal. Pipe Rolls (Society) 21, 52- 56.

7) Gesta 1, 69.

 

 

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auf Dunwich 1) mißlang, aber Norwich wurde am 18. Juni eingenommen durch den Verrat, eines Lothringers. Die Stadt wurde sodann geplündert und niedergebrannt 2).

 

Aber auch die Partei des Königs regte sich kräftig. Am 5. Mai nahm der treugebliebene Bastard König Heinrichs, Gottfried, der erwählte Bischof von Lincoln, Roger de Mowbrays Burg von Kinardferry ein und zerstörte sie vollständig 3). Von hier zog er nordwärts und erhielt in York durch den dortigen Erzbischof Roger Zuzug. Mit ihren vereinigten Streitkräften belagerten sie Mowbrays Burg von Kirby Malzeard und zwangen sie schnell zur Übergabe 4). Die Festung wurde unter dem Schutze des Erzbischofs Roger gelassen, während die Burg von Topecliffe, welche Gottfried als Gegenfestung zu Mowhbrays Burg von Thirsk errichtete, Wilhelm de Stuteville 5), einem Anhänger des Königs, anvertraut wurde 6). Währenddessen hatte Richard de Luca die Belagerung von Huntingdon, welches David von Schottland, dem Bruder König Wilhelms, gehörte, am 8. Mai begonnen 7). Die Burg widerstand jedoch allen Anstrengungen, sie einzunehmen. Deshalb übergab Richard de Luci die Leitung der Belagerung dem Grafen Simon von Northampton. Graf Simon nämlich hatte ein besonderes Interesse an der Einnahme der Festung, weil sie den Mittelpunkt der Grafschaft Huntingdon bildete, auf welche er, ebenso wie David von Schottland, behauptete einen Anspruch zu haben, und welche ihm König Heinrich zugesichert hatte, falls er sie zur Unterwerfung brächte 8).

 

Der entscheidende Schlag in diesem ganzen Kriege sollte aber erst noch geführt werden. Als Robert de Vaux in Carlisle die Nachricht von dem Falle der Burgen Appleby und Brongh erhalten hatte, schickte er9 sofort Boten an Richard de Luci und benachrichtigte ihn von seiner gefährdeten Lage 9). Richard de Luci beschwor ihn, Treue zu halten und benachrichtigte ihn von

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1) Grafschaft Suffolk.

2) Gesta 1, 68. Radulf de Diceto 1, 381. Fälschlicherweise verlegen Jordan Fantosme 845-897 und Wilhelm von Newburgh 1, 178 die Einnahme von Norwich und den Widerstand von Dunwich in das Jahr 1173.

3) Gesta 1, 68. Radulf de Diceto 1, 379.

4) Gerold von Barri 4, 365-367.

5) Der Sohn Roberts de Stuteville, des Sherifs von Yorkshire. Vgl. oben S. 41.

6) Gesta 1, 69. Vgl. Pipe Rolls (Society) 21, 63; 22, 165.

7) Radulf de Diceto 1, 384.

8) Gesta 1, 71.

9) Bezüglich des Feldzuges Wilhelms von Schottland (S. 40-12) folgen wir hauptsächlich Jordan Fantosme 1513–1829.

 

 

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der zu erwartenden Rückkehr König Heinrichs. An demselben Tage, da Robert de Vaux die Antwort Richard de Lucis erhielt, erschien der schottische König wieder vor Carlisle, um es zu bezwingen. Aus Mangel an Lebensmitteln entschloß sich Robert de Vaux schließlich, die Stadt am Michaelisfeste zu übergeben, falls sie nicht bis dahin entsetzt worden sein sollte 1). In diesem Sinne verhandelte er mit Wilhelm. Nachdem dieser, wie üblich, Gelübde und Geiseln entgegengenommen hatte, kehrte er seine Streitkräfte gegen Prudhoe. Odelin de Umfraville, der Konstabler der Burg, machte sich selbst auf, um Hilfe herbeizuholen, während seine Leute innerhalb der Mauern den Angriffen der Feinde drei Tage lang tapfer widerstanden. Als König Wilhelm hörte, daß ein englisches Heer sich nähere, gab er sogleich die Belagerung auf und zog gegen Alnwick 2). Mit seinen Flamländern und Franzosen und mit einer auserlesenen Truppe von Rittern hielt er über die Burg Wache 3), um die Besatzung zu verhindern, seine Marodeure (praedones) zu stören, welche er zu diesem Zwecke den Grafen Gilibrede von Angus und Colban von Fife, sowie Richard de Morville unterstellt hatte 4). Durch die Schar des Grafen von Fife wurde das Dorf Warkworth niedergebrannt, die Kirche von St. Laurentius entweiht, und 300 Menschen mußten über die Klinge springen 5).

 

In der Nacht des 12. Juli sammelten die Anhänger König Heinrichs eine Reiterschar in Newcastle unter der Führerschaft von Rainulf von Glanville 6), Wilhelm de Vesci, Bernhard de Balliol, Odinel de Umfraville, Roger Fitz Richard, Walther de Bolebec, Robert de Stuteville 7) und seinem Sohn Wilhelm. Erzbischof Roger von York hatte seinen Konstabler an der Spitze von 60 Rittern geschickt 8). Ein Kriegsrat wurde abgehalten, wobei die Ängstlicheren für außerordentliche Vorsicht waren. Sie verglichen ihre kleine Truppe von 400 Rittern mit den Kriegsmassen des

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1) Gesta 1, 65. Vgl. Pipe Rolls (Society) 21, 125.

2) Gesta 1, 65-66. Die Belagerung von Prudhoe wurde wahrscheinlich Dienstag, den 9. Juli, begonnen. Am Freitag Morgen rückten die schottischen Streitkräfte nach Alnwick vor. Alnwick wurde verteidigt durch den Sohn Wilhelms de Vesci, eines Anhängers König Heinrichs.

3) Nach Jordan Fantosme 1754 waren 500 Ritter bei Wilhelm von Schottland; nach Wilhelm von Newburgh 1, 184, 60 Ritter.

4) Gesta 1, 66. Roger von Howden 2, 60.

5) Gesta 1, 66.

6) Sherif von Lancashire.

7) Vgl. oben S. 26.

8) Gesta 1. 66.

 

 

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Feindes 1) und meinten. es sei schon viel dadurch erreicht. daß die Schotten gleich nach Empfang der Nachricht von ihrer Annäherung von Prudhoe abgezogen seien. Die Ratschläge der Kühneren drangen jedoch durch, und Odinel de Umfraville und Bernhard de Balliol versprachen den Angriff sofort zu wagen. Am frühen Morgen des 13. Juli machten sie sich eiligst nach Alnwick auf, und vor fünf Uhr hatten sie schon 24 englische Meilen hinter sich. Ein dicker Nebel erschwerte die Ausschau, und die Engländer wurden abermals bedenklich. Bernhard de Balliol indessen erklärte, er werde auf alle Fälle vorrücken, und als der Nebel sich plötzlich hob, zeigte sich die Burg von Alnwick ganz in der Nähe 2). In einem Dickicht versteckt, hörten die Engländer durch ihre Spione, daß König Wilhelm seine Beobachtung ganz aufgegeben und daß er i allem nur ungefähr 60 Ritter zur Verfügung habe. Infolgedessen wagten die Engländer den Angriff 3). Zuerst glaubte König Wilhelm, es handle sich um seine eigenen von den Plünderungen zurückkehrenden Trüppen: als er aber seinen Irrtum bemerkte, führte er seine Leute schnell gegen den Feind. Er streckte den ersten, auf den er stieß, nieder, aber im nächsten Augenblick wurde er selbst durch den Sturz seines zum Tode verwundeten Pferdes zu Falle gebracht. Rainulf von Glanville nahm den König gefangen, und viele aus dessen Gefolge fielen in die Hände der Engländer 4). Auf einem Zelter reitend wurde Wilhelm nach Newcastle geführt, und am nächsten Tage mußte er Rainulf nach Richmond 5) folgen, wo dieser seinen königlichen Gefangenen so lange unterzubringen gedachte, bis er weitere Befehle König Heinrichs erhalten hätte.

 

Wie erwähnt, war König Heinrich am 8. Juli in Southampton gelandet 6). Gleich nach der Landung stellte er seine Gefangenen unter Bewachung, und Königin Eleonore schickte er nach Salisbury, wo sie unter Aufsicht des Robert Maudant bleiben sollte 7). Königin Margarete und andere Staatsgefangene wurden in Devizes im Gewahrsam des Eustach Fitz Stephan zurückgelassen 8). Am

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1) Wilhelm von Newburgh 1, 183 sagt, daß König Wilhelm mehr als 80000 bowaffnete Leute hatte.

2) Wilhelm von Newburgh 1, 184--185.

3) Gesta 1, 67.

4) Wilhelm von Newburgh 1, 185. Gesta 1, 67.

5) Grafschaft York.

6) Vgl. oben S. 38.

7) Pipe Rolls (Society) 21, 29.

8) Pipe Rolls (Society) 21, 21. Während der Streitigkeiten befahl der Papst die Befreiung der Königin Margarete und der Prinzessin Adelaide (vgl. oben S. 37 Anm. 10) bei Strafe des Bannes, jedoch vergeblich. J.-Löw. 2 Nr. 12218. Recueil 15, 940. „Non est vobis“.

 

 

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9. Juli reiste der König selbst nach Canterbury, gemäß dem Rate eines gewissen Bischofs 1). um sich mit der Geistlichkeit vollständig zu versöhnen 2). Als er Harbledown 3) am 12. erreichte, stieg er vom Pferd und schritt zu Fuß nach der Kirche des heiligen Dunstan, welche am westlichen Tore der Stadt liegt. Hier iegte er ein gewöhnliches wollenes Gewand an und ging mit bloßen Füßen nach der Kathedrale 4). Am Eingange warf er sich nieder und betete. Als er nach der Stelle, da Becket ermordet ward, geleitet wurde, küsste er den Fußboden und benetzte ihn mit seinen Thränen. Nachdem er den Bischöfen gebeichtet hatte, ging er unter tiefen Ehrfurchtsbezeigungen zu dem Grabmale Beckets und blieb lange Zeit unter Tränen und Gebeten auf dem Boden liegen 5). Dann wandte sich Bischof Gilbert von London an alle Anwesenden und erklärte, daß der König an der verhängnisvollen Tat unschuldig sei, ersuchte sie aber, für ihn zu beten, damit er Vergebung für die von ihm gesprochenen unüberlegten Worte, durch welche er seinen Wunsch für die Beseitigung Beckets kundgegeben hatte und welche den Anlaß zu der Mordtat gaben, erhielte. Er wies des Königs Wohlwollen gegen alle Freunde Beckets nach und erwähnte die Wiedereinsetzung der Kirche von Canterbury in ihre vollen Rechte und eine dem noch hinzugefügte Gabe von 300 Pfund jährlich. Heinrich bestätigte die Worte des Bischofs. Dann legte er die Oberkleidung ab, beugte Haupt und Schultern vor dem Grabmale und empfing fünf Schläge von den Prälaten und drei von jedem anwesenden Mönche, deren Zahl ungefähr 80 betrug. Also wurde er nochmals feierlich entsühnt 6). Trotzdem blieb er die ganze Nacht betend und fastend auf den bloßen Steinen der Krypta liegen. Am frühen Morgen besuchte er die Altäre und Schreine in der oberen Kirche und kehrte dann zu dem Grahmale Beckets zurück. Bei Tagesanbruch wohnte er der Messe bei, und nach dieser traf er Anstalten zu seiner Abreise. Ehe diese jedoch ins Werk gesetzt wurde, gab man ihm ein wenig geweihtes Wasser zu trinken, in welches einige von Beckets Reliquien getaucht worden waren; auch erhielt er ein

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1) Gottfried von Bruil, Rec. 12, 443.

2) Gesta 1, 72.

3) Harbledown liegt eine englische Meile westlich von Canterbury.

4) Gervasius von Canterbury 1, 248. Roger von Howden 2, 61--62. Wilhelm von Canterbury 488.

5) E. Grim, Vita S. Thomae 145-446. Chron. de Melsa 1, 204.

6) E. Grimm, Vita S. Thomae 446-447. Gervasius von Canterbury 1, 248-249. Radulf de Diceto 1, 383. Der König steckte seinen Kopf und seine Schultern in eine der Öffnungen der äußeren Umrahmung des Grabmals, während die Auspeitschung stattfand.

 

 

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Gefäß, das eine zweite Portion davon enthielt. Und so verließ er Somnabend, den 13. Juli, Canterbury und kam am folgenden Tage in London an 1) Die Bürger, an ihrer Spitze Heinrich le Blunt, gingen ihm bis vor die Tore entgegen und ließen ihm ihre Treue durch Gervase Suplest erklären. Heinrich le Blunt begrüßte ihn zuerst mit einem Kuß, andere folgten, und unter solchen Kundgebungen der Treue kam der König nach Westminster 2).

 

Gläubigen Leuten schien es, als ob Heinrichs bußfertige Demütigung von Gott belohnt werde.

 

Gleich am Tage nach Heinrichs Buße in Canterbury wurde, wie oben dargestellt, König Wilhelm von Schottland gefangen genommen 3). Um Mitternacht des 17. Juli brachte ein Bote Rainulf von Glanvilles, Brien, die Nachricht von der Gefangennahme Wilhelms nach Westminster, wo Heinrich erschöpft von Angst und Fasten rastete. Er erhielt die Erlaubnis, seine Botschaft persönlich dem Könige zu überbringen, und noch vor der Mittagszeit des nächsten Tages wurde der Bericht durch zwei Abgesandte des Erzbischofs Roger von York bestätigt 4). Heinrich machte sich sofort auf den Weg nach Huntingdon, und die lang hinausgezogene Belagerung kam am 21. Juli zum Abschluß 5). Nachdem sich sein Sohn Gottfried, der erwählte Bischof von Lincoln, mit ihm vereinigt hatte 6), rückte er ostwärts gegen Hugo Bigot vor, dessen Streitkräfte 500 Ritter und eine Anzahl von Flamländern umfaßten. Königliche Truppen sammelten sich zu Bury St. Edmunds, und es wurde beschlossen, Bigots Burgen von Framlingham und Bungay 7) aus zu gleicher Zeit anzugreifen. Am 24. Juli schlug Heinrich seine Zelte zu Sileham auf, nicht weit von Framlingham. Am nächsten Tage erschien Bigot, um seine zwei Burgen zu übergeben und dem Könige zu huldigen. Er mußte 1000 Mark Buße zahlen und Geiseln stellen. Nur mit Mühe erhielt er die Erlaubnis, daß die Flamländer des Grafen Philipp abziehen durften 8).

 

Am 26. Juli begab sich der König nach Northampton, wo ihm König Wilhelm von Schottland zu Pferde, mit den Beinen an

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1) Gervasius von Canterbury 1, 248-249. Wilhelm von Canterbury, Vita S. Thomae 488.

2) Jordan Fantosme 1928--1947.

3) Vgl. oben S. 42.

4) Wilhelm von Newburgh 1, 189. Radulf de Diceto 1, 384. Jordan Fantosme 1958--2039.

5) Gesta 1, 72.

6) Gerold von Barri 4, 368.

7) Grafschaft Suffolk.

8) Radulf de Diceto 1, 381. Gesta 1, 73.

 

 

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dem Sattelgurt festgebunden, vorgeführt wurde 1). Hier übergab am 31. Juli auch Bischof Hugo von Durham seine Burgen von Durham, Norham 2) und Northallerton, und mit vieler Mühe überredete er den König, zu erlauben, daß sein Neffe Hugo von Barsur-Seine und dessen 40 französische Ritter, welche auf seine Bitte um Beistand am Tage von König Wilhelms Gefangennahme in Hartlepool gelandet waren, sich wieder aus dem Lande zurückziehen durften 3). An dem gleichen Tage erschienen die Konstabler des Grafen Robert von Leicester und übergaben die Burgen von Leicester, Mount Sorrell und Groby, und Roger de Mowbray lieferte die Burg von Thirsk aus, welche zu der Zeit durch königliche Truppen belagert wurde. Auch Graf Robert de Ferrers stellte seine Burgen von Duffield und Tutbury dem Könige zur Verfügung, welch letztere damals von Rees Ap-Griffith von Wales, der im Dienste des Königs stand, belagert wurde. Um diese Zeit gelobte Graf Wilhelm von Gloucester 4), dessen Ergebenheit gegen den König verdächtig gewesen war, Treue. So endigte drei Wochen nach Heinrichs Landung der Aufstand in England 5).

 

Aber der Krieg auf dem Festlande nahm noch seinen Fortgang. Als König Ludwig von Frankreich von der Rückkehr König Heinrichs nach England hörte, brachte er sofort Jung Heinrich und Graf Philipp von Flandern von ihren Plänen eines Einfalles in England ab, und alle zogen ihre Streitkräfte vor Rouen zusammen 6). Die kriegerischen Bewegungen begannen am 22. Juli 7); aber trotz der Hilfe des Herzogs Hugo III. von Burgund, des Pfalzgrafen Heinrich von Troyes und des Grafen Theobald von Blois 8) war die Einschließung der Stadt mangelhaft. Die Brücke über die Seine war vollständig frei, so daß aus dem Westen Vorräte in Menge in die Stadt geschafft werden konnten. Ludwig nahm den Angriff von Norden aus auf und teilte sein Heer dazu in drei Teile, um den Angriff dauernd zu machen. Jeder Abteilung war eine achtstündige Tätigkeit zuerteilt. Dies hatte jedoch deshalb

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1) Roger von Howden 2, 64.

2) Grafschaft Northumberland.

3) 500 Flamländer waren mit Hugo von Bar-sur-Seine von dem Festlande gekommen, aber als Bischof Hugo von der Gefangennahme Wilhelms von Schottland hörte, entließ er die Flamländer mit dem Sold für 40 Tage (Gesta 1, 67).

4) Graf Wilhelm von Gloucester hatte von Burg Bristol Besitz ergriffen (Gesta 1, 92).

5) Gesta 1, 73. Roger von Howden 2, 65. Radulf de Diceto 1, 385. Gervasius von Canterbury 1, 249.

6) Gesta 1, 74. Gervasius von Canterbury 1, 249.

7) Radulf de Diceto 1, 386.

8) Chron. Rotomag, Rec. 12, 786.

 

 

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keinen Erfolg, weil die Verteidiger in gleicher Weise kämpften. Am 10. August schloß Ludwig einen Waffenstillstand zu Ehren des heiligen Laurentius ab. Während die Verteidiger sich an dem Ufer der Seine außerhalb der Mauern vergnügten und die in der Stadt verbliebenen Einwohner den Tag genossen, drängte Graf Philipp von Flandern, wie berichtet wird, König Ludwig zum Angriffe. Ludwig ließ sich überreden. Die Bewegung seiner Truppen wurde jedoch von der Spitze eines Kirchturmes aus bemerkt, und die große Alarmglocke „La Rebol“ brachte die Besatzung schnell zu den Waffen zurück. Der Angriff wurde abgeschlagen, und bei Einbruch der Dunkelheit zog sich der Feind zurück 1).

 

Am 7. August segelte König Heinrich aus dem nun wieder beruhigten England 2) von Portsmouth ab und betrat am nächsten Tage in Barfleur normannischen Boden. Mit sich brachte er eine Truppe von 1000 Wallisern und seine Gefangenen, König Wilhelm von Schottland, Graf Robert von Leicester und Graf Hugo von Chester. Diese letzteren wurden nach Caen und später nach Falaise gebracht 3). Heinrich selbst eilte nach dem belagerten Rouen und kam am 11. August dorthin. Am nächsten Tage, während seine Truppen aus Wales einen Zug von 40 Wagen mit Lebensmitteln, die dem Feinde gehörten, in Besitz nahmen, griff er selbst das feindliche Lager an. Ein heftiger Kampf folgte, bei welchem einige von Ludwigs Leuten gefangen genommen und andere verwundet wurden 4). Der Mangel an Lebensmitteln und die Furcht vor einem englischen Angriffe auf Paris bestimmten Ludwig endgültig zum Abzuge. Deshalb schickte er den Erzbischof Wilhelm von Sens und den Grafen Theobald von Blois am 13. August zu König Heinrich, um einen Waffenstillstand zu erbitten, der es ihm ermöglichen sollte, sich nach Malaunay 5) zurückzuziehen. Er versprach, dort Hemrich am nächsten Tage zu treffen. König Heinrich ging auf den Vorschlag ein und Ludwig zog am Abend des 13. August nach Malaunay. Ungefähr um Mitternacht gab er jedoch Befehl zum weiteren Rückzuge nach Frankreich. Nichtsdestoweniger kamen am 14. August die vorgenannten Abgesandten nochmals nach Rouen, wo eine Besprechung

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1) Wilhelm von Newburgh 1, 191--194, Radulf de Diceto 1. 386. Vgl. Chérnel, Histoire de Rouen 1, 25-29.

2) Vgl. oben S. 45.

3) Gesta 1, 74. Radulf de Diceto 1, 385. Gervasius von Canterbury 1, 249. Vgl. Pipe Rolls (Society) 21, 136, 138.

4) Gesta 1, 74-76. Roger von Howden 2, 65. Radulf de Diceto 1, 386 387. Gervasius von Canterbury 1, 249,

5) Dép. Seine-Inférieure, Arr. Rouen, Kt. Maremme.

 

 

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zwischen Heinrich und Ludwig verabredet wurde, welche am 8. September zu Gisors stattfinden sollte 1).

 

Dazu kam noch, daß auch die Verbündeten des jungen Königs auf dem Festlande ihrer Verluste an Gut und Blut in dem Feldzuge müde geworden waren und jetzt auf Abschluß eines Friedens drängten 2). Trotzdem konnte auf der Besprechung zu Gisors, welche am bestimmten Tage stattfand, kein endgültiger Frieden geschlossen werden, da Prinz Richard noch in Waffen gegen seinen Vater stand. Das einzige, was zustande kam, war ein Waffenstillstand, welcher bis Michaelis dauern und es Heinrich ermöglichen sollte, den noch aufständischen Sohn, der natürlich von dem Waffenstillstand ausgeschlossen war, zur Unterwerfung zu zwingen 3).

 

Demgemäß wendete sich Heinrich nun gegen Richard, der, obwohl das Heer von Anjou unter Moritz von Craon 4) die aufständischen Burgen von Champtoceaux 5), Sablé 6), Saint-Loup-du-Dorat 7) und Saint-Brice 7) während des Königs Aufenthalt in England zerstört hatte 8), andererseits doch Boden für die Rebellen in Poitou gewonnen hatte. Heinrichs Feldzug gegen Richard war kurz und entscheidend. Richard zog sich vor den königlichen Streitkräften zurück, und nachdem er von dem erwähnten Waffenstillstande gehört hatte, warf er sich endlich am 23. September in Poitiers seinem Vater Vergebung suchend zu Füßen. Heinrich verzieh ihm bereitwillig und beide machten sich auf den Weg, um mit König Ludwig zwecks weiterer Friedensverhandlungen zusammenzutreffen 9).

 

Auf König Heinrichs Antrieb ließ Richard seine Aussöhnung mit seinem Vater Jung Heinrich und König Ludwig wissen, worauf sich am 30. September die Söhne zu Montlouis 10) in aller Feierlichkeit unterwarfen. Das Verhältnis zwischen den Parteien wurde so geordnet. daß Jung Heinrich, seine Brüder und die übrigen. welche dem Könige die Treue gebrochen hatten, wieder in das alte Treuverhältnis zum Könige zurückkehren konnten, frei

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1) Gesta 1, 75-76. Roger von Howden 2, 66. Wilhelm von Newburgh 1, 196. Radulf de Diceto 1, 386.

2) Gesta 1, 76. Radulf de Diceto 1, 393.

3) Gesta 1, 76. Roger von Howden 2, 66.

4) Vgl. oben S. 70.

5) Dép. Maine-et-Lowe, Arr. Cholet.

6) Dép. Sarthe, Arr. La Flèche.

7) Dép. Mayenne, Arr. Château-Gontier, Kt. Grez-en-Bouère.

8) Annalen von Saint-Aubin 38.

9) Gesta 1, 76. Roger von Howden 2, 67.

10) Zwischen Tours md Amboise.

 

 

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und ledig aller Gelöbnisse und Versprechungen, welche in der Zwischenzeit gemacht worden waren, -- ferner sollten der König, seine Edelleute und Untertanen alle ihre Länder wiedererhalten, welche sie 15 Tage vor Beginn des Krieges besessen hatten. Weiter wurde die Zurückgabe aller der den Rebellen gehörigen Länder vorgesehen, so weit sie bis zu demselben Datum sie besessen hatten. Auch versprach der König, ihnen das Vergangene nicht nachzutragen, -- wohingegen der junge König alle die, welche seinen Vater unterstützt hatten, in seine Gunst wieder aufzunehmen versprach. Alle Burgen sollten in den gleichen Stand zurückversetzt werden, in welchem sie sich 15 Tage vor dem Ausbruch der Feindseligkeiten befunden hatten. Ferner bewilligte der König dem Jung Heinrich zwei Burgen in der Normandie und 15000 Pfund von Angers jährlich. Richard bekam zwei für den Vater ungefährliche Burgen in Poiton und die Hälfte der Einkünfte aus der Provinz, und dem Gottfried wurde die Hälfte des Heiratsgutes der Konstanze von der Bretagne, und nach stattgefundener Vermählung das ganze versprochen. Der junge König erklärte sich auch mit seines Vaters Vergabungen einverstanden und besonders mit der Versorgung, welche für seinen Bruder Johann vorgesehen wurde. Diesem wurde ein Einkommen von 1000 Pfund in England zugesichert, sowie die Burg und die Grafschaft Nottingham mit der Burg Marlborough 1); außerdem sollte er erhalten: ein Einkommen von 1000 Pfund und zwei Burgen in der Normandie und ein Einkommen von 1000 Pfund in Anjou, Maine und Touraine mit je einer Burg in jeder dieser drei Landschaften. König Wilhelm von Schottland, Graf Robert von Leicester, Graf Hugo von Chester und Radulf von Fougères mit allen schon ausgelieferten Geiseln wurden von dem Vertrage ausgeschlossen. In Bezug auf die Freilassung anderer Gefangener erklärte Heinrich, daß er nach seinem Gutdünken ihr Treuversprechen oder Geiseln annehmen wolle 2). Jedoch bedang er sich aus, daß seine Gnadenerweisungen sich nicht auf sonstige Verbrechen und Gesetzesverletzungen erstrecken sollten, welche gegen ihn selbst oder gegen andere begangen worden waren: solche Ausschreitungen sollten vor den Gerichten verantwortet werden. Schließlich huldigten Richard und Gottfried für die Bewilligungen, welche ihnen gewährt worden waren; aber als auch Jung Heinrich den Wunsch ausdrückte. das gleiche zu tun,

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1) Grafschaft Wilts.

2) Radulf de Diceto 1, 395 sagt, der König setzte 969 Ritter ohne Lösegeld in Freiheit, der junge König aber mehr als 100 gegen Lösegeld.

 

 

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wollte sein Vater dies nicht annehmen. weil Jung Heinrich König sei. Statt dessen ließ er sich jedoch besondere Bürgschaft von ihm stellen 1). Später, am 11. Oktober 2), wurde über Friedensbedingungen eine Urkunde zu Valaise ausgestellt 3).

 

Bald nachher kam ein Friedensschluß unter folgenden Bedingungen zwischen Heinrich II und Wilhelm von Schottland zustande: König Wilhelm und seine Untertanen sollten in ein Lehnverhältnis zu dem Könige von England, seinem ältesten Sohne und seinen Erben treten, und die schottische Kirche sollte unter die Oberhoheit der englischen kommen. Als Sicherheit sollte Wilhelm Geiseln stellen und die Burgen von Roxburgh, Jedburgh, Berwick, Edinburgh und Stirling England öffnen. Der Vertrag wurde zu Falaise aufgestellt und am 8. Dezember in Valognes ratifiziert 4). Drei Tage später wurde Wilhelm über das Meer geschickt, um die Übergabe der Burgen zu erzwingen und so seine Freiheit zurückzugewinnen 5).

 

So endete der Aufstand von 1173--74. Auf dem Festlande verdankte König Heinrich seine Erfolge seiner Geschicklichkeit, in England der Treue des neuen Adels und des Volkes, während seine Feinde infolge ihrer mangelhaften Organisation und durch ihren überall sich zeigenden Mangel an Vertrauen auf den Erfolg ihrer Unternehmungen nur Niederlagen zu verzeichnen hatten 6). Wie vollständig König Heinrichs Sieg war, ergibt sich daraus, daß er unbedenklich im weitesten Umfang Gnade walten lassen konnte 7). Seitdem kam es nie wieder in der englischen Geschichte vor, daß der Adel gegen die vereinigten Interessen der Krone und des Volkes Stellung nahm 8).

 

Friedliche Jahre (1175--1178).

 

Die vollständige Ordnung wiederherzustellen war dem darauffolgenden Jahre (1175) beschieden. Am 2. Februar waren die beiden Heinriche in Le Mans, von wo aus sie zu einer Besprechung nach Gisors gingen, welche dort

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1) Rymer, Foedera 1, 30.

2) Radulf de Diceto 1, 394.

3) Rymer, Foedera 1, 30. Gesta 1, 77--79.

4) Rymer, Foedera 1, 30. Gesta 1, 96-99. Radulf de Diceto 1, 396. Vgl. Norgate 2, 166 Anm. 1.

5) Radulf de Diceto 1, 398.

6) Vgl. Stubbs, Const. Hist. 1. 519.

7) Vgl. Norgate 2, 167.

8) Vgl. Ramsay 184.

 

 

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auf Verabredung mit König Ludwig stattfinden sollte. Zwei Tage päter treffen wir sie in Rouen, in der Absicht nach England hinüberzufahren. Jedoch fand es der ältere König für besser, nach Anjou zu gehen, um seine dortliegenden Burgen zu befestigen und um die Zerstörung derjenigen zu bewirken, welche nach den Bestimmungen des Vertrages geschleift werden sollten. Ende März kehrte er nach Caen zurück und wies seinen Sohn Heinrich, welcher zu dieser Zeit noch in Rouen war, an, mit ihm sogleich zusammenzutreffen, um die Fahrt über den Kanal vorzubereiten. Der junge König weigerte sich, dem Rufe zu folgen, da König Ludwig ihm die Überzeugung beizubringen gewußt hatte, er werde bei seiner Ankunft in England sicherlich in festen Gewahrsam gebracht werden. Endlich aber gelang es Boten des älteren Königs, ihn zu überreden, und am 1. April warf er sich seinem Vater in Bures zu Füßen 1). Seine Bitte, dem Vater huldigen zu dürfen, wurde gewährt, und er stellte als Bürgen für seine Treue den Erzbischof Rotrod von Rouen, die Bischöfe Heinrich von Bayeux, Richard von Avranches und Stephan von Rennes, sowie den Grafen Wilhelm von Essex mit vielen anderen. Auch versprach er ferner, zu stellen: König Ludwig, die Prinzen Richard und Gottfried, den Pfalzgrafen Heinrich von Troyes, die Grafen Philipp von Flandern und Theobald von Blois, die Erzbischöfe Richard von Canterbury und Roger von York mit den Bischöfen, Grafen und Baronen auf beiden Seiten des Kanals 2).

 

Jung Heinrich erhielt nun die Erlaubnis, seinen Schwiegervater zu besuchen. Am 13. April traf er, auf der Rückkehr vom französischen Hofe begriffen, mit dem älteren König in Cherbourg zusammen, von wo aus sie nach Caen weiterreisten. um dort den Grafen Philipp von Flandern am 22. April zu treffen, welcher am 11. das Kreuz genommen hatte. Bei dieser Zusammenkunft gab der Graf die Urkunde zurück, welche er von dem jungen Könige am Anfang des Krieges erhalten hatte 3). Kurz danach verließen die beiden Könige Barfleur für England und landeten im Portsmouth am 9. Mai. Nach ihrer Rückkehr nach England speisten sie an gemeinsamem Tische und schliefen eine Zeitlang in demselben Zimmer, um die Vollständigkeit ihrer Versöhnung zu zeigen 4).

 

Am 18. Mai wohnten die beiden Könige dem Konzile bei, welches zu Westminster durch den Erzbischof Richard von Canterbury

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1) Gesta 1, 82. Radulf de Diceto 1, 398.

2) Radulf de Diceto 1, 100-101. Der König richtete an seine „treuen“ englischen Untertanen einen Brief, welcher über die Versöhnung berichtete und am 20. Mai in Westminster den englischen Magnaten vorgelesen wurde.

3) Vgl. oben S. 23.

4) Gesta 1, 83. Radulf de Diceto 1, 399.

 

 

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zusammenberufen worden war, und 10 Tage später besuchten sie, begleitet von dem Erzbischof Richard, Beckets Grab 1). Von Canterbury aus begaben sich die beiden Könige nach Reading und hielten dort am 1. Juni Hof. Nachdem Angelegenheiten von Wales in Gloucester am 29. beraten worden waren, reiste die königliche Partei nach Woodstock weiter 2). Hier bestand die Haupttätigkeit darin, die vakanten Stellen in der Kirche zu besetzen. Von Woodstock reisten die Könige nach York, indem sie ihren Weg über Lichfield und Nottingham nahmen. Sie kamen am 10. August in York an, und dort trafen sie König Wilhelm von Schottland, seinen Bruder David und die Bischöfe, Äbte, Barone, Ritter und Freisassen seines Reiches, welche bereit waren, die in Falaise getroffenen Vertragsbestimmungen einzuhalten 3). Demgemäß huldigten sie im Münster den beiden englischen Königen. Auch die Bischöfe erklärten, daß sie von der englischen Kirche bis zu demselben Grade wie ihre Vorgänger, und zwar soweit wie es sich gebühre, abhängig seien. Dann befahl König Heinrich, daß der Vertrag laut vorgelesen und nochmals von Wilhelm und David besiegelt würde.

 

Von York aus nahm König Heinrich seinen Sohn mit sich nach London 4) und von da nach Windsor, wo er mit König Roderich O'Connor von Connaught durch dessen Abgesandte am 6. Oktober Frieden schloß 5). Am 31. Oktober nahm der junge König an dem Empfange des päpstlichen Legaten Hugutio zu Winchester teil 6) und verlebte schließlich das Weihnachtsfest mit seinem Vater in Windsor 7). Am 26. Januar 1176 wohnte er der Reichsversammlung zu Northampton bei 8), und im März begleitete

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1) Gesta 1, 91. Radulf de Diceto 1, 399. Vielleicht ging Königin Margarete mit ihrem Gemahle nach Canterbury. Wenn das nicht der Fall war, so war sie doch in Canterbury vor Ende des September. Vgl. Pipe Rolls (Society) 22, 203. 213.

2) Gesta 1, 92-93.

3) Gesta 1, 94--99. Nach Roger von Howden 2, 79 kamen nicht alle Bischöfe, Äbte, Barone, Ritter und Freisassen von Schottland mit König Wilhelm nach York. Es ist kaum wahrscheinlich, daß alle Freisassen gegenwärtig waren.

4) Gesta 1, 99.

5) Gesta 1, 102--104. Radulf de Diceto 1, 403. Roger von Howden 2, 83-84. König Heinrich hatte sich verpflichtet gefühlt, einen Feldzug in Irland im Jahre 1172 (vgl. oben S. 17) zu verlassen, ehe ihm die vollständige Unterwerfung des Königs von Connaught glückte, welcher es jetzt für rätlich erachtete, der Vasall des englischen Königs zu werden.

6) Gesta 1, 102--104. Radulf de Diceto 1, 403.

7) Gesta 1, 106.

8) Gesta 1, 107. Radulf de Diceto 1, 404.

 

 

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er seinen Vater und Hugutio nach London, wo der Legat eine Beratung für den 14. anberaumt hatte 1). Vielleicht bei dieser Gelegenheit wurde Gottfried, der Propst von Beverley 2), durch die Bemühungen des Erzbischofs Roger von York, Kanzler des Jungen Königs 3).

 

Es kann nicht wunder nehmen, daß Jung Heinrich seines Aufenthaltes in England bald überdrüssig wurde, da seine Zeit durch Pflichten ausgefüllt war, welche seiner Natur durchaus lästig waren. So kam es, daß er denjenigen ein williges Ohr lieh, welche ihm rieten, sich der beständigen Aufsicht seines Vaters unter dem Vorwande einer Wallfahrt nach Compostella zu entziehen 4). König Heinrich vermochte seinen Sohn nicht von dem Plane abzubringen und gab ihm schließlich die Erlaubnis, nach dem Festlande überzufahren. Der junge König und seine Gemahlin eilten sofort nach Porchester, waren aber gezwungen, wegen schlechten Wetters einige Tage dort zu bleiben.

 

Kurz vor Ostern kehrte jedoch Jung Heinrich auf seines Vaters Verlangen nach Winchester zurück. Am 3. April kamen die Prinzen Richard und Gottfried von dem Festlande an den königlichen Hof dahin, wo der König am folgenden Tage das Osterfest mit seinen drei Söhnen feierte 5). Richard war gekommen, um wegen eines Aufstandes der aquitanischen Barone um Hilfe zu bitten, und sein Vater bat jetzt seinen ältesten Sohn, die beabsichtigte Wallfahrt aufzuschieben und seinem Bruder zu Hilfe zu kommen. Jung Heinrich willigte ein und kehrte zu seiner Gemahlin, welche in Porchester geblieben war, zurück 6). Als sich das junge Paar am 19. April auf der königlichen Jacht einschiffte, wurden sie durch eine Eskorte von vier ihnen beigegebenen Schiffen nach Barfleur begleitet 7). Gleich nach der Landung gingen beide an den französischen Hof.

 

Kurz nach dem 24. Juni vereinigte sich der junge König mit Richard, der bereits früher als er gegen die Aufständischen gezogen war, zu Poitiers, und die zwei Brüder führten ihre Streitkräfte gegen die Rebellen. Innerhalb zweier Wochen fiel

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1) Gesta 1, 112--111. Gervasius von Canterbury 1, 258.

2) Grafschaft York.

3) Radulf de Diceto 1, 406. Gesta 1, 122. Gottfried ertrank, während er am 27. Sept. 1177 von England nach der Normandie überfuhr (Gesta 1, 195. Radulf de Diceto 1, 122).

4) Vgl. Gesch. Wilhelm Marschalls 2381-2438.

5) Gesta 1, 114 115.

6) Gesta 1, 115. Vgl. Pipe Rolls (Society) 25, 198.

7) Pipe Rolls (Society) 25, 199.

 

 

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Châteaunenf-sur-Charente 1) in ihre Ilände. wonach Jung Heinrich den Kriegsschauplatz plötzlich verließ und nach Poitiers zurückkehrte 2). Dort fing er an, französische und normannische Ritter um sich zu versammeln, die ihm im Kriege von 1173-74 beigestanden hatten. Sein Vizekanzler, Adam de Chirkedun, versuchte dies dem älteren König zu hinterbringen. wurde aber verraten und verhaftet. Er wäre gewiß hingerichtet worden, wenn nicht Bischof Johann III. von Poitiers ihn, da er ein Gelistlicher war, als seiner, der geistlichen Gerichtsbarkeit unterliegend, in Anspruch genommen hätte. Da der junge König hiergegen nichts tun konnte, so befahl er, daß wenigstens der Vizekanzler nackt mit auf dem Rücken gefesselten Händen durch die Straßen geführt und dabei gepeitscht werde. Bis zum Eintreffen weiterer Verhaltungsmaßregeln von seinem Vater schickte er Adam in Gefangenschaft nach Argentan und befahl, daß er in gleicherweise, wie in Poitiers, in Jeder Stadt auf dem Wege behandelt werde. Als der ältere König von diesem Vorgehen hörte, sandte er vier Ritter ab, um die Auslieferung des Gefangenen an sich zu fordern. Bei seiner Ankunft in England wurde Adam der Obhut des Abtes von Hyde 3) übergeben, bis sein Fall abgeurteilt sein würde. Sein schließliches Schicksal jedoch ist unbekannt 4).

 

Zu den hauptsächlichsten Vergnügungen der Edelleute des zwölften Jahrhunderts gehörten die Turniere, bei denen großer Pomp entfaltet wurde. Man unterschied Turniere, bei denen ganze Reitermassen (Buhurt) und solche, bei denen einzelne Ritter (Tjost) zu Pferde miteinander kämpften. Dabei galten diese Kämpfe nicht nur als eine Form der körperlichen Übung, sondern wurden vielmehr als eine Vorbereitung für den ernsten Kampf auf dem Schlachtfelde betrachtet, und nicht selten kamen dabei tödliche Verwundungen vor 5).

 

Jung Heinrich hegte den Wunsch, in dieses Leben voller Aufregung und Gefahren eimzutreten und beschloß, sich zu seiner Ausbildung dem Grafen Philipp von Flandern anzuvertrauen. Der Graf empfing ihn herzlich 6). Bald danach brachte er ihm die

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1) Dép. Charente, Arr. Cognac.

2) Gesta 1, 121.

3) Grafschaft Hants.

4) Gesta 1, 122-123. Roger von Howden 2, 94.

5) Gislebert § 55. Vgl. A. Schultz 2, 97.

6) Gesch. Wilhelm Marschalls 2438-2473. Nach dem Verfasser der Geschichte Wilhelm Marschalls fand dieser Besuch in Flandern statt, nachdem Jung Heinrich im Mai 1175 nach England zurückgekehrt war. Nach den Gesta 1, 115 reiste der junge König erst am 19. April 1176 von England nach dem Festlande ab. Er schiffte sich damals nach Barfleur ein. Der Verfasser der Geschichte Wilhelm Marschalls (2384--2438) sagt dagegen, daß Jung Heinrich von Dover nach Wissant überfuhr. Im Mai 1177 reiste Philipp von Flandern nach Jerusalem (Gesta 1, 159), und so halten wir für wahrscheinlich, daß Jung Heinrichs Besuch in Flandern zwischen dem 19. April 1176 nnd dem Mai 1177 erfolgte.

 

 

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notwendigen Kenntnisse für sein erstes Auftreten in den Schranken des Turnierplatzes bei und besorgte die dazu gehörige Ausrüstung 1).

 

Ein Turnier war zwischen den Ortschaften Gournay und Ressons 2) festgesetzt worden, und Jung Hemrich, begleitet von Wilhelm Marschall, erschien daselbst im glänzender Ausrüstung 3). Er stellte seine Leute in Schlachtordnung auf, während die Gegner den Kampf begannen, ohne zu versuchen, Ordnung in ihren Reihen zu halten. Hiebe wurden ausgeteilt, sowohl mit Keulen als mit Schwertern, und des jungen Königs Partei schlug erfolgreich den Angriff ab. Wilhelm Marschall warf sich auf eine kleine Schar fliehender Gegner und hob einen Ritter vom Pferde. Schließlich aber wurde er gezwungen, an die Seite seines Herrn zurückzukehren 4).

 

Während der nächsten achtzehn Monate ging Jung Heinrich weiteren Abenteuern nach, aber mit wenig oder keinem Erfolg. Seine Begeisterung war jedoch groß, und er zog die besten Ritter, die er finden konnte, zu sich heran, indem er an seinem Hofe so viele bewirtete, als sein Geldbeutel nur erlaubte. Als er eines Tages an einen Ort kam, wo eine Truppe von Normannen und Engländern gegen eime Truppe von Franzosen aufgestellt worden war, beschloß er, an dem Kampfe auf der Seite der Erstgenannten teilzunehmen. Seine Partei siegte über die Franzosen, welche im stolzen Vertrauen auf ihren Sieg die zu erwartende Beute schon vor dem Kampfe geteilt hatten. Während dieses Treffens hatte sich Wilhelm Marschall durch Tapferkeit ansgezeichnet und wurde zum Lohn für seine Treue und Geschicklichkeit zum Herrn und Meister des jungen Königs ernannt 5).

 

Vom Grafen Philipp von Flandern hatte der junge König die Methode erlernt, erst dann in den Kampf einzugreifen, wenn die Kämpfer ermüdet oder in Verwirrung geraten waren. Bei einem Turnier wendete er das auch an und warf sich erst im

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1) Gesch. Wilhelm Marschalls 2473-2496. W. Map, De nugis curialium 138.

2) Ressons, Dép. Oiso, Arr. Compiègne, Kt. Rossons-sur-Matz. Gonrnay-sur-Aronde liegt im Kt. Ressons-sur-Matz.

3) Gesch. Wilhelm Marschalls 2473--2496.

4) Gesch. Wilhelm Marschalls 2496-2562.

5) Gesch. Wilhelm Marschalls 2562–2636.

 

 

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gegebenen Zeitpunkte nach dem Rate von Wilhelm Marschall auf die unter dem Kommando des Grafen Philipp stehende Truppe, wodurch er die Gegner in die Flucht schlug und beträchtiche Beute gewann 1).

 

Einige Zeit nachher wurde ein Turnier angemeldet, welches zwischen den Ortschaften Anet und Sorel 2) stattfinden sollte. Jung Heinrich erschien an der Spitze von Rittern aus der Normandie, Bretagne, England, Maine, Anjou und Poitou. Seine Gegner waren Ritter aus Frankreich, Flandern, Brie und aus der Champagne. Die Franzosen griffen in solcher Unordnung an, daß des jungen Königs Leute sofort ihre Linien durchbrachen. In der Tat waren die Gegner geflohen, ehe er selbst nur zum Schlagen gekommen war. Seine Partei nahm die Verfolgnng heftig auf, und Jung Heinrich blieb allein mit Wilhelm Marschall zurück. Nachdem sie das Turnierfeld verlassen hatten, verlegte ihnen Simon von Neauphle 3) an der Spitze von 300 Bewaffneten den Weg. Als Sie jedoch näher kamen, flohen die Bewaffneten, und Wilhelm Marschall nahm Simon von Neauphle gefangen 4).

 

In einem Turnier zu Eu soll der junge König 100 der tapfersten Ritter bei sich gehabt haben, welche er nur finden konnte, und diese führte er gegen eine Truppe von Franzosen, Burgundern, Flamländern und Hennegauern 5). Das Treffen fand vor der Burg statt. Gegen die Leute des Grafen Philipp von Flandern hatten die Jung Heinrichs schweren Stand. Wenn Jung Heimrichs Mannschaft nicht sichere Plätze gehabt hätte 6), wohin sie sich zurückziehen konnte, und wenn Sie nicht fähig gewesen wäre, sich angemessen zu verteidigen, würde sie auf die Gnade der Flamländer angewiesen gewesen sein. Wie gewöhnlich zeichnete Wilhelm Marschall sich durch Tapferkeit aus. Während der ersten Attacke warf er Matthäus von Walincourt 7) nieder nnd versicherte sich seines Pferdes, welches aber seinem Eigentümer nach einer erfolgreichen Verhandlung mit dem jungen Könige zurückgegeben wurde. Jedoch fiel das Pferd von Matthäus abermals

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1) Gesch. Wilhelm Marschalls 2712-2772.

2) Anet, Dép. Eure-et-Loir, Arr. Dreux, Kt. Anet. Sorel-Mousel liegt im Kt. Anet.

3) Neauphle-le-Château, Dép. Seine-et-Oise, Arr. Rambouillet, Kt. Montfort-l'Amaury.

4) Gesch. Wilhelm Marschalls 2772-2874.

5) Gesch. Wilhelm Marschalls 3194-3212.

6) Über diese Plätze vgl. P. Meyer, Gesch. Wilhelm Marschalls 3. 21 Anm. 2.

7) Walincourt, Dép. Nord. Arr. Cambray, Kt. Clary.

 

 

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in die Hände Wilhelm Marschalls. Wilhelm nahm im ganzen 10 Ritter der Gegenpartei gefangen und erbeutete außerdem 12 Pferde 1).

 

Nachdem Königin Margarete das Weihnachtsfest (1176) zu Argentan mit ihrem jungen Gemahle gefeiert hatte, war sie früh im neuen Jahre an den französischen Hof gegangen. Dies war dem älteren Könige nicht recht. Er wünschte ihre Rückkehr in die Normandie 2). Gleichzeitig entstanden einige Schwierigkeiten zwischen Jung Heinrich und seinem Vater, welche aber bald wieder beseitigt wurden 3). Am 18. August (1177) erwartete Jung Heinrich des Königs Ankunft auf dem Festlande in Caplevic 4). Nachdem er der Zusammenkunft zu Nonancourt zwischen König Heinrich und König Ludwig, auf welcher die völlige Aussöhnung beider Herrscher stattfand. am 25. September beigewohnt hatte 5), wurde der junge König mit Heeresmacht nach Berri geschickt gegen die Verwandten der jungen Erbin Denise, der Tochter des verstorbenen Radulf von Déols. Diese Verwandten hatten sich des Mädchens und ihrer Erbschaft versichert, um sie mit ihrem Vermögen dem König Heinrich vorzuenthalten, der den feudalen Gesetzen nach ihr Vormund war. Jung Heinrich hatte schon vorher versucht, die Verwandten des Mädchens mit Waffengewalt zur Herausgabe der Erbin und ihres Gutes zu zwingen, wobei es Jung Heinrich gelungen war, die zum Erbe Radulfs gehörige Burg Châteauroux einzunehmen, ohne sie jedoch auf die Dauer halten zu können. Indessen mißglückte auch der zweite Versuch, so daß der ältere König sich veranlaßt sah, persönlich in den Feldzug einzugreifen. Ihm gelang es, die Burg Châteauroux einzunehmen und die Vormundschaft über sein Mündel in die Hände zu bekommen 6).

 

Im Juli des folgenden Jahres (1178) fuhr König Heinrich über den Kanal. Vorher aber legte er zuverlässige Leute in alle seine festländischen Besitzungen und bat König Ludwig, die besagten Gebiete unter seinen Schutz zu nehmen. Es hat den Anschein, als ob Heinrich Mißtrauen gegen die Zuverlässigkeit des jungen Königs hegte 7).

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1) Gesch. Wilhelm Marschalls 3366--3416.

2) Gesta 1, 169.

3) Gesta 1, 177.

4) Gesta 1, 190. Robert von Torigni 2, 67.

5) Radulf de Diceto 1, 422. Gesta 1, 191--194. Robert von Torigni 2, 67. Über das Datum vgl. A. Cartellieri, Philipp II. August 1, 25 Anm. 3.

6) Gesta 1, 132. 191.

7) Gesta 1, 198.

 

 

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Beziehungen zu Frankreich (1179-1182).

 

Im Jahre 1178 verlebte der junge König das Weihnachtsfest in der Normandie. Am 26. Februar 1179 landete er in Dover, um seinen Vater zu besuchen 1). Nachdem er mit dem älteren Könige zu Winchester das Osterfest gefeiert hatte, wohnte er der Reichsversammlung zu Windsor am 10. April bei. Kurz nach Pfingsten (20. Mai) fuhr er nach dem Festlande und landete zu Wissant 2).

 

Anläßlich der Krönung von König Ludwigs Sohn Philipp August in Reims war entschieden Jung Heinrich der hervorragendste aller anwesenden französischen Vasallen. Er kam in Begleitung seiner zwei Brüder Richard und Gottfried und mit einem großen Gefolge von Rittern, deren Ausgaben er sowohl im der Stadt selbst als auf der Reise mit eigenen Mitteln bestritt. Im Namen seines Vaters überbrachte Jung Heinrich reiche Gaben an Gold und Silber und zugleich Wild aus den Wäldern Englands 3). So groß auch die Zahl der Versammelten gewesen sein mag, so war es doch Jung Heinrich mit seinem Gefolge, welcher die Pracht entfaltete, die später in den Liedern der Minnesinger in ganz Frankreich besungen wurde 4). Bei der Krönungsfeierlichkeit selbst, am 1. November 1179, schritt Jung Heinrich als Herzog der Normandie vom Palaste bis zur Kathedrale vor Philipp August her und trug die goldene Krone. Nachdem er die Kirche erreicht hatte, hielt er die Krone demütig über dem Haupte des Prinzen, bis Erzbischof Wilhelm von Reims ihn ablöste, um offiziell seinen Neffen zu krönen. Als dies geschehen war, brach Jung Heinrich mit allen Anwesenden in den Ruf „vivat rex“ aus 5).

 

Kurz nach seiner Krönung kam der neue König von Frankreich unter den Einfiuß des Grafen Philipp von Flandern, dessen Politik darin bestand, den Knaben in Gegnerschaft mit allen alten Freunden seines Vaters zu bringen. In ihrer Not wendeten sich die Königinmutter Adela, der Erzbischof Wilhelm von Reims

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1) Radulf de Diceto 1, 428. Gesta 1, 238.

2) Gesta 1, 238--240. Roger von Howden 2, 192.

3) Robert von Torigni 2, 90. Stapleton, Magni rotuli scaccarii Normanniae 1, 71.

4) Radulf de Diceto 1, 439.

5) Rigord § 4. Gesta 1, 242-243. Roger von Howden 2, 194. Radulf de Diceto 1, 439. Der letztere legt die Gleichheit der Könige von England und Frankreich dar. Er sieht in dem Halten der Krone ein Symbol von Englands schützend über Frankreich gehaltener Hand.

 

 

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und die Grafen Theobald von Blois und Stephan von Sancerre nach England um Hilfe. Durch ihre Bitten wurde Jung Ileinrich zu dem Versprechen bewogen, seinen Vater anfzusuchen und ihn von den Gefahren zu benachrichtigen, welche Frankreich drohten. Am 1. April 1180 reiste er nach England und traf mit dem älteren Könige im Reading zusammen. Dort machte er seinem Vater Mitteilung von seiner Mission und gelobte, seines Vaters Willen in allen Dingen zu befolgen 1). Noch vor Ostern (20. April) reisten die beiden Könige nach der Normandie, indem der ältere sich zu Portsmouth, der jüngere in Dover einschiffte. Nach ihrer persönlichen Unterredung mit Königin Adela und ihren Brüdern Theobald von Blois und Stephan von Sancerre wurden Kriegsvorbereitungen getroffen. Am 28. Juni wurden diese jedoch durch eine Versöhmung der streitenden Parteien, die zwischen Gisors und Trie stattfand, unnötig gemacht, und König Heinrich erneuerte den Vertrag von Nonancourt 2) mit dem jungen König Philipp 3).

 

Indessen stieg Jung Heinrichs Ruf als Ritter täglich höher. Seine Freigebigkeit und seine Tapferkeit hatten die besten Ritter aus Frankreich, Flandern und der Champagne herbeigezogen, so daß der Angriff seines Gefolges selten erfolgreichen Widerstand fand 4). Bei einem Turnier zwischen Maintenon 5) und Nogent 6), das zur Pfingstoktave eines unbekannten Jahres gehalten wurde, traf er die Grafen Philipp von Flandern, den Grafen von Boulogne 7) und den Grafen Radulf von Clermont. Bei einem am Abend vor dem wirklichen Turnier gehaltenen Vorkampf fielen zwei von des jungen Königs Gefährten in die Hände Rainalds von Decise aus dem Hause Nevers 8). Nur mit Widerstreben willigte Jung Heinrich ein, ihre Befreiung zu erbitten, denn er fürchtete eine Weigerung von Seiten Rainalds, den er nicht in die Zahl seiner Ritter hatte aufnehmen wollen. Auf des jungen Königs Bitte erwiderte dieser einfach, daß er feindlich gegen die königliche Partei gestimmt bleiben und jede Gelegenheit ergreifen werde, ihr Verluste beizubringen. Am folgenden Tage jedoch wurde er durch Wilhelm Marschall gefangen genommen und vor

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1) Radulf de Diceto 2, 5.

2) Vgl. oben S. 56.

3) Gesta 1, 247--248.

4) Gesch. Wilhelm Marschalls 3562--3642.

5) Maintenon, Dép. Eure-et-Loir, Arr. Chartres.

6) Nogent-le-Roi, Dép. Eure-et-Loir, Arr. Dreux.

7) Wahrscheinlich ist der zweite Gemahl Idas von Boulogne, Graf Gerhard III. von Geldern, hier gemeint.

8) Vgl. P. Meyer, Gesch. Wilhelm Marschalls 3, 46 Anm. 2.

 

 

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Jung Heinrich geführt. Noch vor dem Ende des Turniers erlitt auch der Graf Radulf von Clermont eine Niederlage 1).

 

Ein großes Treffen zu Lagny-zur-Marne 2) folgte. Hier kamen zusammen Jung Heinrich, Hugo III., Herzog von Burgund, und 19 Grafen mit Einschluß Philipps von Flandern. In Kürze zählte die Versammlung ungefähr 3000 Ritter im ganzen. Graf Philipps Gefolge setzte sich zusammen aus Flamländern, Hennegauern, Deutschen und Leuten vom Niederrhein, während die Gefolgschaft Jung Heinrichs seinen Bruder Gottfried, 20 französische. 14 englische, 19 flandrische, 27 normannische und 6 angevinische Ritter umfaßte. Jeder der Ritter, der ein Banner trug, wurde von einem Gefolge begleitet. so daß die gesamte Zahl der Ritter im Solde des jungen Königs mehr als 200 betragen haben soll 3). Bei dem Turnier schlug seine Partei die Gegner in die Flucht, aber Jung Heinrich selbst nahm, wie es scheint, daran nicht Teil, sondern er griff eine beinahe 40 Mann starke Truppe von Rittern an und wäre in Gefangenschaft geraten, wenn Wilhelm Marschall und Wilhelm von Préaux 4) ihn nicht rechtzeitig befreit hätten. So aber entkam er mit zerbrochener Lanze und unter Verlust seines Helmes. Das Treffen endete damit, daß Graf Philipp sich auf seine Gegner stürzte, welche durch ihre Anstrengungen ermüdet waren, und daß er sie in die Flucht schlug. Bei dem Rückzuge zeichnete sich Gottfried von Bretagne durch seine Tapferkeit aus 5).

 

Der junge König wurde aber bald in ernstere Kämpfe verwickelt. Graf Philipp von Flandern, eifersüchtig auf den englischen Einfluß am französischen Hofe, hatte sich dem König Philipp August entfremdet. Durch den älteren König Heinrich wurde jedoch eine Versöhnung zu Gisors bewirkt, die einige Zeit anhielt. Jung Heinrich wohnte dieser Besprechung bei, und bei der Abreise seines Vaters nach England im Juli 1181 bekam er Anweisungen, Philipp August unter seinen Schutz zu nehmen 6). Die anscheinend freundlichen Beziehungen verschärften sich aber bald wieder und arteten zu Feindseligkeiten aus. Graf Philipp sammelte eine starke Gegenpartei um sich, indem er die Gefahren

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1) Gesch. Wilhelm Marschalls 3642-3843.

2) Dép. Seine-et-Marne, Arr. Meaux.

3) Bannertragende Ritter erhielten 25 Schillinge täglich für jeden sie begleitenden Mann. Der junge König rechnete zweifellos darauf, bei dem Turnier Geld zu gewinnen, um einen Teil seiner Auslagen damit bestreiten zu können.

4) Préaux, Dép. Seine-Inférieure, Arr. Rouen, Kt. Darnétal.

5) Gesch. Wilhelm Marschalls 4449--4970.

6) Radulf de Diceto 2, 8. Gesta 1, 277.

 

 

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schilderte, die durch den königlichen Ehrgeiz zu gewärtigen seien 1). Unter seinen Anhängern befanden sich Hugo, der Herzog von Burgund, Maria, die Pfalzgräfin-Witwe von Troyes, Graf Balduin von Hennegau, Graf Stephan von Sancerre und Heinrich, der Sohn des Herzogs Gottfried von Brabant 2).

 

Durch das Verhalten des Grafen Stephan, der wie mancher andere den englischen Einfluß auf Philipp August nicht gern sah 3), kam es schließlich zu einer Krisis. Er hielt nämlich gegen den Willen des Königs den Besitz eines seiner Nachbarn gewaltsam zurück. Da er aber den Zorn des Königs fürchtete, begab er sich zum Grafen Philipp von Flandern und leistete Huldigung für die Burg von Saint-Brisson 4), sein Eigengut 5). Hierauf griff Philipp Angust Châtillon-sur-Loire an 6), das für einen Schlüssel des Sancerrois galt, während Stephan die Gegend von Bourges und Lorris verwüstete 7). Die Güter des Grafen wurden schnell im Begitz genommen, und bald mußte sich Stephan ergeben 8). Obgleich die Lage im Norden gefährlich war, zog doch König Philipp, dem sich Jung Heinrich von England und seine Brüder Richard und Gottfried zugesellt hatten, gegen Hugo von Burgund und Maria von Troyes und fügte ihnen beträchtliche Verluste bei 8).

 

Die Flamländer nahmen den Kampf frühzeitig im Winter auf 9): Noyon wurde am 27. November niedergebrannt, und die Grafen Philipp von Flandern und Balduin von Hennegau rückten nach Montidier vor. Hier blieb Balduin, während sein Gefährte nach Crépy 10) weiter zog. Inzwischen kehrte König Philipp nach dem Norden zurück, sammelte sein Heer zu Senlis und griff den Grafen Philipp an 11). Da der Graf sich fürchtete. dem jungen englischen Könige, der 600 Ritter hinter sich hatte. gegenüberzutreten, begab er sich hinter die schützenden Wälle der Burg und wäre gezwungen worden, aus Mangel an Lebensmitteln sich zu ergeben, wenn ihm nicht Verrat aus dem feindlichen Lager zu Hilfe gekommen wäre 12). Balduim wurde zum Beistand herbeigerufen

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1) Radulf de Diceto 2, 8. Gesta 1, 284.

2) Vgl. A. Cartellieri, Philipp II. August 1, 105-106.

3) Gesta 1, 284.

4) Dép. Loiret, Kt. und Arr. Gien. Vgl. A. Cartellieri, Philipp II. August 2, 348.

5) Gesta 1, 284. Radulf de Diceto 2, 9.

6) Philippis 1, 531.

7) Hist. Reg. Franc., Rec. 17, 425.

8) Radulf de Diceto 2, 9.

9) Gervasius von Canterbury 1, 297.

10) Crépy-en-Valois, Dép. Oise, Arr. Senlis.

11) Gislebert § 99.

12) Radulf de Diceto 2, 9--10.

 

 

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und quartierte seine Leute in dem Dorfe von Crépy ein 1). Die Führer wünschten jetzt sehnlichst einen entscheidenden Kampf, und zwei Tage lang standen ihre Heere zum Kampfe bereit nahe bei Senlis. Doch kurz vor Weihnachten 1181 wurde ein Waffenstillstand bis zum 13. Januar 1182 geschlossen 2).

 

Als dieser abgelaufen war, ging Balduin Mitte Januar 1182 nach Montdidier und verwüstete alles bis nach Compiègne: sodann zog er nach Beauvaisis und brannte La Neuville-Roi 3) nieder 4). Mitte Februar wurde ein neuer Waffenstillstand bis Ostern (28. März) verabredet 5), und am 4. April wurden zwischen Gerberoy und Gournay unter dem Vorsitze Jung Heinrichs von England und seines Vaters, welcher frühzeitig im März aus England gekommen war, die Friedensbedingungen besprochen 6). Bei einer zweiten Besprechung nahe bei La Grange Saint-Arnoul 7), welche auf den 11. April anberaumt wurde und bei welcher wieder die beiden englischen Könige anwesend waren, kam der endgültige Friedensschluß zustande 8). Durch eine der Klauseln des Abkommens löste Graf Philipp Jung Heinrich und seine Brüder Richard und Gottfried von allen Versprechungen, welche während des Krieges von 1173-1174 gemacht worden waren. Er gab auch die Urkunde zurück, welche ihm deshalb der junge König beim Beginn jener Feindseligkeiten gegeben hatte 9).

 

Der zweite Aufstand Jung Heinrichs (1183).

 

Der junge König war aber nicht allein undankbar gegen seinen Vater, sondern auch ohne jede Rücksicht seinem Bruder Richard gegenüber. Nur mit Gefühlen des Neides sah er diesen im vollen Genusse des Herzogtums Aquitanien, während er selbst

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1) Gislebert § 99. Vgl. A. Cartellieri, Philipp II. August 1, 114 Anm. 5.

2) Gislebert § 99.

3) Dép. Oise, Arr. Clermont, Kt. Saint-Just.

4) Gislebert § 99.

5) Sig. Cont. Aquicinctina 420.

6) Gislebert § 103. Brief König Heinrichs an Rainulf von Glanville. „Scias quod“ (Gerold von Barri 8, 189). Vgl. A. Cartellieri, Philipp II. August 1, 125 Anm. 1.

7) Über La Grange Saint-Arnoul vgl. A. Cartellieri, Philipp II. August 1, 125 Anm. 3.

8) Gislebert § 103.

9) Radulf de Diceto 2, 11. Gesta 1, 286. Nach den Gesta 1, 83 hatte der Graf Philipp die Urkunde schon 1175 zurückgegeben (vgl. oben S. 50). Vielleicht war dies eine formelle Wiederholung der Rückgabe.

 

 

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nur einen leeren Titel besaß. Auch Richards militärische Erfolge erfüllten ihn mit Eifersucht, da sie seine eigenen zu übertreffen drohten 1). Er wußte wohl, wie die Barone von Aquitanien ihren Herrn haßten, nicht nur wegen seiner Grausamkeit, sondern auch weil er die Ehre keiner Frau achtete 2). Ihre Anführer befanden sich bereits im Aufruhr, und der ältere König war seinem Sohn Richard zu Hilfe gekommen 3). Für diese Leute aus dem Süden war Jung Heinrich ein Fürst nach ihrem Herzen, und es schien ihnen kaum möglich, daß der junge König sich enthalten könne, dem Bunde beizutreten.

 

Am 30. Juni (1182) feierte Jung Heinrich in Limoges, wohin er sich von St. Yrieix begeben hatte, das Fest des heiligen Martial. Die Mönche und das Volk bereiteten ihm dort bei seiner Ankunft einen glänzenden Empfang. Um sich beim Volke beliebt zu machen, beschenkte er den Schutzheiligen mit einem reichen Stücke Tuch, auf welches „Henricus Rex“ gestickt war. Am 1. Juli traf er seinen Vater und seinen Bruder Richard zu Périgueux, und bald folgten Friedensverhandlungen. Infolgedessen verständigten sich die zwei Rebellen, Graf Elias von Périgord und Vizegraf Ademar von Limoges, mit Richard in dem Kloster von St. Augustin zu Limoges. Fürs erste war die Kraft des Bündnisses gebrochen, und der junge König kehrte nach dem Norden zurück 3).

 

Ehe er 1181 nach England abreiste, hatte der ältere König Jung Heinrich für die Zeit seiner Abwesenheit zum Regenten der Normandie gemacht 4). Jung Heinrich verlangte nun den vollen Besitz der Provinz oder irgend eines anderen Gebietes 5). Auf die Verweigerung seiner Bitte hin reiste er sofort nach Frankreich, indem er seine Absicht erklärte, das Kreuz zu nehmen. Nach wiederholten Botschaften, die seine Rückkehr erbaten, kehrte er endlich zu seinem Vater zurück 6), nachdem ihm 100 Pfund von Angers täglich für sich selbst und 10 Pfund für seine Gemahlin versprochen worden waren. Demgegenüber gelobte er vollständige Unterwerfung unter seines Vaters Willen 7).

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1) Vgl. W. Map, De nugis curialium 140.

2) Gesta 1, 292.

3) Gottfried von Bruil, Rec. 18, 212.

4) Radulf de Diceto 2, 8.

5) Nach Roger von Howden 2, 266 wurde die Bitte auf den Rat von Philipp Angust von Frankreich ausgesprochen.

6) Der ältere König war wahrscheinlich zu dieser Zeit in der Normandie. Vgl. Eyton 218.

7) Gesta 1, 291.

 

 

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Den übrigen Teil des Jahres (1182) widmete der junge König dem Vergnügen. Unglücklicherweise hatte er sich seinem zuverlässigen Freund Wilhelm Marschall entfremdet, welcher das Opfer ränkevollen Neides geworden war. Fünf Ritter hatten nämlich behauptet. daß er der Liebhaber der Königin Margarete wäre, und sie brachten das durch Radulf Farci zu Ohren Jung Heinrichs. Dieser schenkte zunächst der Verleumdung keinen Glauben, aber auf das Zeugnis der fünf Ritter hin wendete er seinem Vertrauten den Rücken. Nichtsdestoweniger bat er bei einem zweiten Turnier zwischen den Orten Gournay und Ressons 1) um die Adventszeit 2) Wilhelm Marschall, daran teilzunehmen. Die versammelten Kämpfer umfaßten Ritter aus Flandern, Burgund, Frankreich, England und der Normandie. Die Ehre des Tages fiel Wilhelm Marschall zu, der Lobeserhebungen von beiden Seiten erhielt. Er verdiente sie völlig, denn zweimal eilte er zur Befreiung seines Herrn herbei. Trotzdem schieden nach dem Schlusse des Waffenganges er und Jung Heinrich voneinander, ohne ein Wort zu wechseln 3).

 

Während der Weihnachtsfestlichkeiten des Jahres 1182 kam Wilhelm Marschall an den königlichen Hof zu Caen, um den Versuch zu machen, seine Unschnuld zu beweisen. Seine Ankläger waren gleichfalls anwesend, aber vergebens forderte er sie auf, ihre Behauptungen öffentlich vorzubringen. Er ersuchte Jung Heinrich zu erlauben, daß seine Angelegenheit durch Zweikampf geprüft werde. Aber da auch dieser nicht gewährt wurde, zog er sich nach Mortagne im Perche mit einer Sicherheitswache, welche ihm durch den älteren König gestellt worden war, zurück 4).

 

Obgleich anscheinend in Aquitanien der Friede bis zu einem gewissen Grade im Sommer von 1182 wiederhergestellt war, so fachten doch die heimlichen Ränke der unzufriedenen Barone die Flammen der Empörung nochmals an. Um die Rebellen zu ermutigen, dichtete Bertrand von Born sein berühmtes Sirventes „Puois Ventadorns“ 5). Mit Wohlgefallen betrachtete der Troubadour

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1) Vgl. oben S. 54.

2) Der erste Sonntag im Advent dieses Jahres (1182) fiel auf den 28. November.

3) Gesch. Wilhelm Marschalls 5141--5636.

4) Gesch. Wilhelm Marschalls 5748--5840. Es ist wahrscheinlich, daß dem älteren Könige die Entfremdung zwischen Jung Heinrich und Wilhelm Marschall gelegen kam, die er als ein Mittel betrachtete, die Ausgaben an des jungen Königs Hof einzuschränken; denn Wilhelm Marschall bestärkte zweifellos Jung Heinrich in seinen Extravaganzen. Vgl. Gesch. Wilhelm Marschalls 5636--5668.

5) Stimming, Textausgabe Nr. 5, S. 64, Leben Nr. 33, S. 190. Clédat 41. Thomas Nr. 3, S. 11. Boysson 131. Kannegießer (übersetzt) 157. Boissonnade, Comtes d'Angoulême 289--292, setzt dieses Sirventes zwischen August und Dezember 1182.

 

 

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das Bündnis. welches schon zwischen Limousim und Périgord geschlossen worden war. Aber er hoffte noch auf weiteren Beistand, besonders von den Grafen Bernhard IV. von Armagnac, Centule von Bigorre, den Vizegrafen Gaston VI. von Béarn, Vézian II. von Lomagne und Peter von Dax, sowie von Gottfried von Rancon, dem Herrn von Taillebourg 1) und Pons 2), von Gottfried, dem Herrn von Lusignan 3), Radulf, dem Herrn von Mauléon 4), und Gottfried, dem Herrn von Tonnay 5). Auch versuchte er, die Unzufriedenheit Jung Heinrichs zu erregen und hoffte schließlich, daß Philipp August von Frankreich sich den Rebellen anschließen würde.

 

Die Folge davon war, daß am Schlusse des Jahres 1182 sich ein mächtiges Bündnis gegen Richard bildete, mit Jung Heinrich und seinem Bruder Gottfried an der Spitze 6). Mit diesen zugleich nahmen daran teil die Grafen Wilhelm V. von Angoulême, Elias V. von Périgord, die Vizegrafen Ademar V. von Limoges, Raimund II. von Turenne, Eblo V. von Ventadour, Archambald V. von Comborn und Peter von Castillon, sowie Wilhelm von Gourdon 7), Folkald von Archiac 8) und Gottfried von Lusignan.

 

Der junge König versuchte nicht seine Verbindung mit den Rebellen zu verbergen. Ja, er gestand sogar seinem Vater, als er am 1. Januar 1183 ihm Treue gelobte, seine Beziehungen zu den Rebellen offen ein 9). Als besonderen Grund seiner Unzufriedenheit führte er an, daß sein Bruder Richard die Integrität des Lehens von Anjou verletzt habe, indem er die Burg von Clairvaux 10) besetzte. Weiter verdroß es ihn, Richards Stellung in Aquitanien anerkennen zu müssen 11). Der König versuchte

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1) Vgl. oben S. 37 Anm. 2.

2) Dép. Charente-Inférieure, Arr. Saintes.

3) Dép. Vienne, Arr. Poitiers.

4) Heute Châtillon-sur-Sèvre. Dép. Deux-Sèvres, Arr. Bressuire.

5) Dép. Charente-Inférieure.

6) Bertrand von Born „Puois Ventadorns“ Zeilen 1-3, vgl. oben S. 63 Anm. 5. Gottfried von Bruil, Rec. 18, 213. Vgl. Boissonnade, Comtes d'Angoulême 279.

7) Dép. Lot.

8) Dép. Charente-Inférieure, Arr. Jonzae.

9) Gesta 1, 294. Das Gelübde wurde wahrscheinlich zu Le Mans abgelegt.

10) Gesta 1, 291. Bertrand von Born „Puois Ventadorns“ Zeile 35, vgl. oben S. 63 Anm. 5. Clairvaux liegt im Dép. Vienne, Arr. Châtellerault, Kt. Leneloitre.

11) Wilhelm von Newburgh 1. 233.

 

 

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eine Versöhlnung zwischen seinen Söhnen zustande zu bringen und überredete endlich Richard, die umstrittene Burg zurückzugeben. Zu Angers ließ er die Brüder sich, dem Könige selbst, Treue und gleichzeitig einander gegenseitig Freundschaft schwören. So schien der Friede wiederhergestellt zu sein 1). Das war aber nur scheinbar der Fall.

 

Während dieser Friedensvermittlungen König Heinrichs zwischen seinen Söhnen, welche im Januar stattfanden, wendete sich Bertrand von Born in seiner bitteren Satire „D'un sirventes no'm chal“ 2) gegen Jung Heinrich, da dieser mittlerweile die Sache der Rebellen verlassen hatte. Der Troubadour spottet über den jungen König, weil er seinen Zorn gegen Richard auf Befehl seines Vaters aufgegeben habe, verhöhnt ihn wegen seiner Untätigkeit, vergleicht ihn einem Könige der Lumpen, weil er kein eigenes Land habe und von anderen wegen seines Lebensunterhaltes abhänge. Schließlich wünscht Bertrand, daß Graf Gottfried der Älteste der Familie wäre, denn dieser sei wenigstens ein echter Ritter.

 

Der Friede zwischen Jung Heinrich und Richard dauerte jedoch nur kurze Zeit. Neue Streitigkeiten entstanden, als der König den Vorschlag machte, daß Richard und Gottfried dem jungen Könige für ihre Länder huldigen sollten. Gottfried machte keine Schwierigkeiten, so daß die Huldigungsfeierlichkeit in herkömmlicher Weise zu Angers abgehalten werden konnte. Einer Huldigung Richards gegenüber verhielt sich Jung Heinrich zunächst ablehnend. Schließlich aber erklärte er, dem Einflusse seines Vaters nachgebend, seinen Willen, die Huldigung entgegenzunehmen, wenn Richard ein neues Treuegelöbnis ablegte. Richard geriet darüber in Zorn und verweigerte die Huldigung, indem er sagte, daß, wenn sein Bruder seines Vaters Länder bekäme, er ein gleiches Recht auf das Erbe seiner Mutter hätte. Dann begab er sich in offenem Aufstande nach Poiton. Der König in seinem Zorne bat Jung Heinrich und Gottfried, ilres Bruders Stolz zu brechen 3). Kurz nachher jedoch rief er alle drei zusammen mit den Baronen von Aquitanien; sie sollten ihn zu Mirebeau treffen, und er hoffte, den Frieden wiederherstellen zu können 4). Alles war vergeblich, denn Gottfried, welcher abgesandt

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1) Radulf de Diceto 2, 18. Gesta 1, 295.

2) Stimmung, Textausgabe Nr. 6, S. 66, Leben Nr. 13, S. 151, 108. Clédat 17. Thomas S. 16. Boysson 136. Kannegießer (übersetzt) 162.

3) Radulf de Diceto 2, 18-19. Gesta 1, 292-295. Die Erzählung in den Gesta ist sehr unklar, weil sie zweimal berichtet wird und in verschiedenen Formen.

4) Radulf de Diceto 2. 18. Gesti 1, 295.

 

 

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worden war, die rebellischen Edelleute zu der Besprechung herbeizurufen, ermutigte sie noch in ihrer Abneigung, während Jung Heinrich unter dem Vorwande, die Ordnung wiederherzustellen, nach Poiton marschierte und dabei in Verhandlung mit den Aufständischen trat. Beide vereinigten dann zu Limoges ihre Streitkräfte 1).

 

Mitten in solchen Schwierigkeiten bat Richard seinen Vater um Hilfe, und Heinrich II., der die Gefahren der Lage erkannte, eilte sofort nach Limoges, um den Versuch zu einem Friedensschlusse zu machen 2). Bei seiner Ankunft in Sehweite von der Stadt wurden seine Leute infolge eines Mißverständnisses von Truppen aus Limoges heftig angegriffen, worauf sich der König nach Aixe 3) zurückzog. Am Abend besuchte Jung Heinrich seinen Vater in kriegerischer Rüstung und versuchte sich wegen dieser Angelegenheit zu entschuldigen. Der König weigerte sich, ihn anzuhören, und nachdem Jung Heinrich es abgelehnt hatte, sich am Tische niederzusetzen, kehrte er nach Limoges zurück 4).

 

In der Tat herrschte allgemeine Verwirrung in Aquitanien. Von Limoges ausgeschlossen, ließ Richard seine Rache alle Rebellen fühlen, welche in seine Hände fielen. Nach einem Gewaltmarsch von zwei Tagen und zwei Nächten überraschte er am 12. Februar den Vizegrafen Ademar von Limoges, welcher gerade Gorre 5) belagerte. Wenn seine Pferde nach dem langen Ritte nicht erschöpft gewesen wären, würde er ihn gefangen genommen haben. Jener entkam nur durch schleunige Flucht. Mit der ihm eigenen Grausamkeit behandelte er eine Schar von gasconischen Banditen, die Raimund Brun zu dem Vizegrafen Ademar führte. Er traf auf den Feind zu Aixe; einige ließ er hinrichten, andere in die Vienne werfen, und ungefähr 80 gab er frei, nachdem er sie hatte blenden lassen 6).

 

Von Gorre aus kehrte Vizegraf Ademar nach Limoges zurück, und dort bewog er die Bürger, dem jungen Könige in der Kirche von St. Peter du Queyroix Treue zu schwören 7). Dann

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1) Gesta 1, 296. Gottfried von Bruil, Rec. 18, 213. Jung Heinrich kam nach dem 2. Februar in Limoges an.

2) Gesta 1, 293. Roger von Howden 2, 271. Gottfried von Bruil, Rec. 18, 213.

3) Aixessur-Vienne, Dép. Haute-Vienne, Arr. Limoges.

4) Gottfried von Bruil, Rec. 18, 213 211.

5) Dép. Haute-Vienne, Arr. Rochechouart, Kt. St.-Lanment-sur-Gorre.

6) Gottfried von Bruil. Rec. 18, 213.

7) Limoges war in zwei Teile geteilt, die Stadt, welche um die Kathedrale herum erbaut war, und die Burg, welche um das Kloster von St. Martial lag. Vgl. Arbellot, Étude hist. et bibliog. sur Geoffroy de Vigeois 14 Anm. 2.

 

 

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wurde die Burg befestigt und ein großer Teil der umliegenden Güter zu größerer Sicherheit zerstört. In ihrer Wut zerstörten die Bürger die Kirchen von Notre-Dame und von St. Moritz und die Kirche des Hospitals von St. Gerold. Sie brannten den hölzernen Glockenturm von St. Martin nieder und entwurzelten die Bäume des Obstgartens von St. Martial. Die Häuser und die Kirche von St. Symphorien du Pont wurden auch dem Erdboden gleich gemacht. Selbst das Kloster von St. Augustin bedroht 1).

 

Nachdem er für die Sicherheit der Burg gesorgt hatte. verließ Vizegraf Ademar Limoges, begleitet von Raimund von Turenne, um sein Kriegsglück anderswo zu versuchen. Die beiden Gefährten hatten eine Schar von Banditen unter dem Befehle eines gewissen Courbaran und Sancho von Savagnac gedungen. Diese eröffneten ihre Kriegstaten damit, daß Sie von Yssandon 2) Besitz ergriffen. Am 19. Februar griffen sie Pierre Buffière 3) an und nahmen die Burg in drei Tagen ein. Sie verkündeten ihren Sieg, indem sie einen Tag und eine Nacht lang von den Wällen Trompeten ertönen ließen. Von da rückten sie weiter nach Brive. Nach einer achttägigen Belagerung aber wurden sie gezwungen, Brive 4) zu verlassen, ohne daß Sie irgend etwas ausgerichtet hätten, worauf sie sich nach Yssandon zurückzogen 5). Währenddessen hatte sich Jung Heinrich mit seinem Schwager Philipp August in Verbindung gesetzt. Seine Bereitwilligkeit, dem französischen Könige im seinen Schwierigkeiten mit dem Grafen Philipp von Flandern beizustehen, ist wahrscheinlich auf die Hoffnung zurückzuführen, daß er sich möglicherweise in ihm einen Verbündeten gegen seinen Vater sichern könnte 6). Darin wurde er nicht enttäuscht. In Übereinstimmung mit seinen Wünschen wurde die junge Königin Margarete nach ihrer Flucht aus dem Turm von Montfort 7), wo sie durch den älteren König gefangen gehalten worden war, nach dem französischen Hofe zu Ihrer Sicherheit geschickt, und dort fand Sie eine warme Aufnahme 8). Aber das war noch nicht alles. Der junge König bat um materielle Hilfe Frankreichs für den Kampf, in den er sich eingelassen hatte. Die Bitte wurde gern gewährt. Philipp August sah hier

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1) Gottfried von Bruil, Rec. 18, 214.

2) Dép. Corrèze, Arr. Brive, Kt. Ayen.

3) Dép. Haute-Vienne, Arr. Limoges.

4) Dép. Correze.

5) Gottfried von Bruil, Rec. 18, 214--215.

6) Roger von Howden 2, 266.

7) Montfort-sur-Risle, Dép. Eure, Arr. Pont- Audemer.

8) Annales Normannici 346. Gesta 1, 296.

 

 

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eine Gelegenhoeit. die Brabanzonen loszuwerden, die er sich für den flandrischen Feldzug gesichert hatte. Auch war er ohne Zweitel froh, eine Gelegenheit zu finden, den Kampf weiter zu unterhalten, denn er hoffte, dies würde die Kraft des älteren Königs schwächen.

 

Am Anfang des Jahres 1183 wurden die Brabanzonen nach dem Süden geschickt. Als sie vor die Stadt Noailles 1) kamen, baten sie um Erlaubnis, da bleiben zu dürfen. Jemand von drinnen sagte ihnen aber, daß sie nach der Burg Mallemort eilen sollten, um dort ihre letzte Mahlzeit zu verzehren 2). In ihrer Wut griffen sie einen Teil der Stadt an, töteten 153 Einwohner und verwundeten viele. Am 26. Februar plünderten sie die Stadt und die Abtei von Brantôme 3) und nahmen aus der Kirche alles Gold, alles Getreide, allen Wein, kurz alles, was die Bürger unter den Schutz Gottes gestellt hatten. Die Mönche verloren was sie hatten und waren gezwungen, um Almosen zu betteln 4).

 

Am 1. März fingen der ältere König und Prinz Richard, die ihre Streitkräfte vereinigt hatten, Jung Heinrich und Gottfried in der Burg von Limoges zu belagern an. Der König quartierte seine Leute in der Stadt ein, während Richard sich bei Sainte-Valérie aufstellte. Die Bürger innerhalb der Burg erkannten die Gefahr der Lage und baten flehentlich um göttlichen Beistand. Nachdem sich ihnen Jung Heinrich, die Mönche und die Geistlichkeit beigesellt hatten, schritten sie in langem Zuge um die Festung herum, indem sie die Gebeine von St. Austriclinianus mit sich trugen, auch die goldene Kassette, welche den Schädel des heiligen Martial enthalten sollte, und andere Reliquien von Heiligen. Die Frauen machten ein Seil von Werg, lang genug, um um die innere Seite der Burgmauern gelegt werden zu können. Sodann zerschnitten sie es in eine Menge von Stücken, welche sie benutzten, um Kerzen daraus zu bereiten, die sie dem Kloster von St. Martial und vielen Kirchen widmeten. Indessen zerstörte der ältere König die Brücke über die Vienne, um zu verhindern, daß von außen Hilfe zur Besatzung der Burg käme. Aber seine Bemühungen, diese einzunehmen, waren alle vergeblich. Der größte Teil seines Heeres zerstreute sich vor dem Ende der zweiten Woche, teils infolge des kalten Wetters und des unaufhörlichen

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1) Dép. Corrèze, Arr. u. Kt. Brive.

2) Dies bezieht sich auf eine Niederlage einer Schar von Brabanzonen, welche zu Mallemort im Jahre 1177 stattfand. (Gottfried von Bruil, Rec, 12, 446 und Anm. 1). Mallemort liegt im Dép. Corrèze, Arr. u. Kt. Brive.

3) Dép. Dordogne, Arr. Périgueux.

4) Gottfried von Bruil, Rec, 18, 215.

 

 

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Regens, teils auch deshalb, weil die Truppen aus Maine und Anjou ohne Erlaubnis in ihre Heimat abrückten. Eine Besatzung blieb jedoch in dem Kloster von St. Augustin zurück, um die Stadt zu verteidigen 1).

 

Inmitten dieser Schwierigkeiten suchte Jung Heinrich die Hilfe Wilhelm Marschalls. Auf den Rat seines Bruders Gottfried, des Gottfried von Lusignan und des Roger de Gangi 2) schickte er Radulf Fitz Gottfried, seinen Kämmerer 3) ab, um seinen alten Waffengefährten zu bitten, er möge in seinen Dienst zurückkehren. Hierauf erhielt Wilhelm Marschall vom König Philipp August und anderen Briefe, welche an den älteren König gerichtet waren und in denen die Erlaubnis zu seiner Rückkehr an den Ilof des jungen Königs erbeten wurde. Die Bitte wurde bereitwillig gewährt und Wilhelm schließlich wieder mit Jung Heinrich ausgesöhnt 4).

 

Bald eröffnete König Heinrich die Verhandlungen mit seinen rebellischen Sölmen: aber bei der ersten Besprechung wurde sein Leben durch Pfeile der Burgbezatzung gefährde1 5), Gottfried verließ, wie es scheint, Limoges kurz nachher, und Jung Heimrich gab vor, versuchen zu wollen, ihn und die Barone durch eine persönliche Unterredung auf seines Vaters Seite zu zielen. Bei seiner Rückkehr zu dem König erklärte er, sie seien noch immer aufrührerisch, aber was ihn selbst anbeträfe, so begehre er seines Vaters Willen zu erfüllen. In Wirklichkeit war seine anscheinende Versöhnlichkeit nur Verstellung und sollte den älteren König beruhigen, damit die Barone Zeit hätten, ihre Rache an Richard zu kühlen. Nachdem er sein Pferd und seine Waffen dem König ausgeliefert hatte, blieb er noch einige Tage lang in seiner Gesellschaft. Dann band er sich plötzlich abermals durch einen Eid an die Rebellen. Noch eimmal kehrte er zu seinem Vater zurück, aber beinahe gleich darauf ging er nach Le Dorat 6). Der König, welcher glaubte. daß sein Sohn auf seiner Seite stände, rief ihn zurück: Jung Heinrich kam abermals nach Limoges, und bei den Gebeinen von St. Martial beteuerte er sein Verlangen, das Kreuz zu nehmen. Da der ältere König glaubte, daß Jung Heinrich das

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1) Gottfried von Bruil, Rec. 18, 215-216. Robert von Torigni 2, 121. W. Map. De nugis eurialium 139.

2) Ein flandrischer Ritter, welcher auch in dem Gefolge Jung Heinrichs zu dem Turnier bei Lagny-sur-Marne kam (Gesch. Wilhelm Marschalls 4583).

3) Nachher wurde Radulf Fitz Gottfried Kämmerer des Königs Richard. Vgl. Gesta 2, 167. 173.

4) Gesch. Wilhelm Marschalls 6414-6664.

5) Gesta 1, 296.

6) Dép. Haute-Vienne, Arr. Bellac.

 

 

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Gelübde nur aus Ärger abgelegt habe, bat er seinen Sohn fußfällig, davon abzustehen. Jung Heinrich aber erklärte. er habe das Gelübde getan, um Verzeihung für seine Sünden zu erlangen, die er gegen seinen Vater begangen habe und fügte hinzu, daß er sich das Leben nehmen würde, wenn man ihn an der Erfüllung seines Wunsches hindere 1). Jedoch bestand er darauf, nicht ohne des Königs Einwilligung nach dem heiligen Lande gehen zu wollen, worauf Heinrich, der seinen Sohn für aufrichtig hielt, ihn im der prächtigsten Weise für die Fahrt auszurüsten versprach. Dann bat Jung Heinrich um Gnade für seine Waffengefährten, und als diese gewährt war, führte er die Bürger der Burg von Limoges vor seinen Vater. Indem er sich dem Könige mit diesen zu Füßen warf, erhielt er Verzeihung für sie gegen das Versprechen, Geiseln zu stellen. Doch diejenigen, welche von König Heinrich abgesandt worden waren, die Geiseln in Empfang zu nehmen, hätte man beinahe dabei ums Leben gebracht, und Jung Hemrich ging öffentlich wieder zu dem Feinde über. Noch eimmal schützte er den Wunseh vor, zu seinem Vater zurückzukehren. Er verlangte, daß Moritz von Craon 2) und andere zu ihm gesandt würden, um die Möglichkeit eines Waffenstillstandes zu besprechen. Es war dies aber nur eine andere Art des Verrates; denn einige von des Königs Leuten wurden bei der darauffolgenden Besprechung getötet. Ein paar Tage später bat Prinz Gottfried, daß Oliver Fitz Ernise 3) und Hieronymus von Montreuil unter dem Schutz eines Waffenstillstandes zu ihm kämen. Bei ihrer Ankunft wurde der eine von einer Brücke in das Wasser hinuntergestoßen, der andere durch Schwerthiebe der Rebellen verwundet. Nicht lange nachher erlangte Gottfried einen Waffenstillstand von 24 Stunden, der es ihm möglich machen sollte, die Burg von Limoges zu besuchen und sich mit seinem darin befindlichen Bruder über die schwebenden Fragen auszusprechen. Sein wirklicher Plan jedoch war, den Schrein von St. Martial zu plündern, und dies führte er auch aus, indem er einen großen Teil der Schätze fortschleppte 4).

 

Währenddessen waren die Brabanzonen, die Philipp August von Prankreich geschickt hatte, in Limoges angekommen und wurden von dem jungen Könige mit Freuden empfangen. Seit dem Anfang des Aufstandes war Jung Heinrichs tägliches Gehalt suspendiert, und die Brabanzonen waren nicht Männer, die ihre

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1) Gesta 1, 297--298.

2) Vgl. oben S. 47.

3) Oliver Fitz Ernise war ein Parteigänger des jungen Königs aus dem Jahre 1173 (Gesta 1, 46).

4) Gesta 1, 298-299.

 

 

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Dienste umsonst leisteten. Die 20000 Schillinge, die er von den Bürgern von Limoges geliehen hatte, waren bald ausgegeben, und es machte sich notwendig, nach anderen Hilfsmitteln auszuschauen. Infolgedessen bat er die Mönche von St. Martial, ihm die Reichtümer ihres Klosters zu leihen; doch in Abwesenheit des Abtes, welcher als eifriger Anhänger des älteren Königs sich nach La Sonterraine 1) zurückgezogen hatte, wurde die Bitte abgeschlagen. Hierauf drang Jung Heinrich in das Kloster ein, trieb die Mönche aus und nahm eine Menge von Wertsachen in Besitz, die nach oberflächlicher Berechnung einen Wert von 22000 Schillingen hatten. Vor seinem Abschied verpfändete er schriftlich sein Wort. daß er den Verlust ersetzen werde, den das Kloster durch ihn erlitt 2).

 

Nachdem er damit die Forderungen seiner Brabanzonen auf einige Zeit hinaus befriedigt hatte, führte sie der junge König vor Ostern (17. April) nach Angoulême 3). Auf seine Bitte dichtete jetzt Bertrand von Born sein Sirventes „Jeu chan que l reis“ 4). Der Troubadour lebte der Hoffnung, daß seine Partei endlich gewinnen, daß die Franzosen, Normannen und Flamländer sich dem Kampfe anschließen und so die Macht der Verbündeten vermehren würden. Die Hilfe des Königs Philipp August versuchte er sich dadurch zu sichern, daß er ihm mit dem Verluste seines Ruhmes drohte, wenn er nicht Jung Heinrich helfen wolle.

 

Der ältere König erkannte sehr wohl die Gefahr der Lage, und da er einen allgemeinen Aufstand in allen Teilen seines Gebietes fürchtete, gab er Befehl, diejenigen festzunehmen, welche in dem vorhergehenden Aufstande am tätigsten gewesen waren 5). Obgleich er durch König Alfons II. von Aragon 6) und durch andere unterstützt wurde, hing er hinsichtlich seines Erfolges doch stark von seinen normannischen Truppen ab. Zweifellos verursachte ihm besonders in bezug auf die Unruhe in Maine, Anjou und der Bretagne 7) die Annahme große Sorge, daß, wie es ja

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1) Dép. Creuse, Arr. Gnéret.

2) Gottfried von Bruil, Rec. 18, 216. Chroniques de Saint-Martial de Limoges 190.

3) Gottfried von Bruil, Rec. 18, 217.

4) Stimming. Textausgabe Nr. 7, S. 68, Leben Nr. 14, S. 152. Thomas Nr. 5, S. 19. Clédat 52. Boysson 140.

5) Gesta 1, 294. Unter jenen, die festgehalten wurden, waren die Grafen von Gloucester und Leicester, sowie die Gemahlin des letzteren.

6) Gesta 1, 303.

7) W. Map, De nugis eurialium 139. Gerold von Barri 8, 271. Gottfried von Bruil. Rec. 18, 218. Brief Peters von Blois an Radulf, den Bischof von Angers. „Sicut de invaletudine“. (Rec. 19, 217. Migne Nr. 619, S. 214).

 

 

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auch möglich erscheint, in den Reihen dieser Truppen viel Unzufriedenheit herrsche 1). Nachdem er zu Limoges Ostern (17. April) gefeiert hatte, zog er sich von der Belagerung der Burg zurück, und die Bürger setzten die Stadt in Verteidigungszustand 2).

 

Kurz nachher erschien Jung Heinrich vor Limoges, konnte aber nicht in die Stadt einziehen. Sein Betragen in der letzten Zeit hatte dem Volke über seinen wirklichen Charakter die Augen geöffnet, und jetzt rollten sie Steine von den Mauern auf ihn hernieder. Geschrei ertönte und W orte wie: „Wir wollen diesen Mann nicht über uns regieren lassen“. Von Limoges aus zog er weiter nach Aixe und nahm die Burg am 23. Mai ein. Dann wendete er sich gegen Grammont 3) und beranbte die Mönche ihrer Reichtümer, unter denen sich eine goldene Monstranz in Gestalt einer Taube befand, eine Gabe des älteren Königs 4). Das Kloster zu La Couronne 5) wurde geplündert und mehrere Kirchen in der Nähe ausgeraubt. Am 26. Mai 6) kam er nach Uzerche 7), begleitet von dem Herzog Hugo von Burgund und dem Grafen Raimund von Toulouse. Am Abend empfing er, allerdings mit Widerwillen, die Mönche, in der Hoffnung, von ihnen und von den Bewohnern der Stadt Geld zu bekommen. Bereits zu dieser Zeit war er erkrankt. Trotzdem reiste er am nächsten Tage nach Donzenac 8) ab und erreichte am Tage danach Martel 9). Von hier aus ging er nach Rocamadour 10), plünderte den Schrein von St. Amadour 10) und schleppte den Kirchenschatz weg 11). Weiter beabsichtigte er einen Angriff auf die Klöster von Dalon 12) und Obazine 13), aber

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1) Bertrand von Born, „Jeu chan que l reis“ Zeilen 46-48. Vgl. oben S. 71 Anm. 4.

2) Gottfried von Bruil, Rec. 18, 217.

3) Dép. Haute-Vienne, Arr. Limoges, Kt. Laurière.

4) Gottfried von Bruil, Rec. 18, 217.

5) Dép. Charente, Arr. u. Kt. Angoulême.

6) An diesem Tage trafen sich auf Befehle des Königs Erzbischolf Richard von Canterbury, die Bischöfe Heinrich von Bayeux, Johann von Évreux, Radulf von Lisieux und Froger von Sées mit den Äbten von der Normandie im der Kirche von St. Stephan zu Caen, und mit Ausnahme Jung Heinrichs exkommunizierten sie alle welche die bestehenden Streitigkeiten zwischen dem Könige und seinen Söhnen noch begünstigten. (Gesta 1, 300 Roger von Howden 2 278). Vgl. Brief Peters von Blois an Jung Heinrich, „Si quid durum“. (Rec. 19, 269. Migne Nr. 17, S. 137).

7) Dép. Corrèze, Arr. Tulle.

8) Dép. Corrèze, Arr. Brive.

9) Dép. Lot, Arr. Gourdon.

10) Dép. Lot, Arr. Gourdon, Kt. Grammat.

11) Gottfried von Bruil, Rec. 18, 217. Roger von Howden 2, 278.

12) Dép. Dordogne, Arr. Périgueux, Kt. Excidenil.

13) Dép. Corrèze, Arr. Brive, Kt. Beynat.

 

 

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seine Pläne mußten wegen seiner sich verschlimmernden Krankheit unausgeführt bleiben 1).

 

Jung Heinrichs Tod und Begräbnis (11. Jun 1183; 22. Juli 1183).

 

Der junge König kehrte nach Martel zurück. Hier litt er an Fieber und Ruhr 2). Er verlebte den Pfingsttag (5. Juni) ohne das Abendmahl zu nehmen, aber am darauffolgenden Dienstag empfing er es, und indem er sich nackt auf den Boden hinwarf, beichtete er seine Sünden in Gegenwart des Bischofs Gerold von Cahors, des Wilhelm de Tignères, früheren Abtes von Dalon, und des Pons d'Espali, des Priors von Royas 1). In dem Bewußtsein, daß sein Ende nahe war, bat er um eine Unterredung mit seinem Vater. Der ältere König jedoch wurde durch seine Freunde von der Erfüllung der Bitte abgehalten, da sie Verrat fürchteten 3). Er schickte aber einen kostbaren Ring als Zeichen seiner Liebe durch den Bischof Bernhard von Agen und den Grafen Rotrod von Perche. Jung Heinrich nahm die Gabe mit Freuden an und drückte abermals den Wunsch, seinen Vater zu sehen, aus, indem er gleichzeitig die Hilfe Gottes. der Jungfrau und aller Heiligen, besonders St. Martials, anrief 1). Dann schickte er einen Bischof zum älteren Könige mit einem Briefe 1), der mit seinem eigenen Siegel gesiegelt war, und an diesem befestigte er den eben erhaltenen Ring. Durch diese Sendung suchte er Verzeihung für sich selbst, Gnade für seine Mutter, welche sich noch als Gefangene in der Burg von Salisbury befand. freigebige Fürsorge für seine Gemahlin und Mitleid für seine Waffengefährten, besonders für den Vizegrafen Ademar und die Bewohner von Limousin zu erlangen. Dann flehte er seinen Vater an, den Schaden wieder gut zu machen, den er, Jung Heinrich, angerichtet hatte, und die Kirchen zu entschädigen, welche er beraubt hatte, besonders das Kloster von St. Martial. Er bat darum, in Rouen beerdigt zu werden, verlangte aber. daß sein Leichnam in Limoges bleiben solle, bis der ältere König diejenigen schadlos gehalten habe, die durch seine Leute heranbt worden wären. Er drückte auch den Wunsch aus, daß seine Augen, sein Gehirn und seine Eingeweide

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1) Gottfried von Bruil, Rec, 18, 217.

2) Gesta 1, 300--301. Roger von Howden 2. 278.

3) Wilhelm von Newburgh 1, 233 234.

4) Gesta 1, 300-- 301.

 

 

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in dem Kloster von St. Martial beigesetzt würden. Schließlich schloß seine Bitte noch den Wunsch ein, daß seinem Gefolge alles bezahlt würde, was ihm gebührte 1).

 

Am Sonnabend, den 11. Juni, empfing Jung Heinrich gegen fünf Uhr des Morgens 2) die letzte Ölung. wonach er seine Sünden sowohl geheim wie öffentlich beichtete 3). Dann bat er, daß man ihm das Kreuz auf die Schultern hefte 4). Da er es selbst nicht nach dem heiligen Lande tragen konnte, bat er Wilhelm Marschall flehentlich, dies an seiner Statt zu tun. Nachdem sein treuer Gefährte versprochen hatte, die Gelübde für den Kreuzzug zu erfüllen 5), bereitete sich der junge König auf sein Ende vor. Er ließ sich in ein härenes Hemd kleiden und einen Strick um den Hals legen, und dann überließ er sich den Tröstungen des Bischofs Bernhard von Agen und anderer Geistlicher, welche sein Lager umstanden 6). Gegenwärtig waren auch der Herzog Hugo von Burgund, der Graf Raimund von Toulouse und Wilhelm IV., der Kastellan von St. Omer 7). Auf seinen eigenen Befehl wurde er mittels des Strickes von seinem Lager heruntergezogen und auf ein Bett von Asche gelegt. Ein großer viereckiger Stein wurde ihm sodann zu Häupten und ein anderer zu Füßen gestellt 8). Und so starb er gegen fünf Uhr nachmittags 9) in dem Hause Stephans des Schmiedes 10).

 

Der Tod des jungen Königs gab zu fast allgemeinem Schmerze Anlaß. Besonders verhängnisvoll war er für den aquitanischen Bund, da die Rebellen ihren Führer verloren hatten und infolgedessen bald zur Unterwerfung gezwungen wurden. Der

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1) Gottfried von Bruil, Rec. 18, 220. Gesta 1, 300-301. Jung Heinrich starb, ehe die Boten mit König Heinrichs Verzeihung Martel erreichten.

2) Über die Zeitrechnung vgl. Grotefend 1, 184.

3) Gottfried von Bruil, Rec. 18, 217. Roger von Howden 2, 278.

4) Gesch. Wilhelm Marschalls 6864-- 6984.

5) Über die Erfüllung dieses Versprechens vgl. Gesch. Wilhelm Marschalls 7274-7287

6) Vgl. den Brief des Bischofs von Agen an den Papst (Vorrede zu Roger von Howden 1, 67).

7) Vgl. ihre Briefe an den Papst (Martène et Durand, Amplissima collectio 1, 952. 953. 952). Über den Brief des Herzogs von Burgund vgl. auch Petit, Histoire des dues de Bourgogne 4, 480 Nr. 3025 und A. Cartellieri, Philipp II. Augnst 1, 216 Anm. 4 und Nachträge 141. Obgleich O. dux Burgundiae in dem Briefe gedruckt steht, so ist es doch höchst wahrscheinlich, daß er sich auf Hugo III. bezieht.

8) Roger von Howden 2, 279.

9) Über die Zeitrechnung vgl. Grotefend 1, 184.

10) Gottfried von Bruil, Rec. 18, 218. Das Haus zu Martel, in welchem Jung Heinrich starb, wird jetzt „la maison anglaise“ genannt. Vgl. Chaudruc de Crazannes, Essais arch. et hist. 18.

 

 

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Herzog Hugo von Burgund und der Graf Raimund von Toulouse kehrten sofort in ihre Heimat zurück. Am 24. Juni ergab sich die Burg von Limoges, und der Aufruhr war tatsächlich zu Ende 1). König Heinrich zog nordwärts und nahm die Unterwerfung des Prinzen Gottfried zu Angers entgegen. Dann bewerkstelligte er eine Versöhnung zwischen Richard und Gottfried 2).

 

Sofort nach Jung Heinrichs Hinscheiden begann man zu Martel Vorbereitungen für die Überführung seiner Leiche nach Rouen zu treffen. Nach der Herausnahme des Gehirns und der Eingeweide wurde der Körper mit Salz behandelt und, in dieser Weise präpariert 3), auf eine Totenbahre gelegt, welche seine Gefährten auf ihren Schultern zu tragen sich erboten hatten 4). Am 12. Juni setzte sich der Trauerzug nach Uzerche im Bewegung, indem man den Weg über Brive nahm 5) Trotz der obenerwähnten Plünderungen und Räubereien waren die Gefolgsleute des Jungen Königs völlig mittellos und verzweifelt. Auf der Reise hatten sie die größten Schwierigkeiten, Nahrung zu erhalten; sogar ein kostbares Pferd mußte verpfändet werden, um Lebensmittel zu beschaffen. Es wird auch erzählt, daß ein Mitglied des königlichen Haushaltes eines seiner Kleidungsstücke hergeben mußte, um dafür etwas Eßbares einzutauschen. Während des Aufenthaltes im Uzerche mußte der dortige Abt Bernhard für alle ihre Bedürfnisse sorgen. An dem der Ankunft folgenden Tage, dem 13. Juni, betrug das vollständige Opfer für die Totenmesse, die bei Tagesanbruch gehalten wurde nur 12 Pfennige, und selbst diese schäbige Summe unterschlug der Kaplan des jungen Königs. In Uzerche versammelten sich der Vizegraf Ademar von Limoges. Eschivat von Chabanais 6), Gottfried von Lusignan und viele andere, um dem Andenken des jungen Königs Ehre zu erweisen, und am 15. folgte Vizegraf Ademar der Leiche seines früheren Waffengefährten bis nach Grammont 1).

 

Ungefähr zu dieser Zeit kamen die Nachrichten über das Schicksal Jung Heinrichs zu den Ohren seines Vaters, welcher ein Lager bei dem Zusammenfluß der Briance und der Vienne

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1) Gottfried von Bruil, Rec. 18, 218.

2) Gesta 1, 304.

3) Gesta 1, 301. Roger von Howden 2, 280.

4) Radulf de Diceto 2, 20.

5) Gottfried von Bruils Bericht über die Überführung von des jungen Königs Leichnam von Martel bis nach Grammont bietet besonderes Interesse, weil der Autor selbst ungefähr um fünf Uhr am Nachmittag des 12. Juni den Leichenzug sah, wie er sich Uzerche näherte (Gottfried von Bruil, Rec. 18, 218).

6) Chabanais, Dép. Charente, Arr. Confolens.

 

 

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bezogen hatte. Gegen vier Uhr nachmittags erschien ein Mönch aus Grammont, Bernhard de Reysat, vor dem Könige, welcher sich in das Haus eines Bauern zu La Salesse zurückgezogen hatte, um der großen Hitze zu entgehen 1). Als Antwort auf Heimrichs Bitten um Mitteilung von neuen Nachrichten erwiderte Bernhard, daß er Träger keiner guten Nachrichten wäre. Der König verstand was er meinte und fiel dreimal in Ohnmacht 2). Dann befahl er allen, ihn allein zu lassen und benachrichtigte Richard, welcher gerade die den Rebellen zugetane Burg von Aixe belagerte 3).

 

Vor dem Tode des jungen Königs waren der Bischof Theobald von Nevers und der Abt Theobald von Cluny mit Briefen des Papstes angekommen, die die Wiederherstellung des Friedens zwischen Vater und Sohn forderten, bei Strafe der Exkommunikation. Da aber der Zweck ihrer Sendung inzwischen erledigt war, machten sie sich auf den Weg nach Grammont, um die sterblichen Reste des jungen Königs aufzusuchen. Hier begingen sie im Verein mit dem Bischof Bernhard von Agen am 14. Juni die Trauerfeierlichkeiten für den Verstorbenen. obgleich Bischof Saibrandus von Limoges erklärte, daß der junge König exkommuniziert sei, bis der Prior Wilhelm von Grammont verspräche, Jung Heinrichs Vater zu zwingen, die geraubten Schätze wieder zu ergänzen 4).

 

In Martel hatte man versucht, Jung Heinrich zu der Erlaubnis zu überreden, daß seine Leiche in Grammont begraben würde. Diesem Ansinnen hatte Jung Hemrich hartnäckig widerstanden 5). So wurde denn der Körper einbalsamiert, im geweihtes weißes Leinen gehüllt und schließlich in Leder verpackt 6). Dann wurde er in einen Zinnsarg gelegt, über welchen ein Leichentuch von grüner Seide geworfen wurde. Nachdem das Gehirn, die Augen und die Eingeweide zu Grammont der Erde übergeben waren 7), nahmen die treuen Genossen den einbalsamierten Leichnam

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1) Gottfried von Bruil, Rec. 18, 218.

2) Gesta 1, 301.

3) Gottfried von Bruil, Rec. 18, 218.

4) Gottfried von Bruil, Rec. 18, 218-219.

5) Vgl. die Briefe des Bischofs von Agen und des Grafen von Toulouse an den Papst (Vorrede zu Roger von Howden 1, 67. Martène et Durand. Amplissima collectio 1, 953).

6) Gottfried von Bruil, Rec. 18, 219. Gesta 1, 301, Matthäus Paris, Chronica majora 2, 318 319.

7) Gottfried von Bruil, Rec. 18, 219. Nach Alberich von Trois-ſontaines 857 wurde Jung Heinrichs Herz zu Martel begraben.

 

 

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wieder auf, und über Saint-Savin 1) kamen sie nach Le Mans. Hier stellten sie ihre Last für die Nacht in dem Chore der Kathedrale ab 2). Am Morgen jedoch verweigerten Geistliche und Bürger der Stadt die Erlaubnis zur Weiterführung der Leiche, worauf man Jung Heinrich eilig dem Altare gegenüber an der Seite seines Großvaters Gottfried Plantegenêt begrub 3). Hierauf ließ der Erzbischof Rotrod von Rouen sagen, daß seine Leute Le Mans zerstören würden, wenn nicht der Leichnam ausgeliefert würde 2). Diese Drohung erwies sich als vergeblich und Papst 4) und König wurden gebeten, einzugreifen. Archidiakon Ivo von Rouen und Robert von Neubourg, Domdekan von Rouen, besprachen sich mit Heinrich II., welcher mit Erzbischof Richard von Canterbury nach Le Mans kam, um die schwebende Streitfrage zu ordnen 5). Nachdem der König beide Parteien gehört hatte, befahl er die Auslieferung der Leiche 6). Die Normannen besetzten die Kirche, gruben den Leichnam aus und führten ihn über Sées 7) nach Rouen. Am 22. Juli erreichte der Zug seinen Bestimmungsort und wurde durch die Geistlichkeit in der Kirche von St. Marien feierlich empfangen 8). Die Erzbischöfe Rotrod von Rouen und Richard von Canterbury leiteten den Trauergottesdienst unter Beistand der Bischöfe der Normandie und anderer, und der Körper wurde auf der linken Seite des Altars beigesetzt 9).

 

Bei Gelegenheit der Höherlegung des Hochaltars (1734--36) wurde die Grabstätte Jung Heinrichs zerstört, seine Bildsäule umgestürzt und an der Stelle eine einfache Inschrift angebracht 10).

 

Als man im Oktober 1866 in der Kathedrale nach etwaigen Überresten des Grabes forschte, entdeckte man unter einigen anderen Überresten die verstümmelte Bildsäule links vom Hochaltar im Schutte des Fußbodens und förderte sie ans Licht, worauf

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1) Thomas Agnellus, De Morte et sepultura Henrier regis junioris 268. Saint-Savin, Dép. Vienne, Arr. Montmorillon.

2) Gesta 1, 303.

3) Annales Normannici 346. Thomas Agnellus 268-269. Gesta 1, 303. Roger von Howden 2, 280. Gesch. Wilhelm Marschalls 7155-7174. Radulf de Diceto 2, 20 sagt, der Grund, warum sie den jungen König zu Le Mans begraben haben wollten, war, daß sein Großvater dort beerdigt war.

4) Vgl. den Brief des Bischofs von Agen an den Papst (Vorrede zu Roger von Howden 1, 67).

5) Chron. Rotomag., Rec. 18, 357.

6) Gesta 1, 303. Robert von Torigni 2, 121.

7) Thomas Agnellus 270. Nach diesem Schriftsteller wurde Jung Heinrichs Körper für die Zeit von 34 Tagen in Le Mans beerdigt.

8) Chron. Rotomag., Rec. 18, 357--358.

9) Robert von Torigni 2, 121.

10) Deville, Tombeaux de la cathédrale de Rouen 35. 43.

 

 

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sie im Museum zu Rouen aufgestellt wurde, wo sie sich heute noch befindet 1). Besuchen wir heute die Kathedrale zu St. Marien in Rouen, so redet zu uns ein neues geschmackvolles Grabmal von des jungen Heimrich Leben und Sterben 2).

10

Rückblick.

 

Es ist schwer, bei flüchtiger Beobachtung die unzweifelhafte Beliebtheit des jungen Königs zu erklären, welche die meisten Schriftsteller des Zeitalters bezeugen. Selbstsüchtig, ohne feste Grundsätze, schwach von Charakter. Wachs in den Händen böser Ratgeber 3), bietet er in seinem ganzen Leben ein Bild der Treulosigkeit und Undankbarkeit dar. Und doch, trotzalledem, vermochte er die Liebe eines Mannes wie Wilhelm Marschall zu gewinnen. Man sagte sogar, daß einer seiner persönlichen Freunde jeden Trost bei der Nachricht von seinem Tode zurückwies und freiwillig den Hungertod starb 4). Der Streit der Bürger von Le Mans und Rouen um den Besitz seines Leichnams ist ein weiterer Beweis für das Ansehen, in welchem er stand 5). So seltsam es auch scheinen mag, er wurde fast als Märtyrer angesehen. Man berichtete von Wundern, welche sich an verschiedenen Stellen ereignet haben sollen, wo sein Leichnam gelegentlich der Überführung nach Rouen niedergelegt wurde 6).

 

Die Lösung des Rätsels von Jung Heinrichs Beliebtheit ist dennoch nicht so schwierig. Er besaß gerade jene Eigenschaften, welche von Natur die Seele des Volkes ansprechen. Er war groß und schön und hatte ein angenehmes Wesen. Seine Manieren waren liebenswürdig, und seiner Überrednungskunst konnten nur wenige widerstehen. Von leichtem Temperament, liebte er das Vergnügen über alles. Er hatte eine offene Hand und konnte

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1) M. Pabbé Cochet, Déconverte du tombeau de la statue de Henri-Court-Mantel 93–102.

2) Deville, Tombeaux de la cathédrale de Rouen 43-48. Über die Urkunden, in denen verschiedene Gaben bewilligt werden zugunsten des Seelenheils Jung Heinrichs vgl. Deville 43. Round, Calendar of Documents 1, Nr. 39. 40. 41. 47. 18. 19. 58. 353. 1101. A. Cartellieri, Philipp II. August 2, 297 Anm. 1.

3) Vgl. Gesta 1, 82 zu 1175.

4) Gottfried von Bruil, Rec. 18, 219.

5) Vgl. oben S. 77.

6) Thomas Agnellus, De morte et sepultura Henrici regis junioris 265-272. Wilhelm von Newburgh 1, 233 231 fühlte sich verpflichtet, das Geschehen von ähnlichen Wundern an seinem Grabe abzuleugnen.

 

 

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niemandem etwas abschlagen. Man betrachtete ihn in der Tat als die Verkörperung der Freigebigkeit 1).

 

Außerdem war er voller Lebhaftigkeit und fand seine höchste Freude an den Turnieren. Seine Gewohnheit, an seinem Hofe so viele der besten Ritter zu unterhalten, als er finden konnte, wurde von anderen nachgeahmt. Durch diese Mittel war der Ritterschaft neue Anregung gegeben worden, und der junge König wurde als die Seele dieser Neubelebung betrachtet. Seine Begeisterung übertrug sich auch auf andere, und damit wuchs seine Beliebtheit unter dem festländischen Adel 2).

 

Obgleich er sich auf seinem Totenbette außerordentlich bußfertig gezeigt hatte 3), kann man Jung Heimrich doch nicht einen religiögen Menschen nennen. insbesondere dann nicht, wenn man sich die Ereignisse des letzten Aufstandes ins Gedächtnis zurückruft. Seine Freundschaft mit Becket ließ jedoch das Volk eine Menge von Sünden übersehen und gewann ihm wahrscheinlich die Achtung von vielen Geistlichen.

 

Andererzeits trug seines Vaters und seines Bruders Richard Unbeliebtheit viel dazu bei, ihm die Gunst der Menge zu sichern. Der alte Adel und andere, die unter der schweren Herrschaft des älteren Königs und des Herzogs von Aquitanien gelitten hatten, sahen im Jung Heinrich einen Fürsten nach ihrem Herzen, unter dem noch einmal volle Freiheit zu gewinnen sie für möglich hielten: das beweist schon der Aufstand von 1173 und jener von 1183.

 

Vielleicht können wir aus dieser selben Abneigung gegen seinen Vater den Eindruck erklären, den er auf einige zeitgenössische Schriftsteller machte. Gervasius von Canterbury stand dem Könige auf kirchlichem Gebiet gegenüber 4), Thomas Agnellus war ein Parteigänger der Königin Eleonore in ihrer lang hinausgezogenen

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1) Annalen von Winchester 62. Anonym. Laudun., Rec. 18, 704. Chroniques de Normandie 68. Chron. S. Mart. Turon., Rec. 18, 291. Enlogium Historiarum 3, 91. Gerold von Barri 5, 193--195. 198. 303; 8, 248. Gottfried von Bruil 18, 216. Gervasius von Tilbury 446-447. Gesta 1, 302. Gislebert § 70. 104. Guiot von Provins 41. Herbert von Bosham, Vita S. Thomae 459. Histoire des rois d'Angleterre 69. 71. Philipp Monsket 18864---18875. 18996---18999. Peter Riga Zeile 125 (S. 10, Z. 13). Robert von Torigni 2, 120-121. Roger von Howden 2, 4. W. Map, De nugis curialium 139-140. Vgl. das Gedicht „Da plaudens organo“ hrg. von C. L. Kingsford in der E. H. R. 5 (1890) 315, welches wahrscheinlich zu Ehren des jungen Heinrich geschrieben worden ist.

2) Gesch. Wilhelm Marschalls 2636-2667. König Heinrich II. hatte die Turniere in England verboten, daher fanden alle diejenigen, an welchen Jung Hemrich teilnahm, auf dem Festlande statt.

3) Vgl. oben S. 74.4

4) Vgl. Stubbs, Vorrede zu Gervasius von Canterbury 1, 47.

 

 

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Gefangenschaft 1). Radulf Niger betrachtete des Königs Reformen als Betätigungen tyrannischer Einmischung in feudale Freiheiten 2). Gerold von Barri genoß, wie wir wissen, zu Lebzeiten des jungen Königs eine Zeitlang nicht die Gunst Heinrichs II. 3). Jedenfalls sehen wir in ihnen allen warme Anhänger Jung Heinrichs 4). Gerold von Barri ergeht sich über ihn in ganz außergewöhnlichen Lobeserhebungen, welche die Gefühle vieler verschiedener Bewunderer kurz zusammenfassen, wie folgt:

 

Omnis honoris honos, decor et decus urbis et orbis:

Militiae splendor, gloria, lumen, apex:

Julius ingenio, virtutibus Hector, Achilles

Viribus. Augustus moribus, ore Paris 5).

 

So seltsam es erscheinen mag, fand Jung Heinrich doch auch Anhänger unter den Freunden seines Vaters. Der König war immer nachsichtig gegen seine Kinder, und er liebte seinen Sohn Heinrich zärtlich. Die Folge war, daß Männer wie Robert von Torigni 6) und Peter von Blois 7), die seine vollste Achtung zu erringen wünschten, keine Gelegenheit versäummten, die Tugenden des jungen Königs hervorzuheben.

 

Man darf nicht zu viel Gewicht auf die Verherrlichungen Jung Heinrichs durch Bertrand von Born und andere Dichter, wie Gaucelm Faidit 8), Guirant de Calanson 9) und Raimon Vidal 10), legen. Besonders ist betreffs der Äußerungen Bertrand von Borns Vorsicht geboten. Mit großer Mühe hatte er Jung Heinrich bewogen. dem Bündnisse von Aquitanien im Jahre 1183 beizutreten, und sein vorzeitiges Ende vernichtete die Hoffnungen des Troubadours gänzlich. In seinen zwei schönen Gedichten „Mon chan

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1) De morte et sepultura Henrici regis junioris 272 273.

2) Vgl. Stubbs, Vorrede zu Roger von Howden 2, 58.

3) Gerold von Barri 1, 42.

4) Gervasius von Canterbury 1, 304--305. Thomas Agnellus 267--273. Radulf Niger 1, 92.

5) Gerold von Barri 5, 191. Gervasius von Tilbury 447 vergleicht Jung Heinrich mit Paris und Hector. In dem Vorwort der „Otia“ berichtet uns er, daß er schon früher auf Veranfassung Jung Heinrichs ein „Liber Facetiarum“ verfaßt hätte, Dieses Werk ist jedoch unglücklicherweise verloren gegangen. Vgl. Vorrede zu Radulf von Coggeshall 29.

6) Vgl. Robert von Torigni 2, 120--121.

7) Vgl. seinen Brief an König Heinrich, „Audivi, et conturbatus“, (Rec. 19, 272. Migne Nr. 2, S. 3).

8) Stimming, Bertran de Born 40. Diez, Leben und Werke der Troubadours 299.

9) Stimming, Bertran de Born 40, Diez, Leben und Werke der Troubadours 427. Kannegießer 218.

10) Stimming, Bertran de Born 10, Diez, Die Poesie der Troubado2urs 57.

 

 

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fenise“ 1) und „Si tuit li dol“ 2) drückt Bertrand seinen Schmerz über Jung Heinrichs Ableben aus. Sein Kummer war zweifellos aufrichtig, doch ist es möglich, daß er gleichzeitig den Zorn des älteren Königs gegen sich selbst dadurch zu mildern hoffte, daß er dessen Sohnes Ruhm pries 3).

 

Jung Heinrich hatte durch seine Aufstände nichts für sich gewonnen, sondern nur die Pläne seines Vaters durch den Verbrauch der Machtmittel des Reiches schwer gestört 4). Man muß ihn für sehr vieles Üble verantwortlich machen. Denn daß König Heinrich II. seine umfassende Weltpolitik nicht durchführen konnte, lag hauptsächlich an den Aufständen Jung Heinrichs und seiner Brüder.

 

Wenn man zum Schlusse Jung Heinrich nach Verdienst beurteilen will, so muß man sagen: während seines ganzen Lebens erreichte er nichts dauernd Wertvolles, sondern was von ihm ausging, war entweder für das Reich unnütz oder für seinen Vater und für die Wohlfahrt der englisch-normannischen Lande hinderlich.

 

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1) Stimming, Textansgabe Nr. 8, S. 70, Leben Nr. 26, S. 173. Diez, Leben und Werke der Troubadours 168. Clédat 53-54. Thomas Nr. 6, S. 24. Boysson 160.

2) Stimming, Textausgabe Nr. 9, S. 72, Leben Nr. 41, S. 212. Diez, Leben 169. Clédat 53. Thomas Nr. 7, S. 28. Boysson 158. Kannegießer 167. Zeller et Luchaire, Philippe-Auguste et Louis VIII. 16.

3) Vgl. seine Rede bei der Einnahme seiner Burg im Juli 1183 (Stimming, Textausgabe S. 79, Leben S. 115. Diez, Leben 170. Clédat 58. Boysson 178). In bezug auf Bertrand von Borns Verbindung mit Jung Heinrich sah Dante Bertrand in der Hölle seinen eigenen Kopf in den Händen tragen, zur Strafe für den schlimmen Rat, welchen er Jung Heinrich gegeben hatte (Inferno XXVIII, 118--142). Vgl. Diez, Leben 157. Toynbee, „Il re giovane“ 274.

4) Vgl. A. Cartellieri, Die Machtstellung Heinrich II. von England 281.

 

 

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Anhang.

 

Die Urkunden Jung Heinrichs sind leider sehr gering an Zahl. Die folgenden sind die einzigen, deren Existenz wir kennen.

 

1. 1170? Woodstock, eine Urkunde zugunsten der Abtei Ramsey. Hart and Lyons, Cart. Monast. de Rameseia 1, 254.

2. 1170-1183, ein Brief an den Erzbischof von Rouen und andere, welcher besagt, daß er die Kommune bestätigt hat, welche zugunsten der Bürger von Eu durch den Grafen Heinrich gewährt worden war. Round, Calendar of documents preserved in France 1, Nr. 1418.

3. 1171 Bures, eine Urkunde zugunsten der Abtei Montebourg. Round, Calendar of documents preserved im France 1, Nr. 887.

4. 1171-1177 Chinon. eine Urkunde zugunsten der Nonnen von Fontevrault. Round, Calendar of documents preserved in France 1, Nr. 1066.

5. 1173? Eine Urkunde zugunsten der Kirche von Préaux. Round, Calendar of documents preserved im France 1, Nr. 349.

6. 1174? Quevilly nahe bei Rouen. die Bestätigung einer Schenkung für die „maison du Mont-aux-Malades“. Einleitung zur Geschichte Wilhelm Marschalls 3, 33.

7. 1175 Westminster, die Bestätigung eimer Schenkung an Walther von Coutances. Round, Calendar of documents preserved im France 1, Nr. 31.

8. 1175 Westminster, die Bestätigung einer anderen Schenkung an Walther von Coutances. Round, Calendar of documents preserved in France 1, Nr. 33.

9. 1175? Woodstock, eine Urkunde für die Christuskirche zu Canterbury. Britisches Museum, Cotton Charters VI, 1.

10. 1177 Argentan, eine Urkunde für die Abtei Waltham. Eyton 219.

 

 

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Es ist beinahe unmöglich. den Hof des jungen Königs aus Zeugen dieser Urkunden mit irgendwelcher Sicherheit zusammenzustellen. Indessen scheinen die folgenden Personen mit größerer Regelmäßigkeit in seiner Umgebung verweilt zu haben als die übrigen: Adam von Iquebeuf 1), Gerhard Talebot 2), Robert von Tresgoz 3), Simon de Marès 4), Wilhelm von Dives 5) und Wilhelm Marschall 6).

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1) Adam von Iquebeuf war ein Anhänger Jung Heinrichs (1173) Gesta 1, 16. Er war mit dem jungen König bei dem Turnier zu Lagny-sur-Marne. Vgl. oben S. 59 und Gesch. Wilhelm Marschalls 4685. Später nahm er teil an der Verschwörung gegen Wilhelm Marschall, vgl. oben S. 63 und Gesch. Wilhelm Marschalls 5149.

2) Ein Parteigänger des jungen Königs aus dem Jahre 1173 (Gesta 1, 46). Er war in Jung Heinrichs Gefolge bei dem Turnier zu Lagny-sur-Marne (Gesch. Wilhelm Marschalls 4677).

3) Robert von Tresgoz war auf der Seite Jung Heinrichs im Jahre 1173 (Gesta 1, 46). Er war mit dem jungen König bei dem Turnier zu Lagny-sur-Marne (Gesch. Wilhelm Marschalls 4693).

4) Anhänger Jung Heinrichs (1173), Gesta 1, 46. Bei dem Turnier zu Lagny-sur-Marne war er in dem Gefolge Jung Heinrichs (Gesch. Wilhelm Marschalls 4623).

5) Ein Parteigänger des Jungen Königs aus dem Jahre 1173 (Gesta 1, 46). Er war mit Jung Heinrich bei dem Turnier zu Lagny-sur-Marne (Gesch. Wilhelm Marschalls 4701).

6) Vgl. oben S. 12. 54---56. 58--59. 63. 69. 74.

 

 

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Lebenslauf.

 

Charles Edward Hodgson wurde am 14. Januar 1877 zu Dewsbury (England) geboren und besuchte von 1886--1893 „The Friends School at Ackworth“. Nach einer vierjährigen Lehrtätigkeit in derselben Schule und eimem dreijährigen Universitätsstudium auf „The Yorkshire College (Victoria University)“ promovierte er daselbst als B. A. 1901 bestand er sein Examen für den M. A. Grad. Von 1901--1904 war er als Lehrer in „The Friends' School, Saffron Walden“ angestellt. In 1904 kam er nach Deutschland und hörte vier Semester an der Universität Jena (Professoren Cartellieri, Dove, Keller, Mentz).

 

Es sei ihm gestattet, Herrn Prof. Dr. A. Cartellieri seinen verbindlichsten Dank abzustatten für die freundliche Hilfe, die er ihm bei Anfertigung dieser Arbeit gewährte.